Friedrich Schiller
Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe - Zweiter Band
Friedrich Schiller

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1805.

975. An Schiller.

[Weimar, 1. Jan. 1805.]

Hier zum neuen Jahr mit den besten Wünschen, ein Pack Schauspiele. Da Sie doch solche mit gutem Humor ansehen, so werfen Sie doch ein Paar Worte aufs Papier über jedes. Am Ende giebts doch ein Resultat. Nicht wahr Oels hat keine Rolle in der Phädra? Er bat um Urlaub den ich ihm um so lieber gebe.

Erhalt ich nicht bald ein Paar Akte? Der Termin rückt nun mit jedem Tage näher ins Auge.

G.


976. An Schiller.

Sagen Sie mir, bester Freund, ein Wort von Sich und Ihren Arbeiten. Meine Versuche mich der hohen und schönen Welt zu nähern, sind mir nicht zum Besten gelungen. Wenigstens auf einige Tage bin ich wieder ins Haus zurückgedrängt. Da möcht ich denn etwas erfreuliches von Ihrer Warte her. Und zugleich fragen ob Ihre Dame wohl morgen früh den Donnerstag mit den Freundinnen bei mir feiern möchte. Wohlsein und Stimmung!

Den 9. Januar 1805.

G.

Eben höre ich daß die Hoheit uns morgen beglückt. Es wäre recht artig wenn Sie sich entschlössen auch Theil zu nehmen.


977. An Goethe.

14. Januar 1805.

Es thut mir recht leid zu hören, daß Ihr Zuhausebleiben kein freiwilliges ist. Leider geht's uns allen schlecht, und der ist noch am besten dran, der durch die Noth gezwungen sich mit dem Kranksein nach und nach hat vertragen lernen. Ich bin jetzt recht froh, daß ich den Entschluß gefaßt und ausgeführt habe, mich mit einer Uebersetzung zu beschäftigen. So ist doch aus diesen Tagen des Elends wenigstens etwas entsprungen, und ich habe indessen doch gelebt und gehandelt. Nun werde ich die nächsten acht Tage dran wagen, ob ich mich zu meinem Demetrius in die gehörige Stimmung setzen kann, woran ich freilich zweifle. Gelingt es nicht, so werde ich eine neue halb mechanische Arbeit hervorsuchen müssen.

Ich schicke Ihnen hier, was abgeschrieben ist. Morgen wird mein Rudolph mit dem ganzen fertig sein.

Möchten Sie diese ersten Bogen durchsehen, hie und da mit dem Original zusammen halten, und was Ihnen etwa darin auffällt, mit dem Bleistift bemerken. Ich möchte gern bald möglichst und ehe die Rollen ausgeschrieben werden damit in Ordnung sein. Wenn übermorgen an den Rollen angefangen wird, so kann auf den nächsten Sonntag Leseprobe sein, und von da sind es noch zehn Tage bis zum dreißigsten.

Der Herzog erlaubt mir die Memoires von Marmontel zu lesen, die Sie jetzt haben. Ich bitte also darum, wenn Sie damit fertig sind.

Die Großfürstin erzählte gestern noch mit großem Interesse von Ihrer neulichen Vorlesung. Sie freut sich darauf, noch manches bei Ihnen zu sehen und auch zu hören.

Leben Sie wohl und lassen mich bald etwas hören.

Sollten Sie in keiner Stimmung sein, die Bogen zu durchlesen, so bitte sie mir retour zu schicken, daß ich die Zeit zum Abschreibenlassen benutzen kann.

Sch.


978. An Schiller.

[Weimar, 14. Januar 1805.]

