Friedrich Schiller
Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe - Zweiter Band
Friedrich Schiller

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

1798.

396. An Goethe.

Jena den 2. Januar 1798.

Es soll mir ein gutes Omen sein, daß Sie es sind, an den ich zum erstenmal unter dem neuen Datum schreibe. Das Glück sei Ihnen in diesem Jahre eben so hold als in den zwei letzt vergangenen, ich kann Ihnen nichts beßres wünschen. Möchte auch mir die Freude in diesem Jahre beschert sein, das beste aus meiner Natur in einem Werke zu sublimiren, wie Sie mit der Ihrigen es gethan.

Ihre eigene Art und Weise zwischen Reflexion und Produktion zu alterniren ist wirklich beneidens- und bewundernswerth. Beide Geschäfte trennen sich in Ihnen ganz, und das eben macht, daß beide als Geschäft so rein ausgeführt werden. Sie sind wirklich so lang Sie arbeiten im Dunkeln und das Licht ist bloß in Ihnen: und wenn Sie anfangen zu reflectiren, so tritt das innere Licht von Ihnen heraus und bestrahlt die Gegenstände Ihnen und Andern. Bei mir vermischen sich beide Wirkungsarten und nicht sehr zum Vortheil der Sache.

Von Hermann und Dorothea las ich kürzlich eine Recension in der Nürnberger Zeitung, welche mir wieder bestätigt, daß die Deutschen nur fürs allgemeine, fürs verständige und fürs moralische Sinn haben. Die Beurtheilung ist voll guten Willens, aber auch nicht etwas darin, was ein Gefühl des poetischen zeigte oder einen Blick in die poetische Oekonomie des Ganzen verrieth. Bloß an Stellen hängt sich der gute Mann und vorzugsweise an die, welche ins Allgemeine und Breite gehen und einem etwas ans Herz legen.

Haben Sie vielleicht das seltsame Buch von Retif: Coeur humain dévoilé je gesehen oder davon gehört? Ich hab' es nun gelesen, so weit es da ist, und ungeachtet alles widerwärtigen, platten und revoltanten mich sehr daran ergötzt. Denn eine so heftig sinnliche Natur ist mir nicht vorgekommen und die Mannigfaltigkeit der Gestalten, besonders weiblicher, durch die man geführt wird, das Leben und die Gegenwart der Beschreibung, das Charakteristische der Sitten und die Darstellung des französischen Wesens in einer gewissen Volksklasse muß interessiren. Mir, der so wenig Gelegenheit hat, von außen zu schöpfen und die Menschen im Leben zu studiren, hat ein solches Buch, in welche Klasse ich auch den Cellini rechne, einen unschätzbaren Werth.

Dieser Tage las ich zu meiner großen Lust im Intelligenzblatt der Lit. Zeitung eine Erklärung von dem jüngern Schlegel, daß er mit dem Herausgeber des Lyceums nichts mehr zu schaffen habe. So hat also doch unsre Prophezeiung eingetroffen, daß dieses Band nicht lange dauren werde!

Leben Sie wohl für heute; ich erwarte nun morgen eine bestimmte Anzeige, wie bald Sie zu uns kommen. Meine Frau grüßt Sie bestens. Meyern hoffe ich doch wenigstens auf einen Tag wieder bei uns zu sehen.

Sch.


397. An Schiller.

Es ist mir dabei ganz wohl zu Muthe, daß wir zum neuen Jahre einander so nahe sind; ich wünsche nur daß wir uns bald wieder sehen und einige Zeit in der Continuation zusammen leben. Ich möchte Ihnen manche Sachen mittheilen und vertrauen, damit eine gewisse Epoche meines Denkens und Dichtens schneller zur Reife komme.

Ich freue mich sehr darauf etwas von Ihrem Wallenstein zu sehen, weil mir auch dadurch eine neue Theilnahme an Ihrem Wesen möglich wird. Ich wünsche nichts mehr als daß Sie ihn dies Jahr vollbringen mögen.

Schon künftigen Sonntag gedachte ich zu Ihnen zu kommen, es scheint sich aber ein neues Hinderniß dazwischen zu stellen; auf den Sonnabend werde ich mehr sagen können. Sie erhalten alsdann auch eine Abschrift eines alten Gesprächs zwischen einem Chinesischen Gelehrten und einem Jesuiten, in welchem jener sich als ein schaffender Idealist, dieser als ein völliger Reinholdianer zeigt. Dieser Fund hat mich unglaublich amüsirt und mir eine gute Idee von dem Scharfsinn der Chinesen gegeben.

Das Buch von Retif habe ich noch nicht gesehen, ich will es zu erhalten suchen.

Wenn uns als Dichtern, wie den Taschenspielern, daran gelegen sein müßte daß niemand die Art, wie ein Kunststückchen hervorgebracht wird, einsehen dürfte, so hätten wir freilich gewonnen Spiel; so wie jeder, der das Publicum zum besten haben mag, indem er mit dem Strome schwimmt, auf Glück rechnen kann. In Hermann und Dorothea habe ich, was das Material betrifft, den Deutschen einmal ihren Willen gethan und nun sind sie äußerst zufrieden. Ich überlege jetzt ob man nicht auf eben diesem Wege ein dramatisches Stück schreiben könnte, das auf allen Theatern gespielt werden müßte und das jedermann für fürtrefflich erklärte, ohne daß es der Autor selbst dafür zu halten brauchte.

Dieses und so vieles andere muß bis zu unserer Zusammenkunft verschoben bleiben. Wie sehr wünschte ich daß Sie in diesen Tagen bei uns wären, um eine der größten Unformen der organischen Natur, den Elephanten, und die anmuthigste der Kunstgestalten, die Florentinische Madonna des Raphael in Einer Stunde und also gleichsam nebeneinander zu sehen.

Schellings Ideen zu einer Philosophie der Natur bringe ich mit; es wird uns Anlaß zu mancher Unterhaltung geben.

Leben Sie recht wohl, und grüßen mir Ihre liebe Frau recht vielmals.

Friedrich Schlegel hat in ein Stück des Lyceums, da das Journal in Berlin gedruckt wird, wo er sich jetzt befindet, als es an Manuscript fehlte, ohne Reichardts Vorwissen, einen tollen Aufsatz einrücken lassen, worin er auch Voß angreift und worüber sich dann die edlen Freunde brouillirten.

Weimar am 3. Januar 1798.

G.


398. An Goethe.

Jena den 5. Januar 1798.

Meine Hauswirthe können den freundlichen Empfang den Sie bei Ihnen erfahren, und die schönen Sachen, die ihnen gezeigt worden sind, nicht genug rühmen. Wirklich wundre ich mich über den Antheil, womit der Alte über diese Kunstwerke spricht und der Künstler hat Ursache, sich seiner Wirkung auf eine solche Natur zu freuen.

Es thut mir sehr leid, daß Ihre Anherokunft so viele Verzögerungen findet, da ich nach einem frühern Brief von Ihnen schon vom Christtag an darauf rechnen konnte. Unterdessen habe ich einige Schritte weiter in meiner Arbeit gewonnen und bin im Stand, Ihnen viermal mehr als der Prolog beträgt, vorzulegen, obgleich noch nichts von dem dritten Akte dabei ist.

Jetzt da ich meine Arbeit von einer fremden Hand reinlich geschrieben vor mir habe und sie mir fremder ist, macht sie mir wirklich Freude. Ich finde augenscheinlich, daß ich über mich selbst hinausgegangen bin, welches die Frucht unsers Umgangs ist; denn nur der vielmalige continuirliche Verkehr mit einer, so objectiv mir entgegenstehenden Natur, mein lebhaftes Hinstreben darnach und die vereinigte Bemühung, sie anzuschauen und zu denken, konnte mich fähig machen, meine subjectiven Grenzen so weit aus einander zu rücken. Ich finde, daß mich die Klarheit und die Besonnenheit, welche die Frucht einer spätern Epoche ist, nichts von der Wärme einer frühern gekostet hat. Doch es schickte sich besser, daß ich das aus Ihrem Munde hörte, als daß Sie es von mir erfahren.

Ich werde es mir gesagt sein lassen, keine andre als historische Stoffe zu wählen; frei erfundene würden meine Klippe sein. Es ist eine ganz andere Operation, das realistische zu idealisiren, als das ideale zu realisiren, und letzteres ist der eigentliche Fall bei freien Fictionen. Es steht in meinem Vermögen, eine gegebene bestimmte und beschränkte Materie zu beleben, zu erwärmen und gleichsam aufquellen zu machen, während daß die objective Bestimmtheit eines solchen Stoffs meine Phantasie zügelt und meiner Willkür widersteht.

Ich möchte wohl einmal, wenn es mir mit einigen Schauspielen gelungen ist, mir unser Publikum recht geneigt zu machen, etwas recht böses thun, und eine alte Idee mit Julian dem Apostaten ausführen. Hier ist nun auch eine ganz eigene bestimmte historische Welt, bei der mir's nicht leid sein sollte, eine poetische Ausbeute zu finden, und das fürchterliche Interesse das der Stoff hat, müßte die Gewalt der poetischen Darstellung desto wirksamer machen. Wenn Julians Misopogon, oder seine Briefe (übersetzt nämlich) in der Weimarischen Bibliothek sein sollten, so würden Sie mir viel Vergnügen damit machen, wenn Sie sie mitbrächten.

Die Charlotte Kalb hör' ich soll wirklich in Gefahr sein blind zu werden; sie wäre doch sehr zu beklagen.

Leben Sie recht wohl; ich lege hier etwas von Körnern bei, was er über Ihren Pausias schreibt. Haben Sie die Güte mir den Humboldtischen Brief, den ich auf den Montag beantworte, zurückzusenden.

Sch.


399. An Schiller.

Ich wünsche Ihnen Glück zu Ihrer Zufriedenheit mit dem fertigen Theil Ihres Werkes. Bei der Klarheit, mit der Sie die Forderungen übersehen, die Sie an sich zu machen haben, zweifle ich nicht an der völligen Gültigkeit Ihres Zeugnisses. Das günstige Zusammentreffen unserer beiden Naturen hat uns schon manchen Vortheil verschafft und ich hoffe dieses Verhältniß wird immer gleich fortwirken. Wenn ich Ihnen zum Repräsentanten mancher Objecte diente, so haben Sie mich von der allzustrengen Beobachtung der äußern Dinge und ihrer Verhältnisse auf mich selbst zurückgeführt, Sie haben mich die Vielseitigkeit des innern Menschen mit mehr Billigkeit anzuschauen gelehrt, Sie haben mir eine zweite Jugend verschafft und mich wieder zum Dichter gemacht, welches zu sein ich so gut als aufgehört hatte.

Sehr sonderbar spüre ich noch immer den Effect meiner Reise. Das Material, das ich darauf erbeutet, kann ich zu nichts brauchen und ich bin außer aller Stimmung gekommen irgend etwas zu thun. Ich erinnere mich aus früherer Zeit eben solcher Wirkungen und es ist mir aus manchen Fällen und Umständen recht wohl bekannt: daß Eindrücke bei mir sehr lange im Stillen wirken müssen, bis sie zum poetischen Gebrauche sich willig finden lassen. Ich habe auch deswegen ganz pausirt und erwarte nur was mir mein erster Aufenthalt in Jena bringen wird.

Die Körnersche Aufnahme des Pausias ist abermals sehr merkwürdig. Man soll nur seine Arbeiten so gut und so mannigfaltig machen als man kann, damit sich jeder etwas auslese und auf seine Weise daran Theil nehme. Körners Bemerkung hat in sich was richtiges, die Gruppe des Gedichts ist so entschieden als wenn sie gemalt wäre, nur durch Empfindung und Erinnerung belebt, wodurch denn der Wettstreit des Dichters mit dem Maler auffallender wird.

Ich habe übrigens bei den Gedichten des letzten Musenalmanachs erst wieder recht deutlich gesehen wie die schätzbarste Theilnahme uns nichts lehren und keine Art von Tadel uns was helfen kann. So lange ein Kunstwerk nicht da ist hat niemand einen Begriff von seiner Möglichkeit; sobald es dasteht, bleibt Lob und Tadel nur immer subjectiv und mancher, dem man Geschmack nicht absprechen kann, wünscht doch etwas dazu und davon wodurch vielleicht die ganze Arbeit zerstört würde, so daß der eigentlich negative Werth der Kritik, welcher immer der wichtigste sein mag, uns auch nicht einmal frommen kann.

Ich wünsche in gar vielen Rücksichten daß Ihr Wallenstein bald fertig werden möge. Lassen Sie uns, sowohl während der Arbeit, als auch hinterdrein die dramatischen Forderungen nochmals recht durcharbeiten! Seien Sie künftig in Absicht des Plans und der Anlage genau und vorausbestimmend, so müßte es nicht gut sein wenn Sie, bei Ihren geübten Talenten und dem innern Reichthum, nicht alle Jahr ein paar Stücke schreiben wollten. Denn das scheint mir offenbar beim dramatischen Dichter nothwendig daß er oft auftrete, die Wirkung die er gemacht hat immer wieder erneuere, und wenn er das Talent hat darauf fortbaue.

Unsere arme Freundin Kalb ist wirklich sehr übel. Sie ist schon des besten Gebrauchs ihres Gesichts beraubt, und es wäre wirklich möglich daß sie es ganz verlöre.

An den Julian will ich denken.

Hier schicke ich die angekündigte philosophische Unterredung. Der Chinese würde mir noch besser gefallen, wenn er die Gluthpfanne ergriffen und sie seinem Gegner mit diesen Worten überreicht hätte: »Ja, ich erschaffe sie, da nimm sie zu deinem Gebrauch!« Ich möchte wissen was der Jesuite hierauf geantwortet hätte.

Bei Gelegenheit des Schellingischen Buches habe ich auch wieder verschiedene Gedanken gehabt, über die wir umständlicher sprechen müssen. Ich gebe gern zu daß es nicht die Natur ist die wir erkennen, sondern daß sie nur nach gewissen Formen und Fähigkeiten unsers Geistes von uns aufgenommen wird. Von dem Appetit eines Kindes zum Apfel am Baum bis zum Falle desselben, der in Newton die Idee zu seiner Theorie erweckt haben soll, mag es freilich sehr viele Stufen des Anschauens geben und es wäre wohl zu wünschen daß man uns diese einmal recht deutlich vorlegte und zugleich begreiflich machte, was man für die höchste hält. Der transcendentelle Idealist glaubt nun freilich ganz oben zu stehen; eins will mir aber nicht an ihm gefallen, daß er mit den andern Vorstellungsarten streitet: denn man kann eigentlich mit keiner Vorstellungsart streiten. Wer will gewissen Menschen die Zweckmäßigkeit der organischen Naturen nach außen ausreden, da die Erfahrungen selbst täglich diese Lehre auszusprechen scheinen und man mit einer scheinbaren Erklärung der schwersten Phänomene so leicht wegkommt? Sie wissen wie sehr ich am Begriff der Zweckmäßigkeit der organischen Naturen nach innen hänge, und doch läßt sich ja eine Bestimmung von außen und ein Verhältniß nach außen nicht leugnen, wodurch man mehr oder weniger sich jener Vorstellungsart wieder nähert, so wie man sie im Vortrag als Redensart nicht entbehren kann. Eben so mag sich der Idealist gegen die Dinge an sich wehren wie er will, er stößt doch ehe er sich's versieht an die Dinge außer ihm, und wie mir scheint, sie kommen ihm immer beim ersten Begegnen so in die Quere wie dem Chinesen die Gluthpfanne. Mir will immer dünken daß wenn die eine Partei von außen hinein den Geist niemals erreichen kann, die andere von innen heraus wohl schwerlich zu den Körpern gelangen wird und daß man also immer wohl thut in dem philosophischen Naturstande (Schellings Ideen p. XVI.) zu bleiben und von seiner ungetrennten Existenz den besten möglichen Gebrauch zu machen, bis die Philosophen einmal übereinkommen wie das was sie nun einmal getrennt haben wieder zu vereinigen sein möchte.

Ich bin abermals auf einige Punkte gekommen deren Bestimmung ich zu meinen nächsten Operationen brauche und worüber ich mir Ihr Gutachten mündlich erbitten werde. Leben Sie recht wohl. Ich verschiebe meine Ankunft lieber auf einige Zeit um in der Continuation mit Ihnen erfreuliche und fruchtbare Tage verleben zu können.

Weimar den 6. Januar 1798.

G.


400. An Goethe.

Jena den 9. Januar 1798.

Inlage schickte mir Cotta für Sie und wird ferner damit continuiren. Er will Ihr Paket immer an mich einschließen, weil man nicht bis Weimar frankiren kann.

Heute kann ich Ihnen bloß einen guten Abend sagen. Ich habe die Nacht nicht geschlafen und werde mich gleich zu Bette legen. Wie ist's Ihnen bei dem greulichen Wetter? Ich fühle es in allen Nerven. Es ist mir für Sie selbst lieb, daß Sie jetzt nicht hier sind.

Leben Sie recht wohl.

Sch.


401. An Schiller.

Die letzten Tage waren wirklich von der Art daß man wohl that so wenig als möglich von dem Dasein des Himmels und der Erde Notiz zu nehmen, wie ich mich denn auch meistens in meiner Stube gehalten habe. Indessen habe ich in diesen farb- und freudlosen Stunden die Farbenlehre wieder vorgenommen, und, um das was ich bisher gethan recht zu übersehen, in meinen Papieren Ordnung gemacht. Ich hatte nämlich von Anfang an Acten geführt und dadurch sowohl meine Irrthümer als meine richtigen Schritte, besonders aber alle Versuche, Erfahrungen und Einfälle conservirt; nun habe ich diese Volumina auseinander getrennt, Papiersäcke machen lassen, diese nach einem gewissen Schema rubricirt und alles hineingesteckt, wodurch ich denn meinen Vorrath zu einem jeden Capitel desto besser übersehen kann – wobei ich alle unnütze Papiere zerstören kann – indem ich das Nützliche absondere und zugleich das Ganze recapitulire. Jetzt hinterdrein sehe ich erst wie toll die Unternehmung war, und werde mich wohl hüten mich jemals in etwas ähnliches wieder einzulassen. Denn selbst jetzt da ich mich so weit durchgearbeitet habe, bedarf es noch einer großen Arbeit bis ich mein Material zu einer reinen Darstellung bringe. Indessen habe ich dabei sehr an Ausbildung gewonnen, denn, ohne diese seltsame Theilnahme, wäre es meiner Natur kaum vergönnt gewesen einen Blick in diese Fächer zu thun. Ich lege einen kleinen Aufsatz bei, der ohngefähr vier bis fünf Jahre alt sein kann; es wird Sie gewiß unterhalten zu sehen wie ich die Dinge damals nahm.

Zugleich lege ich des Herrn Bouterweks ästhetische Bemühungen bei, die ich bis zu meiner Ankunft wohl zu verwahren bitte. Nicht leicht ist mir etwas so wunderlich vorgekommen. Das Ganze scheint mir aus alter überlieferter Waare, aus eignen unbestimmten Ansichten und aus Lappen der neuen Philosophie zu bestehen. Es müßte lustig genug sein wenn man dereinst nachgeschriebene Hefte erwischen könnte, wornach ich aufstellen will.

Cotta ist sehr artig daß er uns seine neue Weltkunde überschickt, ich werde ihm selbst danken. Das Blatt wird ein großes Publicum finden, ob ich gleich nicht leugnen will daß mir die Manier widersteht; sie erinnert mich an die Schubartische Chronik und hat weder Geschmack noch Würde. Doch was hat das zu bedeuten. Wenn Freund Cotta nur seine Rechnung dabei findet. Wenn ich in der Folge mit irgend einem Beitrag ihm dienen kann so werde ich es gerne thun. Das dritte Stück habe ich gestern schon unmittelbar erhalten.

Halten Sie sich so gut als möglich! Ich will auch den Januar noch hier ausdauern, auf den 30sten noch eine Oper geben und dann zu Ihnen hinübereilen, wo ich den Wallenstein auf gutem Wege zu finden hoffe; ich werde wohl indessen nichts thun können als aufräumen und ordnen. Leben Sie recht wohl.

Weimar am 10. Januar 1798.

G.


402. An Goethe.

Jena den 12. Januar 1798.

Ihr Aufsatz enthält eine treffliche Vorstellung und zugleich Rechenschaft Ihres naturhistorischen Verfahrens, und berührt die höchsten Angelegenheiten und Erfordernisse aller rationellen Empirie, indem er nur einem einzelnen Geschäfte die Regel zu geben sucht. Ich werde ihn noch sorgfältig durchlesen und überdenken und Ihnen dann meine Bemerkungen mittheilen. Das ist mir z. B. sehr einleuchtend, wie gefährlich es ist, einen theoretischen Satz unmittelbar durch Versuche beweisen zu wollen. Es stimmt dieß wie mir däucht mit einer andern philosophischen Warnung überein, daß man seine Sätze nicht durch Beispiele beweisen solle, weil kein Satz dem Beispiel gleich ist. Die entgegengesetzte Methode verkennt den essentiellen Unterschied zwischen der Naturwelt und der Verstandeswelt ganz, ja sie hebt die ganze Natur auf indem sie bloß ihre Vorstellung uns in den Dingen und nie umgekehrt finden läßt. Ueberhaupt kann eine Erscheinung, oder Factum, die etwas durchgängig vielfach Bestimmtes ist, nie einer Regel, die bloß bestimmend ist, adäquat sein. Ich wollte wünschen, es gefiel' Ihnen, den Hauptinhalt dieses Aufsatzes auch für sich selbst und unabhängig von der Untersuchung und Erfahrungen, denen er zur Einleitung dient, auszuführen. Sie würden auf eine strengere und reinere Scheidung des praktischen Verfahrens und des theoretischen Gebrauches bedeutende Fingerzeige geben; man würde dahin gebracht werden sich zu überzeugen, daß nur dadurch die Wissenschaft erweitert werden kann, daß man auf der einen Seite dem Phänomen ohne allen Anspruch auf eine hervorzubringende Einheit folgt, es von allen Seiten umgehet und bloß die Natur in ihrer Breite aufzufassen sucht – auf der andern Seite (und wenn jene erste nur in Sicherheit gebracht ist) die Freiheit der vorstellenden Kräfte begünstiget, das Combinationsvermögen sich nach Lust daran versuchen läßt, mit dem Vorbehalt, daß die vorstellende Kraft auch nur in ihrer eignen Welt und nie in dem Factum etwas zu constituiren suche. Denn mir däucht, es ist bisher auf zwei entgegengesetzte Arten in der Naturwissenschaft gefehlt worden; einmal hat man die Natur durch die Theorie verengt, und ein andermal die Denkkräfte durch das Object zu sehr einschränken wollen. Beiden muß Gerechtigkeit geschehen, wenn eine rationale Empirie möglich sein soll, und beiden kann Gerechtigkeit geschehen, wenn eine strenge kritische Polizei ihre Felder trennt. Sobald man die Freiheit der theoretischen Vermögen begünstiget, so kann es nicht fehlen, und die Erfahrung lehrt es, daß die Mannigfaltigkeit der Vorstellungsarten, wodurch sie sich wechselsweise einschränken und öfters aufheben, den Schaden gut macht, den der Despotism einer einzigen stiftet, und so wird man selbst auf dem theoretischen Wege zu dem Objecte zurückgenöthigt.

Das metaphysische Gespräch des Paters mit dem Chinesen hat mich sehr unterhalten und es nimmt sich in der gothischen Sprache besonders wohl aus. Ich bin nur ungewiß, wie es in solchen Fällen manchmal geht, ob etwas recht gescheides oder etwas recht plattes hinter des Chinesen seinem Raisonnement steckt. Wo haben Sie dieß schöne Morceau aufgefunden? Es wäre ein Spaß, es abdrucken zu lassen mit einer leisen Anwendung auf unsere neuesten Philosophen.

Bouterweks ästhetischer Kramladen ist wirklich merkwürdig. Nie hab' ich den flachen belletristischen Schwätzer mit dem confusen Kopf so gepaart gesehen, und eine so unverschämte Anmaßung auf Wissenschaft bei einem so erbärmlich rhapsodistischen Hausrath.

Daß Sie Ihre Herreise bis zum Februar verschieben, verlängert mir wirklich diesen traurigen Januar; aber ich werde aus dieser Einsamkeit wenigstens den einzigen Vortheil zu ziehen suchen, den sie hat, und im Wallenstein fleißig voranschreiten. Ohnehin ist es gut, wenn ich die Tragödie, ehe sie Ihnen vorgelegt wird, erst bis zu einer gewissen Hitze der Handlung geführt habe, wo diese sich dann wie von selbst bewegt und im Herabrollen ist, denn in den zwei ersten Akten steigt sie erst bergan.

Leben Sie recht wohl und grüßen Sie Meyern. Meine Frau empfiehlt sich bestens.

Sch.


403. An Schiller.

Ihr lehrreicher Brief trifft mich eben bei den Farben der aneinander gedruckten Glasplatten, dem Phänomen das Sie selbst so sehr interessirte und das ich jetzt auf seine ersten Elemente zu verfolgen vorhabe, indem ich ein Capitel nach dem andern auszuarbeiten gedenke. Schreiben Sie doch ja bei Gelegenheit meines Aufsatzes was Sie denken hin, denn wir müssen jetzt einen großen Schritt thun und ich glaube wieder bei Gelegenheit des Schellingischen Buches zu bemerken, daß von den neuern Philosophen wenig Hülfe zu hoffen ist. Ich habe diese Tage, beim Zertrennen und Ordnen meiner Papiere, mit Zufriedenheit gesehen wie ich, durch treues Vorschreiten und bescheidnes Aufmerken, von einem steifen Realism und einer stockenden Objectivität dahin gekommen bin daß ich Ihren heutigen Brief als mein eignes Glaubensbekenntniß unterschreiben kann. Ich will sehen ob ich durch meine Arbeit diese meine Ueberzeugung praktisch darstellen kann.

Indem ich diese Woche verschiedne physische Schriften wieder ansah ist es mir recht aufgefallen, wie die meisten Forscher die Naturphänomene als eine Gelegenheit brauchen die Kräfte ihres Individuums anzuwenden und ihr Handwerk zu üben. Es geht über alle Begriffe wie zur Unzeit Newton den Geometer in seiner Optik macht; es ist nicht besser als wenn man die Erscheinungen in Musik setzen oder in Verse bringen wollte, weil man Kapellmeister oder Dichter ist. Der Mechaniker läßt das Licht aus Kugeln bestehn, die sich einander stoßen und treiben; wie sie nun mehr oder weniger schief abprallen so müssen die verschiedenen Farben entstehen; beim Chemiker soll's der Wärmestoff und besonders in der neuern Zeit das Oxygen gethan haben. Ein stiller und besonders bescheidner Mann wie Klügel zweifelt und läßt es dahingestellt sein: Lichtenberg macht Späße und neckt die Vorstellungsarten der andern; Wünsch bringt eine Hypothese vor die toller ist als ein Capitel aus der Apokalypse, verschwendet Thätigkeit, Geschicklichkeit im Experimentiren, Scharfsinn im Combiniren an den absurdesten Einfall in der Welt; Gren wiederholt das alte, wie einer der ein symbolisches Glaubensbekenntniß abbetet, und versichert es sei das rechte. Genug es ist mehr oder weniger jedem darum zu thun seinen individuellen Zustand mit der Sache zu verbinden und sich wo möglich dabei seine Convenienz zu machen. Wir wollen nun sehen wie wir uns vor diesen Gefahren in Acht nehmen; helfen Sie mir mit aufmerken.

Ich will nächstens Ihnen ein Apperçu über das Ganze schreiben, um von meiner Methode, vom Zweck und Sinn der Arbeit Rechenschaft zu geben.

Heute nur noch meinen Glückwunsch zum fortschreitenden Wallenstein.

Das tolle philosophische Gespräch ist aus des Erasmus Francisci neupolirtem Geschicht-, Kunst- und Sittenspiegel, einem abgeschmackten Buche, das aber manchen für uns brauchbaren Stoff enthält.

Leben Sie recht wohl. Die Botenfrau steht vor der Thüre.

Weimar den 13. Januar 1798.

G.


404. An Goethe.

Jena den 15. Januar 1798.

Nur einen freundlichen Gruß für heute. Morgen Abend werde ich mit der Post schreiben. Ich hab' mich in eine Hauptscene so vertieft, daß ich vom Nachtwächter gemahnt werde aufzuhören. Es geht noch immer ganz gut mit der Arbeit und obgleich der Poet sein erstes Concept nicht gewisser schätzen kann als der Kaufmann seine Güter auf der See, so denke ich doch meine Zeit nicht verloren zu haben.

Leben Sie recht wohl.

Sch.


405. An Schiller.

Die gute Nachricht, daß Ihre Arbeit fördert ersetzt mir einen längern Brief, den ich sonst nicht gern entbehre.

Sie erhalten hierbei einen kleinen Aufsatz über einige Puncte, die ich in diesen Tagen noch lieber mündlich mit Ihnen abgehandelt hätte. Ich denke wenn wir die Sache noch einigemal recht angreifen, so muß sie sich geben. Ich habe gestern das Capitel von der Elektricität in Grens Naturlehre gelesen; es ist so vernünftig geschrieben als unvernünftig das von den Farben; allein wie fand er es auch durchgearbeitet und vorbereitet.

So viel ich jetzt übersehen kann wird die Farbenlehre, wenn man sie recht angreift, in Absicht auf ihren Vortrag einen Vorzug vor der elektrischen und magnetischen haben, weil wir bei ihr mit keinen Zeichen sondern mit den Verhältnissen und Wirkungen sichtbarer Naturverschiedenheiten zu thun haben.

Zugleich erhalten Sie einen Nachtrag von Freund Hirt über seinen Laokoon.

Böttiger hat, nach seiner beliebten Art, meinen Aufsatz über diese Materie an jenen Freund verrathen und dieser ist dadurch in die größte Bewegung gesetzt worden, wie der Nachtrag ausweist.

Bemerkenswert ist es daß er seine Beispiele von Basreliefen hernimmt, die als subordinirte Kunstwerke schon allenfalls etwas weiter gehen dürfen; daß er aber von der Familie der Niobe schweigt, einem Kunstwerk auf der höchsten Stufe, das aber freilich seiner Hypothese nicht günstig ist.

Wäre nur die Gruppe selbst glücklich in Paris angelangt und wieder aufgestellt so möchten unsere Saalbadereien hierüber sämmtlich in Rauch aufgehen.

Man fängt in Paris schon an sich über den übeln Zustand der hingeschafften Kunstwerke zu beklagen. So wie unser Meyer versichert daß z. B. die Cäcilie von Raphael gar nicht zu transportiren gewesen sei, weil der Kreidengrund sich an vielen Stellen gehoben hatte, der also durch die Erschütterung gewiß abgefallen ist. Wie finde ich Herrn Posselt glücklich daß er sich über den Succeß dieses übermächtigen und übermüthigen Volks bis tief in die Eingeweide freuen kann.

Leben Sie recht wohl. Es steht mir jetzt noch einige Wochen manches bevor, ist aber der Geburtstag vorbei, so komme ich um an Ihren Arbeiten Theil zu nehmen. Grüßen Sie Ihre liebe Frau.

Weimar am 17. Januar 1798.

G.


406. An Goethe.

Jena den 19. Januar 1798.

Es wird Ihnen interessant und belehrend sein, wenn Sie Ihre Gedanken, die in jenem ältern und in Ihrem neuesten Aufsatz aufgestellt sind, nach den Kategorien durchgehen. Ihr Unheil wird ganz bestätigt werden, und es wird Ihnen zugleich ein neues Vertrauen zu dem regulativen Gebrauch der Philosophie in Erfahrungssachen erwachsen. Ich will mich hier nur bei einigen Anwendungen aufhalten, und zwar gleich in Beziehung auf Ihren neuesten Aufsatz.

Die Vorstellung der Erfahrung unter den dreierlei Phänomenen ist vollkommen erschöpfend, wenn Sie sie nach den Kategorien prüfen. Der gemeine Empirism, der nicht über das empirische Phänomen hinausgeht, hat (der Quantität nach) immer nur Einen Fall, ein einziges Element der Erfahrung und mithin keine Erfahrung: der Qualität nach asserirt er immer nur eine bestimmte Existenz, ohne zu unterscheiden, von ihr auszuschließen, ihr entgegenzusetzen, mit Einem Wort, zu vergleichen; der Relation nach ist er in Gefahr das Zufällige als das Substantielle aufzunehmen; der Modalität nach bleibt er bloß auf eine bestimmte Wirklichkeit eingeschränkt, ohne das Mögliche zu ahnen, oder seine Erkenntniß bis gar zu einer Notwendigkeit zu führen. Nach meinem Begriff ist der gemeine Empirism nie einem Irrthum ausgesetzt, denn der Irrthum entsteht erst in der Wissenschaft. Was er bemerkt, bemerkt er wirklich, und weil er nicht den Kitzel fühlt, aus seinen Wahrnehmungen Gesetze für das Object zu machen, so können seine Wahrnehmungen ohne irgend eine Gefahr immer einzeln und accidentell sein.

b.

Erst mit dem Rationalism entsteht das wissenschaftliche Phänomen und der Irrthum. In diesem Felde nämlich fangen die Denkkräfte ihr Spiel an, und die Willkür tritt ein mit der Freiheit dieser Kräfte, die sich so gern dem Objecte substituiren.

Der Quantität nach verbindet der Rationalism immer mehrere Fälle, und so lang er sich bescheidet, die Pluralität nicht für Totalität auszugeben, d. h. objective Gesetze zu machen, so ist er unschädlich, ja nützlich, da er der Weg zur Wahrheit ist, welche nur dadurch gefunden wird, daß man von dem einzelnen sich loszumachen weiß. In seinem Misbrauch hingegen wird er verderblich für die Wissenschaft, weil er, wie Sie in Ihrem Aufsatz sehr einleuchtend sagen, die ungeheure Verbindungsgewalt des menschlichen Geistes auf Kosten einer gewissen republikanischen Freiheit der Facten geltend machen will, kurz weil er in die bloße Pluralität schon seine Einheit legen will, und also eine Totalität giebt, die keine ist.

Der Qualität nach setzt der Rationalism, wie billig ist, die Phänomene einander entgegen; er unterscheidet und vergleicht: welches gleichfalls (so wie der Rationalism überhaupt) löblich und gut und der einzige Weg zur Wissenschaft ist. Aber jener Despotism der Denkkräfte zeigt sich auch hier sogleich durch Einseitigkeit, durch Härte der Unterscheidung, so wie oben durch Willkür der Verbindung. Er kommt in Gefahr, dasjenige strenge zu sondern, was in der Natur verbunden ist, wie er oben verband, was die Natur scheidet. Er macht Eintheilungen, wo keine sind u. s. w.

Der Relation nach ist es das ewige Bestreben des Rationalism nach der Causalität der Erscheinungen zu fragen, und alles quâ Ursach und Wirkung zu verbinden. Wiederum sehr löblich und nöthig zur Wissenschaft, aber durch Einseitigkeit gleichfalls höchst verderblich. Ich beziehe mich hier auf Ihren Aufsatz selbst, der vorzüglich diesen Mißbrauch, den die Causalbestimmung der Phänomene veranlaßt, rügt. Der Rationalism scheint hier vorzüglich dadurch zu fehlen, daß er dürftigerweise bloß die Länge und nicht die Breite der Natur in Anschlag bringt.

Der Modalität nach verläßt der Rationalism die Wirklichkeit ohne die Nothwendigkeit zu erreichen. Die Möglichkeit ist sein ungeheures Feld, daher das grenzenlose Hypothesiren. Auch diese Function des Verstandes ist nach meinem Urtheil nothwendig und conditio sine quâ non aller Wissenschaft, denn nur durch das Mögliche giebt es, nach meinem Bedünken, von dem Wirklichen einen Durchgang zu dem Nothwendigen. Daher wehre ich mich, so sehr ich kann, für die Freiheit und Befugniß der theoretischen Kräfte im Felde der Physik.

c.

Zu dem reinen Phänomen, welches nach meinem Urtheil eins ist mit dem objectiven Naturgesetz, kann nur der rationelle Empirism hindurchdringen. Aber, um es noch einmal zu wiederholen, der rationelle Empirism selbst kann nie unmittelbar von dem Empirism anfangen, sondern der Rationalism wird allemal erst dazwischen liegen. Die dritte Kategorie entsteht jederzeit aus der Verknüpfung der ersten mit der zweiten, und so finden wir auch, daß nur die vollkommene Wirksamkeit der freien Denkkräfte mit der reinsten und ausgebreitetsten Wirksamkeit der sinnlichen Wahrnehmungsvermögen zu einer wissenschaftlichen Erkenntniß führt. Der rationelle Empirism wird folglich dieses beides thun: er wird die Willkür ausschließen und die Liberalität hervorbringen: die Willkür, welche entweder der Geist des Menschen gegen das Object, oder der blinde Zufall im Objecte und die eingeschränkte Individualität des einzelnen Phänomens gegen die Denkkraft ausübt. Mit Einem Worte, er wird dem Object sein ganzes Recht erweisen, indem er ihm seine blinde Gewalt nimmt, und dem menschlichen Geist seine ganze (rationelle) Freiheit verschaffen, indem er ihm alle Willkür abschneidet.

Der Quantität nach muß das reine Phänomen die Allheit der Fälle begreifen, denn es ist das Constante in allen. Es stellt also, völlig nach dem Sinn der Kategorie, die Einheit in der Mehrheit wiederum her.

Der Qualität nach limitirt der rationelle Empirism immer, wie auch das Beispiel aller wahren Naturkundiger lehret, die von einem absoluten Bejahen und Verneinen sich gleich entfernt halten.

Der Relation nach achtet der rationelle Empirism zugleich auf die Causalität und auf die Unabhängigkeit der Erscheinungen; er sieht die ganze Natur in einer reciproken Wirksamkeit, alles bestimmt sich wechselsweise, und er hütet sich demnach, die Causalität bloß nach einer einfachen dürftigen Länge gelten zu lassen, er nimmt immer auch die Breite mit auf.

Der Modalität nach dringt der rationelle Empirism immer zu der Nothwendigkeit hindurch.

Der rationelle Empirism ist, seinem Begriffe nach, zwar nie einem Misbrauch ausgesetzt, so wie die zwei vorhergehenden Erkenntnißarten; aber vor einem falschen und angeblichen rationellen Empirism ist doch zu warnen. So wie nämlich eine weise Limitation den eigentlichen Geist dieses rationellen Empirism ausmacht, so kann eine feige und ängstliche Limitation den andern hervorbringen. Die Frucht des erstern ist das reine, die Frucht des andern das leere und hohle Phänomen. Ich habe mehrmalen bemerkt, daß bedenkliche schwache Geister aus einem zu weit getriebenen Respect vor den Gegenständen und deren Mannigfaltigkeit und aus zu weit getriebener Furcht vor den Seelenkräften, ihre Assertionen und Enunciationen zuletzt so einschränken und gleichsam aushöhlen, daß das Resultat Null wird.

Es ist noch so vieles über diese Materie und über Ihre Thesen zu sprechen, daß ich Ihre Hieherkunft erwarte, um noch recht in die Sache hineinzugehen, denn nur das Gespräch hilft mir eigentlich die Vorstellung des andern schnell zu fassen und fest zu halten. In dem Monolog eines Briefes bin ich stets in Gefahr, nur meine Seite zu fassen. Besonders will ich Sie selbst noch mehr über das, was Sie die mittelbare Anwendung der Fälle auf Regeln nennen, reden hören.

Meine poetische Arbeit stockt seit drei Tagen, ungeachtet einer ganz guten Stimmung in der ich war. Eine Verschleimung des Halses, die in unserm Haus von Mann zu Mann herumging, hat endlich auch mich ergriffen, und weil mich dieß Uebel gerade in einem erhöhten Zustand von Reizbarkeit überraschte, in den mich mein Geschäft versetzt hatte, so hatte ich gestern den ganzen Tag Fieber. Heute ist mir aber der Kopf schon viel freier, und ich hoffe in etlichen Tagen den bösen Gast los zu sein.

Zu dem neuen Xenion gratulir' ich. Wir wollen es ja ad Acta legen.

Die tollen Sprünge, welche Herr Posselt vor dem Publicum macht, werden Cotta wahrscheinlich bereichern: denn er schreibt mir, daß er jetzt beinahe schon ganz gedeckt sei.

Man frägt hier sehr, ob Sie in Weimar nicht die Gotterische Oper: die Geisterinsel geben würden.

Hätten Sie jetzt nicht Lust, da Herr Hirt Ihren Aufsatz über Laokoon gewissermaßen anticipirt, diesen Aufsatz in die Horen zu geben?

Leben Sie recht wohl. Meine Frau grüßt.

Sch.


407. An Schiller.

Für die Prüfung meiner Aufsätze nach den Kategorien danke ich zum schönsten: ich werde sie bei meiner Arbeit immer vor Augen haben. Ich finde selbst an der Stimmung womit ich diese Gegenstände bearbeite, daß ich bald zur edlen Freiheit des Denkens darüber gelangen werde. Ich schematisire unabläßlich, gehe meine Collectaneen durch und suche, aus dem Wust von unnöthigem und falschem, die Phänomene in ihrer sichersten Bestimmung und die reinsten Resultate heraus. Wie froh will ich sein wenn der ganze Wust verbrannt ist und das brauchbare davon auf wenig Blättern steht. Die Arbeit war unsäglich, die doch nun schon acht Jahre dauert, da ich kein Organ zur Behandlung der Sache mitbrachte, sondern mir es immer in und zu der Erfahrung bilden mußte. Da wir nun einmal so weit sind, so wollen wir uns die letzte Arbeit nicht verdrießen lassen; stehen Sie mir von der theoretischen Seite bei und so wird es gewiß geschwinder gehen.

Ich lege einen flüchtigen Entwurf zur Geschichte der Farbenlehre bei. Sie werden dabei auch schöne Bemerkungen über den Gang des menschlichen Geistes machen können; er dreht sich in einem gewissen Kreise herum, bis er ihn ausgelaufen hat. Die ganze Geschichte, wie Sie sehen werden, dreht sich um die gemeine, das Phänomen blos aussprechende Empirie, und um den nach Ursachen haschenden Rationalism herum, wenig Versuche einer reinen Zusammenstellung der Phänomene finden sich. Also schreibt uns die Geschichte auch schon selbst vor was wir zu thun haben. Es wird sich bei der Ausführung etwas recht interessantes machen lassen. Stehen Sie mir bei weiterm Fortschreiten bei.

Die öftern Rückfälle Ihrer Gesundheit betrüben mich sehr, sowohl um des Leidens als des Verlustes willen. Die milde Witterung verspricht uns für die nächste Zeit noch nichts gutes.

Cotta ist zu beneiden! er fühlt sich gewiß glücklich daß so ein herrliches Blatt durch ihn in die Welt geht, wobei der goldne Beifall doppelt willkommen ist. Ich habe es in Weimar sehr in Gang bringen helfen.

Die Gottersche Oper geben wir vorerst noch nicht.

Meinen Aufsatz über Laokoon will ich gelegentlich nochmals durchsehen und dann wollen wir überlegen was zu thun sei. Leben Sie recht wohl, grüßen Sie Ihre liebe Frau und haben Sie nochmals Dank für Ihren langen fördernden Brief.

Weimar am 20. Januar 1798.

G.


408. An Goethe.

Jena den 23. Januar 1798.

Ich bin meines Halsübels doch nicht so leicht los geworden, wie ich's in meinem letzten Brief glaubte versichern zu können. Noch heute plagt es mich und da das Uebel gerade den Kopf einnimmt, so macht es mich ungeduldiger als sonst meine Krämpfe thun. Es ist mir in diesem Zeitpunkt doppelt lästig, da ich gerade im besten Zuge war, und vor Ihrer Ankunft noch eine gute Station zurückzulegen dachte.

Das kleine Schema zu einer Geschichte der Optik enthält viele bedeutende Grundzüge einer allgemeinen Geschichte der Wissenschaft und des menschlichen Denkens, und wenn Sie sie ausführen sollten, so müßten sich viele philosophische Bemerkungen machen lassen. Der deutsche Geist würde aber nicht zu seinem Vortheil dabei erscheinen, wenn nicht die Entwicklung anticipirt wird. Es ist doch eigen daß sich die Lebhaftigkeit der Franzosen so bald einschüchtern und ermüden ließ. Man möchte sagen daß es doch mehr die Passion, als Liebe zur Sache war, was den Widerspruch der Franzosen nährte; sonst würden sie der Autorität nicht nachgegeben haben. Den Deutschen hält die Autorität und ein dogmatischer Irrthum lange nieder, aber endlich pflegt doch bei ihm seine natürliche Objectivität und sein Ernst an der Sache zu siegen, und gewöhnlich ist Er es doch, der für die Wissenschaft ärntet.

Es ist gar keine Frage, daß Sie das Mögliche für Ihr Geschäft thun und eine so weit schon geführte Sache zu einem gewünschten Ende bringen müssen; denn daß Sie endlich durchdringen werden, ist mir keinen Augenblick zweifelhaft. Ich glaube aber, Sie thun wohl, wenn Sie jetzt, nachdem Sie vergebens auf einen Begleiter und Mitforscher gewartet haben, sich auch nach keinem mehr umsehen und Ihr Geschäft still für sich selbst vollenden, um alsdann mit dem fertigen, so weit es auf Ihrem Wege sich bringen läßt, auf einmal hervorzutreten. Das erst entstehende imponirt, scheint es, den Deutschen nicht; es reizt sie vielmehr und macht sie eigensinnig, wenn man ihre Dogmata bloß erschüttert, ohne sie ganz und gar umzureißen. Ein völlig fertiges Ganzes und ein methodisch ernstlicher Angriff hingegen überwältigt den Eigensinn und bringt die natürliche und angeborne Sachliebe des Deutschen auf die Seite des Gegners. So denke ich mir die Sache, und wenn Sie in drei, vier Jahren Ihre ausführliche und methodische Darlegung vor das Publicum bringen, so wird man gewiß Folgen davon sehen. Unterdessen verläuft sich auch in etwas diese chemische Sündfluth und ein neues Interesse gewinnt Platz.

Böttiger höre ich wollte über den Vandalism der Franzosen, bei Gelegenheit der so schlecht transportirten Kunstwerke einen Aufsatz schreiben. Ich wünschte er thäte es und sammelte alle dahin einschlagende Züge von Rohheit und Leichtsinnigkeit. Ermuntern Sie ihn doch und verschaffen mir alsdann den Aufsatz für die Horen.

Cotta mag immer aus derselben Druckerpresse kalt und warm blasen.

Leben Sie recht wohl. Heute über acht Tagen hoffe ich Sie hier zu sehen.

Sch.


409. An Schiller.

Schon heute könnte ich ein besseres Schema einer künftigen Geschichte der Farbenlehre überschicken und es soll von Zeit zu Zeit noch besser werden. Wenn man die Reihe von geistigen Begebenheiten, woraus doch eigentlich die Geschichte der Wissenschaften besteht, so vor Augen sieht, so lacht man nicht mehr über den Einfall eine Geschichte a priori zu schreiben: denn es entwickelt sich wirklich alles aus den vor- und rückschreitenden Eigenschaften des menschlichen Geistes, aus der strebenden und sich selbst wieder retardirenden Natur.

Eines einzelnen Umstands muß ich erwähnen. Sie erinnern sich des Versuches mit einem gläsernen Cubus, wodurch ich so deutlich zeigte daß die senkrechten Strahlen eben so gut verändert und das Bild aus dem Grund in die Höhe gehoben wird. Snellius, der die erste Entdeckung des Gesetzes der Brechung machte, erinnerte schon eben das; allein Huygens, der jene Entdeckung eigentlich bekannt machte, geht gleich über das Phänomen hinaus, weil er es bei seiner mathematischen, übrigens ganz richtigen Behandlung der Sache nicht brauchen kann, und seit der Zeit will niemand nichts davon wissen. Der perpendiculare Strahl wird freilich nicht gebrochen und die Berechnung kann nicht angestellt werden wie bei den gebrochnen Strahlen, weil man keine Vergleichung der Winkel und ihrer Sinus anstellen kann; aber ein Phänomen das nicht berechnet werden kann bleibt deswegen doch ein Phänomen; und sonderbar ist es daß man in diesem Falle grade das Grundphänomen (denn dafür halte ich's), woraus alle die übrigen sich herleiten, bei Seite bringt.

Erst seit ich mir fest vorgenommen habe außer Ihnen und Meyern mit Niemanden mehr über die Sache zu conferiren, seit der Zeit habe ich erst Freude und Muth; denn die so oft vereitelte Hoffnung von Theilnahme und Mitarbeit anderer setzt einen immer um einige Zeit zurück. Nun kann ich, wie es Zeit, Umstände und Neigung erlauben immer sachte fortarbeiten.

Möge das schöne Wetter und die Höhe des Barometers etwas zu Ihrem bessern Befinden mit beitragen; ich sehne mich recht aus dieser Masken- und Theaterwelt zu Ihnen hinüber. An Böttiger will ich das bringen oder bringen lassen; er läßt sich seit einiger Zeit nicht sehen, seitdem er mir eine Art von tückischem Streich gespielt hat. Meyer ist fleißig und grüßt schönstens.

Weimar den 24. Januar 1798.

G.


410. An Goethe.

Jena den 26. Januar 1798.

Eben habe ich das Todesurtheil der drei Göttinnen Eunomia, Dike und Irene förmlich unterschrieben. Weihen Sie diesen edeln Todten eine fromme christliche Thräne, die Condolenz aber wird verbeten.

