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Alison (steht in derselben Haltung wie am Ende des zweiten Aufzugs vor der Türe; man hört) Gautier (herankommen).
Gautier. Wo ist das Weibsbild, das verdammte? Jeanne!
Wo steckt sie? Jeanne!
(Er tritt ein, er hinkt ein wenig)
Alison. O, liebster Gautier
Gautier. Aus meinen Händen ist sie weggeflitzt
Her soll sie kommen, daß ich ihr den Hals
Alison. O, sag doch, bester Mann, was ist geschehn?
Warum bist du zurück
Gautier
(Hut und Degen in einen Winkel schleudernd).
Erwisch ich sie,
So mag ihr Gott genaden! daß die Pest!
Was macht ihr mir nicht auf? Was laßt ihr mich
In Nacht und Nebel vor der Türe stehn,
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Die Kehle heiser brüllen und die Fäuste
Mir blutig trommeln? he? was soll das heißen?
Alison. Bedenk doch unsere Angst
Gautier. Vor wem? vor mir?
's ist nett, verdammt nett, wenn die eigne Frau
Des Mannes Stimme nicht mehr kennen will
Ich schrei wohl wie ein Nachtrab oder Uhu?
Und dies verfluchte Weibsbild
Alison. Tu ihr nichts
Sie hat es gut gemeint
Gautier. Hol sie der Geier!
Ich dresch ihr noch die gute Meinung aus,
Daß ihre Flöhe drob die Köpfe schütteln!
Verflucht nochmal!
Alison. Wir waren so erschreckt
Und ist's ein Wunder? Sieh, wir dachten dich
Fast halbwegs Monterau
Gautier. Ja, wenn die Hexe
(Hält inne)
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Verdammt! was ist denn das für eine Luft?
Es riecht so fremd! der Teufel weiß wonach!
(Schnüffelt zornig)
Alison
(entsetzt).
O Gott! er merkt es
Gautier. Alle Fenster zu?
Es ist ja zum Ersticken!
(Hinkt nach einem und reißt es auf)
Alison
(aufatmend). Gott sei Dank!
Laß doch, ich will schon aber Gautier, sag,
Was ist dir zugestoßen? Gott! du hinkst!
Bist du verletzt? wie kam es denn?
Gautier
(zu einem Stuhle hinkend, denselben, auf welchem Robinet gesessen, grollend).
Ach was!
Was fragst du noch! Wir haben umgeschmissen!
Ein Rad entzwei, und meine Hüfte auch,
Die kaum vom letztenmal her eingerenkt!
Jetzt muß ich noch ein Vierteljahr lang hinken,
Der Teufel hol's doch sag ich dir, dran ist
Nur die vermaledeite Hexe schuld
Ich wußt es ja! Hab's ja vorausgesagt!
Das Satansweib! Doch wart, ich tränk dir's ein!
Ich will nicht ruhn, bis deine mürben Knochen,
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Dein dürres Fleisch darum zum Himmel brenzelt,
Wenn's auch dem Teufel leid sein wird, weil er
Zu wenig denn für sich zu schmoren hat!
Etienne und Mathieu hat sie mir verschläfert
Die Kerle haben ihre Prügel weg!
Dann hat sie mir die Gäule scheu gemacht
Und einen Prellstein an den Weg gehext,
Daß wir dawider rennen mußten, ja!
Ich war gerad ein bißchen eingenickt
Und wach in einem steinigen Graben auf.
Alison. Du ärmster Mann! Doch wenn die Hüfte schmerzt,
Willst du nicht lieber gleich zu Bette gehn?
(Für sich) O brächt ich ihn dazu ich wär gerettet!
Gautier. Den Teufel will ich jetzt zu Bett!
Alison. Doch, Gautier!
Es wäre wirklich gut, du wirst es sehn
Ich will dir einen kalten Umschlag machen!
Gautier. Ach dummes Zeug!
Alison. Es kühlt, ich bitte dich,
Und ist zur Heilung gut! Komm doch zu Bett!
100
Gautier. Ich mag nicht, sag ich dir! Ich hab 'ne Wut,
Daß mich ein Schlag minutlich treffen kann!
Alison. Drum wär es besser, Mann
Gautier. Laß mich in Ruhe!
Und schaff mir eine andre Kühlung her!
Laß einen Krug Burgunder holen! Jeanne!
He, Jeanne! Jeanne! Wo steckt die Bestie denn?
Ruf sie mir her!
Alison. Du wirst sie schlagen?
Gautier. Ruf sie!
Alison (zögernd). Doch tu ihr nichts sie war wie ich voll Angst
Gautier. Du sollst sie rufen! Wird's bald?
Alison. Doch versprich mir
Gautier
(ärgerlich).
Nun ja denn! Eigensinn'ge Weiber!
101
Alison
(hinausrufend). Jeanne!
Wo bist du? komm!
Jeanne
(vor der Türe auftauchend).
Er wird mich sicher schlagen!
Alison. Nicht doch! hab keine Angst!
Gautier. Wein holen sollst du!
Hast du verstanden? he?
Jeanne
(zitternd). Ja, gnäd'ger Herr!
(Nimmt vom Büfett einen Krug und huscht ängstlich davon)
Gautier
(nachrufend). Doch laß mich keine sieben Jahre warten!
Ob du's gehört hast, frag ich dich?
Jeanne (von außen). Ja, Herr!
Gautier. Der Satan mag das Weibervolk regieren!
Wenn das nicht zittert, wird es faul und frech!
Alison. O, bester Mann, du ärgerst dich zu sehr! 102
Gautier. Das soll mal einer nicht
Alison. Es wird dir schaden
Gautier. Kann ich dafür? Da sitz ich sieh mich an!
Wie eine Bombe, die am Platzen ist
Alison. Drum, liebes Männchen, folg mir, geh zu Bett!
Gautier. Zum Henker mit dem Bett, sag ich nochmal!
Raum muß ich haben, wenn's zum Platzen kommt,
Damit die Stücke besser fliegen können!
Alison. Was soll ich tun, um sanfter dich zu stimmen,
Und die Gewitterwolken zu verscheuchen,
Die schwarz und schwer von deinen Brauen hängen?
Komm, Gautier, liebster, sei doch wieder gut
Ich küß nicht gern so einen bittern Mund!
(Jeanne ist eingetreten, stellt einen Krug auf den Tisch, holt dann ein Glas)
Gautier. Mir ist jetzt nicht ums Küssen! schaff mir lieber
So zwei, drei Kerle her, sie umzubringen
(Alison und Jeanne schrecken zusammen)
103
Es zuckt und prickelt mir in allen Fingern,
Als müßt ich heute jemand noch zerkrümeln!
