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GRATIAN
Gratians Ruf kam noch vor dem Erreichen seines zwanzigsten Lebensjahres dem der bedeutendsten Herrscher gleich. Sein sanftmütiges und liebenswürdiges Wesen machte ihn seinen persönlichen Freunden lieb, und seine gewinnende Höflichkeit sicherte ihm die Zuneigung des Volkes: die Gelehrten, die sich an der Liberalität ihres Herrschers freuten, anerkannten auch seinen sicheren Geschmack und seine Beredsamkeit; sein Mut und sein Geschick mit den Waffen fanden in gleicher Weise den Beifall der Soldaten; und der Klerus rechnete die schlichte Frömmigkeit des Gratian unter seine ersten und nützlichsten Tugenden. Die Siege bei Colmar hatte den Westen von einem furchtbaren Eindringling befreit; und die Provinzen des Ostens schrieben in ihrer Dankbarkeit die Verdienste des Theodosius dem zu, der für seine Erhebung und die öffentliche Sicherheit verantwortlich war. Indessen überlebte Gratian diese erinnerungswürdigen Ereignisse nur um vier oder fünf Jahre; aber er überlebte auch seine Reputation: bevor er zum Opfer einer Rebellion wurde, hatte er in großem Umfang den Respekt und das Zutrauen der Römischen Welt verloren.
SEINE SCHWÄCHEN
Die auffällige Änderung seines Charakters und Verhaltens geht weder auf Rechnung der Schmeichelei, welcher der Sohn des Valentinian seit seiner Kindheit ausgesetzt war; und auch nicht jener Leidenschaften, denen der junge Mann offenkundig nicht erlag. Ein genauerer Blick auf Gratians Biographie könnte uns allerdings die wahren Gründe für das Umschwenken der öffentlichen Meinung verraten. Seine unbestreitbaren Tugenden waren nicht etwa die schwererworbenen Früchte bitterer Lebenserfahrung, sondern das vorzeitige und künstliche Ergebnis einer königlichen Erziehung. Die zärtliche Fürsorge seines Vaters ließ ihm beständig jene Förderung zuteil werden, die er möglicherweise umso höher schätzte, als er an ihnen selbst niemals Anteil gehabt hatte; und so waren die besten Meister aus allen Wissensgebieten und Künsten darum bemüht, Körper und Geist des jungen Prinzen zu formen. Der religiösen Seite der Erziehung seines Sohnes schenkte Valentinian weniger Aufmerksamkeit, da er sie dem Ausonius anvertraute, einem bekennenden Heiden (Mémoires de l'Academie des Inscriptions, Band 15, p. 125-138). Ausonius' Ruhm als Dichter beschämt den Geschmack seiner Zeit.
Die Kenntnisse, die sie ihm mühsam genug vermittelten, wurden demonstrativ zur Schau gestellt und mit üppigem Lob bedacht. Unter dem Eindruck ihrer wohlmeinenden Maximen formte sich sein sanftes und weiches Gemüt, und das Fehlen jeder Leidenschaft konnte leicht für eine Vorliebe zum rationalen Denken gehalten werden. Seine Lehrer rückten allmählich in den Rang von Staatsministern auf; Ausonius wurde nacheinander ernannt zum Prätorianerpräfekten Italiens (A.D. 377), Galliens (A.D. 378) – vgl. Ausonius 2,2,42: »praefectus Gallis et Lybiae et Latio« – und endlich zum Konsul (A.D. 379). Er brachte seine Dankbarkeit in einem kriecherischen und geschmacklosen Stück Schmeichelei zum Ausdruck (Actio Gratiarum, Opera, p. 699-736); welches andere, deutlich wertvollere Erzeugnisse überlebt hat. und da sie sich mit der Ausübung ihrer heimlichen Autorität klugerweise zurückhielten, schien er bei den wichtigsten Entscheidungen seines privaten Lebens und seiner Regentschaft von Entschlossenheit, Anstand und Urteilskraft geleitet zu sein. Aber die Wirkung dieser angestrengten Unterweisung ging nicht eben tief unter die Oberfläche; und die wackeren Lehrmeister, welche die Schritte ihres königlichen Zöglings so sorgsam anleiteten, konnten seinem schwächlichen und verwöhnten Charakter nicht die wichtige Lebensmaxime vermitteln, dass die unbedingte Voraussetzung für das Glück, ja die ganze Existenz eines Helden in der Mühsal liegt, mit der er nach Ruhm strebt.
Sobald der Lauf der Zeit jene getreuen Ratgeber aus der Nähe zum Thron entfernt hatte, fand der Herrscher des Westens wieder zu seinem naturgegebenem Genius zurück; legte die Zügel der Regierung in die Hände, die sich danach ausstreckten, und vergeudete seine Mußestunden mit den frivolsten Tändeleien. Begünstigung und Unrecht standen am Hofe und in den Provinzen öffentlich zum Verkauf; Verkäufer waren die elenden Kreaturen seiner Macht, deren Verdienste zu bezweifeln einer Gotteslästerung gleichkam. »Disputare de principali iudicio non oportet. Sacrilegii enim instar est dubitare, an is dignus sit quem elegerit imperator.« [Es ziemt sich nicht, kaiserliche Entscheidungen zu diskutieren. Es ist nahezu ein Sakrileg, ob jemand, den der Kaiser sich erwählte, denn auch würdig sei]. Codex Justinianus 9,29,3. Dieses bequeme Gesetz wurde nach Gratians Tod von dem schwachen Hof zu Mailand wieder ausgegraben und bekannt gemacht. Das Gewissen des leichtgläubigen Herrschers war in der Hand von Heiligen und Bischöfen, Ambrosius verfasste zu seiner eigenen Unterrichtung eine theologische Abhandlung über den Glauben an die Trinität; und Tillemont (Histoire des empereurs, Band 5, p. 158 und 169) schreibt dem Erzbischof das Verdienst an Gratians unerträglichen Gesetzen zu. welche ein kaiserliches Edikt durchgesetzt hatten, nach welchem es ein todeswürdiges Verbrechen war, das göttliche Gesetz zu verletzen, zu missachten oder auch nur zu vergessen. »Qui divinae legis sanctitatem [aut] nesciendo omittunt, aut negligendo violant et offendunt, sacrilegium committunt.« Codex Iustinianus 9,29,1. Theodosius kann in der Tat auf das Verdienst an diesem umfassenden Gesetz einigen Anspruch machen.
Unter den verschiedenen Fertigkeiten, mit denen Gratian seine Jugend gestählt hatte, übte er mit besonderer Vorliebe und Erfolg Bogenschießen, Speerschleudern und Reiten; und diese Qualifikationen, die für einen Soldaten gut gepasst hätten, prostituierte er für die nichtswürdigsten Jagdvergnügen. So wurden große Parkanlagen für diese kaiserliche Zerstreuung eingezäunt und mit ungezählten wilden Tieren jeder Art vollgestopft; und Gratian vernachlässigte die Pflichten und sogar die Würde seines hohen Berufes, indem er ganze Tage damit zubrachte, seine Kunstfertigkeit auf alberne Weise zur Schau zu stellen. Der Wunsch des Römischen Kaisers, in einer Kunst zu glänzen, in welcher ihn noch der geringste seiner Sklaven hätte übertreffen können, erinnerte die zahlreichen Zuschauer an das Vorbild des Nero und Commodus; aber der keusche und maßvolle Gratian blieb ihren Lastern dennoch fremd; an seinen Händen klebte ausschließlich das Blut von Tieren. Ammianus (31,10) und der jüngere Victor (Epitome 47) anerkennen die Tugenden Gratians, werfen ihm aber seinen verdorbenen Geschmack vor, oder besser: beklagen sich darüber. Die gehässige Parallele zu Commodus klingt an in dem »licet incruentus« [immerhin nicht blutbesudelt]; und vermutlich hat sich Philostorgios (10,10 und Gothofred, p. 412) mit ähnlicher Zurückhaltung vor dem Vergleich mit Nero gehütet.
RÖMISCHE TRUPPEN UNZUFRIEDEN · A.D. 383
Gratians Verhalten, das ihn in den Augen der Menschheit deutlich herabstufte, hätte die Sicherheit seiner Herrschaft nicht weiter berührt, wenn er nicht gleichzeitig die Armee durch eine ganz besondere Torheit provoziert hätte. Solange der jugendliche Kaiser noch von seinen Lehrern beaufsichtigt wurde, gab er den Freund und Schüler der Soldaten; viele Stunden verbrachte er im Lager bei vertraulichem Gespräch; und einzig das Wohlergehen, die Bequemlichkeit, die Belohnungen, die Ehrungen seiner treuen Mannen schienen ihn zu interessieren. Nachdem aber Gratian seine Vorliebe für Jagen und Schießen entdeckt hatte, suchte er naturgemäß die Gesellschaft derjenigen Helfer, welche ihm bei diesem seinen Lieblingszeitvertreib am besten zur Hand gingen. So wurde ein kleines Kontingent von Alanen in den Palastdienst übernommen; und die in der Tat bewunderungswürdige Meisterschaft, die sie in den Weiten Skythiens entwickelt hatten, bewährte sich auch auf kleinerer Bühne, den Parks und Wildgehegen Galliens. Gratian war voller Bewunderung für das Talent und die jagdlichen Gepflogenheiten dieser Mannschaft, der er dann auch die alleinige Sorge um die Sicherheit seiner Person anvertraute: und häufig genug zeigte er sich vor den Soldaten und dem Volk mit der Kriegstracht und den Waffen, dem Langbogen, dem Köcher und dem Pelzmantel der skythischen Krieger, als ob er es darauf angelegt hätte, die öffentliche Meinung vor den Kopf zu stoßen.
Das würdelose Spektakel eines römischen Herrschers, der den Gebräuchen und der Bekleidung des eigenen Landes entsagt hatte, veranlasste unter den Legionen Schmerz und Empörung. Zosimos und der jüngere Victor schreiben die Rebellion der Begünstigung der Alanen und der Unzufriedenheit der römischen Truppen zu. »Dum exercitum negligeret, et paucos ex Alanis, quos ingenti auro ad se transtulerat, anteferret veteri ac Romano militi« [Währenddessen vernachlässigte er das Heer und gab einigen wenigen Alanen, die er sich mit viel Gold verpflichtet hatte, den Vorzug vor den altgedienten römischen Kriegern]. Epitome 47. Selbst noch die Germanen, die sich doch in der Armee des Reiches so robust und bedrohlich ausnahmen, gaben vor, das fremdartige und beunruhigende Erscheinungsbild der Wilden aus dem Norden abzulehnen, welche in wenigen Jahren von der Wolga bis an die Seine vorgedrungen waren. Ein lautes und aufsässigen Murren ging durch die Lager und Garnisonen des Westens; und da Gratians mildlächelnde Nachsicht es verschmähte, die ersten Symptome der Unzufriedenheit auszutreten, trat an die Stelle der mittlerweile erstorbenen Zuneigung nicht einmal die Furcht; aber der Umsturz einer etablierten Regierung ist immer ein Unterfangen, in dem etwas echte und viel eingebildete Mühsal steckt, und Gratians Thron stand auf den soliden Fundamenten aus Herkommen, Gesetz, Religion und dem ausbalancierten Gleichgewicht von zivilen und militärischen Machtpositionen, welches noch aus der Zeit von Constantin stammte.
EMPÖRUNG DES MAXIMUS IN BRITANNIEN
Es ist nebensächlich und verdient keine weitere Untersuchung, aus welchem Grunde in Britannien die Revolte ausbrach. Üblicherweise ist der Zufall Vater der Unruhe; zufällig fiel die Saat der Rebellion auf einen Boden, der an Tyrannen und Thronräuber angeblich ergiebiger als andere war; »Britannia fertilis provincia tyrannorum« [Britannien, eine Insel, an Tyrannen fruchtbar] ist eine merkenswerte Formulierung, die Hieronymus in seiner Auseinandersetzung mit dem Heidentum benutzte und die bei der Erörterung unserer nationalen Altertümer verschiedentlich verdreht und entstellt wurden. Die Revolutionen der letzten Zeit scheinen jedenfalls Bossuets Vorstellungen zu bestätigen, »cette isle, plus orageuse que les mers qui l'enviroment.« (Diese Insel, stürmischer noch als das sie umgebende Meer). die Legionen dieser abgelegenen Insel waren schon lange berüchtigt für ihre Vermessenheit und ihre Arroganz; Zosimos (4,35) sagt von den britischen Soldaten [Ü.a.d.Griech.: ...an Frechheit und Tollkühnheit alle anderen übertreffend]. und der Name Maximus wurde durch die zwar lärmende, aber auch einmütige Akklamation der Soldaten und der Provinzler ausgerufen. Der Kaiser oder der Rebell - denn noch war sein Titel durch das Schicksal nicht bestätigt worden - stammte aus Spanien und war Landsmann, Mitsoldat und jetzt also Rivale des Theodosius, dessen Wahl er nicht ohne Neid- und Zorngefühle miterlebt haben dürfte. Er hatte lange Zeit in Britannien zubringen müssen; und ich würde mich über einige Beweise für die Hochzeit freuen, die er angeblich mit der Tochter des wohlhabenden Gebieters von Caernavonshire gehalten hatte. Es war Helena, die Tochter von Eudda. Die Kapelle ist noch heute bei Caersegont, jetzt Caernarvonshire zu sehen (Carte, History of England, Band 1, p.168, aus Rowland, Mona antiqua). Möglicherweise wird der kluge Leser dieser Art von welscher Beweisführung nicht ohne weiteres beitreten.
Aber seine Stellung in der Provinz war wohl eher die eines Exils; und wenn denn Maximus eine zivile oder militärische Funktion ausübte, dann jedenfalls bekleidete er weder die Würde eines Provinzstatthalters noch die eines Generals. Cambden (Britannia, Band 1, Einleitung, p. CI) ernennt ihn zum Gouverneur von Britannien; und der Vater unserer Altertümer hat hier wie üblich viele blinde Nachbeter. Pacatus und Zosimos haben diesem Irrtum oder Märchen mit viel Mühe vorgebeugt und ich persönlich schütze mich durch ihr eindeutiges Zeugnis. »Regali habitu exulem suum illi exules orbes induerint« (Jene aus der Welt zurückgezogenen bedeckten ihr Exil mit kaiserlichem Gewande), Panegyrici 12,23, und der griechische Historiker schreibt ?[Ü.a.d.Giech.: Er selbst – Maximus – gelangte nicht zu ehrenvoller Herrschaft]. Zosimos, 4,35. Seine Fähigkeiten und selbst noch seine Integrität werden von den parteiischen Autoren seiner Zeit durchaus anerkannt; und seine Verdienste müssen in der Tat unübersehbar gewesen sein, wenn sie ihnen ein Lob zugunsten des besiegten Feindes von Theodosius abnötigen konnten. Die Unzufriedenheit des Maximus hat ihn möglicherweise dazu bestimmt, die Amtsführung seines Herrn zu tadeln, wodurch er das Murren der Truppen befeuerte, ohne dass er dabei höhere Ziele verfolgt hätte. Jedenfalls hat er sich inmitten der größten Unruhen aus kluger Berechnung oder aus Bescheidenheit dagegen gesträubt, den Thron zu besteigen; und man scheint sogar seinen persönlichen Beteuerungen geglaubt zu haben, dass er nachgerade gezwungen wurde, das heikle Geschenk des Kaiserthrones anzunehmen. Sulpicius Severus, (Dialogi 2,7) und Orosius (7,34) bestätigen beide (Sulpicius war immerhin sein Untertan) seine Unschuld und seine Verdienste. Es ist schon erstaunlich genug, dass Maximus von Zosimos weniger günstig dargestellt wird, dem parteiischen Gegner seines Rivalen.
FLUCHT UND ERMORDUNG DES GRATIAN · MAXIMUS FÄLLT IN GALLIEN EIN
Aber auch in der Zurückweisung der Kaiserwürde lag eine Gefahr; und von dem Augenblick an, in welchem Maximus seinem gesetzmäßigen Herren die Gefolgschaft verweigert hatte, konnte er nicht darauf hoffen zu regieren, ja nicht einmal zu überleben, wenn er seinen gemäßigten Ehrgeiz auf Britanniens enge Grenzen beschränkt hätte. Also beschloss er kühn und klugbedacht, Gratians Plänen zuvorzukommen; die Jugend der Insel scharte sich um seine Fahnen, und er fiel in Gallien mit einer Flotte und einer Armee ein, dass noch Jahre später die Rede ging, es sei wohl ein großer Teil Britanniens ausgewandert. Erzbischof Usher (Britannicarum ecclesiarum antiquitates, p. 107f.) hat die Legenden der Insel und des Festlands sorgfältig gesammelt. Die Gesamtzahl der Auswanderer betrug 30.000 Krieger und 100.000 Plebejer, die sich in der Bretagne ansiedelten. Ihre zukünftigen Bräute, St. Ursula mit 11.000 adligen und 60.000 plebejischen Jungfrauen haben allerdings ihren Weg verfehlt; landeten bei Köln und (erg.: erstere) wurden von den Hunnen grausam niedergemetzelt. Aber die Schwestern aus dem Volke wurden um ihre gleichen Ehren betrogen; und, was noch schlimmer ist, Johannes Trimethius erfrecht sich, von den Kindern dieser britischen Jungfrauen zu reden. Der Kaiser wurde in seiner Residenz zu Paris durch ihr feindliches Herzunahen aus seiner Behaglichkeit aufgeschreckt: die Pfeile, die er törichterweise an Löwen und Bären verschwendete, hätte er mit mehr Ehre gegen seine aufständischen Gegner einsetzen können. Aber seine schwächlichen Anstrengungen legten nur Zeugnis ab von seiner schläfrigen Gemütsverfassung und seiner ausweglosen Lage und bewirkten zudem, dass auch die Unterstützung ausblieb, die er bei seinen Untertanen und Alliierten allenfalls noch hätte finden können.
Die gallische Armee stellte sich dem Vormarsch des Maximus nicht nur nicht in den Weg, sondern man begrüßte ihn sogar mit fröhlichem und hingebungsvollem Beifall; und die Schande der Desertation ging unversehens von den Soldaten auf ihren Herrscher über. Auch die Abteilungen, die zum Dienst im Palast verpflichtet gewesen wären, ließen Gratians Standarte im Stich, als sie zum ersten Male bei Paris aufgezogen wurde. Der Kaiser des Westens floh nach Lyon, nur von dreihundert Reitern begleitet; und in den Städten auf seinem Fluchtwege, wo er auf Unterschlupf oder doch wenigsten Durchlass gehofft haben mag, machte er die grausame Erfahrung, dass dem Glückverlassenem alle Tore verschlossen sind. Dennoch hätte er sich vielleicht noch bei seinem Bruder in Sicherheit gebracht und wäre kurz darauf mit Truppenmacht aus Italien und dem Osten zurückgekehrt, wenn er sich nicht von dem ungetreuen Gouverneur der Provinz Lyon hätte betrügen lassen. Gratian wurde hingehalten mit zweifelhaften Treuebekundungen und den Hoffnungen auf Hilfe, die unmöglich wirkungsvoll sein konnte, bis schließlich Andragathius, Maximus' Kavalleriegeneral, der Sache ein Ende setzte. Ohne Zögern oder Bedauern führte er die Anweisungen oder wenigstens die Absichten des Usurpators aus.
25. AUGUST 383
Nachdem sich Gratian vom Mahle erhoben hatte, wurde er dem Mörder in die Hand gegeben; und noch seinem Leichnam wurde die Behandlung verwehrt, die man seinem Bruder Valentinian hatte angedeihen lassen. Zosimos (4,35) hat den Tod des Gratian von Lugdunum (Lyon) in Gallien nach Singidunum (Belgrad) in Mösien verlegt. Einige Hinweise dazu findet man in den Chroniken; bei Sozomenes (7,13) und Sokrates (5,11) finden sich ein paar Ungereomtheiten. Ambrosius ist unser bester Gewährsmann. (Enarrationes in Psalmum 61, p. 961, Epist. 24 und de Obitu Valentiniani Consolatio, Nr. 28, p. 1182). Dem Kaiser folgte sein mächtiger General Mellobaudes, der Frankenkönig, in den Tod; welcher bis zum letzten Atemzug jenen zweifelhaften Ruf behielt, der die gerechte Belohnung für jede Art von undurchsichtiger und zweideutiger Politik ist. Pacatus (Panegyrici 12,28) rühmt seine Treue; Prosper's Chronik betont seine Verräterei, die Gratians Untergang bewirkt habe. Ambrosius, der Gelegenheit hat sich selbst rein zu waschen, verurteilt nur den Tod des Vallio, eines ergebenen Dieners des Gratian (Epistulae 24). Diese Morde mögen für die öffentliche Sicherheit notwendig gewesen sein; aber der Usurpator des Westens, der von allen westlichen Provinzen anerkannt wurde, durfte sich, und zwar zu Recht, rühmen, dass mit Ausnahme derer, die während dieses Krieges mehr oder weniger zufällig ums Leben gekommen waren, kein Römer mit seinem Blut seinen Triumph besudelt habe. Er beteuerte, »nullum ex adversariis nisi in acie occubuisse« [dass außer im Gefecht kein Gegner niedergestreckt worden sei]. Der Lobredner des Theodosius zollt seiner Güte nur ein widerstrebendes – und daher umso wertvolleres – Lob: » Si cui ille, pro ceteris, sceleribus, suis, ›minus crudelis‹ fuisse videtur.« [Wenn er im Verhältnis zu seinen sonstigen Verbrechen ›weniger grausam‹ gewesen zu sein scheint]. Panegyrici 12,28.
VERTRAG ZWISCHEN MAXIMUS UND THEODOSIUS
Die Ereignisse dieses Aufstandes folgten so rasch aufeinander, dass es für Theodosius unmöglich gewesen wäre, seinem Förderer zur Hilfe zu kommen, bevor er auch nur die Kunde von seinem Tode erhalten hatte. Noch während er aufrichtige trauerte oder öffentlichkeitswirksamen Kummer zur Schau trug, unterbrach die Ankunft von Maximus' oberstem Kammerherren den Kaiser des Ostens; und dass die Wahl für diese wichtige Mission auf einen ehrbaren alten Mann gefallen war und nicht, wie sonst üblich, auf einen Eunuchen, signalisierte dem Hof von Konstantinopel die Ernsthaftigkeit und die überlegene Ruhe des Maximus. Der Gesandte ließ sich herbei, seines Herren Aufführungen zu rechtfertigen oder zu entschuldigen und mit Bestimmtheit zu versichern, dass die Ermordung des Gratian ohne seine Kenntnis oder Zustimmung und nur infolge des Übereifers seiner Soldaten geschehen sei. Aber mit fester und unveränderter Stimme fuhr er fort zu reden und bot Theodosius die Wahl zwischen Krieg und Frieden. Die Rede des Abgesandten schloss mit der beherzten Erklärung, dass Maximus, der als ein Römer und Vater seines Volkes lieber seine Truppen zur Abwehr gemeinsamer Feinde der Republik sammeln würde, dennoch gerüstet und vorbereitet sei, mit Waffen um die Weltherrschaft zu streiten.