Cotta hatte schon voriges Jahr nur eben die Kosten wieder, und wollte sie auch noch dieß Jahr so vegetiren lassen, aber ich sah wirklich keine entfernte Möglichkeit sie zu continuiren, weil es uns ganz und gar an Mitarbeitern fehlt, auf die man sich verlassen kann, und ich, ohne eigentlichen reellen Geldgewinn, ewige Sorge und kleinliche Geschäfte bei dieser Redaction hatte, wovon ich mich durch einen entschlossenen Schritt befreien mußte.

Wir werden, wie sich's von selbst versteht, beim Aufhören keinen Eclat machen, und da sich die Erscheinung des zwölften Stücks 1797 ohnehin bis in den März verzögert, so werden sie von selbst selig einschlafen. Sonst hätten wir auch in dieses zwölfte Stück einen tollen politisch-religiösen Aufsatz können setzen lassen, der ein Verbot der Horen veranlaßt hätte, und wenn Sie mir einen solchen wissen, so ist noch Platz dafür.

Mit meiner Gesundheit geht es zwar seit gestern wieder besser, aber die Stimmung zur Arbeit hat sich noch nicht wieder eingefunden. Unterdessen habe ich mir mit Niebuhrs und Volneys Reise nach Syrien und Aegypten die Zeit vertrieben, und ich rathe wirklich jedem der bei den jetzigen schlechten politischen Aspecten den Muth verliert, eine solche Lektüre; denn erst so sieht man, welche Wohlthat es bei alledem ist, in Europa geboren zu sein. Es ist doch wirklich unbegreiflich, daß die belebende Kraft im Menschen nur in einem so kleinen Theil der Welt wirksam ist, und jene ungeheuren Völkermassen für die menschliche Perfectibilität ganz und gar nicht zählen. Besonders merkwürdig ist es mir, daß es jenen Nationen und überhaupt allen Nicht-Europäern auf der Erde nicht sowohl an moralischen als an ästhetischen Anlagen gänzlich fehlt. Der Realism, so wie auch der Idealism zeigt sich bei ihnen, aber beide Anlagen stießen niemals in eine menschlich schöne Form zusammen. Ich hielt' es wirklich für absolut unmöglich den Stoff zu einem epischen oder tragischen Gedichte in diesen Völker-Massen zu finden, oder einen solchen dahin zu verlegen.

Leben Sie wohl für heute. Meine Frau grüßt Sie bestens.

Sch.


411. An Schiller.

Weimar am 26. Januar, Abends, 1798.

Da ich nicht weiß wie es morgen früh mit mir aussehen wird, so will ich heut Abend ein Blättchen in Vorrath dictiren.

Aus beiliegenden Stanzen werden Sie sich ein Traumbild von dem Aufzuge formiren können, der heute Abend statt haben soll. Sechs schöne Freundinnen belieben sich aufs beste zu putzen und wir haben, um ja keine Allegorie mehr in Marmor und wo möglich auch nicht einmal gemalt zu sehen, die bedeutendsten Symbole mit Pappe, Gold- und anderm Papier, Zindel und Lahn, und was alles noch von Stoffen dieser Art zu finden ist, auf das klarste dargestellt.

Der Imagination Ihrer lieben Frau wird es einigermaßen nachhelfen wenn ich nachstehendes Personal hersetze.

Der Friede, Fräulein von Wolfskeel.
Die Eintracht, Frau von Egloffstein und Fräulein von Seckendorf.
Der Ueberfluß, Frau von Werther.
Die Kunst, Fräulein von Beust.
Der Ackerbau, Fräulein von Seebach.

Hierzu kommen noch sechs Kinder die auch nicht wenig Attribute schleppen müssen, und so hoffen wir mit der größten Pfuscherei in dem gedankenleersten Raum die zerstreuten Menschen zu einer Art von Nachdenken zu nöthigen.

Auf dieses Vorspiel paßt die Nachricht vollkommen die ich Ihnen von dem berühmten englischen Gedichte Darwins, der botanische Garten, zu geben gedenke. Ich wünschte nur daß ich Ihnen diese englische Modeschrift, wie sie hier in groß 4°, in Saffian gebunden, vor mir liegt, auch vor Augen stellen könnte. Sie wiegt 5½ Pfund accurat, wie ich mich gestern selbst überzeugt habe. Da nun unsere Taschenbücher ohngefähr eben so viel Loth an Gewicht haben, so möchten wir uns auch von dieser Seite zu den Engländern wie 1 zu 32 verhalte, wenn wir nicht allenfalls durch zwei und dreißig Taschenbücher einen solchen englischen Moderiesen aufzuwiegen im Stande wären. Es ist auf geglättetes Papier prächtig gedruckt, mit wahnsinnig allegorischen Kupfern, von Füeßli, verziert und außerdem noch mit botanischen, antiquarischen Tags- und Liebhaberdarstellungen hie und da geschmückt, hat Einleitungen, Anzeigen des Inhalts, Noten unter dem Text, Noten hinter dem Text, in welchen Naturlehre, Chemie, Naturgeschichte, Erdbeschreibung, Botanik, Fabrik- und Handelswesen, besonders aber Todter und Lebender berühmte Namen auf das beste producirt sind, so daß, von Ebbe und Fluth bis zur sympathetischen Dinte, alles wohl eingesehen und begriffen werden kann.

Bei allen diesen Sonderbarkeiten scheint mir aber doch das sonderbarste: daß in diesem botanischen Werke alles, nur keine Vegetation, zu finden ist. Wenigstens ist dieß von dem ersten Theil desselben beinah buchstäblich wahr. Hier haben Sie den Inhalt des zweiten Gesangs:

Anrede an die Gnomen. Die Erde wird durch einen Vulkan aus der Sonne geworfen; ihre Atmosphäre und Ocean, ihre Reise durch den Thierkreis. Abwechslung Tages und der Nacht, so wie der Jahrszeiten. Uranfängliche glückliche Eilande, Paradies oder goldnes Alter. Venus steigt aus der See. Die ersten großen Erdbeben, feste Länder steigen aus der See; der Mond wird von einem Vulkan ausgeworfen, hat keine Atmosphäre, und ist frostig: die tägliche Bewegung der Erde wird aufgehalten, ihre Axe neigt sich mehr, sie dreht sich mit dem Monde um einen neuen Mittelpunkt. Entstehung des Kalksteins durch wäßrige Auflösung, Kalkspath, weißer Marmor, antike Statue des Herkules der von seinen Arbeiten ruht, Antinous, Apoll von Belvedere, Venus Medicis, Lady Elisabeth Foster und Lady Melbourn von Herrn Damer. Von Morästen. Woher das Salz der Erde komme? Salzminen bei Krakau. Hervorbringung des Salpeters. Mars und Venus werden durch Vulkan gefangen. Hervorbringung des Eisens. Herrn Michels Verbeßrung künstlicher Magneten. Gebrauch des Stahls beim Ackerbau, Schiffahrt und Krieg. Ursprung der Säuren. Woher die Kieselsteine, der Seesand, Gips, Asbest, Fluß, Onyx, Achat, Mocka, Opal, Sapphir, Rubin, Diamant. Jupiter und Europa. Neue unterirdische Feuer durch Gährung. Der Thon wird hervorgebracht. Porzellanmanufaktur in China, Italien, England, Herrn Wedgwoods Werke zu Etruria, in Staffordshire. Kamee, einen Mohrensclaven in Ketten vorstellend, die Hoffnung vorstellend. Die Figuren auf der Portland- oder Barberini-Vase werden erklärt. Kohlen, Schwefelkies. Naphtha, Obsidian und Ambra. Doctor Franklins Erfindung dem Gewitter seine Blitze zu nehmen. Freiheit Amerikas, Irlands, Frankreichs. Alte unterirdische Centralfeuer. Hervorbringung des Zinns, Kupfer, Zink, Blei, Mercurius, Platina, Gold und Silber. Zerstörung von Mexiko. Sklaverei von Afrika, Untergang der Heere des Kambyses, Gnomen wie Sterne an einer Himmelsmaschine. Einbrüchen der See wird Einhalt gethan, Felsen werden bebaut. Die Materie cirkulirt, die Düngung ist den Pflanzen was der Milchsaft den Thieren. Pflanzen steigen aus der Erde. St. Peter wird aus dem Kerker erlöst. Wanderungen der Materie. Tod und Auferstehung des Adonis. Entfernung der Gnomen.

Hier haben Sie also das Schema eines Gedichtes! So muß ein Lehrgedicht aussehen, das nicht allein lehren, sondern auch unterrichten soll. Nun können Sie sich denken was für Beschreibungen, für Allegorien, für Gleichnisse in dem Werke herumspuken und wie das ganze Material auch nicht mit einer Spur von poetischem Gefühl zusammen gebunden ist. Die Verse sind, wie mir scheint, nicht übel und manche Stellen haben eine rhetorische Tournüre die dem Sylbenmaße angehört. Genug das Detail erinnert einen an so viel englische Dichter die im didaktischen und beschreibenden gearbeitet haben. Was mag die englische zerstreute Welt sich nicht an einzelnen Stellen vergnügen! wenn ihr so eine Menge theoretisches Zeug, von dem sie schon so lange summen hörte, nun wieder im bekannten Sylbenmaße vorgesungen wird. Ich habe das Buch erst seit gestern Abend im Hause und finde es wirklich unter meiner Erwartung, denn ich bin Darwin im Grunde günstig. Zwar schon seine Zoonomie – –

So weit war ich gestern gekommen als man mich abrief um Chorführer zu sein. Es ging alles ganz gut, nur daß auch diesmal wie bei ähnlichen Fällen zuletzt der Raum fehlte sich gehörig zu produciren. Die Frauenzimmer hatten sich recht schön geputzt und die zwölf, theils großen theils kleinen Figuren, in einem Halbkreise, würden durch ihre verschiednen Gruppen, auf dem Theater, wo man sie ganz übersehen hätte, einen guten Effect gemacht haben. So ward aber in dem engen Raum alles zusammen gedrängt, und weil jeder recht gut sehen wollte, sah fast niemand. Indessen waren sie doch auch nachher noch einzeln hübsch geputzt und gefielen sich und andern.

Daß Sie unsere Freundinnen wollen einschlafen lassen war mir nicht ganz unerwartet. Was sagen Sie aber zu dem Gedanken daß man Monatschriften nur auf ein Jahr herausgeben sollte? Man sammelte z. B. 98 und gäbe 99 zwölf Stücke, und so fort, wenn man im Gange wäre, vielleicht immer mit einer Pause. Man müßte sich zum Gesetz große Mannigfaltigkeit machen, interessante, nicht zu lange Aufsätze, in dem Einen Jahre gewiß alles ganz, und seine Sache so machen daß es am Ende noch als ein ganzes Werk verkauft werden könnte. Soll ich Böttigers Aufsatz noch für Sie besprechen?

Einsiedel hat ein paar Mährchen geschrieben, die artig sein sollen, ich wollte sie auch zu erhalten suchen.

Für den Almanach habe ich einen Einfall der noch toller ist als die Xenien; was sagen Sie zu dieser anmaßlich scheinenden Versicherung? Ich communicire ihn aber nicht anders als unter gewissen Bedingungen, indem ich mir Redaction dieses abermaligen Anhangs vorbehalte, Ihnen aber zuletzt wie billig die Wahl frei steht ob Sie ihn aufnehmen wollen oder nicht. Ehe man eine Sylbe davon zu drucken anfängt, muß das ganze wie ein anderes Werk entschieden sein. Sie werden wenn Sie in der Welt recht herumrathen es zwar schwerlich auffinden, doch vielleicht entdecken Sie etwas ähnliches zum Gebrauch künftiger Zeiten.

Leben Sie recht wohl; das schöne Wetter möchte ich nun gar zu gern in Ihrer Nachbarschaft zubringen. Ich warte nur auf einen Brief von Stuttgart, ob nicht Thouret, den wir zur Decoration des Schlosses verschrieben haben, bald kommen wird.

Lassen Sie uns denn also, wenn es auch in Europa noch etwas bunter zugehen sollte, gerne in diesem Welttheile verweilen.

Weimar am 27. Januar 1798.

G.


412. An Goethe.

Jena den 30. Januar 1798.

Für die schönen Neuigkeiten und Curiositäten, die Ihr letzter Brief enthielt, danken wir Ihnen sehr. Sie haben uns an dem ganzen stattlichen Aufzug Theil nehmen lassen, ohne daß uns das Gedränge und der Staub incommodirt hätte.

Die Schrift von Darwin würde wohl in Deutschland wenig Glück machen. Die Deutschen wollen Empfindungen, und je platter diese sind, desto allgemeiner willkommen; aber diese Spielerei der Phantasie mit Begriffen, dieses Reich der Allegorie, diese kalte Intellectualität und in Verse gebrachte Gelehrsamkeit kann nur die Engländer in ihrer jetzigen Frostigkeit und Gleichgültigkeit anziehen. Diese Schrift zeigt indeß, welche Function man der Poesie, bei einer großen und respektabeln Volksklasse, anzuweisen pflegt, und giebt den Philistern einen neuen glänzenden Triumph über ihre poetischen Widersacher.

Ich glaube übrigens nicht, daß der Stoff unzulässig und für die Poesie ganz ungeschickt ist; diese verunglückte Geburt schreibe ich ganz auf Rechnung des Dichters. Wenn man gleich anfangs auf alles sogenannte Unterrichten Verzicht thäte, und bloß die Natur in ihrer reichen Mannigfaltigkeit, Bewegung und Zusammenwirkung der Phantasie nahe zu bringen suchte, alle natürlichen Erzeugungen mit einer gewissen Liebe und Achtung aufführte, jedem seine selbstständige Existenz respektirte und so weiter, so müßte ein lebhaftes Interesse erregt werden können. Aber aus dem Küchenzettel, den Sie von dem Buche geben, muß ich schließen daß der Verfasser, gerade umgekehrt, das poetische Interesse bloß in der Zuthat, nicht in der Sache selbst zu erwecken gesucht, und daß es mithin das contradictorische Gegentheil eines guten Gedichts ist.

Den Trumpf, womit Sie selbst die Xenien stechen wollen, kann ich wirklich nicht errathen, und um auch nur möglicherweise darauf verfallen zu können, müßte ich wenigstens wissen, ob darin, so wie in den Xenien einzelne Personen herumgenommen werden sollen, oder ob der Krieg dem Ganzen gilt. In letzterm Fall würde es schwer sein, eine lebhaftere Bewegung hervorzubringen, als die Xenien erregt haben.

Ihren Bedingungen will ich mich recht gern unterwerfen; nur einen Antheil an der Arbeit selbst würde ich vor Ende Julius, wo der Wallenstein hoffentlich fertig sein wird, nicht übernehmen können. Ich vermuthe aber aus Ihrem Briefe selbst, daß es keine gemeinschaftliche Unternehmung sein wird und daß Sie also allein auch alle Kosten der Ausführung haben werden.

Böttigers Aufsatz und Herrn von Einsiedels Erzählungen würden mir beide zum letzten Horenstücke willkommen sein; nur müßte ich beide binnen drei Wochen erhalten, und könnte mir Einsiedel gleich jetzt etwas senden, so wäre im vorletzten Horenstück auch noch Platz.

Ihr Gedanke, eine Monatsschrift Jahrweise herauszugeben, ist so übel nicht, nur würde der Verleger nicht seine Rechnung dabei finden, weil man nicht gern auf einmal so viel Geld bezahlt. Bei den Horen wäre aber die Hauptschwierigkeit immer, wo man die Aufsätze hernehmen sollte; denn es ist merkwürdig daß wir es nicht einmal durch den Reiz eines ungewöhnlich großen Honorars haben dahin bringen können, gewisse Bäche in unser Journal zu leiten, die in andern Journalen um das halbe Geld so ergiebig fließen.

Es thut mir leid, daß Ihre Hieherkunft noch nicht ganz zu bestimmen ist. Vielleicht bringt mir Ihr morgender Brief die Nachricht mit.

Meine Frau grüßt Sie bestens. Leben Sie recht wohl.

Sch.

Dieser Tage hat sich wieder ein neuer Poet angemeldet, der mir gar nicht übel scheint, es müßte mich denn ein gewisser Widerschein Ihres Geistes bestechen, denn dieser scheint viel auf ihn gewirkt zu haben. Ich lege das Gedicht bei, sagen Sie mir doch Ihre Meinung darüber.


413. An Schiller.

Geschäfte und Zerstreuungen bringen immer wieder neue Geburten ihrer Art hervor, so daß ich mich fast entschließen möchte nur auf einen oder ein Paar Tage zu Ihnen hinüber zu kommen, weil ich noch keine ruhige Zeitfolge vor mir sehe.

Gestern haben wir eine neue Oper gehört, Cimarosa zeigt sich in dieser Composition als einen vollendeten Meister; der Text ist nach Italiänischer Manier, und ich habe dabei die Bemerkung gemacht: wie es möglich wird daß das alberne, ja das absurde sich mit der höchsten ästhetischen Herrlichkeit der Musik so glücklich verbindet. Es geschieht dieses allein durch den Humor; denn dieser, selbst ohne poetisch zu sein, ist eine Art von Poesie und erhebt uns seiner Natur nach über den Gegenstand. Dafür hat der Deutsche so selten Sinn, weil ihn seine Philisterhaftigkeit jede Albernheit nur ästimiren läßt, die einen Schein von Empfindung oder Menschenverstand vor sich trägt.

Hier schicke ich eine eigne Erscheinung, eine Ankündigung daß ein letzter Abkömmling der alten Nürnberger Meistersänger eine Auswahl seiner Gedichte herausgeben will. Ich kenne schon manches von ihm und habe leider versäumt ihn in Nürnberg selbst zu sehen. Er hat Sachen gemacht von Humor und Natürlichkeit, die leicht ins reinere Deutsch zu übersetzen wären und deren sich niemand schämen dürfte. Wir erhalten das Buch durch Knebeln wenn es herauskommt.

Dieser Freund ist nun wieder in Ilmenau angelangt, seine Schöne wird in wenig Tagen abreisen, um ihm das Joch der Ehe auf den alten steifen Nacken zu legen. Da ich ihm herzlich gut bin so wünsche ich ihm zu diesem Unterfangen das möglichste Glück.

Von allem übrigen bald auf ein oder die andere Weise mündlich. Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau.

Weimar am 31. Januar 1798.

G.

Könnten Sie nicht gelegentlich erfahren ob Justizrath Boie die Sechs Bände meiner neuen Schriften erhalten hat, die ich ihm, mit Dank für Cellini, schon am 6. Juni gesendet habe? Bis jetzt vernahm ich noch nichts von ihm.


414. An Goethe.

Jena den 2. Februar 1798.

Ihre Bemerkung über die Oper hat mir die Ideen wieder zurückgerufen, worüber ich mich in meinen ästhetischen Briefen so sehr verbreitete. Es ist gewiß, daß dem ästhetischen, so wenig es auch die Leerheit vertragen kann, die Frivolität doch weit weniger widerspricht, als die Ernsthaftigkeit, und weil es dem Deutschen weit natürlicher ist, sich zu beschäftigen und zu bestimmen, als sich in Freiheit zu setzen, so hat man bei ihm immer schon etwas ästhetisches gewonnen, wenn man ihn nur von der Schwere des Stoffs befreit, denn seine Natur sorgt schon hinlänglich dafür, daß seine Freiheit nicht ganz ohne Kraft und Gehalt ist.

Mir gefallen darum die Geschäftsleute und Philister überhaupt weit besser in einer solchen spielenden Stimmung, als die müßigen Weltleute, denn bei diesen bleibt das Spiel immer kraft- und gehaltleer. Man sollte einen jeden immer nach seinem Bedürfniß bedienen können, und so würde ich den einen Theil in die Oper und den andern in die Tragödie schicken.

Ihr Nürnberger Meistersänger spricht mich wie eine Stimme aus einem ganz andern Zeitalter an, und hat mich sehr ergötzt. Wenn Sie Knebeln schreiben, so bitten Sie ihn doch, auch mich zu einem Exemplar mit Kupfern unter den Subscribenten anzumerken. Ich halte es wirklich für nöthig daß man sich bei diesem Werklein vorher meldet, weil es sonst vielleicht nicht zu Stande kommt, denn der gute Freund hat sein Zeitalter überlebt, und man wird ihm die Gerechtigkeit schwerlich erzeigen, die er verdient. Wie wär's wenn Sie nur ein paar Seiten, zu seiner Einführung ins Publicum, in den Horen sagten? Er scheint es wirklich so sehr zu brauchen als zu verdienen.

Nach allem, was von der unparteiischen Welt geurtheilt wird, dauert mich unser Freund Knebel sehr, und ich fürchte, das Joch wird seinem Nacken nicht sanft aufliegen.

Mit Boie habe ich nur einmal Verkehr gehabt, aber seit fast anderthalb Jahren nicht wieder. Ich weiß also nicht wie es mit dem Pakete steht; daß er es werde erhalten haben, ist wohl kein Zweifel, und daher glaube ich, daß Sie ihm zu viel Ehre anthun würden, wenn Sie weiter darnach fragten. Gelegenheitlich kann man's schon an ihn bringen.

Möchten Sie nur endlich einmal herkommen. Nehmen Sie sich's nur auf vier oder fünf Tage vor, so werden Sie schon in dem alten Schloß die Muse finden, die Sie halten wird. Leben Sie recht wohl.

Sch.


415. An Schiller.

Ich ergebe mich in die Umstände welche mich noch hier festhalten nur in so fern mit einiger Gemüthsruhe, als ich, wenn nur erst gewisse Dinge theils bei Seite geschafft, theils in Gang gebracht sind, auf eine Anzahl guter Tage in Jena hoffen kann.

Hier schicke ich eine Arbeit von Einsiedeln, die ich wegen Kürze der Zeit nicht habe lesen können; sie steht, wenn Sie solche brauchen können, für die Horen zu Diensten. Nach der gewöhnlichen Erscheinung der Widersprüche, die der Zufall so oft in den Gang des Lebens mischt, erscheinen jetzt grade am Ende noch voluminöse Beiträge und Böttigers Aufsatz über die neufränkische Behandlung der Kunstwerke wird wohl gar erst nach dem seligen Hintritt unserer drei geliebten Nymphen eintreffen.

Ich brauche die Stunden, die mir übrig bleiben, theils zum reineren Schematisiren meines künftigen Aufsatzes über die Farbenlehre, theils zum Verengen und Simplificiren meiner frühern Arbeiten, theils zum Studiren der Literatur, weil ich zur Geschichte derselben sehr große Lust fühle und überhaupt hoffen kann, wenn ich noch die gehörige Zeit und Mühe daran wende, etwas gutes, ja sogar, durch die Klarheit der Behandlung, etwas angenehmes zu liefern. Sie haben in einem Ihrer letzten Briefe vollkommen recht gesagt: daß ich erst jetzt auf dem rechten Flecke stehe, da ich auf alle äußere Theilnehmung und Mitwirkung Verzicht gethan habe. In einem solchen Falle verdient nur eine vollendete Arbeit, die so viele andere Menschen aller Mühe überhebt, erst den Dank des Publikums und erhält ihn auch gewiß wenn sie gelingt.

Uebrigens habe ich etwa ein halb Dutzend Mährchen und Geschichten im Sinne, die ich, als den zweiten Theil der Unterhaltungen meiner Ausgewanderten bearbeiten, dem Ganzen noch auf ein gewisses Fleck helfen und es alsdann in der Folge meiner Schriften herausgeben werde.

Sodann denke ich etwas ernsthafter an meinen Faust und sehe mich auf diesem Weg schon für das ganze Jahr beschäftigt, besonders da wir doch immer einen Monat auf den Almanach rechnen müssen.

Durch die Verschiedenheit dieser Vorsätze komme ich in den Stand jede Stunde zu nutzen.

Die Idylle ist wirklich wieder eine sonderbare Erscheinung. Wieder ein beinahe weibliches Talent, hübsche jugendliche Ansichten der Welt, ein freundliches, ruhiges, sittliches Gefühl. Wäre es nun den Deutschen möglich sich zu bilden und eine solche Person lernte, was doch zu lernen ist, in Absicht auf innere und äußere Form des Gedichts, so könnte daraus was recht gutes entstehen, anstatt daß es jetzt bei einer gewissen gleichgültigen Anmuth bewenden muß. Meo voto müßte z. B. die Mutter die Abwesenheit der Tochter merken, ihr nachgehen, Erkennung und Entwicklung müßten in der Capelle geschehen, wodurch der langweilige Rückweg vermieden würde und der Schluß ein pathetisches und feierliches Ansehen gewinnen könnte.

Zu leugnen ist es nicht daß Hermann und Dorothea schon auf diese Natur gewirkt hat, und es ist wirklich sonderbar wie unsere junge Naturen das was sich von einer Dichtung durchs Gemüth auffassen läßt an sich reißen, nach ihrer Art reproduciren und dadurch zwar mitunter ganz was leidliches hervorbringen, aber auch gewöhnlich was man durch die ganze Kraft seiner Natur zum Styl zu erhöhen strebte, sogleich zur Manier herabwürdigen, und gerade dadurch, weil sie sich dem Publico mehr nähern, öfters einen größern Beifall davon tragen als das Original, von dessen Verdiensten sie nur theilweise etwas losgerissen haben.

Bei diesen Betrachtungen fallen mir unsere dichterische Freundinnen ein. Amelie hat wieder etwas vor. Meyer fürchtet daß das Sujet ihr große Hindernisse in den Weg legen werde. Es ist sonderbar daß die guten Seelen nicht begreifen wollen wie viel darauf ankommt, ob auch der Gegenstand sich behandeln lasse. Ich habe auch diese Tage den zweiten Theil von Agnes von Lilien gelesen. Es ist recht schade daß diese Arbeit übereilt worden ist. Die summarische Manier, in der die Geschichte vorgetragen ist und die, gleichsam in einem springenden Tact, rhythmisch eintretenden Reflexionen lassen einen nicht einen Augenblick zur Behaglichkeit kommen und man wird hastig ohne Interesse. Dies sei zum Tadel der Ausführung gesagt, da die Anlage so schöne Situationen darbietet, die, mit einiger Sodezz ausgeführt, eine unvergleichliche Wirkung thun müßten. Was das Naturell betrifft das dieses Werk überhaupt hervorgebracht, so erregt es immer noch Erstaunen, wenn man auch den Einfluß Ihres Umgangs auf die Entstehung und Ihrer Feder auf die Vollbringung des Werks nicht verkennen kann. Freilich fällt die Absonderung für uns andere Leser schwer; aber ich glaube doch immer sagen zu dürfen: daß eine solche Natur wenn sie einer Kunstbildung fähig gewesen wäre etwas unvergleichliches hätte hervorbringen müssen. Meyer ist voller Verwunderung, der sich sonst nicht leicht verwundert. Und ich am Ende des Blatts grüße schönstens, wünsche den besten Fortgang Ihrer Arbeiten und sehe Ihrem Wallenstein, als einem aufgehäuften Schatze entgegen.

Weimar am 3. Februar 1798.

G.

Darf ich um Humboldts Adresse bitten dem ich doch ehestens zu schreiben wünsche.


416. An Goethe.

Jena 6. Februar 1798.

Es ist mir lieb auch von Ihnen zu hören, daß mein Urtheil über die Idylle und ihren Urheber mich nicht ganz getäuscht hat. Daß es eine weibliche Natur ist, ist wohl kein Zweifel, und dieser ganz naturalistische und dilettantische Ursprung erklärt und entschuldigt das ungehörige in der Behandlung.

Sie scheinen mir auf das Produkt meiner Schwägerin einen größern Einfluß einzuräumen, als ich mir gerechterweise anmaßen kann. Plan und Ausführung sind völlig frei und ohne mein Zuthun entstanden. Bei dem ersten Theil habe ich gar nichts zu sprechen gehabt, und er war fertig, eh ich nur seine Existenz wußte. Bloß Dieses dankt er mir, daß ich ihn von den auffallenden Mängeln einer gewissen Manier in der Darstellung befreite, aber auch bloß solcher, die sich durch Wegstreichen nehmen ließen, daß ich durch Zusammenziehung des bedeutenden ihm eine gewisse Kraftlosigkeit genommen und einige weitläuftige und leere Episoden ganz herausgeworfen. Bei dem zweiten Theil war an nichts zu denken als an das Fertigwerden, und bei diesem habe ich nicht einmal mehr auf die Sprache Einfluß gehabt. Wie also der zweite Theil geschrieben ist, so kann meine Schwägerin völlig ohne fremde Beihülfe schreiben. Es ist wirklich nicht wenig, bei so wenig solider und zweckmäßiger Cultur, und bloß vermittelst eines fast leidenden Auf sich wirken lassens und einer mehr hinträumenden als hellbesonnenen Existenz doch so weit zu gelangen als sie wirklich gelangt ist.

In dem Verzeichniß Ihrer Arbeits-Pensen für dieses Jahr finde ich Ihre neue Epopöe nicht, da ich doch glaubte, Sie würden schon im Spätjahr ernstlich daran gehen können: doch das können Sie ja selbst noch nicht wissen, wie die Göttin Sie führt.

Ihr längeres Ausbleiben vermehrt allerdings meinen Wallensteinischen Vorrath, und da ich diejenige Scene, welche am meisten von der äußern heitern Influenz abhängt, habe liegen lassen und zum ersten Ausflug in meinen Garten verschoben, so könnte ich in etlichen Wochen den dritten Akt geendigt haben. Der vierte und fünfte sind zusammen nicht größer als der erste, und machen sich beinahe von selbst.

Leben Sie recht wohl. Ich habe Besuch im Hause, von meiner Schwägerin, die Sie so wie auch meine Frau schönstens grüßt.

Sch.


417. An Schiller.

Das was Sie mir von Ihrem wenigern Einfluß auf Agnes von Lilien schreiben vermehrt meinen Wunsch daß die Verfasserin, im Stillen, die Arbeit, besonders des zweiten Theils, nochmals vornehmen, ihn an Geschichtsdetail reicher machen und in Reflexionen mäßiger halten möge. Das Werk ist es werth, um so mehr da sie schwerlich, ihrer Natur nach, ein zweites Süjet finden wird in dem sie sich so glücklich ergehen kann. Im zweiten Bande sind mehrere sehr glückliche Situationen, die durch die Eile mit der sie vorüberrauschen ihren Effect verfehlen. Ich wüßte nicht leicht einen Fall durch den man den Leser mehr ängstigen könnte als die Scheinheirath mit Julius; nur müßte freilich diese Stelle sehr retardirend behandelt werden.

Wenn Sie meiner Meinung sind, so suchen Sie die Verfasserin zu determiniren, um so mehr da es keine Eile hat, und man natürlich den ersten Eindruck eine Zeit lang muß walten lassen.

Da ich von aller Production gleichsam abgeschnitten bin, so treibe ich mich in allerlei praktischem herum, obgleich mit wenig Freude. Es wäre möglich sehr viele Ideen, in ihrem ganzen Umfang, auszuführen wenn nicht die Menschen die Determination, die sie von den Umständen borgen, auch schon für Ideen hielten, woraus denn gewöhnlich die größten Pfuschereien entstehen, und bei Verwendung von weit mehr Mühe, Sorge, Geld und Zeit doch zuletzt nichts das eine gewisse Gestalt hätte, hervorgebracht werden kann. Mit stiller, aber desto lebhafterer Sehnsucht sehe ich dem Tage entgegen, der mich wieder zu Ihnen bringen soll.

Ich sende Ihnen Schlossers zweites Schreiben. Es wird mir interessant sein über diesen Mann und dessen abermalige Aeußerungen umständlicher zu sprechen, wenn wir zusammen kommen. Mir kommt nichts wunderbarer vor als daß er nicht merkt daß er im Grunde seinen Gott doch auch nur postulirt; denn was ist ein Bedürfniß das auf eine bestimmte Weise befriedigt werden muß, anders als eine Forderung?

Leben Sie recht wohl: es ist spät geworden und ich kann nur noch Sie und Ihre Frauenzimmer bestens grüßen.

Weimar am 7. Februar 1798.

G.


418. An Goethe.

Jena den 9. Februar 1798.

Herr Schlosser hätte besser gethan, die Wahrheiten, die ihm Kant, und die Impertinenzen, die Friedr. Schlegel ihm gesagt, in der Stille einzustecken. Mit seiner seinsollenden Apologie macht er Uebel ärger, und giebt sich die unverzeihlichsten Blößen. Die Schrift hat mich angeekelt, ich kann's nicht läugnen, sie zeigt einen gegen lautere Ueberzeugung verstockten Sinn, eine incorrigible Gemüthsverhärtung, Blindheit wenigstens, wenn keine vorsetzliche Verblendung. Sie, der den Menschen besser kennt, erklären sich vielleicht richtiger und natürlicher durch eine unwillkürliche Beschränktheit, was ich, der die Menschen gerne verständiger annimmt als sie sind, mir nur durch eine moralische Unart erklären kann. Deßwegen indignirte mich diese Schrift mehr als sie vielleicht verdienen mag. In einen arroganten Philosophenton finde ich eine recht gemeine Saalbaderei eingekleidet: überall wird an das gemeine niedrige Interesse der menschlichen Natur appellirt, und nirgends finde ich eine Spur von einem eigentlichen Interesse für Wahrheit an sich selbst.

Es läßt sich im einzelnen über die Schrift nichts sagen, weil der eigentliche Punkt, auf den alles ankam, nämlich die Argumente des Kriticism anzugreifen und die Argumente für diesen neuen Dogmatism zu führen, gar nicht von weitem versucht worden ist. Es ist wirklich kein einziger philosophischer Gedanke da, der einen philosophischen Streit einleiten könnte. Denn was soll man dazu sagen, wenn nach so vielen und gar nicht verlorenen Bemühungen der neuen Philosophen, den Punkt des Streits in die bestimmtesten und eigentlichsten Formeln zu bringen, wenn nun einer, mit einer Allegorie anmarschirt kommt, und was man sorgfältig dem reinen Denkvermögen zubereitet hatte, wieder in ein Helldunkel hüllt, wie dieser Herr Schlosser bei der Vorlegung der vier philosophischen Secten thut.

Es ist wirklich nicht zu verzeihen, daß ein Schriftsteller der auf eine gewisse Ehre hält, auf einem so reinlichen Felde als das philosophische durch Kant geworden ist, so unphilosophisch und unreinlich sich betragen darf. Sie und wir andern rechtlichen Leute wissen z. B. doch auch, daß der Mensch in seinen höchsten Funktionen immer als ein verbundenes Ganzes handelt, und daß überhaupt die Natur überall synthetisch verfährt – Deßwegen aber wird uns doch niemals einfallen, die Unterscheidung und die Analysis, worauf alles Forschen beruht, in der Philosophie zu verkennen, so wenig wir dem Chemiker den Krieg darüber machen, daß er die Synthesen der Natur künstlicherweise aufhebt. Aber diese Herren Schlosser wollen sich auch durch die Metaphysik hindurch riechen und fühlen, sie wollen überall synthetisch erkennen, aber in diesem anscheinenden Reichthum verbirgt sich am Ende die ärmlichste Leerheit und Plattitüde, und diese Affectation solcher Herren, den Menschen immer bei seiner Totalität zu behaupten, das physische zu vergeistigen und das geistige zu vermenschlichen, ist fürchte ich nur eine klägliche Bemühung, ihr armes Selbst in seiner behaglichen Dunkelheit glücklich durchzubringen.

Wir werden, wenn Sie kommen, über diese Materie noch vieles sprechen, aber der Schrift selbst werden wir dabei nicht viel zu danken haben. Schlosser wird übrigens seine Absicht nicht ganz verfehlen, er wird seine Partei, die Unphilosophen, bestärken, denn um die Philosophen mag es ihm überhaupt nicht zu thun sein.

Leben Sie recht wohl. Das Schmutzwetter ist meinem Fleiße nicht sehr günstig, da es die alten Nebel Katarrh und Schnupfen wieder zurückgebracht hat.

Meine Frau empfiehlt sich bestens.

Sch.


419. An Schiller.

Nach einer Redoute, welche meine Fakultäten schlimmer von einander getrennt hat als die Philosophie nur immer thun kann, war mir Ihr lieber Brief sehr erfreulich und erquicklich. Mir war die Schlosserische Schrift nur die Aeußerung einer Natur, mit der ich mich schon seit dreißig Jahren im Gegensatz befinde, und da ich eben in einem wissenschaftlichen Fache in dem Falle bin über beschränkte Vorstellungsarten, Starrsinn, Selbstbetrug und Unredlichkeit zu denken so war mir diese Schrift ein merkwürdiger Beleg. Die Newtonianer sind in der Farbenlehre offenbar in demselbigen Fall, ja der Pater Castel gibt geradezu Newton selbst Unredlichkeit schuld, und gewiß geht die Art wie er aus seinen Lectionibus opticis die Optik zusammenschrieb in diesem Sinne über alle Begriffe. Er hat offenbar die schwache Seite seines Systems eingesehen. Dort trug er seine Versuche vor wie einer der von seiner Sache überzeugt ist und in der Ueberzeugung mit der größten Confidenz Blößen giebt; hier stellt er das Scheinbarste voraus, erzwingt die Hypothese und verschweigt, oder berührt nur ganz leise, was ihm zuwider ist.

Was uns im theoretischen so auffallend ist sehen wir im praktischen alle Tage. Wie sehr der Mensch genöthigt ist, um sein einzelnes einseitiges, ohnmächtiges Wesen nur zu etwas zu machen, gegen Verhältnisse die ihm widersprechen die Augen zuzuschließen und sich mit der größten Energie zu sträuben, glaubt man seiner eignen Anschauung nicht, und doch liegt auch hievon der Grund in dem tiefern, bessern der menschlichen Natur, da er praktisch immer constitutiv sein muß und sich eigentlich um das was geschehen könnte nicht zu bekümmern hat, sondern um das was geschehen sollte. Nun ist aber das letzte immer eine Idee, und er ist concret im concreten Zustande; nun geht es in ewigem Selbstbetrügen fort um dem Concreten die Ehre der Idee zu verschaffen u. s. w., einen Punkt den ich schon in einem vorigen Briefe berührte und der einen im praktischen oft selbst überrascht und uns an andern ganz zur Verzweiflung bringt.

Die Philosophie wird mir deßhalb immer werther weil sie mich täglich immer mehr lehrt mich von mir selbst zu scheiden, das ich um so mehr thun kann da meine Natur, wie getrennte Quecksilberkugeln, sich so leicht und schnell wieder vereinigt. Ihr Verfahren ist mir darin eine schöne Beihülfe und ich hoffe bald durch mein Schema der Farbenlehre uns Gelegenheit zu neuen Unterhaltungen zu geben.

Ich habe diese Tage das Werk des Robert Boyle über die Farben gelesen und kenne in diesem ganzen Felde noch keine schönere Natur. Mit einer entschiednen Neigung zu einer gewissen Erklärungsart, die freilich auf den chemischen Theil, den er bearbeitet, noch so leidlich paßt, erhält er sich eine schöne Liberalität, die ihn einsehen läßt daß für andere Phänomene andere Vorstellungsarten bequemer sind. Die Unvollkommenheiten seiner Arbeit erkennt er sehr klar, und seine Darstellung ist in diesem Sinne sehr honett. Er unterläßt nicht seine Meinung vorzutragen und auszuführen, aber immer wie einer der mit einem Dritten spricht, mit einem jungen Manne, und diesen immer ermahnt alles noch besser zu untersuchen und zu überdenken. Er berührt fast alle bedeutende Fragen und beurtheilt das meiste mit sehr viel Sinn. Nur die zwei ersten Abtheilungen seines Werks sind eigentlich ausgearbeitet; im letzten sind die Experimente weniger methodisch zusammengestellt. Er schrieb das Werk, da er schon sehr an den Augen litt, aus einzelnen Papieren und aus dem Gedächtniß zusammen, um das was er gedacht und erfahren hatte nicht untergehen zu lassen. Er spricht mit einer erfreulichen Klarheit und Wahrheit vom Werth und Unwerth seiner Bemühungen und scheint mir bis jetzt in diesem Fache der einzige der nach des Baco gutem Rath gearbeitet hat. Sein Buch kam ein Jahr früher heraus ehe Newton auf seine Hypothese fiel und mit derselben ganz antibaconisch dieses Feld tyrannisirte. Wären nur noch zwei Menschen auf Boyle gefolgt welche dieses Fach in seiner Art fortbearbeitet hätten, so wäre uns nichts zu thun übrig geblieben und ich hätte meine Zeit vielleicht besser anwenden können. Doch man wendet seine Zeit immer gut auf eine Arbeit die uns täglich einen Fortschritt in der Ausbildung abnöthigt. Leben Sie recht wohl.

Ich wünsche guten Succeß Ihrer Arbeiten.

Weimar am 10. Februar 1798.

G.


420. An Goethe.

Jena den 13. Februar 1798.

Ich suchte mich über Ihr längeres Ausbleiben durch meinen Fleiß und durch die Aussicht zu trösten, Ihnen desto mehr von meiner Arbeit vorlegen zu können, aber die Jahrszeit und die unordentliche Witterung ist mir gar nicht günstig und hindert alle meine Fortschritte, einer lebhaften Neigung und guten Stimmung zum Trotze. Der Kopf ist mir wieder seit fast acht Tagen von einem katarrhalischen Zufall angegriffen und das alte Uebel plagt mich auch. Um mein Gemüth frisch zu erhalten, darf ich an meine gegenwärtige Arbeit nicht einmal denken, ich beschäftige mich mit dem Gedanken an eine entferntere und mit allgemeinen Ideen.

Da ich seit diesem Winter viele Reisebeschreibungen las, so habe ich mich nicht enthalten können, zu versuchen, welchen Gebrauch der Poet von einem solchen Stoffe wohl möchte machen können, und bei dieser Untersuchung ist mir der Unterschied zwischen einer epischen und dramatischen Behandlung neuerdings lebhaft geworden.

Es ist keine Frage, daß ein Weltentdecker oder Weltumsegler wie Cook einen schönen Stoff zu einem epischen Gedichte entweder selbst abgeben oder doch herbeiführen könnte; denn alle Requisite eines epischen Gedichts, worüber wir übereingekommen, finde ich darin, und auch das wäre dabei sehr günstig, daß das Mittel dieselbe Dignität und selbstständige Bedeutung hätte, wie der Zweck selbst, ja daß der Zweck mehr des Mittels wegen da wäre. Es ließe sich ein gewisser menschlicher Kreis darin erschöpfen, was mir bei einem Epos wesentlich däucht, und das physische würde sich mit dem moralischen zu einem schönen Ganzen verbinden lassen.

Wenn ich mir aber eben diesen Stoff als zu einem Drama bestimmt denke, so erkenne ich auf einmal die große Differenz beider Dichtungsarten. Da incommodirt mich die sinnliche Breite eben so sehr als sie mich dort anzog; das physische erscheint nun bloß als ein Mittel, um das moralische herbei zu führen; es wird lästig durch seine Bedeutung und den Anspruch den es macht, und kurz der ganze reiche Stoff dient nun bloß zu einem Veranlassungsmittel gewisser Situationen, die den innern Menschen ins Spiel setzen.

Es nimmt mich aber wirklich Wunder, daß ein solcher Stoff Sie noch nicht in Versuchung geführt hat, denn hier finden Sie beinahe schon von selbst fertig, was so nöthig und doch so schwierig ist, nämlich die persönliche und physische Wirksamkeit des natürlichen Menschen mit einem gewissen Gehalt den nur die Kunst ihm geben konnte vereinigt. Le Vaillant auf seinen afrikanischen Zügen ist wirklich ein poetischer Charakter und ein wahrhaft mächtiger Mensch, weil er mit aller Stärke der thierischen Kräfte und allen unmittelbar aus der Natur geschöpften Hülfsmitteln die Vortheile verbindet, welche nur die Kultur gewährt.

Leben Sie wohl für heute. Ich werde eben, Nachts um acht Uhr, zum Mittagessen gerufen. Meine Frau grüßt schön.

Sch.


421. An Schiller.

Ich übersende, was Sie wohl nicht erwarten, die Phänomene und hypothetischen Enunciationen über die Farbenlehre, nach den Kategorien aufgestellt. So wenig eine solche Arbeit mich kleiden mag, so werden Sie doch meine Absicht löblich finden Ihnen entgegen zu arbeiten, und Sie für diese Sache noch mehr zu interessiren, da denn doch jetzt auf die klarste Darstellung des Ganzen alles ankommt. Unter Ihren Händen wird dieses Blatt gar bald eine andere Gestalt gewinnen.

Ich habe eine Erklärung der Terminologie meiner dreifachen Eintheilung vorausgeschickt und einige Bemerkungen nachgebracht. Nehmen Sie mit dem was ich gebe einstweilen vorlieb, bis ich komme und die Sache durch ein lebhaftes Gespräch geschwind ein paar Stufen überspringt. Ich suche jetzt zu erlangen daß mir kein Name in der ganzen Literargeschichte dieses Faches ein bloßer Name sei. Dann ist der sittliche Charakter von der wissenschaftlichen Wirkung ganz unzertrennlich. Dabei ist unglaublich wie sehr die Wissenschaft retardirt worden ist, weil man immer nur von einzelnen praktischen Bedürfnissen ausging, diese zu befriedigen sich im einzelnen lange bei gewissen Punkten verweilte, und sich im Allgemeinen mit Hypothesen und Theorien übereilte. Doch bleibt es immer ein reizender Anblick wie, durch alle Hindernisse, der Menschenverstand seine impräscriptiblen Rechte verfolgt, und mit Gewalt zur möglichsten Uebereinstimmung der Ideen und der Gegenstände losdringt. Ich hoffe ehe ich am Ende der Arbeit bin soll sich auch alle Bitterkeit gegen den Widerstand verloren haben; ich hoffe ich werde darüber so frei fühlen als denken.

Die wiederholte Nachricht von Ihrem Uebelbefinden betrübt mich sehr. Es ist gerade jetzt das einzige böse das mich in meinem Verhältnisse trifft und ist mir um desto empfindlicher.

Mein längerer Aufenthalt hier am Orte bewirkt mir immer eine freiere Aussicht auf die nächste Zeit. Und in diesem Sinne freue ich mich mehr auf die bevorstehende Reise nach Jena.

Ich bin mit Ihnen völlig überzeugt daß in einer Reise, besonders von der Art die Sie bezeichnen, schöne epische Motive liegen, allein ich würde nie wagen einen solchen Gegenstand zu behandeln, weil mir das unmittelbare Anschauen fehlt und mir in dieser Gattung die sinnliche Identification mit dem Gegenstande, welche durch Beschreibungen niemals gewirkt werden kann, ganz unerläßlich scheint.

Ueberdieß hätte man mit der Odyssee zu kämpfen, welche die interessantesten Motive schon weggenommen hat. Die Rührung eines weiblichen Gemüths durch die Ankunft eines Fremden, als das schönste Motiv, ist nach der Nausikaa gar nicht mehr zu unternehmen. Wie weit steht nicht, selbst im Alterthum, Medea, Helena, Dido schon den Verhältnissen nach hinter der Tochter des Alcinous zurück. Die Narine des Vaillants, oder etwas ähnliches, würde immer nur Parodie jener herrlichen Gestalten bleiben. Dabei komme ich aber auf meinen ersten Satz zurück: daß uns die unmittelbare Erfahrung vielleicht zu Situationen Anlaß gäbe die noch Reiz genug hätten. Wie nöthig aber eine unmittelbare Anschauung sei wird aus folgendem erhellen:

Uns Bewohner des Mittellandes entzückt zwar die Odyssee, es ist aber nur der sittliche Theil des Gedichts der eigentlich auf uns wirkt; dem ganzen beschreibenden Theile hilft unsere Imagination nur unvollkommen und kümmerlich nach. In welchem Glanze aber dieses Gedicht vor mir erschien als ich Gesänge desselben in Neapel und Sicilien las! Es war als wenn man ein eingeschlagnes Bild mit Firniß überzieht, wodurch das Werk zugleich deutlich und in Harmonie erscheint. Ich gestehe daß es mir aufhörte ein Gedicht zu sein, es schien die Natur selbst, das auch bei jenen Alten um so nothwendiger war, als ihre Werke in Gegenwart der Natur vorgetragen wurden. Wie viele von unsern Gedichten würden aushalten auf dem Markte oder sonst unter freiem Himmel vorgelesen zu werden.

Leben Sie recht wohl und grüßen Sie Ihre liebe Frau. Benutzen Sie jede guten Augenblicke.

Weimar am 14. Februar 1798.

G.


422. An Goethe.

Jena den 16. Februar 1798.

Es ist eine mißliche Unternehmung einen so vermischten empirischen Stoff nach einer Form zu behandeln, die den Anspruch auf eine erschöpfende Vollständigkeit mit sich führt. Weil die zwölf Kategorien alle mögliche Hauptfragen enthalten, die an einen Gegenstand gemacht werden können, so muß, wenn richtig subsumirt worden, ein Gefühl von Befriedigung erfolgen, welches ich aber gar nicht habe, sondern eher das Gegentheil. Indessen glaube ich liegt es mehr an der Materie als an Ihrer Ausführung, daß diese noch ein viel zu rhapsodistisches und daher willkürliches Ansehen hat. Es liege aber woran es will, so zweifle ich sehr, daß Sie mich auf diesem Wege sich näher bringen werden: denn unter einer so strengen Form, die eine Forderung der Totalität unausbleiblich erregt, wird mir dieser empirische Gegenstand immer als eine unübersehbare Masse erscheinen, und ich werde gerade deßwegen, weil der Verstand darüber herrschen will, meine empirische Insufficienz empfinden.

Wenn die Kategorienprobe überhaupt stattfinden und von Nutzen sein soll, so muß sie, däucht mir, mit dem allgemeinsten und einfachsten der Farbenlehre angestellt werden, ehe von den besondern Bestimmungen die Rede ist, denn diese können nur Verwirrung erregen.