Was machst du denn für ein Gesicht, zum Geier!
Alison (mühsam). Du sprichst so fürchterlich ich habe Angst
Gautier. Ach Unsinn! Hab ich dich gemeint? Schenk ein!
Wo bleibt der Mathieu denn? Sagt ich dir nicht,
Du sollst ihn schicken?
Jeanne (bebend). Nein, das habt Ihr nicht
Gautier. Was? nicht?
Jeanne. Gewiß nicht, sonst
Alison. Ich hörte auch nichts
Gautier. So schaff ihn jetzt!
(Jeanne eiligst ab)
Der Ärger nimmt kein Ende!
Es ist, um einen Schüttelfrost zu kriegen!
Mich friert's auch wirklich schon! Na nu natürlich!
Da steht ein Fenster auf, sperrangelweit!
104
Alison. Du hast ja vorhin selbst (Schließt das Fenster)
Gautier. Mach's wieder zu!
Und laß ein Feuer machen!
Alison (entsetzt). Feuer? wo?
Gautier. Das ist 'ne Frage! wo man Feuer macht!
Ich denke im Kamin!
Alison. Aber, lieber Mann!
Ich bitte dich, wir sind ja im August!
Gautier. Das ist mir alles eins! ich sag, mich friert!
Und wenn mich friert
Alison. 's ist nur ein kleiner Schauer,
Der rasch vorbeigeht! bist ja so erhitzt
(Schmeichelnd)
Mein wilder, starker Mann!
Gautier. Allein ich sag
(Ablenkend)
Wo bleibt der Lümmel denn, das möcht ich wissen!
Mathieu! Mathieu!! Kreuzbombenelement!
Ich bring dir Feuer in die lahmen Beine!
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Die Vorigen. Mathieu (eiligst hereinstürzend, nach ihm auch Jeanne).
Mathieu. Da bin ich schon, gnädiger Herr
Gautier. Was? schon? Kerl! für dieses »Schon« laß ich dir morgen fünfundzwanzig auftragen! Wo steckst du?
Mathieu. Hier, gnädiger
Gautier. Wo du gesteckt hast, Halunke?
Mathieu. Die Gäule habe ich gefüttert und
Gautier. Und läßt mich hier brüllen? Warum füttert denn der Etienne nicht? Das ist doch seine Sache?
Mathieu. Aber gnädiger Herr! Den habt Ihr doch zum Bader geschickt.
Gautier. Was habe ich?
Mathieu. Ja, Herr, um sich die Löcher stopfen zu lassen, die Ihr ihm in den Kopf geschlagen
Gautier. Halt dein Maul! und zieh mir die Stiefel aus!
Mathieu. Ja, Herr! (Schickt sich dazu an, zieht und rüttelt)
Gautier. Na, wird's bald?
Mathieu. Das wollen wir gleich haben! Ich will nur erst in die Hände
(Spuckt in die Hände und zerrt dann wieder)
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Gautier (sich am Stuhle festhaltend). So zieh doch nicht wie ein Joch Ochsen oder
Mathieu. Uf! (Der eine Stiefel geht; er spuckt wieder und zieht nun den andern)
Gautier (zu Jeanne, die im fernsten Winkel steht). Schuhe! (Jeanne will ins Nebenzimmer) Blindes Huhn! Da stehen ja! Wie kommen denn die daher?
Jeanne (die für Robinet gebrachten aufnehmend). Ich weiß nicht ich glaube ja die gnädige Frau wollte ein Muster schneiden zu einem Paar Pantoffel für Euch!
Gautier (befriedigt). So?! Na, gib sie her! (Jeanne nähert sich vorsichtig) Etwas forsch! Verstanden? Was hast du zu zittern? Wirst du das Zittern lassen? wirst du das Zittern lassen, frag ich dich?
Jeanne. O, liebster, gnädigster Herr ich zittere ja nicht
Gautier (behaglich grausam). So? Du zitterst nicht? Ich will mich hängen lassen, wenn du nicht schlotterst wie ein Häufchen Gallert! (Zieht die Schuhe an)
Mathieu. Kann ich jetzt gehen? Herr!
Gautier (gemütlich). Mach, daß du fortkommst! (Mathieu ab) 107
Die Vorigen ohne Mathieu.
Alison. Es freut mich, daß du wieder fröhlich bist
Gautier. Noch nicht! Doch gib mir einen frischen Trunk
Und lach mir etwas vor, daß ich vielleicht
Den heut'gen Ärger aus dem Magen bringe!
Es schüttelt mich, wenn ich dran denke! brrr!
(Alison bringt ihm ein Glas; er trinkt)
Nun laß mir auch etwas zum Essen richten!
Ich spüre einen echten Bärenhunger
Ja ja, das kommt davon der Ärger zehrt!
Alison. Was möchtest du?
Gautier. Was und soviel du hast!
Ich freß dir Küch und Keller ratzekahl!
Alison. Warm oder kalt?
Gautier. Das bleibt sich wieder gleich!
Nur schnell, ich sterbe sonst vor deinen Augen
Hast du denn keinen Bissen bei der Hand?
(Geht zum Büfett und öffnet mehrere Fächer)
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Alison (zu Jeanne). Sieh in der Küche nach! doch eile dich!
Gautier. Da steht ja eine Schüssel Sauermilch.
(Alison erschrickt)
Was hast du es nicht gleich gesagt? Ich mein,
Wenn in der Not der Teufel Fliegen frißt,
So zwing ich auch noch eine dicke Milch!
(Nimmt sie zum Tisch und fängt an zu löffeln)
Da sind Brosamen drauf! Hinunter mit
Ist ja kein Gift!
(Ißt weiter, Alison sieht beklommen zu; nach einer Pause)
Warum bist du so still?
So plaudre doch ein bißchen! Ei zum Kuckuck,
Das seh ich eben erst wie siehst du aus?
Alison (befremdet). Wie?
Gautier. Nun, in anderm Kleid und Blumenschmuck?
Alison
(sich abwendend und ihren Schreck meisternd).
O nur ein Scherz um mir die Zeit zu kürzen
Was tut man nicht vor Langeweile
Gautier
(munter). Ja
Besonders aber, wenn man jung und hübsch!
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Wie? Ja der Spiegel und der liebe Putz!
Na, schäm dich nicht und laß die Knospe stecken!