Eine rasche und endgültige Antwort wurde erwartet; aber es war für Theodosius äußerst schwierig, in dieser hochwichtigen Angelegenheit seine eigene Gemütslage oder die Erwartungen des Publikums zufrieden zu stellen: Die Stimme der Ehre und der Selbstachtung schrie nach Rache. Schließlich hatte er aus der Hand des Gratian das Diadem empfangen; Nachsicht hätte den unrühmlichen Verdacht genährt, dass er für vergangenes Unrecht ein besseres Gedächtnis besitze als für gegenwärtige Verpflichtungen; und hätte er die Freundschaft des Mörders gesucht, hätte er mit ihm auch die Schuld teilen müssen. Selbst allgemeingültige Rechtsgrundsätze und das Staatsinteresse hätten durch Maximus' Verbrechen einen empfindlichen Stoß erhalten; das Beispiel einer erfolgreichen Usurpation hätte das kunstreiche Regierungsgebäude erschüttert und das Imperium immer mal wieder den Verbrechen und Notständen vergangener Zeiten ausgesetzt.
Aber so, wie im Leben des Einzelnen das Gefühl für Dankbarkeit und Ehre eine unveränderliche Rolle spielen sollten, so mögen doch im Denken eines Souverains höher angesiedelte Pflichten sie zurückdrängen; und die Forderungen von Recht und Gerechtigkeit müssen stille schweigen und einen überführten Verbrecher laufen lassen, wenn infolge seiner Züchtigung ein unschuldiges Volk Schaden nehmen würde. Der Mörder Gratians hatte den Thron inne, insbesondere aber stand ihm die kriegsstärkste Provinz des Reiches zur Verfügung. Der Osten war durch die Kalamitäten und selbst noch durch die Erfolge des Gotenkrieges ausgeblutet; und ernstlich stand zu besorgen, dass jetzt, nachdem die vitalen Kräfte der Republik sich in einem mörderischen Kriege aufgezehrt hatten, der erschöpfte Sieger für die Barbaren des Nordens eine leichte Beute abgeben würde.
Diese gewichtigen Argumente vermochten Theodosius, seinen Zorn zu verhehlen und auf die Allianz mit dem Tyrannen einzugehen. Bedingung war jedoch, dass Maximus sich mit den Ländern jenseits der Alpen zufrieden geben müsse. Der Bruder Gratians hingegen beherrschte dann nur noch Italien, Afrika und das westliche Illyrien; auch wurden in den Vertrag ein paar ehrenhafte Artigkeiten aufgenommen, mit denen das Andenken und die Gesetze des verstorbenen Kaisers bewahrt werden sollten. Ambrosius erwähnt Gratians Gesetze, »quas non abrogavit hostis« [die der Gegner nicht außer Kraft setzte]. Epistulae 17. Den Gepflogenheiten der Zeit entsprechend wurden die Abbilder der drei kaiserlichen Kollegen der Verehrung durch das Volk dargeboten: niemand sollte leichtfertig argwöhnen, dass noch im Augenblick der ernsthaften Aussöhnung Theodosius heimlich mit Plänen der Rache und Untreue umging. Zosimos 4,37. Wir können den gehässigen Argwohn des Zosimos getrost für nichtig erklären; aber wir können unmöglich den Friedensvertrag zurückweisen, welchen die Freude des Theodosius völlig vergessen hatten oder nur am Rande erwähnten.
KETZEREI UND GÖTZENANBETUNG WERDEN GEDÄMPFT
Gratians Geringschätzung der römischen Soldaten hatte ihn zur Zielscheibe ihres Missmutes gemacht. Seine tiefe Verehrung für den christlichen Klerus erhielt seine Belohnung durch den Beifall und die Dankbarkeit jener machtvollen Kaste, welche zu allen Zeiten das Vorrecht beansprucht hatte, auf Erden und im Himmel Ehren zu verwalten. Ihr Orakel, der Erzbischof von Mailand, schrieb seinem Schüler Gratian einen wichtigen und ehrenhaften Platz im Himmel zu. De obitu Valentiniani consolatio, Opera, Band 2, p.1193. Die Orthodoxie beweinte seinen Tod und ihren eigenen unersetzlichen Verlust; aber schon bald waren sie getröstet durch die Entdeckung, dass Gratian das Szepter des Ostens einem Herrscher in die Hand gegeben hatte, hinter dessen schlichtem Glauben und glühendem Eifer sich der Geist und die Fähigkeiten eines energischeren Charakters verbargen. Lange Zeit jedenfalls stand neben dem Ruhm Constantins als Wohltäter der Kirche gleichberechtigt der des Theodosius. Wenn Constantin für sich in Anspruch nehmen konnte, in der römischen Welt das Kreuz errichtet zu haben, dann reklamierte der Ehrgeiz seines Nachfolgers für sich den Ruhm der endgültigen Ausmerzung der arianischen Ketzerei und der Idolatrie.
Theodosius war der erste Kaiser, der die Taufe im wahren Glauben an die Trinität empfing. Obwohl er in eine christliche Familie geboren wurde, bestimmten ihn die Grundsätze oder doch wenigstens die Gepflogenheiten der Zeit, die eigentliche Taufzeremonie möglichst hinauszuzögern; bis ihm schließlich eine lebensbedrohende Erkrankung am Ende seines ersten Regierungsjahres das Risiko dieses Aufschiebens mahnend vor Augen führte. Bevor er also erneut gegen die Goten ins Feld zog, empfing er das Sakrament der Taufe von Acholius, Zur Taufe des Theodosius sehe man Sozomenos 7,4; Sokrates 5,6; Tillemont Histoire des Empereurs, Band 5, p. 728. dem orthodoxen Bischof von Thessaloniki; Ascolius oder Acholius wurde durch die Freundschaft zu Ambrosius und dessen Lob achtbar; er bezeichnet ihn »murus fidei atque sanctitatis« [ein Bollwerk des Glaubens und der Heiligkeit], Epistulae 15 und rühmt anschließend, wie schnell er nach Italien und Konstantinopel geeilt sei (Epistulae 56); welche Tugend allerdings weder so recht zu einer Mauer (murus) noch zu einem Bischof passen will.; entstiegen der heiligen Quelle, und noch durchglüht von dem Gefühl seiner Neugeburt, erließ der Herrscher ein strenges Edikt, welches seinen eigenen Glauben verkündigte und zugleich den seiner Untertanen festschrieb.
»Es ist dies unser Gutdünken« (so der Sprachduktus des Herrschers) »dass alle Völker, die von unserer Milde und Mäßigung regiert werden, unerschüttert dem Glauben anhängen sollen, den St Petrus dem römischen Volke gepredigt hat; den eine gläubige Überlieferung treu bewahrt hat; und den nunmehr der Pontifex Damasus bekennt nebst Peter, dem Bischof von Alexandria, einem Manne von apostolischer Heiligkeit. Entsprechend der Kirchenzucht der Apostel und der Evangelien lasset uns die alleinige Gottheit des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes glauben. Wir ermächtigen alle Bekenner dieser Glaubensdoktrin, sich katholische Christen zu nennen; und da es unser Befinden ist, dass alle anders glaubenden tolle Narren seien, brandmarken wir sie mit dem Ekelnamen von Häretikern; und erklären hierdurch, dass ihre Versammlungsorte nicht mehr den ehrbaren Namen von Kirchen führen sollen. Neben der Verdammung durch die göttliche Gerechtigkeit haben sie auch schwere Strafen zu gewärtigen, die unsere Macht, angeleitet durch göttliche Weisheit, über sie zu verhängen für gut befinden wird.« Codex Theodosianus 16,1,2 nebst Gothofreds Kommentar, Band 6, p.5-9. Ein solches Edikt verdient sich Baronius' wärmstes Lob: » auream sanctionem, edictum pium et salutare. – sic itur ad astra.« [...eine goldene Verordnung, ein Edikt, fromm und heilsam: so gelangt man zu den Sternen].
Der Glaube eines Soldaten ist für gewöhnlich die Frucht der Unterweisung und nicht so sehr des Nachdenkens; da aber der Herrscher seine Augen stets auf die sichtbaren Landmarken der Orthodoxie gerichtet hielt, die er mit so viel Vorbedacht festgesetzt hatte, wurde seine religiöse Auffassung niemals durch die einleuchtenden Texte, die fein ersonnenen Argumente und die elastischen Glaubensbekenntnisse der Arianer ernstlich bedroht. Einmal allerdings zeigte er Neigung, sich mit dem gelehrten Eunomius auszutauschen, welcher unfern Konstantinopels in stiller Abgeschiedenheit lebte. Aber dieses gefährliche Gespräch wurde durch die Gebete der Kaiserin Flacilla vereitelt, welche um das Seelenheil ihres Gatten bebte; und Theodosius' Gemüt gewann Festigkeit durch eine theologische Beweisführung, welche auch dem schlichtesten Verständnis zugänglich war.
Unlängst erst hatte Theodosius seinem ältesten Sohne den Namen und den Rang eines Augustus verliehen; und so saßen nun die beiden Herrscher auf stattlichem Throne, die Ehrbezeigungen ihrer Untertanen entgegen zu nehmen. Ein Bischof, Amphilochios von Iconium, nahte herzu, und nachdem er der Person seines Herrschers die schuldige Ehre erwiesen hatte, redete er den Königsknaben mit der gleichen vertrauten Leutseligkeit an, die er auch bei einem Kinde aus dem Volke würde gezeigt haben. Aufgebracht durch dieses ungehörige Benehmen, gab der Monarch Befehl, dass der bäuerische Gottesmann solle aus seiner Gegenwart entfernt werden. Aber während die Wache ihn zur Tür drängte, hatte der fintenreiche Gottesstreiter gerade noch Zeit genug, seinen Plan auszuführen und mit lauter Stimme zu rufen: »Dies ist die Behandlung, o Kaiser!, die der König des Himmels für jene Gottlosen vorgesehen hat, welche den Vater anbeten, aber die gleiche Majestät seines göttlichen Sohnes anzuerkennen nicht bereit sind.« Unverzüglich schloss Theodosius den Bischof von Iconium in die Arme und vergaß niemals die wichtige Belehrung, die ihm durch diese dramatische Parabel zuteil geworden war. Sozomenos 7,6; Theodoretos 5,16. Tillemont (Mémoires ecclésiastiques, Band 6, p.627f) ärgert sich an den Worten »bäuerischer Bischof« und »unbedeutende Kleinstadt«. So muss ich denn von der Vorstellung Abschied nehmen, dass Amphilochios und Iconium im römischen Reiche Gegenstände von unmaßgeblicher Bedeutung waren.
ARIANISMUS IN KONSTANTINOPEL · GREGOR VON NAZIANZ
Konstantinopel war der Hauptsitz und gleichsam die Feste des Arianismus; und in dem langen Zeitraum von vierzig Sozomenos 7,5; Sokrates 5,7 Marcellinus. in Chronica. Die 40 Jahre müssen gerechnet werden ab der Wahl des Eusebios, welche klugerweise den Bischofssitz von Nikomedia mit dem von Konstantinopel eintauschte. Jahren wurde das Bekenntnis der Herrscher und Prälaten, welche in der Metropole des Ostens herrschten, in den reineren Schulen Roms und Alexandrias verworfen. Der erzbischöfliche Stuhl des Makedonios, den so viel christliches Blut besudelt hatte, wurde nacheinander von Eudoxus und Damophilos eingenommen. Ihre Diözese erfreute sich eines lebhaften Zustromes jedweder Laster und Irrlehren aus allen Gegenden des Reiches; die religiösen Kontroversen, eifervoll durchgefochten, gaben dem theologischen Müßiggang der Großstadt beständig neue Nahrung; und gerne glauben wir der Darstellung eines klugen Beobachters, welcher nicht ohne scherzhafte Bosheit die Folgen ihres geschwätzigen Glaubenseifers schildert:
»In dieser Stadt,« schreibt er »wimmelt es von Handwerkern und Sklaven, welche allesamt tiefschürfende Theologen sind und in Straßen und Verkaufsbuden predigen. Möchtest du, dass dir ein Wechsler ein Stück Silber eintauscht, erklärt er dir, worin sich der Vater vom Sohn unterscheidet; fragst du nach dem Brotpreis, erhältst du zur Antwort, dass vor dem Sohn der Vater komme; und fragst du, ob das Bad bereitet sei, erhältst du zur Auskunft, dass der Sohn aus Nichts hervorgekommen sei.« Siehe Jortin, Remarks on ecclesiastical history, Band 4, p. 71. Die 27. Rede des Gregor von Nazianz enthält solche, zum Teil sogar noch albernere Vorstellungen. Aber immer noch nicht habe ich den eigentlichen Wortlaut dieser Passage gefunden, die ich im Vertrauen auf einen braven und korrekten Gelehrten beigebracht habe.
Die Häretiker der verschiedensten Schulen lebten in Frieden unter dem Schutze der Arianer von Konstantinopel, welche sich der Anhänglichkeit dieser obskuren Sektierer versicherten und zugleich unnachsichtig ihren Sieg über die Bekenner des nikäischen Glaubensbekenntnisses ausbeuteten. Während der voreingenommenen Regierung des Constantin und Valens wurden die ohnmächtigen Überreste der Homoousier der Möglichkeit beraubt, ihre Religion privat oder öffentlich auszuüben, und mit pathetischer Sprache wurde festgestellt, dass die zerstreute Herde ohne Hirten sei und im Gebirge umherirre, auf dass reißende Wölfe sie verschlängen. Vergleiche hierzu die 42. Rede des Gregor von Nazianz und die Darstellung seines Lebens in 1800 iambischen Versen. Jeder Arzt nimmt gerne Gelegenheit, die Schwere einer von ihm geheilten Krankheit zu überzeichnen. Da indessen ihr Glaubensmut nicht etwa gedämpft wurde, sondern aus der Unterdrückung sogar noch Kraft und Stärke schöpfte, ergriffen sie die erstbeste Gelegenheit, die sich ihnen nach dem Tode des Valens bot, um sich zu einer regulären Glaubensgemeinschaft mit eigenem Bischof zusammen zu schließen.
GREGOR VON NAZIANZ
Zwei gebürtige Kappadokier, Basil und Gregor von Nazianz, zeichneten sich vor allen anderen Zeitgenossen Ich bekenne, dass ich den beiden Biographien des Gregor von Nazianz unendlich viel schuldig bin, der von Tillemont (Mémoires ecclésiastiques, Band 9, p. 693 – 697) und von Le Clerc (Bibliothèque universelle, Band 18, p. 1.128), welche beide in ganz unterschiedlicher Absicht abgefasst wurden. aus durch eine seltene Verbindung von weltlicher Beredsamkeit und orthodoxer Frömmigkeit. Wenn sich Gregor bei seinem eigenen Alter nicht um dreißig Jahre geirrt hat, dann wurde er, ebenso wie sein Freund Basilius, im Jahre 329 geboren. Die unsinnige Chronologie der Suidas wurde kritiklos akzeptiert; denn sie beseitigt den Skandal um Gregors Vater, gleichfalls heilig, welcher noch Kinder zeugte, nachdem er Bischof geworden war (Tillemont, Mémoires ecclésiastiques, Band 9, p. 693-697). Diese beiden Redner, die sich selbst gerne mit den größten Rednern der griechischen Klassik verglichen, in welcher Einschätzung ihnen auch das Publikum folgte, waren sich freundschaftlich zugetan. Sie beide hatten mit gleichem Eifer in den Hochschulen von Athen die gleichen Studien betrieben; hatte sich mit der gleichen Hingabe in die Ödnis des Pontos zurückgezogen; und jedweder Gedanke an Konkurrenz oder Neid schien in Gregor und Basil gänzlich erstorben zu sein. Aber die Erhebung des Basil aus seiner privaten Einsamkeit auf den Bischofsthron von Caesarea offenbarte der Welt und wohl auch ihm selbst seinen hochfahrenden Charakter; jedenfalls wurde die erste Gefälligkeit, die er seinem Freunde zu erweisen sich herbeiließ, allgemein als höhnischer Schimpf aufgefasst und war möglicherweise sogar als ein solches angelegt. Gregors Gedicht über sein Leben enthält so manche schöne Zeile (Opera, Band 2, p. 8), welche aus dem Herzen kommen und den Schmerz einer gekränkten oder gar verlorenen Freundschaft ausdrücken: [Ü.a.d.Griech.: ...gemeinsame Mühe der Worte/unter gemeinsamen Dach, an gemeinsamen Herde das Leben/ ein Gedanke in beiden.../alles zerrissen, zu Boden geworfen,/die Winde verwehen die alten Hoffnungen]. – Im ›Sommernachtstraum‹ wendet sich Helena mit der gleichen inbrünstigen Klage an ihre Freundin Hermia (3,2): Is all the counsel that we two have shared, The sisters' vows, etc. (Sind alle Heimlichkeiten, die wir beide teilten, die Schwüre zwischen Schwestern etc). Shakespeare hat Gregors Gedichte nie gelesen, er verstand kein Griechisch, aber die Sprache der Natur, die eigentliche Muttersprache, ist in Kappadokien dieselbe wie in Britannien.
Anstelle die unübersehbaren Talente Gregors auf einem wichtigen und angesehenen Posten einzusetzen, suchte der Prälat mit berechneter Bosheit unter den fünfzig Bischofssitzen seiner weitläufigen Kirchenprovinz das weltverlassene Dorf Sasima Dieses ungünstige Bild von Sasima hat Gregor von Nazianz entworfen (De vita sua. Opera, Band 2, p. 7f). Seine genaue Lage, 49 Meilen von Archelais und 32 Meilen von Tyana entfernt, wird im Itinerarium des Antoninus (p. 44) mitgeteilt. aus, wo es kein Wasser gab, kein Grün, keine Menschen und das lediglich von einem intermittierendem Strom von Fuhrleuten, lärmenden und groben Kerlen, heimgesucht wurde. Ungern nur unterwarf sich Gregor diesem demütigenden Exil; er ward zum Bischof von Sasima ernannt; aber er besteht nachdrücklich darauf, dass er diese Ehe mit seiner abstoßenden geistlichen Braut niemals vollzogen habe. Danach willigte er darein, den Hirtenstab in seiner Heimatkirche in Nazianz Der Name Nazianz ist durch Gregor in die Unsterblichkeit eingegangen; aber seine Geburtsstadt wird unter dem griechischen oder lateinischen Namen Diocaesarea (Tillemont, Mémoires ecclesiastiques, Band 9, p. 692) von Plinius (6,3), Ptolemäus und Hierokles erwähnt (Wesseling, Itineraria p. 709). Es scheint an der Grenze von Isaurien gelegen zu haben. zu übernehmen, in welcher sein Vater fünfundvierzig Jahre Bischof gewesen war. Da er sich aber nach wie vor bewusst war, eine andere Bühne und ein anderes Publikum zu verdienen, nahm er – und hier war sicherlich Ehrgeiz mit im Spiele – den ehrenvollen Ruf an, der von der orthodoxen Faktion Konstantinopels an ihn erging.
NIMMT BERUFUNG NACH KONSTANTINOPEL AN · NOVEMBER 378
Bei seiner Ankunft in der Hauptstadt nahm ihn ein frommer und milder Blutsverwandter in seinem Hause auf; das größte Zimmer blieb der Andacht vorbehalten; und den Namen Anastasia wählte man, um die Auferstehung des nikäischen Bekenntnisses zum Ausdruck zu bringen. Diese private Gebetsstätte wurde später zu einer großartigen Kirche umgebaut; und schon bald zeigte sich die Leichtgläubigkeit nachfolgender Jahrhunderte bereit, die Wunder und Gesichte zu glauben, die die Gegenwart oder doch zumindest die schirmende Hand der Mutter Gottes bewiesen. Siehe du Cange, Constantinopolis christiane, 4, p. 141f. Sozomenos (7,5) wird als die Jungfrau Maria gedeutet. Von der Kanzel der Anastasia kämpfte Gregor von Nazianz und siegte; und in nur zwei Jahren durchlebte er alle geistlichen Fährnisse und Glücksumstände eines Missionars. Tillemont, Mémoires ecclésiastiques, Band 9, p. 432ff hat die rhetorischen und poetischen Andeutungen bei Gregor gesammelt, erweitert und selbst ausgelegt.
Die Arianer, die sich an seinem kühnen Vorgehen ärgerten, legten seine Lehrmeinung so aus, als ob er drei getrennte und gleichberechtigte Gottheiten lehre; und die anhängliche Schar der Gläubigen zeigte sich aufgelegt, die glaubensirrigen Versammlungen der athanasischen Ketzer mit Gelärme und Gewaltanwendung zu unterbinden. Aus der Kathedrale der heiligen Sophia schickten sie einen buntgewürfelten Haufen los, bestehend aus »gewöhnlichen Bettlern, die ihres Anspruchs auf Mitleid verlustig gegangen waren; Mönchen, die Satyrn und Böcken ähnlich sahen; Weibern, die schrecklicher waren als viele Jezabels.« Die Türen der Anastasiagemeinde wurden aufgebrochen; mit Stöcken, Steinen und Brandfackeln ward viel Böses verübt oder wenigstens probiert; als nun sogar ein Mann sein Leben verlor und Gregor am nächsten Morgen vor den Magistrat zitiert wurde, hatte er doch den Trost, öffentlich Christum zu bekennen.
Nachdem er nun der Gefahr und Sorge überhoben war, für einen öffentlichen Feind angesehen zu werden, wurde seine Kirche in ihrer Jugendfrische von innerer Spaltung und Fraktionenbildung heimgesucht. Ein Fremder, der sich den Namen Maximus Er hielt zu dessen Lob eine Rede (Orationes 25); aber nach ihrem Streit wurde der Name Maximus in Heron umgewandelt (Hieronymus, De viris illustribus. Opera, Band 1, p. 301). Ich will dieses abwegige, persönliche Geplänkel nur am Rande berühren. und die Zunftkleidung der kynischen Philosophen zugelegt hatte, schlich sich in das Vertrauen des Gregor ein; enttäuschte und missbrauchte dessen günstige Meinung; nahm heimliche Kontakte zu einigen ägyptischen Bischöfen auf und versuchte auf diese Weise und durch heimliche Ordination seinen Patron von seinem Bischofssitz zu Konstantinopel herabzustoßen. Wegen dieser Kränkungen hat sich der kappadokische Missionar gewiss mehrfach nach seiner Abgeschiedenheit zurückgesehnt. Dafür aber, und dies mag ihm Labe gewesen sein bei seinen Verdrießlichkeiten, vergrößerten sich sein Ruhm und seine Gemeinde täglich; und mit Freuden gewahrte er, wie der größere Teil seiner zahlreichen Zuhörerschaft nach seinen Predigten davonging, gestärkt durch des Verkünders In der anspruchslosen Form eines Traumes beschreibt Gregor (Carmina 9) mit einigem Wohlbehagen seinen Erfolg. Aber es scheint doch, wie aus dem vertrauten Gesprächen mit seinem Zuhörer St Hieronymus hervorgeht (Epistula ad Nepotianum. Opera, Band 1, p.14), dass der Prediger den wahren Wert des populären Beifalls richtig einzuschätzen wusste. Wortgewalt oder zerknirscht über die vielfältigen Mängel ihres Glaubens und Wandels. »Lachrimae auditorum laudes tuae sint.« [Die Tränen der Zuhörer seien dein Lob], lautet der lebensnahe und einsichtsvolle Rat des heiligen Hieronymus.
NOVEMBER 380 · ARIANISMUS IN KONSTANTINOPEL...
