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GEGENSTAND DES KAPITELS
Vergegenwärtigen wir uns ernstlich die Lauterkeit der christlichen Religion, die Reinheit ihrer moralischen Prinzipien und die sündenfrei-asketische Lebensführung der Mehrheit ihrer ersten Bekenner, dann sollten wir eigentlich auch der naheliegenden Folgerung beitreten, dass eine solche segensreiche Lehre selbst von dem nichtgläubigen Teil der Menschheit mit schuldigem Respekt hätte aufgenommen werden müssen; dass die Klugen und Gebildeten trotz ihrer Verachtung von Wunderfabeln die Segnungen dieser neuen Sekte hätten erkennen können; und dass die Behörden diese neue Glaubensbrüderschaft, anstatt ihr nachzustellen, wegen ihrer bedingungslosen Gesetzestreue hätten schützen müssen, wenngleich sie Kriegsdienste und bürgerliche Ämter entschieden ablehnte. Wenn wir uns weiterhin an die allgemeine Toleranz erinnern, die unter dem Polytheismus herrschte, wie er vom Volk gewohnheitsmäßig geglaubt, von den Denkenden abgelehnt und vom römischen Senat und den Kaisern nur aus Gründen der Staatsraison beibehalten wurde, dann sind wir in einiger Verlegenheit herauszufinden, welcher Verbrechen sich die Christen schuldig gemacht haben sollen, welche Keckheit den milden Gleichmut der Antike erzürnt haben mag oder welche neuen Gründe die römischen Kaiser, welche doch sonst tausenderlei Religionen in ihrem Reiche duldeten, plötzlich vermocht hätten, die ganze Strenge des Gesetzes auf alle diejenigen ihrer Untertanen niederfahren zu lassen, die für sich eine zwar schnurrige, aber im ganzen doch arglose Form des Glaubens und der Gottesverehrung gefunden hatten.
Die Religionspolitik der Römer scheint strengere und unduldsamere Züge angenommen zu haben, als sie dem sich ausbreitenden Christentum entgegentrat. Etwa achtzig Jahre nach dem Tode Christi wurden seine unschuldigen Jünger zum Tode verurteilt, und zwar durch den Urteilsspruch eines Prokonsuls von ausgesprochen liebenswerter und philosophischer Denkart, welcher den Weisungen seines Kaisers gemäß seine Provinz besonnen und gerecht verwaltete. Die Verteidigungsschriften, welche immer wieder an die Nachfolger Trajans gerichtet wurden, waren voll mit bitteren Klagen darüber, dass die Christen, die doch nur den Weisungen ihres Gewissens folgten und nur diese eine Freiheit für sich erflehten, die einzigen unter allen römischen Untertanen seien, welche von den allgemeinen Segnungen ihrer wohlwollenden Regierung ausgeschlossen würden. Die Todesumstände einiger berühmter Märtyrer wurden sorgfältig aufgezeichnet; und sobald das Christentum die oberste Regierungsgewalt innehatte, waren die Kirchenfürsten mehr darum bemüht, die Grausamkeit ihrer heidnischen Gegner offen zu legen als deren Verhalten nachzueifern. Es ist die Absicht des folgenden Kapitels, die wenigen zuverlässigen und berichtenswerten Fakten von der ungenießbaren Masse aus Erfindung und Irrtum abzusondern (wenn dies überhaupt möglich ist) und klar und verständig über die Art, die Ursachen, den Umfang, die Dauer und die wesentlichsten Begleitumstände der ersten Christenverfolgungen zu berichten.
DIE RÖMISCHEN KAISER UND DAS JUDENTUM
Die Jünger einer verfolgten Religion, von beständiger Furcht niedergedrückt, von Grimm gepackt oder möglicherweise sogar fanatisiert, sind nur selten in der rechten Stimmung, mit kaltem Verstand über die Gründe ihrer Feinde nachzusinnen oder ehrliches Verständnis für deren Motive aufzubringen, was übrigens auch oftmals dem unparteiischen und trennscharfem Urteil derjenigen nicht gelang, die weit genug entfernt von den Brennpunkten der Verfolgung lebten. Einen Grund für das Verhalten der Kaiser gegenüber den ersten Christen hat man genannt, und er scheint umso einleuchtender und wahrscheinlicher zu sein, als er dem anerkannten Geiste des Polytheismus entlehnt ist. Es wurde bereits angemerkt, dass die religiöse Eintracht der alten Welt in erster Linie davon lebte, dass die Nationen gegenüber den Traditionen und Zeremonien der jeweils anderen respektvolle Duldung übten. Es scheint daher naheliegend, dass sie sich, durch Empörung geeint, gegen eine Sekte verwahrt hätten, welche sich selbst aus der Gemeinschaft der Menschen ausgrenzte, Wissen um die göttlichen Dinge für sich allein reklamierte und jede Form der Anbetung außer ihrer eigenen als gottlos und götzendienerisch verachtete. Das Anrecht auf Toleranz wird durch gegenseitige Duldung erworben; es ist verwirkt, wenn dieser herkömmliche Tribut nicht entrichten wird. Da nun die Juden und nur sie diesen Zoll besonders halsstarrig verweigerten, werden wir auch klären können, wenn wir ihre Behandlung durch die römischen Magistrate genauer untersuchen, wie weit diese Vermutungen durch Fakten gestützt sind und uns so schließlich die wirklichen Gründe für die Verfolgung der Urchristen entdecken lassen.
DER WIDERSETZLICHE GEIST DES JUDENTUMS
Wir wollen nun nicht wiederholen, was wir bereits über die Verehrung der römischen Kaiser im Tempel zu Jerusalem ausgeführt haben und nur noch anmerken, dass die Zerstörung des Tempels und der Stadt von genau den Umständen begleitet war, welche geeignet waren, die Eroberer aufs Blut zu reizen und die für religiöse Verfolgungen höchst achtbaren Vorwände der politischen Justiz und der öffentlichen Sicherheit zu liefern. Von Neros Herrschaft bis zu den Antoninen erlitten die Juden die zornige Ungnade Roms, was zuverlässig zu wütenden Massakern und Erhebungen führte. Die Menschlichkeit entsetzt sich über die Schilderung der Grausamkeiten, die sie in Städten Ägyptens, Zyperns und Cyrenes begingen, wo sie in trügerischer Eintracht mit den arglosen Eingeborenen lebten; In Cyrene sollen 220 000, in Zypern 240 000 und in Ägypten ebenfalls sehr viele umgebracht worden sein. Viele dieser unglücklichen Opfer wurden zersägt, was durch das Vorbild Davids sanktioniert war. Die siegreichen Juden verschlangen das Fleisch, leckten das Blut auf und wickelten sich das Darmgekröse um den Körper. Siehe Cassius Dio 68,32. und so sind wir beinahe versucht, der strengen Züchtigung Beifall zu zollen, welche die Waffen der Legionen gegen die Fanatiker übten, deren schauderhafter, kindischer Aberglauben aus ihnen die schlimmsten Feinde nicht nur Roms, sondern der ganzen Menschheit zu machen schien. Ohne jetzt die wohlbekannte Darstellung des Josephus zu wiederholen, erfahren wir auch von Cassius Dio (69,14), dass im Krieg gegen Hadrian 580 000 Juden durch das Schwert umkamen, neben einer ungezählten Menge, die dem Hunger, der Krankheit oder dem Feuer erlag.
Der Fanatismus der Juden erhielt zusätzliche Nahrung aus ihrer Überzeugung, dass es ihnen verboten sei, einem bilderanbetenden Herren Steuern zu zahlen; und aus einer Glücksverheißung, die sie aus einem ihrer alten Orakel herauslasen, dass nämlich bald ein siegreicher Messias erstehen, ihre Fesseln brechen und den Lieblingen des Himmels die Herrschaft auf Erden übertragen werde. Indem er sich selbst als ihren langersehnten Befreier ausgab und alle Nachkommen Abrahams aufrief, Israels Hoffnungen zu fördern, gelang es dem berühmten Bar Kochba, eine starke Armee auf die Beine zu stellen und mit ihr zwei Jahre lang Hadrians Macht zu widerstehen. Zur Sekte der Zeloten siehe Basnage, Histoire des Juifs, Buch 1, c. 17; zur Gestalt des Messias nach der Sichtweise der Rabbinen Buch 1, c. 17; zu den Unternehmungen Bar Kochbas, Buch 7, c. 12.
Ungeachtet dieser wiederholten Herausforderungen verrauchte Roms Zorn nach dem Sieg; auch endete mit dem Krieg und der Gefahr ihre Besorgnis. Infolge der allumfassenden Duldsamkeit des Polytheismus und der milden Gesittung des Antoninus Pius wurden die Juden in ihre alten Gerechtsame wieder eingesetzt und erhielten neuerlich das Recht zur Beschneidung unter der geringfügigen Einschränkung, niemals einen fremdländischen Proselyten mit diesem Charakteristikum der hebräischen Nation zu kennzeichnen. Dem römischen Rechtsgelehrten Modestinus, Libri regularum 6, danken wir die genaue Kenntnis des Antonius-Ediktes. Siehe auch Causabon zur Historia Augusta, p. 27. Die zahlreichen Überlebenden durften, wenn sie auch aus dem Weichbild der Stadt Jerusalem verbannt waren, gleichwohl in Italien und den Provinzen siedeln, Roms Freiheitsrechte erwerben, städtische Ehrenstellungen einnehmen; zugleich waren sie von den beschwerlichen und kostspieligen Verpflichtungen befreit, die die Gesellschaft jedermann auferlegte. Roms legalisierte mit Nachsicht oder Verachtung sogar die Kirchenpolitik der besiegten Glaubensgemeinschaft. Der Patriarch, der seine Residenz zu Tiberias nahm, durfte seine nachgeordneten Minister und Sendboten selbst ernennen, in seinem Bereich Recht sprechen und von seinen fernen Brüdern jährliche Abgaben empfangen. Basnage, Histoire des Juifs, Buch 3, c.2 und 3. Das Patriarchenamt wurde erst durch Theodosius d. J. abgeschafft. In den wichtigsten Städten des Reiches wurden häufig neue Synagogen errichtet; und den Sabbat, die Fasten und die Feierlichkeiten, die entweder nach mosaischem Ritus vollzogen wurden oder nach den Traditionen der Rabbiner, beging man nach heiligem Brauch und in der Öffentlichkeit. Denken wir nur an das Purimfest zur Befreiung der Juden vom Zorne Hamans, welches Fest bis in die Zeiten des Theodosius mit Ausgelassenheit und Massentrunkenheit begangen wurde. Basnage, Histoire des Juifs, 6, c. 17 und 8, c.6. Diese sanftmütige Behandlung kühlte auf die Dauer das hitzige Gemüt der Juden. Aus ihren Träumen von großer Zukunft und Eroberung waren sie erwacht und in den Stand von friedliebenden Bürgern und fleißigen Untertanen eingetreten. Ihre unverwelkliche Abneigung gegen die Menschheit machte sich nicht mehr durch Gewalttat und Blutvergießen Luft, sondern schaffte sich auf subtilere und weniger gefährliche Weise Genugtuung. So suchten sie die Götzenanbeter bei jedem Handelsgeschäft zu übervorteilen; auch sprachen sie heimliche und wirkmächtige Verwünschungen gegen das hochmögende Königreich Edom aus. Nach den Angaben des falschen Josephus hat Tsepho, Esaus Enkel, die Armee des Äneas, Königs von Karthago nach Italien geführt. Eine andere Kolonie der Idumaeaner (Edomiter), die vor Davids Zorn flohen, fanden im Lande des Romulus Aufnahme. Aus diesem und anderen gleichgewichtigen Gründen nannten die Juden das römische Reich Edom.
JUDEN KONFORMISTISCH
Obwohl sich die Juden mit Schaudern von den Gottheiten abwandten, die ihre Herrscher anbeteten, ward ihnen die uneingeschränkte Ausübung ihrer exklusiven Religion zugestanden; so dass es irgend einen anderen Grund gegeben haben muss, welcher den Zorn der Obrigkeit auf die Bekenner des Christentums lenkte, von dem die Nachfahren Abrahams verschont blieben. Der Unterschied zwischen beiden ist einfach und augenfällig, aber nach dem Empfinden des Altertums von größter Tragweite: Die Juden bildeten eine Nation, die Christen eine Sekte; und so, wie es für jede Gemeinschaft selbstverständlich war, die geheiligten Bräuche ihrer Nachbarn zu respektieren, war es für letztere ebenso eine Pflicht, bei den Riten ihrer Väter zu verharren. Diese Verpflichtungen wurden durch die Stimmen der Orakel, die Mahnungen der Denker und die Autorität der Gesetze mit Nachdruck eingeschärft. Dadurch, dass sie für ihre Religion eine besondere Heiligkeit beanspruchten, mochten die Juden den Polytheisten durchaus Anlass geben, sie für eine verdächtige und unreinliche Nation zu halten. Dadurch, dass sie den Austausch mit anderen Nationen verweigerten, mochten sie deren Argwohn auf sich lenken. Die Gesetze Moses waren für die Außenstehenden zumeist unbegründet oder pedantisch; da jedoch eine große Gemeinschaft jahrhundertelang danach gelebt hatte, waren ihre jetzigen Anhänger gerechtfertigt. Allgemein gestand man ihnen zu, nach diesen Vorschriften zu leben, hätte doch deren Nichtbeachtung für sie ein Verbrechen bedeutet.
Aber dieser Grundsatz, der die jüdische Synagoge schützte, brachte der christlichen Urkirche weder Vorteil noch Sicherheit. Indem sie nämlich den Glauben des Evangeliums annahmen, beluden die Christen sich mit der Schuld für ein unverzeihliches Vergehen. Sie lösten die heiligsten Bande, die ihnen durch Herkommen und Erziehung angelegt waren, beleidigten die religiösen Einrichtungen ihres Landes und verhöhnten anmaßend alles, was fromme Glaubensgewissheit ihrer Väter gewesen war. Und diese Apostasie (sit venia verbo!) blieb keineswegs nur lokaler Natur oder auf wenige Personen beschränkt; denn der fromme Glaubensflüchtling, der sich von den Tempeln Ägyptens oder Syriens abwandte, hätte es von sich gewiesen, etwa in denen von Athen oder Karthago religiöses Asyl zu suchen. Jedweder Christenmensch verachtete von ganzem Herzen den Aberglauben seiner Familie, seiner Stadt, seiner Provinz. Die ganze Christenheit verweigerte den Umgang mit den Göttern Roms, des Reiches, der Menschheit. Vergeblich reklamierten die bedrängten Gläubigen die unveräußerliche Freiheit des Gewissens und des persönlichen Urteils für sich. Ihre Situation hätte Mitleid erregen können, aber ihre Gründe genügten niemals dem Verständnis des philosophischen noch des gläubigen Teiles der heidnischen Welt. Nach ihrem Verständnis gab jemand, der sich aus Gewissensgründen nicht in die gängige Glaubenspraxis fügen mochte, ebenso Anlass zu Verwunderung und Ärgernis wie der, den vor vaterländischer Kleidung, Sitte oder Sprache ein plötzliches Grauen angewandelt hätte. Aus den Argumenten des Celsus, so wie sie bei Origines aufgegriffen und dann zurückgewiesen werden (5, p.247-259), können wir deutlich erkennen, dass ein Unterschied gemacht wurde zwischen jüdischem Volk und christlicher Sekte. Siehe im Dialog des Minucius Felix (5 und 6) eine ehrliche und gut lesbare Beschreibung der populären Ansichten bezüglich der Abwendung vom vorherrschenden Götterdienst.
CHRISTEN ALS ATHEISTEN VERDÄCHTIGT...
Auf die anfängliche Verwunderung der Heiden folgte schon bald ihre Abgunst; und so waren die gottesfürchtigsten aller Menschen schon bald dem unhaltbaren, aber nichtsdestoweniger gefährlichen Vorwurf der Gottlosigkeit ausgesetzt. Bösartigkeit und Vorurteil arbeiteten zusammen, um die Christenheit als eine Sekte von Atheisten darzustellen, die wegen ihrer dreisten Angriffe auf die religiösen Einrichtungen des Reiches die strengsten behördlichen Maßregeln verdienten. Sie hatten sich (und bekannten sich auch noch freimütig dazu) aller Abarten des Aberglaubens entschlagen, die der Polytheismus in seiner Vielfalt in allen Weltgegenden gepflanzt hatte; es war aber andererseits nicht zu erkennen, welche Gottheit oder welchen Kultus sie für die Götter und Tempel der Alten als Ersatz boten. Ihre reine und erhabene Idee von dem Höchsten Wesen überstieg das dumpfe Verständnis der heidnischen Volksseele, die sich keine geistige und einzige Gottheit denken konnte, zumal sie weder durch eine Statue noch durch ein sichtbares Symbol abzubilden war und auch nicht durch herkömmliche Libation oder Festes-Pomp verehrt wurde. Cur nullas aras habent? templa nulla? nulla nota simulacra?…Unde autem, vel quis ille, aut ubi, Deus unicus, solitarius, destitutus? [Warum haben sie keine Altäre, kein Tempel, keine bekannten Heiligtümer? Woher kommt er, wer ist er, und wo ist er, dieser einzige, einsame, verlassene Gott?] Minucius Felix, 10, 2 und 3. Der heidnische Gesprächspartner beharrt auf der Unterscheidung zugunsten der Juden, die ehedem einen Tempel, Altäre, Opfer etc gekannt hatten. Die Weisen Griechenlands und Roms, welche ihren Geist zum Nachsinnen über Existenz und Eigenschaften des ersten Urgrundes erhoben hatten, waren vernünftiger- oder hochfahrenderweise geneigt, das Vorrecht an solcher philosophischen Weihe für sich und ihre Schüler alleine zu beanspruchen. Es ist schwierig (sagt Plato), die Erkenntnis des wahren Gottes zu erlangen und heikel, sie zu veröffentlichen. Siehe die ›Theologie des Philosophes‹ in der französischen Übertragung des Abbé d'Olivet von Ciceros de Natura Deorum, 1, p. 275. Es war ihnen ferne, die religiösen Vorurteile der Menschen für die Messlatte der Wahrheit zu halten, aber sie gestanden immerhin zu, dass diese Vorurteile ihren Ursprung in der menschlichen Natur hatten; und sie argwöhnten, jeder Volkskultus oder -glaube, der auf die Mitwirkung der Sinnesorgane verzichtete, müsse in dem Maße, wie er sich vom Aberglauben entferne, auch verlernen, den Abirrungen der Phantasie und den Wahnideen des Fanatismus entgegen zu wirken. Der oberflächliche Blick, den Männer von Geist und Bildung auf die christliche Offenbarung zu werfen sich nicht zu schade waren, diente lediglich dazu, ihre vorgefasste Meinung zu bestärken und sie davon zu überzeugen, dass der Glaubenssatz von dem einen Gott, den anzuerkennen sie allenfalls bereit gewesen sein mochten, durch den wilden Enthusiasmus der neuen Sekte entstellt und durch ihre haltlosen Spekulationen ad absurdum geführt werde. Der Verfasser eines berühmten Dialoges (man hat ihn Lukian zugeschrieben) spöttelt über das Geheimnis der Trinität, macht es verächtlich und verrät eigentlich nur, dass ihm die Grenzen menschlichen Denkens und die unerforschliche Natur der göttlicher Vollkommenheit fremd sind. Der Verfasser des ›Philopatris‹ (ein anonymes patriotisches Pamphlet aus dem X. Jahrhundert) sieht in den Christen fortwährend eine Vereinigung von verzückten Tagträumern, von [Ü.a.d.Griech.: Geistern, Himmelswesen, Himmelswanderern, Luftwandlern] und spielt an einer Stelle erkennbar auf die Vision an, in welcher Paulus in den dritten Himmel versetzt wurde. Andernorts schlägt Triphon, der einen Christen abgeben soll, nach der Verhöhnung der Heidengötter einen mysteriösen Eid vor: [Ü.a.d.Griech.: Beim hochthronenden Gotte, beim großen, ewigen Himmel, bei dem Sohne des Vaters, bei dem Geist, der vom Vater ausgeht, Einer aus Dreien und Dreie aus Einem!] Die diesseitige Antwort des Kritias lautet: [Ü.a.d.Griech.: Du lehrst mich rechnen und verlangst einen Eid nach der Rechenkunst. Aber ich weiß nicht, was du sagen willst: eins drei, drei eins!]
...VON PHILOSOPHEN MISSVERSTANDEN
Dass der Stifter des Christentums nicht nur von seinen Schülern als Weiser und als Prophet verehrt wurde, erregte weniger Erstaunen als die Tatsache, dass ihm sogar göttliche Ehren erwiesen werden sollten. Die Polytheisten waren ohne weiteres geneigt, jeden Glaubensartikel anzunehmen, wenn er nur Ähnlichkeit – und sei sie auch noch so entfernt und herbeigeholt – zu volkstümlichen Glaubensvorstellungen aufwies; und die Sagen von Bacchus, Herakles und Äskulap hatten sie in gewissem Umfang auf die Ankunft eines Gottessohnes in menschlicher Gestalt eingestimmt. Glaubt man Iustinus Martyr (Apologia maior 70-85), dann hat der Dämon, nachdem er sich einige oberflächliche Kenntnisse der Prophezeiungen angeeignet hatte, diese Ähnlichkeit erklügelt, um dadurch, wenn auch auf unterschiedliche Weise, Philosophen und Volk von der Annahme des Christenglaubens abzuhalten. Aber mit Erstaunen gewahrten sie, dass die Christen den Tempeln dieser Heroen den Rücken kehrten – immerhin hatten diese in der Kindheit der Welt die Künste erfunden, Gesetze erlassen und Tyrannen, Unholden und anderen Bedrückern der Erde zugesetzt – nur, um sich als bevorzugtes Objekt ihrer Verehrung einen dubiosen Lehrmeister zu erwählen, welcher vor ganz kurzer Zeit der Bosheit seiner eigenen Landsleute oder dem Misstrauen der römischen Verwaltung zum Opfer gefallen war. Die Heiden, deren Dankbarkeit ausschließlich für weltliche Wohltaten empfänglich war, wiesen die Geschenke des Jesus von Nazareth ›Leben und Unsterblichkeit‹ zurück, da deren Wert nicht abzuschätzen war. Seine Milde noch während seines grausamen und dazu noch freiwilligen Leidens, seine weltumspannende Güte und die hehre Schlichtheit seines Handelns und seines ganzen Wesens reichten nach Auffassung dieser materialistischen Menschen nicht hin, für fehlenden Ruhm, Erfolg oder irdische Macht aufzukommen; und da sie seinen einzigartigen Sieg über die Mächte der Finsternis und des Todes nicht anerkennen mochten, verkannten sie auch die unklare Herkunft, das Wanderleben und den schmachvollen Tod des göttliche Stifters des Christentums. Im 1. und 2. Buch des Origines behandelt Celsus Herkunft und Charakter unseres Heilandes mit gottlosem Spott. Der Redner Libavius lobt Porphyrius und Julian dafür, dass sie die Torheiten einer Sekte widerlegen, die einen Toten aus Palästina zum Gott und zum Sohn Gottes erklärt. Socrates, Historia ecclesiastica 3,23.
CHRISTEN DER VERSCHWÖRUNG VERDÄCHTIGT
Die individuelle Schuld, die jeder Christ auf sich geladen hatte, indem er seiner persönlichen Glaubensentscheidung den Vorzug vor der nationalen Religion gab, steigerte sich ins Ungemessene durch die Anzahl und den Zusammenhalt der Schuldigen. Es ist ja bekannt und es wurde auch bereits erwähnt, dass die römische Politik auf jedweden Zusammenschluss ihrer Untertanen mit Scheelsucht und Missvertrauen blickte; und dass man privaten Gesellschaften mit noch so unschuldiger oder wohltätiger Zielsetzung nur mit sehr knauseriger Hand Vorrechte gewährte. Kaiser Trajan etwa verweigerte einer Gesellschaft von 150 Feuerwehrleuten für den Einsatz in Nicomedia die Zulassung; er mochte nun mal keine Vereinigungen. Siehe Plinius, Epistulae 10, 33 und 34. Die religiösen Versammlungen der Christen, die sich von den staatlichen Gottesdiensten zurückgezogen hatten, schienen weit weniger unschuldsvoll: sie waren illegal von Anfang an und waren am Ende sogar gefährlich; auch hatten die Kaiser nicht das Gefühl, die Gesetze zu brechen, wenn sie zur Erhaltung von Ruhe und Ordnung deren heimliche und zuweilen sogar nächtliche Zusammenkünfte untersagten. Der Prokonsul Plinius hatte ein allgemeines Verbot gegen unerlaubte Zusammenkünfte erlassen. Die Christen stellten sie klugerweise eine Zeitlang ein; aber unmöglich konnten sie den öffentlichen Gottesdienst aufgeben.
Der fromme Ungehorsam der Christen ließ ihr Verhalten und vielleicht auch ihre Pläne in einem sehr viel bedenklicherem und fast schon sträflichem Licht erscheinen; und die römischen Herrscher, die sich mit einer bereitwilligen Unterwerfung vielleicht zufrieden gegeben hätten in der Meinung, durch Gehorsam geschehe ihrer Ehre Genüge, versuchten zu anderen Zeiten durch eine harte Hand diesen unabhängigen Geist zu dämpfen, der eine andere Autorität, höher als alle weltliche Gewalt, anzuerkennen sich erkühnte. Umfang und Dauer dieser Verschwörung im Geiste schien täglich mehr ihren Widerspruch herauszufordern. Wir haben ja bereits gesehen, wie der umtriebige und erfolgreiche Glaubenseifer die Christen allmählich in jeder Stadt und jeder Provinz der Reiches Fuß fassen ließ. Die neuen Konvertiten verleugneten, so schien es, ihr Land und ihre Familie, um sich mit unlösbaren Banden an eine merkwürdige Sekte zu fesseln, die überall, wo sie auftrat, sich vom Rest der Menschheit zu unterscheiden bemühte. Ihr trübseliger und ernster Ausdruck, ihre Abneigung gegen öffentliche Angelegenheiten und die kleinen Freuden des Lebens, ihre häufigen Ankündigungen bevorstehender Katastrophen, Da die Ankündigungen des Antichristen, nahender Weltbrände und dgl. jene Heiden verärgert hatten, welche sich anschließend nicht bekehren ließen, wurden sie nur noch mit Zurückhaltung und Vorsicht erwähnt; und die Monatisten wurden gerügt, weil sie mit jenen gefährlichen Geheimnissen hausieren gegangen waren. Mosheim, De rebus Christ. p. 413. dies alles erweckte in den Heiden das ferne Gefühl, es möchte von der neuen Sekte eine Gefahr ausgehen, die desto schlimmer war, je geheimer sie auftrat. ›Welche Glaubensprinzipien sie auch immer haben mögen,‹ sagt Plinius, ›ihre unbeugsame Hartnäckigkeit alleine verdient Strafe.‹ Neque enim dubitabam, quodcunque esset quod faterentur (schreibt Plinius) pervicaciam certe et inflexibilem obstinationem debere puniri. [Ich trug dann keine Bedenken, unabhängig von ihren Geständnissen, sie für ihre Halsstarrigkeit und unbeugsame Renitenz bestrafen zu müssen.] Plinius, Epistulae 10, 96.
VERHALTEN DER CHRISTEN VERUNGLIMPFT
Die Vorsicht, mit der die Jünger Christi ihre Religion ausübten, war zunächst von Furcht und Notwendigkeit diktiert; danach geschah es aus freien Stücken. Sie ahmten die feierliche Verschwiegenheit nach, welche die eleusinischen Mysterienkulte S. Mosheim, Ecclesiastical History, Band 1, p. 101, und Spanheim, Anmerkungen zu den ›Caesaren‹ des Iulian, p. 468ff. durchzog und schmeichelten sich, dass dadurch ihre heiligen Verrichtungen bei den Heiden achtbarer würden. Aber das Ergebnis enttäuschte ihre Erwartungen, wie es bei so delikaten politischen Entwürfen öfters zu gehen pflegt. Man schlussfolgerte vielmehr, dass sie nur verbargen, was öffentlich zu tun sie hätte erröten lassen. Dafür gab ihre missgeleitete Klugheit der üblen Nachrede manchen Anlass, Entsetzensfabeln zu ersinnen und der abergläubischen Naivität die Gelegenheit, sie zu glauben, dass nämlich die Christen von allen Menschen die verworfensten seien, da sie in ihrer finsteren Zurückgezogenheit jede Gräueltat ausübten, die sich eine perverse Phantasie nur ausdenken konnte, und dass sie die Gunst ihres unbekannten Gottes durch Drangabe aller moralischen Tugenden zu erlangen suchten. Es waren ihrer viele, welche die Blutrituale dieser fürchterlichen Sekte zu kennen oder zu erzählen vorgaben. So wurde versichert, ›dass neugeborene Kinder, über und über mit Mehl bedeckt, dem Messer eines neubekehrten Proselyten in einer Art Initiationsritual dargeboten wurde, welcher dann unwissend dem unschuldigen Opfer seiner Täuschung zahlreiche und eben auch tödliche Verletzungen beibrachte; dass ferner, sobald die Bluttat geschehen war, die Sektenmitglieder gierig das Blut des Opfers schlürften, seine Glieder zerrissen und sich, durch gemeinsames Schuldbewusstsein geeint, zu ewigem Schweigen verpflichteten.‹ Auch gab es zuverlässige Kunde, ›dass im Anschluss an diese unmenschlichen Opfer noch passende Lustbarkeiten stattfanden, bei denen Völlerei den Anstoß zu hemmungsloser Triebhaftigkeit lieferte. Zu einem verabredeten Zeitpunkt endlich wurden alle Lichter gelöscht, alle Scham abgelegt und jede Natur verleugnet; und das Dunkel der Nacht wurde, wie es der Zufall fügte, besudelt durch die inzestuöse Begegnung von Schwestern und Brüdern, Müttern und Söhnen.‹ S. Iustinus Martyr, Apologiae 1,26 und 2,12; Athenagoras, Legatio 27; Tertullian, Apologeticum 7-9; Minucius Felix, p. 9, 10, 30, 31. Letztgenannter Autor berichtet von der Anklage äußerst elegant und weitschweifig, Tertullians Erwiderung ist die kühnste und kraftvollste.
