Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Wie immer auch die römischen Kaiser sich während ihrer Regierungszeit dargeboten haben mochten, ihr Ende war fast immer von gleicher Art: das war ihr bitteres Verhängnis. Ein Leben in Luxus oder Askese, Strenge oder Mildherzigkeit, Trägheit oder Umtriebigkeit, dies alles war immer nur der Weg in ein vorzeitiges Grab; und beinahe jede Regierung wurde durch dieselbe ausgeleierte Abfolge von Verrat und endlichem Mord beendet. Hier bildet der Tod des Aurelian wenigstens wegen seiner außerordentlichen Folgen eine Ausnahme. Die Legionen verehrten, beweinten und rächten schließlich ihren siegesgewohnten Chef. Die Ränke des ungetreuen Sekretärs wurden aufgedeckt und bestraft. Die übertölpelten Verschwörer wohnten der Beerdigung ihres Herrschers bei, mit aufrichtiger oder auch nur wohlgeheuchelter Reue, und sie unterwarfen sich einer einmütigen Resolution der Soldaten, welche in dem folgenden Brief aufgesetzt wurde. ›Die tapferen und siegreichen Armeen an das Volk und den Senat von Rom. Der Betrug eines Einzelnen und der Irrtum von Einigen haben uns unseres dahingegangenen Kaisers Aurelian beraubt. Möchte es doch, ehrbare Herren und Senatoren! Euch gefallen, ihn unter Götter zu versetzen und einen Nachfolger zu erkiesen, der des Kaiserpurpurs würdig ist. Keiner von denen, deren Schuld oder Ungeschick zu diesem Verlust beigetragen haben, soll jemals über uns herrschen.‹ Vopiscus in der Historia Augusta, Aurelian 40. Aurelius Victor erwähnt eine offizielle Soldaten-Delegation an den Senat.
Der Senat zu Rom schickte sich mit Fassung darein, dass mal wieder ein Kaiser im Lager ermordet worden sei; klammheimlich freuten sie sich über Aurelians Untergang; aber der bescheiden-pflichtmäßige Appell der Legionen rief in der Vollversammlung bei seiner Verlesung durch die Konsuln denn doch freudevolles Erstaunen hervor. Ehrenbezeigungen von der Art, wie sie Furcht und gegebenenfalles Wertschätzung hervorzurufen imstande sind, streuten sie dem Andenken ihres verstorbenen Kaisers mit freigebiger Hand aus. Anerkennungen von der Art, wie sie nur die Dankbarkeit eingeben kann ist, sprachen sie der getreuen Armee aus, welche in der Frage der Kaiserwahl gegenüber der Senatsautorität eine redliche Gesinnung bewährt hatte. Dieser Schmeichel-Appelle ungeachtet trugen die klügeren Mitglieder des Senates immer stärkere Bedenken, ihre Sicherheit und persönliche Würde der Launenhaftigkeit einer bewaffneten Meute anzuvertrauen. Die Stärke der Truppe war nun allerdings eine Gewähr für ihre Aufrichtigkeit, denn wer die Macht hat, muss sich üblicherweise nicht verstellen; aber konnte man füglich erwarten, dass eine kurzfristige Reue die dauerhafte Abkehr von einer Denkungsart veranlassen würde, die sich in achtzig Jahren eingewurzelt hatte? Sollten die Soldaten zu ihren gewohnten Insurrektionen zurückkehren, so könnten sie in ihrer Dreistigkeit nicht nur die Majestät des Senates kränken, sondern darüber hinaus auch noch dem Gegenstande ihrer Wahl verhängnisvoll werden. Rücksichten dieser Art prägten den Senatsbeschluss, so dass die Wahl des neuen Kaisers durch Beschluss und Befinden der Truppe mitbestimmt wurde.