Komm einmal her!
(Alison tritt befangen zu ihm, er zieht sie an sich und steckt ihr die Rose wieder an den Busen)
Wie nett das Rot dich kleidet!
Fast wie ein Pfirsich sieht dein Köpfchen aus
Wär ich ein Schmetterling, ich flöge drauf!
O weh, dein alter Kerl wird noch poetisch
Ein Schmetterling von hundertneunzig Pfund!
(Küßt sie lachend und macht sich wieder an die Milch)
Alison
(bewegt). Mein guter Mann!
(Beiseit) O Gott! hätt ich den Mut,
Ich würde reuig vor ihm niederstürzen
Alles gestehn
(Macht eine Bewegung dazu)
Jeanne
(tritt wieder ein mit einer Platte).
Da ist noch kalter Braten
(Stutzt, stellt die Platte geschwind auf den Tisch und wendet sich ab, in die Schürze kichernd)
Gautier
(gutmütig, ohne umzusehen).
Was lacht die Krabbe?
Jeanne. Ach, mich lächert's halt
Der gnäd'ge Herr mit einer Sauermilch!
110
Gautier. Was ist dabei zu lachen? schaff mir Brot!
Jeanne. Da ist schon!
(Leise kichernd zu Alison)
Hat Madame gesehn? Das ist ja
Alison
(leise, aber scharf).
Schweig still! und geh sofort in deine Kammer
Und kleide schnell dich um
Jeanne (begreifend). Herr Jesus, ja! (Schnell ab)
(In demselben Augenblick stürzt) Mathieu (herein, Jeanne unter der Türe beiseit schiebend).
Mathieu. Gnädiger Herr! gnädiger Herr!
Gautier. Wo brennt's?
Mathieu. Wie ich grad ins Bett will da mein ich, ich höre in dem Mädel seinem Zimmer schnaufen! Ich horch und horch und richtig, 's ist so! Ich zieh meine Hosen wieder an schleich mich hin mach subtil die Tür auf seh 'rein und Sakra! da liegt ein fremder Kerl in Hannchen seinem Bett und da
Gautier (fährt auf und steht starr). 111
Alison
(schreit auf, dann bebend).
O, lieber Mann! ein fahrender Scholar,
Dem ich
(Verstummt vor dem Blicke Gautiers).
Gautier
(seinen Degen suchend, keuchend).
Was soll das heißen! Tod und Teufel!
Männer hat sie im Hause! Männer! Männer!
(Stürzt fort)
Alison
(folgt ihm bis zur Tür und ruft nach).
Gautier! Gautier! O Gott, er wird ihn töten!
(Lehnt verzweifelt am Pfosten)
Der
Junker
(halb weinend).
So laß mich! Laß mich doch!
Robinet. Nein, dageblieben!
Meinst du, daß ich alleine sterben will,
Indes du Schurke durch den Schlot entfliehst?
Pfui schäme dich, den alten braven Freund,
Der nicht so dünn wie du, im Stich zu lassen!
An deine Beine häng ich, wenn du's tust
Du feiger Hund doch still, ich hör ihn kommen.
(Der Lärm erstickt in einem Gewimmer des Junkers) 112
(Man hört draußen ein schweres Gepolter, mit zornigen Rufen untermischt.) Gautier (bringt) Robert (herein, ihn am Genick haltend; hinterdrein) Mathieu (der seine Ärmel aufkrempelt).
Gautier. Zur Hölle mit dem Kerl! bet einen Spruch!
Robert
(sich windend).
So gebt mir Luft dazu!
(Entreißt sich ihm und springt hinter den Tisch, wo er sein Wams zuknöpft)
Alison (Gautier umschlingend). O, Gautier, höre!
Gautier. So laß mich los!
Alison. Was hat er denn verbrochen?
Gautier. Nein, sterben muß er! sterben!
Robert. Glaub es ja!
Das müssen alle, 's ist ja Menschenlos!
Doch bitt ich Euch, laßt mich bis dahin leben!
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Gautier
(verdutzt).
Was sagt der Kerl!
(Mustert ihn und wird ruhig)
Robert. Beschaut mich nun im Licht!
Hab ich ein Ansehn wie ein Galgenvogel?
Ein armer Bursche bin ich, wie Ihr seht,
Doch ehrlich ist mein Herz wie mein Gesicht,
Und unrecht hättet Ihr, mich umzubringen!
Madame hat gütig mir ein Dach gewährt,
Als wegemüde ich ans Tor gepocht
Fragt sie nur selbst, wie ich darum gebettelt!
Gautier. Ich will dir's glauben, doch begreif ich nicht,
Warum sie mir kein Wort davon gesagt!
Alison. Ich wollt es schon, allein du warst so zornig,
So aufgeregt, daß ich es nicht gewagt!
Gautier. So sind die Weiber! Immer hinten 'rum!
Du weißt, ich kann's nicht leiden! Doch, mein Bürschchen,
Wie kommst du in Jeannettens Kammer denn!
Robert. Ich weiß es nicht ich muß wohl rechts und links
Im fremden dunklen Haus verwechselt haben
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Mathieu. Faule Fische, Herr! Alles verlogen! Denn wie ich ins Zimmer komm, und so an das Bett schleich, und er aufwacht da macht er: »Bst! erschrick nicht, liebes Hannchen! ich bin's nur!«
Gautier
(launig). Hat man den Vogel? Ah, was sagst du nun?
So jung und schon so schlecht!
Robert. Das ist doch einfach!
Erst als ich jemand in der Kammer merkte,
Da konnt ich sehen, daß ich mich geirrt!
Gautier. Na, na, du bist erkannt! Spar alle Mühe,
Der Spaß ist gut, verdirb ihn nicht mit Lügen,
Sonst kannst du auf der Tenne übernachten;
Da liegt es sich hübsch kühl und hart, mein Sohn,
Und dämpft des Blutes allzugroße Hitze!
Robert. Geknickt begrab ich alles in der Brust,
Was ich zu meinen Gunsten sagen könnte,
Denn wo der Schein spricht, muß die Unschuld schweigen.
Geduldig füg ich mich in mein Geschick
Ich bin ein Philosoph !
Gautier. Ein Schelm bist du! 115
Mathieu. Ja, Herr! und zum Totschießen war es, wie er so recht honigsüß und fein wie ein Heimchen machte: »Bst! erschrick nicht, liebes Hannchen! ich bin's nur!« Aber, soll ich ihn jetzt nicht zum Haus hinauswerfen?