Ich wünsche Glück zu dem guten Gebrauch dieser gefährlichen Zeit. Die drei Akte habe ich mit vielem Antheil gelesen. Das Stück exponirt sich kurz und gut und die gehetzte Leidenschaft giebt ihm Leben. Ich habe die beste Hoffnung davon. Dazu kommt daß einige Hauptstellen, sobald man die Motive zugiebt, von vortrefflicher Wirkung sein müssen. In diesen ist auch die Diction vorzüglich gut gerathen. Uebrigens hatte ich angefangen hie und da einige Veränderungen einzuschreiben. Sie beziehen sich aber nur auf den mehrmals vorkommenden Fall, daß ein Hiatus entsteht, oder zwei kurze (unbedeutende) Silben statt eines Jambus stehen: beide Fälle machen den ohnehin kurzen Vers noch kürzer, und ich habe bei den Vorstellungen bemerkt, daß der Schauspieler bei solchen Stellen, besonders wenn sie pathetisch sind, gleichsam zusammenknickt und aus der Fassung kommt. Es wird Sie wenig Mühe kosten solchen Stellen nachzuhelfen. Haben Sie übrigens die Güte, das Ausschreiben der Rollen möglichst zu beschleunigen: denn das Stück will doch gelernt und geübt sein.

Das Leben des Marmontel schicke ich mit Vergnügen, es wird Sie einige Tage sehr angenehm unterhalten. Sie werden darin ein paarmal auf den Finanzmann Bouret stoßen, der uns durch Rameau's Vetter interessant geworden. Haben Sie doch die Güte mir nur die Pagina zu bemerken, ich kann die wenigen Züge sehr gut für meine Noten benutzen.

Wenn unsre junge Fürstin an dem was wir mittheilen können, Freude hat, so sind alle unsre Wünsche erfüllt. Unser einer kann ohnehin nur immer mit dem Apostel sagen: Gold und Silber habe ich nicht, aber was ich habe, gebe ich im Namen des Herrn. Denken Sie doch auch darüber, was man ihr allenfalls bei solchen Gelegenheiten vortragen kann. Es müssen kurze Sachen sein, doch von aller Art und Weise und mir fällt gewöhnlich das nächste nicht ein.

Leben Sie recht wohl und gedenken Sie mein. Sobald ich wieder wagen darf auszugehn, besuche ich Sie einen Abend. Ich habe vor Langerweile allerlei gelesen, z. B. den Amadis von Gallien. Es ist doch eine Schande, daß man so alt wird, ohne ein so vorzügliches Werk anders als aus dem Munde der Parodisten gekannt zu haben.

G.

Die letzten Blätter, die ich nachher las, haben mir auch sehr wohl gefallen.


979. An Goethe.

[Weimar, 17. Januar 1805.]

Die Mitschuldigen haben gestern ein allgemeines Vergnügen gemacht und werden es immer mehr, wenn die Schauspieler mit diesem Vers besser umgehen lernen. Becker hat sein bestes gethan, Stellenweis hat sich auch die Silie gut gehalten; Unzelmann wollte nicht ganz in seine Rolle passen. Mit Wolf konnte man sehr zufrieden sein.

Es ist zwar hie und da etwas anstößiges gewesen, aber die gute Laune, in die das Stück versetzt, hat diese Dezenz-Rücksichten nicht aufkommen lassen. Die Großfürstin hat sich sehr ergetzt, besonders hat die sublime Stelle mit dem Stuhl ihre Wirkung nicht verfehlt.

Bei dem Bürgergeneral ist mir wieder die Bemerkung gekommen, daß es wohlgethan sein würde, die moralischen Stellen, besonders aus der Rolle des Edelmanns wegzulassen, so weit es möglich ist. Denn da das Interesse des Zeitmoments aufgehört hat, so liegt es gleichsam außerhalb des Stücks.

Das kleine Stück verdient, daß man es in der Gunst erhalte die ihm widerfährt und gebührt, und es wird sich recht sehr gut thun lassen, ihm einen rascheren Gang zu geben.

Ich bin gestern, wie ich Unzelmann wieder gesehen, bei mir selbst zweifelhaft geworden, ob ich ihm den Hippolyt anvertrauen kann, vorzüglich weil ihm doch noch die eigentliche Männlichkeit fehlt und der Junge noch zu sehr in ihm steckt. Sollte Oels noch zu rechter Zeit hier sein, so wäre dieser mir lieber, und zu rechter Zeit käm' er noch immer, wenn er nur auf den Mittwoch gewiß hier wäre, da er gut lernt und die Rolle gar nicht groß ist.