DIE MAGISTRATE UND DIE CHRISTEN
Doch selbst der leiseste Verdacht, den ein ehrlicher Gegner hätte hegen können, konnte aus seinem Gemüt durch die Lektüre der antiken Apologien leicht verbannt werden. Im sicheren Gefühl ihrer Unschuld ignorieren die Christen die Stimme der Gerüchte und appellieren an das Billigkeitsgefühl der Behörden. Sie machen sich anheischig, die schwersten Strafen zu erleiden, wenn auch nur ein einziger Beweis für die Verbrechen beigebracht würde, deren die Verleumdung sie zieh. Zugleich betonen sie mit ebensoviel Wahrheit wie Recht, dass der Anklage nicht nur jede Wahrscheinlichkeit abgehe, sondern dass sie auch jeden Beweis schuldig bleibe; sie fragen, ob denn irgendein Mensch ernstlich glauben könne, dass die reinen, ja heiligen Vorschriften des Evangeliums, welche ja immer wieder selbst vor den harmlosesten Vergnügungen warnten, zu solch abscheulichen Verbrechen aufrufen könnten; ob sich eine große Gruppierung wirklich dazu entschließen würde, sich derartig in den Augen ihrer Mitglieder zu diskreditieren; und ob so viele Personen beiderlei Geschlechtes, jeden Alters und Charakters sich tatsächlich gegen Todesgefahr und öffentliche Schande taub stellen und übereinkommen könnten, alle die Grundsätze zu verleugnen, die ihnen Natur und Erziehung eingegeben hätten. Bei der Verfolgung von Lyon haben einige heidnische Sklaven aus Angst vor Foltern ihre christlichen Herren beschuldigt. Die Kirche von Lyon hat in einem Schreiben an die Glaubensbrüder in Asien diese schrecklichen Übergriffe mit Empörung und Verachtung behandelt. Eusebios, Historia ecclesiastica 5,1.
Durch Nichts, so sollte es scheinen, konnte die Kraft solcher unwiderlegbaren Gründe geschwächt werden außer durch das unüberlegte Vorgehen der Apologeten selbst, welche dem gemeinen Besten der Religion den schwersten Schaden zufügten, weil sie ihren frommen Hass gegen die inneren Feinde der Kirche ausleben mussten. Sie ließen bisweilen durchblicken und behaupteten bisweilen frei heraus, dass eben die Blutopfer und Inzestorgien, die man den Rechtgläubigen so ganz zu Unrecht andichte, in Wirklichkeit von den Marcioniten, Carpocratianern und einigen anderen gnostischen Sekten verübt würden, welche jedoch, ungeachtet dass sie auf den Pfaden der Häresie wandeln mochten, Wert auf ihr Ansehen unter den Menschen legten und nach den Geboten des Christentums lebten. Siehe Iustinus Martyr, Apologia maior, 1,26ff; Irenaeus adversus Haereses 1,24; Clemens von Alexandria, Stromateis 3, p. 438; Eusebios, Historia 4,8. Es wäre ermüdend und widrig, jetzt davon zu berichten, was nachfolgende Autoren sich vorgestellt haben, was Epiphanios alles auf- und Tillemont alles abgeschrieben hat. Herr de Beausobre (Hist. du Manichéisme, Buch 9, c.8. und 9.) hat mit viel Kühnheit die unlautere Trickerei von Augustinus und Papst Leo I. bloßgelegt. Ähnliche Anklagen gegen die Kirche wurden im Gegenzug mit aller Schärfe von den Schismatikern erhoben, die ihr die Gemeinschaft aufgekündigt hatten; Als Tertullian zum Montanisten wurde, verleumdete er die Moralgebote der Kirche, die er vorher so beherzt verteidigt hatte. "Sed majoris est Agape, quia per hanc adolescentes tui cum sororibus dormiunt. Appendices scilicet gulae lascivia et luxuria." [Aber das abendliche Liebesmahl ist in höherem Ansehen, weil dort deine Jünglinge mit den Schwestern schlafen. Als Zugabe zum Fressen folgen Zügellosigkeit und Exzess]. De Ieiuniis, c. 17. Der 35. Kanon des Konzils von Illeberis geht gegen die Ärgernisse vor, welche die nächtlichen Andachten der Kirche sooft besudelt und dem christlichen Namen in den Augen der Ungläubigen so viele Schande gebracht hatten. und so hieß es dann von allen Seiten, dass die schlimmste Sittenlosigkeit vor allem bei jenen zu finden sei, welche sich für den christlichen Namen entschieden hätten. Einem mit Heiden besetztes Gericht, dem es an rechter Hingabe und an Zeit mangelte, die unsichtbare Linie zu erspüren, welche zwischen Rechtgläubigkeit und häretischer Verderbtheit gezogen ist, mochte leicht der Verdacht aufkeimen, ihre gegenseitigen Hassgefühle hätten ihre Wurzeln in einem gemeinsamen Schuldgefühl. Für die Ruhe oder wenigstens das Ansehen der ersten Christen war es daher ein wahrer Glücksumstand, dass die Obrigkeiten zuweilen mit mehr Geduld und Mäßigung vorgingen, als man sie umgekehrt bei religiösen Eiferern findet, und dass sie folglich als Ergebnis ihrer unparteiischen Untersuchungen melden konnten, dass sie die Sektierer, die die staatsüblichen Gottesdienste verweigerten, aufrichtig in ihrer Gesinnung und schuldlos in ihrem Verhalten befunden hätten; dass sie jedoch infolge ihres absurden und übersteigerten Aberglaubens die Härte des Gesetzes spüren sollten. Tertullian, Ap. 2 verbreitet sich mit viel Einsicht und etwas Pathos über Plinius' wohlwollendes und ehrenhaftes Zeugnis.
DIE KAISER UND DIE CHRISTEN
Die Geschichtsschreibung, die es unternimmt, die Ereignisse der Vergangenheit zum Nutzen der Zukunft aufzuzeichnen, würde diese ehrbare Bestimmung übel erfüllen, wenn sie für die Sache der Tyrannen einzutreten sich herbeiließe oder Gründe für religiöse Verfolgungen rechtfertigen wollte. Dennoch muss an dieser Stelle angemerkt werden, dass die Kaiser, deren Namen in der Urkirche den schlimmsten Klang hatten, bei weitem nicht soviel kriminelle Energie aufbrachten wie moderne Herrscher, welche mit Gewalt und staatlichem Terror das religiöse Bekenntnis irgendeines Teiles ihrer Untertanen bekriegt haben. Durch eigenes Nachdenken und vielleicht sogar aus ihrem Gefühle heraus hätten sich Karl V. oder Ludwig XIV. darüber klar werden können, dass es ein Recht auf Gewissensfreiheit gebe, Verpflichtungen des Glaubens und die Unschuld des Irrtums. Aber die Herrscher und Magistrate Roms waren durchaus unvertraut mit den Prinzipien, welche den Christen ihre unbeugsame Starrköpfigkeit eingab, wenn es um ihre Wahrheit ging, noch konnten sie, die Magistratsbeamten, in ihrem eigenen Inneren irgendeinen Beweggrund ausmachen, der sie allenfalls vermocht hätte, den heiligen Einrichtungen ihres Landes den bedingungslosen Gehorsam zu kündigen. Derselbe Umstand, der die Schuld der Verfolger gleichsam verkleinerte, muss auch die Strenge eben dieser Verfolgung gemildert haben. Da sie sich nämlich nicht dem zornigen Glaubenseifer der Bigotterie verpflichtet hatten, sondern der gemäßigten Politik ihres Gesetzgebers, muss die Exekution der Gesetze an jenen schlichten und belanglosen Bekennern Christi oftmals aus Geringschätzung gemildert oder aus Humanität auch ganz unterblieben sein. Aus ihrer allgemeinen Erscheinung und ihren Beweggründen können wir zwanglos folgern, I. dass eine lange Zeit verging, bevor sie in den neuen Sekten einen der Aufmerksamkeit der Behörden würdigen Gegenstand erblickten; II. dass sie bei der Verurteilung irgendeines Untertanen, der eines so einzigartigen Verbrechens angeklagt wurde, mit äußerster Vorsicht und Zurückhaltung zu Werke gingen; III. dass sie milde Strafen aussprachen; IV. dass die verfolgte Kirche viele Friedens- und Ruheperioden genoss. Ungeachtet der sorglosen Gleichgültigkeit, die die weitläufigsten wie die detailfreudigsten heidnischen Schriftsteller für das Anliegen des Christentums erübrigten, In den verschiedenen Kompilationen zur Historia Augusta (von der ein Teil unter Constantin erstellt wurde) befassen sich nicht sechs Zeilen mit den Christen; und in dem großen Geschichtswerk des Cassius Dio hat Xiphilinos' Sorgfalt ihren Namen nicht einmal gefunden. steht uns die Möglichkeit zu Gebote, jede der vier genannten Vermutungen durch zuverlässige Fakten zu untermauern.
CHRISTEN ALS JUDEN BEHANDELT
I. Infolge einer weisen Schicksalsfügung ist ein geheimnisvoller Vorhang über die Kindheit der Kirche gebreitet, durch welchen sie solange vor den Nachstellungen durch die heidnische Welt geschützt blieb, ja von ihr eigentlich gar nicht wahrgenommen wurde, bis ihr Glauben zur Reife gediehen und die Zahl der Anhänger hinreichend groß geworden war. Weil der mosaische Anteil des Ritus nur langsam und schrittweise abgeschafft wurde, fühlten die frühen Bekenner des Evangeliums sich auf sichere und unschuldige Weise geborgen. Da sie mehrheitlich aus Abrahams Geschlecht waren, trugen sie alle das Merkmal der Beschneidung, verrichteten ihre Andacht im Tempel zu Jerusalem bis zu dessen endgültigen Zerstörung und anerkannten Gesetz und Prophezeiungen als die echten Eingebungen der Gottheit. Die heidnischen Konvertiten ihrerseits, die durch eine geistliche Adoption zur Hoffnung Israels aufgenommen sahen, wurden unter dem Gewande und der scheinbaren Ähnlichkeit ebenfalls für Juden gehalten, Eine etwas dunkle Passage bei Sueton (Claudius 25) scheint zu belegen, auf welch befremdliche Weise Juden und Christen Roms miteinander verwechselt wurden. und da die Polytheisten sich weniger um Glaubensartikel als um den äußeren Vollzug des Ritus kümmerten, konnte die neue Sekte, welche ihre künftige Größe und Erwartung sorgfältig verhehlte oder doch nur ahnen ließ, sich sicher fühlen unter der allgemeinen Duldung, welches jenem alten und berühmten Volk des römischen Reiches gewährt wurde.
Über ein Kleines jedoch, und die Juden selbst, in Glaubensfragen eifriger und eifersüchtiger, mussten gewahren, wie ihre nazarenischen Glaubensbrüder sich von der Lehre der Synagoge abkehrten; und nur zu gerne hätten sie diese gefährliche Ketzerei im Blute ihrer Anhänger ertränkt. Aber die Ratschlüsse des Himmel hatte ihren Ränken bereits den Stachel gezogen; und wenn sie sich auch immer mal wieder in Aufständen übten, ihrem althergebrachten Vorrecht, so durften sie die Kriminalgerichtsbarkeit jedenfalls nicht mehr ausüben; und erst recht taten sie sich schwer, der erdenschweren Gemütsverfassung der römischen Magistrate etwas von der aufrichtigen Bitterkeit ihres eigenen Glaubenseifers einzuflößen. Die Provinzialgouverneure waren bereit, jede Anklage anzuhören, die die öffentliche Sicherheit betraf; sobald sie aber bemerkten, dass es um Worte und nicht um Taten ging, um die rechte Auslegung jüdischer Gesetze und Wahrsagungen, hielten sie es für unvereinbar mit der Würde Roms, irgendwelche finsteren Unstimmigkeiten ernsthaft zu diskutieren, welche zwischen barbarischen und abergläubischen Menschen sich aufgetan haben mochten. So lebten die ersten Christen arglos und ungefährdet, weil man sie nicht wahrnahm oder weil man sie nicht ernst nahm; und die Gerichtshöfe der Heiden erwiesen sich oftmals als zuverlässige Zufluchtsorte vor dem Zorn der Synagoge. Hierzu das 18. und 25. Kap der Apostelgeschichte, in welchen das Verhalten von Gallio, dem Prokurator von Achaia, und Festus, dem Procurator von Judaea geschildert wird. Wenn wir uns entschließen könnten, die Traditionen der allzu leichtgläubigen Antike aufzugreifen, dann könnten wir jetzt die weiten Reisen, die wunderbaren Erfolge und die verschiedenen Todesfälle der Zwölf Apostel berichten; aber eine genauere Untersuchung wird in uns Zweifel aufkeimen lassen, ob irgend einer dieser Menschen, die noch Zeuge der Wunder Christi waren, überhaupt die Möglichkeit hatte, jenseits der Grenzen Palästinas die Wahrheit ihres Bekenntnisses mit ihrem Blut zu besiegeln. Zur Zeit des Tertullian und Clemens von Alexandria genossen lediglich St. Peter, St. Paul und St. Jakob des Märtyrerruhmes. Allmählich verliehen die späteren Griechen auch den anderen Aposteln diese Ehre, die klugerweise als Schauplatz ihrer Mission und ihrer Leiden irgendein abgelegenes Land außerhalb des römischen Reiches ausgesucht hatten. Siehe Mosheim, p. 81; Tillemont, Memoires ecclésiastiques, Band 1, Teil 3. Nimmt man die naturgegebene Lebenserwartung eines Menschen, dann hätten die meisten von ihnen nämlich schon längst gestorben sein müssen, bevor der Zorn der Juden in jenen Krieg mündete, den erst die völlige Zerstörung Jerusalems beendete. Für sehr lange Zeit, vom Tode Christi bis zu jener berühmten Rebellion, können wir keinerlei Spuren römischer Intoleranz ausmachen, bis sie schließlich auftauchen bei jener plötzlichen, kurzen und grausamen Verfolgung, welche Nero gegen die Christen der Hauptstadt veranstaltete, fünfundfünfzig Jahre nach dem erstgenannten und nur zwei Jahre vor dem letztgenannten Großereignis. Der Charakter jenes philosophierenden Geschichtsschreibers, dem wir die Kenntnis dieser einmaligen Geschichte danken, würde allein hinreichend sein, sie unserer aufmerksamsten Betrachtung zu empfehlen.
DER BRAND ROMS UND DIE ERSTE CHRISTENVERFOLGUNG
Im zehnten Regierungsjahr Neros suchte die Hauptstadt des Reiches ein Feuer heim, welches alles übertraf, was sich seit Menschengedenken zugetragen hatte. Tacit. Annalen 15, 38-44; Sueton, Nero 38; Cassius Dio 62,16; Orosius 7, 79. Die Denkmäler griechischer Kunst und römischer Größe, die Trophäen der punischen und gallischen Kriege, fast alle ihre Tempel und die meisten Paläste wurden mit einem Schlage zerstört. Von den vierzehn römischen Regionen oder Stadtvierteln blieben lediglich vier unversehrt, drei waren dem Erdboden gleichgemacht, und die übrigen sieben, die das Feuer ebenfalls heimgesucht hatte, boten ein trauriges Bild der Zerstörung. Maßnahmen gegen die Folgen dieser Katastrophe hatte die Umsicht der Regierung wohl getroffen. Die kaiserlichen Gärten wurden für die notleidende Bevölkerung geöffnet, Behelfsgebäude zu ihrer Unterbringung errichtet, und Getreide und andere Lebensmittel wurden zu sehr gemäßigten Preisen abgegeben. Der Weizenpreis (vermutlich für den modius) wurde auf terni nummi herabgesetzt; was etwa fünfzehn Schilling für ein englisches Quarter entspricht. Bei der Neuanlage der Häuser und Straßen scheint die generöseste Politik Pate gestanden zu haben, und wie es in Zeiten des Wohlstandes zu gehen pflegt, bewirkte der Brand Roms, dass nach ein paar Jahren eine Stadt entstehen konnte, bedeutend schöner und großzügiger als die vorige. Aber alle Umsicht und Menschlichkeit, die Nero bei dieser Gelegenheit bewährte, konnten ihn nicht gegen Verdächtigungen der Bevölkerung schützen. Dieser Mörder seiner Frau und seiner Mutter schien zu allem fähig zu sein; außerdem traute man diesem Herrscher, der selbst auf der Schaubühne sich zu prostituieren keine Bedenken trug, alle erdenklichen Torheiten zu. Und so bezichtigte die Stimme des Gerüchtes den Herrscher der Brandstiftung an seiner eigenen Hauptstadt; und da die empörte Volksseele sich stets bereit findet, eine Geschichte umso bereitwilliger zu glauben, je unglaubwürdiger sie ist, wurde allen Ernstes berichtet und in gleicher Weise geglaubt, dass Nero an der von ihm verursachten Katastrophe sogar noch seine Freude gehabt hatte Wir dürfen anmerken, dass Tacitus dieses Gerücht nur mit dem angemessenen Misstrauen erzählt, während Sueton es geradezu gierig aufgreift und Cassius Dio es feierlich bekräftigt. und sich damit unterhalten habe, zur Lyra von der Zerstörung Troias zu singen. Um dem Gerücht, -die zu unterdrücken selbst die Machtfülle eines Tyrannen gemeinhin nicht ausreicht- eine andere Richtung zu geben, beschloss der Herrscher, an seiner Stelle ein paar andere Kriminelle zu präsentieren. ›In dieser Absicht (fährt Tacitus fort) strafte er mit den grässlichsten Martern jene Menschen, welche unter der volkstümlichen Bezeichnung Christen bekannt und wegen ihrer Verbrechen allgemein verhasst waren; ihr Name leitet sich von Christus ab, welcher unter der Regierung des Tiberius durch den Prokurator Pontius Pilatus Dieses Zeugnis allein reicht hin, um den Juden einen Anachronismus nachzuweisen, mit welchem sie die Geburt Jesu fast ein Jahrhundert früher ansetzen (Basnage, Histoire des Juifs, Buch 5, c. 14 und 15). Von Josephus (Antiquitates Iudaica 18,3) können wir erfahren, dass Pontius Pilatus in den letzten zehn Jahren des Tiberius (also von A.D.27-37) Prokurator war. Was nun das genaue Todesdatum von Christus betrifft, so legt sie eine frühe Tradition auf den 25. März A.D. 29, als die beiden Gemini Konsuln waren. Diesem Datum schließen sich auch Pagi, Kardinal Noris und Le Clerc an; es hat ebensoviel Wahrscheinlichkeit für sich wie die volkstümliche Auffassung, die es (ich weiß nicht aufgrund welcher Konjekturen) vier Jahre später ansetzt. hingerichtet worden ist.
Für den Augenblick wurde dieser schauderhafte Aberglaube unterdrückt; aber er brach erneut hervor, und nicht nur breitete er sich über Judäa aus, dem ersten Ort dieser boshaften Sekte, sondern auch in Rom, in dem ja alles Asyl und Wohnrecht findet, was an religiösen Gebräuchen furchtbar und abscheulich ist. Die Geständnisse der zuerst Verhafteten offenbarten eine große Zahl Gesinnungsgenossen, und sie alle wurden zwar nicht der Brandstiftung überführt, wohl aber eines allgemeinen Hasses auf alle Menschen. ›Odio humani generis convicti.‹ [Die des Hasses des Menschengeschlechts Überführten]. Diese Worte bezeichnen entweder den Hass der Menschheit auf die Christen, oder den Hass der Christen auf die Menschheit. Ich habe den letztgenannten Sinn bevorzugt, weil er besser zu Tacitus' Stil passt und zu einem verbreiteten Irrtum, welcher seinen unschuldigen Ursprung in einer Vorschrift aus dem Evangelium (Lukas 14,26) hat. Die Autorität des Lipsius stützt meine Interpretation, ferner die italienischen, französischen und englischen Tacitus-Übersetzer, von Mosheim (de rebus Christianorum p.102), le Clerc (Historia ecclesiastica p.427), Dr. Lardner (Testimonies, Band 1, p.345) und des Bischofs von Gloucester (Divine Legation, Band 3, p.38). Aber das Wort convicti passt nicht gut mit dem übrigen Satz zusammen, und deshalb hat James Gronovius der Lesart coniuncti den Vorzug gegeben, was durch die wertvolle Handschrift aus Florenz unterstützt wird. Sie starben unter Foltern, und die Foltern wurden ihnen noch durch Hohn und Spott verschärft. Einige wurden ans Kreuz geschlagen; andere in Tierfelle eingenäht und von Hunden zerfleischt; wieder andere mit brennbaren Materialien beschmiert, um in der Nacht als Fackeln zu dienen. Für dieses trübselige Schauspiel hatte Nero seine Gärten hergegeben und es mit einem Pferderennen bereichert, beehrte es wohl auch selbst mit seiner Anwesenheit und, angetan mit dem Gewand eines Wagenlenkers, mischte er sich unter das Volk. Die Schuld der Christen verlangte allerdings nach exemplarischer Bestrafung, aber der Zorn des Volkes verwandelte sich in Mitleid, denn man fand, dass diese Unglücklichen nicht dem Allgemeinwohl, sondern der Grausamkeit eines Einzelnen aufgeopfert wurden.‹ Tacitus, Annales 15,44.
Wer mit wissendem Blick die Wechselfälle der Menschheitsgeschichte überschaut, dem wird nicht entgehen, dass der Ort, in denen das Blut der ersten Christen floss, Neros Gärten und Circus – beide auf dem Gebiet des heutigen Vatikan-, zu noch größerer Berühmtheit gelangte durch den Triumph und den Missbrauch dieser verfolgten Religion. Ein Tempel, welcher den Ruhm des antiken Kapitols noch übertraf, wurde an genau dieser Stelle Nardini, Roma antica, p.487; Donati, Roma vetus et recens, 3, p. 449. auf Geheiß der Päpste errichtet, die ihren Anspruch auf Weltherrschaft von einem schlichten Fischer aus Galiläa herleiteten, die die Nachfolge auf dem Cäsarenthron ausübten, den barbarischen Eroberern Roms Gesetze gaben und ihre geistliche Herrschaft von der Ostseeküste bis an die Gestade des Pazifik ausweiten konnten.
TACITUS UND DIE CHRISTENVERFOLGUNG
Es wäre indessen untunlich, diesen Bericht von Neros Christenverfolgung zu beschließen, bevor wir nicht einige Anmerkungen gemacht haben, die uns helfen können, ein paar hiermit zusammenhängende Schwierigkeiten auszuräumen und zugleich einiges Licht auf die Kirchengeschichte der nachfolgenden Zeiten zu werfen.
1. Auch die größte Skepsis muss die Wahrheit dieser außergewöhnlichen Tatsache und die Zuverlässigkeit der berühmten Passage bei Tacitus zugeben. Für das Erstere bürgt der genaue und sorgfältige Sueton, welcher die Strafen erwähnt, welche Nero über die Christen verhängte, einer Sekte von Menschen, welche einen neuen und verbrecherischen Aberglauben ersonnen hatten. Sueton, Nero 16. Das Epitheton malefica, welches einige kluge Kommentatoren mit magisch übertragen haben, wird von dem besonnenen Mosheim als Synonym zu Tacitus' exitiabilis [unheilvoll, verderben bringend] angesehen. Das Zweite wird durch die Übereinstimmung der meisten alten Manuskripte erwiesen; durch den unnachahmlichen Stil des Tacitus; durch sein hohes Ansehen, welches seinen Text vor betrügerischen Einschüben schützte; und durch den eigentlichen Inhalt seiner Erzählung, welche die ersten Christen der abscheulichsten Verbrechen zeiht, ohne gleichzeitig anzudeuten, dass sie über irgendwelche Wunder- oder gar Zauberkräfte verfügten, den Rest der Menschheit zu beherrschen. Der Abschnitt über Jesus Christus, welcher in der Zeit zwischen Origines und Eusebius in den Text des Josephus (Antiquitates Iudaicae 18,3,3) eingefügt wurde, gibt ein Beispiel für eine minder plumpe Textfälschung. Die einzelnen Prophezeiungen Jesu, seine Tugenden, Wunder und die Auferstehung werden ausführlich geschildert. Iosephus selbst erklärt nur, dass er der Messias war und ist lediglich unentschieden, ob er ihn einen Menschen nennen soll. Bestehen noch irgendwelche Zweifel über diese berühmte Textpassage, so studiere der Leser die pointierten Einwände von le Fevre (in Havercamps Iosephus-Ausgabe, Band 2, p. 267-273), die gründlichen Antworten von Dabauz (L'eschelle de Jakob, p. 187-232) und in der Bibliothèque ancienne et moderne (Bd. 7, p. 237-88) die meisterlichen Entgegnungen eines anonymen Kritikers, der nach meiner Einschätzung der gelehrte Abbé Longuerue ist.
2. Da Tacitus einige Jahre vor dem Brand Roms geboren wurde, S. die Tacitus Biographien des Lipsius, und vom Abbé Bléterie im Artikel ›Tacite‹ des Dictionnaires von Bayle sowie Fabricius, Bibliotheca latina, Bd. 2, p.386. kann er nur gesprächsweise oder durch Lektüre von dem Ereignis erfahren haben, welches sich in seiner Jugend zutrug. Bevor er selbst an die Öffentlichkeit trat, ließ er in der Stille sein Genie zur Reife gedeihen und war bereits vierzig Jahre alt, als er aus reiner Hochachtung für die Tugenden des Agricola die früheste seiner historischen Schriften veröffentlichte, welche noch in spätester Zukunft die Menschen erfreuen und belehren werden. Nachdem er an Agricolas Leben und der Beschreibung Germaniens seine Kräfte erprobt hatte, stellte er sich einer härteren Herausforderung, und er bestand sie: die Beschreibung der Geschichte Roms in dreißig Büchern vom Tode Neros bis zum Aufstieg Nervas. Die Regierung Nervas war ein Zeitalter des Rechts und des Wohlstandes, dessen Darstellung Tacitus sich für das Alter aufsparte; Principatum Divi Nervae, et imperium Traiani, uberiorem securioremque materiam, senectuti seposui. [Den Prinzipat des göttlichen Nerva und Trajans Herrschaft, diesen reichhaltigen und weniger heiklen Gegenstand, habe ich für das Alter beiseite gelegt], Tacitus, Historien 1,1. bei näherer Betrachtung des Gegenstandes kam er möglicherweise zu dem Schluss, dass es angemessener oder lohnender sein müsse, die Verbrechen früherer Tyrannen aufzuzeichnen als die Tugenden eines regierenden Herrschers abzufeiern, woraufhin er beschloss, in der Form von Annalen die Taten der vier direkten Nachfolger des Augustus zu erzählen. Die Ereignisse von achtzig Jahren zu sammeln, zu ordnen und ihnen Glanz zu verleihen durch ein unsterbliches Werk, in welchem jeder Satz durch die tiefsinnigsten Beobachtungen und die lebendigste Darstellung geprägt ist, das war ein Vorsatz, den Tacitus seinem Genie den größten Teil seines Lebens widmete. In den letzten Regierungsjahren des Trajan, als dieser Herrscher Roms Macht erfolgreich über alle bekannten Grenzen ausdehnte, beschrieb Tacitus im zweiten und vierten Buch seiner Annalen die Tyrannis des Tiberius; Siehe Tacitus, Annales 2,61 und 4,4. Hadrian muss bereits Thronnachfolger gewesen sein, bevor Tacitus im chronologischen Verfolg seines Werkes den Brand der Hauptstadt und die Grausamkeiten Neros an den unglückseligen Christen beschrieben hatte. Im Abstand von sechzig Jahren zu diesem Ereignis musste der Annalist auf zeitgenössische Darstellungen zurückgreifen; aber es war für den Philosophen nur naheliegend, sich bei der Darstellung von Herkunft, Ausbreitung und Charakter der neuen Sekte nicht so sehr auf die Kenntnisse und Vorurteile von Neros Zeitalter zu stützen als vielmehr auf die von Hadrians Zeit.