Gautier. Nein, laß! für diesmal will ich ihm verzeihn,
Doch soll er nimmer sich erwischen lassen!
(Setzt sich wieder zu Tisch)
Mathieu. 's ist schade! schade! (Streift mißmutig die Ärmel wieder vor und geht)
Robert. Ich dank Euch, gnäd'ger Herr, für Eure Nachsicht
Gautier. Ach was! 's ist gut! Ich bin kein Menschenfresser.
(Jeanne tritt wieder ein im früheren Anzug)
Doch gebt hinfür auf eure Gäste acht
Und leuchtet ihnen säuberlich zu Bette
Nicht wahr, Jeannette?
Jeanne. Freilich, gnädiger Herr!
Doch sag ich nur, Ihr hättet sehen sollen,
Wenn ich den Strick in meinem Bett gefunden,
Wie ich ihn da hinausgetöffelt hätte!
116
Gautier. Wenn du es selbst sagst, muß es wohl so sein!
Doch jetzt zum unterbrochnen Abendbrot
Und Gott bewahre mich vor neuem Ärger!
(Zu Robert) Da, setz dich her! Du kannst mir was erzählen!
(Zu Alison) Du auch! Es ist ein ungemütlich Ding,
Wenn ich am Tische sitze und du stehst!
Alison
(zum Tische gehend).
Wär es vorbei! Wie wird das alles enden!
Nach Rettung hastet mein rebellisch Herz
Ich kann sein Klopfen nicht zum Schweigen bringen!
Gautier. Gib ihm ein Glas! Wie heißt der Bursche denn?
Robert. Ich heiße Robert Schwarz! Auf Euer Wohl!
Und aus das Eure, gnäd'ge Frau!
Alison. Ich danke!
Gautier
(in den Napf sehend).
Da, schau! Ich habe fast ihn ausgelöffelt!
Gib mir den Braten jetzt herüber, Schatz!
Was macht der Bursche denn für ein Gesicht?
Robert
(der ein Gesicht geschnitten hat).
Ach, lieber Herr die Sauermilch da
117
Gautier. Nun?
Robert. Sie heimelt mich so an, ich weiß nicht wie.
Gautier. Wo bist du denn zu Hause?
Robert. Überm Rhein!
Im schönen Breisgau meine Wiege stand,
Des Schwarzwalds Tannen haben sie umschattet,
Und an der muntern Dreisam ward ich groß.
Da komm ich her, von Freiburgs hoher Schule,
Und meiner Wandrung Endziel ist Paris,
Wo an den reichen Brüsten der Sorbonne
Der Weisheit saure Milch ich schöpfen soll
Drum heimelt mich die Eure auch so an!
Gautier. Du bist so jung und schon von Hause fort,
Hat deine Mutter dich denn fortgelassen?
Robert. Das ist so unsre Art! Als meine Beine
Zu lang für meines Vaters Tisch geworden,
Daß ich die jüngeren Geschwister stieß,
Da war es Zeit, mein Bündelchen zu schnallen,
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Auf eigne Faust mich durch die Welt zu schlagen.
Der Vater sorgte für ein neu Gewand
Und gab mir einen Gulden auf den Weg,
Die Mutter einen halben, und ich ging
Gautier. Das Geld hast du in Kolmar schon verputzt?
Robert. In Straßburg, Herr! Allein das bleibt sich gleich
Gautier. Sehr wahr, denn »hin ist hin«, ein altes Lied!
Studententaschen haben keinen Boden,
Und
habt ihr Geld, geht's euch wie »Hans im Glück«!
Robert. Ich brauche keines!
Gautier. Aber Durst und Hunger?
Robert (geheimnisvoll). Die weiß ich mir auf andre Art zu stillen
Alison. Ja, Gautier, das kann ich ihm bezeugen:
Sein Koch und Küfer sitzt auf seiner Zunge!
Robert. O, nicht doch, edle Frau! Ihr dichtet mir
Ein nettes Bettlerleben auf den Hals!
119
Nein, hört: mein Schatz ist die geheime Kunst
Ich bin Adept!
Gautier
(begierig). Adept? Ei, was du sagst!
Ich hab mich auch in Alchimie versucht,
Und wenn ich's sagen darf, sogar mit Glück!
Ich habe fast den »Stein«!
Robert (beiseite). Ich den Kapaun!
Alison. Nun hast du ihm sein Steckenpferd gesattelt!
So reitet wacker, doch verschonet mich
Ich will mich retten und zu Bette gehn!
Robert. O nein! Ich bitte, bleibt! Ich lad Euch ein:
Ein kostbar Zaubersprüchlein ist mein Schatz,
Ein Erbe meines Urohms Berthold Schwarz
Gautier. Des Nekromanten, der das Pulver fand?
Robert. Desselben, ja! Auf einem Bücherdeckel
Hab ich's entdeckt in altersblasser Schrift,
Und es mit vieler Mühe aufgefrischt!
120
Gautier. Was ist es denn?
Alison. Was wird es sein? ein Scherz!
Ich seh den Schalk aus seinen Augen blitzen!
Robert. Es ist mein Ernst! Ich bitt Euch, seid gefaßt!
Ich weiß den Zauberspruch vom »Tischlein deck dich!
Gautier. Ei, was der Tausend! Nein, das ist nur Spaß!
Robert. O, Herr, erlaubt mir ein Experiment,
Und eines Bessern seit Ihr bald belehrt!
Alison (erblassend). O Gott, mir ahnt!
Gautier
(sich den Kopf krauend). Ich glaub, du flunkerst nur!
Allein der Kuckuck weiß, was heutzutage
Nicht alles möglich ist! Na, zu! Laß sehn!
Ich bin begierig drauf!
Alison (flüsternd). O bitte! nicht! 121
Robert
(laut). Hab keine Angst! Madame! Kein Schwefeldampf
Und auch kein Pferdehuf soll Euch erschrecken!
Vertraut auf mich! So laßt also den Gast
Für heute Euch so gut er kann bewirten!
Den Braten weg, Jeanette! Schade ist's,
Daß Ihr mit Milch den Appetit verdorben!
Nun zaub'r ich Euch auf diesen kahlen Tisch
Im Handumdrehen ein solches Abendessen,
Wie der Olymp in seiner besten Zeit,
Als noch die Götter herrschten, kaum gesehn:
Ragouts, Geflügel, köstliche Pastetchen
(Jeanette fährt entsetzt in die Höhe und starrt begreifend Robert an)
Und Früchte, Kuchen, Sekt, soviel Ihr wollt!