Ich hoffe zu hören, daß Sie sich wieder besser befinden.

Sch.


980. An Schiller.

[Weimar, 17. Januar 1805.]

Ob nun nach der alten Lehre die humores peccantes im Körper herumspazieren, oder ob nach der neuen die verhältnißmäßig schwächeren Theile in Désavantage sind, genug bei mir hinkt es bald hier, bald dort und sind die Unbequemlichkeiten aus den Gedärmen ans Diaphragma, von da in die Brust, ferner in den Hals und so weiter ins Auge gezogen, wo sie mir denn am allerunwillkommensten sind.

Ich danke Ihnen, daß Sie der gestrigen Vorstellung haben beiwohnen wollen. Da das Stück günstig aufgenommen worden, so läßt sich noch manches dafür thun, wie schon jetzt geschehen ist: denn es ist verschiedenes geändert. Mich dünkt die Hauptsache kommt darauf an, daß man das, was allenfalls noch zu direct gegen die Decenz geht, mildere und vertusche, und daß man noch etwas heiteres, angenehmes, herzliches hineinretouchire. Bei den paar Proben die ich im Zimmer hatte, ist mir manches eingefallen. Ich schicke Ihnen gelegentlich das Theaterexemplar, wo Sie die Veränderungen, die ich in diesem Sinne gemacht, schon beurtheilen können und mir Rath geben werden zu ferneren. Auch wird man die Schauspieler mehr bearbeiten können, da es doch der Mühe werth ist: denn ein Stück mehr auf dem Repertorium zu haben, ist von größerer Bedeutung als man glaubt.

Den Bürgergeneral will ich ehstens vornehmen. Ich dachte schon die dogmatische Figur des Edelmanns ganz herauszuwerfen! allein da müßte man einen glücklichen Einfall haben am Schluß die widerwärtigen Elemente durch eine Schnurre zu vereinigen, damit man den Deus ex machina nicht nöthig hätte. Das müßte man denn gelegentlich bedenken.

Da Oels bis auf den sechs und zwanzigsten Urlaub hat, so würde man wohl bei der frühern Austheilung bleiben. Ich wünsche zu hören, wie weit Sie sind und wann Sie glauben Leseprobe halten zu können.

Da ich so bald noch nicht ausgehen kann, so besuchten Sie mich vielleicht bei guter Tageszeit auf ein Stündchen, vielleicht im Mittage. Ich würde Ihnen dazu den Wagen schicken.

Ich wünsche daß Sie wohl leben und an eigene Plane denken mögen.

G.


981. An Schiller.

Bei unsrem Theater giebt's wie sonst, besonders aber jetzt aus mancherlei Verhältnissen, allerlei Geklatsch und man hat ersonnen, wahrscheinlich um die Becker zu indisponiren, daß wir blos mit Austheilung des Stücks so lange gezaudert hätten, weil wir die Unzelmann erwartet hätten, die nun nicht komme. Wissen Sie etwas das diesem Gerede einen Schein geben könnte so theilen Sie mir es mit. Ich muß einmal Ernst machen wenn das Ding nicht schlimmer werden soll.

Sagen Sie mir doch wie Sie sich mit den Ihrigen befinden?

Goethe.


982. An Goethe.

Da Sie selbst wissen, wie ich beim ersten Gedanken an diese Uebersetzung auf die Becker gerechnet, so daß ich wirklich vorzugsweise um ihrentwillen die Phädra und nicht den Britannicus gewählt, so können Sie leicht denken, wie curios mir das herumgehende Gerede vorkommen muß. Ich wüßte schlechterdings nicht, was dazu Anlaß könnte gegeben haben, wenn es nicht dieses ist, daß ich Oelsen, wie er mich vor seiner Abreise nach Berlin um Aufträge dahin bat, sagte, ich hätte ein Stück unter der Feder, wobei eine interessante Rolle für Madame Unzelmann wäre. Wie es aber möglich war, dieses so zu verstehen, als wenn Madame Unzelmann diese Rolle hier spielen sollte, begreife ich nicht.