3. Sehr oft überlässt Tacitus es der Neugierde oder dem Nachdenken seines Lesers, die vermittelnden Umstände und Vorstellungen zu ergänzen, die er seiner extrem konzisen Ausdrucksweise zum Opfer brachte. Wir können deshalb auch nur raten, warum Nero seinen Hass den Christen Roms widmete, deren Bedeutungslosigkeit sie vor seinem Zorn ebenso hätte schützen sollen wie ihre verborgene Lebensweise vor seiner Aufmerksamkeit. Die Juden, in Rom sehr zahlreich vertreten und im eigenen Lande unterdrückt, waren als Objekt für die Verdächtigungen des Kaisers und der Bevölkerung weitaus geeigneter; schien es doch nicht eben abwegig, dass eine besiegte Nation, welche bereits unter dem römischen Joch geseufzt hatte, nun ihrerseits auf die grässlichsten Mittel sinnen würde, ihre unauslöschlichen Rachegelüste zu befriedigen. Aber die Juden besaßen sehr einflussreiche Fürsprecher bei Hofe und sogar im Herzen des Tyrannen: seine Frau und Gebieterin, die schöne Poppaea, sowie einen Lieblingsschauspieler aus dem Geschlechte Abraham, welche beide schon für das widrige Volk Fürsprache eingelegt hatten. Der Name des Spielers war Aliturus. Zwei Jahre zuvor hatte Josephus (De vita sua 3) mit eben seiner Hilfe Pardon und Entlassung für einige jüdische Priester erwirkt, welche zu Rom in Ketten lagen. An ihrer Stelle mussten also andere geopfert werden, und leicht kam der Vorschlag auf, dass, wenn auch die echten Nachkommen Moses' unschuldig am Brande Roms waren, die Sekte der NAZARENER aus ihnen erstanden sei, neu und gefährlich, der fürchterlichsten Verbrechen fähig. Unter der Bezeichnung NAZARENER wurden zwei Menschengruppen miteinander verwechselt, die in ihren Sitten und Grundsätzen nicht verschiedener sein konnten; die Jünger, die den Glauben an Jesus von Nazareth Der gelehrte Dr. Lardner (Jewish and heathen testimonies, Band 2, p.102f) hat den Nachweis erbracht, dass der Name Galiläer eine sehr alte und möglicherweise die ursprüngliche Bezeichnung für die Christen war. angenommen hatten, und die Glaubenseiferer, welche der Fahne von Judas dem Gaulaniten folgten. Iosephus, Antiquitates Iudaicae 18,1 und 2; Tillemont, Ruine des Juifs, p.742) Unter der Regierung des Claudius wurden die Söhne des Judas gekreuzigt. Sein Enkel Eleazar verteidigte nach der Eroberung Jerusalems eine starke Festung mit seinen zu allem entschlossenen 960 Anhängern. Als die Sturmramme eine Bresche geschlagen hatte, töteten sie zunächst ihre Frauen, dann ihre Kinder und endlich sich selbst mit dem Schwert. Sie kamen bis auf den letzten Mann um. Die ersteren waren die Freunde der Menschheit, die letzteren ihre Feinde; und die einzige Ähnlichkeit war die unbeugsame Festigkeit, welche sie gegen Folter und Tod gleichgültig machte, wenn es um ihre Sache ging. Die Gefolgsleute des Judas, der seine Landsleute zur Rebellion aufrief, lagen alsbald unter den Trümmern Jerusalems begraben; die Jünger Jesu, besser bekannt als Christen, breiteten sich hingegen über das ganze römische Reich aus. Wie naheliegend war es daher für Tacitus, in der Zeit Hadrians den Christen die Schuld zuzuweisen, was er mit sehr viel mehr Grund mit einer Sekte getan haben sollte, deren übler Name zu seiner Zeit schon fast untergegangen war!
4. Welche Meinung man auch immer zu dieser Konjektur haben mag (denn mehr als eine Konjektur ist es nicht), es ist offenkundig, dass die Wirkung ebenso wie der Grund von Neros Verfolgung auf Rom begrenzt blieben; Siehe Dodwell, de Paucitate Martyrum, Buch 13. Die spanische Inschrift bei Gruter, Bd.1, p.238, Nr.9 ist ersichtlich und nachweislich eine Fälschung, fabriziert von dem notorischen Betrüger Cyriacus von Ancona zum Zwecke, den Stolz und die Vorurteile der Spanier zu kitzeln. S. Ferreras, Histoire d'Espagne, Bd. 1, p.192. dass die Glaubenssätze der Galiläer oder Christen niemals Gegenstand strafrechtlicher Maßnahmen gewesen sind; und dass schließlich, da ihr Leiden für lange Zeit mit Grausamkeit und Unrecht assoziiert war, die gemäßigte Gesinnung nachfolgender Herrscher den Anlass gaben, diese Sekte zu schonen, die unter einem Tyrannen gelitten hatten, dessen Wut sich nachgerade gewohnheitsmäßig gegen Tugend und Unschuld gerichtet hatte.
UNTERDRÜCKUNG VON JUDEN UND CHRISTEN DURCH DOMITIAN
Es ist bemerkenswert, dass die Kriegsfurien fast zur gleichen Zeit den Tempel zu Jerusalem und das Capitol in Rom zerstörten; Das Capitol brannte während des Bürgerkrieges zwischen Vitellius und Vespasian nieder, und zwar am 19. Dezember A.D. 69. Am 10. August A.D. 70 wurde der Tempel vermutlich von den Juden selbst verbrannt und nicht von den Römern. nicht weniger erstaunlich ist es, dass Steuern, welche Gottesfurcht für das erste Bauwerk bestimmt hatte, jetzt durch die Leichtfertigkeit eines gesetzlosen Siegers dazu zweckentfremdet wurden, den Glanz des letztgenannten wieder herzustellen. Das neue Capitol wurde durch Domitian geweiht. Sueton, Domitian 5; Plutarch, Publicola, Bd. 1, p. 230 ed. Bryant. Allein die Vergoldung kostete 12 000 Talente (mehr als zwei und eine halbe Millionen Pfund Sterling.) Martial (9,4) meint, wenn der Kaiser seine Schulden eingefordert hätte, dass selbst Jupiter, auch wenn er den Olymp versteigert hätte, noch nicht zwei Shilling pro Pfund hätte zahlen können. Der Herrscher legte dem Volke Israel eine Kopfsteuer auf; und obwohl die Summe für jeden einzelnen vernachlässigbar war, so wurden doch die Zweckbestimmung des Geldes und die Brutalität, mit der es eingezogen wurde, für eine unerträgliche Belastung gehalten. Wegen des Tributes siehe Cassius Dio 66,7 nebst Reimarus' Anmerkungen. Spanheim, de usu numismatum, Band 2, p.571 sowie Basnage, Histoire des Juifs, 7,2. Und da die Büttel des Fiskus ihre ungerechtfertigten Forderungen auch gegenüber solchen Personen erhoben, welche dem Volk und der Religion der Juden fern standen, konnte es nicht ausbleiben, dass auch die Christen, welche sich oftmals im Schatten der Synagoge verborgen gehalten hatten, zu Opfern dieses Raubzuges wurden. Ängstlich darauf bedacht, auch der entferntesten Ansteckung durch Abgötterei aus dem Wege zu gehen, verbot ihnen ihr Gewissen, der Ehre des Dämonen in Gestalt von Iupiter Capitolinus irgendetwas zuzuschießen. Eine beträchtliche, wiewohl abnehmende Gruppe innerhalb der Christen befolgte noch immer das mosaische Gesetz; ihre Bemühungen, ihre jüdische Herkunft zu verbergen, scheiterten indessen durch die leicht nachweisbare Beschneidung; Sueton (Domitian 12) hatte einen neunzigjährigen Mann gesehen, der öffentlich vor dem Tribunal des Prokurators untersucht wurde. Das ist, was Martial unter mentula tributis damnata [das zur Steuerzahlung verurteilte Glied] versteht. auch gebrach es den römischen Behörden an Lust und Muße, die Unterschiede ihrer jeweiligen Glaubenssätze auszuforschen. Unter den Christen, die vor das kaiserliche Tribunal gebracht wurden, oder, was wahrscheinlicher ist, vor das des Prokurators von Iudaea, sollen auch zwei Personen gewesen sein, ausgezeichnet durch ihre Herkunft, die wahrhaftig höher war als des höchsten irdischen Monarchen. Es waren dies die Enkel von St. Judas dem Apostel, welcher der Bruder von Jesus Christus war. Diese Bezeichnung wurde zunächst im wörtlichen Sinne verstanden, und man mutmaßte, dass die Brüder Jesu der gesetzliche Nachwuchs von Joseph und Maria waren. Der fromme Respekt vor der Jungfräulichkeit der Mutter Gottes ließ die Gnostiker und anschließend die orthodoxen Griechen auf die Ausflucht verfallen, Joseph eine zweiten Frau zuzuschreiben. Die lateinische Kirche (zur Zeit von Hieronymus) machte es noch besser, ersann das immerwährende Zölibat des Joseph und bewies durch ähnliche Beispiele die neuartige Auffassung, dass Judas, ebenso wie Simon und Jakob, die die Brüder von Jesus gewesen sein sollen, in Wirklichkeit nur seine Vettern ersten Grades waren. Siehe Tillemont, Mémoires ecclésiastiques, Band 1, Teil 3 und Beausobre, Histoire du Manichéisme, Buch 2, c.2. Ihr natürliches Anrecht auf den Thron Davids mochte vielleicht die Aufmerksamkeit des Volkes und den Argwohn des Provinzgouverneurs erregen; aber ihr armseliger Aufzug und die Schlichtheit ihrer Antworten überzeugten ihn schon bald davon, dass sie weder danach verlangten noch überhaupt imstande waren, den römischen Frieden aufzustören. Frei heraus bekannten sie ihre königliche Herkunft und ihre nahe Verwandtschaft zum Messias; aber sie wiesen alle weltlichen Gelüste von sich und bekannten, das sein Königreich, welches sie so sehnlich erwarteten, rein geistlicher und engelhafter Natur sei. Als man sie nach Vermögen und Gewerbe befragte, wiesen sie ihre durch tägliche Mühe gehärteten Hände und erklärten, dass sie ihren gesamten Lebensunterhalt von einem kleinen Bauernhof in der Nähe des Dorfes Cocaba bezögen, dessen Größe etwa vierundzwanzig englische acres Neununddreißig plethra Flächen zu je einhundert Quadratfuß, würden, genau gerechnet, kaum neun acres ausmachen. Aber die mutmaßlichen Umstände, die Praxis anderer griechischer Autoren und Herrn Valois' Autorität bestimmen mich zu der Annahme, dass plethra (= 950 qm, A.d.Ü.) hier für des römischen iugerum (=2.529 qm, A.d.Ü.) benutzt wurde. und dessen Wert neuntausend Drachmen (entsprechend dreihundert Pfund Sterling) betrug. Die Enkel von St. Judas wurden entlassen, bemitleidet und verachtet. Eusebios, Historia 3,20. Die Geschichte ist Hegesippos entnommen.
HINRICHTUNG VON CLEMENS DEM KONSUL
Wenn auch die Bedeutungslosigkeit des Hauses David es vor dem Argwohn eines Tyrannen schützte, so reichte die gegenwärtige Größe seiner eigenen Familie hin, die feige Eifersucht eines Domitian zu beunrihigen, und nichts konnte es beschwichtigen als das Blut der Römer, welche er entweder fürchtete, hasste oder hochschätzte. Sein Onkel Flavius Sabinus Zur Charakterisierung und Tod von Sabinus siehe Tacitus, Historiae 3,74f. Sabinus war der ältere Bruder Vespasians und galt bis zu dessen Regierungsantritt als der eigentliche Halt der Flavier-Familie. hatte zwei Söhne, und der Ältere war gar bald verräterischer Neigungen überführt, während der jüngere mit Namen Flavius Clemens deshalb in Sicherheit lebte, weil ihm Mut und Begabung abgingen. ›Flavium Clementem patruelem suum ›contemptissimae inertiae‹ ... ex tenuissima suspicione interemit.‹ [Seinen unsagbar trägen Vetter Flavius Clemens...ließ er auf den geringsten Verdacht hin ermorden]. Sueton, Domitian 15. Der Kaiser zeichnete für geraume Zeit dieses unschuldige Geschöpf durch seine Gunst und Protektion aus, gab ihm gar seine eigene Nichte Domitilla zur Frau, bestimmte die Kinder dieser Ehe zu seinen Nachfolgern und ehrte ihren Vater mit einem Konsulat. Kaum hatte er jedoch dieses Amt beendet, wurde er unter einem läppischen Vorwand verurteilt und hingerichtet; Domitilla wurde auf eine winzige Insel an der Küste Campaniens verbannt; Es war nach den Angaben von Cassius Dio die Insel Pandataria. Bruttius Präsens (bei Eusebios, Historia 3,18) verbannt sie nach Pontia, unfern der erstgenannten. Dieser Unterschied und ein Missverständnis entweder des Eusebius oder der Kopisten haben den Anlass zu zwei Domitillas gegeben, der Frau und der Nichte des Clemens. Siehe Tillemont, Mémoires ecclésiastiques, Band 2, p. 224. und Todesurteile und Konfiskationen wurden gegen zahlreiche Personen verhängt, die in derselben Sache angeklagt waren. Ihnen wurden Atheismus und jüdische Gebräuche Cassius Dio, 67,14. Falls der Bruttius Praesens, von dem er vermutlich diesen Bericht übernahm, auch der Briefpartner des Plinius war (Epstulae 7,3), dürfen wir ihn als zeitgenössischen Autoren ansehen. zur Last gelegt; eine einmalige Ideenverbindung, welche sich mit Fug auf niemanden als die Christen beziehen konnte, da der Senat und die Autoren aus jenen Zeiten sie nur oberflächlich und unvollständig kannten. Auf der Grundlage dieser Vermutung und wegen der Bereitschaft, das krankhafte Misstrauen eines Despoten als einen Beweis für das fromme Vergehen der beiden zu nehmen, hat die Kirche Clemens und Domitilla zu ihren ersten Blutzeugen gezählt und die Grausamkeit Domitians mit der zweiten Christenverfolgung gebrandmarkt. Diese zweite Verfolgung indessen (wenn sie denn diese Bezeichnung verdient) war nicht von Dauer. Einige Monate nach dem Tode des Clemens und der Verbannung der Domitilla tötete Stephan, ihr Freigelassener, der ihre Gunst, aber sicherlich nicht ihren Glauben erworben hatte, Sueton, Domitian 17; Philostratos, Vita Apoini 8. den Herrscher in seinem Palast. Der Senat verdammte das Andenken des Domitian; seine Erlasse wurden widerrufen; die Exilanten kehrten zurück; und unter Nervas milder Regierung erhielten nicht nur die Unschuldigen ihre Ämter und Vermögen zurück, sondern noch die Schuldigsten wurden begnadigt oder erhielten Strafnachlass. Cassius Dio, 68,1; Plinius Epistulae 4,22.
PLINIUS ÜBER DIE NATUR DER CHRISTEN
III. Etwa zehn Jahre später, unter Trajans Regierung, wurde Plinius dem Jüngeren von seinem Freund und Meister die Verwaltung von Bithynien und Pontus anvertraut. Schon bald fand er sich in einiger Verlegenheit, nach welchen Gesetzesvorschriften er bestimmte Prozesse führen sollte, die seiner Menschenfreundlichkeit zutiefst widerstrebten. Plinius hatte niemals einem Prozess gegen die Christen beigewohnt, die er offenbar nur dem Namen nach kannte; und in völliger Unkenntnis befand er hinsichtlich ihrer Schuld, der Prozessführung und des Strafmaßes. So verfiel er in seiner Ratlosigkeit auf das übliche Mittel, indem er der Weisheit des Trajan einen objektiven und in mancherlei Hinsicht sogar günstigen Bericht über diesen neuen Aberglauben vorlegte und den Herrscher ersuchte, gnädig seine -Schreibers- Zweifel zu zerstreuen und seine Unwissenheit anzuleiten. Plinius, Epistulae 10,97. Der gelehrte Mosheim äußert sich (de rebus Christianorum p.147 und 232) zu Plinius' maßvollem und aufrichtigem Charakter sehr beifällig. Dr. Lardners Argwohn unerachtet (siehe Testimonies Band 2, p.46) gelingt es mir nicht, in seiner Sprache und Aufführung irgendeine Bigotterie aufzuspüren. Plinius' Leben war Lernen und Handeln gewesen. Seit seinem neunzehnten Lebensjahr hatte er an den römischen Gerichtshöfen mit Auszeichnung gewirkt, Plinius, Epistulae 5,8. Seinen ersten Prozess führte Plinius A.D. 81. Es war dies das Jahr nach dem berühmten Vesuvausbruch, bei welchem sein Onkel ums Leben kam. hatte einen Sitz im Senat inne, war mit konsularischen Ehren investiert und besaß die vielfältigsten Kontakte zu Menschen jedweden Standes aus Italien oder den Provinzen. Wenn also selbst er unkundig war, können wir hieraus manche nützliche Information gewinnen. So können wir sicher sein, dass es zu der Zeit, als er die Verwaltung von Bithynien übernahm, keinerlei allgemeingültigen Gesetze oder Senatserlasse gegen die Christen ergangen waren; dass weder Trajan noch einer seiner berühmten Vorgänger, deren Erlasse Eingang in die Kriminal- und Zivilgerichtsbarkeit gefunden hatten, ihre Absichten hinsichtlich der neuen Sekte öffentlich kundgetan hatten; und dass, was immer man auch gegen die Christen bis dahin unternommen haben mochte, keine so maßgebend gewesen sein kann, um den römischen Magistraten als Präzedenzfall zu dienen.
TRAJAN VERANLASST LEGALES VORGEHEN
Die Antwort Trajans, auf die sich in späteren Zeiten die Christen immer wieder beriefen, offenbart das Ausmaß an Gerechtigkeitssinn und Menschlichkeit, wie es mit seinen verfehlten Vorstellungen von Religionspolitik überhaupt vereinbar war. Plinius, Epistulae 10,98. Tertullian (Apologeticum 5) erblickt in dieser Verfügung eine Milderung alter Strafbestimmungen, ›quas Traianus ex parte frustratus est‹ [die Traian zum Teil umgangen hat]; dennoch weist Tertullian an anderer Stelle auf die Inkonsequenz hin, Ermittlungen zu untersagen und Strafen zu verhängen. Anstelle dass er sich jetzt als unbeugsam-eifriger Inquisitor gebärdet hätte, begierig, noch die leisesten Spuren von Häresie zu entdecken und zu frohlocken ob der Zahl seiner Opfer, war der Herrscher vielmehr ausdrücklich darum besorgt, die Sicherheit der Unschuldigen zu garantieren als zu verhindern, dass ein Schuldiger etwa entkommen möchte.
Er gesteht durchaus die Schwierigkeiten, ein allgemeingültiges Vorgehen festzulegen; aber er spricht zwei heilsame Direktiven aus, die für die bedrängten Christen oftmals Erleichterung und Hilfe bedeuteten. Er gibt den Magistraten die Weisung, nur solche Personen zu bestrafen, welche von Rechts wegen verurteilt worden sind, und verbietet ihnen – inkonsequent, aber menschlich-, Untersuchungen gegen die angeblichen Kriminellen anzustrengen. Auch war es den Magistraten nicht gestattet, irgendwelchen Gerüchten nachzugehen. Auf anonyme Denunziationen zu reagieren weigert sich der Herrscher, da dies seinen Gerechtigkeitssinn zu sehr beleidigen würde; und wird ein Urteil ausgesprochen gegen die, die der Ausübung des Christentums beschuldigt wurden, ist unbedingt das Zeugnis eines honorigen öffentlichen Anklägers erforderlich. Es ist ebenso wahrscheinlich, dass Menschen, die sich dieser widerlichen Aufgabe unterfingen, verpflichtet waren, den Grund für ihren Verdacht zu nennen, genaue Angaben darüber zu machen, wann und wo ihre christlichen Feinde ihre heimlichen Treffen abgehalten hatten und zahlreiche weitere Umstände zu enthüllen, welche vor der irdischen Neugierde behutsam verborgen gehalten wurden. Hatten sie mit ihrer Anzeige Erfolg, so sahen sie sich plötzlich den Rachegelüsten einer großen handlungsbereiten Gruppe, den Vorwürfen des freisinnigen Teils der Menschheit sowie der Verachtung ausgesetzt, welche noch alle Zeiten und alle Länder für Denunzianten erübrigt hatten. Blieben sie indessen den Nachweis schuldig, dann hatten sie schwere und gegebenenfalles sogar die Todesstrafe zu gewärtigen, welche entsprechend einem unter Kaiser Hadrian verabschiedetem Gesetz allen denen drohte, welche ihre Landsleute zu Unrecht des Verbrechens des Christentums beschuldigten. Bisweilen geschieht es, dass persönliche oder religiöse Hassgefühle stärker sind als die natürliche Angst vor Strafe und gesellschaftlicher Ächtung; und dennoch ist es wenig wahrscheinlich, dass so unergiebige Anklagen von den heidnischen Untertanen des römischen Reiches besonders leichtfertig oder häufig erhoben worden sind. Eusebius (Historia 4,9) hat dieses Edikt des Hadrian überliefert. Er hat uns außerdem eines unter dem Namen des Antoninus bewahrt(13), welches noch günstiger war, dessen Echtheit indessen nicht allgemein anerkannt wird. Die zweite Apologie des Iustinus Martyr enthält einige bemerkenswerte Stellen, die sich auf die Anklagen gegen das Christentum beziehen.
DIE CHRISTEN UND DIE ZIRKUSSPIELE
Die Mittel, auf die man verfiel, nur um die dem Gesetz innewohnende Weisheit zu umgehen, beweisen hinlänglich, wie wirkungsvoll es mutwillige Anschläge privater Bosheit oder abergläubischen Eiferns zu vereiteln verstand. In großen und lärmenden Versammlungen büßt der sonst so starke Einfluss von Furcht und Scham von seiner Wirkmächtigkeit, die er auf das Gemüt des Vereinzelten ansonsten ausübt. Der fromme Christ, ob er nun den Ruhm eines Märtyrertodes herbeisehnte oder fürchtete, wartete mit Ungeduld oder Bangen auf den festgesetzten Termin der öffentlichen Spiele und Feste. Bei solcher Gelegenheit waren die Einwohner der Großstädte im Zirkus oder Theater versammelt, und hier nun trugen alle äußeren Umstände dazu bei, ihren Glaubenseifer zu entflammen und zugleich ihre Menschlichkeit auszulöschen. Während die zahlreichen Zuschauer, mit Blumen bekränzt, mit Weihrauchduft parfümiert, mit dem Blute der Opfertiere gereinigt und von den Statuen ihrer Titulargottheiten umringt, sich den Genüssen öffneten, die für sie den wichtigsten Bestandteil ihres Kultus darstellte, erinnerten sie sich gleichzeitig, dass die Christen als die Einzigen unter den Sterblichen diese Gottheiten flohen und durch ihr Fernbleiben vom Festgeschehen und ihre Trübseligkeit die öffentliche Glücksstimmung zu veralbern oder gar zu verfinstern drohten.
Hatte nun irgendein Unglücksfall das Reich ereilt, eine Seuche etwa, Misswuchs oder ein fehlgeschlagener Feldzug; war der Tiber über seine Ufer getreten oder der Nil nicht; hatte die Erde gebebt oder war die naturgegebene Ordnung der Jahreszeiten verwirrt worden, so fand sich der Aberglauben der Heiden rasch überzeugt, dass die Verbrechen und Gottlosigkeit der Christen, die die unbegreifliche Nachsicht der Obrigkeit bis dahin geschont hatte, nun endlich die Gerechtigkeit des Himmels aufgerufen habe. Die Beobachtung einer rechtsstaatlichen Vorgehensweise gehört nicht zu den Charakteristika zügelloser und aufgebrachter Menschenmassen; in einem Amphitheater, in dem das Blut von wilden Tieren und Gladiatoren floss, findet die Stimme des Mitleides nur schwerlich Gehör. Das wüste Geschrei der Menge erklärte die Christen zu Feinden der Menschen und Götter, verurteilte sie zu den schwersten Foltern, wagte sogar, einige prominente Vertreter der neuen Sekte mit Namen zu benennen, um mit maßloser Wut darauf zu bestehen, dass sie ergriffen und den Löwen vorgeworfen würden. Siehe Tertullian, Apologeticum 40. Die Prozessakten des Polykarp entwerfen ein lebhaftes Bild von diesem Tumulten, welche von der Bosheit der Juden gewöhnlich noch angeheizt wurden. Die Provinzgouverneure, die bei öffentlichen Schauspielen präsidierten, zeigten sich für gewöhnlich geneigt, diesen Neigungen zu willfahren und einige unglückselige Schuldige zu opfern, um den Volkszorn zu beschwichtigen. Die Weisheit der Kaiser indessen schützte die Kirche vor der Gefahr solcher Ausbrüche und gesetzlosen Attacken, da sich dies zu der Rechtsstaatlichkeit ihres Regierens denn doch nicht schickte. Die Erlasse eines Hadrian und Antoninus Pius bestimmten sogar ausdrücklich, dass Geräusch und Lärmen, welches das Volk veranstaltete, niemals als gerichtsverwertbarer Beweis gelten könne, um einen dieser Unglücklichen zu überführen oder zu bestrafen, welche sich der Schwärmerei der Christen angeschlossen hätten. Die Bestimmungen finden sich in den oben erwähnten Erlassen von Hadrian und Antoninus Pius. Siehe die Apologie des Melito (bei Eusebios, Historia 4,26).
FOLTER FÜR CHRISTLICHE WEIGERUNG
III Strafe war nun keineswegs die unausweichliche Konsequenz einer Verurteilung, und die Christen, deren Schuld durch Zeugenaussagen oder sogar durch freiwillige Selbstbezichtigung deutlich erwiesen war, hatten die Alternative über Leben und Tod durchaus selbst in der Hand. Es waren gar nicht einmal ihre zurückliegenden Verfehlungen als vielmehr ihre aktuelle Verstocktheit, welche die Magistrate so empörten. Sie hielten sich überzeugt, den Christen auf wohlfeile Art Pardon gewährt zu haben; fanden sie sich bereit, ein paar Krümel Weihrauch auf den Altar werfen, so mochten sie gehen, unbehelligt und belobt. Man hielt es für die Pflicht eines human gesinnten Richters, diese irregeleiteten Enthusiasten auf den rechten Weg zurückzuleiten und nicht sie zu bestrafen. Unter Anpassung seines Tonfalles an das Alter, das Geschlecht oder die Stellung der Gefangenen waren sie oft genug bereit, ihnen alle Umstände vor Augen zu führen, welche das Leben lebenswert und den Tod entsetzlich machten; und sie zu ersuchen, nein, sie anzuflehen, ein wenig Mitleid mit sich selbst, ihrer Familie und ihren Freunden zu haben. Siehe Traians Antwortschreiben und Plinius' Verhalten. Solcherlei Ermahnungen finden sich in den echtesten Märtyrerakten zuhauf. Erst wenn alle diese Bemühungen ergebnislos blieben, griffen sie zur Gewalt. So wurden die Geißel und die Folter aufgerufen, dem Mangel an Überzeugungskraft abzuhelfen, und jede Form der Rohheit war erlaubt, um solche unbeugsame und, wie es den Heiden scheinen musste, strafwürdige Halsstarrigkeit zu brechen. Die christlichen Apologeten der Antike haben mit ebensoviel Recht wie Strenge die ungesetzliche Vorgehensweise der Strafverfolger getadelt, welche im Widerspruch zu jedem rechtlichen Procedere die Folter anwandten, nicht etwa um ein Geständnis, sondern ein Ableugnen der Straftaten zu erzwingen, welche Gegenstand des Verfahrens waren, Siehe besonders Tertullian (Apologeticum 2 und 3) und Lactantius (Divinae institutiones 9,5). Ihre Argumentation ist fast identisch, aber wir können feststellen, dass der eine ein Jurist und der andere ein Rhetor gewesen ist.
Die Mönche späterer Jahrhunderte beschäftigten sich in ihrer friedlichen Einsamkeit damit, in Tod und Leiden der ersten Märtyrer Abwechslung zu bringen und erfanden hierzu Foltern von weitaus raffinierterer und ausgeklügelterer Natur. Insbesondere gefielen sie sich in der Annahme, der Eifer der römischen Magistrate, die sich inzwischen aller moralischen oder Anstandsrücksichten begeben hätten, sei dazu übergegangen, die, die sie nicht besiegen könnten, wenigstens zu verführen, und dass auf ihr Geheiß denen, die selbst zu verführen ihnen unmöglich war, die brutalste Niedertracht angedroht wurde. Es wird erzählt, dass fromme Frauen, die sogar den Tod gering achteten, bisweilen einer noch härteren Probe unterworfen wurden und sich entscheiden mussten, ob ihnen ihre Religion oder ihre Keuschheit mehr bedeute. Die Jugendlichen, deren Triebstau sie anschließend überlassen wurden, empfingen von den Richtern die nachdrückliche Aufmahnung, alle ihre Kräfte anzustrengen, um die Ehre der Venus gegen jene gottlosen Jungfrauen zu behaupten, welche sich weigerten, an ihrem Altar Räucherwerk zu verbrennen. Für gewöhnlich jedoch strengsten sie sich vergeblich an; denn oft rettete eine rechtzeitige Dazwischenkunft irgendeiner Wunderkraft die keuschen Bräute Christi vor der Schmach einer unfreiwilligen Niederlage. Wir dürfen jedoch nicht den Hinweis unterdrücken, dass die älteren und zugleich zuverlässigeren Nachrichten über die Kirche nur sehr selten mit derlei müßigen Frivolitäten durchwoben sind. Zwei Fälle dieser Folter findet man in den Acta Sincera Martyrum (ed. Ruinart, p. 160 und 399. In seiner Legende von Paul dem Einsiedler erzählt Hieronymus die merkwürdige Geschichte von einem jungen Mann, welcher nackt auf einem Blumenbett gebunden lag und dann von einer ebenso aufreizenden wie brünstigen Prostituierten belagert wurde. Er dämpfte das emporwachsende Verlangen, indem er sich die Zunge abbiss.