Ferner scheint mir daraus eine Verwirrung entsprungen zu sein, daß Sie nicht immer bei dem nämlichen Subject der Frage geblieben, sondern in der einen Kategorie das Licht, in der andern die Farbe vor Augen hatten, wie es sich am gelegensten machte, da doch das Wesen dieser ganzen Operation darauf beruht, daß die Kategorien immer nur die Prädicate hergeben, das Subject, von welchem prädicirt wird, aber immer dasselbe bleibt.

Ich verspare es auf unsere mündliche Communicationen, auf die Sache genauer einzugehen, weil das Gespräch mir viel schneller forthelfen wird. Nur ein paar Anmerkungen will ich vorläufig niederschreiben.

Bei dem Moment der Qualität müßte däucht mir die wichtige Frage beantwortet werden, ob die Farbe als positive eigene Energie oder nur als limitirte Licht-Energie wirkt, und ob mithin bei der Wirkung der Farbe das eigentlich wirkende nur das Licht, die Farben-Erscheinung selbst aber nur eine eigen modificirte Negation des Lichts ist. (Ohne Licht giebt es für das Auge natürlich keine Farbe, weil das Licht die Bedingung alles Sehens ist. Aber ohne Licht giebt es für das Auge auch keine Gestalt, Größe &c. – und es fragt sich also, ob nicht die Qualität der Farbe auch unabhängig vom Licht existirt.)

Bei der Relation müßte also gefragt werden:

  1. Ist die Farbe nur ein Accidens vom Licht, und mithin nichts substantielles?
  2. Ist die Farbe bloß Wirkung des Lichts?
  3. Ist sie das Produkt einer Wechselwirkung zwischen dem Licht und einem von demselben verschiedenen substantiellen Agens = x? (Weil bei der Kategorie der Relation alles nur relativ genommen wird, so wird bei obiger Frage das Licht als eine Substanz gleich gesetzt, und die Frage ist also bloß: ist die Farbe durchaus nur ein Accidens, relativ vom Licht, oder ist sie auch etwas selbstständiges?)

Sollte es nicht vielleicht zu fruchtbaren Ansichten führen, wenn die Farbe in dreifacher Beziehung betrachtet würde

  1. in Beziehung auf das Licht und die Finsterniß,
  2. in Beziehung auf das Auge,
  3. in Beziehung auf die Körper an denen sie erscheint.

Ihre Eintheilung der Farben hat mir jetzt noch etwas nicht völlig bestimmtes, daher ich nicht gewiß weiß, ob ich bei dem was Sie z. B. physische Farbe nennen, gerade das rechte denke. So wie es jetzt dasteht denke ich mir darunter prismatische Farben. Unter chemischen Farben verstehe ich Pigmente.

Ich habe heute wieder versucht zu arbeiten, aber ich werde einige Zeit brauchen, um die rechte Stimmung wieder zu finden.

Leben Sie recht wohl mit Meyern. Die Idylle von der Capelle im Walde erbitte ich mir gelegenheitlich zurück.

Meine Frau grüßt Sie herzlich.

Sch.


423. An Schiller.

[Weimar 17. Februar 1798.]

So sehr ich die Unvollkommenheit jenes ersten Versuches fühlte und fühle, so ein großes Vertrauen habe ich doch auf eine bessere Ausführung, bei der Sie mir gewiß, wenn wir nur erst wieder zusammenkommen, aufs nachdrücklichste beistehen werden.

Der Hauptfehler jener Arbeit, den Sie auch mit Recht bemerken, ist daß ich nicht immer bei dem nämlichen Subject geblieben bin, und daß ich bald Licht bald Farbe bald das allgemeinste bald das besonderste genommen habe.

Das hat aber gar nichts zu sagen! – Wenn man statt Einer Tabelle drei macht, und sie ein halb dutzendmal umschreibt, so müssen sie schon ein ander Ansehen gewinnen.

Ich glaube zwar selbst daß die empirische Masse von Phänomenen, die, wenn man sie recht absondert und nicht muthwillig verschmilzt, eine sehr große Zahl ausmachen und eine ungeheure Breite einnehmen, sich zu einer Vernunfteinheit schwerlich bequemen werden, aber auch nur die Methode des Vortrags zu verbessern ist jede Bestrebung der Mühe werth.

Auch ist meine Eintheilung diejenige die Sie verlangen:

  1. In Beziehung aufs Auge – physiologische;
  2. in Beziehung auf Licht und Finsternis – physische, welche alle ohne Mäßigung und Gränze nicht bestehen und von denen die prismatischen nur eine Unterabtheilung sind.
  3. Chemische die uns an Körpern erscheinen.

Wenn man diese Eintheilung auch nicht weiter als zum Vortrage geben will, so kann sie doch nicht entbehrt werden und bis jetzt weiß ich keine andere zu machen.

Was mich aber eigentlich zu jenem Schema nach den Kategorien geführt hat, ja was mich genöthigt auf dessen Ausführung zu bestehen, ist die Geschichte der Farbenlehre.

Sie theilt sich in zwei Theile, in die Geschichte der Erfahrungen und in die Geschichte der Meinungen, und die letztere müssen doch alle unter den Kategorien stehen.

Eine Sonderung ist daher höchst nöthig, vorzüglich weil man sonst nicht durch die neuern Aristoteliker durchkommt, welche die ganze Naturwissenschaft und besonders auch dieses Capitel ins metaphysische, oder vielmehr ins dialectische Fach spielten. Dabei, scheint mir's, haben sie wirklich die möglichen Vorstellungsarten erschöpft, und es wäre interessant sie in einer reinen Ordnung neben einander zu sehen; denn weil die Natur von so unerschöpflicher und unergründlicher Art ist daß man alle Gegensätze und Widersprüche von ihr prädiciren kann, ohne daß sie sich im mindesten dadurch rühren läßt, so haben die Forscher von jeher sich dieser Erlaubnis redlich bedient, und auf eine so scharfsinnige Art die Meinungen gegen einander gestellt daß die größte Verwirrung daraus entstand, welche nur durch eine allgemeine Uebersicht des Prädikabeln zu heben ist.

Ich bin überzeugt und es wird sich in der Folge darthun lassen daß das Newtonische System nach und nach sich so viel Bekenner erwarb, weil ein Emanations- oder Emissionssystem, wie man's nennen will, doch immer nur eine Art von mystischer Eselsbrücke ist, die den Vortheil hat aus dem Lande der unruhigen Dialectik in das Land des Glaubens und der Träume hinüber zu führen.

Das erste meo voto sollte also sein: die Lehre vom Licht und von den Farben im allgemeinsten, jede besonders, nach den Kategorien aufzustellen, wobei man sich alles empirisch Einzelnen enthalten müßte.

Das empirisch Einzelne ist nun schon nach den drei Eintheilungen, die mit Ihren geforderten übereinstimmen, aufgestellt. Nächstens erhalten Sie wohl das Schema über das Ganze, Sie werden sich über die ungeheure Masse verwundern, wenn Sie solche nur erst im Detail sehen.

Alles rückt in übersehbare Ordnung zusammen, und ich werde mich hüten irgend einen Theil auszuarbeiten, bis ich an meinem Schema nichts mehr zu bessern weiß, dann ist aber auch die Arbeit so gut als gethan. Ich bitte Sie um gefälligen Beistand, durch Einstimmung und Opposition; die letzte ist mir immer nöthig, niemals aber mehr als wenn ich in das Feld der Philosophie übergehe, weil ich mich darin immer mit Tasten behelfen muß.

Ich habe diese Woche ein Dutzend Autoren, die in meinem Fache geschrieben haben, nur flüchtig durchgesehen, um für die Geschichte einige Hauptmomente zu finden, und fühle ein Zutrauen daß sich aus derselben etwas artig-lesbares wird machen lassen, weil das besondere angenehm, und das allgemeine menschlich weitgreifend ist. Indessen fürchte ich und wünsche ich, daß der momentane Trieb zu dieser Materie mich bald verlassen und einem poetischen Platz machen möge. Doch kann ich immer zufrieden sein daß ich in meiner jetzigen zerstreuten Lage noch ein Interesse habe das mich durch alles durchhält.

G.


424. An Schiller.

Herr von Brinkmann, der um Sie zu sehen nach Jena geht, wünscht einige Worte von mir mitzunehmen. Da er Ihnen durch die Musen schon empfohlen ist, und seine lebhafte Unterhaltung Ihnen gewiß angenehm sein wird, so brauche ich weiter nichts zu sagen.

Meinen gestrigen Brief konnte ich nicht einmal mit einem Gruße schließen, so ging alles bei mir durcheinander. Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau; wie sehr wünsche ich zu vernehmen, daß Ihre Arbeit bald wieder in Gange sei.

Weimar am 18. Februar 1798.

G.


425. An Goethe.

Jena den 20. Februar 1798.

Da ich eine Zeitlang »von dem Schall der menschlichen Rede« fast ganz entfernt lebte, so war mir die lebhafte Gesprächigkeit des Freundes, der mir gestern Ihren Brief überbrachte, sehr erfrischend und ergötzend. Es ist überhaupt unterhaltend, einen Leser zu sehen, und sich die eigenen oder fremden Ideen in irgend einer Gestalt wiedergeben zu lassen. Diesem sieht man übrigens die Filiation stark an, weil er durch Humboldts in unsern Kreis gezogen worden. Eigen ist es, wie sich bei einem gewissen Zustand der Literatur ein solches Geschlecht von Parasiten oder wie Sie's nennen wollen, erzeugt, die sich aus dem was von andern geleistet ist, eine gewisse Existenz bilden, und ohne das Reich der Kunst oder Wissenschaft selbst zu bereichern oder zu erweitern, doch zum Vertrieb dessen dienen, was da ist, Ideen aus Büchern ins Leben bringen, und wie der Wind oder gewisse Vögel den Samen dahin und dorthin streuen. Als Zwischenläufer zwischen dem Schriftsteller und dem Publikum muß man sie wirklich sehr in Ehren halten, obgleich es gefährlich sein möchte, sie mit dem Publikum zu verwechseln. Uebrigens hat dieser gegenwärtige Freund einen feinen Sinn und bei seinem raisonnirenden Hange scheint er mir eine zarte Empfindung zu besitzen, dabei eine besondre Geschmeidigkeit, sich in fremdes zu finden, ja es sich anzueignen. Gegen Humboldt gehalten scheint er mir zwar ein viel flacheres Urtheil und schwankendere Begriffe, aber mehr Gefühl zu haben.

Die Anwendung der Kategorien auf Ihren aufgehäuften Stoff kann für Sie nicht anders als fruchtbar sein. Indem es zugleich eine treffliche Recapitulation ist, thut Ihnen dieses Geschäft die Dienste eines Freundes von entgegengesetzter Natur. Es zwingt Sie, wie ich mir's vorstelle, zu strengen Bestimmungen, Grenzscheidungen, ja harten Oppositionen, wozu Sie von sich selbst nicht so geneigt sind, weil Sie der Natur Gewalt anzuthun fürchten; und weil diese Härte und Strenge, so gefährlich sie auch im einzelnen aussieht, durch die Totalität des Geschäfts selbst, immer wieder gut gemacht wird, so werden Sie, durch diese Operation, immer wieder befriedigend zu Ihrer eignen Vorstellungsweise zurückgeführt. Diesen Dienst leistet Ihnen vorzugsweise der Begriff der Wechselwirkung und der Limitation; Sie werden aber auch bei dem der Allheit und der Notwendigkeit das nämliche erfahren. Da Sie bei dem Werke selbst polemisch zu sein nicht vermeiden können, so giebt Ihnen die Kategorienprobe einen entschiedenen Vortheil, und wie sehr sie Ihnen zur Uebersicht des historischen Theiles dient, begreife ich sehr gut.

Auf das Schema selbst bin ich jetzt mehr als jemals begierig, und wenn Sie kommen, so wollen wir uns mit rechter Lust und Ernst darüber verbreiten; ich finde es, unabhängig von der Sache selbst, die mich so sehr interessirt zu approfondiren, sehr interessant Ihnen die Stelle eines guten Lesers zu vertreten und zu versuchen wie sich die doppelte Rücksicht auf den Gegenstand und auf das subjective Bedürfniß des Lesers in Einer und derselben Wendung vereinigen läßt.

Da ich so oft in meiner Arbeit gehemmt werde und deßwegen das Ende noch nicht absehen kann, so ängstigen mich die Nachfragen nach dem Wallenstein, die nun anfangen von außen an mich zu geschehen. Schröder will ihn selbst spielen und scheint nicht ungeneigt, selbst in Weimar darin auftreten zu wollen. Auch Unger aus Berlin schreibt mir gestern, daß mir das Berliner Theater jedes beliebige Honorar bezahlen wolle, wenn ich das Stück ihm noch vor dem Abdruck senden wolle. Wäre ich nur erst fertig! Die Arbeit geht jetzt wieder ein wenig, obgleich mir der Kopf noch nicht recht frei ist.

Leben Sie recht wohl. Meine Frau geht morgen hinüber, um die Zauberflöte zu hören, wird Sie aber, da sie in der Nacht wieder geht, schwerlich sprechen können. Kommen Sie nur endlich einmal, wir sehnen uns nach den hübschen Abenden. Meyern recht viele Grüße.

Sch.


426. An Schiller.

Heute früh erwartete ich vergebens einen Brief von Ihnen, wenn nur nicht das Außenbleiben desselben auf ein Uebelbefinden deutet.

Brinkmann war sehr erfreut mit Ihnen einige Stunden vertraulich zugebracht zu haben. Seine lebhafte Theilnahme an so vielem verdient wirklich eine gute Aufnahme; gestern aß er mit mir und ich hatte ihn zwischen unsere zwei liebenswürdige Schriftstellerinnen placirt, wo er sich außerordentlich gut befand. Eigentlich aber scheint er mir eine rechte Natur für ein so großes Element wie Berlin zu sein.

Sagen Sie mir doch Ihre Gedanken über die Versart in welcher der Schlegelsche Prometheus geschrieben ist. Ich habe etwas vor das mich reizt Stanzen zu machen, weil sie aber gar zu obligat und gemessen periodisch sind, so habe ich an jenes Sylbenmaß gedacht, es will mir aber bei näherer Ansicht nicht gefallen, weil es gar keine Ruhe hat und man wegen der fortschreitenden Reime nirgends schließen kann.

Sonst habe ich noch manches durchgedacht um die Anforderungen an die rationelle Empirie nach Ihrer Ausführung, die Sie mir vor einigen Wochen zuschickten, noch recht nach meiner Art durchzuarbeiten. Ich muß damit aufs reine kommen ehe ich wieder an den Baco gehe, zu dem ich abermals ein großes Zutrauen gewonnen habe. Ich lasse mich auf diesem Wege nichts verdrießen und ich sehe schon voraus daß wenn ich mein Farben-Capitel gut durchgearbeitet haben werde, ich in manchem andern mit großer Leichtigkeit vorschreiten kann. Nächstens mehr und ich hoffe bald mündlich.

Weimar am 21. Februar 1798.

G.


427. An Goethe.

Jena den 23. Februar 1798.

Bei der Art wie Sie jetzt Ihre Arbeiten treiben haben Sie immer den schönen doppelten Gewinn, erstlich die Einsicht in den Gegenstand und dann zweitens die Einsicht in die Operation des Geistes, gleichsam eine Philosophie des Geschäfts, und das letzte ist fast der größere Gewinn, weil eine Kenntniß der Geisteswerkzeuge und eine deutliche Erkenntniß der Methode den Menschen schon gewissermaßen zum Herrn über alle Gegenstände macht. Ich freue mich sehr darauf, wenn Sie hieher kommen, gerade über dieses allgemeine in Behandlung der Empirie recht viel zu lernen und nachzudenken. Vielleicht entschließen Sie sich dieses Allgemeine, an der Spitze Ihres Werks, recht ausführlich abzuhandeln und dadurch dem Werke, sogar unabhängig von seinem besondern Inhalt, einen absoluten Werth für alle diejenigen, welche über Naturgegenstände nachdenken, zu verschaffen. Baco sollte Sie billig dazu veranlassen.

Was Ihre Anfrage wegen des Sylbenmaßes betrifft, so kommt freilich das meiste auf den Gegenstand an, wozu Sie es brauchen wollen. Im allgemeinen gefällt mir dieses Metrum auch nicht, es leiert gar zu einförmig fort, und die feierliche Stimmung scheint mir unzertrennlich davon zu sein. Eine solche Stimmung ist es wahrscheinlich nicht, was Sie bezwecken. Ich würde also die Stanzen immer vorziehen, weil die Schwierigkeiten gewiß gleich sind, und die Stanzen ungleich mehr Anmuth haben.

Ich erfahre über Paris (durch Humboldt) daß Schlegels Jena verlassen und nach Dresden ziehen wollen. Haben Sie vielleicht auch davon gehört?

Nach dem, was meine Frau mir sagte, hat Brinkmann in Weimar gar großes Glück gemacht, und besonders am verwittweten Hofe. Er ist ein sehr unterhaltender Mensch in Gesellschaft und schlau genug, das Geistreiche und das Triviale an beiden Enden zusammenzuknüpfen.

Humboldt schreibt mir auch das Urtheil, welches Voß über Ihren Hermann gefällt hat; er hat es von Vieweg, der jetzt in Paris ist. »Er habe gefürchtet, sagt Voß, der Hermann würde seine Luise in Vergessenheit bringen. Das sei nun zwar nicht der Fall, aber er enthalte doch einzelne Stellen, für die er seine ganze Luise hingeben würde. Daß Sie im Hexameter die Vergleichung mit ihm nicht aushalten könnten, sei Ihnen nicht zu verdenken, da dieß einmal seine Sache sei, aber doch finde er daß Ihre neuesten Hexameter viel vollkommener seien« – Man sieht, daß er auch keine entfernte Ahnung von dem innern Geist des Gedichts und folglich auch keine von dem Geist der Poesie überhaupt haben muß, kurz keine allgemeine und freie Fähigkeit, sondern lediglich seinen Kunsttrieb, wie der Vogel zu seinem Nest und der Biber zu seinen Häusern.

Leben Sie recht wohl. Meine Frau will auch noch etwas beilegen.

Sch.

Humboldts Brief kann ich nicht sogleich finden, ich will ihn ein andermal schicken.


428. An Schiller.

Schon Mittwochs hatte ich ein Blatt an Sie dictirt und heute fing ich an etwas dazu zu fügen, dadurch wurden aber meine Aeußerungen so confus, daß ich es noch einmal redigiren muß. Es soll morgen Abend mit der reitenden Post abgehen.

Von Schlegeln weiß ich so viel: daß er nach Ostern über Berlin nach Dresden gehen will, künftigen Winter wird er aber wieder in Jena sein.

Wenn ich hinüber komme werde ich den Vorschlag thun daß Sie ihn vor seiner Abreise noch ein paarmal sehen, damit er nicht etwa, aus Unmuth, seine Beiträge, die ich doch nicht gern entbehren möchte, Ihrem Almanach entwende.

Leben Sie recht recht wohl und behalten mich lieb.

Weimar am 24. Februar 1798.

G.


429. An Schiller.

[21. Febr.]

Jedem der Mittwochs oder Sonnabends früh in mein Zimmer kommt wird auf die Finger gesehen ob er nicht einen Brief von Ihnen bringe, und da ich heute dieses ersehnte Frühstück entbehren mußte so hat mir ein blaues Couvert am Abend desto mehr Freude gemacht.

Unsern Schweden den Sie trefflich geschildert haben habe ich noch morgen zu bleiben beredet. Unsere Frauen in Weimar bedürfen gar sehr solcher fremden Erscheinungen, und ich mag ihnen, da sie sonst so wenig Vergnügen haben, dergleichen gerne gönnen. Gewiß sind diese Naturen sehr wünschenswerth weil sie zur affirmativen Seite gehören und doch immer Talente in der Welt supponiren müssen, wenn ihr Talent gelten soll.

Ich kann nicht ausdrücken wie sehr ich hoffe die Resultate Ihrer Arbeiten zu sehen und mich mit Ihnen über so vieles zu unterhalten. Hätten mich die Stuttgarter nicht ohne Antwort gelassen, so daß ich über Thourets Ankunft ungewiß wäre, so hätte ich schon vor einigen Tagen zu Ihnen kommen können.

Ich erinnere mich kaum was ich heute früh über den rationellen Empirism schrieb, mir scheint es aber als wenn er auf seinem höchsten Puncte auch nur kritisch werden könnte. Er muß gewisse Vorstellungsarten neben einander stehen lassen, ohne daß er sich untersteht eine auszuschließen oder eine über das Gebiet der andern auszubreiten. In der ganzen Geschichte der Farbenlehre scheint mir dies der Fehler, daß man die drei Eintheilungen nicht machen wollte und daß man die empirischen Enunciationen, die auf eine Abtheilung der Erfahrungen paßten, auf die andere ausdehnen wollte, da denn zuletzt nichts mehr paßte.

Eben so scheint es mir mit Ideen zu sein die man aus dem Reiche des Denkens in das Erfahrungsreich hinüberbringt: sie passen auch nur auf Einen Theil der Phänomene und ich möchte sagen, die Natur ist deswegen unergründlich weil sie nicht Ein Mensch begreifen kann, obgleich die ganze Menschheit sie wohl begreifen könnte. Weil aber die liebe Menschheit niemals beisammen ist, so hat die Natur gut Spiel sich vor unsern Augen zu verstecken.

In Schellings Ideen habe ich wieder etwas gelesen und es ist immer merkwürdig sich mit ihm zu unterhalten; doch glaube ich zu finden daß er das was den Vorstellungsarten die er in Gang bringen möchte widerspricht, gar bedächtig verschweigt, und was habe ich denn an einer Idee die mich nöthigt meinen Vorrath von Phänomenen zu verkümmern?

Von der andern Seite sind die Mathematiker, welche ungeheure Vortheile haben der Natur zu Leibe zu gehen, auch oft in dem Falle das interessanteste zu tuschen. Ein alter Hofgärtner pflegte zu sagen: die Natur läßt sich wohl forciren aber nicht zwingen, und alles was wir theoretisch gegen sie vornehmen sind Approximationen bei denen die Bescheidenheit nicht genug zu empfehlen ist. Es war mir neulich sehr interessant Lamberts Photometrie durchzugehen der wirklich liebenswürdig erscheint, indem er seinen Gegenstand für unerreichbar erklärt und zugleich die äußerste Mühe anwendet ihm beizukommen.

Das soll nun alles, besonders wenn ich meine Arbeit erst vorlegen kann, zu den besten Gesprächen Anlaß geben.


So weit war ich am Mittwoch gekommen. Was ich gestern dictirte hat gar keine Gestalt, und doch soll dies Blatt heut Abend zu Ihnen. Die Herrschaft ist nach Gotha. Diesen ganzen ruhigen Tag habe ich mit neuen Bibliotheks-Einrichtungen zugebracht, wobei noch nichts gewonnen ist als was sich von selbst verstünde.

Leben Sie recht wohl und erfreuen mich Mittwoch wieder mit einem Briefe.

Weimar am 25. Februar 1798.

G.


430. An Goethe.

Jena den 27. Februar 1798.

Dieser Februar ist also hingegangen, ohne Sie zu mir zu bringen, und ich habe, erwartend und hoffend, bald den Winter überstanden. Desto heitrer seh' ich ins Frühjahr hinein, dem ich wirklich mit neuerwachtem Verlangen mich entgegen sehne. Es beschäftigt mich jetzt zuweilen auf eine angenehme Weise, in meinem Gartenhause und Garten Anstalten zur Verbesserung meines dortigen Aufenthalts zu treffen. Eine von diesen ist besonders wohlthätig und wird eben so angenehm sein: ein Bad nämlich, das ich reinlich und niedlich in einer von den Gartenhütten mauren lasse. Die Hütte wird zugleich um einen Stock erhöht und soll eine freundliche Aussicht in das Thal der Leutra erhalten. Auf der entgegengesetzten Lambrechtischen Seite ist schon im vorigen Jahr an die Stelle der Hütte eine ganz massiv gebaute Küche getreten. Sie werden also, wenn Sie uns im Garten besuchen, allerlei nützliche Veränderungen darin finden. Möchten wir nur erst wieder dort beisammen sein!

Ich lege doch jetzt ganz unvermerkt eine Strecke nach der andern in meinem Pensum zurück und finde mich so recht in dem tiefsten Wirbel der Handlung. Besonders bin ich froh, eine Situation hinter mir zu haben, wo die Aufgabe war, das ganz gemeine moralische Urtheil über das Wallensteinische Verbrechen auszusprechen und eine solche an sich triviale und unpoetische Materie poetisch und geistreich zu behandeln, ohne die Natur des moralischen zu vertilgen. Ich bin zufrieden mit der Ausführung und hoffe unserm lieben moralischen Publicum nicht weniger zu gefallen, ob ich gleich keine Predigt daraus gemacht habe. Bei dieser Gelegenheit habe ich aber recht gefühlt, wie leer das eigentlich moralische ist, und wie viel daher das Subject leisten mußte, um das Object in der poetischen Höhe zu erhalten.

In Ihrem letzten Briefe frappirte mich der Gedanke, daß die Natur, obgleich von keinem einzelnen gefaßt, von der Summe aller Individuen gefaßt werden könnte. Man kann wirklich, däucht mir, jedes Individuum als einen eigenen Sinn betrachten, der die Natur im Ganzen eben so eigenthümlich auffaßt als ein einzelnes Sinnenorgan des Menschen und eben so wenig durch einen andern sich ersetzen läßt, als das Ohr durch das Auge u. s. w. Wenn nur jede individuelle Vorstellungs- und Empfindungsweise auch einer reinen und vollkommenen Mittheilung fähig wäre; denn die Sprache hat eine, der Individualität ganz entgegengesetzte Tendenz, und solche Naturen, die sich zur allgemeinen Mittheilung ausbilden, büßen gewöhnlich so viel von ihrer Individualität ein, und verlieren also sehr oft von jener sinnlichen Qualität zum Auffassen der Erscheinungen. Ueberhaupt ist mir das Verhältniß der allgemeinen Begriffe und der auf diesen erbauten Sprache zu den Sachen und Fällen und Intuitionen ein Abgrund, in den ich nicht ohne Schwindeln schauen kann. Das wirkliche Leben zeigt in jeder Minute die Möglichkeit einer solchen Mittheilung des Besondern und Besondersten durch ein allgemeines Medium, und der Verstand, als solcher, muß sich beinah die Unmöglichkeit beweisen.

Leben Sie recht wohl. Ich lege Humboldts letzten Brief bei, den ich mir zur Beantwortung bald zurückerbitte. Meine Frau grüßt Sie aufs beste. Meyern viele Grüße.

Sch.


431. An Schiller.

Wenn die Stuttgarter Freunde artiger gewesen und mir die Zeit von Thourets Ankunft gemeldet hätten, so könnte ich vielleicht jetzt bei Ihnen sein, denn außer diesem Einen Geschäft habe ich alles übrige hinter mich gebracht. Geht Ihr Wallenstein indessen auf seinem Wege mit starken Schritten fort, so will ich das bisherige Entbehren verschmerzen; man steht freilich, wie es auch Humboldten geht, wenn gewisse Unterhaltungen fehlen, wie nöthig sie einem werden können.

Die Franzosen muß Humboldt, wenn sie ein theoretisch Gespräch anfangen, ja zu eludiren suchen, wenn er sich nicht immer von neuem ärgern will. Sie begreifen gar nicht daß etwas im Menschen sei, wenn es nicht von außen in ihn hineingekommen ist. So versicherte mir Mounier neulich: das Ideal sei etwas aus verschiedenen schönen Theilen zusammengesetztes! Da ich ihn denn nun fragte: woher denn der Begriff von den schönen Theilen käme? und wie denn der Mensch dazu käme ein schönes Ganze zu fordern? und ob nicht für die Operation des Genies, indem es sich der Erfahrungselemente bedient, der Ausdruck zusammensetzen zu niedrig sei? so hatte er für alle diese Fragen Antworten aus seiner Sprache, indem er versicherte daß man dem Genie schon lange une sorte de création zugeschrieben habe.

Und so sind alle ihre Discurse: sie gehen immer ganz entscheidend von einem Verstandsbegriff aus und wenn man die Frage in eine höhere Region spielt, so zeigen sie daß sie für dieses Verhältniß auch allenfalls ein Wort haben, ohne sich zu bekümmern ob es ihrer ersten Assertion widerspreche oder nicht.

Durch Ihre Frau Schwägerin werden Sie ja wohl erfahren haben daß auch Mounier Kantens Ruhm untergraben hat und ihn nächstens in die Luft zu sprengen denkt. Dieser moralische Franzos hat es äußerst übel genommen daß Kant die Lüge, unter allen Bedingungen, für unsittlich erklärt. Böttiger hat eine Abhandlung gegen diesen Satz nach Paris geschickt, der ehestens in der Décade philosophique wieder zu uns zurückkommen wird, worin denn zum Trost so mancher edlen Natur klar bewiesen wird daß man von Zeit zu Zeit lügen müsse. Wie sehr Freund ubique sich freuen muß wenn dieser Grundsatz in die Moral aufgenommen wird können Sie leicht denken, da er seit einiger Zeit die Bücher die man ihm geliehen hat hartnäckig abschwört, ob es gleich gar kein Geheimniß ist, daß er sie im Hause hat und sich deren ganz geruhig fort bedient.

Ich habe jetzo ein Verhältniß mit dem Grafen und der Gräfin Fouquet wegen naturhistorischer Gegenstände. Es sind recht artige, höfliche, dienstfertige Leute und auch mit mir recht einig und wohl zufrieden; doch merkt man immer daß es ihnen auch wie Voßen geht, der am Ende denn doch überzeugt ist daß er ganz allein Hexameter machen kann und soll.

Mein Gedicht scheint, wie ich aus diesen Nachrichten sehe, ihm nicht so wohlthätig als mir das seine. Ich bin mir noch recht gut des reinen Enthusiasmus bewußt mit dem ich den Pfarrer von Grünau aufnahm, als er sich zuerst im Merkur sehen ließ, wie oft ich ihn vorlas, so daß ich einen großen Theil davon noch auswendig weiß, und ich habe mich sehr gut dabei befunden, denn diese Freude ist am Ende doch productiv bei mir geworden, sie hat mich in diese Gattung gelockt, den Hermann erzeugt und wer weiß was noch daraus entstehen kann. Daß Voß dagegen mein Gedicht nur se defendendo genießt thut mir leid für ihn, denn was ist denn an unserm ganzen Bischen Poesie, wenn es uns nicht belebt und uns für alles und jedes was gethan wird empfänglich macht? Wollte Gott ich könnte wieder von vorn anfangen und alle meine Arbeiten als ausgetretne Kinderschuhe hinter mir lassen, und was bessers machen.

Jetzt erheitre ich mich mit dem Gedanken daß ich bei meinem nächsten Aufenthalt in Jena kleine Sachen machen will, in einer Art zu der ich den wohlthätigen Einfluß des Frühlings brauche. Wie sehr freut es mich daß wir beide gewiß so fest an der Sache als an einander halten werden.

Heute Nacht haben wir nach der unvermutheten Ankunft der gothaischen fürstlichen Jugend, einen Ball aus dem Stegreife und Souper um zwei Uhr gehabt worüber ich denn einen schönen Morgen zum größten Theil verschlief. Leben Sie recht wohl, grüßen Sie Ihre liebe Frau und bereiten sich für den Sommer im Garten ein heiteres Dasein.

Weimar den 28. Februar 1798.

G.


432. An Goethe.

Jena den 2. März 1798.

Ich habe es in diesen schönen Tagen einmal wieder mit der frischen Luft versucht und mich recht wohl dabei befunden. Es ist wirklich Schade, daß Sie gerade jetzt nicht hier sein können, gewiß würde sich die Muse jetzt bald bei Ihnen einstellen.

Was Sie über die Franzosen, und ihren emigrirten, aber immer gleich würdigen Repräsentanten Mounier schreiben, ist sehr wahr und so kläglich es auch an sich ist, so freut es einen, weil es so nothwendig zu dem ganzen Begriff dieser Existenz gehört, und man sollte immer nur rein die Naturen auffassen, so würde man auch gleich die Systeme rein demonstrirt sehen. Es ist wirklich der Bemerkung werth, daß die Schlaffheit über ästhetische Dinge immer sich mit der moralischen Schlaffheit verbunden zeigt, und daß das reine strenge Streben nach dem hohen Schönen, bei der höchsten Liberalität gegen alles was Natur ist, den Rigorism im moralischen bei sich führen wird. So deutlich scheiden sich die Reiche der Vernunft und des Verstandes und diese Scheidung behauptet sich nach allen Wegen und Richtungen, die der Mensch nur nehmen kann.

Mounier ist mir ein würdiger Pendant zu Garven, der sich auch einmal auf ähnliche Art gegen Kant prostituirte.

Gestern habe ich nun im Ernst das französische Bürgerdiplom erhalten, wovon schon vor fünf Jahren in den Zeitungen geredet wurde. Es ist damals ausgefertigt und von Roland unterschrieben worden. Weil aber der Name falsch geschrieben und nicht einmal eine Stadt oder Provinz auf der Adresse stand, so hat es freilich den Weg nicht zu mir finden können. Ich weiß nicht wie es jetzt noch in Bewegung kam, aber kurz, es wurde mir geschickt und zwar durch – Campe in Braunschweig, der mir bei dieser Gelegenheit die schönsten Sachen sagt.

Ich halte dafür, es wird nicht ganz übel sein, wenn ich es dem Herzog notificire, und um diese Gefälligkeit ersuche ich Sie, wenn es Sie nicht beschwert. Ich lege deßwegen die Acta bei. Daß ich als ein deutscher Publicist κατ' εξοχην darin erscheine, wird Sie hoffentlich auch belustigen.

Leben Sie recht wohl. Ich habe einen Posttag und noch allerlei abzufertigen. Meine Frau grüßt schön.

Sch.


433. An Schiller.

Zu dem Bürgerdecrete, das Ihnen aus dem Reiche der Todten zugesendet worden, kann ich nur in so fern Glück wünschen als es Sie noch unter den Lebendigen angetroffen hat; warten Sie ja noch eine Weile ehe Sie Ihre verewigten großen Mitbürger besuchen. Herr Campe scheint an der gefährlichsten aller Tollheiten, so wie noch mancher gute Deutsche, krank zu liegen. Leider ist dagegen so wenig als gegen eine andere Pest zu thun und zu sagen.

Das schöne Wetter ruft mich jeden Tag zu Ihnen und ich benutze mein Hiersein so gut ich kann. Ich habe die Insecten wieder vorgenommen und auch meine Mineralien geordnet. Wenn man so viel zusammenschleppt und nur eine Zeit lang ansteht das eingebrachte einzurangiren, so weiß man bald nicht wo man sich lassen soll.

Meyer rückt mit seinen Arbeiten vor und es wird bald ein Bändchen zusammen sein.

Nach den neusten Begebenheiten in Italien und in der Schweiz bin ich vollkommen über unsern Rückzug getröstet; auch wird es der Sache nicht schaden, wenn das was wir gesammelt fragmentarisch heraus kommt. Das Publicum nimmt so was einzelnes immer besser auf, und einen methodischen Ueberblick kann man auf dem Wege immer auch einmal geben. Die Einleitung dazu wird wohl meine erste Arbeit in Jena sein, da ich denn auch das Schema sowohl über das theoretische als über das Erfahrungsganze, das schon entworfen ist, noch besser ausarbeiten werde.

Meine Betrachtungen über organische Naturen, so wie über die Farbenlehre arbeiten jenen Kunstbetrachtungen entgegen und eine zweite Ausgabe des Cellini wird an Meyers Arbeiten über die florentinische Kunstgeschichte mit wenigen bedeutenden Noten angeschlossen.

Da ich wohl der Einleitung die Form einiger Briefe an Sie, mein werthester Freund, geben möchte, so wäre es recht hübsch wenn Sie auch bei dieser Gelegenheit ein Wort an uns sagten, um eine Aussicht zu geben daß Sie auch mit Ihren Arbeiten künftig wohl mit uns zusammentreffen möchten. Denn da uns das Jahrhundert von außen noch manche Hindernisse in den Weg zu legen scheint, so ist es desto nöthiger von innen einstimmig und unverrückt zu wirken.

Leben Sie recht wohl und grüßen Sie Ihre liebe Frau.

Weimar am 3. März 1798.

G.


434. An Goethe.

Jena den 6. März 1798.

Aus Ihren, mir neu eröffneten, Vorsätzen muß ich schließen, daß Sie noch eine gute Weile lang auf dem wissenschaftlichen Felde bleiben werden, welches mir für die poetische Ausübung leid thut, so sehr ich auch den Nutzen und die Nothwendigkeit davon einsehe. Ihre vielen und reichen Erfahrungen und Reflexionen über Natur und Kunst und über das dritte Idealische was beide zuletzt zusammenknüpft, müssen ausgesprochen, geordnet und festgehalten werden, es sind sonst nur Lasten die Ihnen im Wege liegen. Aber die Unternehmung wird weitläuftig werden, und aus Arbeit wird sich Arbeit erzeugen. Bis jetzt hab' ich noch keinen klaren Begriff von den Grenzen, die Sie dem Werk setzen werden, unbeschadet seines Anspruchs auf eine gewisse umfassende Vollständigkeit: ein Anspruch der schon in Ihrer Natur liegt, wenn auch der Gegenstand ihn nicht machte. Ich erwarte daher Ihr Schema darüber mit großer Begierde. Dieses wird mir denn auch den Ort schon zeigen, wo ich mit meinen Ideen, auf eine mit dem Ganzen übereinstimmende Weise, eintreten kann. Mit Vergnügen werde ich den Antheil daran nehmen, den Sie mir bestimmen, und da es einmal ein gesellschaftliches Werk ist, so kann es recht gut sein, daß auch der dritte Mann spricht. Selbst der Rigorism der darin herrschen wird, gewinnt mehr Eingang, wenn eine vielfältigere Ansicht und Einkleidung dabei ist. Immer aber wird das Werk in einer bestimmten Opposition mit dem Zeitalter bleiben: und da an eine gütliche Auskunft nicht zu denken ist, so wäre die Frage, ob man den Krieg nicht lieber decidirt erklären und durch die Schärfe des Gesetzes sowohl als der Justiz das Werk desto pikanter machen sollte. Doch darüber mündlich ein mehreres, wenn ich erst mehr von dem Plane weiß.

Ich selbst hoffe, nach meiner jetzigen ziemlich langen poetischen Praxis, die mir viele Erfahrungen mehr verschafft hat, mit gutem Erfolg zum Raisonnement zurückzukehren.

Meine Frau spricht Sie heute, wie sie hofft, warum ich sie sehr beneide, denn ich kann wohl sagen, daß mich recht herzlich verlangt, Sie wieder von Angesicht zu sehen.

Das Rescript das mich zum Professor ordinarius macht ist endlich von Coburg angekommen, und so sehe ich mich in kurzer Zeit mit mehreren Würden bekleidet, von denen ich nur wünschte, daß sie mich wärmer hielten.

Leben Sie recht wohl, grüßen Sie Meyern und schreiben Sie mir bald, daß ich Sie erwarten darf.

Sch.


435. An Schiller.

Ihre liebe Frau hat uns, obgleich nur auf allzu kurze Zeit besucht, doch hat sie wenigstens einen guten Eindruck von Meyers Arbeiten mitgenommen, wovon sie nicht wenig Genuß haben wird und es wäre sehr schön gewesen wenn Sie denselben theilen könnten. Ueberhaupt muß ich bei dieser Gelegenheit sagen daß Sie, da sich Ihr Herr Schwager nach und nach einrichten kann, doch auch für ein Quartier für den Winter besorgt sein sollten. Denn wenn ich auch unser Theater nur nehme wie es ist, so bleibt es doch schon ein großer Genuß fast alle acht Tage eine gute Musik zu hören, denn unsere Oper ist recht artig und die Vorstellungen derselben machen oft ein artiges Ganze. Ich könnte Ihnen einen bessern, bequemern Platz verschaffen als den im Proscenio und an der Einsamkeit zu Hause wird es Ihnen, nach dem bekannten weimarischen Isolationssystem, nicht fehlen, und es würde gewiß für Sie von Vortheil sein wenn Sie die äußere Einwirkung nicht ganz ausschlößen. Was mich betrifft so werde ich, wie Sie wissen immer in meinem Zodiak herum genöthigt und jedes Zeichen in das ich trete giebt mir neue Beschäftigung und Stimmung. Was mit mir zunächst werden wird hoffe ich Sonnabends sagen zu können.

Ich habe den Cellini wieder vorgenommen, corrigire meine Abschrift und mache mir ein Schema zu den Noten. Dadurch setze ich mich in den Stand die kleinen Historischen Aufsätze, die hierzu nöthig sind, von Zeit zu Zeit auszuarbeiten. Ich will sie hinten ans Werk schließen, und sie nach den Materien stellen, so daß man sie auch allenfalls, wie einen kleinen Aufsatz, hinter einander lesen kann. Meyers Arbeit über die florentinische Kunstgeschichte rückt indessen auch vor, und eins greift ins andere.

Eine Zeit zur Fassung und Sammlung und zur Uebersicht über das mannigfaltige was wir treiben, wünsche ich mir bald in Ihrer Nähe, sie muß mir nun nächstens werden und sie soll uns in mehr als Einem Sinne Frucht bringen.

Zu dem endlich angelangten Coburger Rescript wünsche ich Glück. Eigentlich hat diese Expedition auch unser Herzog ausgewirkt. Coburg war wohl mit ein Dutzend Rescripten zurück und da keine Sollicitation bei den Geheimde Räthen helfen wollte, schickte endlich unser Herzog unmittelbar einen Boten auf Execution mit freundschaftlichen Empfehlungsschreiben an den Herzog und die Herzogin, wodurch denn endlich die Expeditionen flott gemacht wurden; möchte doch auch etwas reelles für Sie dabei gewesen sein! Humboldts Brief lege ich wieder bei; sein Urtheil über das französische Theater gefällt mir recht wohl. Ich möchte diese wunderlichen Kunstproducte wohl auch einmal mit Augen sehen.

Leben Sie wohl.

Weimar am 7. März 1798.

G.


436. An Goethe.

Jena den 9. März 1798.

Meine Frau hat sich sehr gefreut Sie neulich in Ihrem Hause zu sehen, und kann es noch nicht satt werden, Meyers schöne Werke zu preisen. Sie hat meine Begierde darnach aufs neue rege gemacht und wenn Sie binnen acht Tagen nicht sollten herkommen können, so werde ich noch einen Flug nach Weimar vornehmen.

Es ist auch mein ernstlicher Wille, wie Sie mir rathen, künftig das Theater in Weimar besser zu benutzen. Nur an den Anstalten zur Wohnung lag es in diesem Winter, daß ich es nicht ausgeführt habe. Für die Zukunft werde ich mich aber gewiß darauf einrichten. Wenn es auch bloß um die Musik wäre, müßte man's schon thun, denn die Sinne werden ja sonst gar nicht auf eine ästhetische Weise berührt. Aber auch das Theater selbst wird gut auf mich wirken. In diesen letzten Monaten habe ich freilich alles andre meinem Geschäfte nachsetzen müssen, um darin einen entscheidenden Schritt zurückzulegen. Das habe ich erreicht. Jetzt ist mein Stück im Gange, und das Schwerste ist hinter mir. Drei Viertel der ganzen Arbeit sind absolvirt.

Haben Sie noch keine Neugierde gehabt die neue englische Tragödie von Walpole the mysterious Mother zu Gesicht zu bekommen? Sie wird als eine vollkommene Tragödie im Geschmack und Sinn des Oedipus Rex gerühmt, mit dem sie dem Inhalt nach, davon ich einen Auszug gelesen, in einer gewissen Verwandtschaft steht. Vielleicht daß von dieser materiellen Aehnlichkeit auch das ganze Urtheil herrührt. Wäre dem so, so sollte man den englischen Kunstrichtern diese Leichtsinnigkeit nicht so hingehen lassen; und in jedem Falle scheint mir's nicht übel, ein solches vorübergehendes Interesse des Publicums zu ergreifen, und da einmal der Fall da ist, über das Gesetz und die Forderungen ein Wort zu sagen. Ich werde trachten das Stück zu bekommen, ob es vielleicht zu einem Raisonnement über die Gattung Anlaß geben kann.

Der Herzog, wie mir mein Schwager sagt, wünscht daß ich mein Bürgerdiplom der Bibliothek schenken möchte, wozu ich sehr gerne bereit bin. Ich will es bloß abschreiben lassen und mir im Namen der Bibliothek attestiren lassen, daß das Original bei ihr niedergelegt ist, wenn etwa einmal eins meiner Kinder sich in Frankreich niederlassen und dieses Bürgerrecht reclamiren wollte.

Leben Sie recht wohl. Vielleicht bringt mir der morgende Botentag die erwünschte Nachricht von Ihrem baldigen Kommen. Meine Frau grüßt Sie bestens.

Sch.


437. An Schiller.

Es fehlte nur noch daß in das zehente Haus meines Horoscops noch einige Hufen Landes eingeschoben würden, damit meine Existenz ja noch bunter werden möchte. Und doch ist es so, ich habe das Oberroßlaer Freigut endlich doch noch erstanden, nachdem mir die bisherigen Pächter, so wie auch der Hofrath Grüner, durch zwei Jahre diese Requisition sauer gemacht haben. Indessen bin ich mit dem Besitz und mit dem Preise noch ganz zufrieden, denn es geht jetzt mit Grund und Boden wie mit den Sibyllinischen Büchern, jedermann zaudert beim steigenden Preise indem der Preis immer steigt.

Uebrigens habe ich einen ganz reinen Kauf gethan, wie wohl selten geschieht, denn ich habe das Gut und die Gebäude bis auf den heutigen Tag nicht gesehen und werde es morgen zum erstenmal in Augenschein nehmen. Das was dabei zu bedenken und allenfalls zu thun ist wird mich kaum acht Tage aufhalten. Wenn Sie uns besuchen könnten, so wäre es recht schön, doch will ich bemerken daß in der nächsten Woche die Oper den Donnerstag ist und Sonnabends ein neues Kotzebuisches Stück zu dem ich Sie nicht einladen will. Wenn Sie sich neben Freund Meyern in dem grünen Stübchen behelfen wollen, so sind Sie mir auch herzlich willkommen, mehr Raum kann ich Ihnen diesmal nicht anbieten.

Von dem englischen Trauerspiel habe ich nichts vernommen; es wäre auf alle Fälle gut wenn wir es erhalten könnten.

Von Ihrem Bürgerdiplom wollen wir Ihnen eine vidimirte Abschrift, mit dem Bekenntniß daß solches auf der fürstlichen Bibliothek verwahrt sei, ausfertigen lassen. Es ist recht artig daß Sie des Herzogs Gelüst nach diesem Document befriedigen. Es ist schon ein ähnliches reponirt, die Nachricht, in vielen Sprachen, an alle Völker der Welt, von der herrlichen französischen Revolution.

Wenn es Ihnen möglich ist, so kommen Sie ja! denn ich wünschte sehr daß Sie die Meyerischen Arbeiten gesehen hätten, ehe wir weiter zusammen zu leben fortfahren.

Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau.

Weimar am 10. März 1798.

G.


438. An Goethe.

Jena den 13. März 1798.

Nachdem ich einmal ein vierzehn Tage erträglich wohl gewesen, und mir etwas Anstrengung zugemuthet, setzt sich's mir wieder in den Kopf und macht mich unlustig und unfähig zu allem. Freilich ist das Wetter auch wieder sehr rauh geworden. Dennoch hoffe ich meine Reise zu Ihnen, wiewohl nur auf Einen Tag, noch diese Woche ausführen zu können. Meine Absicht wird erreicht sein, wenn ich Sie und Meyers Arbeiten sehe und eine bestimmte Gewißheit Ihrer Hierherkunft mit zurückbringe.

Zu der Acquisition wünsche ich von Herzen Glück. Ich fühle bei meinem kleinen Besitzthum, wie viel Freude es gewährt, für sich und die Seinigen jetzt ein Stück Erde in Anspruch zu nehmen.

Ich habe einen braven Menschen für Mouniers Institut aufgefunden, dem ich dadurch zu einer einstweilen Existenz verhelfe, während daß Mouniern mit ihm gedient sein wird.

Man sagt hier daß die Franzosen bei Murten eine Schlappe bekommen. Es sollte mich herzlich freuen, denn auch ein kleines Glück, und gerade an diesem Ort, würde am Anfang besonders sehr gute Folgen für die Schweizer haben.

Ich habe diese Tage ein altes deutsches Ritterstück, das Sie wahrscheinlich längst vergessen haben, Fust von Stromberg wieder durchgelesen. Es läßt sich freilich sehr viel dagegen sagen, aber die Bemerkung habe ich dabei gemacht, daß der Dichter eine erstaunliche Macht über das Gemüth ausüben kann, wenn er nur recht viel Sachen und Bestimmungen in seinen Gegenstand legt. So ist dieser Fust von Stromberg zwar überladen von historischen Zügen und oft gesuchten Anspielungen, und diese Gelehrsamkeit macht das Stück schwerfällig und oft kalt; aber der Eindruck ist höchst bestimmt und nachhaltig, und der Poet erzwingt wirklich die Stimmung die er geben will. Auch ist nicht zu läugnen, daß solche Compositionen, sobald man ihnen die poetische Wirkung erläßt, eine andre allerdings sehr schätzbare leisten, denn keine noch so gut geschriebene Geschichte könnte so lebhaft und so sinnlich in jene Zeit hineinführen, als dieses Stück es thut.

Leben Sie wohl. Mein Kopf ist ganz wüste.

Meine Frau grüßt herzlich.

Sch.