Mit meinen Kindern geht es gottlob ohne böse Zufälle ab, und es soll hoffe ich in wenig Tagen wieder gut stehen.

Mich hat mein Katarrh noch nicht verlassen, ob er gleich nicht mehr stark ist. Marmontels Memoires beschäftigen mich sehr, und besonders sind die Acheminements zur Revolution sehr gut geschildert. Es interessirt mich, mit Ihnen über Becker zu reden, wenn wir uns wieder sehen: denn ohne Zweifel kennen Sie ihn aus seinen eigenen Schriften und wissen, inwiefern Marmontels Bericht von ihm wahr ist.

Sch.


983. An Schiller.

Hier, mein Bester, das Opus. Haben Sie die Güte es aufmerksam durchzulesen, am Rande etwas zu notiren und mir dann Ihre Meinung zu sagen. Darauf will ich es noch einmal durchgehen, die Notata berichtigen, einige Lücken ausfüllen, vielleicht einige cynische Stellen mildern und so mag es abfahren. Ihnen und Ihren Nächsten das vorzulesen war meine Hoffnung, die nun auch vereitelt ist. Was machen die Kleinen?

Den 24. Januar 1805.

G.


984. An Goethe.

[Weimar, 24. Januar 1804.]

Ich schicke Ihnen einstweilen zurück, was ich von dem Rameau durchlesen, der Rest soll morgen nachfolgen. Es ist sehr wenig, was ich dabei zu notiren gefunden, und manches mag darunter sein, was auch nur Mir auffiel.

Ich habe acht gegeben, ob die Übersetzung des französischen Vous durch das Ihr nicht hie und da eine Ungeschicklichkeit haben könnte, aber ich habe nichts der Art bemerkt. Es war auf jeden Fall besser als sich des Sie zu bedienen.

Im Punkt der Dezenz wüßte ich nicht viel zu erinnern. Allenfalls könnte man sich bei den unanständigen Worten mit den Anfangsbuchstaben begnügen und dadurch dem Wohlstand seine Verbeugung machen, ohne die Sache aufzuopfern.

In meinem Hause sieht es noch wie im Lazareth aus, doch vertröstet uns der Doctor daß es mit dem Kleinen nichts zu bedeuten habe.

Nehmen Sie sich vielleicht der Phädra ein wenig an? In den einzelnen Rollen meine ich; besonders möchte nöthig sein, dem Hippolyt auf die rechte Spur zu helfen. Er hatte, als er neulich las, allzuviel Heftigkeit in seiner Declamation, die er mit Kraft und Pathos verwechselt.

Leben Sie recht wohl und mögen Sie uns bald wieder als ein guter Geist erscheinen.

Sch.


985. An Schiller.

Wenn es Ihnen nicht zuwider ist ein Paar Worte zu schreiben, so sagen Sie mir doch wie es Ihnen geht? Wovon ich, so sehr es mich interessirt, nichts eigentliches erfahren kann.

Mit mir ist es wieder zur Stille, Ruh und Empfänglichkeit gelangt. Hervorbringen aber kann ich noch nichts; welches mich einigermaßen incommodirt, weil ich das Winckelmannische Wesen gern bei Seite hatte.

Wie sehr wünschte ich Sie bald wieder zu sehen. Das Beste hoffend

Den 22. Februar 1805.

G.


986. An Goethe.

22. Februar 1805.

Es ist mir erfreulich wieder ein paar Zeilen Ihrer Hand zu sehen, und es belebt wieder meinen Glauben, daß die alten Zeiten zurückkommen können, woran ich manchmal ganz verzage. Die zwei harten Stöße die ich nun in einem Zeitraum von sieben Monaten auszustehen gehabt, haben mich bis auf die Wurzeln erschüttert und ich werde Mühe haben, mich zu erholen.