RÖMISCHER MAGISTRAT GLEICHGÜLTIG
Die vollständige Missachtung von Wahrheit und Wahrscheinlichkeit bei der Darstellung dieser frühen Martyrien war die Folge einer naheliegenden Verwechslung. Die Kirchengeschichtsschreiber des IV und V Jahrhunderts unterstellten den Magistraten in Rom denselben unversöhnlichen und fanatischen Glaubenseifer, den ihre eigene Zeit gegen die Häretiker und Götzendiener aufbot. Es spricht vieles dafür, dass manche Personen, die innerhalb des Reiches Karriere gemacht hatten, sich die populären Vorurteile angeeignet hatten und dass wiederum bei anderen Habgier oder persönlicher Groll Die Bekehrung seiner Ehefrau brachte den Statthalter von Kappadokien, Claudius Herminianus, derart auf, dass er gegen die Christen mit ausgesuchter Grausamkeit wütete. Tertullian, Ad Scapulam 3. der Anlass zur Grausamkeit waren. Aber ebenso steht fest, und hier können wir uns auf das dankbare Bekenntnis der frühen Christen berufen, dass jene Beamten, welche in den Provinzen von Amts wegen den Kaiser oder den Senat vertraten und in deren Hände allein die Entscheidung über Leben und Tod gelegt war, sich zum größten Teil wie Männer von Bildung und liberaler Erziehung verhielten und mit den Prinzipien der Philosophie durchaus vertraut waren. Oft unterließen sie das verhasste Amt der Strafverfolgung ganz, schlugen die Anklage verächtlich nieder oder gaben den angeklagten Christen legale Hinweise, wie sie der Strenge des Gesetzes entgehen könnten. Tertullian erwähnt in seinem Brief an den Statthalter von Afrika einige außergewöhnliche Beispiele von Milde und Nachsicht, die in seiner Bekanntschaft vorgekommen waren. Wenn sie die Entscheidungsgewalt innehatten, ›Neque enim in universum aliquid quod quasi certam formam habeat, constitui potest‹: [Denn es ist ganz allgemein unmöglich, etwas festzulegen, das als normgebend gelten könnte]. Dieser Ausspruch Traians (Plinius, Epistulae 10,97.) räumte den Provinzstatthaltern weiten Spielraum ein. dann nutzten sie sie sehr viel seltener zur Unterdrückung der Kirche als vielmehr dazu, ihr in ihrer Bedrängnis beizustehen und zu helfen. Sie waren weit davon entfernt, alle Christen zu verurteilen, die vor ihrem Tribunal angeklagt wurden, und noch ferner lag es ihnen, alle diejenige zum Tode zu verurteilen, welche der hartnäckigen Gefolgschaft an den neuen Aberglauben überführt waren. Meist gaben sie sich damit zufrieden, mildere Strafen wie Gefängnis, Exil oder Zwangsarbeit in den Minen ›In metalla damnamur, in insulas relegamur.‹ [Zu Bergwerksarbeit sind wir verurteilt, auf Inseln verbannt.] Tertullian, Apologeticum 12. In den Bergwerken von Numidien fronten neun Bischöfe und eine entsprechende Anzahl Kirchenvolk; an sie richtete Cyprian eine fromme Erbauungs- und Trostepistel. Cyprian, Epistulae 76f. zu verhängen und machten darüber hinaus den unglücklichen Opfern dieser Justiz noch Hoffnung, dass ein glückhaftes Ereignis, eine Thronbesteigung etwa, eine Hochzeit oder ein Triumph des Herrschers sie im Rahmen einer allgemeinen Amnestie rasch in ihren früheren Stand zurückbringen könnte.
ZAHL DER MÄRTYRER
Die Märtyrer, an denen die römischen Beamte das Todesurteil sofort vollstrecken ließen, scheinen aus den gegensätzlichsten Ständen ausgesucht worden zu sein. Es waren Bischöfe oder Presbyter, besaßen unter den Christen also ausgesuchten Rang und Einfluss, und ihr Schicksal mochte in der Sekte besonderes Entsetzen hervorrufen; Wenn wir auch den Briefen oder Akten des Ignatius nicht bis ins Letzte trauen können (man findet sie im zweiten Band der Apostolischen Väter), so können wir doch diesen Bischof von Antiochia als einen dieser exemplarischen Märtyrer anführen. Er wurde in Ketten nach Rom verbracht, als öffentliches Schauspiel; und als er in Troas ankam, erhielt er die erfreuliche Nachricht, dass die Verfolgungen zu Antiochia bereits eingestellt waren. oder es waren andererseits die Niedrigsten und Verworfensten unter ihnen oder befanden sich im Zustand der Sklaverei: dann maßen die Alten ihrem Leben wenig Wert bei und schauten mit zuviel Gleichmut auf ihre Leiden. Unter den Märtyrern von Lyon (Eusebios, Historia 5,1) wurde die Sklavin Blandina ganz besonderer Foltern für würdig befunden. Von den fünf Märtyrern, die in den Akten der Felicitas und Perpetua so rühmlich erwähnt werden, waren zwei Sklaven und zwei von sehr geringem Stande. Der gelehrte Origines, welcher aus eigener Anschauung und durch eifrige Lektüre mit der Geschichte der Christen innig vertraut war, erklärt mit Bestimmtheit, dass die Zahl der Märtyrer ganz unbeträchtlich gewesen sei. Origines, Contra Celsum 3,8, S. 929. Seine Worte verdienen eine Wiedergabe: [Ü.a.d.Griech: Wenige sind gestorben zu ihrer Zeit, und sehr viele wegen der Gottesverehrung der Christen]. Seine Autorität allein würde hinreichen, jene gewaltige Armee von Märtyrern zum Verschwinden zu bringen, deren Reliquien man zum größten Teil aus den Katakomben Roms fortgeschafft hatte, die dann so viele Kirchen erfüllten Wenn wir uns vergegenwärtigen, das nicht alle Plebejer Roms Christen waren und nicht alle Christen Heilige und Märtyrer, dann können wir auch abschätzen, mit welchem Grade an Gewissheit man den Gebeinen und Urnen religiöse Ehren erweisen darf, die man doch unterschiedslos von den öffentlichen Begräbnisstätten fortgeholt hatte. Nach zehn Jahrhunderten schwunghaften und ungehinderten Handels scheint unter den gebildeteren Katholiken so etwas wie Argwohn aufgekeimt zu sein. Es werden nunmehr als Beweis für Heiligkeit und das Märtyrertum die Buchstaben B.M. [Bischof und Märtyrer, A.d.Ü.] verlangt, ein Fläschchen mit roter Flüssigkeit, die vermutlich Blut darstellen soll, oder das Bild einer Palme. Indessen sind die ersten beiden Zeichen von sehr geringem Gewicht, und hinsichtlich des letztgenannten haben Kritiker angemerkt, dass 1. das so genannte Bild einer Palme möglicherweise eine Zypresse darstellt, vielleicht auch nur ein Punkt oder ein verschnörkeltes Komma, wie es bei Monumentalinschriften üblich ist; dass 2. die Palme unter den Heiden das Siegessymbol war und schließlich 3. sie unter den Christen nicht als Zeichen des Märtyrertums, sondern üblicherweise der frohen Auferstehung diente. Siehe den Brief von Pater Mabillon über die Verehrung unbekannter Heiliger und Muratori, Delle antichità Italiane, Diss. 58. und deren wunderbare Erwerbsgeschichte zum Gegenstand vieler Bände mit Heiligenlegenden geworden ist. Als ein Beispiel dieser Legenden mögen uns die 10.000 christlichen Soldaten dienen, die an einem einzigen Tage am Berge Ararat durch Trajan oder Hadrian gekreuzigt wurden. Siehe Baronius ad Martyrologium Romanum; Tillemont, Mémoires Ecclésiastiques Band 2, Teil 2, p. 438; und Geddes's Miscellanies, Band 2, p. 203. Die Abkürzung MIL, die entweder ›Soldaten‹ oder ›Tausende‹ bedeutet, hat angeblich zu einigen schwerwiegenden Irrtümern geführt. Aber die allgemeine Feststellung des Origines kann noch durch das besondere Zeugnis seines Freundes Dionysius erläutert und bekräftigt werden, welcher abschätzt, dass in der unmessbar großen Stadt Alexandria und unter der besonders brutalen Verfolgung des Decius zehn Männer und sieben Frauen wegen ihres Bekenntnisses zur christlichen Religion leiden mussten. Dionysios bei Eusebios, Historia 6,41. Einer der siebzehn war auch wegen Raubes angeklagt.
CYPRIAN, BISCHOF VON KARTHAGO...
Während dieser Zeit der ersten Verfolgung beherrschte der eifernde, beredte und ehrgeizige Cyprian die Kirche nicht nur Karthagos, sondern ganz Afrikas. Er verfügte über alle Eigenschaften, welche die Verehrung der Gläubigen und den Argwohn der heidnischen Magistrate auf ihn lenken mussten. Sein Charakter und seine Stellung lieferten die Gewähr dafür, dass dieser heilige Prälat ein tadelloses Objekt für Neid und Gewalt abgab. Cyprians Briefe bieten ein ganz eigenes, genuines Bild des Menschen und seiner Zeit. Siehe hierzu auch die beiden gleich gründlichen, aber unterschiedlich ausgerichteten Cyprian-Biographien von Le Clerc (Bibliothèque universelle, Band 12, p. 208-378) und von Tillemont (Mémoires ecclésiastiques, Band 4, Teil 1, p.76-459). Die Kenntnis von Cyprians Biographie jedoch erweist, dass unsere Phantasie die Fährnisse im Leben eines christlichen Bischofs gern überschätzt; und dass die Gefahren, denen er tatsächlich ausgesetzt war, sogar weniger unvermeidlich waren als diejenigen, denen weltlicher Ehrgeiz in seinem Streben nach Ruhm und Reichtum zu begegnen stets vorbereitet sein sollte. Vier römische Kaiser nebst ihren Familien, ihren Günstlingen und ihrem Anhang sind im Laufe jener zehn Jahre durch das Schwert verdorben, in denen der Bischof von Karthago mit Ansehen und Geschick dem Rat der Kirchen Afrikas vorstande. Lediglich im dritten Jahr seiner Administration hatte er ein paar Monate lang Ursache, sich vor Decius' strengem Erlasse, der Wachsamkeit der Behörden und dem Lärm des Volkes hüten, welche alle danach dürsteten, den Christenführer Cyprian den Löwen vorzuwerfen.
BEDROHUNG UND FLUCHT CYPRIANS...
Hier nun legte Klugheit einen vorübergehenden Rücktritt nahe, und die Stimme der Klugheit ward erhört. Er zog sich in weltferne Einsamkeit zurück, von wo aus er indessen beständig mit Kirche und Kirchenvolk Karthagos korrespondieren konnte; und indem er sich bis zum Ende des Sturmes bedeckt hielt, rettete er sein eigenes Leben, ohne gleichzeitig seinen Einfluss oder sein Ansehen einzubüßen. Seine übergroße Vorsicht war jedoch Gegenstand des Tadels einmal der glaubensfesteren Christen, welche dieses Verhalten als eine kleinherzige, ja schnöde Flucht vor den heiligsten Pflichten beweinten, Siehe das streng-höfliche Schreiben der römischen Kleriker an den Bischof von Karthago (Cyprian, Epistulae 8,9). Pontius ist eifrig und sorgfältig bemüht, seinen Herrn gegen die allgemeine Kritik in Schutz zu nehmen. und ferner seiner persönlichen Feinde, die ihn deshalb nachgerade verhöhnten. Die Notwendigkeit, sich selbst für künftige Erfordernisse der Kirche aufzusparen, das Beispiel einiger heiliger Bischöfe, Insbesondere die des Dionysios von Alexandria und des Gregor Thaumaturgus von Neu-Caesarea. Siehe Eusebios, Historia 6,40; und die Mémoires ecclésiastiques de Tillemont, Band 4, Teil 2, p. 685. und die göttlichen Fingerzeige, die ihm nach eigenem Bekunden in Gesichten und Verzückungen zuteil geworden: mit diesen Gründen suchte er sich zu rechtfertigen. Siehe Cyprian, Epistulae 7,12,14 und 43 und seine Biographie von Pontus. Aber die beste Verteidigung ist wohl seine heitere Entschlossenheit, mit der er acht Jahre später für seine Religion zu sterben bereit war. Mit seltener Genauigkeit und Objektivität sind uns die Einzelheiten seines Martyriums überliefert, und so wird uns eine kurze Zusammenfassung der wichtigsten Begleitumstände ermöglichen, Einsicht in Geist und Wesensart der römischen Verfolgungen zu gewinnen. Wir besitzen eine authentische Lebensbeschreibung des Cyprian von dem Diakon Pontius, dem Gefährten seines Exils und dem Augenzeugen seines Todes. Außerdem stehen uns die antiken prokonsularischen Akten zur Verfügung. Beide Quellen harmonieren gut miteinander und mit der Wahrscheinlichkeit. Und was hier besonders bemerkenswert ist: beide sind durch keinerlei mirakulöse Zutat eingetrübt.
...SEINE VERBANNUNG NACH CURUBIS (A.D. 257)...
Als Valerian zum dritten und Gallienus zum vierten Male Konsul waren, zitierte Paternus, Prokonsul von Afrika, Cyprian zu sich in sein privates Beratungszimmer. Er machte ihn dort mit einem kaiserlichen Erlass bekannt, den er soeben erhalten hatte, Es will scheinen, dass es sich hier um einen Runderlass handelte, den alle Gouverneure zur gleichen Zeit erhalten hatten. Dionysios (bei Eusebios Historia 7,11) berichtet auf fast dieselbe Weise von seiner eigenen Verbannung aus Alexandria. Da er indessen den Verfolgungen entkam oder sie einfach überlebte, muss er mehr Glück oder auch weniger Glück gehabt haben als Cyprian. dass nämlich alle diejenigen, welche die römische Religion aufgegeben hätten, unverzüglich zu den Übungen und Zeremonien ihrer Väter zurückkehren sollten. Ohne Zögern antwortete Cyprian, dass er Christ und Bischof sei, der sich der Verehrung des einen und wahren Gottes geweiht habe und an den er auch täglich seine Fürbitte richte für die beiden Kaiser, seine rechtmäßigen Herren, auf dass es ihnen wohlergehe. Mit geziemender Zuversicht nahm er für sich das Vorrecht des Bürgers in Anspruch, auf die bösartigen oder sogar ungesetzlichen Fragen nicht antworten zu müssen, die der Prokonsul ihm vorlegte. Für diese Unbotmäßigkeit ward Cyprian in das Exil verbannt; und ohne Verzug wurde er nach Curubis gebracht, eine freie Hafenstadt in Zeugitana, anmutig gelegen, auf fruchtbarem Boden, nur vierzig Meilen von Karthago entfernt. Plinius Historia Naturalis 5,33; Cellarius, Geographia Antiqua Teil 3, p. 96; Shaw, Travels, p. 90; und zum angrenzenden Gebiet (das bis zu Kap Bona, oder dem Promontorium Mercurii reicht) siehe l'Afrique von Marmol, Band 2, p. 494. In der Nähe von Curubis oder Curbis finden sich Reste eines Aquaeduktes, und Dr. Shaw las eine Inschrift, in der diese Stadt Colonia fulva genannt wird. Der Diakon Pontius (Vita Cypriani, c. 12) beschreibt sie als: ›Apricum et competentem locum, hospitium pro voluntate secretum, et quicquid apponi eis ante promissum est, qui regnum et iustitiam Dei quaerunt." [..einen sonnigen und angemessenen Ort, eine abgeschiedene Herberge, die alle Versprechen bereithält für die, die Gottes Herrschaft und Gerechtigkeit suchen].
Der exilierte Bischof freute sich hier der Annehmlichkeiten des Lebens und des Bewusstseins einer bewährten Glaubensstärke. Sein Ruhm breitete sich aus über Afrika und Italien; ein Bericht über seine Standhaftigkeit wurde veröffentlicht, Cyprian, Epistulae 77. das Gebäude der christlichen Welt zu festigen; und seine Einsamkeit ward oftmals aufgestört durch Briefe, Besuche und Glückwünsche der Gläubigen. Bei der Ankunft eines neuen Prokonsul nahm sei Glück eine neuerliche, glückhafte Wendung. Er wurde aus dem Exil zurückgerufen; und wenn es ihm auch nicht verstattet ward, nach Karthago zurückzukehren, so wurden doch seine Gärten in der Nähe der Stadt zu seinem Residenzplatz bestimmt. Anlässlich seiner Bekehrung zum Christentum verkaufte er diese Gärten zum Wohle der Armen. Aber Gottes Güte (oder höchstwahrscheinlich die Freigiebigkeit seiner christlichen Freunde) verschaffte sie ihm wieder. Pontius, Vita Cypriani 15.
...UND SEINE VERURTEILUNG
Schließlich jedoch, genau ein Jahr Als Cyprian ein Jahr zuvor ins Exil geschickt wurde, träumte er, dass er am folgenden Tage hingerichtet werden würde. Die Ereignisse machten es erforderlich, diesen einen Tag zu einem Jahr umzudeuten. Pontius, Vita Cypriani 12. nach seiner ersten Verhaftung, erhielt der Prokonsul Afrikas, Galerius Maximus, kaiserliche Vollmacht, die Lehrer des Christentums hinzurichten. Dem Bischof von Karthago entging nicht, dass er eines der ersten Opfer sein sollte; und die Schwachheit der menschlichen Natur bestimmte ihn, sich durch heimliche Flucht der Gefahr und dem Ruhm eines Martyriums zu entziehen; bald aber fand er den Mut wieder, den er seinem Ansehen schuldig war, kehrte zurück in seine Gärten und erwartete ergeben die Diener des Todes. Zwei Offiziere, die mit dieser Aufgabe betraut waren, nahmen Cyprian in einem Gefährt in ihre Mitte; und da der Prokonsul keine Zeit hatte, verbrachten sie ihn nicht etwa in ein Gefängnis, sondern in ein Privathaus in Karthago, welches einem der beiden gehörte. Ein üppiges Abendessen war zu des Bischofs Stärkung bereitet, und zum letzten Male durften seine christlichen Freude sich seiner Gesellschaft erfreuen, währenddessen sich die Straßen füllten mit Gläubigen, die wegen des Verhängnisses, das über ihrem geistlichen Vater schwebte, besorgt und aufgebracht waren. Pontius merkt an (15), dass Cyprian, mit dem er zu Abend aß, die Nacht ›custodia delicata‹ [wohlwollend bewacht] verbrachte. Der Bischof selbst übte ein letztes Mal – und äußerst einsichtsvoll – seine Jurisdiktion aus, indem er anordnete, dass die Jungfrauen, die auf der Straße wachten, den Gefahren und Versuchungen eines nächtlichen Auflaufes entzogen werden sollten. Acta proconsularia 2. Am Morgen erschien er vor dem Tribunal des Prokonsuls, welcher sich zunächst nach Name und Stand erkundigte, ihn dann anwies, ein Opfer darzubringen und ihn zugleich eindringlich aufforderte, die Folgen eines etwaigen Ungehorsams zu bedenken. Cyprians Weigerung war bestimmt und endgültig; und der Magistrat verurteilte ihn, nachdem er seinen Standpunkt gehört hatte, widerstrebend zum Tode. Dies ist der Wortlaut des Urteils: ›Jener Thascius Cyprianus soll unverzüglich enthauptet werden als ein Feind der Götter Roms und als der Vorsteher und Anführer einer kriminellen Vereinigung, die er zu gottlosem Ungehorsam gegen die Gesetze unserer allerheiligsten Kaiser verführt hat, des Valerian und Galienus.‹ Siehe den Originaltext in den Acta (4) und bei Pontius; letzterer drückt sich rhetorischer aus. Die Art seiner Hinrichtung war die mildeste und schmerzloseste, auf die eine eines Kapitalverbrechens überführten Person überhaupt hoffen konnte: auch stand man davon ab, von dem Bischof durch Anwendung der Folter den Widerruf seiner Glaubensprinzipien oder die Preisgabe seiner Glaubensbrüder zu erpressen.
DAS VOLK VERSCHREIT SEINE VERURTEILUNG
Sobald das Urteil verkündet war, ertönte aus der Christenmenge, die vor den Palasttoren harrte und lauschte, der Ruf: ›Wir wollen mit ihm sterben!‹ Diese bereitwillige Ausgießung von Glaubenseifer und Anteilnahme war dem Cyprian selbst nicht hilfreich und den Christen nicht schädlich. Unter dem Geleit von Militärtribunen und Feldwebeln wurde er zu seiner Hinrichtungsstätte abgeführt, ohne Widerstand oder Zornesausbrüche; es war dieses eine weite Ebene, welche sich bereits mit zahlreichen Zuschauern anfüllte. Seine glaubensfesten Presbyter und Diakone durften ihren heiligen Bischof geleiten. Sie halfen ihm, sein Obergewand abzulegen, legten ein Leinentuch auf dem Boden, um sein Blut als kostbare Reliquie aufzufangen und erhielten von ihm Weisung, seinem Henker fünfundzwanzig Goldstücke zu zahlen. Dann bedeckte der Märtyrer sein Gesicht mit den Händen, und mit einem Schlage war sein Haupt vom Rumpf getrennt. Sein Leichnam blieb einige Stunden der gaffenden Neugier der Heiden ausgesetzt; in der Nacht jedoch wurde er entfernt und in einer triumphalen, festlich beleuchteten Prozession auf das Begräbnisfeld der Christen gebracht. Die Begräbnisfeierlichkeiten Cyprians wurden ohne jede Störung seitens der römischen Behörden vollzogen. Und diejenigen, welche ihm die letzten Dienste erwiesen, blieben vor Verfolgung und Strafe sicher. Es bleibt bemerkenswert, dass unter einer so großen Anzahl von Bischöfen der Provinz Afrika Cyprian der erste war, welcher die Märtyrerkrone erhalten sollte. Pontius 19; Herr Tillemont (Mémoires ecclesiastiques, Band 4, Teil 1, p.450, Anmerkung 50) kann die Ausschließung einer so großen Anzahl von früheren Märtyrern im Bischofsrang nicht gutheißen.
DER ANREIZ ZUM MÄRTYRERTUM
Es hatte ganz in der Hand Cyprians gelegen, ob er als Märtyrer sterben oder als Apostat leben wollte, aber diese Wahl begriff auch unausweichlich die Alternative zwischen Ehre oder Schande in sich. Angenommen, der Bischof von Karthago bediente sich des christlichen Glaubens nur, um seinem Ehrgeiz genüge zu tun, so hätte er auch die Pflicht gehabt, die Rolle, die er angenommen hatte, zu Ende zu spielen; Wir mögen von der Persönlichkeit oder den Grundsätzen eines Thomas Beckett halten, was wir wollen, doch müssen wir anerkennen, dass er seinen Tod mit einer Gefasstheit erduldete, die der ersten Märtyrer würdig war. Vgl. Lord Lyttletons History of Henry II., Band 2, p. 592ff. und hätte er nur ein Fünkchen Mannesmut besessen, dann hätte er sich den grausamsten Foltern unterzogen, um nicht die in einem ganzen Leben erworbene Reputation seinen Glaubensbrüdern zum Schrecknis und den Heiden zum Gespött werden lassen. Wenn aber Cyprians Eifer von einem aufrichtigen Glauben an die Wahrheit der von ihm gepredigten Grundsätze getragen wurde, dann hätte die Märtyrerkrone für ihn ein Gegenstand des Verlangens und nicht des Schreckens sein müssen. Es ist nicht leicht, aus den nebulösen, wenngleich eleganten Bekundungen der Kirchenväter sichere Erkenntnisse zu schöpfen oder das Ausmaß von Unsterblichkeit zu ermitteln, die sie so zuversichtlich allen denen versprachen, die ihr Blut für die Sache der Religion zu vergießen das Glück hatten. Siehe v.a. Cyprians Traktat ›De lapsis,‹ (Opera p 87-98). Die Gelehrsamkeit eines Dodwell (Dissertationes Cyprianicae 12 und 13) und der Scharfsinn eines Middleton (Free inquiry, p.162ff.) haben alles ergründet, was über die Verdienste, die Ehrungen und die Beweggründe der ersten Märtyrer zu sagen wäre.
Sie betonten mit schicklicher Beharrlichkeit, dass das Feuer des Martyriums jede Verfehlung austilge und jede Sünde versöhne; dass, während der normale Christ nach seinem Tode durch einen langsamen und schmerzlichen Reinigungsprozess zu gehen genötigt sei, der triumphierende Blutzeuge sofort in den Genuss ewiger Glückseligkeit eintrete, wo in Gesellschaft von Patriarchen, Aposteln und Propheten er zusammen mit Christus herrschen und bei dem allgemeinen Gericht über die Menschheit als sein Assistent figurieren werde. Die Zusicherung von ewigem Ruhm auf Erden, ein Motiv, welches sich so genial der menschlichen Eitelkeit annimmt, diente oftmals, den Mut der Märtyrer zu heben. Die Ehren, welche Rom und Athen jenen Bürgern erwies, welche für ihr Land gefallen waren, waren nur amtliche und kalte Respektsbekundungen, verglichen mit der glühenden Dankbarkeit und Verehrung, die die Urkirchen ihren siegreichen Glaubensstreitern abstatteten. Die jährliche Wiederkehr ihres Leidens und Sterbens wurde wie eine heilige Zeremonie beobachtet und erhielt im Laufe der Zeit den Rang eines religiösen Kultes. Die Christen, die sich öffentlich zu ihren religiösen Prinzipien bekannt hatten und danach (was sehr häufig vorkam) von den heidnischen Magistraten nach Hause geschickt oder aus dem Gefängnis entlassen wurden, empfingen die Ehren, die ihrem unvollendeten Märtyrertum und ihrem standfesten Auftreten zustand. Die frömmsten Frauen bemühten sich darum, Küsse auf ihre Ketten oder Wunden drücken zu dürfen. Ihre Personen galten für heilig, ihr Rat wurde mit Demut angenommen, und oftmals missbrauchten sie auch, Hoffahrt im Herzen, die Vorrechte, den ihnen ihr Glaubenseifer und ihre Standhaftigkeit eingebracht hatten. Cyprian, Epistulae 5, 6, 7, 22 und 24 sowie de Unitate Ecclesiae. Die Zahl der angeblichen Märtyrer wurde bedeutend vergrößert durch den Brauch, diesen Namen auch den Bekennern zu verleihen. Durch diese Auszeichnungen, die auf ein erhabenes Verdienst hinweisen, verrät sich umgekehrt die recht geringe Anzahl derer, die wirklich für ihr unerschütterliches Bekenntnis zum Christentum litten und starben.
GLAUBENSINBRUNST DER CHRISTEN
Die kühle Sachlichkeit unserer Gegenwart wird die Glaubensinbrunst der ersten Christen wohl eher skeptisch beurteilen als bewundern und ganz gewiss eher bewundern als nachahmen wollen; der Christen zumal, welche, um ein treffendes Wort des Sulpicius Severus aufzugreifen, mehr nach dem Martyrium verlangten als seine eigenen Glaubensgefährten nach einem Bistum. ›Certatim gloriosa in certamina ruebatur; multoque avidius tum martyria gloriosis mortibus quaerebantur, quam nunc Episcopatus pravis ambitionibus appetuntur.‹ [Um die Wette stürzten sie sich in den ruhmvollen Streit und strebten damals um ein Vieles begieriger nach der Märtyrerkrone durch einen triumphalen Tod, als heute Bischofsstühle auf krummer Wegen erschlichen werden]. Sulpicius Severus, Historia Sacra 2. Das Wörtchen ›nunc‹ [heute] hätte er sich auch ersparen können. Die Briefe, die Ignatius verfasste, als er in Ketten durch Asiens Städte geführt wurde, atmen einen Geist, der der gewöhnlichen menschlichen Natur durchaus entgegengesetzt ist. Ernstlich beschwört er die Römer, sie mögen nicht, falls er denn in das Amphitheater kommen sollte, ihn durch gutgemeintes aber verfehltes Eingreifen um die Krone des Ruhmes betrügen; und er erklärt seine Entschlossenheit, die Bestien, die man als die Werkzeuge seines Todes ausgesucht haben mochte, herauszufordern und aufzureizen. Siehe Epistulae ad Romanos c. 4, 5, in den Patres Apostolici. Band 2, p. 27. Dieser Brief diente der Absicht von Bischof Pearson (Vindiciae Ignatianae, Teil 2, c.9), durch eine Überfülle von Belegen und Gewährsleuten die Ansichten des Ignatius achtbar zu machen.
Es sind einige Berichte von Märtyrern überliefert, die den Mut hatten und tatsächlich das Vorhaben des Ignatius ausführten; die die Löwen vorsätzlich reizten, den Henker bedrängten, seines Amtes zu walten, mit Freuden in die Flammen sprangen, welche entzündet waren, sie zu verzehren und inmitten der grässlichsten Foltern Lust und Triumph zu erkennen gaben. Es sind sogar Fälle von eiferndem Unmut gegenüber jenen Beschränkungen überliefert, die die Kaiser zur Sicherheit für die Kirche veranlasst hatten. Durch freiwillige Bekenntnisse halfen die Christen ihren Anklägern aus einer Beweisnot, störten vorsätzlich den öffentlichen Gottesdienst der Heiden, Die Geschichte des Polyeuctes, welche Corneille zu einer wunderbaren Tragödie umgeformt hat, ist eines der bekanntesten, wenn auch vielleicht nicht glaubwürdigsten Beispiele für solch überzogenen Glaubenseifer. Wir wollen deshalb anmerken, dass der 60. Kanon des Konzils von Illiberis solchen Gläubigern den Märtyrertitel nicht zuerkennt, welche sich selbst dem Tode auslieferten, indem sie vorsätzlich Götterstandbilder demolierten. liefen in Scharen vor die Gerichte und verlangten, dass man das Gesetz gegen sie anwende.
Das Verhalten der Christen war zu auffällig, als dass es der Aufmerksamkeit der Philosophen hätte entgehen können; aber es scheint, dass sie es weniger mit Bewunderung als mit Verblüffung gewahrten. Da es ihnen nicht gegeben war, die Motive zu begreifen, die die Gläubigen die Grenzen von Vernunft und Einsicht überschreiten ließ, war für sie diese Todessehnsucht das Ergebnis von unüberwindlicher Hoffnungslosigkeit, stumpfsinniger Apathie oder abergläubischer Verzückung. ›Ihr Unglückseligen!‹ rief der Proconsul Antoninus Siehe Epiktet 4,7 (wenngleich es nicht sicher ist, ob er die Christen meint); Marcus Aurelius, Selbstbetrachtungen 11,3; Lukianos, de morte Peregrini. den Christen Asiens zu, ›ihr Unglückseligen! Wenn ihr eures Lebens überdrüssig seid, ist es dann so schwierig für euch, einen Strick aufzutreiben oder einen Abgrund zu finden?‹ Tertullian, ad Scapulam 5. Die Gelehrten sind uneins, welcher von drei Personen, die alle Prokonsul in Asien waren, Träger dieses Namens war. Ich persönlich neige dazu, Antoninus Pius dieses Zitat zuzusprechen, welcher später Kaiser wurde und unter Trajan Gouverneur von Kleinasien gewesen sein kann. Er war äußerst zurückhaltend (wie es ein gelehrter und frommer Historiker bemerkt) Menschen zu bestrafen, welche nur sich selbst als Ankläger hatten, hielt doch das Gesetz für derart unübliche Fälle keine Handhabe bereit; so verurteilte er ein paar, ihren Glaubensbrüdern zur Abschreckung, und entließ er die Mehrheit, empört und voller Verachtung. Mosheim, de rebus Christianorum p.235. Ungeachtet dieser echten oder gespielten Verdrossenheit wirkte die unerschütterte Standhaftigkeit der Gläubigen auf solcherart Gemüter heilsam, die die Natur oder die Gnade für religiöse Wahrheiten besonders empfänglich gemacht hatten: Bei derlei trübseligen Gelegenheiten gab es unter den Heiden viele, welche Mitleid oder Bewunderung empfanden und konvertierten. Die Flamme der Begeisterung sprang von den Duldern auf die Zuschauer über, und das Blut der Märtyrer wurde so, einem wohlbekannten Ausspruch zufolge, der Samen der Kirche.