ACHT MONATE INTERREGNUM A.D. 275
Der nun folgende Streit ist eines der am besten belegten und gleichwohl eines der unglaublichsten Ereignisse der Menschheitsgeschichte. Vopiscus, unser wichtigster Gewährsmann, schrieb achtzehn Jahre nach dem Tode Aurelians in Rom; sein Material schöpfte er hauptsächlich aus den Senatsakten und den Originalunterlagen der Ulpianischen Bibliothek und darüber hinaus aus dem, was allgemein bekannt und noch frisch in Erinnerung war. Zosimos und Zonaras scheinen von diesen Vorfällen ebenso gewusst zu haben wie ganz allgemein von der römischen Verfassung. Die Truppen, als ob sie an der Demonstration ihrer Macht Gefallen gefunden hätten, ersuchten den Senat erneut dringend, einem aus seiner, des Senates, Mitte den kaiserlichen Purpur anzulegen. Der Senat zeigte sich nach wie vor spröde; die Armee bestand weiterhin auf ihrem Ansinnen. Dieses Prozedere wiederholte sich wenigstens dreimal, und während die zähflüssige Bescheidenheit beider Parteien darauf angelegt war, dass die jeweils andere den Kaiser stellen möge, vergingen allgemach acht Monate; eine erstaunliche Zeitspanne für eine friedvolle Anarchie, während welcher die Römische Welt ohne Herrscher, ohne Usurpator und ohne Aufstand fortfuhr zu sein. Die von Aurelian eingesetzten Magistrate und Generäle oblagen ihren Routinegeschäften; es wird lediglich vermerkt, dass in Asien ein Prokonsul, die einzige Person von Rang während des ganzen Interregnums, seines Amtes entsetzt ward.
Ähnliches, wenn auch weniger gut belegt, soll sich nach dem Tode des Romulus zugetragen haben, welcher ja nach Wandel und Wesen dem Aurelian recht ähnlich geartet war. Bis zu der Wahl des sabinischen Philosophen [Numa Pompilius] war der Thron zwölf Monate lang verwaist, und der innere Frieden war sichergestellt, weil die einzelnen Stände des jungen Staates sich miteinander vertrugen. Nur standen in den Zeiten eines Romulus und Numa die Waffen unter der Kontrolle der Patrizier; und ein Interessenausgleich ließ sich in dieser kleinen und tapferen Gemeinschaft leicht herstellen. Livius,1,17; Dionysios Halicarnassus, 2,57; Plutarch, Numa Pompilius. Der erste Autor erzählt dieses Ereignis wie ein Redner, der zweite wie ein Advokat und der dritte wie ein Moralprediger und wohl keiner von ihnen ohne fabulöses Beiwerk. Als sich indessen die Jahre des römischen Staates neigten, waren, ganz anders als in seiner Kinderzeit, alle Voraussetzungen erfüllt, um ein solches Interregnum mit Hader und Zwist zu erfüllen: eine gigantische und unregierbare Hauptstadt, ein Reich von ungeheurem Umfang, eine Armee von vierhunderttausend Söldnern und Erfahrungen aus ungezählten Revolutionen. Indessen lebten, dieser Versuchungen ungeachtet, die Disziplin eines Aurelian und die lebendige Erinnerung an ihn weiter und wirkten so den Aufstandsgelüsten der Truppe oder dem fehlgeleitetem Ehrgeiz ihrer Kommandeure entgegen. Die Elite der Armee stand nach wie vor in ihren Quartieren am Bosporus, und die kaiserliche Fahne blieb über den weniger starken Feldlagern in den Provinzen respektheischend entfaltet. Edelmut, wenn auch nur von kurzlebiger Natur, schien den Wehrstand zu durchwirken; getrost dürfen wir annehmen, dass gutgesinnte Kräfte diese neuerliche Freundschaft zwischen Senat und Armee beförderten, war es doch das einzige probate Mittel, die Monarchie zu ihrer einstigen Blüte und Stärke zu verhelfen.