Die Katholiken Konstantinopels fühlten sich durch die Taufe und das Edikt des Theodosius neuerlich belebt; und ungeduldig warteten sie auf die Auswirkungen seines weitherzigen Versprechens. Schon bald erfüllten sich ihre Hoffnungen; und auch der Kaiser kehrte nach erfolgreicher Beendigung seines Feldzuges öffentlich in die Hauptstadt zurück. Schon am nächsten Tage zitierte er Damophilos zu sich und stellte den arianischen Prälaten vor die bittere Alternative, entweder das nikäische Glaubensbekenntnis zu unterschreiben oder unverzüglich allen Rechtgläubigen die Nutzung, ja den Besitz des Bischofspalastes, der Sophienkathedrale und aller Kirchen von Konstantinopel zu übertragen. Die Glaubensstärke des Damophilos, die einem katholischen Heiligen wohl angestanden hätte, entschied sich ohne Anstand für ein Leben in Armut und im Exil, Sokrates (5,7) und Sozomenos (7,5) berichten nur kalt und lässig von Damophilos Bekennermut. Man müsse bedenken, so Sokrates, dass es schwer sei, dem Mächtigen zu widerstehen; leicht aber sei es und wohl auch von Vorteil, sich ihm zu unterwerfen. und sofort nach seinem Rückzug erfolgte die Säuberung der Kaiserstadt.
Die Arianer mochten wohl nicht ganz zu Unrecht einwenden, dass ein überschaubar-kleiner Haufen von Sektierern die hundert Kirchen mit Beschlag belegen sollten, die sie unmöglich füllen konnten; während der weitaus größte Teil des Volkes auf grausame Weise von jedem weiteren Gottesdienst ausgeschlossen war. Theodosius blieb unerbittlich: da nun aber die Engel, welche den katholischen Glauben schützen, bekanntlich nur dem gläubigen Auge sichtbar sind, sprang er jenen himmlischen Scharen mit durchaus weltlicher Hilfe und Waffen zur Seite; und so ward die Kirche der St. Sophia mit kaiserlicher Garde besetzt. Wenn Gregorn das Gefühl aufwallenden Stolzes nicht fremd war, dann muss er die äußerste Genugtuung empfunden haben, als er von seinem Kaiser in feierlichem Umzug durch die Straßen geführt wurde und von ihm höchstselbst auf den Thron des Erzbischofs von Konstantinopel eingesetzt wurde.
Aber der Heilige (der des Bewusstseins von der Unzulänglichkeit menschlicher Gesittung noch nicht ganz entbehrte) fand wenig Erbauliches an der kränkenden Vorstellung, dass er eher wie ein reißender Wolf denn wie ein guter Hirte in die neue Herde eingefallen sei; dass schimmernde Waffen not seien, seine Person zu beschützen; und dass ganz allein er das verhasste Objekt der Verwünschung einer großen Masse sei, die, Männer wie Frauen, er unmöglich ignorieren konnte. Er gewahrte die Vielen beiderlei Geschlechtes und jeden Alters, die die Straßen, die Fenster und die Dächer besetzt hielten; er vernahm die Rufe des Zornes, des Kummers, der Bestürzung und der Verzweiflung; und Gregor bekannte, dass seit dem Tage seiner Thronbesteigung die Hauptstadt des Ostens Ähnlichkeit hatte mit einer Stadt, die ein siegreicher Barbarenhäuptling im Sturm genommen hatte. Siehe Gregor von Nazianz, de vita sua. Opera, Band 2, p. 21f. Zum Nutzen der Nachwelt notierte der Bischof ein wundersames Zeichen. An einem wolkenverhangenen Novembermorgen brach die Sonne durch, als die Prozession die Kirche betrat.
...UND IM OSTEN UNTERBUNDEN · 10. JANUAR 381
Sechs Wochen später erklärte Theodosius seine Entschlossenheit, alle Bischöfe und Kleriker seines Reiches ihrer Ämter zu entsetzen, die weiterhin in Trutz und Poch sich weigern sollten, das nizäische Bekenntnis zu glauben oder doch wenigstens zu bekennen. Sein General Sapor wurde mit weitreichenden rechtlichen und militärischen Vollmachten ausgestattet; Von den drei Kirchenhistorikern hat allein Theodetos (5,2) diese Vollmachten Sapors erwähnt, welche Tillemont (Histoire des Empereurs, Band 5, p. 728) zu Recht aus der Regierungszeit Gratians in die des Theodosius verlegt. und diese Kirchen-Revolution wurde mit so viel Diskretion und Nachdruck durchgeführt, dass die Religion des Herrschers ohne jedes Aufsehen oder Blutvergießen sich in allen Provinzen des Ostens etablierte. Die Schriften der Arianer, wenn sie denn hätten erscheinen dürfen, Ich zähle Philostorgos nicht dazu, obwohl er (9,19) die Verbannung des Damophilos erwähnt. Der Eunomianische Historiker ist gründlich durch ein orthodoxes Sieb gereinigt worden. würden wohl die Darstellung der Verfolgung enthalten haben, welche die Kirche unter des gottlosen Theodosius Herrschaft heimgesucht hatte; und das Leiden ihrer heiligen Bekenner hätte dann auf das Mitleid des unparteiischen Leser Anspruch gemacht. Man kann sich jedoch ebenso gut vorstellen, dass es der Rache und dem Verfolgungseifer an Heftigkeit mangelte, da der eigentliche Widerstand ausblieb; und dass die Arianer in ihrer misslichen Lage erheblich weniger Glaubensstärke an den Tag legten als etwa die orthodoxe Partei in den Zeiten eines Constantius und Valens.
Die moralische Verfassung und die Aufführungen der beiden feindlichen Sekten scheinen von identischen naturgesetzlichen und religiösen Prinzipien geleitet worden zu sein; aber ein höchst materieller Umstand mag hinzugetreten sein, der einen Unterschied im Ausmaß ihres Glaubens nach sich zog. Beide Parteien anerkannten und verehrten in Schule und Tempel die göttliche Majestät Christi; und da wir stets dazu neigen, unsere eigenen Empfindungen und Leidenschaften auch der Gottheit zuzuschreiben, pflegte man es für klüger und respektvoller zu halten, die anbetungswürdigen Eigenschaften des Gottessohnes zu übertreiben als einzuschränken. Die Jünger des Athanasius frohlockten in dem stolzen Bewusstsein, dass sie der göttlichen Gnade versichert sein könnten; während die Gefolgschaft des Arius durch die heimliche Sorge gequält worden sein muss, dass er möglicherweise eines unverzeihlichen Vergehens schuldig geworden sei wegen der kargen Lobpreisung und spärlichen Ehrung, die er dem Richter der Welt gespendet hatte. Für ein kaltes und rationales Gemüt mochten die Auffassungen des Arianismus Befriedigung gewähren; aber da waren die Sätze des nikäischen Bekenntnisses, die sich nachdrücklich durch ihre Verdienste dem Glauben und der Ergebung empfohlen hatten, weit besser geeignet, in einem gläubigen Zeitalter volkstümlich zu werden und sich erfolgreich durchzusetzen.
DAS KONZIL VON KONSTANTINOPEL A.D. 381
Die Erwartung, es möge sich Weisheit und Glauben in den Versammlungen des rechtgläubigen Klerus vorfinden, vermochte den Kaiser, eine Synode von einhundertundfünfzig Bischöfen nach Konstantinopel zu berufen, welches ohne allzu viele Diskussion und Verzögerung das auf dem Konzil von Nikäa etablierte theologische System vollenden sollte. Die heftigen Zänkereien des vierten Jahrhunderts betrafen wesentlich die Natur des Gottessohnes; und die unterschiedlichen Auffassungen, die im Zusammenhang mit der zweiten Person der Trinität geäußert worden waren, übertrug man naturgemäß auf die dritte Person. Le Clerc (Bibliothèque universelle, Band 18, p. 98-105) hat eine wunderliche Zusammenfassung aller theologischen Reden vorgelegt, welche Gregor von Nazianz in Konstantinopel gegen die Arianer, Eunomianer, Mecedonianer &c gehalten hat. Er sagt den Makedonianern, welche Vater und Sohn, nicht aber den Heiligen Geist als Gott ansahen, dass sie ebenso gut Ditheisten wie Tritheisten heißen könnten. Gregor selbst war Tritheist; und sein Himmelsreich ähnelt einer wohlgeordneten Aristokratie. Indessen erachteten es die siegreichen Feinde des Arianismus für notwendig, oder zumindest war es ihre Absicht, die verwaschene Ausdrucksweise einiger angesehener Kirchenväter auszulegen; den Glauben der Katholiken auf ein sicheres Fundament zu stellen; und die verhasste und unruhige Sekte der Makedonianer zu verdammen, welche frei heraus bekannten, dass der Sohn mit dem Vater wesensgleich sei, während sie es ängstlich vermieden, die Existenz dreier Gottheiten anzuerkennen.
Endlich erkannte man einstimmig dem Heiligen Geist die gleiche Göttlichkeit zu; diese geheimnisvolle Lehre wurde von allen christlichen Kirchen der ganzen Welt übernommen; und diese fromme Ehrerbietung hat der Bischofsversammlung des Theodosius den zweiten Rang unter allen ökumenischen Konzilien eingebracht. Das erste ökumenische Konzil von Konstantinopel hat gegenwärtig im Vatikan obsiegt; aber die Päpste hatten lange gezögert, was den demutsvollen Tillemont (Mémoires ecclésiastiques Band 9, p. 499f) ernstlich verwirrt. Möge ihre Erkenntnis der religiösen Wahrheit nun auf Überlieferung oder Eingebung beruhen; die nüchterne Geschichtsschreibung wird den Vätern von Konstantinopel kein übermäßiges persönliches Verdienst zuschreiben. In einer Zeit, als der Klerus sich empörend weit von dem Vorbild apostolischer Reine entfernt hatte, waren es gerade die Unwürdigsten und Verderbtesten, welche sich jederzeit bereit fanden, Kirchenversammlungen zu besuchen und zu stören. Der Gegensatz und die Gärung so vieler unvereinbarer Interessen und Charaktere erhitzte auch die Leidenschaften der Bischöfe; und ihre eigentlichen Leidenschaften waren die Liebe zu Gold und Zänkerei.
Dieselben Prälaten, die jetzt der frommen Rechtgläubigkeit des Theodosius Beifall jauchzten, hatten wiederholt und mit berechneter Geschmeidigkeit ihr Glaubensbekenntnis und ihre Meinungen gewendet; und bei den zahlreichen Umwälzungen in Staat und Kirche war allemal die Religion ihres Herrschers Leitstern für ihren gehorsamen Glauben. Wenn der Kaiser vorübergehend sich aus dem Konzil zurückzog, gewannen Hochmut, Hass und Zorn die Oberhand. Der Tod des Meletius, der sich während des Konzils zu Konstantinopel ereignete, bot eine gute Gelegenheit, das Schisma von Antiochia aufs schicklichste zu beenden, indem man seinem betagten Rivalen Paulinus friedlich auf seinem Bischofsstuhle zu entschlummern gestattete; Glaube und Tugenden des Paulinus wären dann makellos geblieben. Aber die Kirchen des Westens nahmen sich seiner Sache an; und die Bischöfe der Synode verfehlten nicht, der Spaltung Dauer zu verleihen, indem sie in großer Hast einen meineidigen Kandidaten ordinierten, Vor dem Tode des Meletius hatten sechs oder acht der angesehensten Kirchenmänner, unter ihnen auch Flavian, um des lieben Friedens willen des Bistums von Antiochia feierlich entsagt (Sozomenos 7,3 und Sokrates 5,5). Tillemont (Mémoires ecclésiastiques Band 10, p. 441) hält es für seine Pflicht, diese Erzählung nicht zu glauben; aber er gibt doch zu, dass es viele Umstände im Leben des Flavian gibt, die nicht mit dem Lob des Chrysostomos und einer heiligmäßigen Aufführung zusammen zu passen scheinen. ehe sie etwas von der angeblichen Vorrangstellung der Ostkirche drangegeben hätten, welche erhoben war durch Geburt und Tod des Gottessohnes. Derlei albernes und ungeordnetes Vorgehen nötigte die ernsthaften Mitglieder zu Dissens und Abreise; und der lautstarke Haufe, der das Schlachtfeld behauptet hatte, konnte eigentlich nur mit Geschmeiß und Aasfressern verglichen werden, mit dem schwärzlichen Gewimmel eines Kranichheeres oder mit einer Gänseherde. Man sehe Gregor von Nazianz, de vita sua, Band 2, p. 25-28. Seine Auffassungen über den Klerus im Allgemeinen und Besonderen sowie von dessen Zusammenkünften finden sich in Poesie und Prosa (Orationes 2; Epistulae 130; Carmina 11). Derlei Textstellen werden von Tillemont nur ansatzweise, von le Clerc jedoch gründlich behandelt.
ABDANKUNG DES GREGOR VON NAZIANZ
Ein Verdacht schleicht sich jetzt unwillkürlich ein, dass ein so unvorteilhaftes Gemälde einer Kirchensynode von der frevlen Hand eines verstockten Ketzers oder bösartigen Glaubensfeindes müsse gezeichnet worden sein. Aber der Name des aufrichtigen Historikers, der diese lehrreiche Geschichte der Nachwelt überliefert hat, bringt das ohnmächtige Murren des Aberglaubens und der Bigotterie mit Leichtigkeit zum Schweigen. Er war einer der frömmsten Bischöfe seiner Zeit und der redegewandteste dazu: ein Heiliger und Kirchenlehrer; die Geißel des Arianismus und das Ruhekissen der Rechtgläubigkeit; ein bedeutendes Mitglied des Konzils zu Konstantinopel, dem er nach dem Tode des Meletus vorsaß: mit einem Wort, Gregorios von Nazianz persönlich. Die herbe und ungerechte Behandlung, die er dort erfuhr, Siehe Gregor von Nazianz, de vita sua, Band 2, p.28-31. Die 14., 27. und 32. Reden wurden bei unterschiedliche Gelegenheit zu diesem Gegenstande gehalten. Der Redeschluss der letzten (Opera Band 1, p. 528), in welcher er sich von Menschen und Engeln, der Stadt und dem Kaiser, dem Osten und dem Westen feierlich verabschiedet, ist ergreifend und nachgerade erhaben. tat ihm indessen nicht nur keinen Abbruch, sondern lieferte sogar noch zusätzliche Beispiele des Geistes, der den Beratungen dieser Synode innewohnte.
Die Ansprüche, zu welchen sich der Bischof zu Konstantinopel aufgrund seiner Wahl durch das Volk und seiner Bestätigung durch den Kaiser berechtigt glaubte, waren durch einmütigen Beschluss bekräftigt worden. Aber schon bald wurde Gregor das Opfer von Bosheit und Abgunst. Die Bischöfe des Ostens, seine treuesten Anhänger, ärgerten sich an seinem maßvollen Vorgehen in der Affäre von Antiochia und lieferten ihn schutzlos der feindlichen ägyptischen Faktion in die Hand, welche die Gültigkeit seiner Wahl bestritt und zugleich einen obskuren Konzilsbeschluss ausgrub, welcher die eingerissene missbräuchliche Versetzung von Bischöfen einschränkte. Gregors Stolz oder seine Demut verboten ihm, sich auf einen Streit einzulassen, da ihm dies als Ehrgeiz und Machtgier hätte ausgelegt werden können; und öffentlich, aber nicht frei von Verdrossenheit erklärte er seinen Rücktritt vom Vorsitz einer Kirche, die er durch eigene Mühe und Arbeit wieder hergestellt, ja recht eigentlich neu geschaffen habe.
Synode und Kaiser nahmen seinen Rücktritt mit größerer Bereitwilligkeit an, als er wohl selbst erwartet hatte. Und zu dem Zeitpunkt, als er die Früchte seines Sieges zu genießen gehofft haben mochte, war sein Bischofsstuhl von einem Senator mit Namen Nectarius besetzt; allerdings war der neue Erzbischof genötigt, den eigentlich nur seine gefüge Wesensart und sein ehrwürdiges Erscheinungsbild auszeichneten, sein Amt mit einiger Verspätung anzutreten, da er sich erst noch der Taufzeremonie unterziehen musste. Die groteske Ordination des Nectarius wird von Sozomenos (7,8) bezeugt; Tillemont (Mémoires ecclésiastiques Band 9, p. 791) merkt dazu an: »Apres tout, ce narre de Sozomene est si honteux pour tous ceux qu'il y mele, et surtout pour Theodose, qu'il vaut mieux travailler a le detruire qu'a le soutenir« [Insgesamt ist diese Erzählung für alle Beteiligten und insbesondere für Theodosius derart schändlich, dass es besser ist, sich um ihre Widerlegung zu bemühen als sie zu ertragen]. Ein bewundernswerter Grundsatz der Kritik! Nach dieser neuerlichen Probe des Undanks von Herrschern und Prälaten zog sich Gregor zum zweiten Male in seine abgelegene Einöde von Kappadokien zurück; wo er sich für den Rest seines Lebens, etwa acht Jahre, der Dichtung und Anbetung widmete. Seinem Namen wurde der Titel eines Heiligen zugefügt; aber ein schöneres Licht wirft die feine Herzens – Ich will damit lediglich sagen, dass dies seine natürliche Anlage war; wenn sie denn nicht durch religiösen Eifer verhärtet oder gar entflammt war. Von seinem Exil aus ermahnt er Nectarius, die Ketzer in Konstantinopel zu verfolgen. und Verstandesbildung auf das Gedächtnis des Gregor von Nazianz.
ERLASSE DES THEODOSIUS GEGEN DIE KETZER A.D. 380-394
Es war nicht genug damit getan, dass Theodosius die dreiste Herrschaft des Arianismus unterdrückt hatte, oder dass er unfassende Rache übte wegen des Unrechtes, das die Katholiken durch Constantius' oder Valens Fanatismus erlitten hatten. Der rechtgläubige Kaiser sah in jedem Ketzer einen Rebellen gegen die Mächte des Himmels und der Erden; und diesen beiden Mächten stand eine ganz besondere Gerichtsbarkeit über Körper und Seele des Schuldigen zu. Die Beschlüsse des Konzils von Konstantinopel hatten die Leitsätze des wahren Glaubens festgelegt; und die Geistlichen, die Herr waren über das Gewissen des Theodosius, waren groß im Erfinden der wirkungsvollsten Methoden, diesen Leitsätzen Gehör zu verschaffen. Innerhalb von nur fünfzehn Jahren erließ er wenigsten fünfzehn strenge Erlasse gegen die Häretiker; Siehe Codex Theodosianus 16,5,6-23 und Gothofreds Kommentar zu jedem Gesetz und seine Zusammenfassung, oder ›Paratitlon‹ Band 6, p. 104-110. insbesondere gegen die, welche die Lehre von der Trinität zurückwiesen; und um ihnen auch die letzte Hoffnung zu nehmen, verfügte er mit Nachdruck, dass für den Fall, es würden irgendwelche Gesetze oder Bestimmungen zu ihren Gunsten angeführt, die Richter dies als betrügliche Trickerei auslegen sollten. Die Strafmaßnahmen richteten sich gegen die Priester und die Versammlungen der Häretiker und gegen die Ketzer als Personen; und des Gesetzgebers glühender Eifer zeigte sich in seinem von Pathos und Bitterkeit durchsetzten Diktion.
I. Die ketzerischen Lehrer, die sich einen heiligen Bischofsstuhl erschlichen hatten, gingen nicht nur der Vorrechte und Einkünfte verlustig, mit denen der geistliche Stand so überreich gesegnet war, sondern hatten als Strafe Exil und Konfiskation zu gewärtigen, wenn sie sich unterfingen, ihrer fluchbeladenen Sekte Lehren zu predigen und ihre Riten zu üben. Eine Strafe von zehn Pfund Gold (mehr als vierhundert Pfund Sterling) wurde jeder Person auferlegt, welche es wagen sollte, eine ketzerische Ordination zu erteilen, anzunehmen oder anzustreben: und mit gutem Grunde erwartete man, dass die hilflose Herde, wenn man ihr erst einmal die Hirten genommen habe, durch Hunger und Orientierungslosigkeit genötigt werde, in den Schoß der katholischen Kirche zurückzukehren.
II. Das strenge Verbot von Glaubensversammlungen wurde auf alle nur denkbaren äußeren Anlässe erweitert, zu welchen sich die Häretiker hätten scharen können, Gott und Christum anzubeten nach dem Diktate ihres Gewissens. Ihre religiösen Zusammenkünfte, öffentliche oder geheime, in Städten oder auf dem Lande, bei Tage oder bei Nacht, wurden von Theodosius mit gleicher Strenge verboten; und Gebäude oder Grundstücke, die diesen verbotenen Zwecken gedient hatten, verfiel dem Dominium.
III. Allgemein wurde angenommen, dass die Irrtümer der Ketzer nur einer verstockten Gemütsverfassung entspringen konnten; und dass eine derartige Verfassung ein geeignetes Ziel für Strafmaßnahmen abgebe. Der Bannfluch der Kirche wurden deshalb durch eine Art ziviler Exkommunikation ergänzt, welche die Ketzer gegenüber ihren Mitbürgern als besonders ehrlos brandmarkte; und diese Ächtung von höchster Stelle trug dazu bei, dem fanatisierten Publikum für seine Übergriffe eine Rechtfertigung oder doch wenigstens einen Vorwand an die Hand zu geben. Nach und nach wurden die Sektierer von allen einträglichen Posten oder Ehrenstellen ausgeschlossen; und Theodosius berauschte sich an seinem eigenen Gerechtigkeitssinn, als er befand, die Eunomianer dürften nicht einmal mehr Testamente aufsetzen oder Erbschaften antreten, weil sie sich unterfingen, zwischen der Natur des Vaters und des Sohns zu unterscheiden. Die Verfehlungen der Manichäer indes waren so gewaltig, das sie nur durch die Hinrichtung der Übeltäter gesühnt werden konnten; und auch über die Audianer oder Quartodecimaner Sie begingen Ostern stets, wie die Juden ihr Passahfest, am vierzehnten Tage nach Vollmond nach den Frühjahrsäquinoktien; und standen dadurch in einem beständigen Gegensatz zur römischen Kirche und der Synode von Nicäa, welche Ostern auf einen Sonntag festgelegt hatten. Bingham, Christian Antiquities, p. 309. wurde auf die Todesstrafe erkannt, hatten sie sich doch tatsächlich zu der Ungeheuerlichkeit verstiegen, an einem falschen Tage das Osterfest zu begehen. Jeder römische Bürger war aufgefordert, öffentliche Anklage zu erheben; aber das Amt des Glaubens- Inquisitors, welcher Name zu Recht fürchterlich geworden ist, wurde zum ersten Male unter Theodosius eingerichtet. Allerdings versichert man uns, dass seine mörderischen Erlasse nur mit wenig Nachdruck umgesetzt wurden; und dass der fromme Herrscher weniger Wert darauf legte, seine widersetzlichen Untertanen zu bestrafen, als vielmehr sie für sich zu gewinnen oder wenigstens einzuschüchtern. Sozomenos 7,12.