439. An Schiller.

Es würde recht schön sein wenn Sie diese Woche noch herüber kommen könnten, nur wünschte ich den Tag zu wissen um mich ein wenig darauf einzurichten. Ich bin ziemlich mit allem fertig und auch meine kleine Acquisition ziemlich im klaren, so daß es meiner Gegenwart weiter nicht bedarf. Bei näherer Untersuchung findet sich daß ich noch einen ganz leidlichen Kauf gethan habe, ob er gleich der bisherigen Nutzung nach zu hoch schien. Deßwegen Gruner auch wohl abgegangen sein mag.

Nun habe ich aber das größte Bedürfniß wieder einmal ganz in meinem Innern zu leben und hoffe bald dazu zu gelangen.

Damit Sie sehen in welcher unmittelbaren Connexion unser liebes Weimar mit Paris steht, übersende ich Ihnen einige französische Blätter. Mir sind dergleichen Saalbaderische Gemeinplätze in der Natur zuwider. Die französische Sprache ist aber auch recht dazu gemacht, um die Erscheinung der Erscheinungen auszudrücken; übrigens scheinen ihre Literatoren so zahm als ihre Politik gewaltsam ist.

Die Schweizer werden auf alle Fälle den kürzern ziehen. Ich erwarte täglich daß die Franzosen Basel besetzen, denn sie haben von außen nichts mehr zu fürchten noch zu scheuen.

Leben Sie recht wohl und grüßen Sie Ihre liebe Frau.

Weimar am 14. März 1798.

 

Des Sturm von Bocksberg erinnere ich mich kaum, ich weiß nur daß mir der archivalische Aufwand darin lästig war.

G.


440. An Goethe.

Jena den 14. März 1798.

Da heute noch eine Post geht, so sende die französischen Sachen gleich mit.

Der Discurs über Hermann und Dorothea gefällt mir doch gar nicht übel, und wenn ich wüßte daß er von einem recht leibhaften Franzosen herrührte, so könnte mich diese Empfänglichkeit für das Deutsche des Stoffes und das Homerische der Form erfreuen und rühren.

Mounier erscheint in seinem Briefe, so wie ich ihn erwartete, als der ruhig beschränkte und menschliche Repräsentant des gemeinen Verstandes, mit dem man da er wirklich ohne Arges ist und das gar nicht ahnet worauf es ankommt gar nicht hadern mag. Die Instanz am Ende, daß es ein Unglück wäre, wenn ein Dorfrichter die Moral eines Kant bekennte und darnach handelte, ist auch wirklich alles, was ich, umgekehrterweise, dem Mounier zur Abfertigung sagen würde.

Leben Sie recht wohl. Ich freue mich zu hören, daß Sie mit der Ansicht Ihres Kaufs so zufrieden sind, und daß Sie die Hände nun frei haben um wieder etwas für sich selbst vorzunehmen.

Mein Kommen kann ich darum nicht wohl bestimmt annonciren, weil alles von dem Schlaf der vorhergehenden Nacht abhängt. Leben Sie recht wohl.

Sch.


441. An Goethe.

Jena den 16. März 1798.

Nur ein paar Worte zum Gruße. Ich habe Posttag und der Kopf ist mir sehr eingenommen.

Bei meinem besten Willen habe ich die Reise nach Weimar noch nicht wagen können, da mir nicht wohl und auch das Wetter zu rauh war. Kann ich es vor Ihrer Ankunft nicht ausführen, so werde ich es auf jeden Fall auch bei Ihrer Anwesenheit in Jena noch thun, und kann es so einrichten, daß ich vor Abend wieder hier bin, denn es liegt mir selbst zu viel daran, Meyers Arbeiten selbst gesehen zu haben, so lange Sie noch hier sind.

Ich hoffe, Sie bringen viel Geschriebenes, Schemata und Ausarbeitungen mit, denn ich kann Ihnen nicht sagen, wie sehr mich nach einer lebendigen Communication auch über solche Gegenstände besonders, die mit meinem Geschäft nichts gemein haben, verlangt. Auch wünschte ich von Meyers Arbeiten bald etwas zu lesen.

Leben Sie recht wohl. Vielleicht erfahre ich morgen, wann Sie kommen.

Meine Frau grüßt Sie bestens.

Sch.


442. An Schiller.

Künftige Woche denke ich soll nicht verfließen ohne daß wir uns wieder zusammen befinden. Alle die Geschäfte auf die ich Einfluß habe sind im Gange, und werden nun wohl ihren Weg fortschreiten. Es wird mir nun ein großes Bedürfniß tausend Ideen Raum und Ordnung zu verschaffen, wozu mir nur die Jenaische absolute Stille und Ihre Nähe verhelfen kann.

Ich lege ein paar wunderliche Briefe bei, die Ihnen ein Abenteuer erzählen werden, das in unsern Tagen seltsam genug klingt. Ich kenne die Leute selbst und die Blätter bürgen schon für ihre eigne Wahrheit.

Den französischen Aufsatz über Hermann habe ich nun noch einmal, und zwar mit Ihren Augen, angesehen und ihn denn auch von der Art gefunden daß man damit nicht ganz unzufrieden sein solle, ja er wäre ein Wunder wenn ihn ein Franzos geschrieben hätte; es ist aber ein Deutscher wie ich wohl weiß. Uebrigens wird es künftig ein wunderlich Amalgam geben, da so viele Franzosen und Engländer Deutsch lernen, so vieles übersetzt wird und unsere Literatur in verschiednen Fächern mehr Thätigkeit hat als die beiden andern.

Die armen Berner haben also eine traurige Niederlage erlitten. Meyer fürchtet daß sich nun ein Kanton so nach dem andern wird todtschlagen lassen, denn in ihrer Vorstellungsart sind sie immer noch die alten Schweizer; aber der Patriotismus so wie ein persönlich tapfres Bestreben hat sich so gut als das Pfaffthum und Aristokratismus überlebt. Wer wird der beweglichen glücklich organisirten und mit Verstand und Ernst geführten französischen Masse widerstehen! Ein Glück daß wir in der unbeweglichen nordischen Masse stecken, gegen die man sich so leicht nicht wenden wird.

Wenn es Ihnen um Zerstreuung und um allerlei fremdes an Planen, Aufsätzen und Einfällen zu thun ist, damit kann ich aufwarten; was ich mitbringe wird nicht viel unter einem Ries Papier betragen.

Nach Ihrer Herreise frage ich also nicht mehr; da Sie nur einen Tag dazu verwenden wollen, so schadet es nichts wenn ich auch schon drüben wäre. Leben Sie recht wohl, grüßen Sie Ihre liebe Frau und arbeiten Sie so fleißig als möglich sein will.

Weimar am 17. März 1798.

G.


443. An Goethe.

[Jena, 21. März 1798.]

Da ich Sie vor Abend nicht sehe so werde ich bis dahin in meinem vierten Act suchen vorwärts zu kommen. Ich habe heute früh die Phädra des Euripides, freilich nur nach einer sehr geistleeren Uebersetzung von Steinbrüche gelesen, aber es ist mir doch unbegreiflich, wie leicht und obenhin dieser schöne Stoff behandelt worden ist.

Leben Sie recht wohl.

Sch.


444. An Schiller.

[Jena, März 1798.]

Ich muß doch noch einmal wegen Schlegels anfragen, dessen ich schon in einem Briefe erwähnte. Haben Sie auch für die Zukunft seine Verbannung fest beschlossen, so lassen wir alles ruhen und ich werde mich darnach benehmen. Möchten Sie aber vielleicht ihm einen sparsamen Zutritt gönnen, so wäre jetzt, da Tischbein Sie zu besuchen wünscht, die beste Gelegenheit, und, da S. nach Ostern fortgeht, für den Sommer keine Zudringlichkeit zu befürchten. Da ich diese Personen sehen muß und Tischbein zu besuchen nicht vermeiden kann, so wünscht' ich Ihre Gesinnungen zu vernehmen, weil man von mir immer eine Mittlerschaft erwartet. Wünsche übrigens gute Fortschritte.

G.


445. An Goethe.

Jena den 6. April 1798.

Heute früh oder vielmehr heute Mittag als ich aufstand und mich nach Ihnen erkundigte, fand ich unsre unglückselige Charlotte, die ich länger als ein Jahr nicht gesehen und nicht viel verbessert fand. Sie ist wo möglich noch materieller geworden und ihr gespanntes freudloses unerquickliches Dasein hat mir keine gute Stimmung gegeben.

Ihr Aufenthalt hier kommt mir jetzt noch kürzer vor als er war. Er ging gar schnell vorüber und für eine so lange Abwesenheit war es wirklich zu wenig.

Unterdessen will ich suchen, mich wieder recht in die Arbeit zu werfen, daß ich nur erst das Gedankenbild aus mir herausstelle, weil ich es dann heller anschauen kann. Ich freue mich, denken zu dürfen, daß Sie mit meinem Wallenstein im ganzen zufrieden sind und vorzüglich darüber, daß Sie keinen Widerspruch weder mit dem Gegenstande noch mit der Kunstgattung zu der er gehört darin rügten; denn über die theatralischen Forderungen denke ich schon noch weg zu kommen, wenn die tragisch-dramatischen nur befriedigt sind.

Leben Sie wohl für heute. Meine Frau grüßt Sie bestens und wir vermissen Sie leider sehr.

Sch.


446. An Schiller.

Hätten mich die kleinen häuslichen Geschäfte, welche jetzt nothwendig abgethan sein wollen, nur in Ruhe gelassen, so wäre ich gewiß nicht so bald von Ihnen weggegangen, um so weniger als ich, bei Ankunft des schönen Wetters, auch eine recht gute Disposition zu meiner Arbeit fühlte. Ich habe mich nun drein ergeben und denke mich nun nach und nach hier wieder frei zu arbeiten, um desto länger das nächste mal bei Ihnen bleiben zu können.

Wir haben gewiß alle Ursache uns unsers Verhältnisses zu freuen, da wir uns nach einer so langen Entfernung nur näher fühlen und die Opposition unserer Naturen eine Wechselwirkung desto wünschenswerther macht, von der wir auch für die Zukunft das beste hoffen können.

Was Sie von der zunehmenden Materialität unserer Freundin sagen ist mir auch bei vielen andern Personen merkwürdig. Es scheint daß die meisten Naturen die kleine Portion der idealischen Ingredienzien durch ein falsches Streben gar bald aufzehren und dann durch ihre eigne Schwere wieder zur Erde zurückkehren.

An Ihren Wallenstein denke ich mit Vergnügen zurück, und habe die besten Hoffnungen davon. Die Anlage ist von der Art daß Sie, wenn das Ganze beisammen ist, die ideale Behandlung mit einem so ganz irdisch beschränkten Gegenstande in eine bewundernswürdige Uebereinstimmung bringen werden.

Ich lege einen derben Amor, von Guttenberg, nach Meyer, bei, mit dem wir ganz wohl zufrieden sind. Obgleich einiges, z. B. das Gesicht sehr verfehlt ist.

Meyer weiß nun was und wie er arbeitet und kann sich in einer nächsten Zeichnung darnach richten. Ist es Ihnen recht, so besorgen wir gleich etwas ähnliches für den Almanach, und wie dieses mein gewöhnlicher Siegelring ist, so nehmen wir vielleicht einen andern Stein aus meiner Sammlung.

Leben Sie recht wohl und nehmen Sie mit Ihrer lieben Frau Dank für alle Vorsorge.

NB. Das Büchelchen soll nur das Kupfer unbeschädigt hin und wieder bringen.

Weimar am 7. April 1798.

G.


447. An Goethe.

Jena den 10. April 1798.

An dem Amor, der hier zurückfolgt, erkennt man gleich die kräftige und solide Kunst unsers Meisters, wenn er sich nur nicht an der Spitze des kleinen Werkleins vor dem er zu stehen kommen soll, etwas zu streng und zu ernsthaft ausnimmt. Es wird recht gut sein, wenn Sie aus Ihrer Sammlung etwas für den Almanach wählen und Meyer es zeichnet. Ich brauche nicht zu sagen, daß eine poetische Idee von der Art wie diese mit dem Amor die zweckmäßigste sein wird; und weil der Almanach seines kleinen Formats und spielenden Gebrauchs wegen auch nur kleine Dimensionen erlaubt, so schien mir ein solcher Gegenstand, wo weniger auf der Ausführung als auf dem Gedanken beruht, der passendste zu sein. Doch das ist Ihre Sache, Sie werden schon das beste erwählen.

Ich lege Ihnen hier einen Brief nebst Gedichten von einem gewissen Jakobi bei, der sich an mich um Nachrichten von Ihnen gewendet hat. Die Gedichte habe ich kaum flüchtig angesehen und weder gutes noch schlimmes daran bemerkt. Indessen wäre mir's nicht unlieb, wenn ich eins davon in das letzte Horenstück brauchen könnte, da mir gerade noch soviel daran fehlt. Haben Sie die Güte mir diese Gedichte, im Fall eins davon zu brauchen wäre, morgen durch die Botenfrau wieder zu schicken, da ich es an dem nämlichen Abend noch fortbringen kann.

Wenn Sie beim Geheimerath Voigt ein gutes Wort für unsern Niethammer sprechen wollten, so würden Sie etwas Gutes befördern. Ich habe Ursache zu glauben, daß er wenig Eifer für ihn hat, ja wirklich zu wenig, und hingegen seinen unbedeutenden Rival begünstiget. Fände sich Gelegenheit, Schellings Sache die bei Voigten zu liegen scheint, noch einmal in Bewegung zu bringen, so wäre es auch sehr gut für uns jenaische Philosophen, und selbst Ihnen würde es nicht unangenehm sein, das hiesige Personale mit einem so guten Subject vermehrt zu haben.

Obgleich das schöne Wetter hier noch fortdauert, so hat doch die schnelle Kälte mir wieder einen heftigen Katarrh mitgebracht und mein altes Uebel erneut. Die Arbeit rückt langsam fort, und ich stehe gerade an einem Punkt, wo die Stimmung alles thun muß.

Hier sagt man, daß Iffland am 24sten dieses Monats nach Weimar kommen würde um acht Tage dort zu spielen. Da Sie bei Ihrem Hiersein noch gar nichts davon zu wissen schienen, so kann ich es kaum glauben. Wäre es aber, so zweifelte ich sehr, daß er noch den alten Empfang finden würde, und unser würdiger gestiefelter Kater würde in einiges Gedränge kommen.

Leben Sie recht wohl. Ich höre von meinem Schwager der heute hier war, daß Thouret nun nächstens kommen wird. So ist es auch in dieser Rücksicht gut für Sie gewesen, daß Sie gerade jetzt in Weimar sind und nicht mitten in der Arbeit unterbrochen werden.

Meine Frau grüßt Sie aufs beste. Leben Sie recht wohl.

Sch.


448. An Schiller.

So ungern ich von Jena abreiste, so war es doch eben die rechte Zeit. Manches was hier stockte mußte wieder in Gang gebracht werden und nun rücken sowohl allgemeine als besondere Angelegenheiten besser vorwärts.

Iffland giebt wirklich, vom 24sten an, sechs Repräsentationen. Wenn ich nicht fehl schließe so wird der Zudrang noch lebhafter sein als das erstemal. Schon in der Stadt haben wir mehr Fremde als damals und die Liebhaberei zum Theater ist sowohl hier als in der Nähe gewachsen.

Damit mir die nächsten vier Wochen die ich doch hier zubringen werde nicht ungenutzt verstreichen, habe ich gleich den Faust vorgenommen und finde Ihre Bemerkung richtig: daß die Stimmung des Frühlings lyrisch ist, welches mir bei dem rhapsodischen Drama sehr zu Gute kommt.

Jakobi, der an Sie geschrieben hat, ist der Sohn, der in Jena studirte; die Gedichte, die ich zurückschicke, konnte ich nicht durchlesen, ich bin ganz in entgegengesetzten Beschäftigungen und Stimmungen. Die nächsten vierzehn Tage überhaupt wird es wieder ein wenig bunt gehen. Ich setze voraus daß Sie Montag den 23sten bei uns eintreffen und das Theatralische Fest mit uns celebriren werden. Sie können neben Meyern sich recht gut einquartieren. Leben Sie recht wohl.

Weimar am 11. April 1798.

G.


449. An Goethe.

Jena den 24. April 1798.

Endlich bin ich wieder im Stande Ihnen selbst von meinem Befinden Nachricht zu geben. Vierzehn Tage war ich zu allem unfähig, weil sich der Rheumatism in den Kopf gesetzt hatte, und noch darf ich vor den nächsten acht Tagen nicht hoffen, ein Geschäft vorzunehmen. Es ist recht Schade, daß ich bei dieser Unfähigkeit zum Arbeiten nicht wenigstens von den theatralischen Unterhaltungen in Weimar profitiren kann; aber wenn mich auch nicht mein noch fortdaurender Husten ins Haus spräche, so fehlte es mir doch gänzlich an Stimmung für irgend einen Geistesgenuß, und ich muß mich hüten, mich an ästhetische Dinge auch nur zu erinnern.

Ich wünsche Ihnen desto mehr Vergnügen an Ifflands theatralischem Besuch. Ueber die Wahl der Stücke haben wir uns hier gewundert, besonders aber hat mich die Wahl des Pygmalion befremdet. Denn wenn darunter wirklich das Monodram gemeint ist, welches däucht mir Benda componirt hat, so werden Sie, mit Meyern, einen merkwürdigen Beleg zu den unglücklichen Wirkungen eines verfehlten Gegenstandes erleben. Es ist mir absolut unbegreiflich, wie ein Schauspieler, auch bloß von einer ganz gemeinen Praxis, den Begriff seiner Kunst so sehr aus den Augen setzen kann, um in einer so frostigen, handlungsleeren und unnatürlichen Fratze sich vor dem Publicum abzuquälen. Dazu kommt noch, daß Iffland in seinem Leben nie eine Schwärmerei oder irgend eine exaltirte Stimmung weder zu fühlen noch darzustellen vermocht hat, und als Liebhaber immer abscheulich war.

Doch Sie werden ja sehen, und vielleicht ist auch an den Pygmalion nicht gedacht worden.

Zu den Fortschritten im Faust wünsche ich Glück. Diese theatralische Zerstreuungen sollen Sie, denk' ich, eher darin fördern als stören. Leben Sie recht wohl. Meine Frau grüßt schönstens.

Sch.


450. An Schiller.

Ich kann Ihnen nur so viel sagen daß ich mich freue wieder einen Brief von Ihrer Hand zu sehen. Möchte sich Ihre Gesundheit doch immer zunehmend bessern.

Iffland hat seinen Eisigmann fürtrefflich gespielt. Naturell, Studium, Ueberlegung, alte und gewohnte Uebung dieser Rolle, Mäßigkeit, Mannigfaltigkeit, Lieblichkeit und Kraft war an ihm zu bewundern. Das Stück ging im ganzen nicht fließend genug weil unsere Schauspieler es erst vor kurzem gelernt hatten und nicht einmal so gut spielten als sie fähig gewesen wären; daher ihm selbst manches verloren ging und er statt eines freien Spiels hie und da Contenance brauchte wobei er sich aber selbst meisterlich zeigte.

Heute ist der Hausvater, was den Freitag gespielt wird wissen wir noch nicht.

Es ist wirklich der Pygmalion von Benda der noch gegeben wird; ich bin äußerst neugierig darauf. Das Stück kenn' ich und habe es mehrmals gesehen; es ist ein sehr sonderbares Unternehmen, indessen ist doch Iffland viel zu klug als daß er etwas wählen sollte wo er nicht eines gewissen Effectes sicher wäre. Sie haben nächstens wieder Nachricht von mir.

Weimar am 25. April 1798.


451. An Goethe.

Jena den 27. April 1798.

Ich sende Ihnen hier Cottas Antwort auf meine Anfrage wegen der zu verlegenden kleinen Abhandlungen. Es ist ihm, wie Sie sehen, zu viel daran gelegen etwas von Ihnen zum Verlag zu bekommen, als daß er seine Desideria und Wünsche bei diesem Werke ganz offen hätte heraussagen sollen. So viel aber zeigt sich, daß er bei dem überwiegenden kunstwissenschaftlichen Inhalt ein zu eingeschränktes Publikum fürchtet, und deßwegen einen mehr allgemeinen Inhalt wünscht. Ich kann ihm darin als Buchhändler gar nicht Unrecht geben: da aber auf der andern Seite von dem Plane des Werks nichts erlassen werden kann, so wäre mein Vorschlag, ihm die Exspectanz auf Ihr nächstes poetisches Werk, etwa den Faust zu geben, oder es ihm lieber gleich zu veraccordiren. Wenn ich bei dieser Gelegenheit einen Vorschlag zu thun hätte, so würde ich für den Bogen der theoretischen Abhandlungen, ohngefähr gedruckt wie Meisters Lehrjahre, vier Louisdors und für den Bogen vom Faust acht Louisdors zu fordern rathen. Wenn Sie aber denken daß Unger oder Vieweg besser bezahlen, so kann Cotta es auch, und ich erwarte nur, daß Sie ein Gebot thun, so will ich es Cotta, der jetzt in Leipzig ist sogleich melden.

Wie ich höre so spielt Iffland heute Pygmalion. Daß er seinen Calcul auf das Publicum wohl zu machen verstehe, habe ich nie gezweifelt. Er wird auch in dieser Rolle bedeutend und verständig sein, aber ich kann darum meine Meinung nicht ändern und der Erfolg wird mich nicht widerlegen.

Mit meiner Gesundheit geht es jetzt von Tag zu Tag besser, doch habe ich noch keine Stimmung zu meiner Arbeit finden können. Dafür lese ich in diesen Tagen den Homer mit einem ganz neuen Vergnügen, wozu die Winke, die Sie mir darüber gegeben, nicht wenig beitragen. Man schwimmt ordentlich in einem poetischen Meere: aus dieser Stimmung fällt man auch in keinem einzigen Punkte und alles ist ideal bei der sinnlichsten Wahrheit. Uebrigens muß einem, wenn man sich in einige Gesänge hineingelesen hat, der Gedanke an eine rhapsodische Aneinanderreihung und an einen verschiedenen Ursprung nothwendig barbarisch vorkommen: denn die herrliche Continuität und Reciprocität des Ganzen und seiner Theile ist eine seiner wirksamsten Schönheiten.

Die unterstrichene Stelle in Humboldts Briefe den ich Ihnen zurücksende, ist ihm vermuthlich selbst noch nicht so recht klar gewesen, und dann scheint das Ganze mehr eine Anschauung als einen deutlichen Begriff auszusprechen. Er will, däucht mir, überhaupt nur sagen, daß das Gemeinsame, folglich Nationelle, in den Franzosen sowohl in ihren gewöhnlichen Erscheinungen als in ihren Vorzügen und Verirrungen eine Wirksamkeit des Verstandes und seiner Adhärenzien, nämlich des Witzes, der Beobachtung &c. sei, ohne verhältnißmäßige Mitwirkung des Ideenvermögens, und daß sie mehr physisch als moralisch rührbar seien. Das ist keine Frage daß sie bessere Realisten als Idealisten sind, und ich nehme daraus ein siegendes Argument, daß der Realism keinen Poeten machen kann.

Leben Sie recht wohl für heute, und möchten Sie in dem Gewühl von Menschen, das Sie jetzt öfters umgiebt, sich recht angenehm unterhalten.

Sch.


452. An Schiller.

Ich bin, um mit Lieutenant Wallen zu reden, so zu sagen in Verzweiflung daß Sie diesmal an unsern Theatralischen Abenteuern keinen Antheil nehmen können, sowohl weil Sie eines hohen Genusses entbehren, als auch weil alles zur Sprache kommt was uns im dramatischen Fache interessiren kann, und worüber man doch nur eigentlich mit dem sich zu unterhalten im Stande ist der das unmittelbare Anschauen davon gehabt hat.

So war gestern eine äußerst interessante Repräsentation. Pygmalion machte Anspruch an die höchste theatralische Würde und Fülle, und so wie Iffland den Wallen nimmt ist es die personificirte Welt-Leerheit, durch einen pudelnärrischen Humor ausgestopft und ausgestattet. Was er in beiden Rollen geleistet hat wird durch keine Worte auszudrücken sein; doch müssen wir abwarten was Freund Böttiger leisten wird. Mündlich geht es eher an daß man darüber sich einigermaßen erkläre.

Montag wird Benjowsky sein, Mittwoch der taube Apotheker; was er Donnerstags zum Schlusse giebt, weiß ich noch nicht. Sobald er fort ist eile ich mein Haus zu bestellen um wieder bald bei Ihnen zu sein.

Für Cottas Erklärung danke ich, doch halte ich es für besser, ehe man sich näher bestimmt, ein paar Bände Manuscript völlig rein fertig zu haben. Was einen etwas mannigfaltigern Inhalt betrifft, darüber habe ich schon selbst gedacht, es wäre eine Gelegenheit manches, wo man sonst nicht mit hin weiß, anzubringen und was dem Buchhändler nutzt, nutzt auch in jedem Sinne dem Autor: wer gut bezahlt wird, wird viel gelesen und das sind zwei löbliche Aussichten.

Ebenso will ich meinen Faust auch fertig machen, der seiner nordischen Natur nach ein ungeheures nordisches Publikum finden muß. Freund Meyer wird es auch für keinen Raub achten zu dieser barbarischen Production Zeichnungen zu verfertigen. Wir haben den Gedanken die Umrisse auf graubraun Papier drucken zu lassen und sie alsdann auszutuschen und mit dem Pinsel aufzuhöhen, eine Operation die vielleicht nirgends so gut und wohlfeil als hier gemacht werden könnte. Es sollen bald einige Versuche der Art zum Vorschein kommen.

Ich will nun auch Freund Humboldt antworten und ihn besonders ersuchen mit Brinkmann einen prosodischen Congreß über Hermann und Dorothea zu halten, so wie ich ihnen noch mehr dergleichen Fragen im allgemeinen vorzulegen gedenke.

Indem Sie nur der Ilias erwähnen fühle ich schon wieder ein unendliches Verlangen mich an jene Arbeit zu machen, von der wir schon so viel gesprochen haben. Hoffentlich gelingen mir dieses Jahr noch ein paar Gesänge, indessen muß man alle Chorizonten mit dem Fluche des Bischofs Ernulphus verfluchen, und wie die Franzosen, auf Leben und Tod, die Einheit und Unteilbarkeit des poetischen Werthes in einem feinen Herzen festhalten und vertheidigen. Leben Sie recht wohl. Ich muß mich schon wieder anziehen, weil die Zeit eines musikalischen Frühstücks herannahet. Die schönen Morgen sind diesen Festen günstig, da auch der Garten von der Gesellschaft mit genossen werden kann, denn fast ist mein Haus für den Zufluß zu klein.

Grüßen Sie Ihre liebe Frau und schicken Sie uns dieselbe wenigstens Montags.

Uebrigens darf ich wohl mit einigem Triumph bemerken daß ich, als Impresar, richtig gerechnet habe. Denn ohnerachtet der erhöhten Preise ist das Haus noch immer voller als das vorigemal gewesen, so daß wir, wenn es so fortgeht, diesmal auf die sieben Vorstellungen fast so viel als auf die vorigen vierzehen einnehmen. Sollte Schröder kommen, so kann man aufs doppelte gehen und selbst wenn Iffland künftig wieder kommen sollte, steigre ich wieder, denn das Geld wird immer noch wohlfeiler werden. Leben Sie nochmals recht wohl, genießen Sie der schönen Tage in der Stille, indeß ich noch acht recht unruhige auszudauern habe. Indessen wird's auch im Saalthale recht schön grün und wir beginnen unser altes Leben.

Weimar am 28. April 1798.

G.


453. An Goethe.

Jena den 1. Mai 1798.

Da wir jetzt in den Wonnemond getreten sind, so hoffe ich auch wieder auf die Gunst der Musen und hoffe daß ich in meinem Garten finden werde, was ich schon lang entbehre. Mit Ende dieser Woche denke ich hinauszuziehen, wenn das Wetter gut bleibt.

Allerdings beklage ich sehr, daß ich dießmal von Ifflands Vorstellungen gar nichts habe profitiren können; aber da ich diesen Winter und Frühling so viele Zeit verlor und auf einen bestimmten Termin fertig werden will, so muß ich mich in mich selbst zurückziehen und alles was mich sehr nach außen beschäftigt als eine gefährliche Zerstreuung fliehen. Damit tröst' ich mich über diesen verlorenen Genuß, dem ich nicht würde haben widerstehen können, wenn ich gesund gewesen wäre.

Daß Iffland in seinem Pygmalion einen so großen Triumph über meine Erwartung und Vorhersagung davon getragen, ist mir noch nicht begreiflich, und es wird mir schwer selbst Ihnen etwas aufs Wort zu glauben, was mir den Glauben an meine bestimmtesten Begriffe und Ueberzeugungen rauben würde. Indessen ist hier nichts mehr zu sagen, da Sie meinen Beweisen a priori ein Factum entgegensetzen können, wogegen ich, da ich selbst es nicht mit bezeugen kann, auch nichts einwenden darf. Uebrigens habe ich es lediglich mit Ihrem Urtheil zu thun, denn die übrige öffentliche Meinung kann hier nichts beweisen, da hier nur von objectiven Forderungen die Rede ist und die übrige Welt schon zufrieden ist, wenn sie nur interessirt wird.

Ich wünschte zu erfahren, ob es noch wahrscheinlich ist, daß Schröder diesen Herbst kommt, damit ich mit mir zu Rathe gehen kann, ob der Wallenstein noch bis dahin für das Theater fertig zu machen ist. Daher bitte ich Sie, mich wissen zu lassen, ob Sie unterdessen einen Schritt gethan haben. Denn wenn das nicht geschehen ist, so zweifle ich auch ob er diesen Herbst kommt.

Cotta wird vermuthlich in zehn Tagen hieher kommen. Vielleicht schickt es sich, daß Sie dann schon hier sind; es wäre doch gut, wenn Sie ihn wenigstens hörten und sich Vorschläge machen ließen. Er hat den besten Willen und an Kräften fehlt es ihm keineswegs, etwas bedeutendes zu unternehmen.

Es ist mir dieser Tage in der Odyssee eine Stelle aufgefallen, welche auf ein Gedicht das verloren gegangen schließen läßt, und dessen Thema der Ilias vorhergeht. Sie steht im achten Buch der Odyssee vom 72sten Vers an. Vielleicht wissen Sie mehreres davon.

Möchten Sie nur erst wieder in Ihrer homerischen Welt leben. Ich zweifle nicht im geringsten, daß Ihnen diesen Sommer und Herbst noch einige Gesänge gelingen werden.

Leben Sie recht wohl. Meine Frau wird auf den Donnerstag nach Weimar kommen, um noch zum Schluß etwas von den Iffländischen Gaben zu genießen. Sie grüßt Sie aufs beste.

Sch.


454. An Schiller

Iffland fährt fort seine Sache trefflich zu machen und zeichnet sich als ein wahrhafter Künstler aus. An ihm zu rühmen ist die lebhafte Einbildungskraft, wodurch er alles was zu seiner Rolle gehört zu entdecken weiß, dann die Nachahmungsgabe wodurch er das gefundene und gleichsam erschaffne darzustellen weiß, und zuletzt der Humor, womit er das Ganze von Anfang bis zu Ende lebhaft durchführt. Die Absonderung der Rollen von einander, durch Kleidung, Gebärde, Sprache, die Absonderung der Situationen und die Distinction derselben wieder in sensible kleinere Theile, ist fürtrefflich. Von allem übrigen was wir schon im einzelnen kennen will ich jetzt schweigen.

Indem er als ein wirkliches Natur- und Kunstgebilde vor den Augen des Zuschauers lebt, so zeigen sich die übrigen, wenn sie auch ihre Sache nicht ungeschickt machen, doch nur gleichsam als Referenten, welche eine fremde Sache aus den Acten vortragen: man erfährt zwar was sich begiebt und begeben hat, man kann aber weiter keinen Theil daran nehmen.

Sehr wichtig war mir die Bemerkung daß er die reinste und gehörigste Stimmung beinah durchaus vollkommen zu Befehl hat, welches denn freilich nur durch das Zusammentreffen von Genie, Kunst und Handwerk möglich ist.

Das Publikum ist sich in seiner Assiduität ziemlich gleich. Die Anzahl schwankte bisher zwischen 380 und 430 und es läßt sich voraussehen daß wir keine so starke und keine so geringe Vorstellung haben werden als das vorige mal. Der erhöhte Preis hat nur einen gewissen Cirkel von Zuschauern eingeschlossen. Wir können mit der Einnahme zufrieden sein und ich freue mich über den ungläubigen Hofkammerrath gesiegt zu haben.

Uebrigens habe ich, außer einer ziemlich allgemeinen, reinen Zufriedenheit, nichts tröstliches von einem besondern Urtheil gehört. Wie wenige verhalten sich gegen den Künstler auch wieder productiv! Dagegen habe ich mitunter einige sehr alberne Negationen vernommen. Morgen erleben wir noch den Tauben Apotheker und dann will ich mich der eintretenden Ruhe wieder freuen, ob ich gleich nicht leugnen will daß mir sein Spiel diesmal, mehr als das vorige mal, Bedürfniß geworden ist. Er hat in jedem Sinne gut auf mich gewirkt und ich hoffe, wenn ich zu Ihnen hinüber komme, sollen der Mai und Juni gute Früchte bringen.

Ich habe heute keinen Brief von Ihnen erhalten und wünsche nur daß kein Uebel Ursache an Ihrem Stillschweigen sein möge.

Freund Böttiger brütet, wie ich merke, an einer Didaskalie über Pygmalion. Es wird wahrscheinlich wieder ein sauber Stückchen Arbeit werden.

Eine der lustigsten Begebenheiten unseres Zeitalters kann ich vorläufig nicht verschweigen. Wielanden ist durch ein heimlich demokratisches Gericht verboten worden die Fortsetzung seiner Gespräche im Merkur drucken zu lassen; das nächste Stück wird zeigen ob der gute Alte gehorcht.

Der arme Verfasser des goldnen Spiegels und des Agathons, der zu seiner Zeit Königen und Herren die wundersamsten Wahrheiten sagte, der sich auf die Verfassungen so trefflich verstand, als es noch keine gab, der edle Vorläufer des neuen Reiches muß nun, in den Zeiten der Freiheit, da Herr Posselt täglich den bloßen Hintern zum Fenster hinaus reckt, da Herr Gentz mit der liberalsten Zudringlichkeit einem neuen Könige eine unbedingte Preßfreiheit abtrutzt, die Schooßkinder seines Alters, die Producte einer Silberhochzeit, gleich namenlosen Liebeskindern, verheimlichen.

Vor vierzehn Tagen ohngefähr kam er nach Weimar, um für diese Productionen, mit denen er sich im stillen beschäftigt hatte, einiges Lob einzuernten: er las sie in allen Etagen unsers Geschmacks- und Gesellschaftshauses vor und ward mit mäßiger Gleichgültigkeit aufgenommen, so daß er für Ungeduld bald wieder aufs Land flüchtete; indessen hielt man Rath und jetzt, hör' ich, ist ihm angekündigt diese Mestizen eines Aristo-demokratischen Ehebandes, in der Stille, zu erdrosseln und im Keller zu begraben, denn ausgesetzt dürfen sie nicht einmal werden.

Weimar am 2. Mai 1798.

G.


455. An Schiller.

Vorstehendes war geschrieben als ich Ihren lieben Brief erhielt. Möge das gute Wetter Sie bald in den Garten locken und Sie draußen aufs beste begünstigen.

Ueber Pygmalion wollen wir methodisch zu Werke gehen, denn wenn man, bei der großen Einigkeit in Grundsätzen, einmal über Veurtheilung einer Erscheinung in Opposition ist, so kommt man gewiß auf schöne Resultate, wenn man sich verständigt.

Ich glaube wir werden bald einig sein, denn man kann von diesem Monodram nur in so fern sprechen als man die Manier des französischen tragischen Theaters und die rhetorische Behandlung eines tragischen, oder hier eines sentimentalen Stoffs, als zulässig voraussetzt: verwirft man diese völlig, so ist Pygmalion mit verworfen: läßt man sie aber, mit ihrem Werthe oder Unwerthe, gelten, so kann auch hier Lob und Tadel eintreten. Man kann jeden Manieristen loben und das Verdienst das er hat auseinandersetzen, nur muß ich ihn nicht mit Natur und Styl vergleichen. Das wäre ohngefähr, wovon ich ausgehen würde. Ich werde Ihnen erzählen was ich auf die Zweimal gesehen habe; am liebsten aber wünsche ich daß Sie Meyern drüber hören, doch wird die ganze Untersuchung vor der Erscheinung der Didaskalie nicht geschlossen werden können.

Wegen Schröders kann ich Ihnen weiter nichts sagen. Er hat sich in dieser Sache koket betragen, ohnaufgefordert einen Antrag gethan und wie man zugreifen wollte zurückgezogen. Ich nehm' es ihm nicht übel, denn jedes Handwerk hat eigne Methoden; ich kann nun aber keinen Schritt weiter thun.

Wahrscheinlich bin ich in zehn Tagen bei Ihnen; es sollte mir lieb sein Cotta wieder zu sehen.

Die Stelle in der Odyssee scheint sich freilich auf eine der unzähligen Rhapsodien zu beziehen, aus denen nachher die beiden überbliebenen Gedichte so glücklich zusammengestellt wurden. Wahrscheinlich sind jene eben deswegen verloren gegangen weil die Ilias und Odyssee in ein ganzes coalescirten. So haben wir unzählige Epigramme verloren, weil man eine Epigrammensammlung veranstaltete; so sind die Werke der alten Rechtslehrer zu Grunde gegangen, weil man sie in die Pandekten digerirte u. s. w. Verzeihen Sie mir diese etwas chorizontische Aeußerung, doch scheint mir täglich begreiflicher wie man aus dem ungeheuren Vorrathe der rhapsodischen Genieproducte, mit subordinirtem Talent, ja beinah blos mit Verstand, die beiden Kunstwerke die uns übrig sind zusammen stellen konnte; ja wer hindert uns anzunehmen daß diese Contiguität und Continuität schon durch die Forderung des Geists an den Rhapsoden im allerhöchsten Grade vorbereitet gewesen; sogar will ich einmal annehmen daß man nicht alles in die Ilias und Odyssee was wohl hineingepaßt hätte aufgenommen habe, daß man nicht dazu sondern davon gethan habe.

Doch das sind Meinungen über einen Gegenstand über den alle Gewißheit auf ewig verloren ist, und die Vorstellungsart die ich äußere ist mir bei meiner jetzigen Production günstig, ich muß die Ilias und Odyssee in das ungeheure Dichtungsmeer mit auflösen aus dem ich schöpfen will.

Noch ein Wort wegen Schröders: nach meiner Ueberzeugung steht Ihr Wallenstein und seine Hierherkunft in solcher Correlation, daß man eher sagen könnte: schreiben Sie ihn so wird er kommen, als: wenn er kommt, so machen Sie ihn fertig.

Und hiermit leben Sie wohl. Es geht wieder zu einem Frühstück, morgen ist das letzte bei mir, wozu Ihre liebe Frau eingeladen ist, wenn sie zeitig kommt.

Die englische Uebersetzung meiner Dorothea welche Herr Mellish unternommen hat ist, wie er mir gestern sagte, fertig; er will mir die vier ersten Gesänge zeigen die er mit hat. Ich selbst kann so was gar nicht beurtheilen, ich will veranlassen daß Schlegel sie zu sehen kriegt, der das Verhältniß beider Sprachen mehr studirt hat. Ich schließe, ob's gleich noch viel zu sagen giebt.

Weimar am 2. Mai 1798.

G.


456. An Goethe.

Jena den 4. Mai 1798.

Meine Frau hat mir von Ihrer freundschaftlichen Aufnahme, von der bunten lebhaften Gesellschaft bei Ihnen und von Ifflands lustigem Apotheker sehr viel zu erzählen und zu rühmen gewußt. In solchen närrischen Originalen ist es eigentlich wo mich Iffland immer entzückt hat; denn das Naturell thut hier so viel, alles scheint augenblicklicher Einfall und Genialität; daher ist es unbegreiflich und man wird zugleich erfreut und außer sich gesetzt. Hingegen in edeln, ernsten und empfindungsvollen Rollen bewundre ich mehr seine Geschicklichkeit, seinen Verstand, seinen Calcul und Besonnenheit. Hier ist er mir immer bedeutend, planvoll, und beschäftigt und spannt die Aufmerksamkeit und das Nachdenken, aber ich kann nicht sagen, daß er mich in solchen Rollen eigentlich entzückt oder hingerissen hätte, wie von weit weniger vollkommenen Schauspielern geschehen ist. Daher würde er mir, für die Tragödie, kaum eine poetische Stimmung geben können.

Ich weiß kaum wie ich es mit Schrödern halten soll, und bin beinahe entschlossen, die ganze Idee von der Repräsentation des Wallensteins fallen zu lassen. So zeitig mit der ganzen völligen Ausführung fertig zu werden, daß er den Wallenstein im September oder Anfangs Oktober spielen kann, ist nicht möglich; denn Schröder muß nach seiner eignen Erklärung gegen Böttiger mehrere Monate zum Einlernen einer solchen Rolle haben, und würde also das Stück in der Mitte des Julius spätestens haben müssen. Bis dahin könnte ich zwar zur Noth eine Skizze des Ganzen, die für das Theater hinreichte fertig bringen, aber diese eilfertige und auf einen äußern Zweck gerichtete Art zu arbeiten würde mir die reine Stimmung für eine ruhige Ausführung verderben. Dazu kommt, daß selbst bei Schröders Anwesenheit einige Haupt-Rollen im Stück gar zu sehr verunglücken würden, dem ich mich lieber nicht aussetzen will. Wie Sie selbst schreiben, so sind die guten Schauspieler nur, und im glücklichsten Fall, passive Kanäle oder Referenten des Texts, und das wäre mir doch um meine zwei Piccolominis und meine Gräfin Terzky besonders leid. Ich denke daher, meinen Gang frei und ohne bestimmte Theaterrücksichten fortzusetzen und mir wo möglich die Stimmung zu bewahren. Ist der Wallenstein einmal fertig und gedruckt, so interessirt er mich nicht mehr, und alsdann kann ich auf so etwas noch eher denken.

Daß wir Sie nun bald wieder hier haben werden freut mich sehr. Es wäre wohl nicht übel, wenn wir bei Ihrem nächsten Hiersein den Homer zusammen läsen. Die schöne Stimmung nicht zu rechnen, die Ihnen das zu Ihrer Arbeit gäbe, würde es uns auch die schönste Gelegenheit zu einem Ideenwechsel darbieten, wo das wichtigste in der Poesie nothwendig zur Sprache kommen müßte. So setzten wir's alsdann künftig mit den Tragikern und andern fort.

Ich bin noch in der Stadt und werde bei dem gegenwärtigen zweifelhaften Wetter erst abwarten, eh ich ausziehe. Wenn Ihr Barometer mir etwas bestimmtes prognosticiren kann, so will ich mich darnach richten.

Meine Frau grüßt Sie aufs beste. Leben Sie recht wohl.

Sch.


457. An Schiller.

Iffland hat nun gestern mit dem Amtmann in der Aussteuer geschlossen, nachdem er mir in dem Laufe seiner Vorstellungen gar manches zu denken gegeben, das im ganzen mit dem was Sie äußern übereinstimmt. Wir werden darüber manches zu sprechen haben.

Wegen des Wallensteins weiß ich Ihnen nicht zu rathen, ob ich gleich selbst glaube daß, in Betracht Ihrer Art zu arbeiten, des Stücks so weit ich es kenne, und der äußern Umstände, Ihr Vorsatz den Sie mir äußern wohl der beste sein möchte. Niemand kann zwei Herren dienen, und unter allen Herren würde ich mir das Publikum, das im deutschen Theater sitzt, am wenigsten aussuchen. Ich habe es bei dieser Gelegenheit abermals näher kennen gelernt.

Ich habe fast keinen andern Gedanken als mich mit den Homerischen Gesängen, sobald ich zu Ihnen komme, näher zu befreunden; ein gemeinschaftliches Lesen wird die beste Einleitung sein.

Meinen Faust habe ich um ein gutes weiter gebracht. Das alte noch vorräthige höchst confuse Manuscript ist abgeschrieben und die Theile sind in abgesonderten Lagen, nach den Nummern eines ausführlichen Schemas hinter einander gelegt: nun kann ich jeden Augenblick der Stimmung nutzen, um einzelne Theile weiter auszuführen und das ganze früher oder später zusammenzustellen.

Ein sehr sonderbarer Fall erscheint dabei: Einige tragische Scenen waren in Prosa geschrieben, sie sind durch ihre Natürlichkeit und Stärke, in Verhältniß gegen das andere, ganz unerträglich. Ich suche sie deswegen gegenwärtig in Reime zu bringen, da denn die Idee, wie durch einen Flor durchscheint, die unmittelbare Wirkung des ungeheuern Stoffes aber gedämpft wird.

Leben Sie recht wohl. Von der Witterung sagen uns die guten Barometer nur immer das nächst bevorstehende; freilich sollte man glauben daß nun eine Regenzeit eintreten müsse, doch wer will das voraussagen.

Weimar am 5. Mai 1798.

 

Fichte hat mir den zweiten Theil seines Naturrechts geschickt, ich habe aus der Mitte heraus einiges gelesen und finde vieles auf eine beifallswürdige Art deducirt, doch scheinen mir praktischem Skeptiker bei manchen Stellen die empirischen Einflüsse noch stark einzuwirken. Es geht mir hier wie ich neulich von den Beobachtungen sagte: nur sämmtliche Menschen erkennen die Natur, nur sämmtliche Menschen leben das Menschliche. Ich mag mich stellen wie ich will, so sehe ich in vielen berühmten Axiomen nur die Aussprüche einer Individualität, und grade das was am allgemeinsten als wahr anerkannt wird ist gewöhnlich nur ein Vorurtheil der Masse, die unter gewissen Zeitbedingungen steht, und die man daher eben so gut als ein Individuum ansehen kann. Leben Sie wohl und lieben mein liebendes Individuum trotz allen seinen Ketzereien.

G.


458. An Goethe.

Jena den 8. Mai 1798.

Ich hab' es bei dem gestrigen unsichern Wetter gewagt, meinen Auszug in den Garten zu halten und es ist mir nach Wunsch gelungen. Nun sitze ich endlich wieder hier in meinem ländlichen Eigenthum, die Besuche haben sich aber zufällig so gehäuft, daß ich in diesen zwei Tagen mehr Geräusch erfahren habe als den ganzen Winter. Einen darunter, einen Joseph von Retzer aus Wien haben Sie vielleicht auch gesehen, denn er ist nach Weimar gereist. Ein klägliches Subject, das aber durch die Erinnerung an ein bereits vergessenes Zeitalter einigermaßen merkwürdig wird. Einen Herrn Professor Morgenstern aus Halle, der neulich hier war, haben Sie bei sich gehabt, wie mir meine Frau sagt. Dieß ist eine Woltmann ähnliche Natur, auch so kokett und elegant in seinen Begriffen, und der die philosophisch kritische Kurrentmünze ganz gut inne hat. Ein gewisser Eschen, ein Schüler von Voß, den dieser voriges Jahr an mich empfohlen, ist seinem alten Abgott und Lehrer ganz untreu geworden, und findet jetzt sehr viel an ihm zu tadeln. Das Schlegelische Haus hat diesen jungen Herrn in die Mache genommen, und ihn Voßen entführt. Ich fürchte, daß er sich bei seiner Glaubensveränderung schlecht verbessert hat. Voß hat im Sinn, seiner Luise neue Idyllen anzureihen, er scheint diesen Stoff auch für einen Faden ohne Ende zu halten, dazu möchte aber auch eine Imagination gehören die kein Ende nimmt.

Ich gratulire Ihnen zu dem fortgerückten Faust. Sobald Sie bei diesem Stoff nur erst bestimmt wissen, was noch daran zu thun ist, so ist er so gut als gemacht, denn mir schien immer das unbegrenzbare das schwierigste dabei zu sein. Ihre neuliche Bemerkung, daß die Ausführung einiger tragischen Scenen in Prosa so gewaltsam angreifend ausgefallen, bestätigt eine ältere Erfahrung die Sie bei der Mariane im Meister gemacht haben, wo gleichfalls der pure Realism in einer pathetischen Situation so heftig wirkt, und einen nicht poetischen Ernst hervorbringt; denn nach meinen Begriffen gehört es zum Wesen der Poesie, daß in ihr Ernst und Spiel immer verbunden seien.

Leben Sie recht wohl. Ich freue mich nicht wenig auf Ihr Hiersein, wo hoffe ich vieles zur Sprache kommen und sich weiter entwickeln soll.

Meine Frau grüßt Sie bestens.

Sch.


459. An Schiller.

Zu Ihrer Gartenwohnung wünsche ich Ihnen Glück, die Jahrszeit wie die Witterung ist außerordentlich schön und ich hoffe Sie bald auf Ihrem Grund und Boden zu besuchen.

Den Verlust der vergangnen Tage konnten mir nur die Ifflandischen Abende ersetzen. Es ist übrigens für unser einen mit der Gesellschaft immer eine traurige Sache, man erfährt was, aber man lernt nichts, und was wir am meisten, ja einzig brauchen: Stimmung wird nicht gegeben, vielmehr zerstört.

Lust zu einer Arbeit hat mir Iffland zurückgelassen. Er erfuhr daß ich an einem zweiten Theil der Zauberflöte gearbeitet hatte und bezeigte den Wunsch das Stück für das Berliner Theater zu besitzen, mit einiger Lebhaftigkeit, sowohl gegen mich als andere. Darüber ist mir der Gedanke wieder lebhaft geworden, ich habe die Acten wieder vorgenommen und einiges dran gethan. Im Grunde ist schon so viel geschehen daß es thörig wäre die Arbeit liegen zu lassen, und wäre es auch nur um des leidigen Vortheils willen, so verdient doch auch der eine schuldige Beherzigung, um so mehr als eine so leichte Composition zu jeder Zeit und Stunde gearbeitet werden kann, und doch noch überdieß eine Stimmung zu was besserm vorbereitet.

