Johann Wolfgang von Goethe
Kurze Schriften zu Kunst und Literatur 1792 - 1797
Johann Wolfgang von Goethe

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Zur Erinnerung des Städelschen Cabinets

 

Christus und der Gichtbrüchige von Rubens

Halbe Figuren nicht gar Lebensgröße gut komponiert, herrlich gemalt ein paar Sprünge der Tafel glücklich wieder hergestellt. Christi Physiognomie gemein, der Gichtbrüchige Idee nicht Ideal, im Halbschatten Reflex, einige gute Köpfe von Teilnehmenden und Widerwilligen, lebhafte solide Färbung, kräftiger Effekt, Zeugnis im Ganzen von einer mächtigen, aber rohen Natur.

 

Ein Kindskopf unter Lebengröße

Mit rotgefüttertem Strohhut, einem roten Kleidchen, Spitzenkragen, an einer goldnen Kette eine kleine Taube mit Brillanten besetzt. Wahrscheinlich ein Kind aus hoher Familie das früh den Heiligengeist-Orden hatte und zum geistlichen Stande bestimmt war. Unglaublich schön und natürlich gemalt ohne Manier, des größten Meisters würdig so rein, ruhig und in einem höhern Sinne geschmackvoll für Rubens, nur die Gesichtsform deutet auf eine Natur diesseits der Alpen.

 

Frauen Portrait von Hofmann

Eine große schwarzgekleidete Frau mit bläßlichem Gesichte so semiotisch als charakteristisch gemalt, es ist eine von denen länglichen Bildungen die mit der niederländischen Gemeinde nach Frankfurt gekommen zu sein scheinen. Das Bild ist von einer großen sanften Wahrheit und Ausführung.

 

Die Auferweckung Lazari.
Eine Skizze von Paolo Verones

Ein kleines, in die Breite langes Bild, sehr klar und farbig. Die Komposition ist eingerichtet wieder Figuren anbringen zu können, die mehr oder weniger Teil nehmen, sich verwundern, gleichgültig sind bis auf die Hunde die für sich ihr Wesen treiben. Die malerische Hand ist dabei unendlich frei und sicher, die Figuren, Gebärden, leichtbedeutend und wie man weiß nach der Art des Meisters ein wenig manieriert, dabei aber sehr schön gedacht und empfunden. Die Färbung scheint am ersten Anblick konfus bis man sich der ausgeführten Bilder dieses Meisters erinnert, da denn so wohl in den Farben überhaupt als in ihren Abstufungen und Abschattierungen einer mit den andern, eine große Mannigfaltigkeit erscheint.

 

Madonna mit dem Kind

Die sogenannte Zingara von Correggio, ein fürtrefflich wohl konserviertes Bild von einer Meisterhand. Es würde sehr interessant sein zu untersuchen, in welche Zeit diese Nachbildung fallen könnte und welcher Schule sie allenfalls zuzuschreiben wäre. Der Pinsel ist äußerst gefühlt und das Ganze mit wenig Farbe von sehr guter Haltung.

 

Gold und silberne Gefäße von Calf

Die Meisterschaft dieses Mannes in diesem Teile der Kunst zeigt sich hier in ihrem höchsten Lichte. Man muß dieses Bild sehen um zu begreifen, in welchem Sinne die Kunst über die Natur sei und was der Geist des Menschen den Gegenständen leiht, wenn er sie mit schöpferischen Augen betrachtet. Bei mir wenigstens ists keine Frage, wenn ich die goldnen Gefäße oder das Bild zu wählen hätte, daß ich das Bild wählen würde.

 

Eine Landschaft von Poussin

Ein kleines Bild das alle Tugenden dieses trefflichen Meisters hat. Die Abstufung der fast parallelen Gründe mit wenigen Figuren, und das Große das durch ein rohes vieles hervorgebracht ist, erregt Bewunderung.

 

Zwei Bettlerknaben von Murillo

Halb Lebensgröße die dem Anschauer ganz Lebensgröße scheinen. Der eine verzehrt eine Traube der andere eine Wassermelone. Der Gegensatz von hohem Genuß und Armut hat was reizendes. Die Natur und der erste Eindruck am Wirklichen scheint mehr als Überlegung den trefflichen Künstler geleitet zu haben. Es scheint daher das Bild zugleich etwas befriedigendes durch Wahrheit und Nachahmung und Talent, und etwas unbefriedigendes von Seiten der Kunst zu haben; es ist aber in Absicht auf Behandlung Sinn und Ausdruck im Ganzen ein höchst schätzbares Bild.

 


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