DREI ÜBERLEBENSWEGE
Es hatte Frömmigkeit dieses Seelenfeuer entzündet, und Beredsamkeit fuhr täglich fort, es zu vermehren; dennoch wich es allgemach vor dem natürlicheren menschlichen Gefühlen zurück, vor der Liebe zum Leben, der Furcht vor Schmerz und der Angst vor dem Tode. Die einsichtigeren Hirten der Kirche sahen sich genötigt, den unbesonnenen Aufwallungen ihrer Schäfchen gegenzusteuern und einer Glaubenstreue zu misstrauen, welche sie in der Stunde des Gerichtes nur allzu oft im Stich ließ. Siehe den Brief der Kirche von Smyrna, bei Eusebios, Historia 4,15. In dem Maße, wie das Leben der Gläubigen weniger Kasteiung und Entbehrung war, verlangten sie mit jedem Tage weniger nach der Märtyrerkrone; und anstelle sich durch freiwillige Heldentaten auszuzeichnen, verließen die Soldaten Christi in Massen ihre Posten und flohen verwirrt vor dem Feinde, dem zu widerstehen ihre Pflicht gewesen wäre. Drei Wege gab es, den Flammen der Verfolgung zu entgehen, drei Wege, denen ein unterschiedliches Maß an Schuld innewohnte: der erste galt allgemein als schuldlos; der zweite war zweifelhaft oder zumindest entschuldbar; aber der dritte war gleichbedeutend mit direktem und kriminellem Abfall vom christlichen Glauben.
I. Ein moderner Untersuchungsrichter wäre überrascht zu hören, dass, wann immer eine römische Behörde Kunde erhalten hätte von einer der christlichen Sekte zugehörigen Person, dem Angeklagten die Anklageschrift zugestellt und ihm selbst hinreichend Zeit gegeben wurde, seine häuslichen Belange zu regeln und auf die Vorwürfe eine angemessene Antwort zu formulieren. In der zweiten Apologie des Iustinus befindet sich ein sehr bemerkenswertes Beispiel für eine solche legale Verzögerung. Auch während der Verfolgung unter Decius übte man mit den Christen diese Nachsicht; und Cyprian (de lapsis) erwähnt ausdrücklich den ›Dies negantibus praestitutus.‹ [Der zur Flucht festgesetzte Tag]. Hätte er seiner eigenen Standfestigkeit nicht so recht getraut, dann gab ihm diese Verzögerung die Gelegenheit, sein Leben und seine Ehre durch Flucht zu retten, sich in irgendeinen verborgenen Winkel oder eine entlegene Provinz zurückzuziehen und geduldig die Rückkehr von Frieden und Sicherheit abzuwarten. Diese Maßnahme, die so sehr mit der Vernunft im Einklang stand, wurde durch das Vorbild und die Aufforderung heiliger Prälaten schon bald gerechtfertigt und offenbar nur von Wenigen abgelehnt, etwa den Montanisten, welche infolge ihrer strengen und unbedingten Anhänglichkeit an den alten Glauben allerdings zu Häretikern wurden. Tertullian betrachtet Flucht vor der Verfolgung als nicht vollendete, aber eben doch strafbewehrte Apostasie, als sündhaften Versuch, dem Willen Gottes sich zu entziehen, &c, &c. Er hat zu diesem Gegenstand eine Abhandlung verfasst (de fuga in persecutione), welche vollgepackt ist mit dem wildesten Fanatismus und der widersprüchlichsten Rhetorik. Merkwürdig mutet indessen an, dass Tertullian selbst nicht zum Märtyrer wurde.
II. Die Provinzialgouverneure, deren Fanatismus minder stark ausgeprägt war als ihre Habgier, hatte die Praxis eingeführt, Zertifikate auszustellen (oder libelli, wie sie genannt wurden), welche bestätigten, dass die im Schreiben erwähnten Personen den Vorschriften genügt und den römischen Gottheiten geopfert hätten. Wohlhabende und zugleich ängstliche Christen waren durch solche Falschbeurkundung in die Lage gesetzt, die Bösartigkeit eines Denunzianten zum Schweigen zu bringen und außerdem ihr Sicherheitsbedürfnis mit ihrer Religion zu harmonisieren. Diese profane Maskerade wurde mit einer geringfügigen Buße bestraft. Diese ›Libellatici‹, welche man vor allem aus Cyprians Schriften kennt, sind mit größter Sorgfalt in Mosheims reichhaltigem Kommentar (de rebus Christianorum p. 483-489) beschrieben.
III. Bei jeder Verfolgung gab es auch zahlreiche unwürdige Christen, welche öffentlich den Glauben, den sie einst bekannt hatten, verleumdeten oder ihm abschworen; und die die Aufrichtigkeit ihrer Abkehr durch vorgeschriebenes Weihrauchbrennen oder ein anderes Opfer bekräftigten. Einige dieser Abtrünnigen hatten sich bereits bei der ersten Drohung oder Abmahnung des Magistrates bekehrt; während die Leidensfähigkeit der anderen erst allmählich und nach wiederholten Foltern sich erschöpft hatte. Der verschreckte Gesichtsausdruck verriet bei den einen Gewissensnot, während andere wiederum sich wohlgemut und glaubenseifrig den Altären der Götter nahten. Plinius, Epistulae 10, 97; Dionysios von Alexandria bei Eusebios, Historia 6,41. ›Ad prima statim verba minantis inimici maximus fratrum numerus fidem suam prodidit: nec prostratus est persecutionis impetu, sed voluntario lapsu seipsum prostravit.‹ [Bei den ersten Worten der feindlichen Drohung schon verrieten die meisten der Brüder ihren Glauben. Nicht vor dem Verfolgungsdruck gab man ihn auf, sondern in freiwilliger Unterwerfung]. Cyprian, Opera, p. 89. Zu diesen Abtrünnigen zählten viele Priester, ja sogar Bischöfe. Aber die Maske, die die Furcht aufgesetzt hatte, hatte nur solange Bestand wie die aktuelle Gefahr. Sobald die Strenge der Verfolgung nachließ, wurden die Kirchentüren von den reuigen Sündern belagert, welche ihre götzendienerische Abirrung nunmehr verachteten und mit gleichem Nachdruck, aber unterschiedlichem Erfolg nach ihrer Wiederaufnahme in den Schoß der Christenheit verlangten. Bei solcher Gelegenheit schrieb Cyprian seine Anhandlung De Lapsis und viele seiner Briefe. Die Streitfrage, wie man sich gegenüber abtrünnigen Christen verhalten sollte, hatte die Gemüter der Christen im vorangegangenen Jahrhundert nicht bewegt. Sollen wir dies nun ihrer größeren Glaubensfestigkeit oder unseren geringeren Kenntnissen ihrer Geschichte zurechnen?
STRENGE UND NACHSICHT
IV. Ungeachtet der allgemeinen Regeln, welche für die Überführung und Bestrafung der Christen im Schwange waren, muss das Schicksal jener Sektierer bei einer so ausgedehnten und willkürlichen Regierung wesentlich von ihrem eigenen Verhalten abhängig gewesen sein, ferner von den Zeitumständen und von der Politik der obersten und der nachgeordneten Machthaber. Bisweilen mögen religiöse Aufwallungen den abergläubischen Zorn der Heiden empört und berechnete Zurückhaltung ihn abgelenkt oder gar besänftigt haben. Provinzstatthalter dürften aus unterschiedlichsten Gründen zu strenger oder salopper Anwendung der Gesetze gestimmt gewesen sein; und das zwingendste dieser Motive war nicht die Rücksicht auf die öffentlichen Erlasse, sondern auf die geheimen Absichten des Herrschers, war doch ein kleiner Wink von ihm ausreichend, die Flamme der Verfolgung zu entzünden oder zu ersticken. Sobald es in irgendeinem Teile des Reichs vorübergehend etwas strenger zuging, beklagten die Urchristen ihre Fährnisse und vergrößerten sie wohl auch; aber die wohlbekannte Zahl der zehn Verfolgungen wurde von der Kirchenschriftstellern des fünften Jahrhunderts festgelegt, welche einen genaueren Überblick über die glücklichen und widrigen Zeiten der Kirche zwischen Nero und Diocletian besaßen. Die feinsinnige Parallelen zu den zehn ägyptischen Plagen und den zehn Posaunen der Apokalypse hat ihnen dieses Rechenergebnis wohl nahe gelegt; und mit vieler Sorgfalt suchten sie sich genau die Regierungen aus, die der Sache des Christentums tatsächlich feindselig gegenüberstanden, um so die prophetische Wahrheit an die historische Wahrheit anzuschmiegen. Siehe Mosheim, de rebus Christianorum p. 97. Sulpicius Severus hatte diese Zählung als erster durchgeführt; gleichwohl schien er die zehnte und schlimmste Verfolgung für das Erscheinen des Antichristen aufsparen zu wollen.
Aber diese vorübergehenden Verfolgungen bewirkten lediglich, dass die Gläubigen in ihrem Glauben gefestigt und ihre Zucht erneuert wurden: und an besonders schlimme Verfolgungen schlossen sich zum Ausgleich besonders lange Perioden der Ruhe und Sicherheit an. Die Gleichgültigkeit einiger Herrscher und die Milde einiger anderer erlaubte den Christen, sich einer nicht eben gesetzlichen, wohl aber einer tatsächlichen und öffentlichen Duldung ihrer Religion zu erfreuen.
ZWEIFELHAFTE EDIKTE VON TIBERIUS UND MARCUS AURELIUS
Die Apologie des Tertullian enthält zwei weit zurückliegende, einzigartige und zugleich auch sehr zweifelhafte Beispiele für kaiserliche Milde: die von Tiberius und Marcus Aurelius herausgegebenen Erlasse, die nicht nur bestimmt waren, die Christen in ihrer Unschuld zu schützen, sondern auch jene phantastischen Wunder öffentlich bekannt zu machen, welche die Wahrheit ihrer Glaubenssätze bezeugten. Das erste dieser beiden Beispiele gibt dem skeptischen Verstand einige Rätsel auf. Das Zeugnis des Pontius Pilatus wird zum ersten Male von Iustinus Martyr erwähnt. Die folgenden Nachbesserungen der Geschichte – etwa durch Tertullian, Eusebios, Epiphanios Chrysostomos, Orosius, Gregor von Tours und die Autoren der verschiedenen Ausgaben der Akten des Pilatus sind sehr überparteilich von Dom Calmet dargelegt worden (Dissertations sur l'Ecriture, Band 3, p. 651ff). Wir sollen demnach glauben, dass Pontius Pilatus den Kaiser über die ungerechte Todesstrafe informierte, die er über eine unschuldige und, wie es schien, göttliche Person verhängt hatte; und dass er sich dadurch der Gefahr des Märtyrertums aussetzte; dass Tiberius, ein erklärter Verächter jeder Religion, unverzüglich den Plan fasste, den jüdischen Messias unter die Götter Roms aufzunehmen; dass der notorisch knechtsinnige Senat es wagte, dem Begehren seines Herren sich zu widersetzen; dass Tiberius ihnen ihre Weigerung nicht verübelte und anstelle dessen sich damit begnügte, die Christen vor der Strenge der Gesetze zu schützen, und zwar viele Jahre, bevor diese Gesetze überhaupt in Kraft traten; und dass schließlich das Gedächtnis an dieses einmalige Vorkommnis, das durch Aufzeichnungen an prominenter und öffentlicher Stelle bewahrt wurde, allen griechischen und römischen Historikern entgangen ist und lediglich einem afrikanischen Christen gegenwärtig war, der seine Apologie einhundertundsechzig Jahre nach dem Tode des Tiberius abfasste.
Das Edikt des Marcus Aurelius soll auf die Dankbarkeit zurückgehen, die er für seinen glücklichen Sieg im Markomannenkrieg empfand. Die verzweifelte Lage der Legionen, die zeitlich passenden Regen- und Hagelstürme, Blitz und Donner und endlich die Niederlage der Barbaren: dies haben die beredten Schilderungen verschiedener heidnischer Autoren hinreichend belegt. Wenn es in jener Armee Christen gegeben hatte, dann war es natürlich, dass sie einiges Verdienst auch den inbrünstigen Gebeten zuschrieben, welche sie im Augenblick der Gefahr für sich und für die Allgemeinheit sprachen. Aber noch heute versichern uns Monumente aus Messing und Marmor, nämlich kaiserliche Medaillen und die Siegessäule, dass weder der Herrscher noch das Volk von dieser auffälligen Verpflichtung etwas bemerkt haben, da sie einmütig ihren Sieg der Vorsehung Jupiters und der Dazwischenkunft des Merkur zuschrieben. Während seiner ganzen Regentschaft verachtete Marcus Aurelius die Christen als Philosoph und verfolgte sie als Herrscher. Über dieses Wunder der Donnernden Legion – dies die gemeinhin gebrauchte Benennung – siehe die treffliche Kritik von Herrn Moyle (Werke, Band 2, p. 81-390).
COMMODUS UND SEVERUS 180 A.D.
Infolge einer merkwürdigen Fügung kam die Bedrängung, die sie unter diesem tugendreichen Herrscher erduldeten, sofort zu einem Ende, als ein Tyrann den Thron bestieg; und so, wie sie als einzige von Marcus Aurelius Unrecht zu erleiden hatten, waren sie auch die einzigen, welche von der Milde des Commodus profitierten. Die hochberühmte Marcia, die ihm unter seinen Beischläferinnen die liebste war und die zum Schluss auf die Ermordung ihres kaiserlichen Liebhabers sann, empfand für die verfolgte Kirche eine besondere Zuneigung; und wenn es ihr auch unmöglich war, ihr lasterhaftes Leben mit den Weisungen des Evangeliums zu harmonisieren, mochte sie doch hoffen, für die Schwäche ihres Geschlechtes und ihres Berufes die rechte Buße zu tun, indem sie sich zur Schirmherrin der Christen ernannte. Cassius Dio oder vielmehr Xiliphinos, sein Epitomist 72,4. Herr Moyle (Works, Band 2, p.266) hat die Lage der Kirche unter der Herrschaft des Commodus untersucht. Unter Marcias gnädigem Schutz überstanden sie dreizehn Jahre Terror. Und als die Herrschaft an das Haus der Severer überging, kam es zu einer ehrbareren Verbindung zu dem neuen Hofe. Der Kaiser ließ sich überzeugen, dass er während einer gefährlichen Erkrankung einigen Beistand, sei er nun physischer oder spiritueller Natur gewesen, durch das heilige Öl erhalten habe, mit welcher ihn ein Sklave gesalbt hatte. So behandelte er stets mehrere Personen beiderlei Geschlechtes, die die neue Religion angenommen hatten, mit besonderem Vorzug. Das Kindermädchen und der Erzieher des Caracalla waren Christen; und wenn der junge Herrscher überhaupt Züge von Menschlichkeit erkennen ließ, so war dies verursacht durch diesen Zufall, der, wie nebensächlich auch immer, gleichwohl zu der Sache des Christentums in einiger Beziehung stand. Man vergleiche die Lebensbeschreibung des Caracalla in der Historia Augusta mit dem Brief Tertullians an Scapula. Dr. Jortin (Remarks on ecclesiastical history, Band 2, p. 5ff) betrachtete die Heilung des Severus mit Hilfe von heiligem Öl in dem dringlichen Bestreben, sie in ein Wunder umzubilden.
Unter der Herrschaft des Severus war der Volkszorn eingeschlafen; die Strenge der alten Gesetze war für einige Zeit ausgesetzt; und die Provinzgouverneure gaben sich zufrieden, wenn sie von den Kirchen innerhalb ihrer Jurisdiktion ein jährliches Geschenk erhielten als Preis – oder Belohnung – für ihre Zurückhaltung. Tertullian, de fuga in persecutione 13. Das Geschenk wurde während der Saturnalien überreicht; und für Tertullian ist es eine sehr ärgerliche Angelegenheit, dass der Gläubige auch noch mit den ehrlosesten Gewerbetreibenden, welche die stillschweigende Duldung der Regierung erkauften, in eins geworfen wurde. Die Streitfrage um das korrekte Osterdatum brachte die Bischöfe Asiens und Italiens gegeneinander auf und galt in jener ruhigen Periode als die wichtigste aller Angelegenheiten. Eusebios, Historia 5,23 und 24; Mosheim, de rebus Christianorum 435-447. Der Frieden der Kirche wurde jedoch nicht ernstlich gestört, bis endlich die immer stärker wachsende Anzahl der Proselyten zunächst die Aufmerksamkeit des Severus erweckte und dann seinen Sinn verdunkelte. In der Absicht, die weitere Ausbreitung des Christentums zu dämpfen, veröffentlichte er ein Edikt, welches, obwohl es nur auf die Neubekehrten zielte, nicht umgesetzt werden konnte, ohne zugleich auch die eifrigsten Lehrer und Missionare der Gefahr und Bestrafung auszusetzen. In dieser abgemilderten Verfolgung können wir immer noch die Duldsamkeit Roms und des Polytheismus ausmachen, welche an denen, die den religiösen Zeremonien ihrer Väter folgten, in jeder Weise Nachsicht zu üben bereit war. Judaeos fieri sub gravi poena vetuit. Idem etiam de Christianis sanxit [Den Übertritt zum Judentum verbot er bei strenger Strafe. Ebendies ordnete er auch für das Christentum an]. Historia Augustusta, Severus 17.
FRIEDENSPERIODE FÜR DIE CHRISTEN UNTER SEVERUS' NACHKOMMEN A.D. 211-249
Aber die Gesetze des Severus gingen zugleich mit ihrem Urheber unter; die Christen selbst genossen nach diesem kurzen Sturm einer achtunddreißigjährigen Stille. Bis dahin hatten sie ihre Versammlungen normalerweise in Privathäusern und entlegenen Gebäuden abgehalten. Nun wurde ihnen erlaubt, für religiöse Zwecke angemessene Versammlungsorte zu errichten und zu weihen; Sulpicius Severus, Historia sacra 2. Diese Zählung wird (mit einer einzigen Ausnahme) in der Historia des Eusebios und in Cyprians Schriften bestätigt. Land zum Gebrauch durch die Gemeinde zu erwerben, selbst in Rom; und die Wahl Das Alter der christlichen Kirchen wird von Tillemont (Mémoires ecclésiastiques Band 3, Teil 2, p.68-72) und Mr. Moyle (Works, Band 1, p. 378-398) diskutiert. Ersterer legt die früheste Errichtung in die Friedenszeit des Alexander Severus, der zweite in die des Gallienus. ihrer kirchlichen Minister öffentlich und zugleich so beispielgebend durchzuführen, dass es die respektvolle Aufmerksamkeit der Heiden auf sich zog. Siehe Historia Augusta, Alexander Severus 45,7. Kaiser Alexander Severus übernahm von den Christen den Brauch, die Namen der Kandidaten vorher öffentlich bekannt zu machen. Es stimmt, dass auch den Juden diese ehrbare Praxis zugeschrieben wird. Diese lange Ruheperiode der Kirche vollzog sich in Würde. Die Regierungszeiten der Herrscher, die aus den asiatischen Provinzen stammten, erwiesen sich für die Christen als die glücklichsten. die führenden Vertreter der Sekte waren nicht mehr darauf angewiesen, den Schutz durch einen Sklaven oder einer Beischläferin zu erbetteln, sondern hatten zum Palast Zugang wie ein ehrbarer Priester oder Philosoph; und ihre merkwürdige Lehre, die bereits Einzug in der Bevölkerung gefunden hatte, begann auch den Herrscher persönlich neugierig zu machen. Als die Kaiserin Mamaea Antiochia besuchte, verlangte sie dringlich nach einem Austausch mit dem berühmten Origines, erfüllte doch der Ruhm seiner Gottesfurcht und Gelehrsamkeit das ganze Morgenland. Eine so schmeichelhafte Einladung anzunehmen stand Origines naturgemäß keinen Augenblick an, und wenn er auch nicht darauf hoffen durfte, eine so kenntnisreiche und ehrgeizige Frau zu bekehren, lauschte sie dennoch mit Lust seinen wortreichen Ermahnungen und entließ ihn in allen Ehren in seine Einsamkeit in Palästina. Eusebios, Historia 6,21. Hieronymos, Commentarius de Script. Eccl. 54. Christen und Heiden bezeichneten beide die Mamaea als heilig und fromm. Von den erstgenannten hätte sie eine solche Ehrenbezeichnung eigentlich nicht verdient. Der Sohn der Mamaea, Alexander, teilte die Empfindungen seiner Mutter, und die philosophischen Neigungen dieses Herrschers schlugen sich in einer eigentümlichen, wenn auch verständnislosen Achtung gegenüber dem Christentum nieder. In seiner Privatkapelle standen Skulpturen von Abraham, Orpheus, Apollonios und Christus, was als schuldige Ehrung für jene respektablen Weisen gedacht war, welche die Menschheit gelehrt hatten, der obersten und universalen Gottheit auf unterschiedliche Weise ihre Huldigung darzubringen. Siehe Historia Augusta, Alexander Severus 29,2. Mosheim, de rebus Christianorum p. 465, scheint die persönliche Religiosität des Alexander Severus etwas zu optimistisch zu beurteilen. Sein Plan, Christus einen öffentlichen Tempel erbauen zu lassen (Historia Augusta, Alexander Severus 43), und das Bedenken, das ihm – oder aus ähnlicher Veranlassung dem Hadrian – vorgetragen wurde, geht auf nichts anderes zurück als auf ein unglaubwürdiges Gerücht, welches die Christen erfunden hatten und welches durch einen Historiker aus der Zeit des Constantin kritiklos übernommen wurde. Im seinem Haushalt allerdings wurde reinlicher geglaubt und ganz offen angebetet. Bischöfe wurden, vermutlich zum ersten Male in der Geschichte, bei Hofe gesehen; und als nach dem Tode des Alexander der unmenschliche Maximinus die Günstlinge und Diener seines glückverlassenen Vorgängers mit seinem Hass verfolgte, wurden zahlreiche Christen jedweder Stellung und beiderlei Geschlechtes in dieses wahllose Massaker einbezogen, welches ihretwegen den nicht ganz zutreffenden Namen einer Verfolgung erhalten hatte. Eusebios, Historia 6,28. Die Vermutung liegt nahe, dass der Erfolg des Christentums die eifernde Borniertheit der Heiden aufgereizt hatte. Cassius Dio, der seine Geschichte unter der vorherigen Regierung ausarbeitete, hat höchstwahrscheinlich jene Ratschläge für eine Verfolgung, die er einem besserem Zeitalter und dem Günstling des Augustus unterschiebt, für seinen Herrn bestimmt. Wegen dieser Rede des Maecenas oder vielmehr des Cassius Dio verweise ich auf meine eigene wohlerwogene Meinung (oben, c. II, Fußnote 26) und auf den Abbé de la Bléterie in den Mémoires de l'Académie des Inscriptions, Band 24, p. 303 und Band 25, p.432.
NACHFOLGER DES SEVERUS 250 - 260 A.D.
Trotz der gewaltigen kriminellen Energie des Maximinus blieben die Folgen seines Hasses gegen die Christen zeitlich und räumlich sehr begrenzt, und dem frommen Origines, der als ein Vorzugsopfer ausersehen war, blieb es auch weiterhin vorbehalten, für die Wahrheiten des Evangeliums das Ohr der Herrscher zu finden. Orosius 6,19 nennt Origines Maximinus' Hassobjekt. Und Firmilianus, ein kappadokischer Bischof aus jener Zeit, liefert ein getreues, knappes Bild von dieser Verfolgung (bei Cyprian Epistulae 75). So schrieb er verschiedentlich Erbauungsepisteln an Philipp, dessen Frau und seine Mutter; und sobald dieser Herrscher, der in der Nachbarschaft von Palästina geboren war, das kaiserliche Szepter führte, hatten die Christen eine Freund und Beschützer. Die öffentliche und sogar parteiische Gunsterweisung Philipps gegenüber den Anhängern der neuen Religion sowie seine unübersehbare Ehrfurcht vor den Kirchenführern gab dem Gerücht beständig Nahrung, welches zu seiner Zeit besonders lebhaft kursierte, dass nämlich der Kaiser selbst zu dem neuen Glauben sich bekehrt habe; Die Erwähnung jener Herrscher, welche öffentlich als Christen verdächtigt wurden, so wie wir es etwa in einem Brief des Dionysius von Alexandria (bei Eusebios, 7,10) finden, spielt unverkennbar auf Philipp und seine Familie an; was deutlich erweist, dass zu seiner Zeit ein solches Gerücht im Umlauf war; aber der Bischof Ägyptens, der weit genug vom römischen Hof lebte, drückt doch schickliche Zweifel an der Wahrheit jener Behauptung aus. Die Briefe des Origines, die zur Zeit des Eusebius (6,36) noch existierten, hätten diese sonderbare, wenn auch nicht eben bedeutsame Frage klären können. und gab des weiteren Anlass zu der später aufkommenden Legende, dass er durch Bericht- und Bußpraktiken sich von der Schuld gereinigt habe, die er durch den Mord an seinem unschuldigen Vorgänger auf sich geladen habe. Eusebios 6,34. Nachfolgende Schreiber haben – wie es der Brauch ist – diese Geschichte aufgeputzt und Friedrich Spanheim mit übersprudelnder Gelehrsamkeit widerlegt. Opera varia, Band 2, p. 400ff.
Nach dem Tode Philipps begann mit den neuen Herren ein neues Regierungssystem, welches den Christen gegenüber so feindlich eingestellt war, dass sich ihr Dasein seit Diocletian wie eine einzige Periode des Friedens und der Sicherheit ausnahm, wenn man es mit der brutalen Behandlung verglich, welche sie unter der kurzen Herrschaft des Decius zu erleiden hatten. Lactantibus, de mortibus persecutorum, c 3,4. Nachdem er nun das Glück und Gedeien der Kirche unter einer Reihe von guter Herrscher gerühmt hatte, fuhr er fort: ›Extitit post annos plurimos, execrabile animal, Decius, qui vexaret Ecclesiam." [Nach langen Jahren erhob sich Decius, das scheußliche Tier, und suchte die Kirche heim]. Die Tugenden dieses Regenten werden uns schwerlich zu der Annahme verführen, dass er den Günstlingen seines Vorgängers aus niederen Racheglüsten nachstellte, vielmehr scheint es glaubhaft, dass er bei der Verfolgung seines Hauptzweckes, die alten Römersitten zu erneuern, besonders begierig war, das Imperium von dem zu befreien, was er für einen neuen und kriminellen Aberglauben hielt. Die Bischöfe der meisten großen Städte wurden zu Hinrichtung oder Exil verurteilt; die Wachsamkeit der Magistrate hinderte Roms Geistlichkeit sechzehn Monate lang an der Durchführung einer Neuwahl; und unter den Christen ging die Rede, der Herrscher würde sich eher mit einem Thronbewerber abfinden als mit einem Bischof in der Hauptstadt. Eusebios, Historia 6,39. Der Stuhl Petri war verwaist vom Tage des Martyriums des Fabianus, dem 20. Januar 250 bis zur Wahl des Cornelius am 4. Juni 251. Decius hatte zu diesem Zeitpunkt vermutlich Rom bereits verlassen, denn er wurde noch vor Ablauf dieses Jahres getötet. Könnten wir uns vorstellen, dass der scharfsichtige Verstand des Decius imstande gewesen wäre, hinter der demütigen Maske der Christen einen verborgenen Stolz zu erspüren oder die weltliche Herrschaft vorauszusehen, die allmählich aus dem geistlichen Machtanspruch erwachsen sollte, dann würde es uns weniger überraschen, wenn er die Nachfolger Petri als die furchtbarsten Feinde der Nachfolger des Augustus ansah.
VALERIANUS, GALIENUS UND IHRE NACHFOLGER A.D. 253-260
Die Verwaltung des Valerian zeichnete sich aus durch Flatterhaftigkeit und Unbestand, was zu der Würde eines ›römischen Censors‹ übel passte. In der ersten Regierungszeit übertraf er an Milde sogar die Herrscher, welche der Hinneigung zum Christentum verdächtig waren. In den letzten dreieinhalb Jahren jedoch lauschte er den Einflüsterungen eines Ministers, der dem ägyptischen Aberglauben anhing, und so verfiel er wieder auf die Maximen und die Brutalität seines Vorgängers Decius. Eusebios, Historia 7,10. Mosheim (de rebus Christianorum p. 548) hat sehr deutlich gezeigt, dass der Präfekt ›Macrianus‹ und der Ägypter ›Magus‹ ein und dieselbe Person sind. Die Thronbesteigung des Gallienus brachte dem Reich erhebliche Schwierigkeiten und der Kirche Frieden; so erhielten die Christen das Recht auf freie Religionsausübung infolge eines Erlasses, welcher an die Bischöfe gerichtet war und das sie dem Wortlaut nach in ihrer Tätigkeit und ihrem Amt gleichsam anzuerkennen schien. Eusebios, Historia 7,13, bietet uns eine griechische Übertragung des offenbar kurzgefassten Ediktes. In einem weiteren Edikt verordnet er, dass man den Christen die coemeteria (Grabstätten) zurück geben solle. Die alten Gesetze gerieten langsam in Vergessenheit, ohne dass sie offiziell aufgehoben worden wären; und (ausgenommen sind nur einige feindselige Bestrebungen, die dem Aurelian zugeschrieben werden) Euseb. 7, 30; Lactantius de mortibus 6; Hieronymos in Chronicum Eusebii, p. 177 (Anno ab. Abr. 2290). Orosius, 7, 23. Deren Sprachduktus ist gewöhnlich derart zweideutig und fehlerhaft, dass dass wir kaum ermitteln können, wieweit Aurelian vor seiner Ermordung mit seinen Plänen gediehen war. Die meisten heutigen Autoren (außer Dodwell, Diss. Cyprianae 11, p.64) haben bei dieser günstigen Gelegenheit ein paar zusätzliche Märtyrer erschaffen. die Bekenner Christi genossen so vierzig Jahre lang eines gedeihlichen Zustandes, was sich auf ihre Glaubensfestigkeit weitaus gefährlicher auswirkte als die drückendste Verfolgung.