Herr Thouret bleibt noch immer aus, da wir schon hofften daß er mit Cotta kommen würde, und ich wünsche mich sobald als möglich zu Ihnen hinüber zu begeben, denn die Tage fliehen ungenutzt hinweg und man weiß nicht wo sie hinkommen. Bei dem vielen Zeug das ich vorhabe würde ich verzweifeln, wenn nicht die große Ordnung, in der ich meine Papiere halte, mich in den Stand setzte zu jeder Stunde überall einzugreifen, jede Stunde in ihrer Art zu nutzen und eins nach dem andern vorwärts zu schieben.

Meyer hat seine Abhandlung über die Familie der Niobe vollendet, die sehr lobenswürdig ist; ich bringe sie mit. Er ist zufrieden daß wir seine Abhandlung über die Wahl der Gegenstände, nach unserer Ueberzeugung, modificiren, und auch vielleicht in Stellung der Argumente nach unserer Art zu Werke gehen. Wir lesen sie vielleicht nochmals zusammen durch, und dann wird ihr mit wenigem geholfen sein. Er ist gegenwärtig an den Rafaelischen Werken und wird immer so weiter gehen. Ich sehe schon ein paar Bändchen in kurzem vor mir. Womit wir zum Troste des Buchhändlers diese ernsten und, nach unserm Begriff, guten Aufsätze würzen wollen, damit sie, wo nicht belohnt, doch wenigstens vergeben werden, sollen Sie erfahren wenn ich komme. Für diesmal leben Sie wohl, ich erwarte Herrn von Retzer und bin neugierig wie sich die K. K. Büchercensur in Weimar ausnehmen wird.

Leben Sie recht wohl mit Ihrer lieben Frau und den Kindern und genießen der schönen Morgen und Abende.

Weimar am 9. Mai 1798.

G.


460. An Goethe.

Jena den 11. Mai 1798.

Das Wetter hält sich noch immer gut und so erwacht auch nach und nach wieder die Neigung und die Stimmung zur Arbeit bei mir. Uebrigens aber ist die Heiterkeit des Frühjahrs der düstern Schwere eines fünften Aktes an einem Trauerspiel nicht eben förderlich, ob sie gleich im ganzen den poetischen Geist weckt, der zu allem gut ist.

Daß Sie sich durch die Oper nur nicht hindern lassen, an die Hauptsache recht ernstlich zu denken. Die Hauptsache ist zwar freilich immer das Geld, aber nur für den Realisten von der strikten Observanz. Ihnen aber, muß ich den Spruch zu Herzen führen: Trachtet nach dem was droben ist, so wird euch das übrige alles zufallen.

Wenn Sie zu der Fortsetzung der Zauberflöte keinen recht geschickten und beliebten Componisten haben, so setzen Sie sich, fürcht' ich, in Gefahr, ein undankbares Publikum zu finden; denn bei der Repräsentation selbst rettet kein Text die Oper, wenn die Musik nicht gelungen ist, vielmehr läßt man den Poeten die verfehlte Wirkung mit entgelten.

Ich bin neugierig, womit Sie die Abhandlungen für das Publicum zu würzen gedenken.

Ob es nicht anginge, daß Sie die kleinen Aufsätze über Kunst, die Sie vor acht Jahren in den Merkur eingerückt, dieser Sammlung einverleibten? Sie vermehren die Mannigfaltigkeit, machen die Masse etwas größer, und ich weiß daß sie schon damals als sie im M. erschienen, ein lebhaftes Interesse erregt haben.

Wir haben in dieser Woche auch verschiedene Divertissements, die ich zwar nur von Hörensagen kenne. Gestern gab ein junger Fränzl aus Mannheim ein Concert auf der Violine, und heut Abend wird Herr Bianchi, dessen Existenz Ihnen wohl bekannt ist, ein Intermezzo geben. Krüger, der ehemals in Weimar engagirt war, ist mit ihm associirt; sie machen erschrecklichen Wind, scheinen aber doch viel Geld einzunehmen. Wie ich höre, so hat der Herzog die Truppe, die jetzt in Eisenach ist, nach Weimar eingeladen, sobald die Theatergesellschaft von da weg sein wird. Ich wäre doch wirklich begierig auf die Ballette, die sehr gerühmt werden.

Wenn Sie auf den Sonntag oder Montag hier sein können, so denke ich sollen Sie Cotta noch treffen. Ich habe ihn zwar auf morgen erwartet, aber da er nicht geschrieben, so wird er wohl später hier sein.

Zur Geisterinsel wünsche ich viel Glück. Hier sagte mir Herr Bianchi, daß die Hauptstärke nicht im Gesang sondern im Accompagnement liege, welches freilich nicht zu loben wäre.

Leben Sie recht wohl. Meine Frau erwartet Sie, so wie ich, mit Verlangen.

Sch.


461. An Schiller.

Ihr Brief hat mich, wie Sie wünschen, bei der Ilias angetroffen, wohin ich immer lieber zurückkehre, denn man wird doch immer, gleich wie in einer Montgolfiere, über alles irdische hinausgehoben und befindet sich wahrhaft in dem Zwischenraume in welchem die Götter hin und her schwebten. Ich fahre im Schematisiren und Untersuchen fort, und glaube mich wieder einiger Hauptpässe zu meinem künftigen Unternehmen bemächtigt zu haben. Die Ausführung wäre ganz unmöglich, wenn sie sich nicht von selbst machte, so wie man keinen Acker Waizen pflanzen könnte, da man ihn doch wohl säen kann. Ich sehe mich jetzt nach dem besten Samen um und an Bereitung des Erdreichs soll es auch nicht fehlen; das übrige mag denn auf das Glück der Witterung ankommen.

Das wichtigste bei meinem gegenwärtigen Studium ist daß ich alles subjective und pathologische aus meiner Untersuchung entferne. Soll mir ein Gedicht gelingen, das sich an die Ilias einigermaßen anschließt, so muß ich den Alten auch darin folgen worin sie getadelt werden, ja ich muß mir zu eigen machen was mir selbst nicht behagt; dann nur werde ich einigermaßen sicher sein Sinn und Ton nicht ganz zu verfehlen. Mit den zwei wichtigen Punkten, dem Gebrauch des göttlichen Einflusses und der Gleichnisse, glaube ich im reinen zu sein, wegen des letzten habe ich wohl schon etwas gesagt. Mein Plan erweitert sich von innen aus und wird, wie die Kenntniß wächst, auch antiker. Ich muß nur alles aufschreiben damit mir bei der Zerstreuung nichts entfallen kann.

Die nächste Zeit die ich bei Ihnen zubringe soll alles schon weiter rücken und einige Stellen, von denen ich am meisten gewiß zu sein glaube, will ich ausführen.

Es war nicht uninteressant mich einige Tage mit der Zauberflöte abzugeben und die Arbeit, die ich vor drei Jahren angefangen hatte, wieder aufzunehmen und durchzukneten. Da ich nur handelnd denken kann, so habe ich dabei wieder recht artige Erfahrungen gemacht, die sich sowohl auf mein Subject als aufs Drama überhaupt, auf die Oper besonders und am besondersten auf das Stück beziehen. Es kann nicht schaden es endlich auch in Zeiten mittlerer Stimmung durchzuführen.

Der Herzog ist noch nicht wieder von Leipzig zurück.

Thouret ist noch nicht hier, meine Abreise bleibt also noch einige Tage ausgesetzt, lange aber werde ich nicht verweilen: denn da ich um Johanni wieder hier sein muß und diesmal wenigstens vier Wochen bei Ihnen zuzubringen wünsche, so darf ich nicht zaudern.

Krüger ist ein entsetzlicher Windbeutel. Sein Ballet soll nicht übel sein; hier zu spielen wird er schwerlich die Erlaubniß erhalten, es sei denn nur auf einige mal.

Der Edle von Netzer war eine Erscheinung die man mit Augen gesehen haben muß wenn man sie glauben soll. Hat er Ihnen denn auch sein Gedicht an Gleimen vorgelegt?

Unger hat mir beiliegende neue Schriftprobe geschickt und verlangt daß ich ihm etwas in diesem kleinen Format zu drucken geben soll. Ich weiß jetzt gar nichts und das dringendste Bedürfniß wird immer der Almanach bleiben.

Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau.

Möchten Sie doch auch Stimmung finden in Ihren Arbeiten weiter zu rücken! Ich will indeß suchen die reisefertigen Tage so gut als möglich zu benutzen.

Weimar den 12. Mai 1798.

G.


462. An Goethe.

Jena den 15. Mai 1798.

Am Himmelfahrtstag ist Cotta hier; wenn Sie bis dahin auch hier sein könnten, wär' es recht hübsch. Schreiben Sie mir, wenn Sie nicht selbst kommen, was Sie ihm in Rücksicht auf Ihre Schrift gesagt wünschen. Am besten wär' es, Sie setzten einen Preis, und er sähe dann, ob er der Mann wäre, ihn zu geben.

Die Ungerische Schriftprobe däucht mir viel zu scharf. Auf diesem Wege könnte man das Publikum bald blind machen.

In den letztern Stücken des Niethammerschen Journals werden Sie einen Aufsatz von Forberg über die Deduction der Kategorien gefunden haben, den ich Ihnen doch zu lesen empfehle. Er ist sehr gut gedacht und geschrieben.

Da Sie hoffentlich nächstens hier sind so behalte ich bis dahin eine ganz neue und unerwartete Novität zurück, die Sie sehr nahe angeht und die Ihnen viel Freude machen wird, wie ich hoffe. Vielleicht errathen Sie sie aber.

Das was Ihnen im Homer mißfällt werden Sie wohl nicht absichtlich nachahmen, aber es wird, wenn es sich in Ihre Arbeit einmischt für die Vollständigkeit der Versetzung in das Homerische Wesen und für die Aechtheit Ihrer Stimmung beweisend sein. Es ist mir beim Lesen des Sophokles mehrmals eine Art der Spielerei bei den ernsthaftesten Dialogen aufgefallen, die man einem Neueren nicht hingehen ließe. Aber den Alten kleidet sie doch, wenigstens verderbt sie die Stimmung keineswegs und hilft noch einigermaßen, dem Gemüth bei pathetischen Scenen eine gewisse Aisance und Freiheit mitzutheilen. Eine Unart scheint sie mir aber doch zu sein und also nichts weniger als Nachahmung zu verdienen.

Ich freue mich auf Meyers Niobe und bin begierig sie mit Ihrer Abhandlung über Laokoon zu vergleichen. Diesen sende ich Ihnen, da Sie ihn neulich verlangten, hier zurück.

Schlegel hör' ich hat Hoffnung hier eine Professur zu erhalten? Sein Athenäum erhielt ich eben, hab's aber noch nicht ansehen können.

Freilich hat mir der Edle von Retzer seine Verse auch zurückgelassen, die den ganzen Mann vollends fertig machen.

Paulus unterbricht mich eben. Leben Sie recht wohl.

Sch.


463. An Schiller.

Ihr Brief trifft mich wieder bei der Ilias! Das Studium derselben hat mich immer in dem Kreise von Entzückung, Hoffnung, Einsicht und Verzweiflung durchgejagt.

Ich bin mehr als jemals von der Einheit und Untheilbarkeit des Gedichts überzeugt, und es lebt überhaupt kein Mensch mehr, und wird nicht wieder geboren werden, der es zu beurtheilen im Stande wäre. Ich wenigstens finde mich allen Augenblick einmal wieder auf einem subjectiven Urtheil. So ist's andern vor uns gegangen und wird andern nach uns gehen. Indeß war mein erstes Apperçu einer Achilleis richtig und wenn ich etwas von der Art machen will und soll so muß ich dabei bleiben.

Die Ilias erscheint mir so rund und fertig, man mag sagen was man will, daß nichts dazu noch davon gethan werden kann. Das neue Gedicht das man unternähme müßte man gleichfalls zu isoliren suchen und wenn es auch, der Zeit nach, sich unmittelbar an die Ilias anschlösse.

Die Achilleis ist ein tragischer Stoff, der aber wegen einer gewissen Breite eine epische Behandlung nicht verschmäht.

Er ist durchaus sentimental und würde sich in dieser doppelten Eigenschaft zu einer modernen Arbeit qualificiren, und eine ganz realistische Behandlung würde jene beide innern Eigenschaften ins Gleichgewicht setzen. Ferner enthält der Gegenstand ein bloßes persönliches und Privatinteresse, dahingegen die Ilias das Interesse der Völker, der Welttheile, der Erde und des Himmels umschließt.

Dieses alles sei Ihnen ans Herz gelegt! Glauben Sie daß, nach diesen Eigenschaften, ein Gedicht von großem Umfang und mancher Arbeit zu unternehmen sei, so kann ich jede Stunde anfangen, denn über das Wie der Ausführung bin ich meist mit mir einig, werde aber, nach meiner alten Weise, daraus ein Geheimniß machen, bis ich die ausgeführten Stellen selbst lesen kann.

Von einer unerwartet erfreulichen Novität habe ich keine Ahnung noch Muthmaßung, doch soll sie mir ganz willkommen sein. Es ist nicht in meinem Lebensgange daß mir ein unvorbereitetes, unerharrtes und unerrungnes Gute begegne. Vor Sonntag kann ich leider nicht kommen.

Grüßen Sie Cotta schönstens und danken ihm noch für alle mir so liberal erwiesene Gefälligkeiten. Ich bin noch wegen einigem in seiner Schuld, welches abzurechnen ja wohl bald Gelegenheit sein wird.

Uebrigens gedenke ich, wegen unserer theoretisch empirischen Aufsätze, den Gang den ich neulich anzeigte zu befolgen; sobald etwa ein Alphabet, rein abgeschrieben, parat liegt wird man leicht überein kommen.

Ich will künftig so viel als möglich kein Manuscript versagen, bis es zum Abdruck fertig ist und besonders bei diesem kommt so mancherlei zusammen.

Schlegeln kann die Professur wohl nicht fehlen; der Herzog ist ihm wegen der Shakespearischen Übersetzung günstig, es ist auch schon beifällig deshalb nach Gotha communicirt.

Leben Sie recht wohl. Ich verlange herzlich Sie zu sehen und etwas bedeutendes zu arbeiten. Es wird nun bald ein Jahr daß ich nichts gethan habe und das kommt mir gar wunderlich vor. Grüßen Sie Ihre liebe Frau und erfreuen sich des schönen Wetters unter freiem Himmel.

Weimar am 16. Mai 1798.

G.


464. An Goethe.

Jena den 18. Mai 1798.

Da es wohl seine Richtigkeit hat, daß keine Ilias nach der Ilias mehr möglich ist, auch wenn es wieder einen Homer und wieder ein Griechenland gäbe, so glaube ich Ihnen nichts Besseres wünschen zu können, als daß Sie Ihre Achilleis, so wie sie jetzt in Ihrer Imagination existirt, bloß mit sich selbst vergleichen, und beim Homer bloß Stimmung suchen, ohne Ihr Geschäft mit seinem eigentlich zu vergleichen. Sie werden sich ganz gewiß Ihren Stoff so bilden, wie er sich zu Ihrer Form qualificirt und umgekehrt werden Sie die Form zu dem Stoffe nicht verfehlen. Für beides bürgt Ihnen Ihre Natur und Ihre Einsicht und Erfahrung. Die tragische und sentimentale Beschaffenheit des Stoffs werden Sie unfehlbar durch Ihren subjectiven Dichtercharacter balanciren, und sicher ist es mehr eine Tugend als ein Fehler des Stoffs, daß er den Forderungen unseres Zeitalters entgegen kommt: denn es ist eben so unmöglich als undankbar für den Dichter, wenn er seinen vaterländischen Boden ganz verlassen und sich seiner Zeit wirklich entgegensetzen soll. Ihr schöner Beruf ist, ein Zeitgenosse und Bürger beider Dichterwelten zu sein, und gerade um dieses höhern Vorzugs willen werden Sie keiner ausschließend angehören.

Uebrigens werden wir bald Gelegenheit haben, noch recht viel über diese Materie miteinander zu sprechen, denn die Novität von der ich Ihnen schrieb und worüber ich Sie nicht in eine zu große Erwartung setzen will ist ein Werk über Ihren Hermann, von Humboldt mir in Manuskript zugeschickt. Ich nenne es ein Werk, da es ein dickes Buch geben wird, und in die Materie mit größter Ausführlichkeit und Gründlichkeit eingeht. Wir wollen es, wenn es Ihnen recht ist, mit einander lesen; es wird alles zur Sprache bringen, was sich durch Raisonnement über die Gattung und die Arten der Poesie ausmachen oder ahnen läßt. Die schöne Gerechtigkeit die Ihnen darin durch einen denkenden Geist und durch ein gefühlvolles Herz erzeigt wird muß Sie freuen, so wie dieses laute und gründliche Zeugniß auch das unbestimmte Urtheil unsrer deutschen Welt leiten helfen, und den Sieg Ihrer Muse über jeden Widerstand, auch auf dem Wege des Raisonnement entscheiden und beschleunigen wird.

Ueber das was ich mit Cotta gesprochen mündlich. Was mich aber besonders von ihm zu hören freute, ist die Nachricht die er mir von der ungeheuren Ausbreitung Hermanns und Dorotheas gab. Sie haben sehr recht gehabt, zu erwarten, daß dieser Stoff für das deutsche Publicum besonders glücklich war, denn er entzückte den deutschen Leser auf seinem eigenen Grund und Boden, in dem Kreise seiner Fähigkeit und seines Interesse, und er entzückte ihn doch wirklich, welches zeigt, daß nicht der Stoff sondern die dichterische Belebung gewirkt hat. Cotta meint, Vieweg hätte eine wohlfeile schlechte Ausgabe gleich veranstalten sollen, denn er sei sicher, daß bloß in Schwaben einige tausende würden abgegangen sein.

Doch über alles ausführlicher wenn Sie kommen. Ich hoffe, dieß wird übermorgen geschehen. Leben Sie recht wohl. Meine Frau grüßt aufs beste.

Sch.


465. An Schiller.

Zu dem ersten Blatt Ihres lieben Briefes kann ich nur Amen sagen, denn es enthält die Quintessenz dessen was ich mir wohl auch zu Trost und Ermunterung zurief. Hauptsächlich entstehen diese Bedenklichkeiten aus der Furcht mich im Stoffe zu vergreifen, der entweder gar nicht, oder nicht von mir, oder nicht auf diese Weise behandelt werden sollte. Diesmal wollen wir nun alle diese Sorgen bei Seite setzen und nächstens muthiglich beginnen.

Humboldts Arbeit erwartete ich wirklich nicht und freue mich sehr darauf. Um so mehr als ich fürchtete daß uns seine Reise seinen theoretischen Beistand, wenigstens auf eine Weile, entziehen würde. Es ist kein geringer Vortheil für mich daß ich wenigstens auf der letzten Strecke meiner poetischen Laufbahn mit der Kritik in Einstimmung gerathe.

Ich sage heute früh nichts weiter indem ich noch zu guter Letzt sehr zerstreut bin.

Morgen Abend bin ich bei Ihnen und hoffe schon im Voraus auf die Fruchtbarkeit der nächsten vier Wochen. Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau.

Weimar am 19. Mai 1798.

G.


466. An Schiller.

Ich überschicke einen kurzen Aufsatz, den wir besprechen und in Abschrift an Cotta schicken könnten, ich bereite mich indessen zu dem ersten Stücke vor. Diese Sache muß in ihren ordentlichen Geschäftsgang eingeleitet sein, ehe ich an was anderes denken kann.

Zugleich erhalten Sie das Gespräch von dem ich neulich sagte, ich bin neugierig ob es Ihren Beifall erhält und ob Sie die angekündigte Fortsetzung wünschen und fordern.

Heute Mittag bin ich in Ihrer Nachbarschaft zu Gaste, alsdann komm' ich um die gestrige Lecture und Unterhaltung fortzusetzen.

Leben Sie recht wohl.

Jena den 24. Mai 1798

G.


467. An Goethe.

[Jena, 31. Mai 1798.]

Es waltet dießmal ein recht böser Geist über unsern Communicationen und Ihrer poetischen Muse. Wie sehr wünsche ich, daß Sie bald frei und ruhig zurückkehren möchten. August soll uns als Pfand Ihres baldigen Wiederkommens recht werth sein.

Leben Sie wohl und reisen glücklich. Meine Frau empfiehlt sich aufs beste.

Lassen Sie mir doch, wenn's angeht, Humboldts Werk bei Trapizius zurück.

Sch.


468. An Schiller.

Ich bitte um das Humboldtische Werk und den eisernen Stab. Heute Abend werde ich bei Loders sein, komme wohl aber doch noch vorher auf einige Stunden.

Heute früh habe ich, beim Spaziergang, einen cursorischen Vortrag meiner Farbenlehre überdacht und habe sehr viel Lust und Muth zu dessen Ausführung. Das Schellingsche Werk wird mir den großen Dienst leisten mich recht genau innerhalb meiner Sphäre zu halten.

Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau wenn sie angekommen ist.

[Jena] Den 11. Juni 1798.

G.


469. An Schiller.

Da ich mich doch noch entschließen muß zu fahren, so will ich zeitiger weg und sehe Sie also heute nicht.

Hierbei schicke ich das Fischersche Wörterbuch das seinen Zweck recht gut zu erfüllen scheint.

Hofrath Loder schickt Montags ein Paket nach Paris und ich will ihm meinen Brief, so wie etwa eine Abschrift der Euphrosyne mit beilegen. Es wäre recht schön, wenn Sie bis dahin auch mit Ihrem Schreiben zu Stande kämen.

Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau; ich bin neugierig was mir diese paar Tage bringen werden.

Jena am 21. Juni 1798.

G.


470. An Schiller.

Sobald ich mich von Jena entferne, werde ich gleich von einer andern Polarität angezogen, die mich denn wieder eine Weile fest hält. Ich hatte mehr als Eine Veranlassung nach Weimar zurückzukehren und bin nun hier um des Herzogs Ankunft zu erwarten, und wieder auf eine Weile verschiednes zu ordnen und einzulenken; indessen denke ich, daß ich heute über acht Tage wieder bei Ihnen sein werde. Da ich gar nichts bei mir habe, sondern alles in Jena zurückgeblieben ist, so mußte ich mich in meine alten Papiere zurückziehen und habe allerlei gefunden, das wenigstens als Stoff uns zunächst noch dienen kann.

Ich schicke die französische Romanze. Es war recht gut, daß ich sie nicht in der Nähe hatte, denn gewisse sehr artige Tournüren hatten mich abgehalten meinen eignen Weg zu gehen. In das andere beiliegende Manuscript mochte ich gar nicht hineinsehen, es mag ein Beispiel eines unglaublichen Vergreifens im Stoffe, und weiß Gott für was noch anders ein warnendes Beispiel sein. Ich bin recht neugierig was Sie diesem unglücklichen Producte für eine Nativität stellen.

Meine Geschäfte sind in Roßla zu meiner Zufriedenheit abgelaufen, meine Assistenten haben mir Sorge und Nachdenken erspart und ich brauchte nur zuletzt über gewisse Dinge zu entscheiden die blos vom Willen des Eigenthümers abhangen.

Mittwoch oder Donnerstag wird unser Herzog wieder kommen, aber nicht lange verweilen.

Leben Sie recht wohl und empfangen mich wo möglich mit etwas lyrischem.

Das zwölfte Stück der Horen habe ich, wie es scheint, noch nicht erhalten, ich bitte darum mit den Botenfrauen. Ich habe von Anfang her noch verschiedne einzelne Stücke, vielleicht können wir uns wechselsweise dadurch einige Exemplare completiren, mit denen man, nach dem seligen Hintritt dieser Göttinnen, noch immer jemanden einen Gefallen thut.

Grüßen Sie mir bestens Ihre liebe Frau und befinden sich zum besten in diesen Tagen die, wenn sie gleich nicht die schönsten sind, doch die Vegetation trefflich begünstigen.

Wieland war in Oberroßla sehr munter. Das Landleben macht ihm noch immer viel Freude, doch hat er's eigentlich noch nicht angetreten. Die Vorbereitungen dazu kommen mir vor wie das Collegium der Anthropologie, das manchen ehrlichen Kerl schon in die Mühseligkeiten der Medicin gelockt hat. Mich sollen will's Gott die Wiesen, sie mögen noch so schön grün sein und die Felder, sie mögen zum besten stehen, nicht auf dieses Meer locken.

Nochmals ein Lebewohl. Mittwochs sage ich wieder einige Worte.

Weimar am 24. Juni 1798.

G.


471. An Goethe

Jena den 25. Juni 1798.

Ich kann mich noch nicht recht an Ihre längere Entfernung gewöhnen und wünsche nur, daß diese nicht länger dauren möchte, als Sie jetzt meinen.

Die Briefe an Humboldt werden nun wohl eine Verzögerung erleiden, wenigstens auf den Fall, daß wir sie zusammen absenden wollten. Ich will deßwegen mit der Mittwochspost schreiben, und ihm vorläufig ein Lebenszeichen und ein Trostwort senden. In ein Detail kann ich mich dießmal nicht einlassen, besonders da ich das Manuscript nicht habe, welches in Ihrer Verwahrung ist.

Die verlangten Gedichte folgen hier.

Auch das Drama folgt zurück; ich habe es gleich gelesen und bin in der That geneigt günstiger davon zu denken, als Sie zu denken scheinen. Es erinnert an eine gute Schule ob es gleich nur ein Dilettantisches Produkt ist, und kein Kunsturtheil zuläßt. Es zeugt von einer sittlich gebildeten Seele, einem schönen und gemäßigten Sinn und von einer Vertrautheit mit guten Mustern. Wenn es nicht von weiblicher Hand ist, so erinnert es doch an eine gewisse Weiblichkeit der Empfindung, auch insofern ein Mann diese haben kann. Wenn es von vielen Longueurs und Abschweifungen, auch von einigen, zum Theil schon angestrichenen, gesuchten Redensarten befreit sein wird und wenn besonders der letzte Monolog, der einen unnatürlichen Sprung enthält, verbessert sein wird, so läßt es sich gewiß mit Interesse lesen.

Wenn ich den Autor wissen darf, so wünsche ich, Sie nennten mir ihn.

Auch die Horen folgen hier. Sehen Sie doch die zwei Idyllen darin ein wenig an. Die erste haben Sie schon im Manuscript gelesen und einige Verbesserungen darin angegeben. Diese Verbesserungen hat man darin vorgenommen und Ihr Rath ist, so weit es sich thun ließ befolgt worden.

Leben Sie recht wohl. Ich habe heute den Wallenstein aus der Hand gelegt und werde nun sehen, ob der lyrische Geist mich anwandelt.

Meine Frau grüßt Sie aufs beste.

Sch.


472. An Schiller.

Zufälligerweise, oder vielmehr weil ich voraussetzte Sie wüßten daß Elpenor von mir sei, sagte ich es nicht ausdrücklich im Briefe, nun ist es mir um so viel lieber, da dieses Product ganz rein auf Sie gewirkt hat. Es können ohngefähr sechzehn Jahre sein daß ich diese beiden Acte schrieb, nahm sie aber bald in Aversion und habe sie seit zehn Jahren gewiß nicht wieder angesehen. Ich freue mich über Ihre Klarheit und Gerechtigkeit, wie so oft schon, also auch in diesem Falle. Sie beschreiben recht eigentlich den Zustand in dem ich mich befinden mochte und die Ursache, warum das Product mir zuwider war, läßt sich nun auch denken.

Hierbei zwei kleine Gedichte von Schlegel. Er giebt zu verstehen daß sie als Manuscript anzusehen seien und allenfalls einen Platz im Almanach verdienen dürften. Vielleicht schickt es sich sie aufzunehmen, da wir noch verschiedne Gedichte an bestimmte Personen einrücken wollen.

Ueber die andern Gedichte, welche gleichfalls beiliegen, suspendire ich mein Urtheil; sie scheinen mir dergestalt auf der Grenze zu stehen daß ich nicht weiß ob sie sich zur Realität oder Nullität hinüber neigen möchten.

Desto entschiedner ist der Brief den Sie zugleich erhalten, und ein herrliches Muster einer Tollheit außer dem Tollhause. Denn das Criterium warum man einen solchen Menschen nicht einsperrt, möchte schwer anzugeben sein. Das einzige was für ihn spricht möchte die Unschädlichkeit sein und das ist er nicht, sobald er uns näher kommt. Da ich ihn aber nicht einsperren kann, so soll er wenigstens ausgesperrt werden.

Heute kommt unser Herzog. Es wird sich zeigen wie lange er hier bleibt. Nach seiner Abreise bin ich gleich wieder bei Ihnen, wenn ich vorher noch einige Tage in Roßla zugebracht habe, wo ich einiges anordnen muß.

Eine Schrift die mir gestern mitgetheilt wurde kam mir recht gelegen, sie heißt:

Versuch die Gesetze magnetischer Erscheinungen aus Sätzen der Naturmetaphysik mithin a priori zu entwickeln, von C. A. Eschenmayer. Tübingen, bei Jakob Friedrich Heerbrandt. 1798.

Ich konnte so recht in die Werkstätte des Naturphilosophen und Naturforschers hineinsehen und habe mich in meiner Qualität als Naturschauer wieder aufs neue bestätigt gefunden. Ich werde die Schrift mitbringen und wir können sie beim Aufstellen der Phänomene, von welchen Ihnen der erste Versuch noch in der Hand ist, recht gut brauchen.

Leben Sie recht wohl; ich hoffe auf den Augenblick in dem ich Sie wieder sehen werde.

Noch eins. Meyer der schönstens grüßt, ist mehr für den Titel Propyläen als für den Ihrigen. Er meint, man solle sich das Feld ja recht unbestimmt lassen, die Welt wolle es nun einmal so. Es wird darüber noch zu sprechen sein.

[Weimar am 27. Juni 1798.]

G.


473. An Goethe.

Jena den 28. Juni 1798.

Die Nachricht, daß der Elpenor von Ihnen sei, hat mich wirklich überrascht: ich weiß nicht wie es kam, daß Sie mir gar nicht dabei einfielen. Aber eben weil ich unter bekannten und wahlfähigen Namen keinen dazu wußte, so war ich sehr neugierig auf den Verfasser, denn es gehört zu denen Werken, wo man, über den Gegenstand hinweg, unmittelbar zu dem Gemüth des Hervorbringenden geführt und getrieben wird. Uebrigens ist es für die Geschichte Ihres Geistes und seiner Perioden ein schätzbares Document, das Sie ja in Ehren halten müssen.

Ich freue mich auf den Magnetischen Cursus gar sehr; in dem Fischerschen Wörterbuch habe ich grade über diesen Gegenstand wenig Trost gefunden, da dieser erste Band nicht so weit reicht. Wir wollen dann auch, wenn es Sie nicht zerstreut, über Elektricität, Galvanism und chemische Dinge uns unterhalten und wo möglich Versuche anstellen. Ich will vorläufig dasjenige darüber lesen, was Sie mir rathen und was sich bekommen läßt.

An Humboldt geht heute mein Brief ab, die Abschrift lege ich bei, so weit sie sein Werk betrifft. Da ich es nicht vor Augen hatte, und mir diese Gedankenrichtung überhaupt jetzt etwas fremd und widerstrebend ist, so habe ich nur in generalibus bleiben können. Sie werden in Ihrem Briefe für das weitere schon sorgen.

Wenn mir Schlegel noch etwas bedeutendes für den Almanach bestimmen will, so habe ich gar nichts gegen die Einrückung dieser Gelegenheitsverse. Sollen sie aber sein einziger Beitrag sein, den er nicht einmal ausdrücklich dafür schickt, so könnte es das Ansehen haben, als wenn wir nach allem griffen, was von ihm zu haben ist, und in dieser Noth sind wir nicht. Ich habe so wenig honette Behandlung von dieser Familie erfahren, daß ich mich wirklich in Acht nehmen muß, ihnen keine Gelegenheit zu geben, sich bedeutend zu machen. Denn das wenigste was ich riskirte wäre dieses, daß Frau Schlegel jedermann versicherte, ihr Mann arbeite nicht mit an dem Almanach, aber um ihn doch zu haben, hätte ich die zwei gedruckte Gedichte aufgegriffen.

Uebrigens ist das an Iffland gerichtete gar nicht übel gesagt, obgleich ich lachen mußte, daß Schlegel sich nun schon zum zweitenmal an dem Pygmalion vergreifen mußte, von dem er gar nicht loskommen kann.

Meyers Vorschlag wegen der Propyläen als Titel läßt sich schon hören. Meine Gründe dagegen wissen Sie, und wenn dadurch für die Sache was kann gewonnen werden, so kommen sie in keine Betrachtung.

Leben Sie recht wohl.

Sch.


474. An Schiller.

Ihr Schreiben an Humboldt ist zwar recht schön und gut doch wird es dem Freunde nicht ganz erquicklich sein, denn es drückt nur allzusehr aus: daß diese Arbeit nicht ganz in unsere gegenwärtigen Umstände eingreifen konnte. Sie haben einen recht wichtigen Punct berührt: die Schwierigkeit im praktischen etwas vom theoretischen zu nutzen. Ich glaube wirklich daß zwischen beiden, sobald man sie getrennt ansieht, kein Verbindungsmittel statt finde, und daß sie nur in so fern verbunden sind, als sie von Haus aus verbunden wirken, welches bei dem Genie von jeder Art statt findet.

Ich stehe gegenwärtig in eben dem Fall mit den Naturphilosophen, die von oben herunter, und mit den Naturforschern, die von unten hinauf leiten wollen. Ich wenigstens finde mein Heil nur in der Anschauung, die in der Mitte steht. Diese Tage bin ich hierüber auf eigne Gedanken gekommen die ich mittheilen will, sobald wir uns sprechen. Sie sollen, hoff ich, besonders regulativ, vortheilhaft sein und Gelegenheit geben das Feld der Physik auf eine eigne Manier geschwind zu übersehen. Wir wollen ein Kapitel nach dem andern durchgehen.

Mich verlangt recht sehr wieder bei Ihnen zu sein und mich mit solchen Dingen zu beschäftigen die ohne mich nicht existiren würden; bisher habe ich nur gethan und veranlaßt was recht gut auch ohne mich hätte werden können.

Die Cautel wegen Schlegels finde ich ganz den Verhältnissen gemäß, wir wollen nun das weitere abwarten.

Das beste was mir indessen zu Theil geworden ist möchte wohl die nähere Motivirung der ersten Gesänge des Tells sein, so wie die klarere Idee wie ich dieses Gedicht in Absicht auf Behandlung und Ton ganz von dem ersten trennen kann, wobei unser Freund Humboldt gelobt werden soll, daß er mir durch die ausführliche Darlegung der Eigenschaften des ersten das weite Feld deutlich gezeigt hat in welches hinein ich das zweite spielen kann. Ich hoffe daß Sie meine Vorsätze billigen werden.

Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau. Wahrscheinlich bin ich Mittwoch Abend wieder bei Ihnen.

Weimar am 30. Juni 1798.

G.

Hierbei das älteste was mir von Gedichten übrig geblieben ist. Völlig 30 Jahre alt.


475. An Goethe.

Jena den 11. Juli 1798.

Ich begleite die Magnetica, welche Geist abholt, mit einigen Zeilen, um Ihnen unsre herzlichste Grüße und Wünsche zu sagen. Diese Störungen sind freilich sehr fatal, aber insofern sie die poetischen Geburten bei Ihnen retardiren, so können sie vielleicht eine desto raschere und reifere Entbindung veranlassen und den Spätsommer von 96 wiederholen, der mir immer unvergeßlich bleiben wird.

Ich werde unterdessen die lyrische Stimmung in mir zu nähren und zu benutzen suchen und hoffe, wenn Sie kommen, den Anfang endlich mit einem eignen Beitrag gemacht zu haben.

Gries schickte mir so eben ein mächtig großes Gedicht aus Dresden, das mir halb so groß noch einmal so lieb wäre.

Heute wird wahrscheinlich mein Gartenhäuschen gerichtet, welches mir den Nachmittag wohl nehmen wird; denn so etwas ist für mich eine neue Erfahrung der ich nicht widerstehen kann.

Leben Sie recht wohl, bleiben Sie so kurze Zeit weg als möglich. Meine Frau grüßt aufs schönste.

Sch.


476. An Goethe.

Jena den 13. Juli 1798.

Seit gestern und heute bin ich durch meine Krämpfe, die sich wieder geregt und mir den Schlaf geraubt haben, ganz in Unthätigkeit gesetzt worden und kann Ihnen dießmal auch nur einen Gruß sagen. Dafür sende ich das Gedicht von Gries, ob Sie diesem Produkt vielleicht etwas abgewinnen können. Sonst hat sich noch ein leidlicher Mensch gemeldet, von dem ich allenfalls etwas aufnehmen kann.

Ich sehne mich sehr nach Ihrer Zurückkunft. Es ist mir und meiner Frau ganz ungewohnt, daß wir so lange nichts von Ihnen hörten. Leben Sie recht wohl. Nächstens mehr.

Sch.


477. An Schiller.

Diese Tage scheinen also uns beiden nicht die günstigsten gewesen zu sein, denn seit ich von Ihnen weg bin hat mich der böse Engel der Empirie anhaltend mit Fäusten geschlagen. Doch habe ich, ihm zu Trutz und Schmach, ein Schema aufgestellt worin ich jene Naturwirkungen, die sich auf eine Dualität zu beziehen scheinen, parallelisire und zwar in folgender Ordnung:

Magnetische,
elektrische,
galvanische,
chromatische und
sonore.

Ich werde des Geruchs und Geschmacks nach Ihrem Wunsche nicht vergessen. Die Resultate mögen sein welche sie wollen, so ist diese Methode äußerst bequem um die Fragen zu finden die man zu thun hat.

Die gegossenen eisernen Körper sind auch von Ilmenau angekommen. Die Experimente, um derenwillen ich sie gießen ließ, sind ausgefallen wie ich's dachte; aber ein Paar neue Phänomene, an die ich nicht denken konnte, und die sehr merkwürdig sind, haben sich gezeigt.

Das Gedicht folgt hier wieder zurück, das eine ganz eigne Art von Nullität hat. Die jungen Herrn lernen Verse machen so wie man Düten macht: wenn sie uns nur aber auch darin einiges Gewürz überreichten! Ob es für den Almanach sei weiß ich nicht. Es käme dünkt mich darauf an ob Sie Platz haben, denn das Publikum, besonders das weibliche, liebt solche hohle Gefäße, um sein bischen Herz und Geist darein spenden zu können.

Der Riß zum neuen Theater ist nun bestimmt, ja sogar auf dem Fußboden schon aufgezeichnet und nächste Woche wird wohl angefangen werden. Der Gedanke ist sehr artig und anständig und wenn das Ganze zusammen ist wird es gewiß gefallen. Es gehen etwa zweihundert Menschen mehr hinein als bisher und wird doch bei weniger zahlreichen Repräsentationen nicht leer aussehen. Ich denke auch wir wollen zur rechten Zeit noch fertig werden.

Ich will nun alles möglichst zu ordnen und einzuleiten suchen und sobald als möglich wieder zu Ihnen hinüber kommen, denn mich verlangt gar sehr auf dem Wege den wir einmal eingeschlagen haben mit Ihnen fortzuschreiten. Leben Sie recht wohl, grüßen Ihre liebe Frau und gedenken mein.

Weimar am 14. Juli 1798.

G.


478. An Schiller.

Ich habe endlich, obgleich in großer Zerstreuung, meinen Brief an Freund Humboldt und die Elegie copiren lassen; und da ich eben den besten Willen habe das Paketchen fortzuschicken, fehlt mir die Adresse. Haben Sie doch ja die Güte mir dieselbe bald möglichst zu überschicken.

Der Plan zur Decoration des Theatersaals ist nun regulirt, morgen geht die Arbeit selbst los. Wenn es beisammen ist wird es recht artig aussehen und bequem sein, mich aber wird es große Aufopferungen kosten, denn das nächste Vierteljahr, wenn es mir auch nicht ganz verloren geht, wird durch dieses Unternehmen doch sehr zerstückt.

Ich will die erste Sendung des neuen Werkes an Cotta indessen hier redigiren und sie alsdann zu Ihnen hinüberbringen, um Ihr Urtheil zu hören. Da alles schon fertig ist und hie und da nur etwas zurecht gerückt werden muß, so kann ich in vierzehn Tagen weit kommen.

Mein Schema, wovon ich Ihnen Sonnabend schrieb, macht mir recht guten Humor, indem ich dadurch in der kurzen Zeit schon manche nähere Wege gewonnen habe. Am Ende kommt's vielleicht gar aufs Alte heraus, daß wir nur wenig wissen können und daß blos die Frage ist ob wir es gut wissen. Uebrigens bin ich in einer Stimmung daß ich fürchtete die Musen niemals wieder zu sehen, wenn man nicht aus der Erfahrung wüßte daß diese gutherzigen Mädchen selbst das Stündchen abpassen, um ihren Freunden mit immer gleicher Liebe zu begegnen.

Leben Sie recht wohl; ich will sehen was ich jedem einzelnen Tage abstehlen kann, das mag denn Masse machen, wenn es kein Ganzes macht. Grüßen Sie mir Ihre liebe Frau und schreiben mir wenn der Mangold aufgeht, so wie ich auch zu hören wünsche ob das Gartenhäuschen glücklich gerichtet ist.

Weimar am 15. Juli 1798.

G.


479. An Goethe.

Jena den 16. Juli 1798.

Humboldts Adresse folgt hier. Es ist ein eigener Zufall daß auch Sie dieses kritische Geschäft in einer gewissen Zerstreuung abthun müssen, nachdem ich mit dem besten Willen gleichfalls nicht die ganze Aufmerksamkeit darauf wenden konnte.

Ich bin leider mit meinen Krämpfen noch immer geplagt und die Unordnung im Schlafen verderbt mir jede Stimmung zur Arbeit. Da ich in diesen Tagen ohnehin mehrere Zerstreuungen habe, so ist der Zeitverlust weniger groß.

Ich bin begierig über Ihre mit den großen eisernen Massen und dem Magnet neu gemachten Entdeckungen. Wenn Ihnen das nächste Vierteljahr nothwendig so zerstückelt werden soll, so wird das poetische freilich zu kurz kommen, dafür aber können Sie in diesen physischen Dingen desto weiter kommen, welches auch nicht schlimm ist.

Unter Ihren fünf Fächern in die Sie die dualistischen Erscheinungen ordnen, vermisse ich die chemischen, oder lassen sich diese nicht unter jenes Princip bringen? – Diese Methode wird, bei der gehörigen Wachsamkeit und Unterscheidung, am besten kund thun, ob alle Glieder derselben einander coordinirt oder eins dem andern subordinirt ist.

Zu der Verbesserung im Theater gratulire ich. Wollte Gott wir könnten dieser äußern Reforme auch mit einer innern im dramatischen Wesen selbst entgegen kommen. Mein Schwager der gestern hier war, rühmt die Anlage auch sehr; er meinte aber, daß man über die Festigkeit nicht ganz sicher wäre.

Mein Häuschen ist gerichtet, aber jetzt sieht man erst, wie viel noch geschehen muß, eh man darin wohnen kann. Es gewährt eine recht hübsche Aussicht besonders nach dem Mühlthal.

Der Mangold kömmt schon hervor.

Leben Sie recht wohl. Meine Frau wie auch meine Schwiegermutter empfehlen sich Ihnen.

S.

Citoyen Humboldt, rue Verneuil Faubourg St. Germain vis à vis la rue Ste. Marie Nro. 824.


480. An Schiller.

Ich habe heute keinen Brief von Ihnen erhalten, doch hoffe ich daß es kein Zeichen eines schlimmen Befindens sein soll.

Mit unserer Theateranlage geht es lebhaft fort, sie wird gewiß artig und gewiß auch fest. Es scheint ein unverbrüchliches Naturgesetz zu sein: daß sich jeder Thätigkeit eine Negation entgegen setzt. Man wünschte so lange eine bessere Einrichtung und jetzt, da die Anstalten dazu gemacht sind werden Zweifel erregt und herumgetragen, um die Menschen, die wenigstens künftig bequem sitzen werden, durch eine Sorge für ihre Hälse zu incommodiren. Da es aber nur ein altes Mährchen ist das sich repetirt so kann man es wohl geschehen lassen.

Möchten Sie mir wohl

meine zwei Fascikel Reiseacten,
den Aufsatz über den Magneten,
den ältern Aufsatz über die Cautelen des Beobachters,

wenn Sie ihn finden können, nächsten Freitag herüber schicken. Es geht mit den Aufsätzen zur Zeitschrift ganz gut und muß besser gehen wenn sie einmal im Gange ist. Die Hauptschwierigkeit bei der Redaction ist von Anfang daß man die allgemeinen Zwecke immer im Auge habe und bei allem fragmentarischen Wesen auf ein Ganzes hindenke.

Indessen kommen zwischen mir und Meyer sehr interessante Puncte zur Sprache, und man wird künftig mehr Freude an einzelnen oft kurzen Aufsätzen haben, weil man sie gleich wieder brauchen und mittheilen kann, ohne an strenge Verknüpfung zu denken.

Wenn Sie es nur möglich machen können vor Ende des Jahres auch noch etwas beizutragen.

Diese Woche will ich hier noch thun was möglich ist, vielleicht kann ich die andere wieder zu Ihnen hinüber, denn ich finde hier kaum Stimmung zu ein paar leidlichen prosaischen Perioden. Leben Sie indessen recht wohl, grüßen Sie Ihre liebe Frau und schaffen daß das artige Gartenhäuschen bis zu meiner Ankunft wohnbar sei.

Weimar am 18. Juli 1798.

G.


481. An Goethe.

Jena den 20. Juli 1798.

Mit dem bessern Wetter finde ich mich auch wieder besser und thätiger, und nach und nach scheint es auch zu einer lyrischen Stimmung bei mir kommen zu wollen. Ich habe bemerkt, daß diese unter allen am wenigsten dem Willen gehorcht, weil sie gleichsam körperlos ist, und wegen Ermangelung eines materiellen Anhalts nur im Gemüthe sich gründet. In den vorigen Wochen habe ich eher Abneigung als Lust dazu empfunden, und bin aus Unmuth auf einige Tage zum Wallenstein zurückgekehrt, der aber jetzt wieder weggelegt wird.

Würden Sie es schicklich finden einen Hymnus in Distichen zu verfertigen? oder ein, in Distichen verfertigtes Gedicht worin ein gewisser hymnischer Schwung ist, einen Hymnus zu nennen?

In Ihrem theatralischen Bauwesen werden Sie sich durch die Bedenklichkeitskrämer nicht irre machen lassen. Ich berührte jenes Dubium auch bloß deßwegen, weil mir gesagt wurde, daß Thouret selbst sich so geäußert habe.

Mein Bau geht nicht so lebhaft fort; es ist sehr schwer jetzt in der Aernte die hier schon zum Theil angefangen Arbeiter zu bekommen, welche mir zu Verfertigung eines Strohdachs und zum Ausstaken der Wände nöthig sind. Heute habe ich endlich den Trost, das Häuschen unter Dach bringen zu sehen. Diese Arbeiten ziehen mich öfters als nöthig ist vom Geschäft ab.

Der Almanach ist nun in die Druckerei gegeben, und Sie werden bei Ihrer Ankunft schon von Ihrer Euphrosyne bewillkommt werden, welche den Reihen würdig beginnt. Ich will hoffen, daß uns Guttenberg nicht über die Gebühr aufhalten wird, denn der Almanach wird in der ersten Woche Septembers im Druck fertig, zu welcher Zeit ich also auch Decke und Titelkupfer brauchte.

Ich habe in diesen Tagen Erzählungen von der Madame Staël gelesen, welche diese gespannte, raisonnirende, und dabei völlig unpoetische Natur, oder vielmehr diese verstandesreiche Unnatur sehr charakteristisch darstellen. Man wird bei dieser Lectüre recht fühlbar verstimmt und es begegnete mir dabei dasselbe, was Sie beim Lesen solcher Schriften zu erleiden pflegen, nämlich daß man ganz die Stimmung der Schriftstellerin annimmt, und sich herzlich schlecht dabei befindet. Es fehlt dieser Person an jeder schönen Weiblichkeit, dagegen sind die Fehler des Buchs vollkommen weibliche Fehler. Sie tritt aus ihrem Geschlecht ohne sich darüber zu erheben. Indessen bin ich auch in dieser kleinen Schrift auf einzelne recht hübsche Reflexionen gestoßen, woran es ihr nie fehlt, und die ihren durchdringenden Blick über das Leben verrathen.

Leben Sie recht wohl. Ich werde eben durch die Ankunft von zwei Preußischen Uniformen unterbrochen, die zwei Brüder meines Schwagers die ihren Urlaub in Weimar zubringen werden.

Meine Frau und Schwiegermutter empfehlen sich bestens.

Sch.


482. An Schiller.

Es ist mein recht herzlicher Wunsch daß sich die Stimmung zu einer poetischen Arbeit recht bald wieder bei Ihnen finden möchte. Leider ist Ihre Lage im Garten von einer Seite so ungünstig als sie von der andern günstig ist, besonders da Sie sich mit dem Bauen eingelassen haben. Ich kenne leider aus frühern Zeiten diese wunderbare Ableitung nur allzusehr, und habe unglaublich viel Zeit dadurch verdorben. Die mechanische Beschäftigung der Menschen, das handwerksmäßige Entstehen eines neuen Gegenstandes, unterhält uns angenehm, indem unsere Thätigkeit dabei Null wird. Es ist beinahe wie das Tabakrauchen. Eigentlich sollte man mit uns Poeten verfahren wie die Herzoge von Sachsen mit Luthern, uns auf der Straße wegnehmen und auf ein Bergschloß sperren. Ich wünschte man machte diese Operation gleich mit mir und bis Michael sollte mein Tell fertig sein.