Zwar mein jetziger Anfall scheint nur die allgemeine epidemische Ursache gehabt zu haben, aber das Fieber war so stark und hat mich in einem schon so geschwächten Zustand überfallen, daß mir eben so zu Muthe ist, als wenn ich aus der schwersten Krankheit erstünde, und besonders habe ich Mühe eine gewisse Muthlosigkeit zu bekämpfen, die das schlimmste Uebel in meinen Umständen ist.

Ich bin begierig zu erfahren, ob Sie das Manuscript des Rameau nun abgeschickt haben? Goeschen hat mir nichts davon geschrieben, wie ich überhaupt seit vierzehn Tagen nichts aus der Welt vernommen.

Möge es sich täglich und stündlich mit Ihnen bessern und mit mir auch, daß wir uns bald mit Freuden wieder sehen.

Sch.


987. An Schiller.

[Weimar, 24. April 1805.]

Hier sende Rameaus Neffen mit der Bitte ihn morgen, mit der fahrenden Post nach Leipzig zu senden. Sie sind ja wohl so gut, noch einen derben Umschlag darum machen zu lassen, daß das Manuscript nicht leide. Es mag so hingehen, ob man gleich, wenn es gedruckt zurückkommt, noch manches zu erinnern finden wird. Die letzten Züge in eine solche Arbeit hinein zu retouchiren ist freilich nicht die Sache der Reconvalescenz.

Wenn ich das Winckelmannische Wesen abgefertigt habe, will ich sehn ob noch Zeit und Muth übrig ist, die alphabetischen, literarischen Anmerkungen zum Rameau hinzuzufügen.

Ich habe einige Bemerkungen zu dem Manuscript gelegt, die den Drucker einigermaßen leiten können.

Die Phädra werde ich recht gern in jedem Sinne durchsehen.

Uebrigens müssen wir uns in Geduld fügen und was sich thun läßt, thun, bis wir etwas besseres thun können. Ich fahre täglich aus und setze mich mit der Welt wieder in einigen Rapport.

Ich hoffe Sie bald zu besuchen und wünsche Sie bei wachsenden Kräften zu finden.

G.

Zugleich die Kupfer zum Tell und einige Nova von verschiedner Art.


988. An Schiller.

Da Sie in Ihrer jetzigen Lage wahrscheinlich leselustig sind, so schicke ein tüchtiges Bündel Literatur-Zeitungen und unsre Winckelmanniana &c., die Sie so viel ich weiß noch nicht gesehen haben. Ich habe mich wieder in die französische Literatur zum Behuf der bewußten Anmerkungen verlaufen und es wird immer etwas werden.

Es scheint doch mit mir vorwärts zu gehen. Wie sieht es mit Ihnen aus? Ich wünsche sehnlichst Sie wieder zu sehen.

Den 26. Februar 1805.

G.


989. An Goethe.

[Weimar, 28. Febr. 1805.]

Mit wahrem Vergnügen habe ich die Reihe der ästhetischen Recensionen gelesen, die ihren Urheber nicht verkennen lassen. Wenn Sie sich auch nur Stoß- und Ruckweise zu einem solchen kritischen Spaziergang entschließen können, so werden Sie dadurch die gute Sache überhaupt und das Beste der Jenaischen Zeitung insbesondere nicht wenig befördern. Gerade dieses schöpferische Construiren der Werke und der Köpfe und dieses treffende Hinweisen auf die Wirkungspunkte fehlt in allen Kritiken und ist doch das einzige was zu etwas führen kann. Die Recensionen sind zugleich in einem behaglichen und heitern Ton geschrieben, der sich auf die angenehmste Art mittheilt. Möchten Sie in eben diesem Sinn und Ton Kotzebues Stücke vornehmen; es würde Ihnen nur die Mühe des Dictirens kosten und gewiß zu nicht weniger glücklichen Saillies Anlaß geben als der Nürnbergische Philister mit Bewußtsein ist.

Sonntagsfrühe möchte ich wohl in einer reinen und hochdeutschen Dichtersprache lesen, weil die Mundart, wenigstens beim Lesen, immer etwas störendes hat. Das Gedicht ist ganz vortrefflich und von unwiderstehlichem Reiz.