PAULUS VON SAMOSATA ERWIRBT REICHTUM
Die Geschichte des Paulus von Samosata, der den Stuhl des Metropoliten von Antiochia innehatte, als der Osten sich in den Händen von Odenathes und Zenobia befand, mag uns dienen, die Zeit und ihre Sitten zu veranschaulichen. Dieser Prälat war reich, und da er weder eine väterliche Erbschaft noch ein ehrbares Gewerbe vorweisen konnte, war dies bereits ein Beweis für seine Schuld. Aber für Paulus war der Dienst an der Kirche eine sehr einträgliche Profession. Paulus schätzte den Titel Ducenarius mehr als den eines Bischofs. Der Ducenarius war ein kaiserlicher Statthalter, so genannt wegen seines Gehaltes von zweihundert Sesterzen (oder 1600 Pfund) pro Jahr. (Siehe Salmasius zur Historia Augusta, p.124.) Einige Forscher meinen, dass der Bischof von Antiochia tatsächlich ein solches Amt von Zenobia erhalten habe, während andere hierin lediglich einen bildlichen Ausdruck für seine Prunksucht und Trägheit sehen wollen. Seine geistliche Jurisdiktion war wesensgleich mit Korruption und Raub; er presste den wohlhabenden Gläubigen beachtliche Spenden ab und verwandte die öffentlichen Einkünfte zum größten Teil für den privaten Gebrauch. Sein selbstgefälliges Wesen und sein Luxus verhalfen der christlichen Religion bei den Heiden zu üblem Ruch. Sein Audienzzimmer und sein Thron, der Glanz, mit dem er sich in der Öffentlichkeit umgab, die Menge der Bittsteller, die seine Aufmerksamkeit erflehten, die Masse der Briefe und Petitionen, auf die er die Antworten persönlich diktierte, und schließlich die beständige Hast, mit der er den Geschäften oblag: alle diese Umstände hätten sich besser für einen hohen Beamten Simonie war zu jener Zeit keineswegs unbekannt; und die Klerisei kaufte zuweilen auch das, was sie weiter zu verkaufen beabsichtigte. So finden wir, dass das Bistum von Karthago von Lucilla, einer reichen Matrone, für ihren Sklaven Maiorinus erworben wurde. Der Preis betrug etwa 400 ›folles‹ (Monumenta antiqua, de schismate Donatistarum, p.263). Ein ›follis‹ betrug etwa 125 Silberstücke, die ganze Summe belief sich dann etwa auf 2400 Pfund Sterling. geschickt als für die Demut eines Bischofs des frühen Christentums. Hielt er dem Kirchenvolk Predigten, übte Paulus sich in dem blumenreichen Stil und der bühnenreifen Gestik eines asiatischen Sophisten, während die Kathedrale widerhallte vom Lob und prasselndem Beifall für seine göttliche Eloquenz. Gegen die, die seiner Macht entgegenstanden oder seiner Eitelkeit zu schmeicheln sich weigerten, war der Prälat von Antiochia arrogant, streng und ohne Gnade; aber er ließ die Disziplin seiner nachgeordneten Beamten schleifen, überhäufte sie mit dem Vermögen der Kirche und erlaubte ihnen, ihrem Meister in der Befriedigung aller sinnlichen Bedürfnisse nachzueifern. Denn Paulus war darüber hinaus ein Liebhaber der Tafelfreuden, auch hatte er im Bischofspalast zwei junge weibliche Schönheiten aufgenommen, die ihm seine Mußestunden zu verkürzen sich jederzeit aufgelegt erzeigten. Sollte es uns danach verlangen, das Fehlverhalten des Paulus in Abrede zu stellen, dann müssten wir zugleich die versammelten Bischöfe des Ostens verdächtigen, die böswilligsten Verleumdungen durch Rundschreiben unter allen Bischöfen des Reiches verbreitet zu haben; bei Eusebios, Historia 7,30.
ER WIRD SEINES AMTES ENTSETZT A.D.270
Trotz dieses himmelschreienden Skandals wäre die Regentschaft des Paulus über die Hauptstadt Syriens erst mit seinem Leben zu Ende gegangen, wenn er wenigstens die Reinheit der orthodoxen Lehre bewahrt hätte; hätte zur rechten Zeit eine Verfolgung stattgefunden, dann hätte er mit ein wenig Mut sogar einen Platz unter den Märtyrern und Heiligen ergattern können. Aber ein paar artige und feine Irrtümer bezüglich der Trinität, Seine Häresie bestand darin, (ähnlich wie Noetus und Sabellius aus demselben Jahrhundert) die geheimnisvolle Unterscheidung der göttlichen Personen durcheinanderzubringen. Siehe Mosheim, p.702. die aufzugreifen und hartnäckig zu verfechten er unklug genug war, erregten Eifer und Zorn der morgenländischen Kirche. Von Ägypten bis zum Schwarzen Meer waren die Bischöfe unter Waffen und in Aufruhr. Diverse Konzilien wurden abgehalten, Schmähschriften veröffentlicht, Exkommunikationen geschleudert, unklare Verlautbarungen getan und zurückgewiesen, Verträge abgeschlossen und gebrochen, und schließlich ward Paulus von Samosata seines bischöflichen Amtes entsetzt durch den Urteilsspruch von siebzig oder achtzig Bischöfen, die sich eigens zu diesem Zwecke in Antiochia versammelt hatten und, die Rechte der Kleriker und des Volkes missachtend, aus eigener Machtvollkommenheit auch sogleich einen Nachfolger erkiesten. Die offenkundige Ungesetzlichkeit dieses Vorgehens mehrte die Zahl der Unzufriedenen; und da Paul, dem die höfischen Schleichpfade nicht unbekannt waren, sich der Gunst der Zenobia versichert hatte, blieb er über vier Jahre im Besitz des bischöflichen Amtes und Palastes. Der Sieg Aurelians veränderte die Landkarte des Ostens, und die beiden streitenden Parteien, die sich wechselseitig die Epitheta der Kirchenspaltung und Ketzerei anhefteten, mussten – oder durften – ihren Fall vor dem Richterstuhl des Siegers austragen. Dieser öffentlichkeitswirksame und einzigartige Prozess liefert den Beweis, dass die Existenz, der Reichtum und die Privilegien der Christen, wenn schon nicht durch die Gesetze, so doch durch die Magistrate des Reiches Anerkennung gefunden hatten. Als ein heidnischen Krieger, der er war, war Aurelian naturgemäß nicht gemeint, sich auf die Diskussion einzulassen, ob denn nun die Aussagen des Paulus oder die seiner Gegner mit dem wahren Sinn des orthodoxen Glaubens zusammenpassten. Seine Entscheidung allerdings gründete sich auf den allgemeinen Grundsätzen der Billigkeit und der Vernunft.
URTEILSVOLLSTRECKUNG DURCH AURELIANUS A.D. 274
Er ästimierte die Bischöfe Italiens für die unparteiischsten und honorigsten Richter der Christenheit und befahl, sobald er von ihrer einstimmigen Bestätigung des Konzilsbeschlusses erfahren hatte, dass Paulus unverzüglich jene irdischen Besitztümer zu räumen habe, die zu seinem Amte gehörten und aus denen er nach dem Urteil seiner Glaubensbrüder ganz zu Recht vertrieben worden war. Wenn wir nun den Gerechtigkeitssinn des Aurelian rühmen, sollten wir gleichwohl nicht seine Staatskunst übersehen: war er doch bestrebt, die Abhängigkeit der Provinzen von der Hauptstadt wiederherzustellen und zu festigen; und hierbei bediente er sich aller Mittel, die die Interessen oder Vorurteile auch seiner christlichen Untertanen bedienen konnten. Eusebios, Historia 7,30. Ihm allein haben wir für die merkwürdige Erzählung des Paulus von Samosata zu danken.
WOHLERGEHEN UNTER DIOCLETIAN
Inmitten der häufigen Regierungswechsel und anderer Veränderungen des Reichs blühte die Christenheit in Frieden und Wohlstand; und wenn auch mit der Thronbesteigung Diokletians Das Zeitalter der Märtyrer, welches noch heute unter den koptischen Christen im Gebrauch ist, beginnt mit dem 29. August 284; denn der Beginn des ägyptischen Jahres lag neunzehn Tage vor der tatsächlichen Thronbesteigung des Diocletian. Siehe Dantines Dissertation Preliminaire a l'Art de verifier les Dates. eine berüchtigte Ära christlichen Märtyrertums in Verbindung gebracht wird, fuhr das neue politische System, eingeführt und ausgeübt durch diesen Herrscher, achtzehn Jahre lang fort, die mildeste und freiheitlichste Luft religiöser Toleranz zu atmen. Diocletian selbst war weniger für tiefsinniges Nachdenken geschaffen als für das Kriegshandwerk und die Regierungsgeschäfte. Seine praktische Vernunft machte ihn allen großen Entwürfen abgeneigt, und wenn man ihm auch nicht eben Glaubenseifer und Gottesbegeisterung nachsagen konnte, so blieb er doch – schon aus Gewohnheit – den alten Staatsgottheiten treu. Indessen fanden die beiden Kaiserinnen, seine Frau Prisca und seine Tochter Valeria, genug Muße, den Wahrheiten des Christentums mit mehr Hingabe und Andacht zu lauschen, hatte es doch zu allen Zeiten verkündet, der weiblichen Gemütslage tief verpflichtet zu sein. Der Ausdruck des Lactantius (de mortibus 15) ›sacrificio pollui coegit‹ [er zwang sie, sich durch ein Götzenopfer zu besudeln] deutet stillschweigend ihre vorherige Bekehrung zum Glauben an, rechtfertigt aber wohl nicht Mosheims Behauptung (de rebus Christianorum p.912), sie seien zuvor insgeheim getauft worden. Die kaiserlichen Eunuchen Lucianos Herr de Tillemont (Memoires ecclésiastiques, Band 5, Teil 1, p.11f) hat aus dem spicilegium [›Ährenlese‹] des Dom Luc d'Archeri eine schnurrige Anleitung zitiert, die Bischof Theonas zum rechten Gebrauch des Lukian aufgesetzt hatte. und Dorotheus, Gorgonius und Andreas, welche dem Diocletian aufwarteten, seine Gunst besaßen und seinen Haushalt beherrschten, hielten aufgrund ihres mächtigen Einflusses eine schützende Hand über den Glauben, dem auch sie selbst angehörten.
Ihr Beispiel fand Nachahmung bei den meisten Palastoffizieren, die in ihrer jeweiligen Stellung die Hüter der kaiserlichen Schmuckstücke waren, außerdem der Gewänder, der Hausgeräte, der Juwelen und sogar seines Privatvermögens; und wenn es auch zu ihren Obliegenheiten gehörte, den Kaiser zuweilen zu begleiten, wenn er im Tempel opferte Lactantius, de mortibus persecutorum 10., erfreuten sie sich dennoch zusammen mit ihren Frauen, Kindern und Sklaven der ungehinderten Ausübung ihrer christlichen Religion. Oftmals übertrugen Diocletian und seine Mitregenten die wichtigsten Staatsämter solchen Personen, die zwar ihre Abscheu vor der Götterverehrung offen bekannt hatten, aber als Staatsdiener gleichwohl Talent gezeigt hatten. Die Bischöfe erfreuten sich in ihren jeweiligen Provinzen eines gewissen Ansehens, und nicht nur das Volk, sondern auch die Magistrate begegneten ihnen mit Achtung. Mittlerweile konnten die alten Kirchen in den größeren Städten die wachsenden Scharen der Proselyten kaum noch fassen, und so wurden an ihrer Stelle neue gebaut, prachtvoller, größer und geeignet, allen Gläubigen öffentliche Gottesdienste zu ermöglichen. – Die Verderbnis von Sitten und Moralprinzipien, die Eusebius so nachdrücklich beklagt, Eusebios, Historia 8,1. Der Leser, der hier das Original zu Rate zieht, wird mich nicht beschuldigen, dass ich die Farben zu diesem Gemälde noch bunter aufgetragen habe. Zum Zeitpunkt von Diokletians Inthronisation war Eusebius etwa 16 Jahre alt. kann man nicht nur als eine Folge, sondern auch als Beweis für die Freiheit ansehen, die die Christen unter Diocletian nicht nur genossen, sondern auch missbrauchten. Der Glaube stand in Blüte, und dies hatte auf die Glaubensdisziplin verheerend gewirkt. Neid, Missgunst und Niedertracht waren in jeder Versammlung spürbar. Die Presbyter schielten nach dem Bischofsamt, da dies ein Ziel war, dem nachzustreben täglich verlockender wurde. Die Bischöfe ihrerseits, die sich um höchste Kirchenehren rauften, erweckten den Anschein, nur noch an weltlicher Alleinherrschaft über die Kirche interessiert zu sein. Und der lebendige Glauben, der doch den Christen vom Heiden unterscheiden sollte, war nur noch in ihren Schriften und weit weniger in ihrem täglichen Leben zu finden.
BEI DEN HEIDEN ERWÄCHST WIDERSTAND
Trotz dieser scheinbaren Sicherheit hätte ein aufmerksamer Beobachter einige Anzeichen entdecken können, die für die Kirche erheblich bedrohlicher waren als alle vorangegangenen Verfolgungen. Der glaubensfrohe und rasche Siegeszug des Christentums rüttelte die Polytheisten aus ihrer dumpfen Gleichgültigkeit gegenüber ihren Gottheiten auf, die sie mit kalter Routine nur noch automatisch verehrten. Durch die Ärgernisse, die diese fast zweihundertjährige Glaubensfehde mit sich gebracht hatte, waren die Kräfte der beiden Parteien nahezu aufgezehrt. Die Heiden ärgerten sich über die Dreistigkeit einer emporgekommenen Sekte, die sich erkühnte, ihre Landsleute des Irrtums zu zeihen und über ihre Vorfahren ewige Höllenqualen zu verhängen. Da sie immer wieder die volkstümliche Mythologie gegen die spöttischen Attacken eines nimmermüden Feindes rechtfertigen mussten, belebten sich in ihnen Gefühle des Glaubens und der Verehrung wieder, die schon längst erloschen schienen. Die übernatürlichen Kräfte, über die die Kirche zu gebieten vorgab, riefen zu gleicher Zeit Schrecken und Nachahmung hervor. Die Angehörigen der Staatsreligion verschanzten sich ebenfalls hinter einer Festung aus Wundern, ersannen neue Opfer-, Sühne- und Initiationsrituale, Wir könnten als eines von vielen Beispielen etwa den Mithraskult wählen, oder den der Taurobolia; letzterer war unter den Antoninen in Mode gekommen. Siehe ein Abhandlung von Herrn de Boze in den Memoires de l'Academie des Inscriptions, Band 2, p. 443). Der Roman von Apuleius enthält ebensoviel Kultisches wie Satirisches. bemühten sich um Wiederbelebung der versinkenden Glaubwürdigkeit ihrer Orakel Der Betrüger Alexander empfahl nachdrücklich die Orakel des Trophonios zu Mallos und die Apolloorakel in Claros und Milet (Lukian Opera Band 2, p.236). Dieses letztgenannte, dessen bemerkenswerte Geschichte ein eigenes Kapitel wert wäre, wurde von Diocletian befragt, bevor er seine Verfolgungsedikte erließ. Lactantius, de mortibus 11. und lauschten mit bereiter Leichtgläubigkeit jedem Betrüger, der ihre Vorurteile mit schönen Wunderfabeln bediente. Abgesehen von den alten Erzählungen von Pythagoras und Aristeas wurden auch die Heilungen, welche im Äskulaptempel durchgeführt wurden, und die Sagen aus dem Umkreis des Apollonius von Tyana gerne den Wundergeschichten Christi gegenübergestellt; ich möchte mich jedoch Dr. Lardner (Testimonies Band 3, p.253 und 352) darin anschließen, dass Philostratos keine solchen Absichten verfolgte, als er das Leben des Apollonios beschrieb.
Beide Parteien schienen den Legenden der Gegenseite die jeweils beanspruchte Glaubwürdigkeit nicht abzusprechen; und indem sie sich bemühten, die Wunder auf Zauberei oder dämonische Mächte zurückzuführen, halfen sie sich gegenseitig dabei, die Herrschaft des Aberglaubens wiederherzustellen. Es ist ernstlich zu beklagen, dass die Kirchenväter dadurch, dass sie die übernatürlichen oder – in ihrer Diktion höllischen – Kräfte des Heidentums anerkennen, zugleich mit eigenen Händen den großen Vorteil zunichte machen, den wir ansonsten aus den freimütigen Zugeständnissen unserer Gegner hätten herleiten können. Philosophisches Denken, ursprünglich ihr gefährlichster Feind, wurde jetzt zu einem nützlichen Verbündeten. Die Haine der Akademie, die Gärten des Epikur und die Säulengänge der Stoa lagen allerdings verödet wie so viele andere Schulen des Skeptizismus und des Unglaubens; Kaiser Julian (Caesares, p. 301) empfindet fromme Freude darüber, dass die Vorsehung der Götter die gottlosen Sekten habe verschwinden lassen und die hinterlassene Literatur der Pyrrhonier und Epikureer größtenteils vernichtet habe; sie muss sehr zahlreich gewesen sein, denn Epikur allein hinterließ mehr als 300 Titel. Siehe Diogenes Laertios 10,26. und viele Römer warteten sehnlich darauf, dass durch hohen Senatsbeschluss auch die Schriften Ciceros verdammt und unterdrückt würden. ›Cumque alios audiam mussitare indignanter, et dicere opportere statui per Senatum, abolleantur ut haec scripta, quibus Christiana Religio comprobetur, et vetustatis opprimatur auctoritas‹ [Und da nun habe ich andere unmutig murmeln und sagen hören, es solle vom Senat die Vernichtung dieser Schriften angeordnet werden, durch welche die Religion der Christen gestärkt und die Würde des Altertums unterdrückt würden]. Arnobius, adversus Gentes 3,7. Und fügt treffsicher hinzu: ›Erroris convincite Ciceronem . . . nam intercipere scripta, et publicatam velle submergere lectionem, non est Deum [Deos] defendere sed veritatis testificationem timere.‹ [Weist Cicero einen Irrtum nach...denn Schriften aus dem Verkehr zu ziehen und ihre öffentliche Lektüre zu unterdrücken bedeutet nicht, (Gott) die Götter zu verteidigen, sondern vor dem Zeugnis der Wahrheit Angst zu haben]. Die damals herrschende Schule des Neuplatonismus indessen hielt es für rätlich, sich mit den Priestern zu verbünden, die sie vermutlich verachteten, und zwar gegen die Christen, die sie zweifellos fürchteten. Diese Modephilosophie verfolgte die Absicht, aus den Dichtungen der Griechen allegorische Weisheit zu schöpfen; sie ersann neue Gebetsrituale zum Gebrauch durch ihre Schüler; empfahl, in den alten Gottheiten die Sinnbilder oder Diener der höchsten Gottheit zu verehren und verfasst gegen die Weisheit des Evangeliums zahlreiche wohldurchdachte Abhandlungen, Lactantius (Divinae institutiones 5,2 und 3) berichtet unzweideutig und lebhaft von zwei philosophischen Glaubensgegnern. Die große Abhandlung des Porphyrius gegen die Christen enthielt 30 Bücher und wurde um das Jahr 270 in Sizilien abgefasst. welche seither die Weisheit orthodoxer Fürsten den Flammen überantwortet hatte. Siehe Sokrates, Historia ecclesiastica 1,9 und den Codes Iustinus 1,1,3.
BESTRAFUNG EINIGER CHRISTLICHER SOLDATEN
Obwohl Diocletians Politik und Constantins Menschlichkeit sie zu allgemeiner Toleranz bestimmten, wurde schon bald ruchbar, dass ihre Mitregenten Maximianus und Galerius eine tiefempfundene Abneigung gegen die christliche Religion hegten. Die Gemüter dieser beiden Herrscher waren niemals durch Wissenschaft erleuchtet worden, Erziehung hatte niemals ihrem Jähzorn geboten. Groß waren sie nur als Krieger, und selbst auf dem Höhepunkt ihrer Macht waren sie abergläubisch und vorurteilsbeladen wie nur ein Landsknecht oder Bauer. In der Verwaltung ihrer Provinzen befolgten sie getreulich die Vorgaben ihres Gönners; aber oft genug ergab sich innerhalb der Kasernen oder des Palastes die Gelegenheit zu heimlicher Verfolgung, Eusebios, Historia 8,4 und 17. Er beschränkt die Anzahl der Märtyrer unter den Solaten unter Verwendung eines merkwürdigen Ausdrucks [Ü.a.d.Griech.: hier und da aber hatte bereits der eine oder andere von ihnen...], für den weder seine lateinischen noch französischen Übersetzer Energie aufgebracht haben. Trotz der Autorität eines Eusebius und trotz des Schweigens von Lactantius, Ambrosius, Sulpicius, Orosius und anderen hielt sich lange Zeit die Meinung, dass die 6000 christlichen Soldaten der Thebanischen Legion auf Befehl des Maximianus in einem Tal der penninischen Alpen den Märtyrertod gefunden haben. Diese Geschichte wurde zuerst im 5. Jahrhundert von Eucherius, dem Bischof von Lyon, in die Welt gesetzt, der sie von bestimmten Leuten gehört hatte, welche sie von Isaac, dem Bischof von Genf, gehört hatten, welcher sie, so sagt man, von Theodorus, dem Bischof von Octodorum, gehört haben soll. Die Abtei St.-Maurice steht heute noch und ist ein üppiges Denkmal der Leichtgläubigkeit Sigismunds, Königs von Burgund. Siehe auch die vorzügliche Abhandlung im 36. Band der Bibliothèque raisonnée, p. 427-454., für die der törichte Übereifer der Christen zuweilen den schönsten Anlass lieferte. So wurde etwa Maximilianus zum Tode verurteilt, ein afrikanischer Jugendlicher, den sein Vater dem Magistrat als tauglichen Rekruten vorgeführt hatte, der sich aber beharrlich dahin erklärte, dass ihm sein Gewissen die Ausübung des Soldatenberufes verwehre. Siehe die Acte sincera, p.299. Die Berichte über diesen Märtyrertod und den des Marcellus tragen alle Merkmale von Wahrheit und Glaubwürdigkeit. Es steht auch schwerlich zu erwarten, dass irgendeine Regierung die Tat von Marcellus, dem Zenturio, ungestraft hätte durchgehen lassen. Am Tage einer öffentlichen Festivität warf dieser Offizier nämlich seinen Gurt, seine Waffen und seine Rangabzeichen von sich und erklärte mit lauter Stimme, dass er von nun an nur noch Jesus, dem ewigen König, gehorchen werde und dass er für alle Zeiten den Dienst mit einer weltlichen Waffen oder für einen götzendienerischen Herren quittiere. Sobald sich die Soldaten von ihrer Überraschung erholt hatten, wurden sie seiner habhaft. Marcellus wurde in der Stadt Tingi von dem Gouverneur jenes Teils von Mauretanien verhört; und da er standhaft bei seinem Glauben blieb, wurde er wegen Desertation verurteilt und geköpft. Acta sincera, p.302. Durch solche Beispiele schimmert nicht so sehr die Christenverfolgung hindurch als vielmehr eine intakte Militär- und Zivilgerichtsbarkeit; zugleich aber kühlten sie auch das Wohlwollen der Herrscher ab, rechtfertigten die Strenge des Galerius, der ungezählten christlichen Offizieren den Abschied gab und festigten die Meinung, dass in einer Sekte von Fanatikern, die solche extravaganten Prinzipien vertrete, sich entweder nutzlose oder demnächst wohl auch gefährliche Untertanen des Reiches befinden müssten.
BEGINN DER ALLGEMEINEN VERFOLGUNG
Nach seinem Erfolg im Perserkrieg waren Galerius' Hoffnungen und Stellung erhöht, und so durfte er einen Winter mit Diocletian im Palast zu Nicomedia verbringen: hier wurde das Schicksal des Christentums Gegenstand ihrer geheimen Beratungen. De mortibus 11. Lactantius (oder wer sonst Verfasser jener kleinen Schrift war) lebte zu jener Zeit in Nicomedia; aber es ist nur schwer vorstellbar, wie er denn so zuverlässige Kunde von den Geschehnissen im Kabinett erhalten haben will. Der erfahrene Kaiser neigte nach wie vor einer milden Gangart zu; und wenngleich er sofort damit einverstanden war, alle Christen aus dem Militär- und Hofdienst auszuschließen, malte er auch in lebhaftesten Farben die Gefahren und die Grausamkeit, die die blutige Verfolgung dieser irregeleiteten Fanatiker mit sich bringen müsse. Schließlich trotzte Galerius ihm die Erlaubnis ab, einen Kronrat einzuberufen, in dem nur einige wenige Personen von höchstem militärischem und zivilem Rang vertreten sein sollten. So wurde in ihrer Gegenwart der wichtige Punkt verhandelt, und die ehrgeizigen Höflinge bemerkten schon bald, dass es wohlgetan sein dürfte, mit ihrer Beredsamkeit dem hartnäckigen Gewaltverlangen des Caesar zu willfahren. Es kann angenommen werden, dass sie auf alle Punkte Nachdruck legten, welche den Stolz, die Frömmigkeit oder die Furcht ihres Herrschers im Zusammenhang mit der Bekämpfung des Christentums berührten. Vielleicht legten sie dar, dass das große Werk der Befreiung des Reiches unvollendet bleiben müsse, solange solchen eigenlebigen Leuten im Herzen der Provinzen zu existieren und sich auszubreiten möglich sei. Die Christen (so mochte es vordergründig scheinen) weigerten sich, die Götter und sonstigen Einrichtungen Roms anzuerkennen, hätten eine eigene Republik begründet, welche man dämpfen müsse, solange ihr noch keine eigene Kriegsmacht zu Gebote stehe; welche aber bereits ihre eigene Gesetzgebung habe, ihre Verwaltung und einen Staatsschatz und welche durch die verschiedentlichen Bischofsversammlungen ihren innersten Zusammenhalt erführe, da deren Erlassen in ihren häufigen und gutbesuchten Gläubigenkongregationen der pünktlichste Gehorsam zuteil werde. Argumente dieser Art könnten Diocletians schwankendes Gemüt bestimmt haben, die Christenverfolgung wieder aufzugreifen; allerdings sind wir aufs Raten angewiesen und nicht imstande, sichere Kunde von den geheimen Ränkespielen im Palast zu geben, von den Eifersüchteleien der Weiber oder Eunuchen und all diesen banalen, aber ausschlaggebenden Ursachen, welche sooft über das Schicksal von Königreichen und die Beschlüsse der weisesten Herrscher entschieden haben. Die einzigen Umstände, die wir entdecken können, sind die Frömmigkeit und die Eifersucht der Mutter des Galerius. Von Lactantius wird sie beschrieben als ›Deorum montium cultrix; mulier admodum superstitiosa‹ [Eine Jüngerin der Berggottheiten und äußerst abergläubische Frau]. Sie übte beträchtlichen Einfluss auf ihren Sohn aus und war durch die Missachtung einiger ihrer christlichen Sklaven empört.
ZERSTÖRUNG DER KIRCHE IN NIKOMEDIA A.D.303
Der Wille der Herrscher wurde den Christen schließlich bekannt gegeben, welche im Verlaufe dieses trübseligen Winters dem Ergebnis der zahlreichen geheimen Sitzungen entgegengebangt hatten. Der dreiundzwanzigste Februar, welcher mit dem römischen Fest der Terminalia Der Terminuskultus und das Fest dieses Gottes beschreibt Herr de Boze, Mem. de l'Académie des Inscriptions,1, p. 50. zusammenfiel, wurde festgesetzt als der Tag, (sei es nun durch Zufall oder Berechnung) der dem Vordringen des Christentums ein Ende setzen sollte. In der Morgendämmerung begab sich der Präfekt In unserer einzigen Lactantius-Handschrift lesen wir profectus [Fortschritt]. Aber aus Vernunftgründen und mit der Unterstützung aller Kenner wollen wir dieses Wort, das die ganze Passage sinnlos macht, durch praefectus [Befehlshaber] ersetzen. der Prätorianergarde, begleitet von mehreren Generälen, Tribunen und Beamten des Fiskus zu der Hauptkirche von Nicomedia, welche in einem der schönsten und bevölkerungsreichsten Viertel der Stadt errichtet war. Die Tore wurden unverzüglich aufgebrochen; man stürmte die Kirche; und als sie vergebens nach irgendwelchen Objekten der Anbetung Ausschau hielten, begnügten sie sich damit, ein paar heilige Schriften den Flammen zu übergeben. Nach den Beamten des Diocletian erschienen zahlreiche Soldaten der Wache und Pioniere, welche in Schlachtordnung marschierten und alles Kriegswerkzeug mit sich führten, das man zur Belagerung und Zerstörung einer befestigten Stadt benötigt. Durch ihre unermüdlichen Anstrengungen wurde dann in ein paar Stunden ein heiliges Haus, welches oberhalb des Kaiserpalastes thronte und die Heiden schon immer geärgert hatte, dem Erdboden gleichgemacht. Lactantius, de mortibus 12 gibt uns ein sehr anschauliches Bild von der Zerstörung der Kirche.