Da das elegische Sylbenmaß sich nach allen Seiten hin bewegen läßt, so zweifle ich gar nicht an einem glücklichen Erfolge einer lyrischen Behandlung. Ich erinnere mich schon selbst, in früherer Zeit, eine ähnliche Intention gehabt zu haben.

Aus der Beilage sehen Sie daß unser erster anaglyphischer Versuch gut genug gerathen ist; der Abdruck ist nur aus freier Hand gemacht; wo das Kreuzchen steht ist er am besten gerathen und Sie werden leicht sehen daß sich diese Arbeit sehr hoch treiben läßt. Der Einfall macht mir viel Spaß. Facius ist gerade der Mann um so was auszuführen und unser Meyer, indem er weiß was sich in dieser beschränkten Art thun läßt, wird durch seine Zeichnung das Unternehmen heben. Wir wollen zum Almanach eine ähnliche, jedoch sehr reiche Decke besorgen, sie soll alsdann auf farbig Papier abgedruckt und mit harmonirenden Farben illuminirt werden. Das alles zusammen wird nicht theurer zu stehen kommen als eine Kupferdecke mit Stich und schwarzem Abdruck. Ich bin überzeugt daß, wenn es einmal im Gange ist, so muß es, besonders da nun viele Bücher geheftet ausgegeben werden, sich als Deckenzierrath sehr weit verbreiten.

Uebrigens habe ich mich diese Zeit mit Redaction meiner eignen und der Meyerschen Aufsätze beschäftigt. In acht Tagen wird das erste Manuscript abgehen; indem ich mich daran halte so wird zugleich das nächste Stück fertig und ich sehe von dieser Seite einen weiten Raum vor mir.

Diese Tage habe ich mehrere Stunden mit Herrn von Marum zugebracht. Es ist eine gar eigne, gute und verständige Natur. Er hat sich viel mit Electricität abgegeben; ich wünschte daß er länger hier bleiben könnte, so würde man auch mit diesem Theil geschwind zu Rande sein; er empfahl mir den dritten Theil seiner Schriften, in welchem die neusten Resultate dieses wichtigen Kapitels der Naturlehre aufgezeichnet seien.

Eins will ich nicht leugnen daß mich indessen die Redaction der Meyerschen Arbeiten unglücklich macht. Diese reine Beschreibung und Darstellung, dieses genaue und dabei so schön empfundene Urtheil fordert den Leser unwiderstehlich zum Anschauen auf. Indem ich diese Tage den Aufsatz über die Familie der Niobe durchging, hätte ich mögen anspannen lassen um nach Florenz zu fahren.

Die Romane der Frau von Staël kenne ich, es sind wunderliche passionirt gedachte Productionen.

Ich war diese Tage mit Meyern in einer kleinen Differenz über die wir uns noch nicht ganz ausgesprochen haben; er behauptete, daß sogar das genialisch naive in einem gewissen Sinne durch Schule überliefert werden könne, und er mag wohl recht haben wenn man den Ausdruck nur so motivirt: daß die Aufmerksamkeit des Künstlers von frühen Jahren an auf den Werth desselben in der bildenden Kunst gerichtet werden könne und solle. Sonderbar scheint es freilich daß in unserer Zeit sogar die Idee davon völlig verloren gegangen ist, wie aus dem neulichen Vorschlag Danneckers zu einem Basrelief erhellet und wie uns in Gesprächen mit Thouret, welcher der Repräsentant einer großen Masse ist, indem er Künstler und Publikum zugleich vorstellt, aufs neue so sehr aufgefallen ist. Sein Jahrhundert kann man nicht verändern, aber man kann sich dagegen stellen und glückliche Wirkungen vorbereiten. Einer meiner nächsten Aufsätze soll den Titel führen: über die Hindernisse, die dem modernen Künstler im Wege stehen vom gestaltlosen zur Gestalt zu gelangen. – Der Raum läßt mir nur noch ein Lebewohl zu.

Weimar am 21. Juli 1798.

G.


483. An Goethe.

Jena den 23. Juli 1798.

Ihr erster anaglyphischer Versuch läßt viel Gutes von dieser Unternehmung erwarten. Ich hatte anfangs nur den kleinen Anstand ob das Ganze nicht einen zu sehr zusammengestückelten Anblick geben wird, so wie die gedruckten Musiknoten. Vielleicht aber habe ich Ihre Idee nicht ganz gefaßt und es kann alles wie aus Einem Stück gemacht erscheinen.

Ich habe, weil der Druck des Almanachs jetzt angefangen ist, Ihr Poeten-Gedicht taufen müssen, und finde gerade keinen passendern Titel als: Sängerwürde, der die Ironie versteckt, und doch die Satyre für den Kundigen ausdrückt. Wünschen Sie oder wissen Sie gleich einen bessern, so bitte, es mir morgen zu melden, weil ich das Gedicht bald in die Druckerei geben möchte.

In Ihrem Streit mit Meyern scheint mir dieser ganz recht zu haben. Ob sich gleich das schöne naive in keine Formel fassen und folglich auch in keiner solchen überliefern läßt, so ist es doch seinem Wesen nach dem Menschen natürlich; da die entgegengesetzte sentimentale Stimmung ihm nicht natürlich, sondern eine Unart ist. Indem also die Schule diese Unart abhält oder corrigirt und über den natürlichen Zustand wacht, welches sich recht wohl denken läßt, so muß sie den naiven Geist nähren und fortpflanzen können. Die Natur wird das Naive in jedem Individuum, der Art, wenn gleich nicht dem Gehalt nach, hervorbringen und nähren, sobald nur alles weggeräumt wird, was sie stört; ist aber Sentimentalität schon da, so wird die Schule wohl nicht viel thun können. Ich kann nicht anders glauben als daß der naive Geist, welchen alle Kunstwerke aus einer gewissen Periode des Alterthums gemeinschaftlich zeigen, die Wirkung, und folglich auch der Beweis für die Wirksamkeit der Ueberlieferung durch Lehre und Muster ist.

Nun wäre aber die Frage, was sich in einer Zeit wie die unsrige von einer Schule für die Kunst erwarten ließe. Jene alten Schulen waren Erziehungsschulen für Zöglinge, die neuern müßten Correctionshäuser für Züchtlinge sein, und sich dabei, wegen Armuth des produktiven Genies, mehr kritisch als schöpferisch bildend beweisen. Indessen ist keine Frage daß schon viel gewonnen würde, wenn sich irgendwo ein fester Punkt fände oder machte, um welchen sich das Uebereinstimmende versammelte; wenn in diesem Vereinigungspunkt festgesetzt würde was für kanonisch gelten kann und was verwerflich ist, und wenn gewisse Wahrheiten, die regulativ für die Künstler sind, in runden und gediegenen Formeln ausgesprochen und überliefert würden. So entstünden gewisse symbolische Bücher für Poesie und Kunst, zu denen man sich bekennen müßte und ich sehe nicht ein, warum der Sektengeist der sich für das Schlechte sogleich zu regen pflegt, nicht auch für das Gute geweckt werden könnte. Wenigstens scheint mir's, es ließe sich eben so viel zum Vortheil einer ästhetischen Confession und Gemeinheit anführen, als zum Nachtheil einer philosophischen.

Ich habe heute Ritters Schrift über den Galvanism in die Hand bekommen, aber obgleich viel Gutes darin ist, so hat mich die schwerfällige Art des Vortrags doch nicht befriedigt und auf eine Unterhaltung mit Ihnen über diese Materie nur desto begieriger gemacht.

Was sagen Sie zu dem neuen Schlegelischen Athenäum, und besonders zu den Fragmenten? Mir macht diese naseweise, entscheidende, schneidende und einseitige Manier physisch wehe.

Leben Sie recht wohl und kommen bald herüber. Meine Frau und Schwiegermutter empfehlen sich Ihnen bestens.

Sch.


484. An Schiller.

Mit Ihrer Ausgleichung der Differenz zwischen Meyer und mir bin ich sehr wohl zufrieden. Sie erlauben daß ich gelegentlich, wenn ich an diese Materie komme, mich Ihrer Worte bescheidentlich bediene.

Heute geht endlich der erste Transport an Cotta ab. Gern hätte ich das Manuscript Ihnen nochmals zugesendet, indessen ist es mit Meyern, als wie in Ihrer Gegenwart, nochmals durchgegangen worden. Das wenige was über plastische und architektonische Reste der Etrurier gesagt werden kann, werden Sie etwa Sonnabends erhalten. Das ganze erste Stück wird in kurzem beisammen sein und die andern werden sogleich fertig, indem das fertige einen productiven Einfluß auf das folgende zeigt.

Des schon bearbeiteten Stoffs liegt eine große Masse bereit und der zu bearbeitende ist unendlich.

Der Titel Sängerwürde übertrifft an Vortrefflichkeit alle meine Hoffnungen. Möge ich das edle Werk doch bald gedruckt sehen. Ich habe niemanden weiter etwas davon gesagt.

Ritters Vortrag ist freilich dunkel und für den der sich von der Sache unterrichten will nicht angenehm. Er befindet sich gegenwärtig in Belvedere bei Scherer und ich habe nun doppelte Ursache auf den ganzen Kreis der Versuche Acht zu geben, da mein Zweck dabei sein muß Sie bequemer damit bekannt zu machen.

Das Schlegelsche Ingrediens in seiner ganzen Individualität scheint mir denn doch in der Olla potrida unsers deutschen Journalwesens nicht zu verachten. Diese allgemeine Nichtigkeit, Parteisucht fürs äußerst mittelmäßige, diese Augendienerei, diese Katzenbuckelgebärden, diese Leerheit und Lahmheit in der die wenigen guten Producte sich verlieren, hat an einem solchen Wespenneste wie die Fragmente sind einen fürchterlichen Gegner. Auch ist Freund Ubique, der das erste Exemplar erhielt, schon geschäftig herumgegangen um durch einzelne vorgelesene Stellen das Ganze zu discreditiren. Bei allem was Ihnen daran mit Recht mißfällt kann man denn doch den Verfassern einen gewissen Ernst, eine gewisse Tiefe und von der andern Seite Liberalität nicht ableugnen. Ein Dutzend solcher Stücke wird zeigen wie reich und wie perfectibel sie sind.

Wilhelm schickt mir beiliegendes Gedicht für den Almanach, welches ich aber keinesweges empfehlen, ja nicht einmal vertheidigen will. An der Legende selbst ist schon nicht viel. Denn daß ein Sultan ein Mädchen verschenkt, will wohl eigentlich nichts heißen. Ferner sind dem Gegenstande nicht einmal die artigen Motive, die man daraus herleiten könnte, abgewonnen. Der Vortrag ist nicht durchsichtig und klar und was sich sonst noch zu Ungunsten der Arbeit sagen ließe. Genau besehen ist's wieder ein Pygmalion, wobei sich das falsche Streben abermals zeigt die Angelegenheiten der bildenden Kunst poetisch zu behandeln. Ich will ihm einige freundliche Einwendungen dagegen machen und ihm rathen nochmals Hand daran zu legen, dadurch wird wenigstens interloquirt.

Leider hat er auch ein Gedicht auf die Huldigung des Königs drucken lassen, welches keineswegs glücklich ist, mir aber doch gestern zu einem humoristischen Gespräch Gelegenheit gab, worin ich es gegen jene Partei vertheidigte welche durch den gestiefelten Kater gekrallt worden.

Die anaglyphischen Versuche rücken recht schön zu. Ein Kauz auf einer Leier, der die Rückseite des Almanachs zieren soll, wird von Freund Meyer nach der Natur gezeichnet und sorgfältig nachgebildet werden, um zu zeigen was man auch in diesem Fache sich von der neuen Manier versprechen könne.

Leben Sie recht wohl. Empfehlen Sie mich den Ihrigen. Alle Tage erliege ich schier der Versuchung wieder zu Ihnen zu kommen, doch der strömende Lauf unserer kleinen Unternehmungen hält mich jedesmal ab. In vierzehn Tagen soll das innere Gerippe unserer neuen Theatereinrichtung schon stehen; die kannelirten Säulen sind unter der Condition verdingt daß sie den 7ten August zur Stelle geliefert werden und was der Späße mehr sind. Thouret und Heideloff malten am Vorhange. Schaffen Sie uns nur jetzt noch den Wallenstein zur Stelle.

Nochmals ein Lebewohl.

Weimar am 25. Juli 1798.

G.


485. An Goethe.

Jena den 27. Juli 1798.

Mein Brief an Humboldt ist ungewöhnlich schnell gelaufen und so auch seine Antwort, die ich Ihnen hier beilege. Er ist wie Sie finden werden ganz wohl damit zufrieden gewesen. Freilich kommt mir die Durchsicht seines Werks, die er jetzt noch von mir erwartet, etwas ungelegen, und das Corrigiren in fremden Arbeiten ist eine eben so undankbare als schwierige Arbeit. Neugierig bin ich, was die eigentlich kritische Welt, besonders die Schlegelsche zu diesem Humboldtischen Buche sagen wird.

Einen gewissen Ernst und ein tieferes Eindringen in die Sachen kann ich den beiden Schlegeln, und dem jüngern insbesondere nicht absprechen. Aber diese Tugend ist mit so vielen egoistischen und widerwärtigen Ingredienzien vermischt, daß sie sehr viel von ihrem Werth und Nutzen verliert. Auch gestehe ich, daß ich in den ästhetischen Urtheilen dieser beiden eine solche Dürre, Trockenheit und sachlose Wortstrenge finde, daß ich oft zweifelhaft bin, ob sie wirklich auch zuweilen einen Gegenstand darunter denken. Die eignen poetischen Arbeiten des ältern bestätigen mir meinen Verdacht, denn es ist mir absolut unbegreiflich, wie dasselbe Individuum, das Ihren Genius wirklich faßt und Ihren Hermann z. B. wirklich fühlt, die ganz antipodische Natur seiner eignen Werke, diese dürre und herzlose Kälte auch nur ertragen, ich will nicht sagen, schön finden kann. Wenn das Publicum eine glückliche Stimmung für das Gute und Rechte in der Poesie bekommen kann, so wird die Art wie diese beiden es treiben, jene Epoche eher verzögern als beschleunigen; denn diese Manier erregt weder Neigung noch Vertrauen noch Respekt, wenn sie auch bei den Schwätzern und Schreiern Furcht erregt, und die Blößen, welche die Herren sich, in ihrer einseitigen und übertreibenden Art, geben, wirft auf die gute Sache selbst einen fast lächerlichen Schein.

Kant hat zwei Sendschreiben an Nicolai über die Buchmacherei drucken lassen, worin er ihm einige derbe Dinge sagt und ihn sehr verächtlich abfertigt. Vielleicht kann ich das Schriftchen heute noch bekommen und beilegen.

Leben Sie wohl für heute. Ich habe große Familiengesellschaft von Weimar und Rudolstadt im Hause. – Meine Frau grüßt schönstens.

Sch.

N. S.

Den Humboldtischen Brief und das Schriftchen von Kant sind Sie wohl so gütig, der Botenfrau wieder mitzugeben.


486. An Schiller.

Ihr Brief ist mir heute spät zugekommen. Schärfen Sie doch der Botenfrau ein daß sie die Briefe gleich selbst bringt. Diese Leute machen sich's manchmal bequem und geben die Sachen an kleine Knaben, die sich im Herumtragen verspäten.

Kants Zurechtweisung des Saalbaders ist recht artig. Es gefällt mir an dem alten Manne daß er seine Grundsätze immer wiederholen und bei jeder Gelegenheit auf denselben Fleck schlagen mag. Der jüngere, praktische Mensch thut wohl von seinen Gegnern keine Notiz zu nehmen, der ältere, theoretische muß niemanden ein ungeschicktes Wort passiren lassen. Wir wollen es künftig auch so halten.

Es freut mich herzlich daß Humboldt Ihren Brief so gut aufgenommen hat. Sein Ernst, sein Talent, sein Streben, sein guter Wille, seine Neigung, seine Freundschaft verdienen eine redliche und freundliche Erwiederung. Er wird nun auch meinen Brief mit der Euphrosyne bald erhalten. Aufrichtig aber will ich gestehen daß ich nicht sehe wie es möglich sein soll eine Revision seiner Arbeit, wie er sie vorschlägt, zu veranstalten. Denn wenn Sie, nach Ihrer Vorstellung, daran zu rücken anfangen, so wird ja das Gebäude mehr geregt, als daß es in allen seinen Fugen bleiben könnte. Nach meiner Vorstellungsart ließe sich so etwas kaum durch Gegenwart und Gespräch leisten.

Was noch allenfalls zu Gunsten der Schlegel zu sagen wäre wollen wir auf eine mündliche Unterhaltung versparen. Ich wünsche die Fragmente eigens mit Ihnen durchzugehen; als Veranlassung zum interessanten Gespräch werden sie gewiß sehr dienen, selbst indem sie zum Widerspruch aufregen. Wie glücklich würde ich mich finden wenn ich schon wieder in Ihrer Nähe wäre.

An Cotta ist die erste Sendung fort, hierbei theile ich die zweite mit und wünsche sie auf den Mittwoch wieder zu erhalten. Zeigen Sie mir ja an was Sie über den Stoff und über den Vortrag denken.

Die Einleitung vom ersten Stück wird auch nicht lange außen bleiben; sie scheint mir ein klein wenig zu feierlich, doch ist es ja wie Freund Humboldt sagt der deutsche Charakter und die Sache selbst ist wenn man sie näher besieht, ernsthaft genug. Man muß nachher im einzelnen wo sich's schickt desto muntrer und durchaus natürlich heiter sein.

In der Anzeige der neuen Anaglyphik gebe ich ein Beispiel wie man wohl sogar jedes mechanisch einzelne an das allgemeine der geistigen Kunst immer künftig anschließen sollte.

Ich mache auch schon das zweite Stück zurecht und hoffe bald bis ins dritte und vierte vorgearbeitet zu haben und wenigstens zum Theil die reinlichen Abschriften vor mir liegen zu sehen. Was mich freut, das ist gerade hieran eine Arbeit zu finden die ich recht bequem in Weimar machen kann.

Ich wünsche bald zu hören daß Ihr Antheil zum Almanach im Wachsen ist. Vielleicht schicke ich auch noch was. Senden Sie mir doch gleich den ersten gedruckten Bogen.

Weimar am 28. Juli 1798.

G.


487. An Goethe.

Jena den 31. Juli 1798.

Der Aufsatz über die plastische Kunst der Hetrurier ist durch seine strenge und nüchterne Wahrheit zwar ein wenig mager, aber das darf der Arbeit selbst nicht zum Vorwurfe gereichen. Derjenige wird immer trocken erscheinen, der ein beliebtes Vorurtheil in seiner Blöße darstellt, und die Einbildungskraft in strenge Sachgrenzen zurückweist. Mich freute dieser Aufsatz weil ich einen klaren und genugthuenden Begriff von dem Gegenstand bekam, über welchem mir immer ein Dunkel gelegen hatte. Einige schwerfällige Perioden, z. B. gleich der erste, würden wohl noch verbessert werden können.

Es ist ein sehr guter Gedanke vom alten Meister gewesen die Dürftigkeit des Stoffs, bei dem zweiten Briefe, auf eine so anmuthige Art, wie er gethan hat, zu verstecken, wodurch dieser, an Sachen viel ärmere, zweite Brief noch sogar unterhaltender als der erste wird, bei dem man viel mehr lernt. Beide sind, jeder auf seine Weise, sehr zweckmäßige Beiträge zu der Sammlung.

Vor der Feierlichkeit, die in Ihrer Einleitung herrschen wird, ist mir nicht bange, denn was Sie feierlich nennen und was es auch ist, möchte dem deutschen Publikum im Ganzen es noch nicht sein und bloß als ernstlich und gründlich erscheinen. Diese Einleitung erwarte ich mit großer Begierde.

Zum Almanach sind wieder einige nicht unbrauchbare Beiträge gekommen, aber die gehörige Zahl ist noch immer nicht beisammen, wenn ich auch gleich meinen möglichen Antheil auf etliche und zwanzig Blätter rechne. Zwar erhielt ich gestern auf einmal und von einem einzelnen freiheitlichen Autor so viel Gedichte zugeschickt, um mehr als den halben Almanach damit zu füllen, aber, den Unwerth abgerechnet, unter der tollen Bedingung daß die ganze Suite abgedruckt werden sollte, wobei gegen fünfzig Seiten Gelegenheitsgedichte befindlich waren.

Ich selbst bin dieser Tage in einer ganz guten Stimmung zur Arbeit gewesen. Etwas ist auch fertig geworden und ein anderes auf dem Wege, es zu werden.

Ein Correcturbogen des Almanachs ist noch nicht gekommen.

Bei Scherern, den ich gestern sprach, ist mir eine Bemerkung wieder eingefallen, die Sie mir voriges Jahr über ihn machten. Es ist eine ganz gemüthlose Natur, und so glatt, daß man sie nirgends fassen kann. Bei solchen Naturellen ist es recht fühlbar, daß das Gemüth eigentlich die Menschheit in dem Menschen macht, denn man kann sich, solchen Leuten gegenüber, nur an Sachen erinnern, und das menschliche in einem selbst ganz und gar nirgends hinthun. Schelling ist doch kein solcher Mensch, denk' ich.

Leben Sie recht wohl und machen, daß Sie Ihre Geschäfte in Weimar bald los sind. Ich empfehle Ihnen, was Sie mir oft vergebens rathen, es zu wollen und frisch zu thun.

Meine Frau grüßt Sie. Seit einigen Tagen befinden wir uns wieder allein.

Sch.


488. An Goethe.

Jena den 21. August 1798.

Das Wetter allein hat mich, am Freitag und Sonnabend, von dem versprochnen Besuch abgehalten, indem ich doch auch gewünscht hätte, Ihre Besitzungen zu durchwandern, welches bei dem Regenwetter nicht wohl anging. Ich kann mich gar nicht daran gewöhnen, fast eine Woche nichts von Ihnen zu sehen und zu hören; unterdessen habe ich einige Dutzend Reime gemacht und bin eben an der Ballade, wobei ich mir die Unterhaltung verschaffe, mit einer gewissen plastischen Besonnenheit zu verfahren, welche der Anblick der Kupferstiche in mir erweckt hat.

Daß ich Ihnen die zwei letzten Akte vom Wallenstein vorlas, und mich von Ihrem Beifall überzeugen konnte, ist eine wahre Wohlthat für mich gewesen, und wird mir den Muth geben und erhalten, den ich zur Vollendung des Stücks noch so nöthig brauche.

Auf der andern Seite hingegen könnte es mich beinah traurig machen, daß ich nun nichts mehr vor mir habe, worauf ich mich bei dieser Arbeit so recht freuen kann; denn Ihnen das fertige Werk vorzulesen und Ihrer Zufriedenheit gewiß zu sein, war im Grund meine beste Freude, denn bei dem Publikum wird einem das wenige Vergnügen durch so viele Mistöne verkümmert.

Humboldten habe ich vorigen Freitag geantwortet und ihm von dem Schicksal seiner Schrift Nachricht gegeben, die ihn hoffentlich ganz zufrieden stellen wird.

Eben unterbricht mich unser Prorector Paulus. Ich schreibe morgen Abend ein Mehrers.

Leben Sie recht wohl. Meine Frau grüßt aufs beste.

Sch.


489. An Schiller.

Die Musen und Grazien von Oberroßla hatten Ihre Gegenwart mehr gewünscht als gehofft, das Wetter war gar zu übel und in regenlosen Momenten war doch kein Spaziergang als auf den Gänserasen möglich. Vielleicht finden wir bald wieder Gelegenheit uns dort anzutreffen. Ueber Wallenstein habe ich indessen vieles gedacht und mir die ersten Acte wieder ins Gedächtniß gerufen. Wenn ich wieder zu Ihnen komme dächt' ich, fingen wir von vorn an, weil ich nun das Ganze weiß, besonders da es Sie an der Ausführung nicht hindert wenn jemand mitspricht. Ich wünsche je eher je lieber eine klare Uebersicht darüber zu haben, noch mehr aber es vollendet zu sehen. Es wird sehr hoch stehen wenn es fertig ist, ich wünsche Ihnen zum Nachsommer noch gute Stimmung.

Wenn Sie recht klopfen, sägen, hämmern, hobeln hören wollen so sollten Sie sich jetzt Tags ein paar Stunden ins Theater setzen; es geht sehr rasch und wird recht artig werden.

Ich habe wieder neue Grillen über das Tragische und Epische die ich Ihnen bei der nächsten Zusammenkunft mittheilen will. Bis auf den Sonnabend weiß man wohl wann Durchlaucht der Herzog kommen wird. Verzieht sich seine Ankunft bis in den September, so bin ich bald wieder bei Ihnen.

Der erste Bogen Laokoon ist angekommen, der Druck nimmt sich ganz heiter aus, die Einleitung habe ich nochmals durchgegangen, der Inhalt ist ausgezogen; auf den nächsten Brief Cottas schicke ich den Ueberrest fort, und so wäre denn auch dies Schifflein vom Stapel gelaufen.

Meyer grüßt schönstens und hat wieder mancherlei gutes in der Arbeit. Ich freue mich über den plastischen Einfluß der zurückgelassenen Bilder; mir scheint er täglich unentbehrlicher. Leben Sie recht wohl; mich verlangt recht herzlich wieder nach der gewohnten täglichen Unterhaltung. Grüßen Sie Ihre liebe Frau aufs beste.

Weimar am 22. August 1798.

G.


490. An Goethe.

Jena den 24. August 1798.

Da unser Herzog nun wieder da ist, so scheint der Termin Ihrer Hieherkunft sich wieder zu verrücken; ich werde mich binnen der Zwischenzeit meiner Pflichten und Sorgen für den Almanach zu entledigen suchen, um wenn Sie kommen, und die Mittheilungen wieder anfangen, den letzten schwersten Schritt zum Wallenstein thun zu können. Da Sie einmal Lust haben, in die Oekonomie des Stücks hineinzugehen, so will ich gelegentlich das Schema davon in Ordnung bringen, das in meinen Papieren zerstreut liegt, indem es Ihnen, eh das Ganze selbst ausgeführt ist, die Uebersicht erleichtern kann.

Ich bin verlangend Ihre neuen Ideen über das Epische und Tragische zu hören. Mitten in einer tragischen Arbeit fühlt man besonders lebhaft, wie erstaunlich weit die beiden Gattungen auseinander gehen. Ich fand dieß auf eine mir selbst überraschende Weise bei der Arbeit an meinem fünften Akte, die mich von allem ruhig menschlichen völlig isolirte, weil hier ein Augenblick fixirt werden mußte, der nothwendig vorübergehend sein muß. Dieser so starke Absatz, den meine Gemüthsstimmung hier gegen alle übrigen freieren menschlichen Zustände machte, erweckte mir beinahe eine Furcht, mich auf einem zu pathologischen Wege zu befinden, weil ich das meinem Individuum zuschrieb, was die Natur des Geschäfts mit sich brachte. Aber so ist es mir ein Beweis mehr, daß die Tragödie nur einzelne außerordentliche Augenblicke der Menschheit, das Epos dagegen, wobei jene Stimmung nicht wohl vorkommen kann, das Beharrliche, ruhig fortbestehende Ganze derselben behandelt und deßwegen auch den Menschen in jeder Gemüthsfassung anspricht.

Ich lasse meine Personen viel sprechen, sich mit einer gewissen Breite herauslassen; Sie haben mir darüber nichts gesagt und scheinen es nicht zu tadeln. Ja Ihr eigener Usus sowohl im Drama als im Epischen spricht mir dafür. Es ist zuverlässig, man könnte mit weniger Worten auskommen, um die tragische Handlung auf- und abzuwickeln, auch möchte es der Natur handelnder Charaktere gemäßer scheinen. Aber das Beispiel der Alten, welche es auch so gehalten haben und in demjenigen was Aristoteles die Gesinnungen und Meinungen nennt, gar nicht wortkarg gewesen sind, scheint auf ein höheres poetisches Gesetz hinzudeuten, welches eben hierin eine Abweichung von der Wirklichkeit fordert. Sobald man sich erinnert, daß alle poetische Personen symbolische Wesen sind, daß sie, als poetische Gestalten, immer das allgemeine der Menschheit darzustellen und auszusprechen haben, und sobald man ferner daran denkt, daß der Dichter so wie der Künstler überhaupt auf eine öffentliche und ehrliche Art von der Wirklichkeit sich entfernen und daran erinnern soll daß er's thut, so ist gegen diesen Gebrauch nichts zu sagen. Außerdem würde, däucht mir, eine kürzere und lakonischere Behandlungsweise nicht nur viel zu arm und trocken ausfallen, sie würde auch viel zu sehr realistisch, hart und in heftigen Situationen unausstehlich werden, dahingegen eine breitere und vollere Behandlungsweise immer eine gewisse Ruhe und Gemüthlichkeit, auch in den gewaltsamsten Zuständen die man schildert, hervorbringt.

Richter war dieser Tage hier, er ließ sich aber zu einer ungeschickten Stunde bei mir melden daß ich ihn nicht annahm. Matthisson, dem ich vor einigen Wochen etwas schönes über seine Beiträge und deren Anzahl sagte, hat mir wieder ein Gedicht geschickt; so wächst der Almanach nach und nach zu der gebührenden Größe an. Auch Gries hat einiges, an kleinen Sachen, gesendet, was sich brauchen läßt. Göpferdt ist noch nicht über den zweiten Bogen.

Leben Sie recht wohl; vielleicht komme ich nächste Woche auf einen Tag, und sehe dann vielleicht auch das theatralische Bauwesen. Wenn Sie wieder kommen, finden Sie auch mein Häuschen in Ordnung, das wir morgen einweihen werden. Damit geht mir auch eine ruhigere Epoche an.

Meine Frau grüßt Sie bestens, sie hat sich gefreut, Sie neulich doch einen Augenblick zu sehen.

Sch.


491. An Schiller.

Ich habe so eben unsern Theaterbau besucht, wo alles sehr rasch geht. In der Mitte der künftigen Woche wird die Decke fertig, das leichte Gerüst herausgenommen und der größte Schmutz getilgt sein, alsdann wird man sich schon einen Begriff von der Intention machen können. Ich hoffe es soll deswegen auch recht artig werden, weil von gewissen Plätzen aus das Publikum sich wechselsweise selbst sieht, auch werden sehr viel Menschen hineingehen.

Es wäre sehr artig wenn Sie uns bald besuchten, wir würden manches Kapitel durchsprechen können, und der Bau würde Sie des Tags ein paar Stunden unterhalten. Vielleicht gäb' Ihnen auch der Anblick eines Theaters neue dramatische Anlässe.

Heute sage ich nicht mehr, denn der gestrige Hochzeitgenuß hat nicht die beste Stimmung hinterlassen. Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau.

Weimar am 25. August 1798.

G.


492. An Schiller.

Da unsere Rechnung wegen des Manuskripts mit des Setzers Bedürfnissen nicht zusammentrifft, so muß ich noch ein paar Bogen nachschicken und bitte deshalb um Niobe. Was wir von der typographischen Seite verlieren, gewinnen wir an der Stärke der Ladung, die wir auf einmal ins Publicum werfen. Haben Sie die Güte dem Ueberbringer, den ich deswegen expreß abschicke das Manuscript der Niobe mitzugeben. Leben Sie recht wohl und halten Sie wo möglich Ihr Versprechen mich zu besuchen.

Weimar am 27. August 1798.

G.


493. An Schiller.

Indem ich Ihren Boten erwarte so finde ich daß ich Sie noch einmal aufmuntern sollte herüber zu kommen, wenn Sie es mit dem Almanach und dem Gange seines Drucks einigermaßen einrichten können; denn

  1. ist das leidige Wetter das noch eine Zeit lang anzuhalten droht im Garten weniger genießbar als in einem vielzimmrigen Hause.
  2. Wird Sie der Theaterbau unterhalten.
  3. Geht am Freitag das complete Stück der Propyläen weg zu dem Sie Ihren Segen ertheilen sollten.
  4. Wird zu dem neuen Anstalt gemacht zu welchem Ihr Rath sehr erfreulich wäre.
  5. Sind allerlei naturhistorische Observationen in Bewegung, wovon die Resultate Sie auch gewiß erfreuen werden, und was ich noch alles Sie zu verleiten sagen könnte. Beherzigen Sie übrigens Ihren Vortheil und Ihre Bequemlichkeit, bringen Sie aber, wenn Sie kommen, den Wallenstein mit, denn wir müssen viel auf einmal thun. Wie die Sache mit dem Theater gegenwärtig steht kann ich nicht weg. Leben Sie recht wohl und entschließen Sie sich wo möglich auf das kürzeste. In vierzehn Tagen stehen die Sachen so daß ich wieder nach Jena gehen kann und bis zu Ende Septembers bleibe. Leben Sie recht wohl und thun Sie was möglich ist.

Weimar am 27. August 1798.

G.


494. An Goethe.

Jena den 27. August 1798,

Zwei Bogen machen freilich einen starken Rechnungsfehler, der auch für die künftigen Missionen ein bedenkliches Omen giebt und mehr Vorrath an Manuscript nöthig machen dürfte. Für den Anfang ist es übrigens recht gut, daß man dem Publikum mehr geben kann. Sollten Sie aber etwas andres substituiren können als Niobe, so wäre es wohl gut, denn außerdem daß die plastischen Artikel am wenigsten zu der Menge sprechen und am meisten bei dem Leser voraussetzen, so fürchte ich, daß Sie in den folgenden Stücken das Verhältnis; nicht wohl fort beobachten können. Ob nicht vielleicht Ihr Aufsatz über die Methode bei Naturwissenschaften dazu genommen werden könnte?

Das sind Betrachtungen, die ich nur in der Eile anstellen kann, denn ich muß den Boten abfertigen.

Das Wetter ist seit vorgestern hier ganz unerträglich, daß wir in unserer windigen Wohnung uns beinah in ein geheiztes Zimmer einschließen müssen. Indessen geht die Arbeit ganz leidlich von statten und ich werde Ihnen ehestens etwas produciren können.

Leben Sie recht wohl, mit Meyern. Könnten Sie uns nicht die Memoires von Clery verschaffen?

Sch.


495. An Goethe.

Jena den 28. August 1798.

Es war mein Vorsatz, Ihnen heute meinen Glückwunsch zum Geburtstag selbst zu überbringen, aber weil ich zu spät aufstand und mich auch nicht wohl fühlte, so mußte das gute Vorhaben für heute aufgegeben werden. Wir haben aber mit herzlicher Theilnehmung Ihrer gedacht, und uns besonders der Erinnerung an alles das Gute überlassen, was durch Sie bei uns gegründet worden ist.

Ich bin in diesen Tagen von einem Besuch überrascht worden, dessen ich mich nicht versehen hätte. Fichte war bei mir und bezeigte sich äußerst verbindlich. Da er den Anfang gemacht hat, so kann ich nun freilich nicht den spröden spielen, und ich werde suchen, dieß Verhältniß, das schwerlich weder fruchtbar noch anmuthig werden kann, da unsere Naturen nicht zusammenpassen, wenigstens heiter und gefällig zu erhalten.

Was Ihnen mit den griechischen Sprüchwörtern zu begegnen pflegt, dieß Vergnügen verschafft mir jetzt die Fabelsammlung des Hyginus, den ich eben durchlese. Es ist eine eigene Lust, durch diese Mährchengestalten zu wandeln, welche der poetische Geist belebt hat, man fühlt sich auf dem heimischten Boden und von dem größten Gestaltenreichthum bewegt. Ich möchte deßwegen auch an der nachlässigen Ordnung des Buchs nichts geändert haben, man muß es gerade rasch hintereinander durchlesen, wie es kommt, um die ganze Anmuth und Fülle der griechischen Phantasie zu empfinden. Für den tragischen Dichter stecken noch die herrlichsten Stoffe darin, doch ragt besonders die Medea vor, aber in ihrer ganzen Geschichte und als Cyclus müßte man sie brauchen. Die Fabel von Thyest und der Pelopia ist gleichfalls ein vorzüglicher Gegenstand. Im Argonautenzug finde ich doch noch mehrere Motive, die weder in der Odyssee noch Ilias vorkommen, und es dünkt mir doch, als ob hierin noch der Keim eines epischen Gedichtes stäke.

Merkwürdig ist es, wie dieser ganze mythische Cyclus, den ich jetzt übersehe, nur ein Gewebe von Galanterien und wie sich Hyginus immer bescheiden ausdrückt, von Compressibus ist, und alle großen und furchtbaren Motive davon hergenommen sind, und darauf ruhen.

Es ist mir eingefallen, ob es nicht eine recht verdienstliche Beschäftigung wäre, die Idee welche Hyginus im rohen und für ein anderes Zeitalter ausgeführt hat, mit Geist und mit Beziehung auf das, was die Einbildungskraft der jetzigen Generation fordert, neu auszuführen, und so ein griechisches Fabelbuch zu verfertigen, was den poetischen Sinn wecken und dem Dichter sowohl als dem Leser sehr viel Nutzen bringen könnte.

Ich lege hier zwei Aushängebogen des Almanachs bei. Der dritte folgt nächstens.

Meine Frau grüßt Sie aufs beste. Leben Sie recht wohl.

Sch.


496. An Schiller.

Herzlichen Dank für das Andenken das Sie meinem Geburtstag widmeten, und schon für den Gedanken daß Sie mich hätten besuchen mögen. Der Tag ist mir zerstreut und fruchtlos hingegangen, ich hoffe mich bald in Ihrer Nähe zu sammeln. Hygin hat mir auch, so oft ich ihn aufgeschlagen, Freude gemacht; es wird mir sehr lieb sein ihn einmal im Ganzen mit Ihnen durchzugehen. Auf die Argonauten hatte ich auch immer ein Zutrauen, und nach der neuen Lehre, da man von der Epopöe keine Einheit fordern will, wäre das Sujet seiner rhapsodischen Natur nach äußerst bequem. Es liegen herrliche Motive darin und gewiß ließen sich noch manche daraus entwickeln.

Freitags will ich nun die letzten Hefte des Manuscripts abschicken. An der Einleitung habe ich noch manches gethan, das ihr hoffentlich nicht schaden soll, und würde immer noch mehr daran ausputzen, wenn ich sie nicht fortschicken müßte. Nun geht aber eigentlich eine neue Ansicht der Dinge an, denn schon in den Aushängebogen hat das Wesen eine andere Gestalt als in dem Manuscripte. Ich hoffe es soll nicht fehlen gleich aus den vier ersten Stücken eine Art von harmonirender Composition zu machen. Wenn wir nur noch etwas dazu von Ihnen erhalten könnten das weiter hinaus deutete. Der Druck zum Almanach nimmt sich recht artig aus, freilich fordert die kleine Schrift sorgfältigen Druck und glattes Papier.

Es freut mich daß die Herren Conz und Bürde ein wenig liederlich werden und sich an verbotnen Liebschaften ergötzen; wenn ich es noch von Matthisson erleben könnte würde es mir noch größern Spaß machen. Es ist curios, wie sich die Leute vor gewissen An- und Nachklängen nicht retten können. So tönt der alte Hexenmeister in der alten Wundergerte doch einigermaßen nach.

Vielleicht erhalten Sie gegen das Ende doch noch etwas von mir.

Der Deckel ist fertig und man wird nun sehen wie es mit dem Aufhöhen und Aufputzen der Zierrathe gehen kann. Sie sollen ehestens davon ein Pröbchen haben. Leben Sie recht wohl und fleißig, indem ich auch mich hier loszuarbeiten suche. Die erste Hälfte Septembers möchte ich gar gerne bei Ihnen zubringen.

Nutzen Sie das neue Verhältniß zu Fichten für sich so viel als möglich und lassen es auch ihm heilsam werden. An eine engere Verbindung mit ihm ist nicht zu denken, aber es ist immer sehr interessant ihn in der Nähe zu haben.

Weimar am 29. August 1798.

G.


497. An Goethe.

Jena den 31. August 1798.

Wenn ich es irgend einrichten kann und mein Befinden es erlaubt, so komme ich nächste Woche gewiß auf einige Tage hinüber. Freilich muß ich mit meinen Beiträgen zum Almanach im Reinen sein, dazu aber kann binnen vier Tagen Rath werden, denn es sind zwei Balladen fertig, welche zusammen zwanzig Seiten, gedruckt, betragen, und das Gedicht woran ich eben jetzt bin, wird auch zwischen zehn und zwölf Seiten bekommen, so daß ich also, mit dem schon abgedruckten Gedicht, doch ein Contingent von sechs und dreißig bis vierzig Seiten zusammenbringe, außer dem was vielleicht noch der Zufall binnen den nächsten vierzehn Tagen beschert. Ich kann dann mit weniger Sorge bei Ihnen sein und auch den Gedanken an den Wallenstein Raum geben.

Sie haben recht daß gewisse Stimmungen, die Sie erregt haben, bei diesen Herren nachhallen. Diese moralischen Gemüther treffen aber die Mitte selten, und wenn sie menschlich werden, so wird gleich etwas Plattes daraus.

Zur nunmehrigen völligen Ausfertigung des ersten Stücks der Propyläen wünsche ich Glück. Ich bin recht verlangend es im Druck zu lesen und mich dann mit Ruhe darüber zu machen. Auf einen Vertrag von mir für das vierte Stück dürfen Sie sicher rechnen, denn ich brauche zur Beendigung des Wallensteins allerhöchstens noch den Rest dieses Jahres. Die Ausarbeitung des Stücks fürs Theater, als einer bloßen Verstandessache, kann ich schon mit einem andern, besonders theoretischen Geschäft zugleich vornehmen.

Ich freue mich den Theaterbau mit anzusehen, und glaube Ihnen, daß der Anblick der Bretter allerlei erwecken wird. Es ist mir neulich aufgefallen was ich in einer Zeitschrift oder Zeitung las, daß das Hamburger Publikum sich über die Wiederholung der Inländischen Stücke beklage und sie satt sei. Wenn dieß einen analogischen Schluß auf andere Städte erlaubt, so würde mein Wallenstein einen günstigen Moment treffen. Unwahrscheinlich ist es nicht, daß das Publikum sich selbst nicht mehr sehen mag, es fühlt sich in gar zu schlechter Gesellschaft. Die Begierde nach jenen Stücken scheint mir auch mehr durch einen Ueberdruß an den Ritterschauspielen erzeugt oder wenigstens verstärkt worden zu sein, man wollte sich von Verzerrungen erholen. Aber das lange Angaffen eines Alltagsgesichts muß endlich freilich auch ermüden.

Die ersten Bogen von den Propyläen, so wie die Decken zum Almanach werde ich wohl selbst bei Ihnen in Augenschein nehmen.

Werde ich die paar Tage bei Meyern logiren können ohne ihn zu geniren?

Leben Sie recht wohl; meine Frau grüßt Sie aufs beste.

Sch.


498. An Schiller.

Meine heutige Botschaft sei vorzüglich der Decke des Almanachs gewidmet davon ich hier ein paar Proben übersende.

Die auf weiß Papier zeigt wie sauber sie gestochen sei; einige Tausend können abgezogen werden, ohne daß man es merklich spüren wird, denn alles ist mit dem Grabstichel gemacht. Auf gefärbtem Papier nimmt sie sich, dünkt mich, besonders gut aus, eigentlich aber ist darauf calculirt daß ein bischen Farbe drauf kommen soll, wie die eine Hälfte zeigt.

Das Ries von dem Schreibpapier, wie eine Probe mitkommt, soll 3 Reichsthaler 12 Groschen kosten; es würde sich gefärbt ganz gut ausnehmen und das Ries würde nicht gar 2000 Decken geben.

Das 100 mit erwärmter Platte und sehr sorgfältig zu drucken, verlangt man 16 Groschen, das Buch Papier zu färben 5 Groschen.

Für ein Exemplar zu malen würde man allenfalls 18 Pfennige geben müssen. Es käme darauf an wie viel gemalte Sie etwa haben wollten. Ich glaube mancher wird ein paar Groschen fürs bunte Exemplar gerne mehr geben.

Schicken Sie mir das gemalte Exemplar so wie das Papiermuster zurück und bestimmen Ihre Bestellung, so kann alles hinter einander gemacht und die Decke zur rechten Zeit fertig werden.

Wenn Sie uns besuchen so können Sie recht gut neben Meyern logiren. Erfüllen Sie nur wo möglich Ihr Versprechen.

Weimar am 1. September 1798.

G.


499. An Goethe.

Jena den 2. September 1798.

Ein schwedischer Kaufmann Herr Lindahl überbringt Ihnen diesen Brief. Er ist ein sehr eifriger Freund der deutschen Literatur, hat viele Kenntnisse und scheint in Schweden mit den bedeutendsten Gelehrten viele Verbindungen zu haben. Sie werden ihn also freundschaftlich empfangen, wie ich wünsche, denn es ist ein Mann der es zu verdienen scheint, auch wünschte ich daß er Meyern kennen lernte.

Die Decke nimmt sich sehr zierlich aus; wir können die 170 Exemplare auf Velinpapier vor der Hand mit bunten Decken auszieren lassen. Es ist darnach noch immer Zeit, auch noch andere aufzuhöhen. Auch ist die gewählte graugelbe Farbe sehr passend, und besonders für die bunten Exemplare, Zu den letztern kann ich vielleicht etwas besseres Papier von hier aus schicken, sonst ist das wovon Sie eine Probe geschickt, ganz brauchbar. Den Preis von allem wird Cotta nicht zu hoch finden.

Ich sende die Decken und das Papier morgen, weil ich dem Fremden keinen größeren Brief mitgeben will.

Das Wetter hat sich wieder sehr glücklich verändert und meinen Entschluß nach Weimar zu gehen, etwa auf den Donnerstag, sehr ernstlich bestimmt.

Leben Sie recht wohl.

Sch.


500. An Goethe.

Jena den 4. September 1798.

Meinen Brief vom Sonntag wird Ihnen der Schwede überliefert haben. Hier folgen die Proben zurück.

Auch sende ich einstweilen eine von den Balladen, die andere kann ich vielleicht auch noch beilegen. Es sollte mir lieb sein, wenn ich den christlich-mönchisch-ritterlichen Geist der Handlung richtig getroffen, und die disparaten Momente derselben in einem harmonirenden Ganzen vereinigt hätte. Die Erzählung des Ritters ist zwar etwas lang ausgefallen, doch das Detail war nöthig und trennen ließ sie sich nicht wohl.

Haben Sie die Güte mich zu erinnern, wenn Sie etwas anders wünschten, und mir das Manuscript mit dem Botenmädchen zurückzusenden.

Die andere Geschichte hat mir der Hyginus zugeführt. Ich bin neugierig ob ich alle Hauptmotive, die in dem Stoffe lagen, glücklich herausgefunden habe. Denken Sie nach ob Ihnen noch eines beifällt; es ist dieß einer von den Fällen, wo man mit einer großen Deutlichkeit verfahren und beinahe nach Principien erfinden kann.

Ich habe mir zwar jetzt einen starken Schnupfen zugezogen, doch denke ich, wenn nichts dazwischen kommt, auf den Donnerstag zu kommen.

Herzlich freue ich mich Sie wieder zu sehen.

Leben Sie recht wohl. Meine Frau ladet Sie zum Mangold ein, der jetzt recht schön steht.

Sch.

Meine Frau bittet Sie, ihr den versprochnen Sternbald zu schicken.


501. An Schiller.

In der Hoffnung Sie morgen zu sehen schreibe ich nur wenig. Die Balladen folgen zurück, sie sind beide sehr gut gerathen. Bei dem christlichen Drachen finde ich nichts zu erinnern, er ist sehr schön und zweckmäßig. In der Bürgschaft möchte es physiologisch nicht ganz zu passiren sein, daß einer, der sich an einem regnigen Tag aus dem Strome gerettet, vor Durst umkommen will, da er noch ganz nasse Kleider haben mag. Aber auch das wahre abgerechnet und ohne an die Resorption der Haut zu denken kommt der Phantasie und der Gemüthstimmung der Durst hier nicht ganz recht. Ein ander schickliches Motiv das aus dem Wandrer selbst hervorginge fällt mir freilich zum Ersatz nicht ein; die beiden andern von außen, durch eine Naturbegebenheit und Menschengewalt, sind recht gut gefunden.

Wollten Sie wohl die Güte haben beiliegenden Zettel an Professor Lenz zu schicken und mir das Buch mitzubringen. Treten Sie ja von Ihrem guten Vorsatz nicht zurück. Ihre Reise wird Ihnen gewiß wohl bekommen.

Den vortrefflichen Sternbald lege ich bei, es ist unglaublich wie leer das artige Gefäß ist.

Weimar den 5. September 1798.

G.


502. An Goethe.

Jena den 5. September 1798.

Weil mein Schnupfen noch heftig ist, so will ich meine Wanderung lieber noch einen Tag oder zwei verschieben. Auch kann ich morgen noch eine Correctur abthun, und das Gedicht das ich unter Händen habe vielleicht schließen, obgleich der Schnupfen eine schlechte Stimmung giebt.

Können Sie noch etwas in den Almanach stiften, so thun Sie es ja, denn es wird hart halten, den nöthigen Tribut zu liefern, obgleich der göttliche Matthisson heute abermals ein Gedicht nachgesendet hat; denn unsre Dichterinnen haben mich stecken lassen.

Die Stanzen, die Sie auf der Herzogin Geburtstag gemacht, wünschte ich zu haben. Das Blatt, das Sie mir gesendet, muß unter meinen Papieren in der Stadt liegen; hier kann ich's nicht finden, vielleicht finden Sie es in Weimar.

Ein klein Liedchen lege ich hier bei. Gefällt es Ihnen so können wir's auch drucken lassen. Ich finde unter meinen Papieren allerlei angefangen, aber die Stimmung läßt sich nicht commandiren um es zu endigen.