DIE SENATSVERSAMMLUNG A.D. 275
Am 25. September 275, beinahe acht Monate nach Aurelians Ermordung, berief ein Konsul eine Senatsversammlung ein und erstattete Bericht über die heikle Lage des Reiches. Mit Takt und Delikatesse ließ er durchblicken, dass die wankende Loyalität der Soldaten zu jeder Stunde und durch den nichtigsten Anlass gefährdet sei; mit der überzeugendsten Eloquenz jedoch tat er dar, dass jeder weitere Verzug der Kaiserwahl vielfältige Gefahr für das Reich heraufbeschwören müsse. Man besitze, so sagte er, sichere Zeitung, dass der Germane den Rhein überquert habe und bereits einige der wichtigsten und wohlhabendsten Städte Galliens in der Hand halte. Der kecke Ehrgeiz des persischen Großkönigs versetze den ganzen Osten in dauerhafte Unruhe; Ägypten, Afrika und Illyrien seien aus- wie inländischen Begehrlichkeiten preisgegeben; und Syriens flatterhafter Sinn scheue sich nicht, ein weibliches Szepter der Heiligkeit römischer Gesetze vorzuziehen. Dann wandte sich der Konsul an Tacitus, Vopisus, Historia Augusta, Tacitus 4, nennt ihn ›Primae sententiae consularis‹ [Konsularbeamter mit dem Recht der ersten Stimmabgabe] und kurz darauf Princeps senatus [Erster auf der Senatorenliste]. Die Vermutung ist nahe liegend, dass die Herrscher Roms solche schmucklosen Titulaturen den jeweils dienstältesten Senatoren überließen. den Doyen der Senatoren und erbat dessen Meinung zu der wichtigen Frage nach einem geeigneten Thronaspiranten.
DER CHARAKTER DES TACITUS
Wenn wir persönliches Verdienst höher einschätzen als zufälligen Rang, dann können wir mit Fug Tacitus eine Herkunft bescheinigen, die edler ist als die jedes Königs. Er zählte sich nämlich zu den Nachkommen jenes Historikers, aus dessen Werk man schöpfen wird, solange es Menschen gibt. Der einzige Einwand gegen diese Genealogie ist die Tatsache, dass der Historiker Cornelius hieß, der Kaiser hingegen Claudius. Aber im späten Reich waren Vornahmen äußerst vielfältig und beliebig. Der Senator Tacitus war fünfundsiebzig Jahre alt. Zonaras 12, 28. Die Alexandrinische Chronik gibt wegen eines eindeutigen Versehens Aurelian dieses Alter. Er hatte sein Leben bis dahin achtbar in Reichtum und Ehrenstellen verbracht. Zweimal hatte er die Konsulwürde bekleidet Im Jahre 273 war er ordentlicher Konsul. Aber er muss, vermutlich unter Valerian, viele Jahre vorher Consulus Suffectus gewesen sein. und seines beträchtlichen Vermögens im Werte von zwei oder drei Millionen Sterling Bis millies octingenties. Diese Summe entsprach nach früherem Standart 840.000 römischen Pfund Silber, jedes im Wert von 3 Pfund Sterling. Aber zu Tacitus' Zeiten hatte die Münze viel von ihrem Wert und ihrer Reinheit eingebüßt. in anständiger Nüchternheit genossen. Die Erfahrungen mit so vielen Herrschern, die er erduldet oder geschätzt hatte, von Elagabals albernen Peinlichkeiten bis zu Aurelians heilsamem Durchgreifen, hatten ihm geholfen, sich ein abgewogenes Urteil über die Pflichten, die Gefahren und die Versuchungen dieser heiklen Stellung zu bilden. Aus dem intensiven Studium der Schriften seines unsterblichen Vorfahren hatte er sich Kenntnisse der römischen Verfassung und der Menschennatur erworben. Nach seiner Thronbesteigung hatte er angeordnet, dass jährlich zehn Abschriften des Historikers herzustellen und in die öffentlichen Bibliotheken zu bringen seien. Die römischen Bibliotheken sind längst untergegangen, der wichtigste Teil der Schriften des Tacitus aber hat sich in einem einzigen Manuskript erhalten und wurde in einem westfälischen Kloster (Corvey) wieder aufgefunden. Volkes Stimme hatte bereits Tacitus als den Bürger benannt, der der Herrschaft am würdigsten sei. Als er jedoch von diesen misslichen Gerüchten hörte, veranlasste ihn dies, die Einsamkeit einer seiner Villen in Campanien aufzusuchen. Zwei Monate hatte er zu Bajae als Privatmann zugebracht, als er, wenngleich widerwillig, der Ladung des Konsuls folgte, seinen Ehrenplatz im Senate einzunehmen und der Republik bei so wichtiger Gelegenheit mit seinem Rat beizustehen.