Gautier. Blitz, schlag ein Rad! Das soll mal einer glauben!
Robert. Glaubt nur und seht! Ihr werdet sehn und glauben,
Doch zur Beschwörung muß allein ich sein!
So geht bis ich Euch rufe!
Gautier. Laßt mich bleiben!
Das interessiert zumeist mich, wie du's machst!
122
Robert. Da müßtet Ihr zuvor vier Wochen fasten,
Und tun, was sonst noch vorgeschrieben ist!
Es ist zuviel, ich will's Euch morgen sagen!
Geht! Wenn Ihr bleibt, verliert der Spruch die Kraft,
Doch laßt zuerst mir eine Kohle geben!
Gautier. So kommt denn ihr, es ist ja leider so!
Jede Beschwörung hat die eigne Weise,
Und muß danach geschehen! Geht es lang?
Robert. Drei Vaterunser lang bis höchstens fünf!
Ich ruf Euch dann! Vergeßt die Kohle nicht!
(Gautier mit Jeanne ab)
Alison
(an der Tür umkehrend).
So wollt Ihr wirklich mich unglücklich machen?
Ihr treibt mich in den Tod!
Robert. Befürchtet nichts!
Am rechten Ort weiß alles ich zu fassen,
Und will es schon zum guten Ende führen!
Verlaßt Euch drauf! Und seht, so kommt am besten
Der eine Zeuge fort
Gautier (draußen). So komm doch, Frau! 123
Alison. An meine Schande denkt und an mein Elend! (Ab)
Robert (allein), dann Jeanne.
Robert. Sie dauert mich
(Aufmunternd) drum eben: kühn ans Werk!
(Holt den Korb aus der Kammer und fängt an zu decken)
Jeanne
(eintretend).
O du! du!
(Wirft ihm die Kohle hin und will fort)
Robert. Halt, mein liebes Hannchen, bleib!
Und hilf mir decken, daß es schneller geht!
Jeanne. Ich auch noch helfen! Lieber beiß ich mir
Die Finger ab!
Robert
(emsig weiter machend).
Du sollst mir helfen, oder
Denk an den gnäd'gen Herrn, wenn ich es sage!
Und wenn du trotzest, deck ich alles auf!
Der
Junker
(aus dem Kamin).
O tu's doch, tu's doch, Hannchen!
124
Jeanne. Liebster Jules!
Ich kann es nicht, der Zorn frißt mir das Herz!
Junker. Wenn er's verrät, sind wir so gut wie tot!
Mein Leben rettest du, ich will es lohnen!
Robinet. Ich auch!
Jeanne. Mit was!
Junker. Ich nehme dich zur Frau,
Wenn du's verlangst!
Jeanne
(zweifelnd). Heiraten willst du mich?
Gewiß und wahr? Auf Ehr und Seligkeit?
Junker. Auf Ehr und Seligkeit!
Robinet. Ein Mann, ein Wort!
Robert. Das heißt: Der Mann so windig wie das Wort!
Jeanne
(ungläubig).
Gib mir ein Pfand!
125
Junker. Hier hast du meinen Ring!
Jeanne. Ach, Herzensmann! Jetzt will ich alles tun!
(Geschäftig ans Decken)
Robert
(beiseite). Im Himmel werden Ehen sonst geschlossen,
Die aber riecht verdammt nach Höllenzwang!
(Zum Junker) Ihr werdet mich doch auch zur Hochzeit laden?
Ich bitte um den ersten Ehrentanz!
Jeanne
(drohend).
Ja, komme nur!
Robert. Herr Junker, laßt mich nicht
Zum zweiten Male bitten!
Robinet. Sag doch ja!
Junker. Ja freilich, Herr! sehr gern!
Robert. Gebt mir ein Pfand!
Junker. Ich habe keinen Ring mehr, nehmt die Börse! (Streckt sie heraus). 126
Robert
(ihm auf den Arm tätschelnd).
Ah, schön von dir! ja, streck dich, Eselein, streck dich!
Wie lieblich sich mein Zauberspruch ergänzt,
So hat noch nie mein Stern wie heut geglänzt!
Als drittes bleibt noch: »Knüppel aus dem Sack!«
Er wird schon euren Rücken finden Pack!
(Macht den Tisch fertig und stellt den Korb wieder in die Kammer)
Nun fort mit dir, damit der Herr nichts merkt!
(Jeanne ab)
Ich muß noch etwas Hokuspokus machen!
(Zeichnet mit der Kohle Figuren um den Tisch, an alle vier Ecken den Drudenfuß; dann nimmt er aus dem Spinde ein Tischtuch, stellt sich auf einen Stuhl vor den Tisch, von dem Eingange aus gesehn, und hält dasselbe ausgebreitet wie einen Vorhang vor den Tisch)
Robert. Nun einen Zauberspruch! Herein! Herein!
Gautier, (hinter ihm) Alison (und) Jeanne.
Gautier (im Eintreten). Was lange währt, wird endlich
Robert (feierlich).
Staunt und schweigt!
Demütig neigt
127
Euer menschlich Haupt!
Selig, wer glaubt!
Gute Geister,
Die ihr schwebt
Zwischen Hölle und Himmel,
Hört den Meister:
Den Zauber webt,
O Aleph, Beth und Gimel!
Aleph der Große den Stab ausstreckt,
Beth der Gute das Tischlein deckt,
Gimel der Weise weiß, was uns schmeckt!
Die Wolke zerreißt ein Sonnenstrahl
Fort mit dem Schleier! hier steht das Mahl!
(Läßt das Tuch fallen)
Gautier
(verblüfft). Wahrhaftig! da! da schau nur, Lieschen, schau!
's ist ein verwettert Stück von einem Burschen!
Ein Blitzkerl! Oder ist's nur blauer Dunst,
Ein Spiegelstück, das unsre Augen äfft
Was meinst du?
(Geht um den Tisch herum)
Alison. O, es ist ein böser Spuck!
(Sich abwendend)
O Gott, schick einen Engel, ihn zu bannen,
Und nie mehr will ich sündig vor dir stehn
Schau gnädig nieder auf mein reuig Herz!
128
Robert
(zu Gautier).
's ist keine Spiegelei! Das ist Natur,
Und traut Ihr Euren klaren Augen nicht,
So riecht und schmeckt dem Gaumen müßt Ihr glauben.
Doch fragt nicht lang, aus welcher Küch' es stammt!
(Beiseite) Sonst könnt Euch leicht der Appetit vergehn!