Leben Sie recht wohl. Ich wünsche zu hören, daß Sie mit der gestrigen Sendung zufrieden sein mögen.

Sch.


503. An Schiller.

Wir haben Sie mit Sehnsucht erwartet und, was den Schnupfen betrifft, so hätten Sie ihn, nach unsers Fürsten erprobter Theorie, eben dadurch curirt wenn Sie sich der Luft ausgesetzt hätten.

Mich hält das Theater fest, bei dessen Bau und Einrichtung alle Tage etwas zu ordnen vorkommt, sonst wäre ich schon wieder zu Ihnen hinüber gekommen.

Hiebei liegt das Gedicht an die Herzogin; finden Sie nun aber auch einen Titel dazu!

Das kleine Lied das ich zurückschicke ist allerliebst, und hat vollkommen den Ton der Klage.

Ich habe in den Bogen des Almanachs, die ich besitze, drei, nicht unbedeutende Druckfehler gefunden.

pag. 20 vorletzte Zeile, gerecht statt gereiht;
" 27 im Matthissonischen Gedicht, zweiter Pentameter, Singt statt Siegt;

der dritte fällt mir gegenwärtig nicht ein.

Wegen des Umschlags wollten wir gerne mündlich sprechen. Haben Sie nur die Güte sobald als möglich das bessere Papier herüber zu schicken, damit wir es können färben und die Exemplare drucken und malen lassen.

Der Umschlag zu den Propyläen ist auch fertig geworden; Sie sehen einen Probedruck aus der Beilage. Was für mechanische Schwierigkeiten dabei zu überwinden waren, und noch sind, ließ sich gar nicht voraussehen. Indessen hat sie der ächt deutsche Geist unsers Facius, mit aller Treue, bekämpft, und ich hoffe noch manchen Spaß davon zu erleben.

Ich habe in allen meinen Papieren herumgedacht und finde nichts womit ich Ihnen zum Almanach zu Hülfe kommen könnte. Noch zu der Voigtischen Hochzeit hatte ich ein Gedicht ganz disponirt, das leider nicht fertig ward und selbst im Almanach würde es noch immer zur rechten Zeit kommen. Aber woher die Stimmung nehmen!?!?

Denn da hat mir neulich Freund Richter ganz andere Lichter aufgesteckt, indem er mich versicherte (zwar freilich bescheidentlich, und in seiner Art sich auszudrücken), daß es mit der Stimmung Narrenspossen seien, er brauche nur Kaffee zu trinken, um, so grade von heiler Haut, Sachen zu schreiben worüber die Christenheit sich entzücke.

Dieses und seine fernere Versicherung: daß alles körperlich sei, lassen Sie uns künftig zu Herzen nehmen, da wir denn das Duplum und Triplum von Productionen wohl an das Tageslicht fördern werden.

Uebrigens wird dieser edle Freund sich künftigen Winter gleichfalls in Weimar niederlassen, und hat schon ein Quartier über unserer kleinen Maticzek gemiethet. Ich bin recht neugierig wie ihm dieses theatralische Hausamalgam bekommen wird.

Uebrigens habe ich noch mancherlei Curiosa aufgespart, weil ich Sie hüben oder drüben zu sehen hoffte.

Weimar den 6. September 1798.

G.


504. An Goethe.

Jena den 7. September 1798.

Ich lege mich mit dem festen Vorsatz nieder morgen zu Ihnen hinüberzufahren. Für den Almanach habe ich mein Geschäft geschlossen; das letzte Gedicht bringe ich mit. Jetzt muß ich eilen, den kleinen Rest der guten Jahrszeit und meines Gartenaufenthalts für den Wallenstein zu benutzen; denn wenn ich meine Liebesscenen nicht schon fertig in die Stadt bringe, so möchte mir der Winter keine Stimmung dazu geben, da ich einmal nicht so glücklich bin, meine Begeisterung im Kaffe zu finden.

Das Buch von Lenz so wie auch das bessere Papier zu den Decken bringe ich mit. Ich hoffe diesem Brief bald zu folgen. Leben Sie recht wohl.

Sch.


505. An Goethe.

Jena den 9. September 1798.

Es thut mir leid, daß ich am Samstag mein Kommen bestimmt und wieder nicht gehalten habe, aber ich bin sehr unschuldig, denn ich habe in den vier letzten Tagen zwei Nächte ganz schlaflos zugebracht, welches mich sehr angegriffen. Ein eigenes Unglück ist es doch, daß mir dieses gerade in diesen Tagen zum erstenmal wieder begegnen mußte, nachdem ich den ganzen Sommer davon frei gewesen bin. Jetzt habe ich den Muth verloren, etwas festes über mein Kommen zu beschließen, doch wenn ich diese Nacht schlafen kann, und mich ein wenig erhole, komme ich morgen doch. Indessen sende ich den Lyonet, damit Sie in Ihren Geschäften durch mich nicht aufgehalten werden mögen. Leben Sie recht wohl.

Sch.


506. An Goethe.

Jena den 18. September 1798.

Ich habe mich gleich nach meiner Zurückkunft an den Prolog gemacht und ihn noch einmal aus der Rücksicht, daß er für sich allein stehen soll, betrachtet. Hiebei ergab sich nun, daß um ihn zu diesem Zweck geschickter zu machen, zweierlei geschehen muß:

1) muß er als Charakter- und Sittengemälde noch etwas mehr Vollständigkeit und Reichthum erhalten, um auch wirklich eine gewisse Existenz zu versinnlichen, und dadurch wird auch das

2)te erreicht, daß über der Menge der Figuren und einzelner Schilderungen dem Zuschauer unmöglich gemacht wird, einen Faden zu verfolgen und sich einen Begriff von der Handlung zu bilden, die darin vorkommt.

Ich sehe mich also genöthigt, noch einige Figuren hinein zu setzen, und einigen die schon da sind etwas mehr Ausführung zu geben; doch werde ich unser Weimarisches Personale immer vor Augen haben. Auf den Sonnabend sollen Sie den Prolog erhalten.

Cotta schreibt mir, daß ihm der Herzog ein neues Zeitungsprivilegium gegeben, und daß er durch Verlegung des Zeitungscomptoirs nach Stuttgart gegen 3500 fl. erspare. Ob Posselt auch diese neue Zeitung herausgiebt, schreibt er nicht; doch zweifle ich nicht daran. Er scheint einmal sein ganzes Heil in diese Zeitungsfabrikation zu setzen.

Ich lege hier wieder einen Bogen bei. Wenn es Ihnen recht ist, so will ich Ihr Gedicht an die Herzogin bloß: Stanzen überschreiben.

Noch einmal meinen besten Dank für alles was Sie mir in Weimar Schönes und Gutes erwiesen. Sobald der Prolog weg ist, werde ich an nichts anders mehr denken als das Stück fürs erste in dem Theatersinne zu vollenden, und werde von Ihren Rathschlägen und Bemerkungen allen Gebrauch machen der mir möglich ist.

Meyern grüße schönstens. Zugleich bitte ich ihn, einen größern und zwei kleinere Schlüssel, die ich in meiner Commode oder sonst irgendwo habe liegen lassen, zu suchen und mir durch die Botenfrau zu schicken.

Leben Sie recht wohl. Meine Frau empfiehlt sich aufs beste.

Sch.


507. An Schiller.

Mittwochs war ich in Roßla und fand Ihren Brief gestern bei meiner Wiederkehr. Ich wünsche daß Sie bei Ihrer Arbeit fühlen mögen welchen guten Eindruck auf uns Sie zurückgelassen. Ein Monument einer so besondern Geistesthätigkeit als Ihr Wallenstein ist muß jeden in thätige Stimmung versetzen, wer derselben nur einigermaßen fähig ist. Nehmen Sie Ihr ganzes Wollen zusammen um das Werk nur erst auf unser Theater zu schieben, Sie empfangen es von dorther gewiß geschmeidiger und bildsamer als aus dem Manuscripte, das Ihnen schon zu lange vor den Augen fixirt steht. Sie sind schon so weit, daß nach meiner Einsicht ein solcher Versuch nur Nutzen bringen kann.

Was Sie an dem Prolog noch thun wollen muß ich sehr billigen. Ich erwarte ihn mit Verlangen und wir wollen über die fernere Taktik alsdann zusammen conferiren.

Heute nichts weiter. Hierbei folgen die Schlüssel. Das Gedicht kann wohl unter dem allgemeinen Titel: Stanzen hingehen.

Leben Sie recht wohl, wir grüßen Sie und Ihre liebe Frau aufs beste.

Weimar am 21. September 1798.

G.


508. An Schiller.

In meinem Briefe habe ich vergessen zu sagen daß wir gutes Schweizer Papier brauchen zum Abdruck des Titelkupfers in den Almanach. Hier findet sich's nicht. Hertel hat gewiß welches. Wir bitten solches bald zu schicken.

Weimar am 21. September 1798.

G.


509. An Goethe.

Jena den 21. September 1798.

Ich habe vorgestern keinen Brief von Ihnen erhalten und hoffe, daß es nichts zu bedeuten hat. Nachdem ich eine Woche bei Ihnen zugebracht, ist es mir ganz ungewohnt so lange nichts von Ihnen zu hören.

Eine schlaflose Nacht, die ich heute gehabt und die mir den ganzen Tag verdorben, hat mich verhindert, den Prolog noch für heute zu expediren; überdieß hat der Abschreiber mich sitzen lassen. Ich denke, in der Gestalt, die er jetzt bekommt, soll er als ein lebhaftes Gemälde eines historischen Moments und einer gewissen soldatischen Existenz ganz gut auf sich selber stehen können. Nur weiß ich freilich nicht, ob alles was ich dem Ganzen zu lieb darin aufnehmen mußte, auch auf dem Theater wird erscheinen dürfen. So ist z. B. ein Capuziner hinein gekommen, der den Kroaten predigt, denn gerade dieser Charakterzug der Zeit und des Platzes hatte mir noch gefehlt. Es liegt aber auch nichts dran, wenn er von dem Theater wegbleibt.

Humboldt hat geschrieben, und empfiehlt sich Ihnen. Ihren Brief nebst dem Gedicht hat er erhalten, und wird Ihnen ehestens antworten. Mit unserm Arrangement mit seinem Werk ist er wohl zufrieden, aber er hat keine rechte Zuversicht zu seinem Werke, seine natürliche Furchtsamkeit kommt noch dazu, daß er der wirklichen Erscheinung mit einer gewissen Bangigkeit entgegen sieht. Er hat auch Vieweg empfohlen nur 500 Exemplare abziehen zu lassen, worin ihm dieser hoffentlich nicht willfahren wird; denn ich zweifle nicht sowohl daran, daß man die Schrift nicht kauft, als daß man sie liest. Kaufen wird man sie schon des Gedichtes wegen.

Er schreibt auch ein paar Worte von Retif, den er persönlich kennt, aber nichts von seinen Schriften. Er vergleicht sein Benehmen und Wesen mit unserm Richter die Nationaldifferenz abgerechnet; mir scheinen sie sehr verschieden.

Um auf meinen Prolog zurückzukommen, so wäre mir's lieb, wenn ein andres passendes Stück und keine Oper damit könnte verbunden werden; denn ich muß ihn mit vieler Musik begleiten lassen, er beginnt mit einem Lied und endigt mit einem; auch in der Mitte ist ein klein Liedchen, er ist also selbst klangreich genug, und ein ruhiges moralisches Drama würde ihn also wahrscheinlich am besten herausheben, da sein ganzes Verdienst bloß Lebhaftigkeit sein kann.

Leben Sie recht wohl. Ich warte mit Verlangen auf Nachricht von Ihnen. Meyern viele Grüße, er möchte sich doch des Bechers erinnern.

Sch.


510. An Schiller.

Durch gegenwärtigen Boten wünschte ich Ihre Geschichte des dreißigjährigen Kriegs zu erhalten, um sie, sowohl zum Anfangsliede, als sonst zu mancherlei nutzen zu können. Heute Abend komme ich nicht, denn ich will noch bis es dunkel wird in Wallensteins Lager verweilen, und dann die modern-antiken Preußen und Sachsen auf dem Jenaischen Theater beschauen. Ich kann der Versuchung nicht widerstehen.

Morgen Mittag, wenn Sie es erlauben, bin ich Ihr Gast um noch manches durchzureden. Leben Sie recht wohl.

[Jena] Am 29. September 1798.

G,


511. An Goethe.

[Jena den 29. Sept. 1798.]

Ich beklage daß wir Sie heute nicht sehen sollen. Bei dem trüben Himmel ist das Gespräch noch der einzige Trost. Ich will suchen meinen Beitrag zum Prolog den ich angefangen, zu beendigen, daß ich ihn Ihnen morgen Mittag vorlegen kann. Die Geschichte des dreißigjährigen Kriegs sollen Sie binnen einer halben Stunde erhalten.

Leben Sie recht wohl. Unterhalten Sie sich bei dem Drama aus dem siebenjährigen Krieg so gut Sie können.

Sch.


512. An Goethe.

Die zwei Brüder meines Schwagers sind auf ihrer Rückreise nach Schlesien hier und werden den Abend hier bleiben. Ich schreibe es Ihnen, wenn Sie vielleicht nicht gern in dieser Gesellschaft sind. Sollten Sie nicht Lust haben, den Abend mit da zu sein, so sehe ich Sie vielleicht vorher?

Sch.


513. An Goethe.

Jena den 2. Oktober 1798.

Ein Besuch von unsern Weimarischen Dichterinnen Amelie Imhof und meiner Schwägerin hinderte mich, der Botenfrau das Gedicht mitzugeben, wozu nur noch ein paar Stunden nöthig sind. Sie sollen es mit der ersten Post erhalten. Ich bin mit der Anlage wohl zufrieden und denke, es wird unsre Absicht erfüllen. Schreiben Sie mir mit dem rückgehenden Botenmädchen, ob Sie nichts dagegen haben, wenn ich diesen Prolog noch an den Almanach anflicke. Ich erreiche dadurch mehrere Zwecke zugleich, der Almanach gewinnt ein nicht unbedeutendes Gedicht mehr, die Zahl meiner Beiträge wird dadurch vergrößert, und der Prolog erhält mehr Verbreitung; denn Ihre Absicht, ihn dem Posselt einzuverleiben wird dadurch keineswegs verhindert. Der Prolog kommt auch darum nicht früher ins Publikum als recht ist, weil ich vor Ende der nächsten Woche kein Exemplar davon weggebe, und auch alsdann nur diejenigen Exemplare, welche nach Leipzig bestimmt sind, folglich auch erst drei Tage später ausgepackt werden. Fänden Sie an dem Prolog etwas zu ändern, so senden Sie mir einen Expressen, daß ich bei der Correctur des Bogens noch davon Gebrauch machen kann. Vielleicht schicke ich ihn morgen selbst durch einen Expressen.

Um Decken und Titelkupfer zum Almanach bitte ich dringend.

Morgen mehr. Leben Sie recht wohl.

Sch.


514. An Schiller.

Sie werden sehr wohl thun den Prolog in den Almanach zu rücken, er mag in den Posselt und sonst wohin alsdann auch noch wandern, wir müssen uns nach und nach in die Ubiquität auch einrichten und sie soll uns nicht fehlen.

Haben Sie die Güte mir den Prolog, sobald er fertig ist, zu senden; die Anlage dazu ist fürtrefflich und die Ausführung wird nicht zurückbleiben.

Noch vor Abgang dieses Briefs hoffe ich Abdrücke von der Decke und Titelkupfer zu erhalten.

Für heute nichts weiter, denn die Konfusion ist gar groß um mich herum.

Weimar den 3. October 1798.

G.

Was ich von Abdrücken habe erhalten können, sende hierbei mit, es war nicht einmal Zeit sie nachzuzählen; haben Sie die Güte solches thun zu lassen und zu schreiben wie viel Sie noch überdieß brauchen, damit man Anstalten dazu macht, denn es ist jetzt hier alles gar sehr beschäftigt. Leben Sie recht wohl.


515. An Goethe.

Jena den 4. October 1798.

Hier sende ich den Prolog, möge er Ihnen Genüge leisten. Sagen Sie mir durch den rückgehenden Boten, wenn Sie noch etwas geändert wünschen. Mir däucht, daß es besser ist, das was ich in Klammern eingeschlossen, wegzulassen beim wirklichen Vortrag. Es lassen sich manche Dinge nicht sagen, die sich ganz gut lesen lassen, und die Umstände, unter welchen ein Prolog declamirt wird, die Feierlichkeit die davon unzertrennlich ist, führen gewisse Einschränkungen mit sich, die in der Stube schwer zu berechnen sind. Da der Prolog ohnehin ziemlich groß ist, so denke ich schließen wir ihn vor dem letzten Absatz.

Haben Sie die Güte mir nur frisch weg zuschicken zu lassen was von Decken und Titelkupfern fertig ist. Unter den letztern finde ich keins von brauner Farbe abgedruckt; wenn es keine Umstände macht, so lassen Sie doch etwa ein 500 Abdrücke in dieser Farbe machen.

Ich bin sehr begierig zu vernehmen, wie sich Ihre Schauspieler zu dem Vorspiel anlassen.

Leben Sie recht wohl. Meine Frau grüßt schönstens.

Sch.


516. An Schiller.

Der Prolog ist gerathen wie er angelegt war; ich habe eine sehr große Freude daran und danke Ihnen tausendmal. Ich habe ihn nur erst einigemal durchgelesen um mich von dem Ganzen recht zu penetriren, und noch kann ich nicht bestimmen, was vielleicht wegzulassen wäre und ob ich nicht wegen des Theatereffects noch hie und da einen kleinen Pinselstrich aufhöhen würde.

Morgen Abend mit den Botenfrauen sollen Sie meine Edition erhalten; können Sie den Druck noch so lange aufschieben, so wird es gut sein, damit wir einerlei Lesart haben; Montag soll er gleich nach Stuttgart.

Es thut mir nur leid daß ich ihn nicht selbst sprechen kann, doch wenn sich Vohs hält wie unsere andern beim Vorspiel, so können wir zufrieden sein. Leißring, Weyrauch und Haide declamiren die gereimten Verse als wenn sie ihr Lebtag nichts anders gethan hätten, besonders hat Haide gegen den Schluß einige Perioden declamirt wie ich's auf dem deutschen Theater noch gar nicht gehört habe.

Nach dieser guten Nachricht muß ich aber leider anzeigen: daß es mir unmöglich war auch nur eine Zeile zu unserm Zwecke beizutragen, deswegen schicke ich einen Band des Pater Abraham, der Sie gewiß gleich zu der Capuzinerpredigt begeistern wird. So wäre z. E. Das Raben Cras als Schlußformel, in Genasts Munde, vielleicht höchst erbaulich. S. die gezeichnete Seite p. 77. Es ist übrigens ein so reicher Schatz der die höchste Stimmung mit sich führt.

Das Anfangslied bring ich auch nicht zu Stande, habe aber etwas schickliches dafür zu substituiren. Das kann alles bei den folgenden Repräsentationen nachgebracht werden, wie überhaupt das Stück fordert daß immer etwas neues und veränderliches darin vorkommt, damit bei folgenden Repräsentationen sich niemand orientiren könne. Leben Sie indessen recht wohl, Sie erfahren nun bald den Tag an dem ich Ihre Ankunft wünsche; bis jetzt geht es noch sehr bunt zu. Grüßen Sie Ihre liebe Frau.

Weimar am 5. October 1798.

G.


517. An Goethe.

Jena den 5. October 1798.

Daß Sie mit dem Prolog zufrieden sind und daß die drei Herren sich zum Vorspiel so glücklich anlassen, sind mir sehr willkommene Nachrichten. Den Abdruck des Prologs kann ich bis morgen Abend nicht aufhalten, doch denke ich nicht, daß eine kleine Ungleichheit des gesprochenen und gedruckten Gedichts viel zu sagen haben wird, wenn nur das Exemplar, das Sie Posselten schicken, mit dem andern im Almanach gleichlautend ist.

An die Capuziner-Predigt will ich mich also machen, und habe gute Hoffnung von dem würdigen Abraham. Noch habe ich ihn nicht lesen können, weil Schelling den ganzen Nachmittag bei mir war. Auch muß ich Sie präveniren, daß noch einige andere Veränderungen im Werke sind, welche ich nebst der Capuziner-Predigt auf den Montag Abend abzuschicken hoffe, denn da sie nicht durchs Ganze gehen, so können sie in einem halben Tag recht gut eingelernt werden.

Sie werden es z. B. auch billigen daß ich den Constabler mit einer bestimmten dramatischen Figur vertausche. An seiner Statt habe ich einen Stelzfuß eingefühlt, der mir ein gutes Gegenstück zum Rekruten macht. Dieser Invalide bringt ein Zeitungsblatt, und so erfährt man unmittelbar aus der Zeitung Regenspurgs Einnahme und die neuesten passendsten Ereignisse. Es giebt Gelegenheit, dem Herzog Bernhard einige artige Complimente zu machen u. s. f. Zu einem Subject für den Stelzfuß wird sich schon Rath finden hoffe ich.

Finde ich Stimmung und Zeit, so will ich das Liedlein von Magdeburg noch machen, und nach einer alten Melodie, daß dadurch kein Aufenthalt entsteht. Uebrigens bin ich getröstet, wenn es an Zeit dazu fehlt, daß Sie etwas anders substituiren können.

Wenn Sie mir durch die Botenfrau mein Exemplar des Vorspiels schicken könnten, so würde es mir bei den vorhabenden Arbeiten gute Dienste thun. Wenn ich auch nur die ersten acht oder zehn Blatt habe, denn am Ende und in der Mitte wird nichts verändert.

Schelling ist mit sehr viel Ernst und Lust zurückgekehrt; er besuchte mich gleich in der ersten Stunde seines Hierseins, und zeigt überaus viel Wärme. Ueber die Farbenlehre, sagt er mir, habe er in der letzten Zeit viel nachgelesen, um im Gespräch mit Ihnen fortzukommen, und habe Sie um vieles zu fragen. Nach der Aufführung des Vorspiels wird er sich bei Ihnen melden, denn ich sagte ihm, daß er Sie jetzt zu beschäftigt finde. Es wäre hübsch, wenn Sie ihm vor Ihrer Hieherkunft noch Ihre Experimente zeigen könnten.

Ein sonderbares Original von einem moralisch-politischen Enthusiasten habe ich dieser Tage hier kennen lernen, den Wieland und Herder über Hals und Kopf zu der großen Nation spediren. Es ist ein hiesiger Student aus Kempten, ein Mensch voll guten Willens, von vieler Fähigkeit und einer heftig sinnlichen Energie. Er hat mir eine ganz neue Erfahrung verschafft.

Leben Sie recht wohl. Ich denke es werden in diesen Tagen wohl noch einige Boten zwischen hier und Weimar in Bewegung gesetzt werden.

Meine Frau grüßt Sie aufs beste.

Sch.

Wenn Sie bei Empfang dieses Briefs mit Ihren Veränderungen im Prolog einig sind, und finden gleich einen Expressen, so haben Sie die Güte, mir das Exemplar gleich durch ihn zu senden.

N. S.

Hier lege ich noch einen Correctur-Abdruck des Prologs bei, so wie er im Almanach stehen wird; denn da ich die, Ihnen gesandte Abschrift aus dem Gedächtniß niederschrieb, so wurde einiges darin extemporirt und es finden sich Varianten die ich mit NB bezeichnet habe. Können Sie mir nun Ihre Aenderungen morgen vor Nachmittag 2 Uhr durch einen Expressen schicken, so kann ich mich im Druck noch darnach richten. Geht dieß nicht an, so haben Sie die Güte dieß beiliegende gedruckte Exemplar des Prologs, und nicht das geschriebne, an Posselt abzusenden, damit die zwei gedruckten Exemplare gleich lauten.


518. An Schiller.

Hier kommt der Prolog zurück; ich habe Ihre Aenderungen mit Vergnügen aufgenommen, denn sie sind sehr zweckmäßig; dagegen wünschte ich daß, statt der Stelle, die ich ausgestrichen habe, die andere eingefügt werde, welche hier im Manuscript folgt. Meine Absicht war dabei

  1. daß von unsern Schauspielern etwas mehr,
  2. von Iffland etwas weniger gesprochen würde,
  3. daß irgend eine Stelle auf Schrödern gedeutet werden könne.

Haben Sie die Güte daß ich einige gedruckte Exemplare vom Prolog Montags bei Zeiten erhalte, so schicke ich gleich eins an Schrödern, mit einem artigen Wort, und eins nach Stuttgart.

Allenfalls könnten Sie mir, durch diesen Expressen, den Correcturbogen, wenn Sie ihn weiter nicht brauchen, wieder herüberschicken und mir nur anzeigen: ob Sie meine Stelle aufnehmen wollen, so lasse ich die beiden Exemplare, die abgehen sollen, gleich schreiben.

Hier kommt ein Theil des Vorspiels! arbeiten Sie ja daran fort, ob ich Ihnen gleich nicht versprechen kann schon das nächste mal die Veränderungen aufzunehmen. Alles ist jetzt schon so auf Reim und Sylbenfall eingerichtet, so auf die Stichwörter eingehetzt daß ich nichts zu ändern wage, weil unmittelbar Stockungen zu befürchten sind. Leben Sie recht wohl; es fängt nun an so bunt zu gehen, daß nur die Hoffnung: es werde bald Abend und alles vorbei sein, mich noch erhalten kann.

Weimar am 6. October 1798.

G.


519. An Goethe.

Jena den 6. Oktober 1798.

Die Veränderungen im Prolog nehme ich mit Vergnügen auf; gegen die drei angeführten Gründe ist nichts einzuwenden.

Ich will etwa sechs besondere Abdrücke vom Prolog machen lassen, um die Copistenarbeit zu ersparen. Wenn Sie mir dann Montag früh eine Einlage an Schröder und Cotta senden wollen, so können solche mit dem gedruckten Prolog gleich von hier an die Behörden abgehen. Auf alle Fälle aber folgt hier der Prolog zurück.

Es thut mir freilich leid, wenn die kleinen Veränderungen im Vorspiel nicht gleich der ersten Vorstellung zu gute kommen können. Das Motiv mit der Zeitung wäre passend zu einer vollkommenen Exposition des Moments und der Kriegsgeschichte. Lassen Sie wenigstens bei Nro. 5 den Constabler mit einem Zeitungsblatt auftreten und anstatt des Verses:

Aber ein Eilbot ist angekommen,

setzen:

Aber das Prager Blatt ist angekommen.

Auf diese Art leiten wir doch die Zeitung ein, wenn wir sie ein andermal bringen wollen.

Auch haben Sie mich neulich wegen der Perücken zweifelhaft gemacht. Wenn wir statt jener Stelle lieber setzten:

        Nro. 3.

Wachtmeister.
Und das Gemunkel, und Gespionire,
Und das Heimlichthun, und die vielen Kouriere –

Trompeter.
Ja ja! das hat sicher was zu sagen.

Wachtmeister.
Und der spanische steife Kragen
Den man &c.

Der Bote eilt, ich kann für heute nichts mehr sagen. Vielleicht lassen Sie mich noch durch das Botenmädchen wissen, welcher Termin für die Vorstellung festgesetzt ist; denn freilich wünschte ich zur Capuzinerpredigt ein paar Tage Muße.

Leben Sie recht wohl.

Sch.


520. An Schiller.

Mit der heutigen Abendpost will ich Ihnen nur einige Worte sagen wie wir ohngefähr stehen:

Von dem Prolog lasse ich zwei Abschriften machen, gleichlautend mit Ihrem gedruckten. Der von mir veränderte Periode, den Sie aufgenommen haben, wird eingeschaltet.

Für die Recitation hier habe ich eine andere Ausgabe veranstaltet, und die Mimen und Aeren bei Seite gebracht, dagegen den Wallenstein ein paarmal genannt, damit man nur irgend ohngefähr verstehe was wir wollen. Wie anders ist es was man mit sich und unter Freunden ins zarteste und besonderste arbeitet! und was der fremden Masse im allgemeinsten vorgetragen werden soll! Sie werden darüber noch das wunderbarste bei dieser Gelegenheit erleben und hören.

Uebrigens geht noch bis jetzt alles ganz erwünscht. Der Saal sieht sehr artig aus und der größte Theil ist vergnügt und erfreut darüber, so daß die einzelnen Widersacher ein sehr böses Spiel haben.

Das Vorspiel geht recht artig. Es war heute Probe auf dem Theater. Wir müssen aber auf die geringste Verändrung Verzicht thun. Bei der Schwierigkeit eine so neue und fremde Aufgabe mit Ehren zu vollenden, klammert sich jeder so fest an seine Rolle, wie ein Schiffbrüchiger ans Brett, so daß man ihn unglücklich machte, wenn man's ihm wacklig macht.

Ich arbeite nur daß alles Einzelne heraus gehoben werde und sich ans Ganze anschließe.

Das Soldatenlied liegt bei, womit das Stück anfangen soll. Die Musik wird morgen früh in Ordnung kommen und ich hoffe, bald soll alles wohl im Hause stehen.

Ich will Sie nicht eher herübersprengen, als nöthig ist, denn es ist noch nicht einmal wahrscheinlich daß wir Mittwoch spielen. Sobald aber Prolog und Vorspiel so eingelernt sind daß Sie solche mit Vergnügen hören könnten, so schicke ich einen Expressen. Halten Sie sich daher parat um abgehen zu können.

Die Kapuzinerpredigt schicken Sie mir ja, sobald sie fertig ist. Sonst ist alles besorgt und die Abschriften, von denen ich zu Anfang des Briefes sprach, gehen morgen Abend an Schröder und Posselt.

Uebrigens ist eine Vorrecension der Aufführung, so wie des Effects, den das Stück gemacht hat, schematisirt und kann in einigen guten Stunden fertig werden. Da ich mich einmal auf das Element der Unverschämtheit begeben habe, so wollen wir sehen wer es mit uns aufnimmt.

Indessen bleiben Sie ruhig bis mein Bote kommt. Sollte sich's morgen zeigen daß wir Mittwoch nicht spielen, so erfahren Sie's Dienstag durch einen Boten.

Uebrigens kann ich Sie versichern, daß der Hauptzweck erreicht wird. Einige wenige, die dem Prolog zugehört haben, glauben, so wie die Schauspieler selbst, daß sie doch nun so ziemlich wüßten wie es damals ausgesehen habe.

Leben Sie recht wohl und seien Sie nur so fleißig als möglich.

Wegen der Kupfer wird Meyer das seinige thun; leider liegt auf diesen Dingen der Fluch daß sie immer übereilt werden müssen. Grüßen Sie Ihre liebe Frau.

Weimar am 7. October 1798.

G.


521. An Goethe.

[Jena den 8. October.]

Hier erhalten Sie meine Capuzinerpredigt, so wie sie unter den Zerstreuungen dieser letzten Tage, die von Besuchen wimmelten, hat zu Stand kommen können. Da sie nur für ein paar Vorstellungen in Weimar bestimmt ist, und ich mir zu einer andern, die ordentlich gelten soll, noch Zeit nehmen werde, so habe ich kein Bedenken getragen, mein würdiges Vorbild in vielen Stellen bloß zu übersetzen und in andern zu copiren. Den Geist glaube ich so ziemlich getroffen zu haben.

Aber nun ein Hauptanliegen. Wenn Sie die Predigt gelesen haben so werden Sie selbst finden, daß sie nothwendig um einige Scenen später kommen muß, wenn man durch die beiden Jäger und andre Figuren schon einen Begriff von den Soldaten durch sie selbst bekommen hat. Käme sie früher, so würden die unmittelbar folgenden Scenen dadurch geschwächt und gegen die Gradation gefehlt werden. Auch ist es gut, daß unmittelbar nach ihr eine belebte handelnde Scene folge, daher ist mein Vorschlag sie unmittelbar entweder vor dem Auftritt des Rekruten oder was mir noch lieber wäre, unmittelbar vor der Ertappung des Bauren und dem Auflauf im Zelt zu bringen. Es wird an der übrigen Oekonomie dadurch gar nicht gerückt, wie Sie finden werden, es ist nur ein Stichwort zu verändern. Die paar Reden, welche die Soldaten darin bekommen haben, sind in ein paar Minuten gelernt.

Daß ich den Spielmann und den Tanz habe noch anbringen müssen, um die Scene beim Eintritt des Capuziners bunt und belebt zu machen, werden Sie gleichfalls für nothwendig erkennen.

Haben Sie Dank für das Anfangslied: ich finde es ganz zweckmäßig, vielleicht kann ich noch ein paar Strophen anflicken, denn es möchte um ein weniges zu kurz sein.

Ich will von morgen an immer auf dem Sprung sein, abzureisen. Leben Sie recht wohl.

Sch.


522. An Schiller.

Hier kommt nun wieder ein Paket Abdrücke; die folgenden von der Decke sollen recht farbig sein: sie kommen etwas theurer zu stehen, sie sehen aber auch dafür recht erfreulich aus.

Wahrscheinlich wird die Eröffnung unsers Theaters erst Freitag sein. Ich ersuche Sie also sich Donnerstags, zu guter Vormittagszeit, einzufinden, damit wir noch alles besprechen und Abends die Hauptprobe abwarten können.

Die Hauptfiguren machen ihre Sache trefflich und haben schon excellent memorirt; mit den übrigen stockt's noch ein wenig, das wird sich aber alles noch in thätige Harmonie auflösen. Uebrigens versteht man an allen Ecken und Enden das leiseste wohlartikulirte Wort.

Uebrigens habe ich das Pensum, wie solches die neue Zeitung nunmehr bald bringen wird, bisher öfters zu repetiren Gelegenheit gehabt und ich hoffe man wird mir nun bald meine eignen Worte wieder vorsagen.

Leben Sie recht wohl, ich bin vom besten Humor weil bis jetzt wirklich alles recht gut geht.

Schicken Sie mir doch ein paar Abdrücke des Prologs mit den Botenweibern und die Kapucinerpredigt je eher je lieber.

Weimar am 8. October 1798.

G.


523. An Goethe.

Jena den 9. October 1798.

Dank für die überschickten Decken und Kupfer, die wir hier recht nöthig brauchten, und für die guten Nachrichten besonders, die Sie mir vom Gang unsrer Theatralien schreiben. Der Aufschub des Stücks kann mir nicht anders als lieb sein; auf den Donnerstag hoffe ich bei guter Zeit da sein zu können. Bei dieser belebten Behandlung der Sache entwickeln sich allerlei Dinge in meinem Kopf, die dem Wallenstein noch zu statten kommen werden. Das Vorspiel denke ich noch viel mehr für das Ganze zu benutzen, und weiß auch schon viele bedeutende Striche, die es noch zu seinem Vortheil erhalten soll. Die Arbeit wird mir vergrößert und doch zugleich beschleunigt werden.

Hätte ich gedacht daß die Capuzinerpredigt morgen früh nicht zu spät kommen würde, so hätte sie noch besser ausfallen müssen. Im Grund macht es mir große Lust, auf diese Fratze noch etwas zu verwenden; denn dieser Pater Abraham ist ein prächtiges Original, vor dem man Respekt bekommen muß, und es ist eine interessante und keineswegs leichte Aufgabe es ihm zugleich in der Tollheit und in der Gescheidigkeit nach- oder gar zuvorzuthun. Indeß werde ich das möglichste versuchen.

Das Soldatenlied habe ich noch mit ein paar Versen vermehrt, die ich beilege. Es däucht mir daß es gut sein wird, dem Zuschauer Anfangs etwas Zeit zu geben, so wie auch den Statisten selbst, die Gruppe in ihrer Bewegung zu sehen, und die Anordnungen zu machen. Sie werden es wohl so einrichten, daß mehrere Stimmen sich in die Strophen theilen, und daß auch ein Chorus die letzten Zeilen immer wiederholt.

Sie haben es mit den Veränderungen, die Sie in meinem Text vorgenommen ganz gnädig gemacht. Von einigen ist mir die Ursache nicht gleich klar, doch darüber werden wir sprechen. Solche Kleinigkeiten führen oft zu den nützlichsten Bemerkungen.

Leben Sie recht wohl. Ich freue mich nur, daß Lust und Humor Sie bei dieser mechanischen Hetzerei nicht verlassen.

Meine Frau grüßt aufs beste.

Sch.

Sollten Sie mir morgen mit der Botenfrau noch etwas zu sagen haben, so lassen Sie ihr doch einprägen, mir den Brief zeitig zu übergeben. Ich erhalte ihn sonst erst Donnerstags.


524. An Schiller.

Alles wohl in Betrachtung gezogen, und mit besonderer Zustimmung unserer geistlichen und leiblichen Müdigkeit, gedenken wir heute Abend zu Hause zu bleiben, und wünschen eine gute und geruhige Nacht.

Ist es möglich mir auf morgen früh Ihren Abschreiber zu schicken, so werde ich durch ihn besonders gefördert sein.

[Jena] den 18. October 1798.

G.


525. An Goethe.

[Jena den 18. October 1798.]

Nach dem heutigen wohl zurückgelegten Tag ist die Ruhe freilich das beste. Ich freue mich, daß alles so heiter und vergnügt von uns geschieden ist, und was mich selbst betrifft, so habe ich einen recht angenehmen Tag durchlebt.

Ich hoffe, Sie morgen desto länger zu sehen. Nach dem Abschreiber will ich mit dem frühesten schicken.

Schlafen Sie recht wohl.

Sch.


526. An Schiller.

Das Opus hat mich länger aufgehalten als ich dachte; es ist nicht mehr Zeit es abzuschreiben: wir wollen daher dieses saubere Concept auf den Abend abschicken. Zur Bequemlichkeit des Setzers habe ich die Verse roth vorgestrichen, welche mit anderer Schrift zu drucken sind.

Gehen Sie doch den Aufsatz bedächtig durch, ob man vielleicht noch etwas einschaltete oder anhinge. Ich will heute bei Zeiten kommen und wir schicken das Paket, vom Garten aus, weg. Leben Sie recht wohl.

[Jena] Den 19. October 1798.

G.


527. An Goethe.

Jena den 23. October 1798.

Es ist schade, daß Sie diese letzten schönen Tage nicht noch in Jena ausgewartet haben. Es geht uns darin ganz wohl, ob ich gleich in meiner Arbeit nicht so schnell fortrücke, als ich dachte. Die Umsetzung meines Texts in eine angemessene, deutliche und maulrechte Theatersprache ist eine sehr aufhaltende Arbeit, wobei das schlimmste noch ist, daß man über der nothwendigen und lebhaften Vorstellung der Wirklichkeit, des Personals und aller übrigen Bedingungen allen poetischen Sinn abstumpft. Gott helfe mir über diese Besogne hinweg. Uebrigens konnte es nicht fehlen, daß dieser deutliche Theaterzweck, auf den ich jetzt losarbeite, mich nicht auch zu einigen neuen wesentlichen Zusätzen und Veränderungen veranlaßt hätte, welche dem Ganzen zuträglich sind.

Ich habe seit Ihrer Abreise nichts vorgenommen als meine Arbeit, und nichts gesehen als meine Familie, kann Ihnen also heute nichts neues noch sonst erbauliches schreiben. Wenn Sie etwas in Erfahrung bringen, so lassen Sie mich's ja wissen.

Leben Sie recht wohl. Meine Frau empfiehlt sich. An Meyern schöne Grüße.

Sch.

Beiliegenden Almanach bitte an Herdern abgeben zu lassen.


528. An Goethe.

Jena den 26. October 1798.

Ein Besuch, der mir bis in den späten Abend blieb, läßt mich heute nicht viel sagen. Ich bitte Sie mir die Auslagen für den Almanach aufsetzen zu lassen und bald möglichst zu senden, daß ich diese Sache mit Cotta berichtigen kann. Auch frage ich an, ob die 24 Louisdors, welche wir Ihnen für den Almanach schuldig geworden, hier an Sie bezahlt oder bei Cotta berechnet werden. Wenn Sie Montags nicht selbst hier sind, so bitte ich mir bis dahin Ihre Antwort darüber aus.

Herzlich grüßen wir Sie. Ich muß mit Herrn Cottas Formel schließen:

In Eil.

Sch.


529. An Schiller.

Endlich ist denn auch die erste Redoute, mit männiglicher Zufriedenheit, vorüber und das Lokal zu diesem Zwecke nun auch bestimmt. Ich muß noch einige Tage verschiedenen Geschäften widmen, Dienstag nach Roßla gehen, so daß ich glaube Sonntags den 4. November bei Ihnen zu sein und den übrigen Monat mit Ihnen zuzubringen. Mich verlangt es gar sehr nach einer Folge von innerer Thätigkeit, die ich leider bisher so lange nicht genossen habe. Unsere Schauspieler mögen mittlerweile einige Nova, welche, aufrichtig zu reden, von schrecklicher Art sind, lernen und vortragen. Die Rechnung wegen der Auslagen liegt bei; Professor Meyer hat sie gemacht und erwartet deren gelegentliche Wiedererstattung.

Den Betrag für den Musenalmanach, für welchen im voraus danke, wünsche hier zu erhalten, ob es gleich auf eins hinauskommt; denn Cotta hat mir früher oder später etwas zu remittiren.

Von Schrödern habe ich eine Antwort, die, wenn man seine Art kennt, welche freilich unglaublich trocken und abgelebt ist, so ganz freundlich und artig klingt. Es entscheidet sich aber doch dadurch, daß er diesen Winter nicht kommt, und wahrscheinlich auch künftigen nicht u. s. w. Es ist mir nur lieb, daß man wenigstens für die erste Zeit hierüber Gewißheit hat und seinen eignen Gang fortgehen kann. Hoffen und harren ist gar meine Sache nicht.

Leben Sie recht wohl und fahren fleißig in Ihrer Arbeit fort. Grüßen Sie Ihre liebe Frau und genießen der schönen Tage, welches mir versagt ist.

Weimar am 27. October 1798.

G.


530. An Goethe.

Jena den 30. October 1798.

Wir sind noch immer im Garten, wo wir uns des ungewöhnlich schönen Wetters noch recht erfreuen und vergessen daß es auf lange Zeit von uns Abschied nimmt. Mit Furcht sehe ich aber den November herankommen, wo ich so viel zu leisten, und einen so unfreundlichen Himmel zu erwarten habe. Das Geschäft rückte unterdessen weiter, aber nicht so schnell, als Sie vielleicht denken. Doch hoffe ich Ihnen wenn Sie kommen, die zwei ersten Akte ganz fertig, und in wenigen Tagen darauf auch die zwei letzten vorzulegen.

Ich habe mit großem Vergnügen unterdessen in den Propyläen gelesen, wo ich mich aufs neu an den klar und bestimmt herausgesprochenen Wahrheiten und Kunstorakeln erbauet habe. Es ist mir, als wenn sie mir noch nie so nahe gerückt, so klar entgegen gekommen wären. Sie werden zwar wenigen zu gute kommen, aber es ist nur gut, daß Sie veranlaßt worden sind, damit herauszugehen. Es wird merkwürdig sein, wie mancher, der doch auch zu Ihrer Confession zu gehören glaubt, diese hohen Ideen seinen kleinlichen Begriffen accommodiren wird.

Daß Schröder sein Kommen so gar ungewiß macht und so weit hinausschiebt nimmt mich doch Wunder. Ich wäre begierig seinen Brief zu sehen, wenn Sie ihn mittheilen wollen. Indessen soll mir dieser Umstand etwas mehr Freiheit gegen ihn im Verkauf des Wallensteins verschaffen, wenn ich es vielleicht nicht gar überhoben sein kann, mit ihm selbst zu tractiren, da er die Direction des Theaters so viel ich weiß an vier oder fünf Schauspieler verkauft hat.

Von Iffland habe noch keine Antwort.

Die Rechnungen sind an Cotta geschickt. Er hat mir auch ein gutes Exemplar der Propyläen gesendet, so daß Sie mir keins zu schicken brauchen.

Leben Sie recht wohl. Mir ist der Kopf von meinem Tagewerk nicht zum besten zugerichtet.

Meine Frau grüßt aufs schönste.

Sch.


531. An Schiller.

Hier schicke ich den Schröderischen Brief zum Zeugniß daß ich nicht übel gelesen habe. Ich habe nie sonderliche Hoffnung auf sein Kommen gehabt, indessen haben wir das unsrige gethan.

Der Herzog ist nicht wohl, darüber werde ich etwas später kommen, denn ich muß doch noch einmal vorher nach Roßla. Mich verlangt gar sehr zu sehen wie weit Sie gekommen sind, und fühle ein wahres Bedürfniß das Farbenwesen endlich einmal los zu werden. Die Propyläen sind für mich eine wahre Wohlthat, indem sie mich endlich nöthigen die Ideen und Erfahrungen, die ich mit mir so lange herumschleppe, auszusprechen. Es freut mich sehr wenn Ihnen das erste Stück recht freundlich und gemüthlich entgegen gekommen ist. Leben Sie recht wohl, genießen Sie der schönen Tage, ich habe jetzt nur meine großen Zimmer im Schloß und meinen neuen Ofen im Auge, und hege keinen andern Wunsch als von der Chromatik entbunden zu sein; doch wer kann wissen was über uns verhängt sei. Grüßen Sie Ihre liebe Frau und bleiben Sie fest im Bunde des Ernstes und der Liebe, alles übrige ist ein leeres und trauriges Wesen.

Weimar am 31. October 1798.

G.


532. An Goethe.

Jena den 2. November 1798.

Herrn Schröders Brief send' ich anbei zurück. Wir haben, wie ich sehe, ohne seinen Ehrgeiz in Bewegung zu setzen, bloß seiner Eitelkeit geschmeichelt, und unsere Artigkeiten gegen ihn werden, scheint es, bloß dazu gebraucht werden, sein Schmollen mit den Hamburgern desto pikanter zu machen. Es ist klein und armselig, daß er diese lokale Bitterkeiten gegen Menschen, von denen man in Weimar keine Notiz nimmt, in diese reine freie Kunstangelegenheit und in den Brief an Sie konnte mit einfließen lassen.

NB. Es ist dringend nöthig daß noch 600 Kupfer und Umschläge vom Almanach so schnell als möglich abgedruckt werden. Haben Sie daher die Güte Meyern zu ersuchen, daß er dieses ja schleunigst besorgen möge, und daß ich spätestens auf den Mittwoch Abend 400 davon bekomme. Ich hatte es Cotta ersparen wollen, unnöthig Geld für diese Sache auszugeben, aber die Gewohnheit, Exemplare auf Commission zu versenden, macht daß eine große Zahl mehr verschickt als wirklich gekauft wird. Ich sende zu den Titelkupfern Papier, für die Umschläge kann es Meyer in Weimar wohl finden, hellgelbes scheint das wohlfeilste zu sein.

Ueber den Almanach habe ich noch wenig vernommen. Von Körnern erwarte ich den gewöhnlichen umständlichen Brief darüber; vorläufig habe ich nur von ihm gehört, was ihm am besten gefallen. Diese Art, oder Unart, aus Werken einer bestimmten poetischen Stimmung sich eines auszusuchen, und ihm wie einem besser schmeckenden Apfel den Vorzug zu geben, ist mir immer fatal, obgleich es keine Frage ist, daß unter mehreren Productionen immer eins das bessere sein kann und wird. Aber das Gefühl sollte gegen jedes besondere Werk einer besondern Stimmung gerechter sein, und gewöhnlich sind hinter solchen Urtheilen doch nur Sperlingskritiken versteckt.

Ich hätte gar nicht übel Lust, sobald ich vor dem Wallenstein nur Ruhe habe, zu demjenigen Theil Ihrer Einleitung in die Propyläen und des Gesprächs, der von der unästhetischen Forderung des Naturwirklichen handelt, das Gegenstück zu machen, und die entgegengesetzte, aber damit gewöhnlich verbundene, Forderung des Moralischen und Naturmöglichen, oder vielmehr Vernunftmöglichen anzugreifen: denn wenn man von dieser Seite auch noch herankommt, so bekommt man den Feind recht in die Mitte. Sie konnten davon nicht wohl reden, weil diese Unart nicht sowohl die bildenden Künste und Urtheile darüber, als die poetischen Werke und Kritiken derselben anzustecken pflegt.

Leben Sie recht wohl für heute. Es ist mir unangenehm, daß Ihre Hieherkunft verzögert wird. Hier heißt es, man würde morgen Wallensteins Lager wieder spielen, ich zweifle aber daran.

Leben Sie recht wohl. Die Frau grüßt aufs beste.

Die 600 Kupfer und Umschläge empfehle nochmals.

Schiller.


533. An Goethe.

Jena den 6. November 1798.

Ich schreibe Ihnen von meinem Castell in der Stadt; wir sind heut eingezogen, und abgemattet wie ich bin kann ich Ihnen nichts als einen guten Abend sagen. Wir haben lange nichts von Ihnen gehört, es ist mir etwas ganz ungewohntes, an das ich mich auch nicht gewöhnen möchte.

Die Arbeit geht übrigens ihren Gang fort, und Sie sollen schon etwas gethan finden, wenn Sie kommen.

An die Decken und Kupfer erinnre nochmals; ich werde sehr drum gemahnt.

Leben Sie recht wohl. Die Frau grüßt aufs beste.

Sch.


534. An Schiller.

Ihren Brief, mein Werthester, habe ich leider erst gestern Abend gefunden als ich von Roßla zurückkam. Professor Meyer wird das mögliche thun Ihnen die Abdrücke bald zu schaffen.

Ich gratulire zum Einzug in die Stadt. Die Nachbarschaft giebt denn doch, besonders den Winter, eine lebhaftere und bequemere Communication.

Schröders Antwort ist, wie es scheint, Ihnen sonderbarer als mir vorgekommen. Bei meinem radicalen Unglauben an die Menschen kommt mir so etwas ganz natürlich vor.

Eben so möchte ich auch wegen der Aufnahme des Almanachs sagen: wer nicht wie jener unvernünftige Sämann im Evangelio den Samen umherwerfen mag ohne zu fragen was davon und wo es aufgeht, der muß sich mit dem Publico gar nicht abgeben.