DAS ERSTE EDIKT GEGEN DIE CHRISTEN 23. FEBRUAR A.D. 303
Am nächsten Tage wurde das allgemeine Verfolgungsedikt veröffentlicht; Mosheim (de rebus Christianorum p. 922-926) hat aus vielen zerstreuten Textstellen bei Lactantius und Eusebios ein zutreffendes und genaues Bild von diesem Erlass gefertigt; gelegentlich allerdings greift er auf Konjekturen und Spitzfindigkeiten zurück. und obwohl Diocletian, der dem Blutvergießen nach wie vor abhold war, den Hass des Galerius zu zügeln verstanden hatte (dieser hatte vorgeschlagen, jedermann unverzüglich bei lebendigem Leibe zu verbrennen, der ein Opfer verweigerte), können wir das Strafmaß, das nun über die christliche Unbelehrbarkeit verhängt war, als hinreichend streng und wirkungsvoll ansehen. Es wurde verfügt, dass in allen Provinzen des Reiches ihre Kirchen bis auf die Fundamente zerstört werden sollten; und dass über alle die Todesstrafe auszusprechen sei, welche zum Zwecke der Andacht sich versammelten. Die Philosophen, denen nun die würdelose Aufgabe zugefallen war, dem blinden Verfolgungseifer ein Maß zu geben, hatten die Natur und die Idee des Christentums sorgfältig studiert; und da es ihnen nicht entgangen war, dass die Lehrsätze des Glaubens in den Schriften der Propheten, Evangelisten und Apostel zu finden seien, geht wohl auf sie die Empfehlung zurück, dass Bischöfe und Presbyter alle ihre heiligen Texte den Magistraten auszuliefern hätten; welche ihrerseits bei schwerster Strafandrohung diese öffentlich und feierlich zu verbrennen hatten.
Durch dasselbe Edikt wurde das Kircheneigentum ohne Ausnahme beschlagnahmt; und die einzelnen Stücke, aus denen es etwa bestehen mochte, wurden entweder dem Meistbietenden verkauft, in die kaiserliche Domäne übernommen, den Städten und anderen Körperschaften überschrieben, oder man erwies dem Betteln raffgieriger Hofschranzen eine Gefälligkeit. Nachdem man durch solche Maßnahmen das Vermögen der Christen eingetrieben und ihre Regierung aufgelöst hatte, erachtete man es für notwendig, jetzt diejenigen Individuen den härtesten Bedrängnissen zu unterwerfen, welche die Religion Roms und ihrer Vorfahren zu verabscheuen immer noch kranksinnig genug waren. Freigeborene Personen wurden aus allen Staats- und Ehrenämtern ausgeschlossen; Sklaven gingen auf immer der Aussicht auf Freilassung verlustig, und alle standen sie außerhalb des Gesetzes. Die Richter durften von nun an jede Anklage, die gegen Christen vorgebracht wurde, aufgreifen und verfolgen. Die Christen ihrerseits war Berufung gegen jedes Unrecht, das sie zu erleiden hatten, verwehrt; und so waren diese unglückseligen Sektierer ganz der Brutalität des öffentlichen Rechtes ausgesetzt, während sie zugleich von ihren Segnungen ausgeschlossen blieben. Diese neue Art von Martyrium, das so schmerzlich und langwierig war, so unwürdig und schandbar, war vielleicht am ehesten geeignet, die Standfestigkeit der Gläubigen zu erschüttern; und es kann kein Zweifel bestehen, dass die Leidenschaften und die Neigungen der Menschheit bei dieser Gelegenheit sich bereit fanden, den Entwürfen ihres Kaisers zu willfahren. Aber die Politik einer wohlgeordneten Regierung muss bisweilen auch zugunsten der verfolgten Christen eingegriffen haben; und für die römischen Herrscher war es schlechterdings unmöglich, jedem Betrugs- oder Gewaltvergehen stillschweigend Vorschub zu leisten, ohne zugleich ihre eigene Autorität und ihre übrigen Untertanen den schwersten Gefahren auszusetzen. Edward I. bediente sich viele Jahrhunderte später mit sehr gutem Erfolg derselben Verfolgungsmethoden gegen Englands Geistlichkeit. Siehe hierzu David Hume, History of England, Band 2, p. 300 in der neuesten Ausgabe in 4to.
GLAUBENSEIFER UND BESTRAFUNG EINES CHRISTEN
Der Text des Erlasses war in Nicomedia kaum an einem stark frequentierten Platz angeschlagen, als ein Christ ihn auch schon wieder herunterriss und zugleich mit bittersten Schmähungen seine Verachtung und sein Entsetzen über dieses gottlose Gewaltregime kundtat. Sein Vergehen war, auch bei freundlichster Auslegung der Gesetze, Hochverrat und mit dem Tode bedroht. Und die Tatsache, dass es eine Person von Rang und Erziehung gewesen sein soll, mehrte nur noch die Schuld. Er wurde mit einem kleinen Feuer verbrannt, oder vielmehr geröstet, und seine Henker, begierig, die Schmach an ihren Herrschern zu sühnen, besannen sich auf alle Kunstgriffe ihres Gewerbes, ohne jedoch seine Standhaftigkeit erschüttern oder sein beharrliche Hohnlächeln abstellen zu können, mit dem er noch im Todeskampf seine Gemütsruhe bewies. Die Christen mussten sich zwar eingestehen, dass sein Verhalten sich mit den Geboten der Klugheit nicht eigentlich vertrug, bewunderten aber die fast göttliche Inbrunst seiner Glaubensüberzeugung; und das überschwängliche Lob, mit dem sie das Gedächtnis an ihren Helden und Märtyrer überschütteten, bewirkte vor allem, dass sich im Gemüt Diocletians Furcht und Hass einfraßen. Lactantius de mortibus 12 nennt ihn bloß ›quidam, etsi non recte, magno tamen animo‹ [jemand, wenn auch nicht richtig, so doch mit viel Mut]. Eusebios (Historia 8,5) stattet ihn mit irdischen Ehren aus. Keiner der beiden war es sich schuldig, seinen Namen zu erwähnen; aber die Griechen feiern sein Andenken unter dem Namen Ioannes. Siehe Tillemont, Mémoires Ecclésiastiques, Bd. 5, Teil 2, p.320.
CHRISTEN FÜR DEN BRAND IM PALAST VERANTWORTLICH GEMACHT
Seine Besorgnisse wurden bald darauf vertieft durch ein gefährliches Vorkommnis, dem er nur mit genauer Not entkam. Innerhalb von fünfzehn Tagen standen der Palast und sogar das Schlafgemach des Diocletian zweimal in Flammen. Und wenn die Brände auch beide Male keinen nennenswerten materiellen Schaden hinterließen, so brachte doch die Wiederholung des Feuers den naheliegenden Gedanken auf, dass Zufall oder Nachlässigkeit nicht die Ursachen gewesen sein konnten. Der Verdacht fiel naturgemäß auf die Christen; und man argwöhnte, einigermaßen plausibel, dass diese zum Äußersten entschlossenen Fanatiker, veranlasst durch ihre augenblickliche Bedrängnis und die Furcht vor künftiger Verfolgung, mit ihren Glaubensbrüdern, den Palasteunuchen, eine Verschwörung gegen das Leben der beiden Herrscher eingegangen seien, in welchen sie die unversöhnlichen Feinde der Kirche Gottes sehen mussten. Argwohn und Groll erfüllte jedermanns Brust, insonders aber die Diocletians. Zahlreiche Personen, ausgezeichnet vor anderen durch den Posten, den sie innehatten, oder die Gunst, derer sie sich erfreuten, wurden ins Gefängnis geworfen. Jede erdenkliche Art von Folter wurde praktiziert, und Palast und Stadt schwammen im Blute der vielen Hinrichtungen. Lactantius de mortibus 13 und 14. ›Potentissimi quondam Eunuchi necati, per quos palatium et ipse constabat‹ [Damals wurden die einflussreichsten Eunuchen getötet, welche doch den Palast und ihn selbst stützten]. Eusebios (Historia 8,6) erwähnt die grausame Hinrichtung der Eunuchen Gorgonius und Dorotheus, sowie des Bischofs von Nicomedia, Anthimius; und beide schildern in unbestimmt-tragischer Diktion die furchtbaren Szenen, denen selbst der Kaiser beiwohnte. Da es aber unmöglich war, die Hintergründe des mysteriösen Geschehens aufzudecken, bleibt es uns überlassen, die Unschuld der Dulder zu vermuten oder ihre Standhaftigkeit zu bewundern. Ein paar Tage später entfernte sich Galerius in Hast aus Nicomedia mit der Erklärung, dass er, sollte er nur noch ein weniges länger in jenem verfluchten Palaste verweilen, notwendig dem Zorn der Christen zum Opfer fallen werde. Die Kirchengeschichtsschreiber, auf die allein unsere gefärbte und unvollständige Kunde jener Verfolgung zurückgeht, bleiben uns die Erklärung für die Furcht der Herrscher schuldig. Zwei dieser Autoren, ein Prinz und ein Redner, sind Augenzeugen des Brandes in Nicomedia; der eine schreibt ihn einem Gewitter und dem Zorn Gottes zu; der zweite behauptet, dass Galerius in seiner Bösartigkeit selbst gezündelt habe. Siehe Lactantius, Eusebios und Konstantin, ad coetum sanctorum 25. Eusebios bekennt bezüglich des Feuers seine Unwissenheit.
EXEKUTION DES ERSTEN EDIKTES
Da das Edikt gegen die Christen Gesetzescharakter hatte und sich seine Gültigkeit auf das ganze Reich ausdehnte, und da Diocletian und Galerius der Mithilfe ihrer beiden Mitregenten im Westen sicher sein durften, wenn auch nicht ihrer freudigen Zustimmung, würde es unseren Vorstellungen von Politik eher entsprechen, wenn die einzelnen Provinzstatthalter die geheime Anordnung erhalten hätten, das Dekret an ein und demselben Tage in ihren jeweiligen Bezirken bekannt zu machen. Zumindest stand es zu erwarten, dass die Bequemlichkeit des öffentlichen Straßensystems und der festen Stationen es den beiden Herrschern ermöglicht hätte, ihre Befehle ohne jeden Verzug von Nicomedia bis an die äußersten Grenzen des römischen Reiches zu übermitteln; und wenig hätten sie es deshalb gelitten, wenn ihr Wille erst nach dem Ablauf von fünfzig Tagen in Syrien und erst nach fast vier Monaten in Afrikas Städten bekannt werde. Tillemont, Mémoires Ecclésiastiques, Bd. 5, Teil 1, p.43. Diese Verzögerung kann möglicherweise auf Rechnung der abwägenden Natur des Diocletian gesetzt werden, welcher sich den Maßnahmen nur mit vielem Vorbehalt angeschlossen hatte und ihre Durchführung lieber mit eigenen Augen aus unmittelbarer Nähe beobachten wollte, bevor er Unruhe und Unzufriedenheit lostrat, die sich naturnotwendig in den entlegeneren Provinzen einstellen mussten. Zunächst jedoch wurden die Magistrate vom bloßen Blutvergießen abgehalten; jede andere Maßnahme aber wurde ihnen erlaubt und sogar anempfohlen; auch konnten sich die Christen nicht entschließen, ihre religiösen Zusammenkünfte einzustellen und ihre heiligen Schriften den Flammen zu überantworten, selbst wenn sie sich damit abfanden, ihre Kirchen des Schmucks zu berauben.
Der fromme Starrsinn von Felix, einem afrikanischen Bischof, scheint sogar die untergeordneten Mitarbeiter der Verwaltung beschämt zu haben. Der Kurator seiner Stadt schickte ihn in Ketten zum Prokonsul. Der Prokonsul überantwortete ihn dem italienischen Prätorianerpräfekten; und Felix, der sich sogar zu schade war, auch nur ausweichend zu antworten, wurde schließlich in Venusia in Lukanien hingerichtet, welcher Ort durch die Geburt des Horaz berühmt ist. Siehe die acta sincera p.353; die Akten von Felix von Thibaris oder Tibiur sind deutlich weniger verfälscht als in anderen Ausgaben, welche ein lehrreiches Beispiel für legendenbildende Erfindung abgeben. Dieser Präzedenzfall und vielleicht noch einige zusätzlich erlassene kaiserliche Reskripte brachten es in der folgenden Zeit mit sich, dass die Provinzgouverneure die Vollmacht besaßen, immer dann auf die Todesstrafe zu erkennen, wenn Christen die Herausgabe ihrer heiligen Bücher verweigerten. Ohne Zweifel gab es viele Personen, welche die Gelegenheit nutzten, sich die Märtyrerkrone zu erwerben; aber ebenso gut gab es deren viele, welche sich für ein Leben in Schande entschieden, indem sie ihr heiliges Schrifttum entdeckten und den Händen der Ungläubigen überlieferten. Eine große Anzahl von Bischöfen und Presbytern erwarben sich durch diese schmachvolle Fügsamkeit den Ekelnamen eines Traditors; und ihr Vergehen war für die afrikanische Kirche zugleich Ursache für so manches Ärgernis in der Gegenwart und für zahlreiche zukünftige Zerwürfnisse. Siehe das Buch 1 des Optatus von Mileve gegen die Donatisten. Er lebte unter Kaiser Valens.
ZERSTÖRUNG DER KIRCHEN
Die Abschriften und Übersetzungen des heiligen Schrifttums waren im römischen Imperium bereits so stark verbreitet, dass auch durch die strengsten Inquisition keine nennenswerten Schäden zu befürchten standen; und selbst die Vernichtung jener Bände, welche in jeder Gemeinde für den öffentlichen Gebrauch bereitlagen, setzte voraus, dass es verräterische und unwürdige Christen gab. Aber die Zerstörung der Kirchengebäude durch die Autorität der Regierung und durch die Mithilfe der Heiden ging leichter von der Hand. In einigen Provinzen begnügten sich die Magistrate zwar damit, die Orte religiöser Erbauung nur zu verschließen; in anderen legten sie dafür die Maßgaben des Ediktes wörtlich aus: nachdem sie die Tore entfernt hatten, wurden Bänke und Kanzel wie ein Scheiterhaufen bei einer Beerdigung abgebrannt und der Rest des Gebäudes völlig zerstört. Die antiken Dokumente an Schluss des Werkes von Optatus (p.261ff.) beschreiben höchst umständlich die Vorgehensweise der Statthalter bei der Zerstörung der Kirchen. Zunächst wurde ein detailliertes Inventar der einzelnen Gerätschaften angelegt, die sie in der Kirche vorfanden. Das aus der Kirche von Cirta in Numidien ist auf uns gekommen: es bestand aus zwei Goldkelchen und sechs aus Silber, sechs Urnen, einem Kessel, sieben Lampen, alle ebenfalls aus Silber; daneben allerlei Messingutensilien und Gewänder.
Wir sollten diese trübselige Gelegenheit wahrnehmen, eine Geschichte zu erzählen, die in so vielen verschiedenen Fassungen und mit derartig unwahrscheinlichen Begleitumständen überliefert ist, dass sie eher geeignet ist, unsere Neugier weiter anzustacheln als sie zufriedenzustellen. In einer Kleinstadt in Phrygien – Name und Lage bleiben uns unklar – hatte die gesamte Bevölkerung und der Magistrat den christlichen Glauben angenommen; und da nun bei der Durchführung des Ediktes einiger Widerstand zu befürchten war, ließ sich der Provinzgouverneur von einer Legionärsabteilung begleiten. Bei ihrem Herannahen flüchteten sich die Bürger in die Kirche, entschlossen, entweder das Heiligtum mit Waffengewalt zu verteidigen oder mit ihm zu verderben. Mit Empörung wiesen sie den freien Abzug zurück, bis die Soldaten schließlich, durch diese halsstarrige Weigerung aufgebracht, das Gebäude von allen Seiten anzündeten und infolge dieses beispiellosen Martyriums an zahlreichen Phrygiern sowie deren Weibern und Kindern zum Henker wurden. Lactantius (Divinae institutiones 5,11) begrenzt die Zerstörung auf das Conventiculum und die Gemeinde. Eusebius (Historia 8,11) dehnt es bereits auf die ganze Stadt aus und deutet noch so etwas wie eine regelrechte Belagerung an. Rufinus, sein antiker lateinischer Übersetzer, fügt den wichtigen Umstand hinzu, dass den Bewohnern freier Abzug gewährt wurde. Da Phrygien an Isaurien grenzt, ist es denkbar, dass die rastlose Gemütsverfassung dieser Barbaren zu diesem Unglücksfall auch noch einen Beitrag geleistet hat.
DER UMFANG DER VERFOLGUNGEN...
Einige kleinere Störungen in Syrien und den Grenzen Armeniens, die bereits in dem Moment behoben waren, als sie auftraten, lieferten den Feinden der Kirche einen hochwillkommenen Hintergrund für das Gerücht, dass alle diese Probleme heimlich durch die Ränke der Bischöfe angestiftet worden seien, welche offenbar ihr feierliches Versprechen für unbedingten und unbegrenzten Gehorsam vergessen hätten. Eusebios, Historia 8,6. Herr de Valois glaubt (wohl nicht ohne Grund), die syrische Rebellion in einer Libanios-Rede entdeckt zu haben; und dass es sich hierbei nur um ein unbedachtes Unternehmen des Tribunen Eugenius gehandelt habe, der mit lediglich 500 Mann Antiochia besetzt hatte und dabei die Christen durch das Versprechen freier Religionsausübung auf seine Seite gezogen hatte. Aus einer Textstelle bei Eusebius (Historia 9,8) und bei Moses von Chorene (Historia Armeniaca 2,77ff) lässt sich folgern, dass das Christentum in Armenien bereits Fuß gefasst hatte. Der Zorn oder auch nur die Angst veranlassten Diocletian, die Mäßigung, die er bis dahin beobachtet hatte, aufzugeben und in einer Serie von grausamen Ordern seine Absicht zu bekunden, den christlichen Namen auszulöschen. In dem ersten dieser Edikte erhielten alle Provinzstatthalter die Anweisung, alle Personen von kirchlichem Rang zu verhaften; und die Zuchthäuser, bestimmt für die gewöhnlichsten Verbrecher, füllten sich alsbald mit Bischöfen, Presbytern, Diakonen, Vorlesern und Exorzisten. In einem zweiten Runderlass wurden die Magistrate angewiesen, jede nur erdenkliche Strenge walten zu lassen, um sie von ihrem finsteren Aberglauben abzubringen und sie der vorschriftsmäßigen Verehrung der etablierten Gottheiten zuzuführen. In einem Folgeedikt wurde dieser strenge Befehl auf das gesamte Kirchenvolk ausgedehnt, das somit einer grausamen und umfassenden Verfolgung ausgesetzt war. Mosheim, de rebus Christianorum p. 938. Der Text des Eusebios zeigt klar und deutlich, dass Statthalter, deren Macht durch die neue Gesetzgebung nicht beschränkt, sondern erweitert wurde, über die beharrsamsten Christen die Todesstrafe verhängen konnten. Anstelle jene heilsame Zurückhaltung zu üben, die dem Zeugnis eines Anklägers gegenüber angezeigt ist, wurde es nunmehr zur Pflicht und zum wohlverstandenen Interesse eines kaiserlichen Beamten, die abscheulichsten dieser Gläubigen aufzuspüren, zu verfolgen und zu foltern. Schwere Strafen drohten auch allen denen, welche sich erkühnen sollten, einen gesuchten Christen vor dem gerechten Zorne der Götter und des Kaiser in Schutz zu nehmen. Und dennoch und dieser brutalen Gesetze ungeachtet, hatte die Courage vieler Heiden dadurch, dass sie manchen christlichen Freund oder Verwandten versteckt hielt, den ehrenvollen Beweis erbracht, dass abergläubische Tobsucht in ihren Gemütern die Stimme der Natur und der Humanität noch nicht zum Schweigen gebracht hatten. Athanasius, Opera, p. 833; bei Tillemont, Memoires ecclésiastiques Band 5, Teil 1, p. 90.
Diocletian hatte kaum diese Edikte gegen die Christen in die Welt gesetzt, als er auch schon danach verlangte, das Werk der Verfolgung in andere Hände zu legen und den kaiserlichen Purpur ablegte. Die Gemütsverfassung und Eigeninteressen seiner Kollegen und Nachfolger im Amte nötigten sie zuweilen, die Ausführung dieser strengen Gesetze noch zu verschärfen oder auch abzumildern. Und eine angemessene und genaue Vorstellung von dieser wichtigen Periode der Kirchengeschichte werden wir nicht gewinnen können, bevor wir nicht die Lage der Christen in den verschiedenen Teilen des Reiches untersucht haben, wie sie in den zehn Jahren zwischen den ersten Edikten des Diocletian und dem schließlichen Frieden mit der Kirche bestand.
... IN DEN PROVINZEN UNTER CONSTANTIUS UND CONSTANTIN
Constantius' milder und menschenfreundlicher Charakter war der Unterdrückung aller seiner Untertanen abgeneigt. Die wichtigsten Ämter bei Hofe hatten Christen inne. Er schätzte sie persönlich, freute sich ihrer Zuverlässigkeit und hegte gegen ihr Bekenntnis keinerlei Vorbehalte. Aber solange Constantius in der untergeordneten Stellung eines Caesar verblieb, hatte er keine Handhabe, die Erlasse des Diocletian zurückzuweisen oder Maximianus geradezu den Gehorsam zu verweigern. Immerhin konnte er kraft seiner Stellung manches Leiden mildern. Widerstrebend willigte er in die Zerstörung von Kirchenbauten ein; aber er wagte es doch, die Christen vor der Wut des Mobs und vor der Strenge des Gesetzes zu schützen. Auch die gallischen Provinzen (zu denen wir hier ebenfalls die britannischen zählen wollen) standen bei ihm in der Schuld für die beispiellose Ruhe, die sie der freundlichen Vermittlung ihres Souveräns verdankten. Eusebius, Historia 8,13; Lactantius de mortibus 15. – Dodwell (Dissertationes Cyprianicae 11,75) findet die beiden in einem Widerspruch. Der Erstere indessen spricht offenkundig von Constantius als Caesar, während der Zweite denselben Herrscher in seiner Stellung als Augustus meint.
Aber Datianus, Statthalter in Spanien, den entweder religiöser Eifer oder politische Rücksichten spornten, zog es vor, die Edikte seines Kaisers zu exekutieren, anstelle sich zu den geheimen Absichten des Constantius zu verstehen. Und es ist kein Zweifel möglich, dass seine Provinzialverwaltung mit dem Blute verschiedener Märtyrer besudelt ist. Von Datianus liest man in Gruters Inschriftensammlung, dass er die Grenzen der Stadtgebiete von Pax Iulia und Ebora festgelegt habe, zwei Städten im südlichen Lusitanien. Vergegenwärtigen wir uns die Nähe dieser Städte zu Kap St. Vincente, gelangen wir zu der Vermutung, dass der berühmte Diakon und Märtyrer dieses Namens von Prudentius etwas ungenau Saragossa oder Valentia zugeschrieben wurde. Siehe hierzu die barock ausgeführte Leidensgeschichte bei Tillemont, Mémoires ecclésiastiques Band 5, Teil 2, p. 58-85. Einige Gelehrte meinen, dass der Reichsteil des Constantin, als er noch ein Caesar war, Spanien nicht einbegriff, sondern unmittelbar dem Maximian unterstellt war. Die Erhebung zur obersten und unabhängigen Augustuswürde gab Constantius' Tugenden freies Betätigungsfeld, und auch seine kurzbemessene Regierungszeit hielt ihn nicht davon ab, ein System der Toleranz zu etablieren, was für seinen Sohn Constantin beispielgebend wirkte. Sein glücklicher Sohn, der sich vom ersten Augenblick seiner Thronbesteigung zum Beschützer der Kirche aufwarf, wurde am Ende als der Kaiser bezeichnet, welcher als erster überhaupt öffentlich das Christentum bekannte und zuließ. Die Motive für seinen Glaubensübertritt werden verschiedentlich auf Wohlwollen, Politik, Bekehrung oder Reue zurückgeführt; und der Fortgang dieser Umwälzung, welche unter seinem und seiner Söhne machtvollen Einfluss das Christentum zur alleinigen Religion des römischen Reiches machte, wird im zweiten Band dieser Geschichte ein eigenes, sehr interessantes und wichtiges Kapitel bilden. Zunächst wollen wir uns mit der Feststellung begnügen, dass jeder Sieg Constantins der Kirche zu einiger Erleichterung oder anderen Vorteilen verhalf.
-ITALIEN UNTER MAXIMIANUS UND SEVERUS
Italien und Afrika durchlitten eine kurze, wenn auch brutale Verfolgung. Diocletians barbarisches Edikt wurde von seinem Mitregenten Maximian pünktlich und freudig umgesetzt, da er schon immer Hass gegen die Christen gehegt und überhaupt an Blutvergießen und Gewalttätigkeit seine Freude hatte. Im Herbst des ersten Jahres der Verfolgung trafen sich die beiden Herrscher, ihren Triumph zu begehen; auf ihren geheimen Beratungen scheinen sie einige weitere Unterdrückungs-Vorschriften geheckt zu haben, und der Diensteifer der Magistrate erfuhr während der Anwesenheit ihrer kaiserlichen Herrscher rechte Befeuerung. Nachdem Diocletian abgedankt hatte, wurden Italien und Afrika durch Severus verwaltet und waren schutzlos den Hassgefühlen ihres Gebieters Galerius ausgesetzt. Unter den römischen Märtyrern verdient Adauctus die Aufmerksamkeit der Nachwelt. Er stammte aus einer angesehenen Familie Italiens und hatte sich durch die einzelnen Stufen in der Palasthierarchie bis zu dem wichtigen Amt des kaiserlichen Schatz- und Domäneverwalters emporgearbeitet. Adauctus ist bemerkenswert deshalb, weil er die einzige Person von Rang ist, die während dieser allgemeinen Verfolgung den Märtyrertod gestorben ist. Eusebius, Historia 8,11; Gruter, Inscriptiones, Band 30, p.1171, No.18. Rufinus irrte sich, was das Amt des Adauctus und den Ort seines Märtyrertodes anbetraf.
UNTER MAXENTIUS
Die Revolte des Maxentius brachte den Kirchen Italiens und Afrikas beinahe augenblicklich Frieden; und tatsächlich zeigte sich dieser Tyrann, der seine Untertanen ausnahmslos unterdrückte, gegenüber den bedrängten Christen gerecht, human und sogar für sie eingenommen. Er rechnete auf ihre Dankbarkeit und Zuneigung und kalkulierte ganz folgerichtig, dass das Unrecht, welches sie erlitten hatten und die Gefahren, die ihnen auch künftig von ihren unversöhnlichsten Feinden drohen mochten, zumindest ihm die Ergebenheit einer Gruppe sichern würde, welche nach Anzahl und Reichtum bereits recht ansehnlich geworden war. Eusebius, Historia 8,14. Da Maxentius von Constantin besiegt wurde, fügte es sich zur Konzeption des Lactantius, ihm im Tode eine Stellung unter den Verfolgern der Kirche zuzuweisen. Sogar das Auftreten des Maxentius gegenüber dem Bischof von Rom und Karthago kann als Beweis für seine Toleranz gelten, da vermutlich selbst die orthodoxesten Fürsten gegenüber dem Klerus eine solche Haltung eingenommen haben würden. Marcellus, der erstere dieser beiden Prälaten, hatte in der Hauptstadt für Unruhe gesorgt, indem er schwere Strafen über die zahlreichen Christen verhängte, welche während der letzten Verfolgung ihrem Glauben abgeschworen oder ihn verleugnet hatten. Es kam zwischen den Fraktionen zu häufigem und schmerzlichem Hader; die einen Gläubigen vergossen das Blut der anderen Gläubigen; und erst die Verbannung des Marcellus, dessen Verstandeskräfte sichtlich nicht an seinen Glaubenseifer heranreichten, schien das einzige wirksame Mittel zu sein, der gequälten Kirche Roms den Frieden zurückzugeben. Die Grabinschrift des Marcellus findet sich bei Gruter, Inscriptiones, Band 30, p. 1172, Nr. 3. Sie enthält alles, was wir von seiner Geschichte wissen. Marcellinus und Marcellus, deren Namen in der Liste der Päpste einander folgen, werden von mehreren Gelehrten für zwei unterschiedliche Personen angesehen; der gelehrte Abbé von Longuerue war überzeugt, dass beide nur ein und dieselbe Person bezeichnen. – Veridicus rector lapsis quia crimina flere/ Praedixit miseris, fuit omnibus hostis amarus./ Hinc furor, hinc odium; sequitur discordia, lites/ Seditio, caedes; solvuntur foedera pacis./ Crimen ob alterius, Christum qui in pace negavit/ Finibus expulsus patriae est feritate Tyranni./ Haec breviter Damasus voluit comperta referre:/ Marcelli populus meritum cognoscere posset. [Wahrsprechender Herrscher, er sagte voraus, dass die Strauchelnden weinen würden ob der Anschuldigungen und der Fremdling durch alles Unglück verbitterr sei. Schrecken und Hass kamen von hier; es folgten Zwietracht, Streit, Aufruhr, Mord; gebrochen wurden Friedensverträge, wegen anderer Anschuldigung wurde, wer Christus im Frieden verleugnet hat, durch Tyrannenwut aus dem Vaterland vertrieben. Hiervon wollte Damasus bündig berichten, auf dass das Volk Marcellus' Verdienste erkennen möge]. Wir möchten noch anmerken, dass Damasus A.D. 366 Bischof zu Rom ward.