HINRICHTUNG DES PRISCILLIANUS · A.D. 385
Die rechtlich-theoretischen Grundlagen zur Ketzerverfolgung hatte Theodosius gelegt, dessen frommer Zorn und große Gerechtigkeit den Beifall selbst von Heiligen einforderten; aber die praktische Umsetzung war aufgespart für seinen Rivalen und Mitregenten Maximus, welcher als erster unter den christlichen Herrschern das Blut von Christen wegen ihrer religiösen Meinung vergoss. Der Fall der Priscillianer, Siehe die ›Historia sacra‹ des Sulpicius Severus (Buch 2 Opera, p. 437-352), eines zuverlässigen und originellen Autors. Dr. Lardener (Credibility, Band 9, Teil 1, p. 256-350) hat hierüber mit viel Gelehrsamkeit, gesundem Menschenverstand und Zurückhaltung gearbeitet; Tillemont (Mémoires ecclésiastiques Band 8, p. 491-527) hat allen Unflat aus den Kirchenvätern zusammen gefegt; braver Gossenkehrer! einer neueren Sekte, die in Spanien für Aufsehen sorgte, wurde von einer Synode in Bordeaux an das kaiserliche Konsistorium zu Trier abgegeben; und auf Beschluss des Reichspräfekten wurden sieben Personen gefoltert, verurteilt, hingerichtet. Der erste von diesen war Priscillianus, Sulpicius Severus gedenkt dieses Erz-Ketzers mit Hochschätzung und Mitleiden: » Felix profecto, si non pravo studio corrumpisset optimum ingenium; prorsus multa in eo animi et corporis bona cerneres.« [Ganz gewiss glücklich, und wenn er nicht durch verschrobene Studien seine hohe Begabung verdorben hätte, hätte man an ihm durchaus zahlreiche Vorzüge des Geistes und Leibes entdecken können]. Historia Sacra 2, Opera, p. 439. Sogar Hieronymus (De viris illustribus, Opera, Band 1, p. 302) redet von Priscillianus und Latronianus in gemäßigten Wendungen. selbst, der Bischof des spanischen Avila; Der Bischofssitz erbringt heutzutage ein üppiges Jahresgehalt von 20.000 Dukaten (Büsching, Geography, Band 2, p. 308) und ist deshalb nur bedingt geeignet, zu einer neuen Häresie Anlass zu geben. bei dem die Vorzüge einer hohen Geburt und irdischer Reichtümer mit umfassenden Kenntnissen und glänzender Beredsamkeit harmonierten. Zwei Presbyter und zwei Diakone folgten ihrem geliebten Meister in den Tod, was sich ihnen als verdienstvolles Märtyrertum darstellte; die Liste der religiösen Opfer vervollständigte sich mit der Hinrichtung des Dichters Latronian, welcher sogar mit den Alten in Wettstreit treten konnte; »Exprobrabatur mulieri viduae nimia religio, et diligentius culta divinitas« [...der Witwe wurden überzogene Frömmigkeit und Gottesverehrung nachgesagt]. Pacatus, Panegyrici 12,29. So stellte sich jedenfalls ein humaner, wenn auch kenntnisloser Polytheist die Sache vor. und der Euchrocia, einer adligen Matrone aus Bourdeaux, der Witwe des Redners Delphidius. Zwei Bischöfe, die sich den Auffassungen der Priscillianer genähert hatten, wurden in ein fern abgelegenes, trübseliges Exil verbannt; Einer von ihnen wurde auf die Insel Syllinam quae ultra Britanniam est [auf die Insel Sullina (Scilly, Skye?) noch jenseits von Britannien]. Wie mögen wohl die Zustände auf den Klippen von Scilly im Altertum gewesen sein? Camden, Britannia, Band 2, p. 1519. und nur mit ein paar kleineren Sündern, die rechtzeitig Reue gezeigt hatten, übte man Barmherzigkeit.
Wenn man den Geständnissen glauben darf, die unter Foltern und Ängsten erpresst worden waren, oder den unbestimmten Gerüchten, den Ausgeburten von Verleumdung und Bosheit, dann begriff die Ketzerei der Priscillianer auch noch Magie, Gottlosigkeit und Wollust in sich. Die Hass-Schriften eines Augustinus und des Papstes Leo, die Tillemont brav wie ein Kind schluckt und Lardner verwirft wie ein Mann, können immerhin zugunsten der älteren Gnostik sprechen. Priscillian, der in Begleitung seiner geistlichen Schwestern die Welt bereiste, wurde vorgeworfen, splitternackt inmitten der Gemeinde zu predigen; und zuverlässig wusste man zu berichten, dass die Frucht seines verbotenen Verkehrs mit der Tochter der Euchrocia auf noch kriminellerer Weise unterdrückt worden sei. Aber eine genaue oder besser noch: unvoreingenommene Untersuchung wird zu Tage fördern, dass die Priscillianer, wenn sie denn die Gesetze der Natur verletzt haben sollten, dies nicht aus Übermut, sondern aus übergroßer Strenge taten. Sie verurteilten mit Nachdruck das Brautbett; und der Frieden vieler Familien wurde durch rücksichtslose Trennung ruiniert. Sie praktizierten und empfahlen eine vollständig vegetarische Lebensweise; und ihr beständiges Beten, Fasten und Wachen erstarrte bald zu strengster Regel.
Das philosophische Lehrgebäude der Sekte befasste sich wesentlich mit der Person Christi und der Natur der menschlichen Seele und war dem gnostischen und manichäischen System entlehnt; und diese müßige Philosophie, die von Ägypten nach Spanien gelangt war, wurde von den schwerfälligen Köpfen des Okzident übel aufgenommen. Priscillians Schüler litten, gaben nach und waren schließlich ganz verschwunden: Klerus und Volk wiesen seine Lehre zurück, aber sein Tod blieb Gegenstand einer langwierigen Kontroverse; während die Einen die Rechtmäßigkeit des Urteiles in Abrede stellten, begrüßten es die Anderen.
AMBROSIUS VON MAILAND UND MARTIN VON TOURS
Nicht ohne heimliches Vergnügen können wir die menschlichen Unzulänglichkeiten noch der berühmtesten Heiligen feststellen, etwa des Ambrosius von Mailand Ambrosius, Epistulae 24. und Martin von Tours; In der Heiligengeschichte und der Hagiographie von St Martin ist Sulpicius Severus noch einigermaßen vorsichtig; in seinen Dialogen (3,15) ist er schon kühner. Martin erhielt vom eigenen Gewissen und einem Engel Vorwürfe dafür; auch gingen im danach die Wunder nicht mehr so leicht von der Hand. welcher sich bei dieser Gelegenheit übrigens für religiöse Toleranz. Sie bedauerten die Unglücklichen, als diese in Trier hingerichtet wurden; sie weigerten sich, mit den bischöflichen Mördern gemeinsame Sache zu machen; und wenn Martin doch hiervon abwich, dann waren seine Motive löblich und seine Reue aufrichtig. Die Bischöfe von Tours und Mailand verhängten über die Ketzer ohne Zögern ewige Verdammnis; aber sie waren zugleich überrascht und empört über ihren blutigen Tod, und die ehrlichen Gemütsbewegungen der Natur konnten durch keinerlei erkünsteltes theologisches Vorurteil beruhigt werden. Die Humanität von Ambrosius und Martin erhielt zusätzliche Rechtfertigung angesichts des willkürlichen, ja ungesetzlichen Vorgehens gegen Priscillian und seine Anhänger.
UNGESETZLICHES VERFAHREN GEGEN PRISCILLIAN
Zivile und kirchliche Minister hatten die Grenzen ihrer jeweiligen Befugnisse überschritten. Ein weltlicher Richter hatte sich erdreistet, in einer Glaubensangelegenheit und in bischöflicher Jurisdiktion eine Klage anzunehmen und ein endgültiges Urteil zu fällen. Die Bischöfe selbst hatten sich bloßgestellt, als sie sich in einer Kriminalsache zu Anklägern hergaben. Die Grausamkeiten des Ithacius, Der katholische Presbyter (Sulpicius Severus, Opera p. 448) und der heidnische Redner (Pacatus, Panegyrici 12,29) verurteilen beide mit gleichem Nachdruck Charakter und Verhalten des Ithacius. der die Foltern überwachte und die Hinrichtungen der Häretiker durchsetzte, brachte die gerechte Empörung der Menschheit gegen sich auf; und die Vergehen dieses schandbaren Bischofs galten auch als Beweis dafür, dass sein Verfolgungseifer durch schmutzige Eigeninteressen befeuert worden war. Nach dem Tode des Priscillian wurden solche ungehobelten Methoden durch die Heilige Inquisition verfeinert und, indem sie der weltlichen und kirchlichen Macht ihre je verschiedenen Aufgaben zuteilte, sozusagen zur Kunst erhoben. Das ausgewählte Opfer wird ordnungsmäßig vom Priester dem Magistrat vorgeführt, und vom Magistrat dem Henker; und das unanfechtbare Urteil der Kirche, das das Todesurteil über den geistlichen Delinquenten ausspricht, ist durchzogen von dem sanften Flötenton des Mitleids und der Fürbitte.
AMBROSIUS, BISCHOF VON MAILAND 374-397
Unter den Männern der Kirche, die die Regierungszeit des Theodosius zierten, ragte Gregor als Kanzelprediger von hohen Graden hervor; die mönchischen Tugenden eines Martin von Tours Das Leben des heiligen Martin und die Dialoge über seine Wundertaten enthalten Tatsachen, die für die primitivste Barbarei passen, sind aber geschrieben in einem Stile, der sich noch in das augusteische Zeitalter fügen würde. Die Nachbarschaft von gesundem Menschenverstand und gutem Stil ist für mich so naturgegeben, dass ich immer wieder über diese Gegensätze in diesen Schriften ins Staunen geriet. erhielten zusätzliches Gewicht durch seine Fähigkeit, Wunder zu wirken; aber die Krone für die Vollendung bischöflicher Tugenden reklamiert unbestritten der furchtlose Ambrosius für sich. Sein Diakon Paulinus (Appendix zur Ausgabe der Benediktiner, p. I-XV) kann mit seiner kurzen und gehaltlosen Lebensbeschreibung des hl. Ambrosius wenigstens das Verdienst des unmittelbaren Augenzeugen für sich beanspruchen. Tillemont (Mémoires ecclésiastiques Band 10, p. 78-306) und die Herausgeber vom Benediktinerorden haben wie üblich viel Mühe auf sie verwendet.. Er entstammte einer adligen römischen Familie; sein Vater hatte das wichtige Amt des Reichspräfekten von Gallien ausgeübt; und der Sohn erklomm nach Beendigung einer freisinnigen Erziehung im Verlaufe seiner bürgerlichen Karriere die Stellung des Konsulars von Ligurien, in welcher Provinz auch die Kaiserresidenz von Mailand lag. Im Alter von vierunddreißig Jahren und noch bevor er das Sakrament der Taufe empfangen hatte, wurde Ambrosius plötzlich zu seiner eigenen und der ganzen Welt Überraschung vom Amt eines Provinzverwalters in das eines Erzbischofs befördert. Ohne die geringste Beimischung von List oder Betrug, so sagte man, grüßte ihn das Volk in seiner Gesamtheit mit dem Bischofstitel; die Einstimmigkeit und die Ausdauer ihrer Akklamationen schrieb man übernatürlichen Einflüssen zu; unversehens und widerstrebend sah sich der Regierungsbeamte genötigt, ein geistliches Amt auszuüben, für das er nach seinem bisherigen Wandel und Wesen durchaus nicht geschickt war.
Aber sein unternehmendes Gemüt qualifizierte ihn schon bald, mit Eifer und Umsicht die Pflichten der kirchlichen Rechtsprechung zu erfüllen; und während er fröhlichen Herzens dem müßigen und eitlen Putz weltlicher Größe entsagte, fand er sich zum Besten der Kirche zugleich darein, das Gewissen der Kaiser am Gängelbande zu führen und die Verwaltung des Reiches zu überwachen.
Gratian liebte ihn und nannte ihn Vater; und die sorgfältige Abhandlung über den Trinitätsglauben war zur Belehrung des jüngeren Fürsten bestimmt. Nach dessen tragischem Tod, als die Kaiserin Justina um ihre eigene und ihres Sohnes Sicherheit bangen musste, war der Erzbischof von Mailand in zwei verschiedenen Missionen am Kaiserhof zu Trier vorstellig. Mit vergleichbarer Bestimmtheit und ähnlichem Geschick bewährte er seine geistlichen und politischen Machtposition, stellte sich mit seiner Autorität und seiner Beredsamkeit dem Ehrgeiz des Maximus in den Weg und schützte dadurch auf seine Weise Italien. Ambrosius selbst (Epistulae 24) erstattet dem Herrscher äußerst geistvoll Bericht von seiner Gesandtschaft. Ambrosius hatte sein Leben und seine Fähigkeiten in den Dienst der Kirche gestellt. Reichtum verachtete er am meisten; sein väterliches Erbe hatte er ausgeschlagen; und ohne Zögern verkaufte er das geweihte Goldgeschirr, um damit Gefangene auszulösen. Klerus und Volk von Mailand empfanden für ihren Erzbischof starke Zuneigung; und er selbst stand bei seinen schwachen Herrschern zu Recht in Ansehen, ohne dass er ihre Gunst gesucht oder ihre Ungunst gefürchtet hätte.
KIRCHENSTREIT MIT KAISERIN IUSTINA 3.-10. APRIL 385
Die Aufsicht über Italien und den jungen Kaiser oblag naturgemäß seiner Mutter Iustina, einer attraktiven und geistreichen Frau, die aber das Missgeschick betraf, inmitten einer rechtgläubigen Bevölkerung die arianische Ketzerei zu bekennen, die sie überdies noch ihrem Sohne einzuträufeln sich erkühnte. Iustina hielt sich nun überzeugt, ein römischer Kaiser könne verlangen, dass er in seinem Herrschaftsgebiet seine Religion zumindest praktizieren dürfe; dem Erzbischof schlug sie als vernünftigen und bescheidenen Kompromiss vor, er möge von der Nutzung einer einzigen Kirche in Mailand oder seiner Umgebung zurücktreten. Aber Ambrosius ließ sich von ganz anderen Grundsätzen leiten. Die Darlegung seiner eigenen Grundsätze und sein Verhalten insgesamt (Epistulae 20,21, und 22) gehören zu den merkwürdigsten Dokumenten der Kirchengeschichte. Es gibt hierzu zwei Briefe an seine Schwester Marcellina zusammen mit einer Bittschrift des Valentinian sowie die Predigt de Basilicis non tradendis. Die Paläste dieser Welt seien – dies doch immerhin – des Kaisers; die Kirchen indessen seien die Wohnungen Gottes; und innerhalb der Grenzen seiner Diözese sei er, der treue Nachfolger der Apostel, der alleinige Diener Gottes. Die Vorrechte des Christentums, weltliche wie geistliche, seien nur seinen wahren Bekennern vorbehalten; und Ambrosius bekannte seine Genugtuung darüber, dass seine theologischen Auffassungen eins seien mit der Wahrheit und der Rechtgläubigkeit.
Der Erzbischof, der sich weigerte, mit den Werkzeugen Satans in Gespräche oder Verhandlungen auch nur einzutreten, erklärte mit demütiger Festigkeit, er wolle eher als Märtyrer sterben, bevor er sich auf diesen gotteslästerlichen Handel einlasse; und Iustina, die diese Weigerung als Akt des Ungehorsams, ja der Aufsässigkeit vermerkte, beschloss eilig, die kaiserlichen Prärogative ihres Sohnes geltend zu machen. Als sie darnach verlangte, beim bevorstehenden Osterfest öffentlich anzubeten, wurde Ambrosius vor den Rat zitiert. Er gehorsamte nach der Art eines pflichttreuen Untertanen, aber ihm folgte – gegen seinen Willen – eine ungezählte Volksmenge: unbotmäßig rüttelten sie an den Palasttoren; und die verschüchterten Minister der Iustina verbannten nun nicht etwa den Erzbischof von Mailand ins Exil, sondern baten demütig darum, er möge sein Ansehen geltend machen, die Person des Kaisers zu schützen und die Ruhe in der Hauptstadt neuerlich zu festigen.
Aber die Versprechen, die man Ambrosius machte, wurden von dem ungetreuen Hof schon bald gebrochen, und während der sechs höchsten Feiertage, die die christliche Frömmigkeit für religiöse Übungen vorbehalten hat, erbebte die Stadt an den Folgen von Tumult und Fanatismus. Die Hofbeamten erhielten Weisung, zunächst die porcianische und danach die neue Basilica für den Empfang des Kaisers und seiner Mutter herzurichten. Der herrliche Baldachin und die Behängungen des Kaiserthrones wurden hergerichtet, wie es der Brauch war; indessen sah man sich genötigt, diese Arbeiten durch starke Wachmannschaften vor den Übergriffen des gesunden Rechtsempfindens zu schützen. Die arianischen Kirchenmänner, die so tollkühn waren, sich in der Öffentlichkeit blicken zu lassen, schwebten in unmittelbarer Lebensgefahr; und Ambrosius mehrte seine guten Taten und sein Ansehen, indem er sogar seine persönlichen Feinde aus der Hand des aufgehetzten Pöbels rettete.
UNRUHEN IN MAILAND
Aber während er einerseits der Volkswut zu gebieten bemüht war, erhitzte die leidenschaftliche Heftigkeit seiner Predigten die erzürnten Gemüter Mailands. Die Charakterzüge der Eva, von Hiobs Weib, von Jezabel und Herodias wurden der Kaisermutter unterschiedslos angehängt; und ihr Wunsch, eine Kirche für die Nutzung durch die Arianer zu erhalten, wurden mit den grausamsten Verfolgungen gleichgestellt, die Christen in heidnischen Zeiten ausgestanden hatten. Die Maßnahmen des Hofes bewirkten allerdings nur, dass die Größe des Verbrechens fassbar wurde. Eine Geldbuße in Höhe von zweihundert Pfund Gold wurde den Kaufleuten und Manufakturbesitzern auferlegt: in Namen des Kaisers erging vom Gerichtshof an alle Offiziellen und deren Untergebenen ein schriftlicher Erlass, dass sie sich während der Dauer der öffentlichen Unruhen unbedingt in ihren Häusern aufhalten sollten: da erklärten die Minister des Valentinian unklugerweise, dass der angesehenste Teil des mailändischen Volkes für die Sache ihres Erzbischofs eintrete.
Erneut und in Übereinstimmung mit den Wünschen des Kaisers erging an ihn die Bitte, dem Lande den Frieden wiederzugeben. Die Erwiderung des Ambrosius war in den artigsten und bescheidensten Worten aufgesetzt, welche sich jedoch ebenso gut als eine Art Ankündigung des Bürgerkrieges auslegen ließen: »Sein Leben und sein Schicksal lagen in der Hand des Kaisers, aber nimmermehr würde er die Kirche Christi verraten oder zulassen, dass der Würde des Bischofsamtes Eintrag geschehe. Für diesen Fall sei er vorbereitet, alles zu erdulden, was die Mächte der Finsternis für ihn vorgesehen hätten; und nur dieses wünsche er: im Beisein seiner gläubigen Herde zu sterben, am Fuße seines Altars; den Zorn des Volkes habe er nicht hervorgerufen, und es stehe allein in Gottes Macht, ihn zu beschwichtigen: das Blutvergießen und den Aufruhr, der notwendig folgen müsse, seien ihm entschieden verhasst; und glühend bete er darum, es nicht erleben zu müssen, wie die blühenden Stadt, vielleicht sogar ganz Italien, untergingen.« Retz erhielt von der Königin einen ähnlichen Auftrag, den Tumult von Paris beizulegen. Dies aber war nicht mehr in seiner Gewalt: » A quoi j'ajoutai tout ce que vous pouvez vous imaginer de respect, de douleur, de regret, et de soumission, etc. [Dazu füge ich noch alles hinzu, was Sie sich vorstellen können an Respekt, Bedauern und Unterwerfung]. (Memoires, Band 1,p. 140). Ganz gewiss will ich weder die Vorkommnisse noch die Männer miteinander vergleichen, doch der Koadjutor selbst zeigte einige Bereitschaft (p. 84), den hl. Ambrosius nachzuahmen.
Iustinas eifernde Glaubens-Borniertheit hätte in der Tat ihres Sohnes Herrschaft in Gefahr bringen können, wenn sie sich bei diesem Konflikt mit der Kirche und dem Volk von Mailand auf den tätigen Gehorsam ihrer Palasttruppen hätte verlassen können. Ein starkes gotisches Truppenkontingent war aufgebrochen, die fragliche Basilica zu besetzen: und leicht stand zu befürchten, dass die arianischen Grundsätze und die barbarischen Gebräuche dieser ausländischen Mietlinge bei der Ausführung noch der gräßlichsten Blutbefehle keine Skrupel gehabt hätten. Auf der Schwelle zu der Kirche trat ihnen der Erzbischof in den Weg, schleuderte ihnen mit Donnerstimme die Exkommunikation entgegen und fragte sie, ob sie vormals deshalb den gastlichen Schutz der Republik erfleht hätten, um jetzt frevelnd in ein Gotteshaus einzudringen? Auf diese Weise wurden ein paar Stunden für eine ergiebigere Unterredung gewonnen; und die Kaiserin ließ sich von ihren klügsten Beratern dahingehend überreden, alle Kirchen Mailands in der Hand der Katholiken zu belassen und ihre Rachegelüste auf spätere, bessere Zeiten zu verschieben. Die Mutter Valentinians vergaß Ambrosius seinen Triumph niemals; und der königliche Nachwuchs ließ sich mit dem leidenschaftlichen Aufschrei vernehmen, dass seine eigenen Diener sich bereit fänden, ihn einem unverschämten Priesters zu überantworten.
A.D. 386
Die Gesetze des Reiches, von denen einige sogar auf den Namen Valentinian lauteten, verdammten nach wie vor die arianische Ketzerei und schienen daher den Widerstand der Katholiken zu rechtfertigen. Aber Iustinas Umtriebigkeiten brachten ein Toleranzedikt zustande, welches in allen Provinzen, die dem Hof von Mailand unterstellt waren, Gültigkeit besaß; denen, die dem Glaubensbekenntnis von Rimini anhingen, wurde ungehinderte Ausübung ihrer Religion zugesichert; und alle Personen, so erklärte sie, die sich diesem heiligen und heilsstiftenden Dekret widersetzten, sollten als die Feinde des öffentlichen Friedens des Todes sein. Einzig Sozomenos (7,13) verdunkelt diese einleuchtende Tatsache durch eine verworrene Erzählung. Persönlichkeit und Sprache des Erzbischofs von Mailand legen den Verdacht nahe, dass er den Bekennern des Arianismus schon bald einen triftigen Grund bot, oder doch wenigstens einen schicklichen Vorwand, auf eine Gelegenheit lauern, ihn im Ungehorsam gegen ein Gesetz zu ertappen, das er mit Nachdruck als Blut- und Tyrannengesetz hinstellte. Es wurde ein leichtes, fast schon ehrenhaftes Verbannungsurteil über Ambrosius verhängt; zwar musste er ohne Verzug Mailand verlassen, aber zugleich ward ihm gestattet, sich den Exilort und die Zahl seiner Begleiter selbst zu bestimmen.