Ich wünsche guten Fortgang des Wallensteinischen Gedichtes. Was mich betrifft so komme ich diesmal mit dem festen Vorsatz zu Ihnen mir das Farbenwesen, es koste was es wolle, vom Halse zu schaffen. Ich habe es diese letzten Tage einmal wieder ganz überdacht und die Darstellung meiner Ansichten scheint mir immer möglicher zu werden.

Leben Sie recht wohl und grüßen Ihre liebe Frau; ich werde nun nicht lange mehr außen bleiben.

Weimar am 7. November 1798.

G.


535. An Goethe.

Jena den 9. November 1798.

Ich bin seit gestern endlich an den poetisch wichtigsten, bis jetzt immer aufgesparten Theil des Wallensteins gegangen, der der Liebe gewidmet ist, und sich seiner frei menschlichen Natur nach von dem geschäftigen Wesen der übrigen Staatsaction völlig trennt, ja demselben, dem Geist nach, entgegensetzt. Nun erst, da ich diesem letztern die mir mögliche Gestalt gegeben, kann ich mir ihn aus dem Sinne schlagen und eine ganz verschiedene Stimmung in mir aufkommen lassen; und ich werde einige Zeit damit zuzubringen haben, ihn wirklich zu vergessen. Was ich nun am meisten zu fürchten habe ist, daß das überwiegende menschliche Interesse dieser großen Episode an der schon feststehenden ausgeführten Handlung leicht etwas verrücken möchte: denn ihrer Natur nach gebührt ihr die Herrschaft, und je mehr mir die Ausführung derselben gelingen sollte, desto mehr möchte die übrige Handlung dabei ins Gedränge kommen. Denn es ist weit schwerer ein Interesse für das Gefühl als eins für den Verstand aufzugeben.

Vor der Hand ist nun mein Geschäft, mich aller Motive, die im ganzen Umkreis meines Stücks für diese Episode und in ihr selbst liegen zu bemächtigen, und so, wenn es auch langsam geht, die rechte Stimmung in mir reifen zu lassen. Ich glaube mich schon auf dem eigentlichen rechten Weg zu finden und hoffe daher keine verlorene frais zu machen.

So viel muß ich aber vorher sagen, daß der Piccolomini nicht eher aus meiner Hand in die der Schauspieler kommen kann und darf, als bis wirklich auch das dritte Stück, die letzte Hand abgerechnet, ganz aus der Feder ist. Und so wünsche ich nur, daß mir Apollo gnädig sein möchte, um in den nächsten sechs Wochen meinen Weg zurückzulegen.

Damit mir meine bisherige Arbeit aus den Augen komme, sende ich sie Ihnen gleich jetzt. Es sind nur eigentlich zwei kleine Lücken geblieben, die eine betrifft die geheime mystische Geschichte zwischen Octavio und Wallenstein, und die andre die Präsentation Questenbergs an die Generale, welche mir in der ersten Ausführung noch etwas steifes hatte, und wo mir die rechte Wendung noch nicht einfiel. Die zwei ersten und die zwei letzten Acte sind sonst fertig, wie Sie sehen, und der Anfang des dritten ist auch abgeschrieben.

Vielleicht hätte ich mir's ersparen können, Ihnen das Manuscript nach Weimar zu schicken, da ich Sie, nach Ihrem letzten Brief, jeden Tag erwarten kann.

Zu den Farbenuntersuchungen wünsche ich Ihnen ernstlich Glück, denn es wird sehr viel gewonnen sein, wenn Sie diese Last sich vom Herzen gewälzt haben, und da der Winter Sie so nicht zum produktiven stimmt, so können Sie ihn nicht besser anwenden, als wenn Sie, neben der Sorge für die Propyläen, dieser Arbeit sich widmen.

Was von Decken und Kupfern fertig ist, bitte mir mit der Botenfrau zu senden. Von den Kupfern brauche ich 115 weniger als bestellt sind, denn so viel fanden sich zufälligerweise noch. Ich ersuche Meyern diese abzustellen, wenn's noch Zeit ist.

Daß mir Iffland noch nicht geantwortet, kommt mir bedenklich vor, denn er pressirte mich selbst so sehr, und es ist sein Interesse das Stück bald zu haben, wenn er es ernstlich will.

Leben Sie nun recht wohl. Mein Aufenthalt in der Stadt ist mir bisher ganz gut bekommen. Meine Frau grüßt.

Sch.


536. An Schiller.

Hier schicke ich Abdrücke, so viel fertig geworden sind, ich weiß selbst nicht wie viel.

Morgen gegen Abend bin ich bei Ihnen und hoffe eine Zeit lang zu bleiben. Mögen meine Wünsche nicht vergeblich sein!

Für den Wallenstein danke ich; die zwei ersten Acte habe ich heute früh mit großem Vergnügen gelesen. Den ersten, den ich nun so genau kenne, halte ich fast durchaus für theatralisch zweckmäßig. Die Familienscenen sind sehr glücklich und von der Art die mich rührt. In der Audienzscene möchten einige historische Punkte deutlicher auszusprechen sein, so wie ich in meiner Ausgabe des Prologs den Wallenstein zweimal genannt habe. Man glaubt nicht was man deutlich zu sein Ursache hat. Doch wird uns über alles dieses das Gespräch bald aufklären worauf ich mich sehr freue. Leben Sie recht wohl, ich sage nichts weiter.

Weimar am 10. November 1798.

G.


537. An Schiller.

Indem ich das Schema der physiologischen Farben überschicke, empfehle ich es zur Beherzigung, als Base unserer Untersuchungen und Disceptationen.

Knebel empfiehlt sich und schickt einen Properz.

Darf ich um Sulzers Wörterbuch bitten? Es ist nun Zeit daß ich mich nach den hergebrachten Vorstellungsarten umsehe. Der ich wünsche wohl geschlafen zu haben.

[Jena.] Am 16. November 1798.

Zugleich folgt auch noch ein Exemplar Propyläen.

G.


538. An Goethe.

[Jena, 21. Nov. 1798.]

Ich bitte mir die Piccolominis aus. Iffland, der heute geschrieben und meinen Contract ratificirt hat, treibt mich, das Stück bald zu schicken, und so muß ich denn die Nebenstunden benutzen, ihm seine letzte Gestalt zu geben. Auch wollen wir wenn es Ihnen recht ist, in diesen Tagen über die Theaterforderungen an das Stück übereinzukommen suchen.

S.


539. An Schiller.

[Jena, 24. November 1798.]

Dieser viele Schnee, wenn gleich das Barometer steigt, tractirt mich nicht zum besten, ich will daher zu Hause bleiben bis der Loderische Wagen mich zum Feenpalast der Literatur hinführt.

Mein Familiengemälde der Kunstfreunde und Sammler geht recht gut vorwärts. Dienstag Abend haben wir den Grund dazu gelegt und es wäre wirklich lustig genug wenn ich nächsten Dienstag damit aufwarten könnte.

Wie geht es mit Ihrer Arbeit? Ich wünsche gar sehr daß Sie darin vorschreiten mögen.

Wollten Sie mir nicht die Geschichte der Atlanten schicken? so eine hypothetische Lectüre ist nach Tische nicht übel. Leben Sie recht wohl und beschließen fröhlich diese Woche.

G.


540. An Goethe.

Jena den 24. November 1798.

Ich wünsche Ihnen also, da ich Sie heute nicht mehr sehe, eine reiche Ausbeute bei der heutigen Charakterausstellung. Ich selbst werde den Abend in stiller philosophischer Gesellschaft mit Schelling zubringen.

Der heutige Wintertag, durch das Schlittengeklingel unterbrochen, ist mir nicht unangenehm; und obgleich meine jetzige Arbeit nicht von der Art ist, daß sich die Fortschritte gut bemerken lassen, so bin ich doch nicht unthätig.

Anbei folgen die Atlanten, die Sie doch vielleicht unterhalten, da sich der verwegene oratorische Ton an Diderots Kunstreflexionen einigermaßen anschließt, den Geist immer ausgenommen.

Leben Sie recht wohl. Ich hoffe morgen viel von Ihnen zu hören.

Sch.


541. An Goethe.

Jena den 30. November 1798.

Ich bin es diese Tage her so gewohnt worden, daß Sie in der Abendstunde kamen, und die Uhr meiner Gedanken aufzogen und stellten, daß es mir ganz ungewohnt thut, nach gethaner Arbeit, mich an mich selbst verwiesen zu sehen. Besonders wünschte ich, daß es uns nicht erst am letzten Tag eingefallen wäre, den chromatischen Cursus anzufangen, denn gerade eine solche reine Sachbeschäftigung gewährte mir eine heilsame Abwechslung und Erholung von meiner jetzigen poetischen Arbeit, und ich würde gesucht haben, mir in Ihrer Abwesenheit auf meine eigene Weise darin fortzuhelfen. So viel bemerkte ich indessen, daß ein Hauptmoment in der Methode sein wird, den rein faktischen so wie den polemischen Theil aufs strengste von dem hypothetischen unterschieden zu halten, daß die Evidenz des Falles und die des Newtonischen Falsums nicht in das problematische der Erklärung verwickelt werde, und daß es nicht scheine, als wenn jene auch so wie diese einen gewissen Glauben postulire. Es liegt zwar schon in Ihrer Natur, die Sache und die Vorstellung wohl zu trennen, aber demungeachtet ist es kaum zu vermeiden, daß man eine gangbar gewordene Vorstellungsweise nicht zuweilen den Dingen selbst unterschiebt, und aus einem bloßen Instrument für das Denken eine Realursache zu machen geneigt ist.

Ihre lange Arbeit mit den Farben und der Ernst, den Sie darauf verwendet, muß mit einem nicht gemeinen Erfolg belohnt werden. Sie müssen, da Sie es können, ein Muster aufstellen, wie man physikalische Forschungen behandeln soll, und das Werk muß durch seine Behandlung eben so belehrend sein als durch seine Ausbeute für die Wissenschaft.

Wenn man überlegt, daß das Schicksal dichterischer Werke an das Schicksal der Sprache gebunden ist, die schwerlich auf dem jetzigen Punkte stehen bleibt, so ist ein unsterblicher Name in der Wissenschaft etwas sehr wünschenswürdiges.

Heute endlich habe ich den Wallenstein zum erstenmal in die Welt ausfliegen lassen und an Iffland abgeschickt. Die Costumes werden Sie so gütig sein, ihm bald schicken zu lassen, weil er sie bald nöthig haben könnte. Ich hab' ihn vorläufig davon benachrichtigt.

Meyern, den ich bestens grüße, bitte um Zurücksendung der quittirten Rechnung.

Leben Sie recht wohl in Ihren jetzigen Zerstreuungen. Wie wünschte ich, daß Sie mir Ihre Muse, die Sie jetzt gerade nicht brauchen, zu meiner jetzigen Arbeit leihen könnten.

Die Frau grüßt Sie bestens. Leben Sie wohl.

Sch.


542. An Schiller.

Wie sehr unterschieden ist der Nachklang unserer ruhigen Betrachtungen den ich aus Ihrem Briefe vernehme, von dem Getöse das mich die Paar Tage meines hiesigen Aufenthaltes schon wieder umgiebt. Doch war er nicht ohne Nutzen für mich; denn Graf Frieß hat unter andern ein Dutzend alte Kupfer von Martin Schön mitgebracht an denen ich zuerst das Verdienst und Unverdienst dieses Künstlers schematisiren konnte. Es ist uns höchst wahrscheinlich, obgleich Freund Lerse die entgegengesetzte Hypothese hat, daß die Deutschen in einer frühern Connexion mit Italien gestanden.

Martin Schön hat nach Masaccios Tode noch vierzig Jahre gelebt; sollte in dieser Zeit gar kein Hauch über die Alpen herüber gekommen sein? Ich habe über diese Sache niemals nachgedacht, sondern sie eben so gut sein lassen; sie interessirt mich aber für die Zukunft mehr.

Die Behandlungsart, die Sie den chromatischen Arbeiten vorschreiben, bleibt freilich mein höchster Wunsch, doch fürchte ich fast, daß sie, wie jede andere Idee unerreichbar sein wird; das mögliche wird durch Ihre Theilnahme hervorgebracht werden. Jedermann hält die Absonderung der Hypothese vom Facto sehr schwer, sie ist aber noch schwerer als man gewöhnlich denkt, weil jeder Vortrag selbst, jede Methode schon hypothetisch ist.

Da Sie als ein Dritter nunmehr nach und nach meinen Vortrag anhören, so werden Sie das Hypothetische vom Factischen besser trennen als ich es nun künftig jemals vermag, weil sich gewisse Vorstellungsarten doch bei mir festgesetzt, und gleichsam factisirt haben. Ferner ist Ihnen das interessant woran ich mich schon matt und müde gedacht habe, und Sie finden die Hauptpunkte worauf das meiste ankommt eher heraus. Doch davon ist jetzt keine Zeit zu reden; ich erwarte Freunde zum Frühstück und von da wird es bis zur Zauberflöte zwar nicht feenmäßig, doch bunt und unruhig genug zugehen.

Leben Sie recht wohl, grüßen Ihre liebe Frau und gedenken mein, wenn Sie den Braten verzehren den ich Ihnen hier überschicke.

Weimar den 4. December 1798.

G.


543. An Goethe.

Jena den 4. December 1798.

Ich muß Sie heute mit einer astrologischen Frage behelligen, und mir Ihr ästhetisch-kritisches Bedenken in einer verwickelten Sache ausbitten.

Durch die größere Ausdehnung der Piccolomini bin ich nun genöthigt, mich über die Wahl des astrologischen Motivs zu entscheiden, wodurch der Abfall Wallensteins eingeleitet werden und ein muthvoller Glaube an das Glück der Unternehmung in ihm erweckt werden soll. Nach dem ersten Entwurf sollte dieß dadurch geschehen, daß die Constellation glücklich befunden wird, und das Speculum astrologicum sollte in dem bewußten Zimmer vor den Augen des Zuschauers gemacht werden. Aber dieß ist ohne dramatisches Interesse, ist trocken, leer und noch dazu wegen der technischen Ausdrücke dunkel für den Zuschauer. Es macht auf die Einbildungskraft keine Wirkung und würde immer nur eine lächerliche Fratze bleiben. Ich habe es daher auf eine andere Art versucht, und gleich auszuführen angefangen, wie Sie es aus der Beilage ersehen.

Die Scene eröffnete den Vierten Akt der Piccolomini, nach der neuen Eintheilung, und ginge dem Auftritte, worin Wallenstein Sesins Gefangennehmung erfährt und worauf der große Monolog folgt, unmittelbar vorher; und es wäre die Frage, ob man des astrologischen Zimmers nicht ganz überhoben sein könnte, da es zu keiner Operation gebraucht wird.

Ich wünschte nun zu wissen, ob Sie dafür halten, daß mein Zweck, der dahin geht, dem Wallenstein durch das Wunderbare einen augenblicklichen Schwung zu geben, auf dem Weg den ich gewählt habe, wirklich erreicht wird, und ob also die Fratze, die ich gebraucht, einen gewissen tragischen Gehalt hat, und nicht bloß als lächerlich auffällt. Der Fall ist sehr schwer, und man mag es angreifen wie man will, so wird die Mischung des Thörichten und Abgeschmackten mit dem Ernsthaften und Verständigen immer anstößig bleiben. Auf der andern Seite durfte ich mich von dem Charakter des Astrologischen nicht entfernen, und mußte dem Geist des Zeitalters nahe bleiben, dem das gewählte Motiv sehr entspricht.

Die Reflexionen, welche Wallenstein darüber anstellt, führe ich vielleicht noch weiter aus, und wenn nur der Fall selbst dem tragischen nicht widersprechend und mit dem Ernst unvereinbar ist, so hoffe ich ihn durch jene Reflexionen schon zu erheben.

Haben Sie nun die Güte und sagen mir darüber Ihre Meinung.

Das jetzige fatale Wetter setzt mir sehr zu, und ich habe durch Krämpfe und Schlaflosigkeiten wieder einige Tage für meine Arbeit verloren.

Meine Frau empfiehlt sich aufs beste, und für den Braten danken wir Ihnen gar schön. Er ist sehr willkommen gewesen.

Leben Sie recht wohl. Ich wünsche zu hören, daß Sie in Ihren Schematibus etwas vorrücken mögen.

Sch.


544. An Schiller.

Ihr Brief findet mich in großer Zerstreuung und in Beschäftigungen, die mit einem ästhetischen Urtheile über dramatische Motive nichts gemeines haben. Ich muß also um Aufschub bitten, bis ich meine Gedanken über Ihre Anfrage sammeln kann. Dem ersten Anblick nach scheint mir die Idee sehr wohl gefunden und ich sollte denken, daß man dabei acquiesciren könnte. Denn, wie Sie auch selbst bemerken, so scheint immer ein unauflösbarer Bruch zwischen dieser Fratze und der tragischen Würde übrig zu bleiben und es kann vielleicht immer nur die Frage sein: ob sie etwas würdiges hervorbringe? und das scheint mir diesmal geleistet.

Ist doch selbst der politische Stoff nicht viel besser als der astrologische und mich dünkt man müßte den astrologischen, um ihn zu beurtheilen, nicht unmittelbar gegen das Tragische halten, sondern das Astrologische wäre als ein Theil des historisch, politisch, barbarischen Temporären mit in der übrigen Masse gegen das Tragische zu stellen und mit ihm zu verbinden.

Den fünffachen Buchstaben, ob er mir gleich wohl gefällt, weiß ich noch nicht gegen jenes astrologische Zimmer zu bilanciren; beides scheint etwas für sich zu haben. Und ich muß endigen wie ich anfing daß ich heute weder im Stande bin rein zu empfinden noch recht zu denken.

Nehmen Sie daher nur noch ein Lebewohl und grüßen mir Ihre liebe Frau.

Weimar am 5. December 1798.

G.


545. An Goethe.

Jena den 7. December 1798.

Wir leben jetzt wieder in sehr entgegengesetzten Zuständen, Sie unter lauter Zerstreuungen, die Ihnen keine Sammlung des Gemüths erlauben, und ich in einer Abgeschiedenheit und Einförmigkeit, die mich nach Zerstreuung seufzen macht, um den Geist wieder zu erfrischen. Ich habe übrigens diese traurigen Tage, die sich erst heute wieder aufhellten, nicht ganz unnütz verbracht, und einige bedeutende Lücken in meiner Handlung ausgefüllt, wodurch sie sich immer mehr rundet und stetiger wird. Es sind verschiedene ganz neue Scenen entstanden, die dem Ganzen sehr gut thun. Auch jenen nicht ganz aufzuhebenden Bruch, von dem Sie schreiben, in Betreff des Tollen und Vernünftigen, seh' ich dadurch etwas vermindert, indem alles darauf ankommt, daß jene seltsame Verbindung heterogener Elemente als beharrender Charakter erscheine, aus dem Total des Menschen hervorkomme und sich überall offenbare. Denn wenn es gelingt, sie nur recht individuell zu machen, so wird sie wahr, da das individuelle zur Phantasie spricht, und man es also nicht mit dem trockenen Verstand zu thun hat.

Wenn Sie glauben, daß wir das astrologische Zimmer nicht einbüßen sollten, so ließe sich immer noch Gebrauch davon machen, auch im Fall, daß wir die andere Fratze behielten. Das Mehr schadet hier nichts, und eins hilft dem andern. Mir ist eigentlich nur darum zu thun, daß ich von Ihnen wisse, ob das neulich überschickte überall nur statthaft ist, denn es ist gar nicht nöthig, daß etwas anderes dadurch ausgeschlossen wird.

Ich weiß Ihnen heute nichts zu sagen, was Sie interessiren könnte, denn ich bin nicht aus meiner Arbeit gekommen, und habe auch von außen nichts in Erfahrung gebracht.

Wollten Sie mir nicht das Buch über den Caucasus verschaffen, von dem Sie mir öfters sagten. Ich habe jetzt gerade ein Bedürfniß nach einer ergötzlichen Lectüre.

Leben Sie recht wohl, an Meyern viele Grüße. Meine Frau empfiehlt sich.

Sch.


546. An Schiller.

Wie sehr wünschte ich gerade über die vorliegende Frage mit Ihnen einen Abend zu conversiren, denn sie ist doch um vieles wichtiger als jene Quästion: in welcher Ordnung die Rüstung erscheinen soll. Ich fasse mich nur kurz zusammen und gehe über alles hinaus, worüber wir einig sind.

Ich halte nach vielfältiger Ueberlegung das astrologische Motiv für besser als das neue.

Der astrologische Aberglaube ruht auf dem dunkeln Gefühl eines ungeheuren Weltganzen. Die Erfahrung spricht, daß die nächsten Gestirne einen entschiedenen Einfluß auf Witterung, Vegetation u. s. w. haben; man darf nur stufenweise immer aufwärts steigen und es läßt sich nicht sagen wo diese Wirkung aufhört. Findet doch der Astronom überall Störungen eines Gestirns durchs andere; ist doch der Philosoph geneigt, ja genöthigt eine Wirkung auf das Entfernteste anzunehmen. So darf der Mensch im Vorgefühl seiner selbst nur immer etwas weiter schreiten und diese Einwirkung aufs sittliche, auf Glück und Unglück ausdehnen. Diesen und ähnlichen Wahn möchte ich nicht einmal Aberglauben nennen, er liegt unserer Natur so nahe, ist so leidlich und läßlich als irgend ein Glaube.

Nicht allein in gewissen Jahrhunderten, sondern auch in gewissen Epochen des Lebens, ja bei gewissen Naturen, tritt er öfter als man glauben kann, herein. Hat doch der verstorbne König in Preußen blos darum auf den Wallenstein gehofft, weil er erwartete daß dieses Wesen ernsthaft darin behandelt sein würde.

Der moderne Orakel-Aberglaube hat auch manches poetische Gute, nur ist gerade diejenige Species, die Sie gewählt haben, dünkt mich, nicht die beste, sie gehört zu den Anagrammen, Chronodistichen, Teufelsversen, die man rückwärts wie vorwärts lesen kann und ist also aus einer geschmacklosen und pedantischen Verwandtschaft, an die man durch ihre incurable Trockenheit erinnert wird. Die Art wie Sie die Scene behandelt haben, hat mich wirklich im Anfang so bestochen daß ich diese Eigenschaften nicht merkte und nur erst durch Reflexion darauf kam. Uebrigens mag ich nach meiner Theatererfahrung herumdenken wie ich will, so läßt sich dieses Buchstabenwesen nicht anschaulich machen. Die Lettern müssen entweder verschlungen sein wie die M des Matthias. Die F müßte man in einen Kreis stellen, die man aber, wenn man sie auch noch so groß macht, von weitem nicht erkennen würde.

Das sind meine Bedenklichkeiten, zu denen ich nichts weiter hinzufüge. Ich habe mit Meyern darüber consultiert, welcher auch meiner Meinung ist. Nehmen Sie nun das beste heraus. Mein sehnlichster Wunsch ist, daß Ihre Arbeit fördern möge.

Meine zerstückelte Zeit bis Neujahr will ich so gut als möglich zu benutzen suchen. Das zweite Stück der Propyläen ist nun ganz abgegangen. Manuscript zum dritten ist vorräthig, wovon etwa nur noch die Hälfte zu redigiren ist; ich werde mein möglichstes thun auch damit in drei Wochen fertig zu werden.

Zu dem vierten Stück habe ich einen besondern Einfall, den ich Ihnen communiciren will und überhaupt denke ich mich so einzurichten daß mir das Frühjahr zu einer größeren Arbeit frei bleibt. Die Schemata zur Chromatik hoffe ich mit Ihrem Beistand auch bald vorwärts zu bringen.

Und so geht ein närrisch mühsames Leben immer fort, wie das Mährchen der Tausend und Eine Nacht, wo sich immer eine Fabel in die andere einschachtelt. Leben Sie recht wohl und grüßen Sie die liebe Frau.

Weimar, am 8. December 1798.

G.


547. An Goethe

Jena den 11. December 1798.

Es ist eine rechte Gottesgabe um einen weisen und sorgfältigen Freund, das habe ich bei dieser Gelegenheit aufs neue erfahren. Ihre Bemerkungen sind vollkommen richtig und Ihre Gründe überzeugend. Ich weiß nicht welcher böse Genius über mir gewaltet, daß ich das astrologische Motiv im Wallenstein nie recht ernsthaft anfassen wollte, da doch eigentlich meine Natur die Sachen lieber von der ernsthaften als leichten Seite nimmt. Die Eigenschaften des Stoffes müssen mich anfangs zurückgeschreckt haben. Ich sehe aber jetzt vollkommen ein, daß ich noch etwas bedeutendes für diese Materie thun muß und es wird auch wohl gehen, ob es gleich die Arbeit verlängert.

Leider fällt diese für mich so dringende Epoche des fertig werdens in eine sehr ungünstige Zeit: ich kann jetzt gewöhnlich über die andere Nacht nicht schlafen, und muß viel Kraft anwenden, mich in der nöthigen Klarheit der Stimmung zu erhalten. Könnte ich nicht durch meinen Willen etwas mehr, als andere in ähnlichen Fällen können, so würde ich jetzt ganz und gar pausiren müssen.

Indessen hoffe ich Ihnen doch die Piccolomini zum Christgeschenk noch schicken zu können.

Möchten nur auch Sie diese nächsten schlimmen Wochen heiter und froh durchleben und dann im Januar wieder munter zu uns und Ihren hiesigen Geschäften zurückkehren.

Ich bin neugierig zu erfahren, was Sie für das vierte Stück der Propyläen ausgedacht.

Leben Sie recht wohl. Ich erhalte einen Abendbesuch von meinem Hausherrn, der mich hindert mehr zu sagen.

Die Frau grüßt Sie herzlich. Meyern viele Grüße.

Sch.


548. An Schiller.

Es freut mich, daß ich Ihnen etwas habe wieder erstatten können von der Art in der ich Ihnen so manches schuldig geworden bin. Ich wünschte nur daß mein guter Rath zu einer günstigen Jahrszeit hätte anlangen können, damit Sie dadurch schneller gefördert wären; denn ich muß Sie wirklich bedauern daß die Zeit der Vollendung in diese Tage fällt, die eben unsere Freunde nicht sind.

Glücklicherweise habe ich entdeckt, daß mich etwas ganz neues, d. h. worüber ich noch nicht gedacht habe, in diesen Stunden reizen und mich gewissermaßen productiv machen kann.

Ich schicke hier Grübels Gedichte, von denen ich schon einmal erzählte. Sie werden Ihnen Spaß machen. Ich habe eine Recension davon an Cotta zur neuen Zeitung geschickt, davon ich Ihnen eine Abschrift senden will. Ich habe die Gelegenheit ergriffen etwas über diese heitere Darstellungen, die nicht gerade immer den leidigen Schwanz moralischer Nutzanwendung hinter sich schleppen, etwas zu sagen.

Uebrigens halte ich mich bald an dieses bald an jenes, um nur die Zeit nicht ganz ungenutzt verstreichen zu lassen, und so mögen denn diese vierzehn Tage noch hingehen.

Ob Ihr erstes Stück Weihnachten fertig wird oder nicht, wird meinen Januaraufenthalt entscheiden; im ersten Fall hoffe ich Sie bei mir zu sehen, im zweiten denke ich Sie zu besuchen. Für heute leben Sie wohl und grüßen Ihre liebe Frau.

Weimar am 12. December 1798.

G.


549. An Goethe.

Jena den 14. December 1798.

Ich sage Ihnen heute nur einen freundlichen Gruß, denn der Schnupfen nimmt mir den Kopf so ein, daß ich ganz bethört von der Arbeit aufstehe. Möchten die nächsten harten drei Wochen nur für Sie und mich vorüber sein!

Für den Nürnberger Dichter danke ich; bis jetzt habe ich noch nicht viel in demselben lesen können. Es ist gar nicht übel, wenn Sie ein paar Worte zu seiner Empfehlung sagen; denn hier ist der Fall, wo keiner das Herz hätte, auf Risico des eignen Geschmacks zu loben, weil man auf keine modische Formel fußen kann.

Da Ihr Hieherkommen sich nach den Piccolominis richtet, so werde ich Sie wohl zuerst in Weimar sehen, denn ich darf dieses Stück, insofern es für die Bühne bestimmt ist, nicht unvollendet in die neue Jahrzahl hinüberschleppen; auch hoffe ich in dieser Zeit noch das nöthige dafür zu thun. Sobald etwas von den neuen Scenen in Ordnung und abgeschrieben ist, sende ich's Ihnen.

Leben Sie wohl für heute. Die Frau grüßt schönstens,

Sch.


550. An Schiller.

Bei mir geht die Arbeit noch so nothdürftig fort, indem ich allerlei vornehmen und daraus wählen kann was der Zeit und der Stimmung gemäß ist. Es wird mir ein rechtes Weihnachtsgeschenk sein wenn Sie mir den Piccolomini schicken.

Hier schicke ich was ich bei Gelegenheit Grübels ausgehen lassen. Es ist darauf angesehen daß es eine gewisse Partei ärgern soll. Die Materie muß in den Propyläen wieder gebracht und unter allen Formen erneuert werden, wozu mir schon ein Paar ganz närrische eingefallen sind.

Auch lege ich Gädikes Forderung bei, wegen des Drucks der Propyläen. Sie sind ja in dergleichen Berechnungen geübt, um zu überschlagen was aus diese Weise die Kosten eines ganzen Stückes sein würden.

Was ich außer dem Geschäftskreise thun konnte war die Vorbereitung des dritten Stücks, welches ich möglichst zu befördern suche, um zu Anfang des neuen Jahrs ganz frei zu sein. Und so werden denn doch die bösen drückenden Tage genutzt. Leben Sie recht wohl und suchen Sie aus dem Schlusse des Jahrs auch den möglichen Vortheil zu ziehen. Grüßen Sie Ihre liebe Frau.

Weimar am 15. December 1798.

G.


551. An Goethe.

Jena den 18. December 1798.

So wenig ich Anstand nehme, alles was Sie von unserm Volksdichter gutes sagen, im einzelnen wie im allgemeinen zu unterschreiben, so kommt es mir doch immer als eine gewisse Unschicklichkeit vor, auf einer so öffentlichen Stelle als die Allgemeine Zeitung ist, die Augen auf ihn zu ziehen; für die Vorzüge der Form ist einmal kein Sinn zu erwarten, und so wird das Kleine und Gemeine in den Gegenständen den delikaten Herren und Damen Anstoß geben und den Witzlingen eine Blöße. Das ist wenigstens mein Gefühl, wenn ich mir, bei Durchlesung Ihrer Anzeige, zugleich das Publicum vergegenwärtige, dem sie in die Hände kommt, und es däucht mir eine annehmliche Klugheitsregel, da wo es keine Ueberzeugungsgründe giebt, um durch die Vernunft zu siegen, das Gefühl nicht zu choquiren. Ein ganz anderes wäre es, wenn eben diese Anzeige in einem literarischen Blatt stünde: hier ist man befugt und verpflichtet, alles zu würdigen, und ins Detail zu gehen. In einer politischen Zeitung kann nur das, muthmaßlich allgemein interessirende Platz finden, nicht was gefallen sollte, sondern wie Boufflers sagt, was gefällt.

Ich habe mit großem Vergnügen diesen Boufflers gelesen; er ist überaus schön geschrieben und enthält scharmante Bemerkungen, so gut gedacht als gesagt. Freilich ist eine gewisse Enge und Dürftigkeit darin. Wenn er zuweilen der Hospitalité wegen auch von den Deutschen Notiz nimmt, so kommt es gar lächerlich heraus; man sieht ihm an, daß es nichts weiter als ein Trinkgeld ist, und daß er nicht viel dabei denkt.

Garve hör' ich soll jetzt auch gestorben sein. Wieder einer aus dem goldnen Weltalter der Literatur weniger, wird uns Wieland sagen.

In Chursachsen ist das Niethhammerische Journal verboten worden.

Den Anschlag des Buchdrucker Gädike finde ich sehr mäßig; ich sollte denken, daß Cotta die Arbeit bei sich nicht wohlfeiler haben kann.

Es wäre mir jetzt doch lieb, wenn Sie den Frankfurtern bald wollten zu wissen thun lassen, daß die drei Wallensteinischen Stücke für 60 Ducaten zu haben sind. Denn ich möchte gern bald wissen, ob die Edition fürs Reich noch nöthig oder nicht, da Kotzebue noch nicht wieder geantwortet und wahrscheinlich doch im Verhafte sitzt. Der Wallenstein bleibt das ganze Jahr 1799 ungedruckt, das kann den Frankfurtern auch geschrieben werden.

Wissen Sie noch nicht bestimmt, ob Sie Ihre Theatralische Mutter aus Regenspurg auf den nächsten Monat schon bekommen?

Die Arbeit ist in den letzten Tagen schlecht vorgerückt. Das Sudelwetter, das mir sonst nicht so unhold ist, hat mich doch sehr mitgenommen, und schon der traurige Anblick des Himmels und der Erde drückt die Seele nieder.

Leben Sie nur so wohl als es jetzt irgend angeht. Herzlich grüßen wir Sie beide.

Sch.


552. An Schiller.

Es mag mir etwas von Ihrer Meinung vorgeschwebt haben, indem ich, ehe ich den kleinen Aufsatz abschickte, bei mir zu Rathe ging, ob ich ihn nicht mutatis mutandis zur Literaturzeitung geben, oder die Materie für die Propyläen aufheben sollte? Indessen mag er zu jenem Picknick hingehen das doch nicht auf eine Consequenz der Schüsseln berechnet ist.

Boufflers hat mir auch, wie Ihnen, und in eben demselben Sinne recht wohl gefallen; dagegen haben die Franzosen und Vornehmen so viel ich hier vernehmen konnte, nicht zum besten davon sentirt, da es doch eigentlich für sie geschrieben ist. Auf welches Publikum soll denn der Schriftsteller rechnen und zählen?

Kants Anthropologie ist mir ein sehr werthes Buch und wird es künftig noch mehr sein, wenn ich es in geringern Dosen wiederholt genieße, denn im ganzen wie es da steht ist es nicht erquicklich. Von diesem Gesichtspunkte aus sieht sich der Mensch immer im pathologischen Zustande und da man, wie der alte Herr selbst versichert, vor dem sechzigsten Jahr nicht vernünftig werden kann, so ist es ein schlechter Spaß sich die übrige Zeit seines Lebens für einen Narren zu erklären. Doch wird, wenn man zu guter Stunde ein Paar Seiten drin liest, die geistreiche Behandlung immer reizend sein. Uebrigens ist mir alles verhaßt was mich blos belehrt, ohne meine Thätigkeit zu vermehren oder unmittelbar zu beleben.

Meinen Zustand in diesen Tagen kann ich auch nicht rühmen. Zu einer solchen Zeit sollte man eigentlich in einer großen Stadt sein, wo man von außen gereizt würde und sich selbst vergäße.

Mechanische Arbeiten gehen nicht vom Flecke und geistige gelingen nicht. Schon diesem Briefe merke ich an daß ich meine Gedanken nicht wie sonst beisammen habe.

Wegen Wallenstein soll bei den Frankfurtern angefragt werden.

Unsere Theatralische Mutter wird in der ersten Hälfte des künftigen Monats erwartet. Leben Sie recht wohl bis auf bessere Tage, ich will noch sehen mich von manchem einzelnen zu befreien, damit man nach dem neuen Jahre an irgend etwas ganzes gehen kann.

Weimar am 19. December 1798.

G.


553. An Goethe.

Jena den 21. December 1798.

Ich bin sehr verlangend Kants Anthropologie zu lesen. Die pathologische Seite die er am Menschen immer herauskehrt und die bei einer Anthropologie vielleicht am Platze sein mag, verfolgt einen fast in allem was er schreibt, und sie ists, die seiner praktischen Philosophie ein so grämliches Ansehen giebt. Daß dieser heitre und jovialische Geist seine Flügel nicht ganz von dem Lebensschmutz hat losmachen können, ja selbst gewisse düstere Eindrücke der Jugend &c. nicht ganz verwunden hat, ist zu verwundern und zu beklagen. Es ist immer noch etwas in ihm, was einen, wie bei Luthern, an einen Mönch erinnert, der sich zwar sein Kloster geöffnet hat, aber die Spuren desselben nicht ganz vertilgen konnte.

Daß die Aristokraten auf eine Schrift wie Boufflers nicht so ganz gut zu sprechen sind, will ich wohl glauben. Sie würden weit mehr Wahrheiten aus dem Mund und der Feder eines bürgerlichen Schriftstellers ertragen. Aber es ist immer so gewesen, auch in der Kirche war die Ketzerei eines Christen immer verhaßter, als der Unglaube eines Atheisten oder Heiden.

Haben Sie in diesen Tagen nichts an dem Farbenschema mehr gemacht? Ich freue mich auch in dieser Rücksicht auf mein Hinüberkommen zu Ihnen, um in der Materie etwas weiter zu rücken. Schelling seh ich wöchentlich nur einmal, um, zur Schande der Philosophie sei es gesagt, meistens l'Hombre mit ihm zu spielen. Mir zwar ist diese Zerstreuung, da ich jetzt absolut keine andre habe, beinah unentbehrlich worden, aber es ist freilich schlimm, daß man nichts gescheideres mit einander zu thun hat. Indessen sobald ich nur ein klein wenig den Kopf wieder über Wasser habe, will ich etwas besseres mit ihm anfangen. Er ist noch immer so wenig mittheilend und problematisch wie zuvor.

Von den abwesenden Freunden habe ich wieder lange nichts gehört. Humboldt wird, hoffe ich, nicht unter den Fremden sich befunden haben, die man in Paris arretirt hat.

Ich hatte Sie bitten wollen mir das Logis, worin Thouret gewohnt, auf drei oder vier Wochen vom Herzog auszubitten, wenn ich nach Weimar käme. Meine Schwägerin kann meine Frau mit den Kindern jetzt nicht wohl logiren und doch möchte ich von meiner Familie nicht so lang getrennt sein, auch Ihnen mit mir nicht auf so lange Ueberlast machen. Freilich würden unsre wechselseitigen Communicationen dadurch etwas gehemmt, aber es käme nur auf eine Einrichtung an, so würde es schon gehen. Ich erbitte mir darüber Ihren Rath. Etwa in zwölf Tagen dächte ich hinüber zu kommen.

Ich sehe zwar kaum ein kleines Vorrücken in der Arbeit, denn bei dem Corrigiren der letztern Akte für den Theaterzweck bin ich auf weit mehr Schwierigkeiten gestoßen als ich erwartete, und diese Arbeit ist erstaunlich penibel und zeitverderbend.

Indessen wünsche ich Ihnen zum zurückgelegten kürzesten Tag, der in Ihrer Existenz eine gewisse Epoche zu machen pflegt, Glück.

Leben Sie recht wohl, herzlich gegrüßt von uns beiden.

Sch.


554. An Schiller.

Die Nachricht von Ihrer baldigen Ankunft erfreut mich sehr und ist die schönste Hoffnung die mir die wieder rückkehrende Sonne bringt. Auf die Farbenlehre habe ich auch nicht einen Augenblick denken können; ich will diese nächsten Tage noch mancherlei Geschäfte schematisiren und aufs nächste Jahr einleiten, damit ich, wenn Sie herüber kommen, ganz frei bin.

Es ist so ein unendlich seltner Fall daß man sich mit und an einander bildet, daß es mich nicht mehr wundert wenn eine Hoffnung, wie die auf eine nähere Communication mit Schelling, auch fehl schlägt. Indessen können wir doch immer zufrieden sein daß er uns so nahe ist, indem wir doch immer gewissermaßen das was er hervorbringt, werden sehen; auch macht sichs vielleicht mit der Zeit.

Zum l'Hombre wünsche ich Glück! Sie werden in der Anthropologie selbst die Apologie des Spiels finden und ob ich gleich persönlich keine Idee habe, wie man sich dabei zerstreuen oder erfreuen könne, so zeigt es mir doch die Erfahrung an so viel Menschen. Mich entschädigen in solchen Augenblicken mancherlei wissenschaftliche Spiele, wie Mineralogie und dergleichen. Freilich sind die Abende jetzt sehr lang und unfruchtbar.

Das Thouretische Quartier steht, so viel ich weiß, ganz leer, ist rein und dürfte nur meublirt werden, wofür ich schon sorgen will. Es sind zwei heizbare Zimmer und einige Kammern.

Gern lasse ich Sie nicht aus meiner Nähe, doch ist freilich das Quartier das ich Ihnen anbieten kann, besonders im Winter, nicht bequem. Wir müssen nur eine Einrichtung treffen, denn sonst verlieren wir Zeit und Gelegenheit.

Wegen des Thouretischen Quartiers erfahren Sie Mittwochs mehr.

Könnten Sie mir die Rolle für Wallensteins Gemahlin gleich senden, so schickte ich sie unserer neuen Actrice nach Regensburg. Sie hätte auf der ganzen Herreise Zeit daran zu lernen und, da sie den vierzehnten kommt, so träfe sie noch eben zur rechten Zeit ein daß das Stück auf den dreißigsten gegeben werden könnte.

Leben Sie recht wohl; in Hoffnung Sie bald wieder zu sehen werde ich noch manches was uns hindern oder stören könnte, wegarbeiten.

Weimar den 22. December 1798.

G.


555. An Goethe.

Jena den 24. December 1798.

Ich setze mich mit einem sehr erleichterten Herzen nieder um Ihnen zu schreiben, daß die Piccolomini so eben an Iffland abgegangen sind. Er hat mich in seinem Briefe so tribulirt und gequält zu eilen, daß ich heute meine ganze Willenskraft zusammen nahm, drei Copisten zugleich anstellte, und (mit Ausschluß der einzigen Scene im astrologischen Zimmer, die ich ihm nachsende) das Werk wirklich zu Stande brachte. Eine recht glückliche Stimmung und eine wohl ausgeschlafene Nacht haben mich secundirt, und ich hoffe sagen zu können, daß diese Eile dem Geschäft nichts geschadet hat. So ist aber auch schwerlich ein heiliger Abend auf dreißig Meilen in der Runde verbracht worden, so gehetzt nämlich und qualvoll über der Angst nicht fertig zu werden. Iffland hat mir seine Noth vorgestellt, wenn er in den zwei nächsten Monaten, der eigentlichen Theaterzeit, nichts hätte, wodurch er die Opern, welche frei gegeben werden, balanciren könnte, da er, in seiner Rechnung auf das Stück, auf nichts anders gedacht hätte, und gab mir den Verlust bei dem versäumten Tempo auf 4000 Thaler an.

Ich werde nun diese Woche anwenden, das Exemplar des Stücks für unser Weimarisches Theater in Ordnung schreiben zu lassen, die astrologische Scene überdenken, und dann auf die nächste Woche, etwa den zweiten, wenn die Witterung und mein Befinden es zulassen, zu Ihnen kommen.

Da ich nicht weiß, ob mir eine Summe Geld, die ich erwarte, zu rechter Zeit eingeht, so will ich das nicht erst erwarten, und in Hoffnung, daß ich im Nothfalle bei Ihnen etwas borgen kann, wenn ich's je brauchen sollte, mein Paket machen.

Für Ihre Güte mir das Logis zu verschaffen, danke ich Ihnen sehr. Meubles, hölzerne, wird mein Schwager missen können, Betten aber nicht, und wenn Sie mir also davon etwas leihen wollen, so brauche ich desto weniger mitzubringen.

Was unsre Communicationen betrifft, so wird sich mit einer Kutsche schon eine Einrichtung machen lassen.

Und nun für heute Lebewohl. Ich mußte mein Herz erleichtern, und Ihnen dieses neueste Evenement in meinem Hause melden. Meine Frau läßt Sie aufs beste grüßen.

Sch.


556. An Schiller.

Viel Glück zu der abgenöthigten Vollendung der Arbeit! denn ich will Ihnen gar nicht leugnen daß mir in der letzten Zeit alle Hoffnung zu vergehen anfing. Bei der Art, wie Sie diese Jahre her den Wallenstein behandelt haben, ließ sich gar keine innere Ursache mehr denken, wodurch er fertig werden konnte, so wenig als das Wachs gerinnen kann so lange es an dem Feuer steht. Sie werden selbst erst finden wenn Sie diese Sache hinter sich haben was für Sie gewonnen ist. Ich sehe es als etwas unendliches an.

Ihr Quartier im Schlosse soll aufs beste besorgt werden und ich denke es soll an nichts fehlen: auch was Sie sonst an den ersten und letzten Bedürfnissen nöthig haben möchten, soll parat sein. Lassen Sie sich ja nicht abhalten, sondern resolviren sich kurz und gut den zweiten zu kommen, denn wir haben übermäßig zu thun wenn wir bis den dreißigsten fertig werden wollen, wobei das schlimmste ist, daß sich der Termin nicht verschieben läßt. Leben Sie recht wohl, grüßen Sie mir Ihre liebe Frau und sein Sie zum Voraus schönstens willkommen.

Weimar am 25. December 1798.

G.


557. An Schiller.

Ueberbringer dieses stellt ein Detaschement Husaren vor, das Ordre hat, sich der Piccolominis, Vater und Sohn, wie es gehen will zu bemächtigen und wenn es derselben nicht ganz habhaft werden kann, sie wenigstens stückweise einzuliefern. Euer Liebden werden ersucht, diesem löblichen Vorhaben allen möglichen Vorschub zu thun. Die wir uns zu allen angenehmen Gegendiensten erbieten.

Weimar 27. December 1798.

Melpomenische zum Wallensteinschen Unwesen gnädigst verordnete Commission.
Goethe und Kirms.


558. An Schiller.

Wenn Sie uns, werther Freund, bei der Bestimmung Ihrer Decoration um Rath gefragt hätten, so hätten wir freilich einiges einzuwenden gehabt. Denn statt des Symbols die Sache zu geben, ist freilich eine schwere Aufgabe, doch soll alles, was zur Verherrlichung der theatralischen Erscheinung geschehen kann, mit Vergnügen besorgt werden, Freund Meyer wird die Cartone selbst zeichnen, wie denn schon der Anfang zu einem kleinen Entwurf gemacht ist.

Nun aber verzeihen Sie wenn ich auch, wie Iffland, den Direktor spiele, auf den sich zuletzt alle Schwierigkeiten der Ausführung häufen.

Morgen früh kommt ein Bote, von dem ich hoffe daß er mir gegen Abend einen Theil des Stücks und auf alle Fälle die Rolle der Herzogin bringen wird.

Werden Sie ja nicht ungeduldig! denn wenn Sie nicht bald kommen sollten, so werden noch öfters Boten erscheinen. Es wird ohnedies für uns einen sauern Januar geben, da man am Ende desselben ein solches Stück erwartet und an den übrigen Lustbarkeiten, während desselben, doch nichts entbehren will. Montags sollen die vier bedeutendsten Soldatencostüms des Vorspiels an Iffland abgehen. Ich wünsche Ihnen zur Reise einen Tag wie der heutige ist und grüße Sie herzlich, so wie Ihre liebe Frau.

Weimar am 29. December 1798.

G.


559. An Goethe.

Jena den 31. December 1798.

Der Herzogin Rolle hab' ich Ihnen gestern durch Wolzogen geschickt. Hier erhalten Sie die Piccolomini ganz, aber wie Sie sehen ganz erschrecklich gestrichen. Ich dachte schon genug davon weggeschnitten zu haben, als ich aber vorgestern zum erstenmal das Ganze hinter einander vorlas, nach der bereits verkürzten Edition, und mit dem dritten Akt schon die dritte Stunde zu Ende ging, so erschrak ich so, daß ich mich gestern nochmals hinsetzte, und noch etwa 400 Jamben aus dem Ganzen herauswarf. Sehr lang wird es auch jetzt noch spielen, aber doch nicht über die vierte Stunde, und wenn man Schlag halb Sechs anfängt, so kommt das Publicum noch vor 10 Uhr nach Hause.

Haben Sie die Güte den zweiten Akt den ich Ihnen doppelt schicke in beiden Gestalten zu lesen. Er enthält die neuen Scenen der Thekla, und es würde Sie stören, wenn Sie bei diesen Scenen, die Sie zum erstenmal lesen, auch nur durch das Auge an die Verstümmelung erinnert würden und den Text auf dem Papiere mühsam zusammensuchen müßten.

An Iffland sende ich mit heutiger Post diese neuesten Verkürzungen nach, denn die große Länge des Stücks wird ihn nicht wenig in Verlegenheit setzen.

Die bedeutende Aeußerung Wallensteins über Buttlern (IV. Aufzug, 3. Scene), die hier weggestrichen, findet im dritten Stück einen schicklichern Platz.

Bei der Rollenbesetzung habe ich darauf gerechnet, daß die Thekla durch die Jagemann gespielt wird, und ihr etwas zu singen gegeben. So bliebe freilich die Gräfin der Slanzovsky, es wäre denn, daß Sie die neu erwartete Mutter dazu passender fänden; denn an der Gräfin liegt freilich viel, und sie hat, wie Sie sehen werden, auch in den neuen Scenen des zweiten Akts bedeutende Dinge zu sagen. Da man sie noch älter annehmen darf als selbst die Herzogin (indem sie den König von Böhmen vor sechzehn Jahren hat machen helfen), so kann sich die andere nicht beklagen.

Beim Wrangel habe ich auf Hunnius gerechnet.

Und so lege ich denn das Stück in Ihre Hände. Ich habe jetzt schlechterdings kein Urtheil mehr darüber, ja manchmal möchte ich an der theatralischen Tauglichkeit ganz verzweifeln. Möchte es eine solche Wirkung auf Sie thun, daß Sie mir Muth und Hoffnung geben können, denn Die brauche ich.

Leben Sie recht wohl. Der Bote wird um 3 Uhr expedirt.

Sch.


 << zurück weiter >>