(Zu Alison) Euch sag ich noch einmal, habt keine Angst.
Greift frisch und fröhlich zu! Was ich Euch biete,
Kann Magen und Gewissen wohl verdaun!
Gautier
(verschiedenes betastend).
Man sollt's nicht glauben! Mein Verstand geht durch!
Da drinnen
(an die Stirn fassend) wirbelt alles kraus und krumm,
Und hätt ich nicht im Temple zu Paris
Mal einen Kerl gesehn grad so wie du
Der Tauben aus dem Hute zauberte,
Ein Stücker zwanzig, eine nach der andern,
Und in der leeren Pfanne mit dem Stäbchen
Ein rechtes und leibhaftig Rührei machte,
Und andre Künste mehr ich glaubt es nicht,
Und wenn mich alle Sinne dazu zwängen!
Doch so!
(Zu Alison) Da fühl mal her! 's ist alles echt!
Und Leben und Natur! Du Sonntagskind,
Das ist ein unerschöpflich Kapital
Du kannst ja eine Garküch halten
129
Robert. Nein!
Das darf ich nicht! Ein ehernes Gebot
Verbietet mir in schnödes Geld zu münzen,
Was mir des Zufalls holde Fee geschenkt!
Doch seht, das Reden raubt uns nur die Zeit!
Der Augenblick hat eine bessre Hälfte!
Gautier. So komm denn, Schatz! (Setzt sich behäbig).
Alison. Iß nur! Ich möchte nichts!
Gautier. Warum denn nur?
Alison. Ich hab ein Grau'n davor
Der erste Bissen würde mich ersticken!
Gautier. Ach was, mach keine Flausen.
(Nötigt sie zum Sitzen)
Robert. Fort die Skrupel!
Es ist für Euch bestellt! ich sag es frei!
(Beiseite) Doch seh ich schon, ich muß vor allen Dingen
Den Kehricht fortzuschaffen erst versuchen,
130
Den Satan heut in Haus und Herz gefegt!
Na wart, es kommt schon! So, nur zugelangt!
Zunächst mal den Kapaun, was meint der Herr?
Der Hauswirt hat die Ehre zu tranchieren!
(Für sich) Wenn ers nicht tut, dann sitz ich in der Patsche!
Wie käm ich armer Teufel zu der Kunst!
Gautier. Ganz prächtig sieht er aus! (Fängt an zu zerlegen)
Robert. Sehr gut bemerkt!
Ich abonnier mich auf die eine Keule
Sie lächelt mich so reizend an! Inzwischen
Reicht Hannchen die Pastetchen erst herum!
Was seh ich? Wasser in den Augen?
Jeanne. Ach!
Wenn ich die Dinger seh, muß ich halt weinen!
Gautier (aufblickend). Sonderbar! ich lachen!
Robert. Ja, 's ist ein rührend Bildchen, herzbewegend!
Ist's Euch gefällig, gnädige Frau?
Alison (ablehnend). Ich danke! 131
Gautier
(ein Stückchen versuchend).
Ha! delikat! Der beste Koch von Frankreich
Macht es nicht besser! Da, versuch doch mal!
Sei nicht so eigensinnig!
(Drängt ihr etwas auf, sie nimmt es widerwillig)
Robert
(beiseite). Rasch in's Zeug!
's ist eine Lust, ein angstverstörtes Herz
Mit Schick ins richtige Geleis zu bringen
Und mit dem sanften Öl der Überredung
Die Sturmflut einer Menschenbrust zu glätten!
Und hab ich's wie ein Strauchdieb heut getrieben,
Will ich jetzt sehn, wie die Moral mir steht!
(Fängt an zu lachen)
Gautier
(Alison vorlegend).
So, Schatz, da nimm! Was hast du denn zu lachen?
Robert. Ach, Herr, da fiel mir just ein Späßchen ein!
Gautier
(essend). Famos! Erzähl uns etwas Lustiges!
Ein munter Lachen stärkt den Appetit,
Und leichtert ausgezeichnet die Verdauung!
Robert. Ich sage nur, wenn Ihr am Schluß nicht lacht,
So will ich heulen.
132
Gautier. Nun denn, los damit!
(Ißt während der Erzählung weiter)
Robert. In meiner nächsten Nachbarschaft daheim,
Da weiß ich einen wackern Edelmann:
Ein schmucker, rüst'ger Herr, so um die vierzig.
Was nur Fortunas reiches Füllhorn birgt,
Das strömte scheffelweise über ihn.
Sein Glück war nur an einem Punkte kitzlich:
Ein großer Schatz und auch ein großer Fehler,
Die lagen überzwerch auf seinem Weg:
Er hatt' ein junges Weib
Gautier. War das sein Fehler?
Robert. Nun, je nachdem! Vorerst ist das sein Schatz,
Und zwar ein köstlicher! Der Fehler aber:
Der gute Mann war schrecklich eifersüchtig!
(Alison schaut ihn angstvoll an, ihr stummes Spiel begleitet seine Erzählung)
Gautier
(ebenso).
Hm! Das ist schlimm!
133
Robert. Nicht wahr? Das Schlimmste aber,
Er war es ohne Grund! Sein Weib war hübsch,
Drum war sie viel umschwärmt! Denn Weiberschönheit
Ist wie das Licht: es zieht die Motten an,
Und um so mehr, je strahlender sie leuchtet!
Der Weise wird sie ruhig schwärmen lassen,
Sich freun, wie sich die frechen Flügel sengen.
Doch unser Edelmann, der war nicht so
Sein Weib war jung und »Jugend hat nicht Tugend«,
Das war sein dummer Schluß, und also gab er
Sich alle Müh, sein treues Weib zu quälen
Mit seiner unvernünftigen Eifersucht!
Das trieb er, bis es sie verdroß
Gautier (wie oben). Natürlich!
Robert. Die Liebe ist geschmeidig wie die Welle,
Die Treue auch, denn Liebe ist ja Treue.
Freiwillig wird sie immer uns umschmiegen,
Doch nimmer läßt sie sich in Ketten zwingen,
Und gar gepeitscht, sprüht sie im Zorn empor!
So auch in unserm Fall! Die arme Frau,
Des Mißtrauns Nesselrute überdrüssig,
Erhört den ersten besten Kavalier
134
Gautier. Geschieht dem Dummrian von Mann schon recht!
Was meinst du, Frauchen?
Alison
(ihre Erregung bekämpfend).
Ich ich weiß es nicht!