TACITUS WIRD KAISER
Er erhob sich, das Wort zu ergreifen, als aus allen Ecken des Hauses er mit den Namen Augustus und Kaiser bedacht ward. ›Tacitus Augustus, die Götter mögen Dich schützen, wir erwählen dich zu unserem Herrscher, in Deine Hände ist das Wohl der Republik und des Reiches gelegt. Nimm den Herrschertitel aus der Hand des Senates entgegen. Du bist es Deinem Range schuldig, Deinem Wandel, Deinem Wesen.‹ Als sich das Beifallsgetöse gelegt hatte, suchte Tacitus diese gefahrvolle Ehre abzuwenden, indem er seiner Verwunderung darüber Ausdruck verlieh, dass man sein hohes Alter und seine hinfällige Konstitution Aurelians kriegerischer Stärke wolle nachfolgen lassen. ›Sind denn diese Gliedmaßen, Senatoren! tauglich, Waffen zu führen oder ein Lagerleben zu durchstehen? Wie bald würden doch wechselndes Klima und die Härten des Militärlebens diese schwache Gesundheit untergraben, welche nur durch zärtelnde Schonung aufrechterhalten werden kann. Kaum, dass meine ermatteten Kräfte mir noch meinen senatorischen Pflichten nachzugehen gestatten; um wie viel unzureichender möchten sie da den Beschwernisse des Krieges oder des Regierens gewachsen sein! Hofft Ihr ernstlich, die Legionen würden einem schwachen, alten Mann Respekt erweisen, der seine Tage im Schatten friedlicher Zurückgezogenheit verbracht hat? Könnt ihr es denn wirklich wünschen, dass ich jemals Grund haben soll, die günstige Meinung des Senates von mir zu bedauern?‹ Vopiscus, Historia Augusta, Tacitus 4.
Die Weigerung des Tacitus, die ganz gewiss aufrichtig war, stieß auf den erregtesten Widerspruch des Senates. Fünfhundert Stimmen zugleich erinnerten in beredtem Durcheinander dagegen, dass die größten Herrscher Roms, Numa, Trajan, Hadrian und die Antonine den Thron erst im fortgeschrittenen Lebensalter bestiegen hätten; dass die Gesittung, nicht der Körper, dass ein Herrscher, nicht ein Krieger Gegenstand ihrer Wahl sei; und dass sie von ihm erwarteten, er werde durch seine Weisheit die Stärke der Armee leiten. Diesen überzeugenden, wiewohl mit viel Lärmen vorgetragenen Einwänden trat Tacitus' Nachbar auf der konsularischen Bank, Metius Falconius, in Form einer geordneteren Rede bei. Er erinnerte die Versammlung an die ungezählten Übel, welche Rom aufgrund der Verbrechen unbelehrbarer und launenhafter Jünglinge erdulden musste, beglückwünschte sie zu der Wahl eines tugendreichen und bewährten Senators, und ermahnte mit männlichem, aber vermutlich auch eigennützigem Freisinn den Tacitus, der Gründe für seine Wahl eingedenk zu sein, und seinen Nachfolger dereinst nicht in der eigenen Familie, sondern in der Republik zu suchen. Allgemeiner Beifall folgte auf diese Rede des Falconius. Der gewählte Kaiser unterwarf sich der Autorität seines Landes und empfing die spontanen Glückwünsche seiner Standesgenossen. Der Senatsbeschluss wurde anschließend durch die Zustimmung des römischen Volkes und der Prätorianergarde bekräftigt. Vopiscus, Historia Augusta, Tacitus 7. Tacitus redete die Prätorianer mit ›sanctissimi milites‹ und das Volk mit ›sacratissimi Quirites‹ an. [ehrwürdigste Krieger und heiligste Bürger].