Ich danke für Winckelmanns Briefe. Die Lectüre kommt mir eben recht, um meine Reconvalescenz zu befördern. Es geht noch immer zum Bessern und ich denke nächstens die Luft zu versuchen.

Wollten Sie mir wohl Schlözers Nestor verschaffen oder nur wissen lassen, wo ich ihn bekommen kann.

Fahren Sie fort sich immer mehr zu erheitern und zu stärken. Vielleicht wenn der Wind sich legt, wage ich mich morgen heraus und besuche Sie.

S.

Müllers akademische Vorlesung hat etwas kümmerliches und mageres und verräth den Sand auf dem sie gewachsen. Da dieser Historiograph von Preußen doch schwerlich jemals in den Fall kommen wird, eine Geschichte dieser Monarchie zu schreiben, so hätte er bei dieser ersten und letzten Gelegenheit etwas recht geistreiches und gehaltreiches sagen sollen und können; dann hätte der gute Deutsche ewig bedauert, daß man von einer so vortrefflichen Hand nicht das Ganze erhalten.


990. An Schiller.

Sie haben mir eine große Freude gemacht durch die Billigung meiner Recensionen. Bei solchen Dingen weiß man niemals, ob man nicht zu viel thut, und durch das zu wenig wird es eben gar nichts.

Bei den Anmerkungen zum Rameau, die ich jetzt nach und nach dictire, will ich mich auf ähnliche Weise gehen lassen, um so mehr als der Text von der Art ist, daß die Anmerkungen auch wohl gewürzt sein dürfen. Es läßt sich bei dieser Gelegenheit manches frei über die französische Literatur sagen, die wir bisher meistens zu steif, entweder als Muster, oder als Widersacher, behandelt haben. Auch weil überall in der Welt dasselbe Mährchen gespielt wird, findet sich bei recht treuer Darstellung jener Erscheinungen gerade das, was wir jetzt auch erleben.

Ich wünsche sehr Sie wiederzusehen. Wagen Sie sich aber doch nicht zu früh aus, besonders bei dieser wilden Witterung.

Neues habe ich heute nicht zu senden und wünsche also nur von Herzen baldige Besserung.

Weimar den 28. Februar 1805.

G.


991. An Goethe.

27. März 1805.

Lassen Sie mich doch hören, wie es Ihnen in diesen Tagen ergangen ist. Ich habe mich mit ganzem Ernst endlich an meine Arbeit angeklammert und denke nun nicht mehr so leicht zerstreut zu werden. Es hat schwer gehalten, nach so langen Pausen und unglücklichen Zwischenfällen wieder Posto zu fassen und ich mußte mir Gewalt anthun. Jetzt aber bin ich im Zuge.

Der kalte Nordostwind wird auch Ihnen, fürchte ich, wie mir die Erholung erschweren; doch habe ich mich dießmal noch leidlicher befunden, als sonst bei gleichem Barometerstand mit mir der Fall ist.

Wollten Sie mir wohl den französischen Rameau für Göschen senden? Ich will ihm aufs beste empfehlen, Ihnen die Aushängebogen, wie sie gedruckt werden, sogleich zuzuschicken.

Leben Sie wohl, ich sehne mich nach einer Zeile von Ihnen.

Sch.


992. An Schiller.

Da bei Cottas nächster wahrscheinlicher Anwesenheit von einer Herausgabe meiner Werke die Rede sein könnte, so find ich es nöthig Sie mit den älteren Verhältnissen zu Göschen bekannt zu machen. Ihre Freundschaft und Einsicht in das Geschäft überhebt mich die unerfreulichen Papiere gegenwärtig durchzusehen.

Außerdem bemerke ich daß Göschen eine Ausgabe in vier Bänden unter den falschen Jahrzahlen 1787 und 1791 gedruckt, wovon niemals unter uns die Rede war. Alles gute!

Weimar den 19. April 1805.

G.