Robert. Um nun der Rache süßes Werk zu krönen,
Ersannen beide einen feinen Plan,
Den bösen Drachen aus dem Haus zu bringen:
Ein Reitknecht brachte einen Brief, der ihn
Zum Sterbelager eines Ohms berief.
Er ließ sich kirren, ging und ließ sein Weib
In eines Dieners schlimmer Hut zurück
Der Diener war der Zwischenträger eben,
Mit Hilfe eines Liebchens in der Stadt!
Jeanne (beiseite). O du! das geht auf mich! nur umgekehrt!
Robert. Der Abend kam und brachte den Galan,
Natürlich des Lakaien Schätzchen auch!
Gautier. Das wird ja immer besser! Ja, 's ist wahr:
Ein Stein im Rollen reißt noch vieles mit!
Nun fehlt nur noch
135
Robert. Es wurde nicht so schlimm!
Denn seht, als sie im besten Schmausen waren,
Da kam der Herr zurück!
Gautier. Na, Gott sei Dank!
Robert. Nun kommt das Lustige: der Kavalier,
So dick er war, zusamt der leichten Dirne,
Sie wurden sorglich im Kamin verpackt!
Kompott und Braten kamen in den Schrank,
Und heiter lächelnd, als wär nichts geschehn,
Trat ihrem Mann die Sünderin entgegen!
Gautier. Warum kam er zurück?
Robert. Ja, das ging so!
Im nächsten Städtchen kehrt er durstig ein
Und trifft den kranken Oheim kerngesund
Vor einem großen Humpen Affentaler.
Der Schwindel klärt sich auf und zornig prustend
Und Unrat witternd fliegt er in den Sattel,
Und kommt ins Haus gestürzt und findet nichts!
136
Gautier
(lachend). Der Esel! So was sollte mir passieren!
Warum denn schaut er nicht in den Kamin?
Robert. Ja, wenn er das geahnt! Im Gegenteil,
Als seine Wut verraucht, da will er essen,
Und setzt sich hin, den Rücken am Kamin
Genau wie Ihr! Und ißt die Brocken auf,
Die ihm die saubre Kumpanei gelassen!
Gautier
(sich ausschüttend vor Lachen).
Ho! ho! ho! ho! Ich lach mich tot! ho! ho!
Er setzt sich hin und frißt die Brocken auf!
Nein, so ein jämmerlicher Lazarus!
(Lacht weiter)
Robert. Ja, 's ist ein Spaß!
Alison
(das Gesicht auf die Hände stützend).
Ich kann's nicht mehr ertragen!
Gautier. So lach doch auch! Da sitzt er am Kamin
Und ißt, und hinter ihm die beiden Schelme!
Braucht sich nur umzudrehn! Und merkt doch nichts!
So lach doch, Lieschen! lach!
137
Alison. Ich lache ja!
Nein nein, ich kann nicht lachen! denn ich muß
Zu sehr der Frau gedenken!
Jeanne (leise). Still! um Gott!
Robert. 's ist wahr! der Spaß hat seine ernste Seite!
Der Frau ist schlimm zu Mut!
Gautier
(lachend). Geschieht ihr recht!
Sie hat wohl eine heidenmäß'ge Angst?
Robert. Ja, Angst und Kummer! Angst vor der Entdeckung,
Und Kummer um den ahnungslosen Mann!
Gautier. Der merkt ja nichts!
Robert. Er merkt es aber doch!
Gautier. Und wie?
Robert. Das weiß ich nicht mehr recht zu sagen!
Genug! am Ende hat er's doch gemerkt!
Doch sagt nun selbst, was glaubt Ihr, daß er tat?
138
Gautier. Das ist mir eine sonderbare Frage!
Was hat er wohl getan? Na, umgebracht
Wird er sie haben, alle miteinander!
(Die beiden Frauen erschrecken)
Robert. Das hat er nicht!
Gautier. Das sieht dem Hammel gleich,
Die Dummheit hat ihn wohl so ausgeschlachtet,
Daß er kein Tröpfchen warmes Blut mehr hat!
Robert. Im Gegenteil! es ist ein hitziger Mann,
Ein Mann von Ehre und von Temperament!
Gautier. Ja, dann versteh ich nicht!
Robert. Sogar von Jähzorn!
Und bracht sie doch nicht um und zwar mit Recht!
Gautier. Ihr gebt mir Rätsel auf!
Alison (atemlos). O weiter! weiter!
Gautier. Da sieh das Weib! Das nimmt doch gleich Partei! 139
Robert. Im ersten Augenblicke freilich, wo
Sprachlose Wut die Faust zum Handeln zwingt,
Da griff auch er zum Dolch und ließ ihn stecken!
Gautier. Für meine Zähne ist die Nuß zu hart!
Knack
du und sag warum?
Robert
(im edlem Feuer). Warum? aus Liebe!
(Alison sieht ihn dankbar an)
Als auf sein bebend Weib er niedersah,
Und ihrer schönen Augen stummer Angstschrei
In die verschlossne Brust so laut ihm drang,
Da goß in einem raschen Augenblicke
Ein guter Geist Erleuchtung in sein Herz:
Er sah, was
ihre und was
seine Schuld,
Und sah, daß jede wie die andre wog!
Er schaute in das liebliche Gesicht,
Und auf dem Antlitz stand's in klarer Schrift:
Ich bin ein Mensch wie du drum töt mich nicht,
Du schneidest schmerzhaft in dein eigen Fleisch!
Wenn ich gefehlt in einer schwachen Stunde,
Hast du ein Recht, den Tod mir drum zu geben,
Und meine Seele mit dem Leib zu morden?
Ist diese bleiche Stirne so verworfen,
140
Daß nur das Blut sie wieder ehrlich färbt?
Und hast als Mann du alles auch getan,
Dein junges Weib vor Schaden zu behüten?
Hast du geboten, was ein Herz bedarf:
Wahrhafte Liebe, zärtliches Vertrauen,
Hingebung, Nachsicht und anständige Freiheit?
Bin ich dir Weib und Freund zugleich gewesen,
Und nicht nur Magd und Spielzeug deiner Laune?
Und hast du weniger als ich gesündigt?
Warum wirfst du mich weg, eh du geprüft,
Ob meine Reue mich nicht läutern kann?
In einem Augenblicke las er dies,
Und zitternd seinen Körper überfloß
Ein Schauer Mitleids und großherz'ger Wehmut.
Was sagt Ihr nun?!
Gautier. Hm! hm! was soll ich sagen?
Ich kenn dich gar nicht mehr!