DIE REGIERUNG DES TACITUS
Tacitus enttäuschte die in ihn gesetzten Erwartungen nicht. Er war ein getreuer Diener des Senats und betrachtete diesen Nationalrat als den eigentlichen Gesetzgeber, sich selbst aber als den Untertanen der Gesetze. Bei Freilassung seiner Sklaven überschritt er niemals die Zahlvon 100, wie es im Canianischem Gesetz vorgesehen war, welches Augustus erlassen und erst Iustinian aufgehoben hatte. Siehe auch Casaubon zu dieser Stelle bei Vopiscus. Die Wunden, welche imperiale Arroganz, Bürgerkrieg und militärische Gewalt dem Gemeinwesen geschlagen hatten, suchte er nach Kräften zu heilen, um wenigstens das Prestige der alten Republik so wiederherzustellen, wie sie die Politik des Augustus und die Tüchtigkeit Trajans und der Antonine hinterlassen hatten. Der Senat war infolge der Wahl des Tacitus erneut in mehrere seiner alten Vorrechte eingesetzt worden, und es könnte nützlich sein, die wichtigsten an dieser Stelle zu wiederholen: Siehe die Biographien von Tacitus, Florianus und Probus in der Historia Augusta. Wir können versichert sein, dass alles das, was der Soldat gab, der Senator schon gegeben hatte.
1. Einen aus ihrer Mitte zum Kaiser zu ernennen und mit dem Oberkommando über alle Truppenteile sowie der Regierung der Grenzmarken auszustatten. 2. Die Liste, oder, wie man damals sagte, die Kollegen der Konsuln festzulegen. Es waren ihrer zwölf, welche nacheinander und paarweise jeweils zwei Monate lang das Jahr auffüllten und so die Würde jenes alten Amtes vertraten. Der Senat nahm sein Recht, Konsuln zu benennen, mit einem derartigen Unabhängigkeitssinn wahr, dass er selbst eine unberechtigte Bitte des Kaisers um Berücksichtigung seines Bruders Florianus abschlägig beschied. ›Der Senat,‹ rief Tacitus mit der Freude eines Patrioten aus, ›kennt den Charakter der Herrscher, den er wählt.‹ 3. Die Prokonsuln und Verwalter der Provinzen zu bestimmen sowie den Magistraten die bürgerliche Rechtsprechung zu übertragen. 4. Aus allen Gerichtshöfen des Reiches Berufungen gegen Urteile entgegenzunehmen, wobei der Stadtpräfekt als zwischengeschaltetes Büro fungierte. 5. Durch Senatserlass solche kaiserliche Edikte zu fördern, die ihnen selbst wünschenswert erschienen. 6. Hierzu kommt dann noch die Aufsicht über die Finanzen, denn es hatte selbst unter Aurelians strengem Szepter in ihrer Macht gelegen, einen Teil der Steuereinkünfte von ihrer öffentlichen Bestimmung abzuziehen. Vopiscus, Historia Augusta, Aurelian 20. Obwohl die Stelle ganz klar ist, wollen Casaubon und Salmasius sie verbessern.
Sofort wurden Rundbriefe an alle wichtigen Städte des Reiches abgeschickt, Trier, Mailand, Aquileja, Thessaloniki, Korinth, Athen, Antiochia, Alexandria und Karthago, ihren Gehorsam einzufordern und sie zugleich über jene glückliche Umwälzung ins Bild zu setzen, durch welche der römischen Senat neuerlich in sein altes Ansehen eingesetzt worden sei. Zwei dieser Briefe sind auf uns gekommen. Zwei einzigartige Fragmente aus der Privatkorrespondenz eines Senators sind in unserem Besitz. Sie enthüllen uns überschäumende Freude und hochfliegende Hoffnungen. ›Fort nun mit deiner Trägheit,‹ so schreibt bei dieser Gelegenheit ein Senator seinem Freund, ›erhebe dich aus deiner Zurückgezogenheit in Baiae und Puteoli. Auf! in die Stadt, in den Senat! Rom, ja, das ganze Imperium stehen in Blüte. Dank der römischen Armee, der wahrhaft römischen, haben wir endlich unsere wahre Machtstellung wiedererlangt und sind am Ende unserer Wünsche. Man wendet sich als Bittende an uns, wir ernennen Prokonsuln, wir erschaffen Kaiser: vielleicht können wir sie sogar zügeln – dem Weisen genügt ein Wort. ‹ Vopiscus, Historia Augusta, Tacitus 18 und 19. Mit Hekatomben und öffentlichen Lustbarkeiten feierte der Senat seine Wiedergeburt. Alsbald jedoch wurden diese luftigen Erwartungen enttäuscht; denn es war in der Tat nicht zu erhoffen, dass die Armeen und die Provinzen dem verweichlichten und unkriegerischen Adel Roms nicht irgendwann den Gehorsam aufkündigen würden. Die leichteste Berührung, und das Kartenhaus aus Macht und Stolz würde zusammenfallen. Ein kurzes, plötzliches Aufflackern noch, und der Senat Roms war dahin für immer.