Die Aufführungen des Mensurius, Bischofs zu Karthago, scheinen wenn möglich noch dümmer gewesen zu sein. Ein Diakon der Stadt hatte ein Schriftchen gegen den Kaiser an die Öffentlichkeit gebracht. Der Übeltäter nahm Zuflucht im Bischofspalast; und wenn auch die Zeit dazu noch nicht reif war, so etwas wie Kirchenasyl zu beanspruchen, so weigerte sich der Bischof gleichwohl, ihn den Organen der Gerechtigkeit auszuliefern. Für diese an Hochverrat grenzende Renitenz wurde Mensurius vor den Gerichtshof geladen und durfte, ob er gleich nach dem Gesetz die Todesstrafe oder das Exil verdient hätte, nach kurzer Befragung in seine Diözese zurückkehren. Optatus, de Schismate Donatistarum 1,17 und 18. So glückhaft war die Lage der Christenheit unter Maxentius, dass sie, wenn sie für ihre eigene Kirche einen Märtyrer-Leichnam benötigte, ihn sich aus den entlegensten Provinzen des Ostens beschaffen musste.
Es ist uns hier die Geschichte der Aglae überliefert, einer römischen Dame aus konsularischer Familie, die im Besitze so ausgedehnter Ländereien war, dass zu deren Bewirtschaftung dreiundsiebzig Meier benötigt wurden. Unter diesen war Bonifatius der Favorit seiner Herrin; und da Aglae himmlische und irdische Liebe bisweilen nicht auseinander hielt, gestattete sie ihm wohl auch, wie wir hören, das Bett mit ihr zu teilen. Ihr Vermögen erlaubte es ihr, sich das fromme Verlangen nach Reliquien aus dem Osten zu erfüllen. Sie vertraute Bonifacius eine beträchtliche Summe Goldes und allerlei Spezereien an; und ihr Liebhaber, von zwölf Reitersleuten und drei bedeckten Wagen eskortiert, unternahm eine ausgedehnte Pilgerfahrt bis ins ferne Tarsus in Kilikien. Die Märtyrerakten des St. Bonifatius, die von Wundern und rhetorischem Pathos überquellen, hat Ruinart (Acta sincera, p. 283-291) in Griechisch und Latein herausgegeben, gestützt auf die Reputation sehr alter Manuskripte.
DER OSTEN UNTER GALERIUS UND MAXIMINUS
Die jähzornige Gemütsverfassung des Galerius, des ersten und bedeutendsten Urhebers einer Verfolgung, war besonders denjenigen Christen fürchterlich, welche das Unglück hatten, ausgerechnet in seinem Herrschaftsbereich leben zu müssen; und man kann getrost annehmen, dass alle Personen von mittlerer Vermögenslage, die mithin durch die Ketten des Reichtums oder der Armut nicht gebunden waren, in Scharen aus ihrer Heimat auswanderten und in den duldsameren Regionen des Westens ihr Refugium suchten. Solange er nur die Armeen und die Provinzen Illyriens unter sich hatte, konnte er eine nennenswerte Anzahl von Märtyrern weder auffinden noch hervorbringen in diesem kriegerischen Lande, welches den Predigern des Evangeliums mit mehr Herzenskühle und Ablehnung begegnet war als alle anderen Provinzen des Reiches. Für die ersten vier Jahrhunderte gibt es nur schwache Indizien für Bischöfe oder Bistümer in Westillyrien. Man hat auch daran gedacht, dass Mailand seine Diözesangrenzen bis nach Sirmium, die Hauptstadt jener großen Provinz, ausgedehnt hatte. Siehe ›Geographica sacra‹ von Charles de Saint Paul, p. 68-76, und die Anmerkungen des Lucas Holstenius. Als aber Galerius die Oberherrschaft über den Osten angetreten hatte, lebte er in ganzem Umfange seiner Grausamkeit und seinem Fanatismus, und zwar nicht nur in Thrakien und Asien, welche seiner direkten Jurisdiktion unterstellt waren, sondern auch in Syrien, Palästina und Ägypten, wo Maximinus seine eigenen Neigungen befriedigte, indem er den strengen Anweisungen seines Wohltäters aufs pünktlichste willfahrte. Das achte Buch des Eusebios sowie die Ergänzung über die Märtyrer von Palästina berichten hauptsächlich von den Verfolgungen des Galerius und des Maximinus. Die allgemeinen Klagen zu Beginn des 5. Buches ›Divinae Institutiones‹ des Lactantius spielen auf ihre Grausamkeit an.
Das häufige Scheitern seiner ehrgeizigen Pläne, die Erfahrung aus sechs Jahren Verfolgungstätigkeit und das heilsame Nachdenken während einer langwierigen und schmerzhaften Krankheit brachten Galerius den Gedanken nahe und überzeugten ihn endlich davon, dass auch die gewalttätigsten Anstrengungen des Despotismus nicht ausreichen, ein ganzes Volk auszulöschen oder seine religiöse Meinungen zu unterdrücken. Von dem Wunsche beseelt, das angerichtete Unrecht zu bereinigen, veröffentlichte er in seinem eigenen Namen und in dem des Licinius und Constantin ein allgemeines Edikt, welches nach pompöser Parade aller seiner kaiserlichen Titel fortgesetzt wurde wie folgt:
DAS TOLERANZEDIKT DES GALERIUS
›Unter die bedeutenden Gegenstände der Sorge, die unsere Aufmerksamkeit zum Nutzen und Besten des Reiches beschäftigten, war auch unsere Absicht zu rechnen, die althergebrachten Gesetze und die öffentliche Ordnung Roms wiederherzustellen. Insonders ließen wir es uns angelegen sein, die irregeleiteten Christen auf die Pfade der Vernunft und der Natur zurückzuführen, hatten sie doch Religion und Riten ihrer Väter drangegeben, unter übermütiger Verachtung der alten Bräuche des Altertums neue ausschweifende Gesetze und Meinungen ersonnen, wie ihr Wahn sie ihnen eingab und endlich in den verschiedenen Provinzen unseres Reiches eine mannigfaltige Anhängerschaft um sich versammelt. Da nun unsere Erlasse, die zur Verehrung der Götter ermuntern sollten, vielen Christen Gefahren und Kummer verursacht, vielen sogar den Tod gebracht und viele, die noch immer in ihrer gottlosen Torheit verharren, von jeder Form der öffentlichen Anbetung ausgeschlossen haben, sind wir nunmehr geneigt, jene Unglücklichen an den Segnungen unserer bewährten Milde teilhaftig werden zu lassen. Wir gestatten ihnen daher, ihre privaten Meinungen öffentlich zu bekennen und sich in ihren Gebetshäusern ohne Furcht und Beschwernis zu versammeln, immer vorausgesetzt, dass sie den gehörigen Respekt vor Gesetz und Regierung des Reiches beobachten. Durch fernere Reskripte soll dieser unser Wille den Richtern und Magistraten bekannt werden; und wir hoffen, dass unsere Milde die Christen dazu ermuntern möge, in ihren Gebeten an die Gottheit, die sie verehren, um unsere Sicherheit und Heil, ihre eigene und das der Republik zu bitten.‹ Eusebios Historia 8,17) hat uns eine griechische Fassung und Lactantius (de mortibus 34) das lateinische Original dieses denkwürdigen Dokumentes überliefert. Beiden Autoren scheint es nicht mehr gegenwärtig zu sein, wie unmittelbar es dem widerspricht, was sie zuvor von Galerius' Gewissensbissen und Reue zu berichten wussten.
Man findet den wahren Charakter oder die geheimen Beweggründe eines Herrschers üblicherweise nicht im Sprachduktus seiner Edikte und Manifeste; da aber dies die Worte eines sterbenden Kaisers waren, so mag diese besondere Situation vielleicht auch die Gewähr für seine Aufrichtigkeit bieten.
FRIEDEN DER KIRCHE
Als Galerius dieses Toleranzedikt unterzeichnete, war er sich durchaus bewusst, dass Licinius sich den Absichten seines Freundes und Gönners bereitwillig anschließen und auch Constantin jede Maßnahme zugunsten der Christen billigen würde. Aber den Namen des Maximinus, an dessen Zustimmung alles gelegen war und der nur wenige Tage später in den Provinzen Asiens die Nachfolge antreten würde, in die Präambel zu setzen riskierte der Kaiser denn doch nicht. In den ersten sechs Regierungsmonaten bemühte sich Maximinus, die weisen Ratschläge seines Vorgängers umzusetzen; und wenn er auch niemals die Sicherheit der Kirche durch ein öffentliches Edikt zu garantieren sich herbeiließ, so verfasste doch Sabinus, sein Prätorianerpräfekt, ein Rundschreiben an alle Provinzgouverneure und Magistrate, in welchem er sich über die milde Gesinnung des Kaisers verbreitete, ferner die unüberwindbare Glaubenshartnäckigkeit der Christen eingestand und die Justizbeamten anwies, ihre fruchtlosen Verfolgungen einzustellen und die heimlichen Zusammenkünfte jener Enthusiasten geschehen zu lassen. Infolge dieses Schreibens wurden viele Christen aus dem Gefängnis oder den Bergwerken entlassen. Diese Bekenner kehrten in ihre Heimatländer zurück, Siegeshymnen auf den Lippen; und diejenigen, welche sich vordem der Gewalt gebeugt hatten, flehten mit Tränen der Reue um Wiederaufnahme in den Schoß der Kirche. Eusebios, Historia 9,1. Den Brief des Präfekten hat er beigefügt.
MAXIMINUS PLANT NEUE VERFOLGUNGEN
Aber diese Ruhe war nur trügerisch und von kurzer Dauer; noch konnten die Christen des Ostens irgendein Vertrauen in den Charakter ihres Herrschers setzen. Maximinus Seele besaß zwei vorherrschende Leidenschaften, Grausamkeit und Aberglauben. Die erste gab ihm die Mittel, die zweite die Objekte seiner Nachstellungen vor. Der Kaiser hatte sich der Anbetung seiner Götter, dem Studium der Magie und der Orakel gewidmet. Propheten oder Philosophen, die er als die eigentlichen Günstlinge des Himmels verehrte, waren oftmals bis in den Rang eines Provinzgouverneurs emporgestiegen oder hatten Teil an seinen geheimsten Beratungen. Sie überzeugten ihn leichterhand, dass die Christen ihren Sieg in erster Linie ihrer Disziplin zu danken hatten und dass die Schwäche des Polytheismus aus einem Mangel an Einigkeit und Gehorsam der Diener der Religion entstanden sei.
So wurde also ein Regierungssystem etabliert, welches erkennbar dem der Kirche nachempfunden war. In allen Großstädten wurden die Tempel auf Geheiß des Maximinus instand gesetzt und verschönert; und die amtierenden Priester der verschiedenen Gottheiten wurden der Autorität eines obersten Pontifex unterstellt, welcher das Gegengewicht zu den Bischöfen bilden und überhaupt die Sache des Heidentums fördern sollte. Diese Oberpriester ihrerseits anerkannten die oberste Gerichtsbarkeit eines Metropoliten oder Hohepriesters der Provinz, welche als unmittelbare Stellvertreter des Kaisers fungierten. Eine weiße Robe war das Abzeichen ihrer Würde; und man rekrutierte sie mit besonderer Sorgfalt und lediglich aus den vornehmsten und reichsten Familien. Auf Betreiben der Magistrate und der Priesterschaft trafen denn auch die pflichtschuldigen Dankadressen ein, insbesondere aus den Städten Nikomedia, Antiochia und Tyros, welche die wohlbekannten Absichten des Hofes mit artigen Worten als den allgemeinen Volkswillen darzustellen wussten; die den Herrscher anflehten, auf Recht und Gesetz und nicht auf die Gebote seines milden Herzens zu hören; und demütig darum baten, es möchten jene gottlosen Sektierer wenigstens aus den Grenzen ihres jeweiligen Landes verbannt werden. Die Antwort des Maximinus auf die Ergebenheitsadresse der Stadt Tyros ist uns überliefert. Er rühmt ihren Eifer und ihre Anhänglichkeit mit Ausdrücken höchster Genugtuung, fabelt in behaglicher Ausführlichkeit über den halsstarrigen Unglauben der Christen und verrät durch die Bereitschaft, mit welcher er ihren Verbannungsurteilen zustimmt, dass er sich hier eher als Befehlsempfänger und weniger als Befehlsgeber ansehe. Priester und Magistrate erhielten die Vollmacht, die Exekution seines Erlasses noch zu verschärfen, welcher übrigens auf Bronzetafeln eingraviert wurde; und wenn es ihnen auch nahe gelegt wurde, Blutvergießen zu vermeiden, wurden wenigstens über die besonders störrischen Christen die grausamsten und schimpflichsten Strafen verhängt. Siehe Eusebios, Historia 8,14 und 9,2-8; Lactantius, de Mortibus 36. Beide Autoren wollen in gleicher Weise die Finessen des Maximinus darlegen: aber der Erste berichtet von der Hinrichtung einiger Märtyrer, während der andere ausdrücklich versichert, ›occidi servos Dei vetuit.‹ [...er verbot die Gottesknechte zu töten].
Die Christen Asiens hatten von der Unmenschlichkeit dieses bigotten Herrschers, der seine Gewaltmaßnahmen derart gewissenhaft vorbereitete, alles zu befürchten. Aber nur wenige Monate später bewirkten die Erlasse der beiden Herrscher des Westens, dass die Entwürfe des Maximinus nicht zur vollen Reife gediehen: der Bürgerkrieg gegen Licinius, in den er sich so unversehens verwickelt sah, forderte seine ganze Aufmerksamkeit; und Niederlage und Tod des Maximinus befreite die Kirche alsbald von ihrem letzten und gefährlichsten Feind. Einige Tage vor seinem Tode erließ er ein sehr weitgefasstes Toleranzedikt, in welchem er für alles Leid, das die Christen zu erdulden hatten, die Richter und Regierungsbeamten verantwortlich machte, die seine Intentionen ganz falsch aufgefasst hatten. Siehe das Edikt bei Eusebios, Historia 9,10.
EINZELNE MÄRTYRER UND BEKENNER
Bei dieser allgemeinen Darstellung der Christenverfolgungen, die in dieser Form zum ersten Male durch Diocletian veranlasst wurden, habe ich bewusst von der Einzeldarstellung des Leidens und Sterbens christlicher Märtyrer abgesehen. Es wäre jetzt ein Leichtes, etwa aus der Kirchengeschichte des Eusebios oder den Klageliedern des Lactantius einen große Galerie der Schreckens- und Ekelbilder zusammenzutragen oder viele Seiten zu füllen mit Foltern und Geißeln, eisernen Haken und rotglühenden Rosten und allen anderen Arten von Quälereien, welche Feuer und Eisen, wilde Bestien und bestialische Henker dem menschlichen Körper zufügen können. Diese trübselige Szenerie könnte man noch vermehren durch Massen von Visionen und Wundern, die bestimmt waren, den Tod jener kanonisierten Heiligen, die um Christi willen litten, hinauszuzögern, oder ihren Triumph zu erhöhen oder der Welt ihre Reliquien zu schenken. Aber ich bin im Zweifel, was alles ich davon übernehmen soll, solange ich noch nicht überzeugt bin, was ich davon glauben kann. Selbst der angesehenste Historiker der Kirche, Eusebius, gesteht mittelbar ein, dass er alles aufgenommen habe, was den Ruhm des Glaubens mehren und alles unterdrückt habe, was ihm abträglich sein könne. Dieses ist zumindest die wohlwollende Interpretation zweier bemerkenswerter Stellen im Eusebius (Historia 8,2 und de martyribus Palaestinae 12). Der Historiker selbst war wegen seiner Umsicht verschiedenen Verdachtsmomenten ausgesetzt. Es ist allgemein bekannt, dass er ins Gefängnis geworfen wurde; und man argwöhnte, dass er seine Freilassung durch einige unehrenhafte Zugeständnisse ertauscht habe. Der Vorwurf wurde noch zu Lebzeiten und sogar in seiner Gegenwart auf dem Konzil zu Tyros erhoben. Siehe Tillemont, Mémoires ecclésiastique, Band 8, Teil 1, p. 67.
Eine solche Bemerkung ruft naturgemäß den Verdacht auf, dass ein Autor, der so offenkundig gegen eine der Grundregeln des Historikers verstößt, auch die anderen nicht eben pedantisch befolgt; und dieser Verdacht erhält zusätzliche Nahrung aus dem Charakter des Eusebius, welcher jedenfalls weniger an Leichtgläubigkeit litt und dafür in höfischen Kabalen besser bewandert war als die meisten seiner Zeitgenossen. Es mag durchaus stimmen, dass bei mancher Gelegenheit jede Form von Grausamkeit, die ein krankes Gehirn ersinnen und eine standhafte Seele ertragen konnte, auf jene ergebenen Opfer angewandt wurde, etwa wenn die Regierungsbeamten aus persönlichen Gründen aufgebracht waren und wenn der Glaubenseifer die Märtyrer aufreizte, die Grenzen der Klugheit und möglicherweise auch des Anstandes zu überschreiten, die Altäre über den Haufen zu werfen, den Kaiser zu verwünschen oder den Richter auf seinem Stuhle zu verprügeln. Der alte und vermutlich authentische Bericht von den Leiden des Tarachus und seiner Gefährten (Acta Sincera, p. 419-448) ist durchsetzt mit deutlichen Worten des Zornes und der Verachtung und dürfte nicht verfehlt haben, die Magistrate zu ärgern. Aesidius gehube sich vor Hierokles, dem Präfekten von Ägyptenland, noch übler: [Ü.a.d.Griech: mit Worten und Werken den Richter allseitig eindeckend]. Eusebios, de mart. Palaestinae 5.
Zwei Umstände jedoch, ohne Bedacht genannt, weisen darauf hin, dass die allgemeine Behandlung der Christen, die sich in den Händen der Justiz befanden, weniger grausam gewesen ist als allgemein angenommen. 1. Die Gläubigen, die zu Arbeiten in den Bergwerken verurteilt wurden, durften infolge der Gleichgültigkeit oder der Menschlichkeit ihrer Bewacher Kapellen erbauen und inmitten ihrer trübseligen Umgebung ihre Religion ausüben. Eusebios, de martyribus Palaestinae 13. 2. Die Bischöfe waren gehalten, den vorauseilenden Glaubenseifer jener Christen zu zügeln und zu bestrafen, welche sich vorsätzlich in die Hände der Magistrate begaben. Einige von diesen lebten in bitterer Armut und waren blindlings bestrebt, ihr elendes Erdendasein durch einen glorreichen Märtyrertod zu beenden. Andere belebte die Erwartung, dass eine vorübergehende Kerkerhaft die Sünden eines ganzen Lebens tilgen würde; und wieder andere spornte das wenig achtbare Motiv, sie würden reichliche materielle Unterstützung oder sogar einen hübschen Gewinn davontragen, da die Nächstenliebe der Gläubigen die Gefangenen mit Almosen zu bedenken pflegte. Augustinus, post collationem adversus Donatistas, Tillemont, Mémoires eccléstiastiques Bd.5,1, p.46. Die Kontroverse mit den Donatisten hat einiges, möglicherweise trübes Licht auf die Geschichte der afrikanischen Kirche geworfen. Als dann aber die Kirche endgültig triumphierte über alle ihre Feinde, machten Eigennutz und Eitelkeit die Gefangenen geneigt, das Verdienst ihrer überstandenen Leiden zu mehren. Eine hinreichende räumliche und zeitliche Entfernung gab der Erfindungskraft ein fruchtbares Betätigungsfeld; und die ungezählten Beispiele, die man sich von den heiligen Märtyrern erzählen mochte, deren Wunden in einem Nu verheilt waren, deren Gesundheit sich erneuert hatte und deren abgerissene Glieder auf unbegreifliche Weise wiederhergestellt waren: dies alles war bequemste Handhabe, jede Unstimmigkeit zu beseitigen und jeden Einwand zum Schweigen zu bringen. Die abgeschmacktesten Märchen wurden von der Menge in ihrer Arglosigkeit geglaubt, vom Klerus gutgeheißen und von der Kirchengeschichte als echt bescheinigt, wenn sie nur die Ehre der Kirche mehrten.
DIE VERMUTLICHE ZAHL DER MÄRTYRER
Die ungefähren Schilderungen von Exil und Gefangenschaft, von Schmerz und Folter können durch die elastische Feder eines geübten Autoren so leicht übertrieben oder vermindert werden, dass wir notwendig auf eine Tatsache zurückgreifen müssen, die zuverlässiger und unwandelbar ist: die Anzahl der Menschen, die infolge der Erlasse des Diocletian, seiner Komplizen und seiner Nachfolger den Tod erlitten. Die neueren Legenden berichten von ganzen Armeen und Städten, welche mit einem Schlage durch die gnadenloselose Furie der Verfolgung ausgelöscht wurden. Die älteren Autoren beschränken sich darauf, eine wüste Flut von zusammenhanglosen Schmähungen in die Welt zu setzen, ohne sich damit aufzuhalten, die genaue Zahl der Personen zu ermitteln, welche mit ihrem Blute ihren Glauben an das Evangelium besiegelten. Aus der Kirchengeschichte des Eusebios indessen könne wir entnehmen, dass lediglich neun Bischöfe mit ihrem Leben büßen mussten; und so erfahren wir infolge dieser ins Einzelne gehenden Aufzählung der Märtyrer Palästinas mit Genauigkeit, dass nicht mehr als zweiundneunzig Christen diesen Ehrennamen erhielten. Da wir mit dem Ausmaß der bischöflicher Glaubensfestigkeit und ihres Bekennermutes wenig vertraut sind, können wir aus der erstgenannten dieser beiden Angaben keine verwertbaren Schlussfolgerungen herleiten; Eusebius (de martyribus Palaestinae 13) schließt seine Erzählung mit der Zusicherung, dass dieses die Fälle von Märtyrertum in Palästina waren, die während der gesamten Verfolgung zu verzeichnen waren. Das fünfte Kapitel seines elften Buches, welches sich auf die Provinz Thebais in Ägypten bezieht, scheint unserer maßvollen Berechnung zu widersprechen; tatsächlich aber führt sie nur dazu, dass wir die kunstreiche Handhabung des Stoffes durch unseren Historiker bewundern lernen. Er sucht sich als Schauplatz der ausgesuchtesten Grausamkeiten die fernste und abgeschiedenste Provinz des ganzen Reiches aus und erzählt nun, dass in Thebais an einem Tage oft zehn bis einhundert Menschen zu Märtyrern wurden. Wenn er dann aber seine eigene Reise durch Ägypten zu beschreiben fortfährt, wird seine Ausdrucksweise unmerklich vorsichtiger und zurückhaltender. Anstelle von einer großen, aber genau festlegbaren Anzahl redet er jetzt nur noch von ›vielen‹ Christen, und klugbedacht benutzt er zwei mehrdeutige Wörter [Ü.a.d.Griech.: welche sowohl das bezeichnen können, was er selbst gesehen, wie auch das, was er nur gehört hat]; nämlich entweder die Ankündigung oder den Vollzug einer Strafe. Nachdem er sich so eine Hintertür offen gehalten hat, überlässt er die richtige Auslegung der Passage seinen Lesern und Übersetzern, in der zutreffenden Annahme, deren Herzensbildung werde ihnen die korrekte Deutung schon eingeben. Es liegt wohl doch etwas Bosheit in der Bemerkung des Theodorus Metochita verborgen, dass alle, die wie Eusebios mit Ägyptern Umgangs gepflegt hatten, irgendwann an einem verschlungenen und kryptischen Stil Freude finden müssten. Siehe Valesius ad locum. aber die letztgenannte ermöglicht uns eine wichtige und wohlbegründete Deduktion. Entsprechend der Untergliederung der römischen Provinzen machte Palästina etwa den sechzehnten Teil der östliche Reichshälfte aus; Als Palästina in drei Gebiete unterteilt wurde, bestand die Präfektur des Ostens aus 48 Provinzen. Da die althergebrachte Unterscheidung der einzelnen Nationen längst aufgegeben war, unterteilten die Römer die Provinzen ganz allgemein nach ihrer Größe und ihrem Wohlstand. und da es nun einige Provinzstatthalter gab, die aus ehrlicher oder erheuchelter Milde ihre Hände nicht mit dem Blute der Gläubigen besudelten, ›Ut gloriari possint nullum se innocentium peremisse, nam et ipse audivi aliquos gloriantes, quia administratio sua, in hac parte, fuerit incruenta.‹ [Damit sie sich rühmen können, nicht einen Unschuldigen umgebracht zu haben; denn ich selbst habe einige rühmen gehört, dass ihre Amtsführung in diesem Punkte unblutig war]. Lactantius, Institutiones Divinae 5,11., klingt es glaubwürdig, dass das Geburtsland des Christentums mindestens den sechszehnten Teil aller Märtyrer hervorbrachte, welche im Herrschaftsgebiet des Galerius und Maximinus sterben mussten; so könnte sich die Gesamtzahl auf fünfzehnhundert belaufen; eine Zahl, die, wenn sie gleichmäßig auf eine zehnjährige Verfolgung verteilt wird, zu einhundertundfünfzig Märtyrern im Jahr führt. Nimmt man für die Provinzen Italien, Afrika und vielleicht noch Spanien dieselben Verhältnisse an, wo bereits nach zwei oder drei Jahren die Strenge des Gesetzes gemildert oder ganz aufgehoben wurde, dann vermindert sich die Zahl der Christen des römischen Imperiums, über die durch Gerichtsbeschluss die Todesstrafe verhängt wurde, auf weniger als zweitausend Personen. Da kein Zweifel daran bestehen kann, dass in den Zeiten Diocletians die Christen zahlreicher und ihre Feinde fanatischer waren als bei allen früheren Verfolgungen, kann uns diese plausible und zurückhaltende Rechnung helfen, die richtige Zahl von frühen Heiligen und Märtyrern abzuschätzen, welche ihr Leben dem großen Ziele opferten, das Christentum in die Welt zu bringen.
EINE TRAURIGE WAHRHEIT
Wir wollen dieses Kapitel mit einer traurigen Wahrheit beschließen, die sich dem widerstrebenden Gemüte von selbst aufdrängt; dass nämlich selbst dann, wenn man ohne Zögern oder Vorbehalte alles gelten lässt, was die Geschichte über die Märtyrer aufgezeichnet oder die Legende hierüber erdacht hat, die Christen im Verlaufe ihrer internen Auseinandersetzungen sich gegenseitig weitaus mehr Leid zugefügt haben, als sie es von den Nachstellungen der Ungläubigen zu erdulden hatten. Während der dunklen Epoche, die auf den Untergang des römischen Reiches im Westen folgte, dehnten die Bischöfe der Kaiserstadt ihre Herrschaft über Laien ebenso wie über die Kleriker der lateinischen Kirche aus. Das Gebäude des Aberglaubens, das sie errichtet hatten und welches noch lange den schwachen Anstrengungen der Vernunft hätte widerstehen können, wurde endlich doch von einer wagemutigen Schar Besessener angegriffen, welche zwischen dem zwölften und sechzehnten Jahrhundert die volkstümliche Bezeichnung der Reformatoren erhielten.
Die römische Kirche verteidigte mit Gewalt das Imperium, das sie mit Betrug erschlichen hatte; das System von Frieden und Menschenfreundlichkeit wurde alsbald entstellt durch Proskriptionen, Kriege, Gemetzel und die Einrichtung des Heiligen Officiums, der Inquisitionsbehörde. Und da die Reformatoren ebenso von der Liebe zur bürgerlichen wie zur Religionsfreiheit beseelt waren, setzten die katholischen Herrscher ihre eigenen Interessen mit denen der Kirche gleich und verstärkten durch Feuer und Schwert den Terror der Kirchenstrafen. Alleine in den Niederlanden sollen mehr als einhunderttausend Untertanen Karls V. von der Hand des Henkers umgekommen sein; und diese unfassbare Zahl wird von Hugo Grotius bestätigt, Hugo Grotius, Annales et Historiae de rebus Belgicis, Buch 1, p. 12, Folioausgabe. einem Manne von Geist und Bildung, welcher auch dann noch gemäßigt bleib, wenn sich feindliche Sekten mit ihrem Hass verfolgten, und der die Annalen seiner Zeit und seines Landes zu einer Zeit schrieb, als die Erfindung der Druckkunst die Methoden der Forschung erleichtert und die Gefahr der Entlarvung vergrößert hatte. Wenn wir uns also dem Zeugnis des Grotius nicht verschließen wollen, dann müssen wir zugeben, dass die Zahl der Protestanten, die in einer einzigen Provinz und unter einer einzigen Regierung hingerichtet worden sind, die Zahl der Märtyrer aus drei Jahrhunderten innerhalb des gesamten Römischen Reiches mehrfach übersteigt. Aber selbst wenn die Unfassbarkeit der Zahl das Gewicht des Beweismaterials aufhebt; wenn Grotius die Verdienste und Leiden der Reformatoren vergrößern wollte; Fra Paolo (Istoria del Concilio Tridentino, Buch 3) verkleinert die Zahl der Märtyrer Belgiens auf 50.000. An Bildung und Bedachtsamkeit stand Fra Paolo Grotius nicht nach. Die größere zeitliche Nähe verleiht dem erstgenannten mehr Glaubwürdigkeit, die er andererseits infolge der größeren räumlichen Entfernung Venedigs zu den Niederlanden wieder verliert. dann werden wir naturgemäß zu der Frage veranlasst, welches Vertrauen wir jetzt noch in die zweifelhaften und unvollständigen Dokumente antiker Leichtgläubigkeit setzen dürfen; welches Maß an Glaubwürdigkeit man einem höfischen Bischof und leidenschaftlichem Eiferer schenken darf, welcher unter der schirmenden Hand des Kaisers Constantin sich des Vorrechtes erfreute, die Verfolgungen aufschreiben zu dürfen, welche den Christen von ihren inzwischen unterlegenen Feinden oder von den verachteten Vorgängern ihres gnadenreichen Herrschers angetan wurden.