Robert. Gebt Ihr ihm recht?
Gautier. Ich weiß nicht! Doch er hat so unrecht nicht!
Robert. Nicht wahr? Doch seht, der erste kleine Ruck
Der Überwindung war der erste Schritt
141
Zum schönsten Sieg zum Siege über sich!
Und dieser erste zeugte rasch den zweiten:
Ein Geistesblitz kam glühend über ihn
Und sprengte einen Funken in sein Herz:
Wenn dieses Weib, das doch mein Innres kennt,
Und weiß, wie leicht der Zorn mich übermannt
Wenn sie nun sieht, wie ich das Allerschwerste
Im Übermaß der Selbstbezwingung kann:
Das harte, wilde Mannesherz zerknete,
Liebreich die Hand ihr reiche, ihr verzeihe
Das wird ihr schärfer durch die Seele wettern,
Als wie der Föhn durch den vereisten Forst,
Und schärfer wie ein Dolch durch ihre Brust!
Gautier
(nachdenklich).
Hm! glaub ich selber fast!
Robert. Und dann noch eins!
Gleich wie ein Knochen, den Ihr einmal brecht,
Wenn er verheilt ist, an des Bruches Stelle
Fast unzerbrechlich wird, so ist's auch hier!
Gebrochne Treue, liebevoll geheilt,
Wird unauflöslich sich zum Knoten schürzen!
Gautier. Das ist so ohne nicht! 142
Robert. Nun hört mich an!
Ich setze bloß den Fall,
Ihr kämt dazu,
In solcher schweren Lage zu entscheiden!
Ich möchte wissen, ob auch Ihr die Kraft
Die Kraft der Liebe hättet, aufzurichten,
Was Ihr im ersten Zorn noch tiefer schlugt?
Gautier
(sich krauend).
Ich in die Lage? Was ich täte Hm!
's ist etwas kitzlich, und ich hoffe nicht,
Jemals hineinzukommen! Doch gesetzt!
Je nun! Der Teufel weiß, es ist zwar leicht,
Dem lieben Nachbarn recht gescheit zu raten,
Doch, wenn man selber
Alison
(die sich nicht mehr halten kann, weinend vor ihm niederstürzend).
Sag's! ich bitte dich!
Gautier (fährt auf und macht in einer stummen Pause den sichtlich gleichen Kampf durch; endlich macht er eine Miene, nach dem Kamin zu stürzen, läßt sich aber matt auf seinen Stuhl sinken).
Jeanne
(nach den vorigen Worten Alisons hinter Gautiers Rücken drohend zu Robert).
O du du!
(Entflieht)
143
Alison
(eine Hand Gautiers erfassend).
O Gautier bester einziger vergib!
Robert
(sich schüchtern nähernd).
Hab ich umsonst gesprochen? O versucht's!
Die Vorigen. Mathieu (die Türe bleibt offen und Jeanne sieht einige Male vorsichtig herein).
Mathieu (im Eintreten). Gnädiger Herr grad kommt (Macht eine Pause der Verblüffung, dann etwas leise und unsicher) grad kommt der Etienne vom Bader, und sagt, bei den Erlen am Parkweiher hab er zwei Gäule (Verstummt ganz, da niemand auf ihn hört)
Robert. Und etwas will ich Euch noch sagen, Herr!
Wie sie aus Trotz und nicht aus Hang gefehlt,
So hat sie auch die Sünde nur gestreift:
Sie ist noch rein, und wär es auch geblieben,
Selbst wenn Ihr nicht gekommen wär't! Die Herren
Hatten den Abschied schon! Ihr Traum war aus,
Und wenn Ihr sie betrachten wollt, so seht Ihr,
Daß Eure Frau sie nicht aus Neigung lud!
Fragt nur, ob sie die kleinste Gunst genossen!
Heraus mit euch!
144
Der Junker
(zeternd). Ja, Herr, was uns betrifft,
Ist das schon wahr doch
ihn hat sie geküßt!
(Kriecht heraus)
Robinet. Mein Wort darauf! so ist's! unschuldig sind wir!
(Kriecht ebenfalls heraus; beide sind mit Ruß bedeckt)
Robert. Habt je Ihr so erbärmliches gesehn?
Hier wär am Platz der »Knüppel aus dem Sack«.
(Beim ersten Wort des Junkers ist Gautier aufgeschnellt; dann mustert er sie verächtlich. Mathieu steht erst mit einem blöden Lächeln der Überraschung, welches in ein verständnisinniges übergeht; dann krempelt er die Ärmel hoch und macht seinem Herrn pantomimische Gebärden des Hinauswerfens)
Ja, seht sie an, und Eure Zweifel weichen:
Die sind zum Streicheln nicht, nein, nur zum Streichen!
Sie sind die Sünder! färbt sie grün und blau,
Und richtet auf die tiefgebeugte Frau
Schaut ihr ins Auge das ist echte Reue!
Ja! nie wird wieder wanken ihre Treue!
Ihr dürft mir glauben!
Alison. Gautier! ja, du darfst es! 145
Gautier
(sie anblickend, dann die Augen senkend, knirschend).
Ich weiß nicht, was ich tue!
Mathieu. Herr, ich wüßt es! (Pantomime)
Gautier
(wie oben).
Laß sie! Die Hunde sind so jämmerlich,
Daß jeder rechte Kerl sich dran beschmutzt!
Mathieu. O, lieber Herr! ich will lieber mein Lebtag kein rechter Kerl mehr heißen, als sie nicht hinausprügeln dürfen!
Gautier
(sich abwendend).
Tu, wie du willst!
(Blickt Alison an)
Robert. Und Eurer Frau verzeiht Ihr?
Gautier
(nach kleiner Pause).
In Gottes Namen denn! ich will's versuchen!
Alison
(will ihn umarmen).
O Dank dir, Bester, heißen Dank!
Gautier
(sie nicht unzart abwehrend). Nicht jetzt
Ich bin nicht wohl laß mir ein wenig Zeit
(Wendet sich schwerfällig der Seitentüre zu; Alison drängt mit verhaltenem Ungestüm nach) 146
Robert
(ihnen nachsehend).
Das heilt schon wieder! Aber nun: Hurra!
(Setzt sich an den Tisch)
Mathieu (der sich inzwischen die Ärmel noch höher aufgestreift hat, pufft Robinet und den Junker zur Tür hinaus, mit lauter Stimme rufend). He! Etienne, Jean, Nicolas, Balthasar!
(Während sein Rufen verhallt)
Fällt der Vorhang.