993. An Schiller.

Für die Durchsicht der Papiere danke ich Ihnen recht sehr und es freut mich, daß wir wegen jener Obliegenheiten einerlei Meinung sind. Freilich ist es ein wunderbarer Blick in so kurz vergangene und doch in manchem so unähnliche Zeiten. Lassen Sie uns die Sache gelegentlich näher besprechen und ein Arrangement, so wie die weitere Bearbeitung vorbereiten.

Die drei Skizzen zu einer Schilderung Winckelmanns sind gestern abgegangen. Ich weiß nicht welcher Maler oder Dilettant unter ein Gemälde schrieb: in doloribus pinxit. Diese Unterschrift möchte zu meiner gegenwärtigen Arbeit wohl passen. Ich wünsche nur, daß der Leser nichts davon empfinden möge, wie man an den Späßen des Scarron die Gichtschmerzen nicht spürte.

Ich habe mich nun über die Noten zu Rameaus Neffen gemacht und komme da freilich in das weite und breite Feld der Musik. Ich will sehen nur einige Hauptlinien durchzuziehen und sodann sobald als möglich aus diesem Reiche, das mir doch so ziemlich fremd ist, wieder herauszukommen.

Ich wünsche Glück zur Arbeit und freue mich bald etwas davon zu sehen.

Weimar den 20. April 1805.

G.


994. An Schiller.

Was gestern von Leipzig angekommen theile ich mit. Göschen scheint auf die Anmerkungen zu renunciren, indessen ich fleißig daran fortgearbeitet habe. Sie liegen hier bei. Haben Sie die Gefälligkeit sie durchzugehen und was Sie etwa für allzu paradox, gewagt und unzulänglich finden, anzustreichen, damit wir darüber sprechen können. Ich dächte man arbeitete diese vorliegenden Blätter, welche freilich noch nicht die Hälfte der im Dialog vorkommenden Namen erschöpfen, noch möglichst durch und sendete sie ab: denn eigentlich sind die Hauptpunkte, worauf es eigentlich ankommt, darin schon abgehandelt, das übrige ist mehr zufällig und aufs Leben bezüglich, wo wir doch in dieser Entfernung der Zeit und des Orts nicht auf den Grund kommen. Die Theaternamen, wie Clairon, Preville, Dumenil, sind auch schon bekannte und selbst in dem Dialog nicht von der höchsten Bedeutung. Genug ich wiederhole, haben Sie die Güte die Blätter durchzulesen, die Sache durchzudenken und mit mir diese Tage darüber zu conferiren. Das beste Lebewohl.

Weimar den 23. April 1805.

G.


995. An Goethe.

Die Anmerkungen lesen sich vortrefflich und auch unabhängig von dem Text, auf den sie übrigens ein sehr helles Licht verbreiten. Was über französischen Geschmack, über Autoren und Publicum überhaupt und mit einem Seitenblick auf unser Deutschland gesagt wird, ist eben so glücklich und treffend, als die Artikel von Musik und Musikern, von Palissot und andern für das commentirte Werk passend und unterrichtend sind. Auch Voltaires Brief an Palissot und Rousseaus Stelle über Rameau machen eine gute Figur.

Ich habe weniges zu bemerken gefunden und auch dieses nur in Beziehung auf den Ausdruck, eine einzige kleine Stelle im Artikel Geschmack ausgenommen, die mir nicht ganz einleuchtete.

Da mir diese Anmerkungen so gut als fertig scheinen, so wäre die Frage, ob sie nicht gleich mit morgendem Posttag abgehen könnten. Ich habe fünfzehn Artikel darin gefunden die für sich selbst interessiren, und schon die Hälfte dieser Zahl würde die Anmerkungen gerechtfertigt haben. Auch schätz ich sie gedruckt auf wenigstens drei Bogen, welches reichlich genug ausgestattet heißt.

Leben Sie recht wohl und immer besser! Vergessen Sie nicht mir den Elpenor zu schicken.

Den 21. April 1805.

Sch.


996. An Schiller.

[Weimar, 24. April 1805.]