Aber die Autorität der Heiligen, welche die Regeln der passiven Treue gelehrt und geübt hatten, schien Ambrosius von geringerem Gewicht als die augenblickliche höchste Bedrängnis der Kirche. Tapfer verweigerte er den Gehorsam; und seine Weigerung erhielt durch die einhellige Unterstützung seines gläubigen Kirchenvolkes Gewicht. »Excubabat pia plebs in ecclesia mori parata cum episcopo suo . . . Nos adhuc frigidi excitabamur tamen civitate attonita atque turbata.« [Es wachte das fromme Volk in der Kirche, bereit, mit seinem Bischof zu sterben,...Auch wir, obgleich noch kalt, waren doch aufgewühlt und erregt von all dem Tumult in der Stadt]. Augustinus, Confessiones, 9,7. Sie bewachten abwechselnd ihren Erzbischof; die Tore der Kathedrale und des Bischofspalastes wurden nachdrücklich gesichert; und die kaiserlichen Truppen, die die Belagerung aufnahmen, zeigten sich abgeneigt, die uneinnehmbare Feste zu berennen. Die ungezählten Armen, denen Ambrosius einst so großherzig geholfen hatte, nahmen die gute Gelegenheit wahr, sich hilfreich und dankbar zu erzeigen. Und da die Ausdauer der Menge sich an den langen und langweiligen Nachtwachen hätte erschöpfen können, führte er in die Kirchen klugbedacht die Sitte des lauten und regelmäßigen Psalmodierens ein.
Während dieses zähe Ringen noch andauerte, erhielt er in einem Traume die Anweisung, die Erde zu öffnen an der Stelle, wo nach der Überlieferung zwei heilige Märtyrer, Gervasius und Protasius, Tillemont (Mémoires ecclésiastiques Band 2, p.78 und 498). Zahlreiche Kirchen Galliens, Italiens &c waren diesen beiden sonst unbekannten Märtyrern geweiht, wobei St. Gervasius mehr Glück gehabt zu haben scheint als sein Gefährte. vor dreihundert Jahren zur Ruhe gebettet worden waren. Direkt unter dem Pflaster der Kirche fand man zwei wohlerhaltene Skelette, »Invenimus mira magnitudinis viros duos, ut prisca aetas ferebat.« Epistulae 22. Die Größe dieser Skelette passte glücklicher- oder geschickterweise genau zu dem populären Aberglauben von der allmählichen Abnahme der menschlichen Statur, der seit Homer zu allen Zeiten im Schwange war. Grandiaque efossis mirabitur ossa sepulchris. [Und man staunte die gewaltigen Gebeine in den geöffneten Gräbern an]. das Haupt jeweils vom Rumpf getrennt, und dazu noch deutliche Blutspuren.
Diese heiligen Reliquien wurden mit feierlichem Pomp dem Volke zur Erbauung ausgestellt; und jeder Nebenumstand dieses glückhaften Fundes wurde eingesetzt, die Entwürfe des Ambrosius zu fördern. Den Gebeinen der Märtyrer, ihrem Blut und ihren Gewändern wohnten nach allgemeiner Auffassung Heilkräfte inne; und ihre übernatürlichen Kräfte teilten sich selbst entferntesten Gegenständen mit, ohne dass sie von ihrer ursprünglichen Kraft verloren hätten. Die erstaunliche Heilung eines Blinden Ambrosius, Epistulae 22, p. 875. Augustinus, Confessiones, 9,7; De civitate Dei 22,8; Paulinus in Vita St. Ambrosii, 14, p. 4. Der Name des Blinden war Severus; er berührte das heilige Gewand, erlangte seine Sehkraft wider und widmete den Rest seines Lebens (etwa 25 Jahre) dem Dienst an der Kirche. Ich sollte dieses Wunder unseren Theologen empfehlen, wenn es nicht zugleich die Reliquienverehrung und zugleich das Nikäische Glaubensbekenntnis bewiese. und die wenn auch widerstrebenden Bekenntnisse von verschiedenen Besessenen waren sichtbare Beweise für die Glaubensstärke und Heiligkeit des Ambrosius; durch den Mund seines Sekretärs Paulinus bestätigt uns Ambrosius die Wahrheit dieser Wunder wie auch durch einen seiner Proselyten, den nachmals hochberühmten Augustinus, welcher zu jener Zeit als Lehrer der Beredsamkeit in Mailand wirkte. Unser vernunftbetontes Zeitalter steht nicht an, der Skepsis der Iustina und ihres arianischen Hofes beizutreten, welche die pompöse Schaustellung des Ambrosius verspotteten, die auf Betreiben und auf Kosten des Erzbischofs inszeniert wurde. Paulinus, vita Ambrosii 5, p. V.
Ihre Wirkung auf das Gemüt der Einzelnen erfolgte indessen unverzüglich und war unwiderstehlich; jedenfalls sah sich der schwächelnde Herrscher Italiens außerstande, noch fernerhin wider die Mächte des Himmels zu löcken. Auch die irdischen Kräfte verwandten sich zur Verteidigung des Ambrosius; der selbstlose Rat des Theodosius war die Frucht seiner Frömmigkeit und Freundschaft; und auch der Tyrann von Gallien verbarg seine feindlichen und ehrgeizigen Pläne hinter der Maske religiöser Parteinahme. Tillemont (Mémoires ecclésiastiques Band 10, p. 190 und 750) vermutet die Vermittlung des Theodosius; und verneint eigensinnig die des Maximus, obwohl sie von Prosperus, Sozomen und Theodoret bezeugt wird.
MAXIMUS FÄLLT IN ITALIEN EIN · AUGUST 387-FLUCHT VALENTINIANS
Die Herrschaft des Maximus hätte in Frieden und Wohlstand enden können, wenn er sich mit dem Besitz dreier großer Länder zufrieden gegeben hätte, welche heute die drei größten Königreiche des modernen Europas bilden. Aber dieser emporstrebende Thronräuber, dessen niederer Ehrgeiz sich nicht mit Ruhm- und Waffenliebe begnügte, sah in seiner gegenwärtigen Machtposition nur die Durchgangsstufe zu inskünftiger Größe, und sein augenblicklicher Erfolg wurde so zur Ursache seines Untergangs. Mit den Reichtümern, die er den unterdrückten Provinzen Gallien, Spanien und Britannien abgepresst hatte. Der gedämpfte Tadel des Sulpicius Severus (Dialogi 3,15) verletzt viel stärker als die blassen Worthülsen des Pacatus (12,25f). warb und besoldete er eine erschreckliche Armee von Barbaren, die er zum größten Teile aus den ungebärdigsten Germanenstämmen rekrutiert hatte. Auf die Eroberung Italiens waren alle seine Hoffnungen und Bemühungen gerichtet; und insgeheim sann er noch auf das Verderben eines unschuldigen Knaben, dessen Herrschaft seinen katholischen Untertanen verächtlich war. Da aber Maximus ohne Widerstand die Alpenpässe besetzen wollte, empfing er mit falscher Freundlichkeit Domninus aus Syrien, Valentinians Abgesandten, und nötigte ihn, ein beträchtliches Truppenkontingent als Hilfe für den pannonischen Krieg zu übernehmen.
Ambrosius' Scharfsinn hatte die Ränke dieses Feindes in der Maske der Freundes durchschaut; »Esto tutior adversus hominem, pacis involucro tegentem,« [Hüte dich vor dem Menschen, der sich in den Mantel des Friedens einhüllt]. Dies der lebenskluge Rat des Ambrosius nach seiner Rückkehr von seiner zweiten Gesandtschaftsreise (Opera, Band 2, p. 891). aber der Syrier Domninus wurde durch die üppigen Gunstbezeigungen des Hofes zu Trier entweder bestochen oder eingelullt; und zu Mailand weigerte man sich hartnäckig, die Gefahr wahrzunehmen, welches blinde Vertrauen nicht dem Mut, sondern der Angst entsprang. So führte also der Botschafter den Marsch der Truppen an; und ohne Arg gewährte man ihnen Zutritt in die Alpenfestungen. Aber schon folgte, eilig und doch unauffällig, der listige Tyrann; und da er alle Nachrichten von seinen Truppenbewegungen abzufangen wusste, erfuhr man in Mailand von seinem feindlichen Herannahen erst durch das Blinken der Waffen und den Staub, den die Kavallerie aufwirbelte. In dieser Notlage hätten Iustina und ihr Sohn sich selbst ihre eigen Unbesonnenheit und Maximus seine Bösartigkeit vorwerfen können; indessen fehlten ihnen die Zeit, die Mittel und die Entschlossenheit, den Galliern und Germanen Widerstand zu leisten, sei es nun im Felde oder innerhalb der Mauern einer unbotmäßigen Stadt. Flucht blieb ihre letzte Hoffnung, Aquileia ihre einzige Zuflucht; und da Maximus erst jetzt seinen wahren Charakter enthüllte, durfte der Bruder des Gratian das gleiche Schicksal aus der Hand desselben Mörders erwarten.
Maximus betrat Mailand im Triumph; und wenn sich der Bischof in seiner Weisheit nicht auf eine heikle und sogar verbrecherische Verbindung mit dem Thronräuber herbeiließ, so steuerte er doch indirekt zum Erfolg seiner Waffen bei, indem er von der Kanzel an die Pflicht zur Übergabe erinnerte und weniger an das Widerstandsrecht. Baronius (A.D. 387, Nr. 63) verlegt einige bischöfliche Bußpredigten in diese Zeit der allgemeinen Not. Die glückverlassene Iustina erreichte Aquileia unversehrt, aber sie misstraute der Stärke der Befestigungsanlagen; sie fürchtete sich vor einer Belagerung; und so beschloss sie, den Schutz des großen Theodosius zu erflehen, dessen Macht und Tugend die Länder des Westens überglänzten. So wurde heimlich ein Schiff ausgerüstet, um die kaiserliche Familie fort zu bringen; überstürzt gingen sie in einem der winzigen Häfen Venetiens oder Istriens an Bord; segelten durch das ganze Adriatische und Ionische Meer; passierten die äußersten Vorgebirge der Peloponnes; und gingen endlich nach langer, aber glücklicher Reise in Thessaloniki an Land. Valentinians Untertanen gaben die Sache ihres Herrschers verloren, da er sie durch seine Abdankung von allen Untertanen- und Loyalitätspflichten entbunden hatte; und hätte nicht andererseits die kleine Stadt Aemona am äußersten Rande Italiens sich erdreistet, seinem unrühmlichen Siegeslauf entgegen zu treten, dann hätte Maximus ohne einen Schwertstreich die ganze westliche Reichshälfte in seinen Besitz gebracht.
THEODOSIUS ERGREIFT PARTEI FÜR VALENTINIAN 387
Anstelle nun seine königlichen Gäste nach Konstantinopel einzuladen, bestimmte Theodosius aus unbekannten Gründen Thessaloniki zu ihrem Aufenthalt; aber die Gründe entsprangen nicht der Verachtung oder der Gleichgültigkeit, denn schon bald besuchte er die Stadt zusammen mit dem größte Teil seines Hofes und des Senates. Nach den ersten zärtlichen Freundschaftsbekundungen erinnerte der fromme Herrscher des Ostens Iustina daran, dass die Sünde der Ketzerei zuweilen in dieser Welt bestraft würde wie in der nächsten; und dass das öffentliche Bekenntnis zum Nikäischen Glauben das wirkungsvollste Mittel sein müsse, ihren Sohn erneut in seine Gerechtsame einzusetzen, würden hierdurch doch Himmel und Erde gleichermaßen versöhnt.
Die aktuelle Frage nach Krieg oder Frieden überließ Theodosius bereitwillig dem Kronrat; und die Argumente, auf die sich Begriffe der Ehre und Gerechtigkeit stützen mochten, hatten seit dem Tode des Gratian beträchtlich an Gewicht gewonnen. Die Verfolgung der kaiserlichen Familie, der Theodosius durchaus zu Dank verpflichtet war, wurde durch wiederholtes Unrecht zusätzlich verschärft. Weder Eide noch Verträge seien imstande, den ausufernden Ehrgeiz des Maximus zu kanalisieren; und jedes weiter Hinauszögern entschiedener Abwehrmaßnahmen verlängere nicht etwa die Segnungen des Friedens, sondern setze das Land der Gefahr einer feindlichen Invasion aus. Die Barbaren, die die Donau überschritten hätten, seien zwar unlängst in die Stellung von Untertanen eingetreten, aber ihre angeborene Wildheit sei nach wie vor nicht eingehegt; und die Kriegshandlungen, die ihre Stärke üben und ihre Zahl vermindern würden, mochten wohl auch die Provinzen von einer unerträglichen Last befreien. Dieser einleuchtenden und handfesten Gründe ungeachtet, für die sich auch die Mehrheit seiner Ratgeber stark machte, trug Theodosius Bedenken, das Schwert für eine Auseinandersetzung zu ziehen, welche längst nicht mehr auf dem Verhandlungswege beigelegt werden konnte; auch die Sorge, die er für seine unmündigen Söhne und das Wohlergehen seines erschöpften Volkes empfand, schienen ihm unverächtlich.
In diesem Augenblick des ängstlichen Schwankens, als dass Schicksal der römischen Welt von der Entschlossenheit eines einzigen Mannes abhing, ergriff die Anmut der Prinzessin Galla nachdrücklich Partei für die Sache ihres Bruders Valentinian. Die Flucht Valentinians und die Liebe des Theodosius zu seiner Schwester werden von Zosimos erzählt (4,43). Tillemont unternimmt ein paar schwächliche und zweifelhafte Versuche, die zweite Hochzeit des Theodosius vorzuverlegen (Histoire des empereurs, Band 5, p. 740), und weist folgerichtig zurück »ces contes de Zosime, qui seroient trop contraires à la piété de Théodose« [diese Erzählungen von Zosimos, die zu der Frömmigkeit des Theodosius allzu sehr im Gegensatz stehen]. Die Tränen der Schönheit waren geeignet, das Herz des Theodosius zu erweichen; der Charme ihrer Jugend und Unschuld blieb nicht ohne Wirkung auf ihn; kunstfertig lenkte Iustinas die aufkeimende Leidenschaft in die richtige Richtung; und so wurde die Königshochzeit zugleich das Signal für den Bürgerkrieg. Die pedantischen Schulmeister, für die jede Liebes-Schwäche ein unauslöschlicher Schandfleck in der Biographie eines großen und dazu noch rechtgläubigen Herrschers ist, sind in diesem Falle geneigt, die eindeutigen Beweise des Zosimos anzuzweifeln. Ich für meinen Teil will offen bekennen, dass ich nicht anstehe, bei den Umwälzungen der Geschichte immer auch die milden und zärtlichen Einflüsse des privaten Lebens zu finden, ja nach ihnen zu suchen; und so kann ich denn zu meiner großen Genugtuung inmitten eines ungeordneten Haufens ehrgeiziger Eroberer auch einen ritterlichen Held ausmachen, der seine Waffen aus der Hand der Liebe empfangen hatte.
Die Allianz zum Perserkönig wurde durch bindende Verträge gefestigt; die kriegerischen Barbaren wurden beredet, sich der Fahne des freigebigen Monarchen anzuschließen oder doch zumindest die Grenzen seines Landes zu respektieren; und so war denn das Reich des Theodosius vom Euphrat bis zur Adria erfüllt vom Lärm der verschiedensten Zurüstungen für den Krieg zu Lande und zu Wasser. Bereits die umfangreichen Truppensammlungen des Ostens schienen ihre Zahl zu vergrößern und zugleich die Aufmerksamkeit des Maximus abzulenken. Er hatte gute Gründe zu der Befürchtung, dass ein ausgewähltes Truppendetachement unter dem Kommando des unerschrockenen Arbogastes auf die Donau losmarschieren und durch die rätischen Republiken bis in das Herz Galliens vorstoßen könnte. In den Häfen Griechenlands und des Epirus wurde eine mächtige Flotte ausgerüstet, deren Aufgabe sichtbar darin bestand, Valentinian und seine Mutter direkt im Anschluss an einen Seesieg durch die dann geöffneten Passagen nach Italien zu bringen, wo sie unverzüglich nach Rom weiterziehen sollten, um den Thron der Religion und des Reiches einzunehmen. In der Zwischenzeit marschierte Theodosius an der Spitze einer braven und disziplinierten Kriegsschar, um seinen unwürdigen Rivalen zu stellen, der nach der Belagerung von Aemona in der Nähe von Siscia ein Lager aufgeschlagen hatte, welche pannonische Stadt durch die breite und reißende Save gesichert war.
NIEDERLAGE UND TOD DES MAXIMUS · JUNI – AUGUST A.D. 388
Die Veteranen, die sich an den zähen und hinhaltenden Widerstand des Tyrannen Magnentius erinnern mochten, bereiteten sich auf drei mühselige und blutige Feldzüge vor. Aber der Kampf mit seinem Nachfolger, der, genau wie sein Vorgänger, den Thron des Westens geraubt hatte, war leicht, innerhalb von nur zwei Monaten Siehe Gothofreds Chronologia legum, im Codex Theodosianus Band 1, p. CXIX. und in einem Umkreis von zweihundert Meilen ausgefochten; sicherlich war Theodosius' überlegener Geist dem furchtsamen Maximinus weit überlegen; denn dieser legte in diesem wichtigen Konflikt weder Proben von militärischer Begabung noch von persönlicher Tapferkeit ab; zusätzlich kam dem Kaiser des Ostens seine starke und bewegliche Kavallerie zugute. Die Hunnen, Alanen und, nach ihrem Vorbild, die Goten, bildeten Schwadrone berittener Bogenschützen. Da sie zu Pferde kämpften, verwirrten sie mit ihrer Kriegsführung nach der Tartarenart die Linieninfanterie der Germanen. Nach einem ermüdenden, langen Marsch spornten sie ihre schweißnassen, schäumenden Pferde in die Save, überquerten den Fluss in Gegenwart des Feindes, griffen an und trieben die Truppen, die das Steilufer zu bewachen hatten, zu Paaren. Marcellinus, der Bruder des Tyrannen, eilte ihnen zur Hilfe mit einer Elitekohorte, welche den eigentlichen Truppenkern bildete. Das Gefecht wurde infolge der einbrechenden Dunkelheit abgebrochen und am nächsten Morgen erneuert; und nach hartem Kampf ergaben sich die tapfersten von Maximus' Soldaten, indem sie dem Sieger ihre Waffen zu Füßen warfen.
Ohne seinen Vormarsch durch die Entgegennahme der Loyalitätsbezeigungen von Aemonas Bürgern zu verzögern, eilte Theodosius weiter, den Krieg durch Gefangennahme oder Tod seines Gegners zu beenden, welcher, von Furcht beraten, sein Heil in der Flucht suchte. Vom Scheitelpunkt der Iulischen Alpen stieg er mit einer solch unglaublichen Geschwindigkeit in das italienische Flachland niederwärts, dass er bereits am Abend des ersten Tages Aquileia erreichte; und Maximus, der sich von allen Seiten eingekreist sah, hatte kaum Zeit, die Stadttore hinter sich zu schließen. Aber die Stadttore konnten dem Anrennen eines siegreichen Gegners nur für kurze Zeit widerstehen; und die Verzweiflung, die Abneigung und die Gleichgültigkeit der Soldaten und des Volkes beschleunigten den Untergang des besiegten Maximus. Er ward vom Throne gestoßen, man riss ihm grob seine kaiserlichen Insignien vom Leibe, die Robe, das Diadem und die Purpurpantoffeln; und brachte ihn wie einen Bösewicht in das Lager und die Gegenwart des Theodosius, etwa drei Meilen außerhalb von Aquileia.
Der Kaiser zeigte keine Neigung zur übergroßen Strenge, vielmehr schien er zu Mitgefühl und Vergebung aufgelegt, denn der Tyrann des Westens war niemals sein persönlicher Feind gewesen, und so erübrigte er für ihn eigentlich nur noch Verachtung. Unser Mitleiden wird ja am stärksten durch das Missgeschick erregt, welches wir aus eigener Anschauung kennen; und der Anblick eines hochfahrenden Gegners, der nunmehr zu seinen Füßen hingestreckt lag, verfehlte nicht, in dem Gemüt des Siegers eine sehr ernsthafte und nachdenklich Stimmung zu evozieren. Aber das zunächst noch schwache Gefühl von Mitleid wurde erstickt durch den Gedanken an die Gerechtigkeit und die Erinnerung an Gratian; und so überlieferte er das Opfer dem frommen Eifer der Soldaten, welche ihn aus der Gegenwart des Kaisers entfernten und ihm alsbald den Kopf vom Leibe trennten.
Die Zeitung seines Unterganges wurde mit aufrichtiger oder gut verhehlter Freude aufgenommen: sein Sohn Victor, dem er bereits den Augustustitel übertragen hatte, starb auf Befehl des kühnen Arbogastes, vielleicht sogar von dessen eigener Hand; und so wurden alle militärischen Vorhaben des Theodosius zu einem erfolgreichen Ende gebracht. Nachdem er den Bürgerkrieg mit weniger Schwierigkeiten und Blutvergießen beendet hatte, als er füglich hätte erwarten dürfen, verbrachte er den Winter in Mailands Residenz, um der niederliegenden Provinz aufzuhelfen; und im zeitigen Frühjahr zog er nach dem Vorbild des Constantin und Constantius im Triumph in die alte Hauptstadt des römischen Reiches ein. Neben den Andeutungen, die sich aus Chroniken und Kirchengeschichten gewinnen lassen, liefern Zosimus (4,44-47), Orosius (7,35), und Pacatus (Panegyrici 12,30-47) zerstreute und spärliche Nachrichten zu diesem Bürgerkrieg. Ambrosius (Epistulae 40) macht schwerverständliche Anspielungen zu dem wohlbekannten Überfall auf ein Magazin, einem Gefecht bei Petovio, einem Sieg auf Sizilien – vielleicht einem Seesieg – u.a. Ausonius (p. 236) rühmt das Verdienst und besondere Glück von Aquileia.
DIE TUGENDEN DES THEODOSIUS
Der Redner, welcher ohne Risiko schweigen darf, darf auch ohne Bedenken und Widerstreben Lob aussprechen; »Quam promptum laudare principem, tam tutum siluisse de principe« (Pacatus, Panegyrici 12,2). Latimus Pacatus Drepanius aus Gallien hielt diese Rede A.D. 388 in Rom. Hinterher wurde er Proconsul von Afrika; und sein Freund Ausonius rühmt in ihm einen Poeten, der nur hinter Vergil zurückstehen müsse. und die Nachwelt wird wohl anerkennen, dass Theodosius das Objekt für einen aufrichtigen und weitläufigen Panegyrikos abgeben durfte. Siehe das treffliche Portrait des Theodosius beim jüngeren Victor; die Züge sind deutlich und die Farben wohl gemischt. Das Lob des Pacatus ist zu schwankend; und Claudian scheint allemal besorgt, er könne den Vater über den Sohn erheben. Die Weisheit seiner Gesetzgebung und der Erfolg seiner Waffen machten seine Regierung achtbar in den Augen seiner Freunde und seiner Gegner. Er liebte und übte eine gepflegte Häuslichkeit, wie sie nur selten in Königspalästen angetroffen wird. Theodosius lebte in Züchten und Maß; er war den Tafelfreuden nicht abgeneigt, ohne aber jemals zu übertreiben; und seine Leidenschaft zielte immer nur auf das rechtmäßige Objekt. Die stolzen Titel kaiserlicher Größe wurden noch mit den zärtlichen Namen eines treuen Gatten und zärtlichen Vaters verschönert; seinen Onkel erhob er infolge seiner tiefen Zuneigung fast zu seinem zweiten Vater; die Kinder seines Bruders und seiner Schwester galten ihm wie seine eigenen; und noch die entlegensten Mitglieder dieser weitläufigen Verwandtschaft durften sich seiner Wertschätzung erfreuen.
