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22. Januar.– Diese Woche liess Thiers Behaine zum Diner zu sich bitten, um seine Eindrücke von Deutschland zu erfahren. Thiers aber erlaubte ihm gar nicht, den Mund zu öffnen, und die ganze Zeit über erzählte der Präsident der Republik dem Botschafter von seinen Unterhandlungen mit Bismarck.
Nach den tiefsinnigen Studien, die der Geschichtschreiber der Revolution darüber gemacht hat, sei Herr von Bismarck ein Ehrgeiziger, aber »er hätte keine bösen Gefühle gegen Frankreich «. Im Grunde, trotz aller Malice, die er fast zugab, verzeihe Thiers Bismarck beinahe, und zwar aus einem ganz besonderen Grunde. Während der Verhandlungen um Belfort nämlich hätte der preussische Minister, der wusste, dass Thiers die Gewohnheit hatte, während des Tages eine Siesta zu halten, ihm die Füsse mit einem Paletot einwickeln lassen, damit er nicht friere. Man muss sich wirklich beglückwünschen, dass diese Aufmerksamkeit Frankreich nicht Belfort gekostet hat.
11. Februar. – Heute warf Nigra, beim Diner bei Brébant, – als stelle er ein Experiment mit uns an – den Vorschlag ins Gespräch, uns als König von Frankreich seinen eigenen König zu geben. Ja, er hatte die Frechheit, uns tief mitleidig anzubieten, dass Victor Amadeus, der einzige und wahre König der lateinischen Rassen, der unsere werde. Ich weiss wirklich nicht, aber ich glaube, dass dieses Anerbieten, das Haus Savoyen auf den französischen Thron zu setzen, die grösste Unverschämtheit ist, die mein Vaterland bisher zu ertragen gehabt hat.
5. März. – Ich speise heute abend mit Sardou. Ich hatte ihn schon einmal oder zweimal gesehen, aber niemals mit ihm gesprochen.
An Sardou ist nichts von Dumas, nichts von jener hochmütigen Verachtung gegen Leute, die er nicht kennt. Sardou ist ein gutmütiger Fürst. Er nimmt alle Leute so, als wären sie seinesgleichen. Üebrigens ist er geschwätzig, sehr geschwätzig, und zwar geschwätzig wie ein Geschäftsmann. Er spricht nur von Geld, nennt Ziffern, Einnahmezahlen. Nichts an ihm lässt den Schriftsteller erkennen. Wird er lustig oder geistreich, so ist es der Geist des Komödianten, der aus seinen schmalen Lippen dringt. Ein wenig weitschweifig, wenn er von sich selbst spricht, erzählt er lang und breit von dem Verbot seines amerikanischen Stückes. Bei dieser Gelegenheit kommt ein hübsches Detail über Thiers heraus. Auf die Bemühungen des Vaudevilletheaters, von Thiers Erlaubnis zur Aufführung des Sardou'schen Stücks zu erlangen, liess Thiers antworten, das sei eine unmögliche Sache: das amerikanische Volk sei augenblicklich das einzige Volk, das Paris Geld verdienen lasse; man dürfe es also nicht verletzen.
Thiers hat wirklich recht, sich zu rühmen, ein kleiner Bourgeois zu sein.
29. April.– Man schreibt Jules Simon folgendes geistreiche Wort zu; jemand soll ihm gesagt haben, er führe Thiers, wohin er wolle, darauf hätte er geantwortet: »Ja, es ist wahr, ich würde ihn ganz in der Hand haben, wenn ich ihm die Ueberzeugung beibringen könnte, dass ich unehrlich bin!«
24.Mai.– An dem Tage, da unsere Geschicke sich in Versailles abspielen, bin ich dort; aber ich bin dort, um Azaleen und Rhododendron zu kaufen.
27. Mai. – Beim Diner bei Brébant habe ich Erfolg mit dem Wort: »Frankreich wird an den pronunciamentos seiner Akademiker zugrunde gehen.«
2. Juni. – Ich kann den Ekel nicht überwinden, wenn ich auf der vierten Seite der Zeitungen unter den bezahlten Anzeigen lese: »Soeben erscheint die zweite Auflage des Werkes: ›Ueber die Lage der Arbeiter in England‹ – eine Arbeit, mit der der Graf von Paris das Werk eines Denkers und Bürgers geschaffen hat.« Prätendenten, die sozialistische Schriftsteller werden – puh!
8. Juni. – Heute früh kommt Félicien Rops zum Frühstück zu mir. Ich hatte nie begriffen, dass er, ein Belgier, schwarzfunkelnde Augen und lockiges Haar hat. Nun klärt er mich auf: Er ist von magyarischer Herkunft. Sein Grossvater war unter jenen Ungarn, die – nicht für Maria Theresia sterben wollten.