Wollten Sie wohl die Gefälligkeit haben, aus dem Geschriebenen den Artikel Le Mierre herauszunehmen. So eben sehe ich, daß ich mich in der Person geirrt habe.

G.


997. An Schiller.

[Weimar, 25. April 1805.]

Hier endlich der Rest des Manuscripts, das ich noch einmal anzusehen und sodann nach Leipzig abzuschicken bitte. Wäre nicht alles was man thut und treibt, am Ende extemporisirt, so würde ich bei den sehr extemporisirten Anmerkungen manches Bedenken haben. Mein größter Trost ist dabei, daß ich sagen kann: sine me ibis Liber! denn ich möchte nicht gern überall gegenwärtig sein, wohin es gelangen wird.

Ich habe indeß an der Geschichte der Farbenlehre zu dictiren angefangen und ein schweres Capitel aus der Mitte heraus bald absolvirt.

Uebrigens geht es mir gut, so lang ich täglich reite. Bei einer Pause aber meldet sich manche Unbequemlichkeit. Ich hoffe Sie bald zu sehen.

G.


998. An Goethe.

[Weimar, 25. April 1805.]

Die Anmerkungen schließen mit Voltaire lustig genug, und man bekommt noch eine tüchtige Ladung auf den Weg. Indessen seh ich mich gerade bei diesem letzten Artikel in einiger Controvers mit Ihnen, sowohl was das Register der Eigenschaften zum guten Schriftsteller, als was deren Anwendung auf Voltaire betrifft.

Zwar soll das Register nur eine empirische Aufzählung der Prädikate sein, welche man bei Lesung der guten Schriftsteller auszusprechen sich veranlaßt fühlt; aber stehen diese Eigenschaften in Einer Reihe hintereinander, so fällt es auf, Genera und Species, Hauptfarben und Farbentöne neben einander aufgeführt zu sehen. Wenigstens würde ich in dieser Reihenfolge die großen viel enthaltenden Worte, Genie, Verstand, Geist, Styl &c. vermieden und mich nur in den Schranken ganz partieller Stimmungen und Nuancen gehalten haben.

Dann vermisse ich doch in der Reihe noch einige Bestimmungen, wie Charakter, Energie und Feuer, welche gerade das sind, was die Gewalt so vieler Schriftsteller ausmacht und sich keineswegs unter die angeführten subsumiren läßt. Freilich wird es schwer sein dem Voltairischen Proteus einen Charakter beizulegen.

Sie haben zwar, indem Sie Voltairen die Tiefe absprechen, auf einen Hauptmangel desselben hingedeutet, aber ich wünschte doch, daß das was man Gemüth nennt und was ihm sowie im Ganzen allen Franzosen so sehr fehlt, auch wäre ausgesprochen worden. Gemüth und Herz haben Sie in der Reihe nicht mit aufgeführt; freilich sind sie theilweise schon unter andern Prädikaten enthalten, aber doch nicht in dem vollen Sinn, als man damit verbindet.

Schließlich gebe ich Ihnen zu bedenken, ob Ludwig XIV, der doch im Grund ein sehr weicher Charakter war, der nie als Held durch seine Persönlichkeit viel im Kriege geleistet, und dessen stolze Repräsentations-Regierung, wenn man billig sein will, zunächst das Werk von zwei sehr thätigen Ministerialregierungen war, die ihm vorhergingen und das Feld rein machten, ob Ludwig XIV mehr als Heinrich IV den französischen Königscharakter darstellt.

Dieser heteros logos fiel mir beim Lesen ein, und ich wollte ihn nicht vorenthalten.

Sch.


999. An Schiller.

Beiliegende kleine Note haben Sie ja wohl die Gefälligkeit nach Leipzig zu befördern und gelegentlich den beiliegenden Versuch, die Farbengeschichte zu behandeln, durchzulesen. Lassen Sie das Manuscript bei sich liegen, bis ich den Schluß dieses Capitels zuschicke. Voran liegt ein kurzes Schema zur Uebersicht des Ganzen.

G.



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