Seine vertrauteren Freunde suchte er sich mit Sorgfalt unter denen aus, die er im gleichberechtigten privaten Verkehr ohne Maske gesehen hatte; weil er persönliche und andere Verdienste wahrzunehmen imstande war, konnte er die zufälligen, durch den Purpur verursachten Rangunterschiede vernachlässigen; und durch sein Verhalten bewies er, dass er jedes Unrecht vergessen, aber alle Dienste in dankbarer Erinnerung bewahrt hatte, die er vor dem Besteigen des römischen Thrones erfahren hatte. Sein besonnener oder auch lebhafter Umgangston war dem Alter, der Stellung oder dem Charakter desjenigen Untertanen angepasst, den er vor sich ließ; so wurde seine Umgänglichkeit zum Spiegel seiner Seele. Theodosius versagte der Gradsinnigkeit der Guten und Tugendhaften nicht seine Achtung; jede Kunstfertigkeit, jede Begabung, wenn sie nur nutzbringend war, empfing aus seiner Hand reichlich Lohn; und mit Ausnahme der Ketzer, denen er mit fundamentalistischem Hass nachstellte, umschloss sein Wohlwollen alles, was an der Menschheit teil hatte.
Die Regierung eines so mächtigen Reiches mag hinreichen, die Zeit und die Kräfte eines einzelnen Sterblichen zu verzehren; aber der lernbegierige Herrscher sparte von seinen Mußestunden immer ein paar für die Lektüre belehrender Schriften auf, ohne dabei unangemessene Höhen der Gelehrsamkeit zu erklimmen. Sein bevorzugtes Studiengebiet war die Geschichte. Die elfhundertjährigen Annalen Roms breiteten vor ihm die Fülle des Menschenlebens aus; und es wurde besonders vermerkt, dass er, wenn er etwa die Verbrechen eines Cinna, Marius oder Sulla mit Genauigkeit studierte, er seine Abneigung gegen diese Feinde der Menschheit besonders nachdrücklich zum Ausdruck brachte. Seine ausgewogene Meinung über verflossene Ereignisse wurde zugleich zum Leitfaden seiner eigenen Handlungen; so verdiente sich Theodosius das einmalige Lob, dass in dem Maße, wie sein Glück wuchs, auch seine Tugenden sich vergrößerten; als es ihm besonders wohl erging, legte er besondere Bescheidenheit an den Tag; seine Milde zeigte sich am deutlichsten nach den Gefahren und dem Sieg im Bürgerkrieg.
Im ersten Rausch des Sieges waren die maurischen Garden des Tyrannen niedergemacht worden; und einige wenige dieser schädlichen Kriminellen hatten die Härte des Gesetzes gespürt. Aber dem Kaiser war viel mehr daran gelegen, den Unschuldigen beizustehen als die Schuldigen zu bestrafen. Die ausgeplünderten Untertanen des Westens, die sich schon glücklich geschätzt hätten, wenn sie ihr Land zurück erhalten hätten, waren erstaunt über einen Geldbetrag, der ihren Einbußen entsprach; und sogar der betagten Mutter und den verwaisten Töchtern des Maximus Ambrosius, Epistulae 40. Pacatus lässt aus Mangel an Kenntnis oder Mut diesen rühmlichen Umstand aus. stand der Großmut des Herrschers zur Seite. Ein derartig geformter Charakter konnte sogar die überspitzten Schmeicheleien des Redner Pacatus rechtfertigen, dass der ältere Brutus, dürfte dieser bekennende Republikaner zur Erde zurückkehren, zu Füßen des Theodosius seinem Hass auf alle Könige abgeschworen hätte; und dass er zugleich mit Nachdruck bekräftigt hätte, dass ein solcher Monarch der zuverlässigste Garant für das Glück der römischen Bürger sei. Pacatus, Panegyrici 12,20.
SCHWÄCHEN DES THEODOSIUS
Indessen wären dem scharfen Blick des Begründers der Republik sicherlich zwei schwerwiegende Schwächen aufgefallen, welche seiner jüngst erwachten Sympathie für Alleinherrscher Eintrag getan hätten. Der tugendreiche Theodosius übte sich nämlich des Öfteren in Trägheit, Zosimos' (4,50) parteiisches Zeugnis enthält ein Körnchen Rechtlichkeit und Wahrheit. Er rechnet diese Abwechslung von Trägheit und Überaktivität nämlich nicht unter die Fehler, sondern unter die Besonderheiten in Theodosius' Charakter. und zuweilen suchte ihn Leidenschaft heim. Diese cholerischen Anwandlungen werden von Viktor durchaus gesehen und entschuldigt (Epitome 48): »Sed habes«, so Ambrosius mit ruhigem Manneswort zu seinem Herren » naturae impetum, quem si quis lenire velit, cito vertes ad misericordiam: si quis stimulet, in magis exsuscitas, ut eum revocare vix possis.« [Doch hast du einen impulsiven Charakter; wenn jemand ihn dämpfen will, dann zeigt er schon bald Mitgefühl; wenn ihn jedoch jemand aufreizt, dann wirst du ihn noch mehr aufpeitschen, sodass du ihn kaum wieder zurückrufen kannst]. (Epistulae 51). Theodosius mahnt seinen Sohn, seinem Zorne zu gebieten. Verfolgte er ein wichtiges Ziel, dann war er zu den äußersten Energieleistungen fähig; war aber der Zweck erreicht oder die Gefahr überwunden, sank der Held zurück in dumpfe Apathie; er vergaß, dass die Zeit eines Herrschers das Eigentum seines Volkes ist und überließ sich den unschuldigen, aber trivialen Freuden des höfischen Luxus. Von Natur aus war Theodosius rasch von Entschlüssen und cholerisch veranlagt; und in einer Situation, in der niemand den fatalen Folgen seines Grolls zu entgehen hoffen konnte und kaum einer sie zu steuern wagte, beunruhigte den menschenfreundlichen Herrscher doch das Bewusstsein seiner Schwäche und seiner gleichzeitigen Machtfülle. So war er denn lebenslang darum bemüht, die ungeordnete Eruptionen von Leidenschaft zu unterdrücken oder wenigsten zu lenken; und der Erfolg seiner Bemühungen machte seine Milde noch verdienstvoller. Allerdings ist die Tugend, welche sich angestrengt um Erfolg bemüht, auch immer der Möglichkeit einer Niederlage ausgesetzt; und so wurde die Regierung dieses weisen und gnadenreichen Herrschers durch einen Gewaltakt verdunkelt, der selbst noch in den Annalen Neros oder Domitians einen Schandfleck abgegeben hätte. Es muss der Biograph des Theodosius vom großherzigen Pardon für die Bürger Antiochias und von dem unmenschlichen Massaker an den Einwohnern von Thessaloniki erzählen und davon, dass sich diese innerhalb von nur drei Jahren zugetragen haben.
DER AUFSTAND VON ANTIOCHIA · A.D. 387
Die Einwohner von Antiochia hatten sich in lebhafter Ungeduld niemals mit ihrer Lage oder dem Verhalten der jeweiligen Herrscher zufrieden geben können. Theodosius' arianische Untertanen beklagten den Verlust ihrer Kirchen; und als drei rivalisierende Bischöfe um den Thron von Antiochia haderten, erregte der Schiedsspruch lediglich das Murren zweier erfolgloser Kongregationen. Die Kosten des Gotenkrieges und die unvermeidlichen Mehrausgaben, die sich nach dem Friedensschluss einstellten, hatte den Herrscher bestimmt, die öffentlichen Abgaben zu erhöhen; und da die Provinzen Asiens an diesen Kalamitäten keinen Teil gehabt hatten, waren sie auch nicht gemeint, etwas zu ihrer Linderung beizusteuern.
Es nahte sich der feierliche Augenblick seines zehnjährigen Regierungsjubiläums; eines Festes allerdings, das wegen der umfänglichen Donative mehr zur Freude der Soldaten ausfiel als zu der der Bürger, deren ›freiwillige Schenkungen‹ schon längst den Charakter einer drückenden Sondersteuer angenommen hatten. Die Ankündigung der Steuererhebung unterbrach die Freuden- und Feiertage in Antiochia; und die Amtsgebäude wurden von flehenden Massen belagert, welche in dramatischer, aber unterwürfiger Sprache um die Abstellung des Übelstandes baten. Allmählich jedoch begannen sie sich an der Arroganz ihres Magistrates zu ärgern, welche schon das Vortragen von Beschwerden als einen kriminellen Akt denunzierten; ihre harmlose Spottlust wurde allmählich zu bissiger Invektive; und nachdem sie sich zunächst die untergeordneten Beamten zur Zielscheibe ihres Hohnes ausgewählt hatten, attackierten sie bald schon die geheiligte Person ihrer kaiserlichen Majestät. Ihr Zorn, den eine schwächliche Gegenwehr nur noch umso mehr anstachelte, verging sich sogar an den Standbildern der kaiserlichen Familie, welche als ein Objekt der öffentlichen Verehrung an prominenter Stelle in der Stadt aufgestellt waren. Die Statuen des Theodosius, seines Vaters, seiner Frau Flacilla, seiner beiden Söhne Arcadius und Honorius wurden roh von ihren Postamenten herabgestürzt, zerbrochen und mit Hohn durch die Straßen gezerrt; und das Empörende, das man den bildhaften Stellvertretern kaiserlicher Größe antat, verriet zugleich die unfrommen, ja hochverräterischen Gedanken des Volkes mit hinreichender Deutlichkeit.
Der Tumult kam fast augenblicklich zum Erliegen, als eine Abteilung von Bogenschützen eintraf; und Antiochia hatte Muße, über die Art und die Folgen ihres Vergehens nachzusinnen. Christen und Heiden waren sich darin einig, dass der Aufstand in Antiochia durch Dämonen veranlasst worden sei. Ein riesenhaftes Weib (sagt Sozomenes 7,23) mit einer Geißel in der Hand sei durch die Straßen paradiert. Ein alter Mann (sagt Libanios, Orationes 12) habe sich in einen Jungen und dann in einen Knaben verwandelt, &c. Da es zu seinen Pflichten gehörte, verfasste der Provinzgouverneur einen wahrheitsgemäßen Bericht über alle Vorkommnisse, während die Einwohner der Stadt der Fürsorge ihres Bischofs Flavianus und der Eloquenz des Senators Hilarius bebend das Geständnis ihren Übeltaten und danach die heftigsten Besserungsgelöbnisse anvertrauten; letzterer war Freund und höchstwahrscheinlich ein Schüler des Libanius, dessen Genie sich bei dieser trübseligen Gelegenheit als nutzbringend für sein Land erwies. Zosimos (4,41) liegt vermutlich falsch, wenn er in seinem knappen und unredlichen Bericht Libanius selbst nach Konstantinopel schickt. Er selbst war, wie seinen Reden zu entnehmen ist, in Antiochia geblieben. Nun lagen aber zwischen den beiden Hauptstädten Konstantinopel und Antiochia achthundert Meilen; und wenn auch die kaiserliche Post zuverlässig arbeitete, so wurde die schuldige Stadt durch das lange und quälende Warten zusätzlich bestraft. Jedes Gerücht erzeugte Hoffnungen und Ängste, und mit Entsetzen hörten sie, dass ihr Kaiser, aufgebracht durch die Beschädigungen seiner beiden Statuen und, noch schlimmer, der seines geliebten Weibes, beschlossen habe, die kecke Stadt vom Erdboden zu tilgen; und ihre verworfenen Einwohner ohne Ansehen von Schuld, Alter oder Geschlecht massakrieren zu lassen; Libanius (Orationes 1, p. 6) erklärt, dass – unter einem solchen Herrscher – die Angst vor einem Massaker völlig unbegründet war, zumal bei Abwesenheit des Souvereigns; seine Anwesenheit allerdings hätte, so dieser beredte Knecht, die Rechtfertigung zu den blutigsten Maßnahmen geliefert. so dass ihrer Viele tatsächlich in den Bergen Syriens oder der benachbarten Wüste Zuflucht suchten.
ANKUNFT KAISERLICHER RICHTER · VERURTEILUNG DER STADT 22. MÄRZ 387
Endlich, nach vierundzwanzig Tagen, verkündeten die Generäle Hellebicus und Caesarius, beide ihres Zeichens Hofmeister, des Kaisers Beschluss und Befinden. Das stolze Antiochia verlor den Rang einer Stadt; und die Metropole des Ostens, seines Umlandes, seiner Vorrechte und seiner Einkünfte beraubt, wurde unter der demütigenden Bezeichnung eines Dorfes der Gerichtsbarkeit von Laodicaea unterstellt. Laodicea, an der Küste, fünfundsechzig Meilen von Antiochia entfernt (Siehe Noris, Epochae Syro-Macedonum, Abhandlung III, p. 230). Die Antiocher empörte besonders, dass die nachgeordnete Stadt Seleucia sich für sie ins Mittel zu legen unterfing. Bäder, Circus und Theater wurden geschlossen; und damit alle Quellen der Freude und des Überflusses zugleich verstopft würden, wurde auf Theodosius' strenges Geheiß auch die kostenlose Verteilung von Getreide eingestellt. Danach begann die offizielle Suche nach den Schuldigen; nach denen, die die geheiligten Statuen zerstört und nach denen, welchen tatenlos diesem Frevel zugeschaut hatten.
Das Tribunal des Hellebicus und Caesarius wurde, von Reisigen geschützt, mitten auf dem Forum aufgeschlagen. Die angesehensten und reichsten Bürger von Antiochia erschienen vor ihm in Banden; die Befragung wurde durch die Folter verschärft, und nach dem Gutdünken der beiden außerordentlichen Richter wurden sie freigesprochen oder verurteilt. Die Häuser der Schuldigen wurden zum Verkauf freigegeben, ihre Weiber und Kinder fielen von einem Augenblick zum anderen aus Luxus und Überfluss in bitterste Not; und zum Ausklang dieses Schreckenstages, Da der Zeitpunkt des Aufruhrs von den beweglichen Osterfeiertagen abhängt, kann er nur nach vorheriger Festlegung des Jahres bestimmt werden. Tillemont (Histoire des empereurs, Band 5, p. 741-744) und Montfaucon (Chrysostomos, Opera, Band 13, p. 105-110) geben nach langwierigen Untersuchungen dem Jahr 387 den Vorzug. der dem wortgewaltigen Chrysostomos als Anschauungsunterricht für das letzte Strafgericht der Welt diente, erwartete man noch mehrere blutige Hinrichtungen.
Aber Theodosius' Beauftragte unterzogen sich ihrem grausamen Auftrag nur sehr widerwillig; sie vergossen sogar Tränen des Mitleids mit der notleidenden Bevölkerung; und mit Andacht lauschten sie den dringenden Vorstellungen der Mönche und Einsiedler, die in Scharen von den Bergen herabgestiegen waren. Chrysostomos stellt ihren Mut, der nur mit geringem Risiko verbunden war, der feigen Flucht der Kyniker gegenüber. So ließen sich Hellebicus und Caesarius überreden, die Urteilsvollstreckung auszusetzen; und man kam überein, dass der Erstere in Antiochia bleiben sollte, während der Zweite so schnell wie möglich nach Konstantinopel zurück eilen sollten, neuerlich den Willen des Herrschers zu erkunden.
THEODOSIUS' NACHSICHT
Der Zorn des Theodosius war mittlerweile verraucht; die Abgesandten des Volkes, der Bischof und der Redner, hatten günstiges Gehör gefunden; und die Vorwürfe des Kaisers betrafen jetzt nur noch seine von ihnen enttäuschte Freundschaft, nicht aber seinen verletzten Stolz und seine beleidigte Majestät. So wurde also der Stadt Antiochia und ihren Bürgern allgemeiner Pardon gewährt; die Gefängnistore wurden aufgetan; die Senatoren, die schon am Leben verzweifelt hatten, gelangten neuerlich in den Besitz ihrer Häuser und Grundstücke; und die Stadt selbst erblühte wieder in ihrem früheren Glanze. Theodosius stand nicht an, den Senat von Konstantinopel zu rühmen, der ganz uneigennützig für seine bedrängten Brüder eingetreten war; die Überzeugungsarbeit des Hilarius wurde mit der Statthalterschaft über Palestina belohnt; und den Bischof von Antiochia entließ er mit Bezeigungen allerhöchster Huld und Gnade. Tausend neue Statuen zu Ehren der Mildtätigkeit des Theodosius erstanden; der Beifall seiner Untertanen fand auch die Billigung seines eigenen Herzens; denn es bekannte der Herrscher, dass, wenn die Ausübung von Gerechtigkeit die höchste Pflicht des Herrschers sei, die Gewährung von Gnade ihm die köstlichste Freude gewähre. Der Aufruhr von Antiochia wird von zwei Rednern in lebhafter, fast schon dramatischer Weise erzählt, von denen beide ihren je und je eigenen Anteil an Interesse und Verdienst hatten. Hierzu sehe man Libanios (Orationes 12 und 13 und Orationes 1) und die zwanzig Reden des Heiligen Johannes Chrysostomos, De statuis (Opera, Band 2, p.1 – 225). Ich behaupte nicht, ein genauer Kenner der Schriften des Chrysostomos zu sein; aber Tillemont, Histoire des empereurs, Band 5, p. 263-283, und Hermant, Vie de St. Chrysostome, Band 1, p.137-224, haben ihn mit frommer Neugierde und Sorgfalt studiert.
DAS MASSAKER VON THESSALONIKE A.D. 390
Die Ursache für die Unruhen in Thessaloniki waren weitaus peinlicher und ihre Folgen entsetzlicher. Diese große Stadt, Metropole der illyrischen Provinzen, war infolge einer starken Befestigung und einer großen Garnison vor den Fährnissen des Gotenkrieges bewahrt worden. Botherik, der General dieser Truppen und, wie aus seinem Namen ersichtlich, ein Barbar, hatte unter seinen Sklaven einen hübschen Knaben, welcher die unreinlichen Gelüste eines Wagenlenkers vom Zirkus erregt hatte. Botherich ließ den dreisten und ungehobelten Liebhaber ins Gefängnis werfen; mit Strenge wies er das zudringliche Lärmen der Massen zurück, die am Tage des Rennens über das Fehlen ihres Helden murrten, weil ihnen die Fähigkeiten eines Wagenlenkers wichtiger schienen als seine bürgerlichen Tugenden. Die Erregung des Volkes war durch ein paar vorangegangene Kontroversen bereits angeheizt; und da die Mannschaftsstärke der Garnison durch Abkommandierungen zu einem Einsatz in Italien verringert war, konnte der klägliche Rest, durch Desertationen zusätzlich dezimiert, den unglücklichen General nicht vor der allgemeinen Volkswut schützen. Botherik und einige seiner leitenden Offiziere wurden bestialisch ermordet; ihre verstümmelten Körper durch die Straßen gezerrt; und der Kaiser, der damals in Mailand residierte, erhielt überraschende Nachricht von der unglaublichen Dreistigkeit des Volkes von Thessaloniki.
Die Urteilssprüche eines unparteiischen Richters hätten für die Urheber des Konfliktes verhängnisvoll werden müssen; und vielleicht haben auch noch die Verdienste des Botherik den Kummer seines Herren vergrößert. Jedenfalls war das hitzige und cholerische Temperament des Theodosius nicht gemeint, sich mit formaljuristischen Quisquilien aufzuhalten; so kam er zu dem raschen Entschluss, dass das Blut seines Generals nur mit dem Blut des schuldigen Volkes abgewaschen werden könne. Zwar schwankte er noch eine Zeitlang zwischen Milde und Rachegefühlen hin und her; fast hatten die Bischöfe ihm durch ihr Zureden einen allgemeinen Pardon abgerungen; die kriecherischen Einflüsterungen seines Ministers Rufinus indessen entflammten seinen Zorn aufs neue; und nachdem Theodosius den Todesbefehl abgeschickt hatte, versuchte er, als es bereits zu spät war, ihn zu widerrufen.
Die Bestrafung einer römischen Stadt wurde einer Horde Barbaren in die Hand gegeben, welche Unterschiede nicht machten; und die notwendigen Vorbereitungen wurden mit der verschwiegenen Kunstfertigkeit einer Verschwörung getroffen. Das Volk von Thessaloniki wurde im Namen ihres Kaisers heimtückisch zu Zirkusspielen eingeladen; und so sehr verlangte sie nach dieser Unterhaltung, dass unter den Zahllosen keine Besorgnis und kein Arg aufkommen wollten. Sobald die Arena gefüllt war, erhielten die Soldaten, die vorher heimlich um den Zirkus aufgestellt worden waren, das Signal nicht etwa zu Spielen, sondern zu einem allgemeinen Schlachten. Diese wahllose Gemetzel dauerte drei Stunden, und ein Unterschied zwischen Einheimischen und Ausländern, Alter oder Geschlecht, schuldig oder unschuldig wurde nicht gemacht; die zurückhaltendste Schätzung beläuft sich auf siebentausend Tote; und einige Autoren sagen sogar, dass fünfzehntausend den Manen des Botherik geopfert wurden. Ein ausländischer Kaufmann, der an dem Mord ganz gewiss keinen Anteil hatte, wollte sein Leben und sein ganzes Vermögen opfern, um nur einen seiner beiden Söhne zu retten; aber während der Vater noch zögerte, während er unfähig und unwillig war, einen der beiden zu verdammen, beendeten die Soldaten sein Schwanken, indem sie beide unschuldigen Kinder zu gleicher Zeit erstachen. Die Entschuldigung der Mörder, sie hätten nur die angeordnete Zahl von Toten nachweisen wollen, macht das Entsetzen nur noch größer, weil hierin ein Plan und eine Absicht des Theodosius erkennbar wird. Die Schuld des Kaisers wird noch durch seine langen und häufigen Aufenthalte zu Thessaloniki vergrößert. Die Anlage der glückverlassenen Stadt, ihre Straßen und Gebäude, das Aussehen und die Kleidung ihrer Bewohner, das alles war ihm vertraut und stand ihm vor Augen: Theodosius besaß ein eine lebendige Vorstellung von den Menschen, die er ermorden ließ. Die unmittelbare Zeugenschaft von Ambrosius (Epistulae 51), Augustinus (De civitate Dei, 5,26), und Paulinus (Vita Ambrosii 24) ist in unbestimmten Ausdrücken des Entsetzens und Mitleids auf uns gekommen. Sie wird präzisiert durch die späteren und ungleichwertigen Zeugnisse von Sozomenos (7,25), Theodoretos (5,17), Theophanes (Chronographia p. 62), Kedrenos (p. 317) und Zonaras (13,18). Allein Zosimos, der parteiische Gegner des Theodosius, übergeht unbegreiflicherweise diese schlimmste seiner Untaten.
EINFLUSS UND MASSNAHMEN DES AMBROSIUS A.D. 388
Der bewundernde Respekt des Kaisers für den orthodoxen Klerus hatte in ihm besondere Zuneigung und Ehrfurcht für Ambrosius aufgerufen, fanden sich doch in ihm alle bischöflichen Tugenden aufs trefflichste vereinigt. Die Freunde und Minister des Theodosius standen nicht an, dem Vorbild ihres Meister nachzueifern; auch konnte er mit mehr Überraschung als Befremden feststellen, dass selbst seine geheimsten Beschlüsse auf kurzem Wege an das Ohr des Erzbischofs gelangten; welcher nach der löblichen Devise verfuhr, dass jedes Tun der weltlichen Obrigkeit auch irgendwie in Beziehung zum Ruhme Gottes stehe und im Interesse der wahren Religion erfolge.
