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17.

Kayser Octavianus, das ist eine schöne und anmuthige History, wie Kayser Octavianus sein Ehegemahl samt zwey Söhnen in das Elend verschicket hat. Und wie selbige wunderbarlicher Weiß bey dem frommen König Dagoberto wiederum zusammen kommen seynd. Aus der französischen Sprache in die Hochteutsche übersetzt. Ganz neu gedruckt. Nürnberg.

 

Durch Tieks treffliche Bearbeitung ist dies Buch nun auch in die höheren Kreise eingeführt. Die feste, etwas unförmliche Masse, die wie eine Irmensäule auf den Märkten stand, hat der Dichter rein ausgeformt und geglättet, und der innere Geist des Bildes ist nun frei geworden, und der formlose Rumpf der Herme hat zu Gliedmaßen sich gerundet, und das Leben hat sich völlig von der Materie losgerissen. Aber keineswegs hat er dem Werke Gewalt angethan; die ganze Fabel hat er in die Palingenesie aufgenommen; ganze Parthien sind ihrem Wesen nach ungeändert geblieben; die Charactere hat er, wie das Volksbuch sie angedeutet, nur ausgeführt und in sich vollendet: die Kaiserin, Florenz, Lion, Marcibilla, den Sultan, – Alle erkennt man in ihren Elementen wieder, besonders den gutherzig-comischen Clemens fand der Dichter am meisten ausgeführt, und er hat ihn daher auch unverändert in seiner alten Form gelassen. Und nicht unwerth war das Buch der Sorgfalt, mit der es in dieser neuen Gestalt wiedergebohren wurde; es ist parthienweise unendlich trefflich und vollendet, und wenn man es an einzelnen Stellen zur prosaischen Nüchternheit sinken sieht, dann muß man sich erinnern, wie nahe in jenen Zeiten Poesie und Prosa aneinander gränzten, wie den einfachen Menschen die Prosa selbst wunderbar und als Poesie erschien; wie aber dagegen auch die Poesie ganz die Prosa des Lebens durchdrang. Der Jugend ist die ganze Welt ein großer Traum; die Gegenstände sind mit brennenden Regenbogen noch umgürtet, die ganze Natur ein großer Frühling, in dem Alles blüht, was sonst nicht Blüthe trägt; später erst scheiden sich die Jahrszeiten, und die nackten Zweige, die die Blüthen tragen, treten auch hervor, und in den Zweigen die Gefäße und die Saftröhren, und der Nahrungsapparat, aus dem Alles geworden ist.

Der Octavianus ist ohne Zweifel wohl französischen Ursprungs, und das Volksbuch bezieht sich auf eine ältere Ausgabe zurück, die unter dem Namen: Ein schöne und kurzweilige Histori, von Keyser Octaviano, seinem Weib und zweyen Sönen, wie die in das ellend verschickt, und wunderbarlich in Frankreich bey dem frommen Künig Dagoberto widerumb zusammen kommen seind. Newlich aus französischer sprach in Teutsch verdollmetscht. Gedruckt zu Straßburg bey Jacob Fröhlich im Jahr 1548, in 4. erschienen ist Baur in seiner Bibliotheca libr. rar. führt eine noch ältere Ausgabe unter dem Titel: Histori von dem Keyser Octaviano, seinem Weib und zweyen Sünen; uß frantz. Sprach in teutsch verdollmetscht Straßburg 1535.. In der Vorrede heißt es: »Darum hab ich Wilhelm Salzmann mich geflissen dise Histori an den Tag zu bringen, wiewohl die vor langen zeiten von den gelerten ist zu latein geschriben, darnach über lang in französische Zungen bracht«. Wörtlich genau stimmt bis auf einige modernisirte Wörter das teutsche Volksbuch mit dieser Schrift zusammen, die auch unter dem Namen Florent et Lyon längst schon in Troyes gedruckt, und Volksbuch geworden ist. Der Roman selbst aber gehört dem Kreise der romantischen Dichtungen von Carl dem Großen, und zwar der zweiten Periode, an. Sobald nämlich Carl zum Helden der neuern Poesie geworden war, trat er durch seine Person nicht allein in dieselbe ein, sondern man entwarf auch rückwärts einen eignen großen Heldenstammbaum, durch den man ihn mit Constantin durch eine ganze Reihe von Heroen in Verbindung brachte, aus der sich denn die Romantiker die Gegenstände ihrer Bearbeitung wählten, oder die sie vielmehr eben durch ihre Dichtungen begründeten. In diesem Register, des Quadrio in seiner Storia d'ogni poesia mittheilt, kömmt denn auch Folgendes vor, das wahrscheinlich mit dem Octavianus in einigem Zusammenhange steht: Fioravante nahm Dussolina, die Tochter des Balunte, Königs von Scondia, zur Ehe, aus der einerseits Octavianus vom Löwen und Giberto wilden Angesichts ( fier visagio) gebohren wurden. Octavianus vom Löwen folgte dem Balunte im Königreich Scondia, vermählte sich mit Angaria, der Tochter des Sultans von Babylon, und erzeugte mit ihr den Boveto. Giberto aber nahm Sibilla, Königinn von Articano, zur Ehe, aus der Michel gebohren wurde, von diesem Constantin, dann Pipin, endlich Carolus magnus. Wenn man die Willkühr in den Calcul bringt, mit der alle Dichter dieser Zeit die Fabel zu ihren Zwecken behandelten, dann mögte man wohl im Octavianus vom Löwen den Lyon des Gedichtes, im Giberto aber den Florenz desselben finden, wobei dann Sibilla die Marcibilla des Romanes, und Michel der Wilhelm wäre. Daß aber das Buch in die zweyte Periode, also diesseits des zwölften Jahrhunderts, fällt, beweis't sich, wenn man auch den Ton des Ganzen nicht als Grund gelten lassen wollte, durch die Erwähnung des Artus, da wo Florens nämlich ausreitet, um den Riesen zu bekämpfen, da rufen einige mit spöttigen Worten: »Es ist freylich Artus Gesellen einer, oder aus seiner Ritterschaft, wölche was sye traffen, müßt alles zu grund gehen«. Wenn aber die Romane von Artus, wie man allgemein annimmt, aus der Historia Britonum des G. von Montmouth, geschrieben von 1128-1138, ausgegangen sind, dann können dergleichen Beziehungen nicht jenseits des zwölften Jahrhunderts vorkommen. Noch mehr aber spricht für das jüngere Alter des Gedichtes die Erwähnung des Geschützes, indem es bey der Beschreibung, wie sie von Paris ausgerückt zur Bekämpfung der Sarazenen, heißt: »Die Fußknecht zum ersten, darnach der reysige zeug, aber kein Geschütz, dann die Kunst des Schießens ware zu derselbigen zeit noch nicht erfunden.«


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