So hatten sich etwa die Mönche und der christliche Pöbel von Callinicum, einem vergessenem Nest an der persischen Grenze, durch ihren und ihres Bischofs heiligen Glaubenseifer aufhetzen lassen und eine Versammlungsstätte der Valentinianer sowie eine jüdische Synagoge in Brand gesteckt. Der aufsässige Prälat wurde von der Provinzialverwaltung dazu verurteilt, die Synagoge wieder aufzubauen oder wenigstens den Schaden zu bezahlen, und auch der Kaiser war mit diesem sehr maßvollen Urteilspruch einverstanden. Nicht einverstanden indessen war der Bischof von Mailand. Zum Vorgang insgesamt siehe Ambrosius, Epistulae 40 und 41 und seinen Biographen Paulinus 23. Bayle und Barbeyrac haben den Erzbischof zu Recht verurteilt. Er verfasste eine Tadels- und Zornepistel, die vielleicht angemessen gewesen wäre, wenn sich der Kaiser hätte beschneiden lassen oder vom Glauben seiner Taufe abgefallen wäre.
Für Ambrosius war Toleranz gegenüber der jüdischen Religion gleichbedeutend mit Verfolgung der christlichen; geradezu dreist erklärt er, dass jeder wahre Gläubige mit dem Bischof von Callinicum um das Verdienst, das dieser Tat innewohne, und um die Märtyrerkrone wetteifern würde; und in kummervollen Ausdrücken besorgt er, dass durch die Vollstreckung des Urteils notwendig dem Ruhme und dem Seelenheil des Theodosius schmerzlicher Eintrag geschehe. Da nun aber diese private Vermahnung keine unmittelbare Wirkung hervorrief, wandte sich der Erzbischof von seiner Kanzel Seine Predigt ist eine merkwürdige Allegorie von Jeremias' Zuchtrute, dem Mandelbaum und der Frau, die Christi Füße wusch und salbte. Aber der Schluss ist unmissverständlich und persönlich gegen den Kaiser gerichtet. direkt an den Kaiser auf seinem Throne; »Hodie, Episcope, de me proposuisti.« [Heute, Bischof, hast du mich zur Sprache gebracht]. Ambrosius bekannte es bescheiden: aber mit Nachdruck schilt er den Reiterei- und Infanteriegeneral Timasius, welcher keck genug gewesen war, die Bestrafung der Mönche von Callinicum zu verlangen. auch wollte er Theodosius solange vom Abendmahl ausschließen, bis er von ihm die feierliche und bindende Zusage auf Straffreiheit für die Mönche und den Bischof von Callinicum erhalten habe. Theodosius' Widerruf war aufrichtig; Fünf Jahre später jedoch und in gehöriger räumlicher Entfernung von seinem geistlichen Ratgeber verurteilte er die Zerstörung der Synagoge und war bereit, die Juden zu tolerieren. Codex Theodosianus 16,8,9 mit Gothofreds Kommentar, Band 6, p. 225. und während seiner weiteren Anwesenheit in Mailand vergrößerte sich seine Zuneigung zu Ambrosius beständig infolge so manchen frommvertraulichen Wechselgespräches.
THEODOSIUS TUT BUSSE · A.D. 390
Als Ambrosius nun allerdings die Nachricht von dem Massaker von Thessaloniki erhielt, entsetzte er sich und seine Seele ward von Kummer erfüllt. So zog er sich aufs Land zurück, um sich seinem Kummer zu widmen und floh die Nähe des Theodosius. Da der Bischof aber überzeugt war, dass ein ängstliches Schweigen seinerseits ihn zum Komplizen machen würde, legte er in einem persönlichen Schreiben Ambrosius, Epistulae 51. Sein Brief ist ein elender Wortschwall zu einem hochwichtigen Gegenstand. Ambrosius war ein Mann der Tat, weniger ein Mann der Feder. Seine Schriften haben weder Geschmack noch Geist; es fehlt ihnen alles, der Genius eines Tertullian, die stilistische Eleganz eines Laetantius, der lebhafte Witz eines Hieronymos und die ernste Gründlichkeit eines Augustinus. das Ungeheuerliche des Verbrechens dar; welches nur durch die Tränen bitterster Zerknirschung abgewaschen werden könne. Ambrosius bischöflicher Zornesausbruch wurde allerdings durch kluge Berechnung kanalisiert: er begnügte sich mit einer Art von indirekter Exkommunikation, indem er kundtat, eine Vision habe ihn davor gewarnt, das Abendmahl in Gegenwart des Theodosius zu spenden; auch gab er ihm den Rat, sich auf Gebete zu beschränken und davon abzustehen, sich dem Tische des Herren zu nähern oder die heilige Eucharistie mit den Händen zu empfangen, welche noch immer vom Blute Unschuldiger besudelt seien.
Der Kaiser war durch Selbstvorwürfe und die seines geistlichen Vaters zutiefst verunsichert; und nachdem er die grässlichen und tödlichen Folgen seines vorschnellen Zornes ausgiebig beweint hatte, wollte er neuerlich auf herkömmliche Weise in der Hauptkirche von Mailand anbeten. Der Erzbischof trat ihm jedoch auf der Schwelle des Gotteshauses entgegen; und er erklärte seinem Kaiser, in Ton und Sprachduktus einem himmlischen Abgesandten vergleichbar, dass individuelle Zerknirschung nicht hinreiche, einen öffentlichen Fehler zu korrigieren oder den Zorn der gekränkten Gottheit zu beschwichtigen. Theodosius legte in aller Bescheidenheit dar, dass, wenn er sich denn die Schuld des Massenmordes aufgeladen habe, David, ein Mann nach dem Herzen Gottes, nicht nur des Mordes, sondern sogar des Ehebruchs schuldig sei. »Du hast David nachgeeifert in seinen Sünden. Nun eifere auch seiner Reue nach!«, so des Ambrosius unerschütterte Antwort.
Die harschen Bedingungen für Frieden und Vergebung wurden angenommen; und die öffentliche Buße des Kaisers Theodosius gilt seither als eine der rühmlichsten Kapitel in den Annalen der Kirche. Entsprechend den mildesten Regeln der Kirchendisziplin, welche noch aus dem vierten Jahrhundert stammten, war Mord nach zwanzig Jahren Buße abgegolten; Entsprechend der Disziplin des St. Basilius (Canon 9) musste der vorsätzliche Mörder vier Jahre trauern; war fünf Jahre Zuhörer; lag sieben Jahre hingestreckt; befand sich vier Jahre in aufrechter Stellung. In meinem Besitz befinden sich die kanonischen Briefe des St. Basilius im Original (Beveridge, Pandekten, Band 2, p. 47-151) und in Übersetzung (Cardon, Histoire des Sacramens, Band 4, p. 217-277). und da es schlechterdings unmöglich war, in der Frist, die einem Menschen gegeben ist, die angehäufte Schuld des Massakers von Thessaloniki auf solche Weise abzubüßen, so hätte der Mörder noch bis zur Stunde seines Todes von der Heiligen Kommunion ausgeschlossen bleiben müssen. Da aber der Erzbischof zusätzlich die Gepflogenheiten der Religionspolitik beobachtete, nahm er auf den Rang des hochmögenden Bußfertigen zärtelnde Rücksicht, war er doch mitsamt seiner Königswürde vor ihm in den Staub gesunken; auch mochte die religiös Erbauung, die das Publikum aus dem Schauspiel schöpfte, mit Nachdruck eine Verkürzung der Bußübung anempfehlen. Es genügte ja wohl, dass der Herrscher des römischen Reiches, seiner Königsinsignien ledig, sich in trauernder und unterwürfiger Haltung in der Öffentlichkeit zeigte; und dass er, inmitten der Mailänder Kirche, erniedrigt und unter Tränen und Seufzern die Vergebung seiner Sünden erbetteln musste. Die Bestrafung des Theodosius wird bezeugt von Ambrosius (De Obitu Theodosii 34, p. 1207), Augustinus (De civitate Dei 5,26) und Paulinus (Vita Ambrosii 24). Sokrates weiß nichts davon, Sozomenos (7,25) fasst sich sehr kurz, und Theodoretos' ausladende Erzählung ist mit Vorsicht zu genießen.
Bei dieser geistlichen Pönitenz ließ Ambrosius Strenge und Milde in gleicher Weise walten. Nach acht Monaten Wartezeit war Theodosius wieder in die Gemeinschaft der Gläubigen aufgenommen; und das Edikt, welches eine heilsame Frist von dreißig Tagen zwischen Verhängung und Vollzug eines Urteils verfügte, mag man als eine der unverächtlichen Früchte seiner Reue ansehen. Codex Theodosianus 9,40,13. Datum und die ferneren Umstände dieses Gesetzes sind problematisch, ich neige jedoch dazu, den ehrlichen Bemühungen des Tillemont (Histoire des empereurs, Band 5, p.721) und Pagi (Critica, Band 1, p. 578) beizutreten. Die Nachwelt hat der tugendreichen Unerschütterlichkeit des Erzbischofs ihren Beifall nicht versagt; und das Beispiel des Theodosius mag den wirkmächtigen Einfluss jener Grundsätze erweisen, welche einem Monarchen, der keine Angst vor irdischer Gerechtigkeit haben muss, immerhin Respekt vor den Gesetzen und den Dienern eines unsichtbaren Richters einflößen. »Der König,« sagt Montesquieu, »den religiöse Hoffnungen und Ängste beherrschen, kann mit einem Löwen verglichen werden, welcher nur auf die Stimme und die Peitsche seines Wärters reagiert.« »Un prince qui aime la religion, et qui la craint, est un lion qui cede a la main qui le flatte, ou a la voix qui l'appaise.« Esprit des lois 24,2. Die Gemütsbewegungen des königlichen Tieres hängen daher wesentlich von den Neigungen und Interessen des Mannes ab, welcher diese heikle Aufsicht über ihn ausübt; und der Priester, welcher das Gewissen einer Königs in seiner Hand hat, kann dessen mörderische Leidenschaften mäßigen oder aufstacheln. Derselbe Ambrosius ist jedenfalls für die Sache der Menschlichkeit und der fanatischen Glaubensverfolgung mit vergleichbarem Eifer und Erfolg eingetreten.
THEODOSIUS' SEELENADEL · A.D. 388-391
Nach der Niederlage und dem Tod des gallischen Thronräubers befand sich die römische Welt im ausschließlichen Besitze des Theodosius. Seine Berufung durch Gratian brachte ihm den ehrenhaften Titel des Herrschers über die östliche Reichshälfte; den Westen hatte er sich mit dem Recht des Siegers erworben; und die drei Jahre seines Aufenthaltes in Italien wurden segensreich, weil er den Gesetzen zu neuem Ansehen verhalf und ihren straflosen Missbrauch abstellte, der unter Maximus' Alleinherrschaft und Valentinians Minderjährigkeit eingerissen war. Der Name Valentinian war in öffentlichen Akten regelmäßig eingerückt; aber das zarte Alter und der ungefestigte Glaube des Sohnes der Iustina machten die Fürsorge eines glaubensstarken Vormundes erforderlich; und unter diesem vorgetäuschtem Grund hätte Theodosius' Ehrgeiz den glückverlassenenen Jüngling ohne Gegenwehr und Widerspruch von der Verwaltung, ja sogar von der Erbfolge des Reiches ausschließen können. Hätte Theodosius sich nach den strengen Maßgaben der Staatsraison und der politischen Interessen gerichtet, hätten zumindest seine Freunde seine Anordnungen gutgeheißen; aber die Seelengröße, die er bei dieser einmaligen Gelegenheit beobachtete, nötigte selbst seinen giftigsten Feinden Beifall ab.
Er setzte Valentinian auf dem Thron von Mailand ein; und gleichgültig gegenüber gegenwärtigen oder künftigen Vorteilen übertrug er ihm die absolute Herrschaft über alle Provinzen, aus denen die Waffen des Maximus ihn vertrieben hatten. Zusätzlich zu diesem riesigen Herrschaftsgebiet übertrug Theodosius ihm ohne irgendwelche Bedingungen die Länder jenseits der Alpen, welcher er dem Mörder des Gratian gewaltsam entrissen hatte. [Ü.a.d.Griech.: dies schien ihm das den Wohltätern Zukommende zu sein]; so das schäbige Lob des Zosimos (4,48) für Theodosius. Augustinus hingegen sagt, einigermaßen glücklich im Ausdruck: »Valentinianum ... misericordissima veneratione restituit.« [...Valentinian mit größter Barmherzigkeit wieder eingesetzt]. Nun, da er den Tod seines Gönners gerächt und das Westreich vom Joch des Tyrannen befreit hatte, kehrte er, froh seines neuerworbenen Ruhmes, nach Konstantinopel und dann allerdings auch wieder zu seinen früheren Untugenden des Luxus und der Trägheit zurück, erfüllt von der ungestörten Herrschaft über den Osten. Theodosius kam seiner Verpflichtung gegenüber dem Bruder des Valentinian nach und lebte mit dessen Schwester in zärtlicher ehelicher Verbindung; und die Nachwelt, die seine makellose und einmalige Erhebung bewundert, darf auch der unvergleichlichen Seelengröße bei der Ausbeutung seines Sieges ihren Beifall nicht versagen.
CHARAKTERISTIK DES VALENTINIAN · SEIN TOD A.D. 392
Die Kaiserin Justina hatte nach ihrer Rückkehr nach Italien nur noch kurze Zeit zu leben; und wenn sie auch Zeugin des Triumphes von Theodosius wurde, so hatte sie doch auf die Regierungstätigkeit ihres Sohnes keinen Einfluss. Sozomenos 7,14. Seine Chronologie ist äußerst ungeordnet. Die verderbliche Sympathie zur arianischen Sekte, die Valentinian ihrem Vorbild abgeschaut hatte, wurde schon bald durch die strengeren Maximen einer rechtgläubigen Erziehung getilgt. Seine erwachende Hinneigung zum Glauben von Nicäa und seine kindliche Verehrung von Ambrosius' beherrschender Persönlichkeit ließ in den Katholiken die schönsten Erwartungen gegenüber den Tugenden des jugendlichen weströmischen Herrschers aufkeimen. Ambrosius, de Obitu Valentiniani 15 und 36. Wenn der jugendliche Herrscher eine Gesellschaft gab, nahm er selbst keine Nahrung auf; auch weigerte er sich, eine attraktive Schauspielerin anzuschauen &c. Da er Befehl gab, die wilden Tiere seines Bestiariums zu töten, tadelt Philostorgius (11,1) ihn zu Unrecht, er habe hieran seinen Gefallen gefunden. Sie rühmten seine Keuschheit und Mäßigung, seine mangelnde Vergnügungssucht, seinen Arbeitseifer und seine zärtliche Liebe zu seinen beiden Schwestern; was indessen seinen Gerechtigkeitssinn auch nicht zu dem kleinsten Unrecht gegen den geringsten seiner Untertanen verführen konnte. Aber Verrat im Inneren beendete seine liebenswerte Jugend noch vor dem zwanzigsten Lebensjahr; und wieder war das Reich in die Schrecknisse eines Bürgerkrieges verwickelt.
Arbogast, Zosimos (4,52) lobt Theodosius' Feind, aber Sokrates (85,25) und Orosius (7,35) verabscheuen ihn. ein mutiger Krieger aus dem Stamme der Franken, hatte in Gratians Heer den zweithöchsten Rang eingenommen. Nach dessen Tode schloss er sich der Fahne des Theodosius an; trug durch seine militärische Tüchtigkeit das Seine zum Untergang des Tyrannen bei; und wurde nach dem Sieg zum Heermeister der gallischen Armee ernannt. Seine sichtbare Treue und unbestrittenen Verdienste hatten ihm das Vertrauen von Herrscher und Volk eingebracht; seine unermessliche Freigebigkeit indessen korrumpierte die Untertanenpflicht seiner Soldaten; und während er noch als eine tragende Säule des Staates hochgeschätzt wurde, ging der Barbar insgeheim kühn und ränkefreudig mit Entwürfen zur Beherrschung oder Vernichtung des Westreiches um. Die wichtigsten Befehlshaberstellen der Armee vergab er an Franken; dann platzierte Arbogast seine Marionetten auf allen wichtigen Positionen der zivilen Verwaltung; im weiteren Verlaufe der Verschwörung wurden alle getreuen Diener aus der Umgebung des Valentinian abgezogen; und so wurde dieser, macht- und ahnungslos, allmählich zu einer Art von Gefangenem. Gregor von Tours (2,9 im 2. Band der Historiens de la France, p. 165) hat ein wichtiges Fragment des Sulpicius Alexander bewahrt, welcher Historiker viel schätzendwerter ist als er selbst. Der von ihm zum Ausdruck gebrachte Unwille, der vielleicht nur ein Produkt seines vorschnell-jugendlichen Temperamentes war, kann vielleicht mit mehr Recht dem hochfliegendem Geiste eines Herrschers zugeschrieben werden, welcher den Beruf zum Regieren in sich fühlte.
So lud Valentinian heimlich den Bischof von Mailand ein, damit er den Mittler, den Bürgen für seine Aufrichtigkeit und den Garanten für seine Sicherheit abgebe. Er erwog auch, den Kaiser Ostroms von seiner hoffnungslosen Lage in Kenntnis zu setzen; und er verbreitete, dass, solange Theodosius ihm nicht in Eilmärschen zu Hilfe komme, er selbst versuchen müsse, aus dem Palast oder besser Gefängnis in Vienna in Gallien zu entkommen, wo er inmitten einer feindlichen Faktion unklugerweise seine Residenz genommen habe. Aber die Hoffnungen auf Hilfe waren ungewiss und lagen in weiter Ferne; und da nun jeder neue Tage eine neue Kränkung brachte, beschloss der Kaiser, übel beraten und ohne eigentliche Handhabe, den Gang mit seinem mächtigen General auf der Stelle zu wagen. Er zitierte Arbogast vor seinen Thron; und da sein Heermeister sich mit einigen Anzeichen des Respektes näherte, verabfolgte er ihm ein Papier, in welchem seine Entlassung aus allen seinen Pflichten verfügt wurde. »Mein Ansehen,« erwiderte Arbogastes mit nachgerade beleidigender Ruhe, »hängt nicht von dem Lächeln oder Stirnrunzeln eines Monarchen ab.« Und warf mit einer Geste der Verachtung die Urkunde auf den Boden. Empört ergriff der Monarch sich das Schwert einer seiner Wachsoldaten und versuchte es aus der Scheide zu ziehen; und nur mit einiger Gewaltanwendung konnte man ihn davon abhalten, die tödliche Waffe gegen seinen Feind oder sich selbst einzusetzen.
SEIN TOD 15. MAI 392
Ein paar Tage nach diesem außerordentlichen Zwischenfall, bei welchem er seinen Hass und seine Schwäche offenbart hatte, fand man den glückverlassenen Valentinian erwürgt in seinem Privatgemach; und nur mit viel Aufwand gelang es, die offenkundige Schuld des Arbogast zu verhehlen und die Welt davon zu überzeugen, dass der Tod des jungen Kaisers die Folge einer freiwilligen Verzweiflungstat gewesen war. Gothofred (Dissertatio ad Phiolostorgium, p. 429-434) hat mit viel Sorgfalt alle Umstände des Todes von Valentinian II zusammen getragen. Die Widersprüche und die Unwissenheit der zeitgenössischen Autoren zeigen, dass es ein Staatsgeheimnis war. Sein Leichnam wurde mit ernstem Pomp auf dem Friedhof von Mailand beigesetzt; auch hielt der Erzbischof eine Totenrede, in welcher er seine Tugenden und sein Unglück würdigte. De obitu Valentiniani. Opera, Band 2, 1176-1196. Er musste sich allerdings kryptisch und in dunklen Andeutungen ausdrücken; und doch ist er kühner, als es sich so mancher Laie oder mancher Kleriker getraut hätte. Bei dieser Gelegenheit bestimmte die Menschlichkeit Ambrosius, einen einmaligen Bruch mit seinem theologischen System zu vollziehen und die schluchzenden Schwestern des Valentinian zu trösten, indem er ihnen fest versicherte, dass ihr frommer Bruder, ob er gleich nicht das Sakrament der Taufe empfangen hatte, ohne Verzug in die Wohnung der Seligen aufgenommen worden sei. De obitu Valentiniani 51 und 75. Dom. Chardon (Histoire des sacramens, Band 1, p. 86) hat Probleme damit, den Widerspruch aufzulösen, der darin besteht, dass für Ambrosius die Taufe eine unverzichtbare Notwendigkeit hierfür ist.
THRONBESETZUNG DURCH EUGENIUS · A.D. 392-394
Die Klugheit des Arbogast bot die Gewähr für den Erfolg seiner Pläne; und die Provinzbewohner, in denen jedes Gefühl für Patriotismus oder Loyalität längst erstorben war, warteten mit braver Ergebenheit auf den unbekannten Herrscher, den ihnen ein Frankenhäuptling vorsetzen mochte. Ein paar Anwandlungen von rudimentärem Stolz und Vorurteil stellten sich der Wahl des Arbogast entgegen; und der Barbar war klug genug, unter einer römischen Marionette die Regierungsgeschäfte wahrzunehmen. So hängte er dem Redner Eugenius den Purpur um; »Hunc sibi Germanus famulum delegerat exul« [diesen suchte sich der verbannte Germane aus dem Gefolge], sagt Claudian mit Verachtung (De IV Consulatu Honorii 74). Eugenius bekannte sich zum Christentum; aber seine heimliche Neigung zum Heidentum (Sozomenos 7,22 und Philostorgos 11,2) wäre für einen Grammatiker nicht untypisch gewesen und hätte ihm die Freundschaft des Zosimos (4,54) garantiert. schließlich hatte er ihn bereits aus der Position eines Privatsekretärs in die eines magister officiorum befördert. Im Verlaufe seiner privaten und öffentlichen Verpflichtungen hatte der comes die Anhänglichkeit und die Umsicht des Eugenius schätzen gelernt; seine hohe Bildung und seine Eloquenz, welche sein würdevolles Auftreten noch unterstrich, empfahlen ihn der Wertschätzung der Bevölkerung; und dass er sich bei der Thronbesteigung ein wenig zierte, wollten man gerne als Indiz für Tugend und Mäßigung auffassen.
Die Botschafter des neuen Kaisers wurden unverzüglich abgefertigt, mit erheuchelter Betroffenheit die kummervolle Zeitung von Valentinians Ableben an den Hof des Theodosius zu bringen; und zugleich den Monarchen ohne die Erwähnung des Namens Arbogast zu ersuchen, als neuen Kollegen einen angesehenen Bürger zu umarmen, welchen die einstimmige Wahl der Armee und der westlichen Provinzen zum Kaiser gemacht habe. Zosimos (4,55) erwähnt diese Gesandtschaft; aber die Erzählung einer anderen Geschichte hält ihn davon ab, das Ereignis zu Ende zu berichten.
Zu Recht entrüstete sich Theodosius darüber, dass die Ränke eines Barbaren ihn auf einen Schlag um die Früchte seiner Mühen und früheren Siege bringen sollten; auch bestimmten ihn die Tränen seines geliebten Weibes, [Ü.a.d.Griech.: Galla, sein Eherau, erzeugte Unruhe im Palast, da sie den Bruder beweinte]. Zosimos 4,55. Später sagt er (57), dass Galla im Kindbett verstarb; und deutet an, dass die Trauer ihres Gatten heftig, aber nur vorübergehend gewesen sei. den Tod ihres unglücklichen Bruders zu rächen und die beleidigte Würde des Thrones immer mal wieder mit Waffengewalt zu festigen. Da aber die neuerliche Eroberung des Westens eine Unternehmung war, denen es nicht an Schwierigkeiten mangelte, entließ er die Botschafter des Eugenius mit üppigen Geschenken und einer nichtssagenden Antwort; und widmete die folgenden zwei Jahre den Vorbereitungen des Bürgerkrieges.
KRIEGSVORBEREITUNGEN DES THEODOSIUS
Bevor er nun zu einer endgültigen Entscheidung kam, verlangte es den frommen Herrscher darnach, den Willen des Himmels zu ergründen; doch da der Triumph des Christentums das Orakel von Delphi und Dodona zum Schweigen gebracht hatte, konsultierte er einen ägyptischen Mönch, der nach Auffassung der Zeit die Gabe besaß, Wunder zu wirken und die Zukunft zu erschauen. Eutropius, ein Eunuch von hoher Reputation am Hofe von Konstantinopel, schiffte nach Alexandria ein, von wo er den Nil hinaufsegelte bis zu der Stadt Lykopolis, der Stadt der Wölfe, in der entlegenen Provinz Thebais. Lykopolis ist das heutige Suit oder Assuit, eine Stadt im Said, etwa so groß wie St. Denis, die einen einträglichen Handel mit dem Königreich Sennar treibt und eine sehr arbeitssparende Quelle hat, »cuius potu signa virginitatis eripiuntur.« [durch einen Trunk werden die Zeichen der Jungfräulichkeit ausgetilgt]. Siehe d'Anville, Description de l'Egypte, p. 181. Abu al-Fida, Descriptio Aegypti, p. 14; und die interessanten Anmerkungen des Herausgebers Michaelis, p. 25 und 92. In der Nähe dieser Stadt auf einsamer Bergeshöhe hatte sich der Heilige Johannes Das Leben des Johannes von Lykopolis wird von zwei Freunden beschrieben, Rufinus (2,1) und Palladius (Historia Lausiaca 43) und befindet sich in Rosweydes großer Sammlung Vitae patrum. Tillemont (Mémoires ecclésiastiques Band 10, p. 718 und 720) hat die Chronologie geordnet. mit eigener Hand eine schlichte Klause gezimmert, in der er dann fünfzig Jahre zugebracht hatte, ohne die Tür zu öffnen, ein weibliches Antlitz zu sehen oder Speise zu sich zu nehmen, die durch Feuer oder Menschenkunst bereitet worden war. Fünf Tage der Woche verbrachte er, ins Gebet und in Betrachtung versunken; am Sonnabend und Sonntag öffnete er regelmäßig das kleine Fenster und erteilte der Masse von Bittflehenden Audienz, welche aus allen Teilen der christlichen Welt zu ihm geströmt waren. Der Eunuch des Theodosius nahte mit gehörigem Respekt, legte seine Fragen betreffend den Ausgang des Bürgerkrieges vor und kehrte schon bald mit einer günstigen Antwort zurück, welche dem Kaiser den Mut hob, versprach sie doch einen zwar blutigen, aber entscheidenden Sieg. Sozomenos 7,22. Claudian (In Eutropium 1,312) erwähnt die Reise des Eunuchen: aber er macht sich höchlich lustig über den ägyptischen Traum und das Orakel vom Nil.
Die Erfüllung dieser Prophezeiung wurde daraufhin mit allen Mitteln befördert, zu denen Menschenwitz imstande war. Den beiden Heermeistern Stilicho und Timasius wurde es übertragen, die gehörige Anzahl an römischen Legionen zu rekrutieren und zu disziplinieren. Die fürchterlichen Kontingente der Barbaren marschierten unter der Fahne ihrer jeweiligen Stammeshäuptlinge. Iberische, arabische und gotische Söldner, die sich mit Erstaunen gegenseitig begafften, traten in den Dienst desselben Herrschers; und der berühmte Alarich erwarb sich in der Schule des Theodosius jene Kenntnisse der Kriegskunst, die er später in so verhängnisvoller Weise zum Untergang Roms einsetzte. Zosimos 4,57; Sokrates 7,10. Alarich selbst (Claudian, de bello Gothico 524) verweilt mit größerem Behagen bei seinen frühen Heldentaten gegen die Römer« »...Tot Augustos Hebro qui teste fugavi.« [der ich so viele Kaiser – Hebrus ist Zeuge – in die Flucht schlug]. Aber seine Prahlsucht dürfte kaum diese ›vielen‹ flüchtigen Kaiser nachweisen.
THEODOSIUS BESIEGT EUGENIUS 6. SEPTEMBER 394
Der Herrscher Westroms oder, um genauer zu sein, sein General Arbogastes, hatte aus dem Missgeschick des Maximus gelernt, wie gefährlich es war, die Verteidigungslinien gegen einen geschickten Gegner zu stark auszudehnen, wenn dieser jederzeit seine Angriffstaktik variieren konnte. Claudian (de IV consulatu Honorii 77ff) stellt die militärischen Planungen beider Thronräuber gegenüber: »... Novitas audere priori Suadebat; cautumque dabant exempla sequentem. His nova moliri praeceps: his quaerere tuta Providus. Hic fusis collectis viribus ille; Hic vagus excurrens; hic intra claustra re-ductus; Dissimiles, sed morte pares ....« [Neues bestimmt den Ersten zum Wagnis, Erfahrung den anderen zur Vorsicht. Dieser sucht kopfüber den Umsturz; jener sucht den sicheren Weg. Diese teilt, jener sammelt seine Kräfte. Dieser schweift weit hinaus, jener verhält hinter Mauern. Ganz verschieden, aber gleich im Tod]. Arbogastes beschränkte sich daher auf das Gebiet von Italien: die Truppen des Theodosius konnten so ohne Widerstand Pannonien bis zu den Julischen Alpen besetzen; und selbst die Pässe standen dem kühnen Eroberer aus Nachlässigkeit oder vielleicht auch aus Vorbedacht offen. Er gelangte in die Ebene und gewahrte mit einigem Erstaunen die gewaltigen Truppenmassen der Gallier und Germanen, welche mit Waffen und Zelt das offenen Land besetzt hielten, welches sich von den Stadtmauern Aquileias bis zu den Ufern des Frigidus, Der Frigidus ist ein kleiner aber erwähnenswerter Fluss im Görzer Land; heute heißt er Vipao und mündet oberhalb von Aquleia, einige Meilen von der Adria entfernt, in den Sontius oder Isonzo. Siehe d'Anvilles alte und neue Karten und Cluver, Italia antiqua, Band 1, p. 188. des »kalten Flusses«, Claudian entfaltet hier entschieden zu viel makabren Scherz: der Schnee färbte sich rot; der kalte Fluss kochte; und das Flussbett hätte sich mit Leichen verstopft, wenn die Strömung nicht durch Unmengen von Blut angeschwollen wäre. erstreckt.
Dieser beengte Kriegsschauplatz, den Adria und Alpen eingrenzten, ließ für Proben von Kriegkunst keinen Raum; für Pardon hätte Arbogastes Seele nur Verachtung erübrigt; schuldbeladen, wie er nun einmal war, konnte er sich auch von Verhandlungen nichts erhoffen; und Theodosius selbst verlangte nach fernerem Ruhm und nach Rache für die Ermordung des Valentinian. Ohne genauere Prüfung der naturgegebenen oder künstlichen Hindernisse ließ der Kaiser des Ostens unverzüglich die Befestigungen seines Gegners angreifen, ließ den Goten den Vortritt dort, wo ehrenvolle Gefahr drohte und hegte den unausgesprochenen Wunsch, der blutige Kampf möge wenigstens die Zahl und das Selbstvertrauen der Eroberer mindern. Zehntausend Mann seiner Hilfsvölker und Bacurius, der General der Iberer, starben auf dem Felde den Soldatentod. Aber den Sieg errangen sie dennoch nicht mit diesem Blutzoll; die Goten behaupteten ihre Stellung, und nur die aufziehende Nacht deckte den Rückzug oder wohl besser die ungeordnete Flucht von Theodosius' Truppen. Der Kaiser zog sich in das nahe gelegene Hügelland zurück; hier nun verbrachte er eine trostlose Nacht, schlaflos, ohne Essen und ohne Hoffnung; Theodoret bekräftigt allerdings, dass der heilige Johannes und der heilige Philipp dem Kaiser im Schlafe und im Wachen zu Pferde erschienen. Dies wäre demnach das erste Beispiel für apostolische Ritterschaft, die später in Spanien und während der Kreuzzüge so hohe Popularität erlangte. ausgenommen vielleicht jene Zuversicht, die ein selbständiges Gemüt in verzweifelter Lage aus der allgemeinen Verachtung von Glück und Leben ziehen mag.
Im Lager des Eugenius feierte man den Sieg mit ausgelassener und freudevollem Übermut; währenddessen entsandte der umsichtige und aktive Arbogastes insgeheim ein beachtliches Detachement, welches die Gebirgspässe besetzen sollte, um so der Armee des Ostens den Rückzug abzuschneiden. Der Morgen enthüllte Theodosius die Größe und das Äußerste seiner Gefahr: aber schon bald wurden seine Besorgnisse zerstreut durch die erfreuliche Nachricht derjenige Truppenführer, welche die Fahne des Tyrannen zu verlassen Neigung zeigten. Die ehrenvollen und üppigen Belohnungen, die sie sich für ihren Verrat ausbedungen hatten, wurden ohne Zögern gewährt; und da Tinte und Papier nicht sogleich zur Hand waren, unterschrieb der Kaiser auf seinen eigenen Notiztafeln den Vertrag. Diese Verstärkung war hochwillkommen und hob den Soldaten erneut den Kampfesmut; und also rückten sie zuversichtlich ein zweites Mal gegen das Lager des Tyrannen vor, dessen führende Offiziere den Glauben an die eigene Sache ersichtlich aufgegeben hatten.
Plötzlich, in der Hitze des Gefechtes, erhob sich ein schwerer Sturm im Osten, Te propter, gelidis Aquilo de monte procellis/Obruit adversas acies; revolutaque tela/Vertit in auctores, et turbine reppulit hastas./ O nimium dilecte Deo, cui fundit ab antris/Aeolus armatas hiemes; cui militat Aether,/Et conjurati veniunt ad classica venti. [Wegen dir fuhr mit eiskalten Stürmen vom Berge/ gegen die Reihen der Gegner der Nord-Ost-Wind,/ kehrte die Geschosse zurück auf die Schützen und im Wirbel lenkt' er die Lanzen ab./ O von Gott Geliebter! Es sendet dir aus Höhlen Aeolus/Waffen in Stürmen herab,/mit dir kämpft der Aether,/ und vereint mit dir, folgen die Stürme deinen Kriegstrompeten.] Diese berühmten Verse Claudians (De III Consulatu Honorii 93ff, A.D. 396) werden von seinen Zeitgenossen Augustinus und Orosius angeführt, die allerdings den heidnischen Gott Aeolus weglassen und dafür Augenzeugenberichte mit anderen Umständen anführen. Vier Monate später stellte Ambrosius diesen Sieg denen von Moses und Josua an die Seite. wie er in den Alpen des Öfteren vorkommt [›Bora‹]. Die Armee des Theodosius war durch diesen furchtbaren Wind in ihrer Stellung gleichsam geschützt, welcher dem Feind Wolken von Staub ins Gesicht blies, ihre Reihen in Unordnung brachte, ihnen die Waffen entwandt und ihre Lanzenwürfe wirkungslos zerstreute oder sogar umkehrte. Dieser zufällige Vorteil wurde mit Klugheit ausgebeutet; auch vergrößerte der Aberglauben der Gallier die Wirkung des Sturmes: ohne Bedenken ergaben sie sich den unsichtbaren Mächten des Himmels, welche sichtlich Partei für den frommen Kaiser ergriffen hatten.
Dessen Sieg war vollständig; und verschieden wie ihr Charaktere war auch der Tod seiner beiden Rivalen. Der Rhetoriker Eugenius, der fast die Herrschaft über die Welt erlangt hätte, musste nun den Sieger um Gnade anflehen; aber als er hingestreckt vor Theodosius lag, schlugen ihm die Soldaten mitleidslos den Kopf vom Rumpf. Arbogastes hingegen, der in der von ihm verlorenen Schlacht alle Tugenden eines Generals und Soldaten bewährt hatte, zog ein paar Tage in den Bergen umher. Als er sich aber davon überzeugt hatte, dass seine Sache verloren und ein Entkommen unmöglich sei, erinnerte sich der furchtlose Barbar an das Beispiel der alten Römer und stieß sich das Schwert in die eigene Brust.
So entschied sich das Schicksal des Reiches in einem engen Winkel Italiens; der rechtmäßige Thronfolger aus dem valentinischen Hause umarmte den Erzbischof von Mailand und übernahm dankbar die westlichen Provinzen. Diese Provinzen waren schuldhaft in die Rebellion verwickelt gewesen; nur des Ambrosius unbeugsamer Mut hatte den Forderungen des erfolgreichen Thronräubers widerstanden. Mit mannhaftem Freiheitssinn, der anderen Untertanen tödlich ausgegangen wäre, hatte er die Geschenke des Eugenius von sich gewiesen, seine Korrespondenz nicht beachtet und sich sogar aus Mailand entfernt, um die verhasste Nähe des Tyrannen zu vermeiden, dessen Sturz er, wenn auch nur in nebulöser Diktion, vorhergesagt hatte. Der Sieger dankte dem Ambrosius für sein aufrechtes Verhalten und sicherte sich seinerseits die Anhänglichkeit des Volkes durch seine Nähe zur Kirche; und die Milde, die Theodosius anschließend beobachtete, wird der humanen Einrede des Bischofs zugeschrieben Die Ereignisse dieses Bürgerkrieges sind zusammengetragen aus: Ambrosius (Epistulae 62); Paulinus (Vita Ambrosii, 26-34); Augustinus (De Civitate Die 5,26); Orosius (7,35); Sozomenos (7,24); Theodoret (5,24); Zosimos (4,58); Claudian (De III Consulatu Honorii 63-105; und De IV Consulatu Honorii 70-117); und aus den von Scaliger publizierten Chroniken..
TOD DES THEODOSIUS · 17. JANUAR 395
Nach der Niederlage des Eugenius wurden die Verdienste und die Autorität des Theodosius von allen Bewohnern des Reiches freudig anerkannt. Sein Verhalten in der Vergangenheit berechtigte zu den schönsten Hoffnungen für seine künftige Regierungstätigkeit; und das Alter des Kaisers – er war noch nicht fünfzig Jahre alt – vergrößerte noch die Aussicht auf staatliches Wohlergehen. Sein Tod, der ihn nur vier Monate nach seinem Sieg ereilte, wurde allgemein als ein unvorhersehbares und schicksalhaftes Ereignis angesehen, welches mit einem Schlage alle Hoffnungen einer emporblühenden Generation zunichte machte. Aber Müßiggang und Luxus hatte seiner Krankheit den Boden bereitet. Die Krankheit, die Sokrates (5,26) den Anstrengungen des Krieges zuschreibt, wird von Philostorgius (11,2) auf Faulheit und Unmäßigkeit zurückgeführt; wofür Photius ihn einen schamlosen Lügner nennt (Gothofredus, Dissertationes p. 438). Theodosius' Konstitution war außerstande, den plötzlichen und nachgerade gewalttätigen Wechsel vom Palast- auf das Lagerleben zu verkraften; und die unübersehbaren Symptome einer Wassersucht kündigten vom raschen Zerfall der kaiserlichen Gesundheit.
Die öffentliche Meinung oder doch wenigstens ihr Interesse hatte stets die Teilung des Reiches befürwortet; und die beiden Königskinder Arcadius und Honorius, denen der Zartsinn des Vaters bereits den Augustustitel verliehen hatte, waren ausersehen, die verwaisten Herrscherstühle zu besetzen. An den Gefahren und am Ruhm des Bürgerkrieges hatten beide Prinzen weisungsgemäß keinen Anteil; Zosimos (4,25) vermutet, das der junge Honorius seinen Vater begleitet habe. Aber das »quanto flagrabant pectora voto« [doch welches Verlange brannte im Herzen] ist alles, was die Schmeichelei einem zeitgenössischen Dichter erlaubte, der des Kaisers negativen Bescheid und die Reise des Honorius nach dem Siege deutlich beschreibt. (Claudian, De III Consulatu Honorii, 78-125). sobald er aber über seinen unwürdigen Rivalen obsiegt hatte, rief er seinen jüngeren Sohn Honorius zu sich, auf dass auch er der Früchte des Sieges genieße und aus der Hand des sterbenden Vaters das Szepter des Westens empfange.
Zur Feier der Ankunft des Honorius in Mailand wurden prachtvolle Zirkusspiele inszeniert; und selbst der Kaiser, den doch die Last seiner Krankheit niederdrückte, vergrößerte durch seine Anwesenheit die öffentliche Freude. Aber seine restlichen Kräfte wurden infolge dieser schmerzlichen Anstrengungen aufgezehrt, die ihm der morgendliche Besuch bei den Spielen abverlangte. Den verbleibenden Tag über nahm Honorius den Sitz seines Vaters ein; und in der folgenden Nacht verschied der große Theodosius. Ungeachtet der frischen Erinnerung an die Feindseligkeiten des zurückliegenden Bürgerkrieges wurde sein Tod allgemein beklagt. Die Barbaren, die er besiegt hatte, und die Kirchenfürsten, die ihn gedämpft hatten, rühmten laut und aufrichtig jene Vorzüge des verstorbenen Herrschers, die ihnen nach ihrem Urteil je und je die achtbarsten schienen. Die Römer selbst befiel angesichts einer schwachen und zersplitterten Administration heimliches Grauen; und jeder Fehlgriff, der sich unter der glücklosen Regierung des Arcadius und Honorius ereignete, erneuerte die Erinnerung an den unersetzlichen Verlust.
DIE DEKADENZ DER ZEIT
In dem Prachtgemälde der Tugenden des Theodosius wurden auch seine Schwächen nicht ausgespart; etwa der grausame Racheakt oder seine Trägheit, welche die Erinnerung an einen der bedeutendsten römischen Herrscher eintrüben. Ein Historiker, notorisch gegen Theodosius eingenommen, hat seine Fehler überzeichnet und ihre Folgen kräftig übertrieben; so macht er uns kühnlich weis, dass jedweder Untertan das weibische Gehabe seines Herrschers nachahmte; dass Korruption in jeder Form das öffentliche und private Leben verpestete; und das die schwache Stimme der Pflicht und des Anstandes nicht hinreichten, jener sich ausbreitenden verkommenen Gesinnung Einhalt zu gebieten, welche ohne zu Erröten die Pflicht und das staatliche Interesse den verächtlichen Neigungen zu Trägheit und Stumpfsinn aufopferte. Die Klagen zeitgenössischer Autoren über das Anwachsen von Luxus und Niedergang der Sitten sind gemeinhin Ausdruck ihres jeweiligen Naturells und ihrer persönlichen Verhältnisse. Zosimos 4,33. Es gibt nur wenige Beobachter, die für die Umwälzungen der Gesellschaft einen klaren und vorurteilsfreien Blick haben und die zugleich imstande sind, die unscheinbaren und verborgenen Ursachen für solche Vorgänge zu entdecken, welche danach die zügellosen und blinden Leidenschaften einer Masse von Individuen in dieselbe Richtung lenken.
Wenn man mit einigem Recht behaupten könnte, dass der Luxus der Römer unter der Herrschaft des Theodosius schamloser gewesen war als etwa unter Konstantin oder vielleicht auch noch Augustus, dann kann dieser Umschwung jedenfalls nicht irgendeiner segensreichen Verbesserung zugeschrieben werden, welche dazu beigetragen hätte, den Wohlstand der Nation zu vergrößern. Eine lange Phase der wirtschaftlichen Not muss vielmehr dem Gewerbefleiß hinderlich gewesen sein und den Reichtum des Volkes vermindert haben; und der überbordende Luxus kann nur das Ergebnis jener Auffassung gewesen sein, die sich an der Gegenwart freut und die Sorge um das Morgen von sich schiebt. Da ihr Reichtum unsicher gegründet war, nahmen die Untertanen des Theodosius davon Abstand, sich auf solche Unternehmungen einzulassen, welche für den Augenblick hohe Investitionen verlangen und nur langsamen und späten Gewinn in Aussicht stellen. Die häufigen Beispiele von Ruin und Notlage verführten sie nicht dazu, ihr väterliches Erbe zu schonen, wenn es ihnen zu jeder Stunde von einem beutegierigen Goten geraubt werden konnte. Und die kranksinnige Verschwendungssucht etwa während eines Schiffbruches oder einer Belagerung können den wuchernden Luxus verstehen helfen, der sich inmitten der Schrecken und der Unglücksfälle eines untergehenden Volkes einfindet.
DIE INFANTERIE LEGT DIE WAFFEN NIEDER
Der weibische Luxus, der die Sitten am Hof und in den Städten korrumpierte, hatte sein zersetzendes Gift auch in die Lager und Kasernen der Legionen geträufelt; und deren Verkommenheit wurde von der Feder eines Militärschriftstellers festgehalten, welcher mit Genauigkeit die Herkunft und die alten Grundsätze der römischen Disziplin studiert hatte. Vegetius macht die wichtige und zutreffende Feststellung, dass von der Gründung der Stadt bis zur Herrschaft des Gratian die römische Infanterie Ausrüstung nur zur Verteidigung getragen habe. Das Nachlassen der Disziplin und die Entwöhnung vom Exerzieren trugen dazu bei, dass die Soldaten die Anstrengungen ihres Dienstes weniger ertragen konnten oder wollten; sie beschwerten sich über das Gewicht der Bewaffnung, selbst wenn sie sie nur noch selten anlegten; und mit Erfolg setzten sie durch, Brustharnisch und Helm abzulegen.
Die schweren Waffen ihrer Vorfahren, das Kurzschwert und das fürchterliche pilum, mit dem sie die Welt erobert hatten, entglitt unmerklich ihren schwachen Händen. Da die gleichzeitige Verwendung des Schildes und des Bogens unvereinbar ist, zogen sie nur widerwillig ins Feld; so waren sie dazu verurteilt, entweder schmerzhafte Wunden zu empfangen oder schmachvoll zu fliehen; meistens entschieden sie sich für die schmählichere Alternative. Die Kavallerie der Goten, Hunnen und Alanen hatten die Vorteile von Schutzwaffen kennen gelernt und übernommen; und da sie Fernwaffen trefflich handhabten, überrannten sie mit Leichtigkeit die bebenden und ungedeckten Legionäre, die den Pfeilen der Barbaren schutzlos ausgesetzt waren. Der Verlust von ganzen Armeen, die Zerstörung von Städten und die Ehrlosigkeit des römischen Namens bestimmte die Nachfolger des Gratian, wiewohl ohne Erfolg, Helm und Harnisch erneut in der Infanterie einzuführen. Die kraftlosen Soldaten waren zu Verteidigungszwecken untauglich geworden; und diese schlaffe Unfähigkeit ist wohl einer der unmittelbaren Ursachen für den Untergang des Reiches. Vegetius, de Re Militari, 1,20. Die Serie der von ihm beschriebenen Unglücksfälle nötigt uns zu der Vermutung, dass der Held, dem er sein Buch widmet, der letzte und ruhmloseste der Valentiniane ist.