DIE ARMEE AKZEPTIERT TACITUS
Die Vorgänge zu Rom mussten solange nur eine politische Theaterinszenierung bleiben, wie die Senatsbeschlüsse nicht auch von den Legionen anerkannt wurden, deren Machtmittel denn doch substantieller waren. Tacitus selbst überließ die Senatoren sich und ihren Tagträumen von Ruhm und Macht, begab sich nach Thrakien und wurde dort durch den Prätorianerpräfekten den versammelten Truppen vorgestellt als der Herrscher, nach dem sie verlangt hätten und den der Senat eingesetzt habe. Sobald der Präfekt geendet hatte, ergriff Tacitus das Wort, und er machte keine schlechte Figur. Er bediente ihre Habsucht durch großzügige Geschenke, wenn er es auch Soldzahlungen und Donative nannte. Er gewann ihre Wertschätzung durch die Erklärung, dass, wenn ihm selbst auch sein Alter militärische Unternehmungen verbiete, zumindest sein Rat niemals eines römischen Generals unwürdig sein werde. Vopiscus, Historia Augusta, Tacitus 8.
Während der Vorbereitungen für den zweiten Feldzug in den Osten hatte der verstorbene Aurelian mit den Alanen Verhandlungen geführt, einem sarmatischen Volk, welches in der Nähe des Mäotischen Sees seine Zelte aufgeschlagen hatte. Getreidelieferungen und Geschenke hatten diese Barbaren dazu bestimmt, mit einem beträchtlichen Kontingent an leichter Kavallerie in Persien einzufallen. Sie hielten sich an ihre Zusagen; als sie jedoch an der Grenze zum Römischen Reich ankamen, war Aurelian bereits tot, der Perserzug vorläufig ausgesetzt und die Generäle, welche während des Interregnums eine etwas unsichere Stellung bekleideten, waren außerstande, sie aufzunehmen oder zurückzuschicken. Provoziert durch dieses Verhalten, das sie nur als hinterlistig und vertragsbrüchig auslegen konnten, besannen sich die Alanen auf ihre eigene Stärke, um ihre Bezahlung und ihre Rache zu bekommen; und schon bald hatten sie mit der gewohnten Hurtigkeit der Tartaren die Provinzen Pontus, Kappadokien, Kilikien und Galatien überschwemmt. Die Legionen, die von der anderen Seite des Bosporus die Brände der einzelnen Dörfer und Städte unterscheiden konnten, bedrängten ihre Befehlshaber ungeduldig, sie gegen die Invasoren ins Feld zu führen. Tacitus selbst verhielt sich so, wie man es von seinem Alter und seiner Stellung erwarten konnte. Er überzeugte die Barbaren von der Vertragstreue und darüber hinaus von der Stärke des Römischen Imperiums. Die meisten Alanen, die sich damit zufrieden gaben, aus ihren Verträgen entlassen zu sein, die Aurelian mit ihnen geschlossen hatte, gaben ihre Beute und ihre Gefangenen heraus und zogen sich zurück in ihre Steppen jenseits des Phasis. Gegen die übrigen, kriegerisch gestimmten unternahm der Römische Kaiser in eigener Person einen erfolgreichen Feldzug. Mit Hilfe einer Armee von tapferen und erprobten Veteranen befreite er innerhalb weniger Wochen die asiatischen Provinzen von den Schrecken der sarmatischen Invasion. Vopiscus, Historia Augusta, Tacitus 13; Zosimos, 1,63; Zonaras 12,28; zwei Passagen in der Probus-Biographie (Vopiscus, Historia Augusta, Probus 8 und 12) belegen, dass die Skythen, die in den Pontos einfielen, Alanen waren. Wenn wir Zosimos glauben wollen (1,64) so setzte Florianus ihm bis zu kimmerischen Bosporus nach. Aber für ein so langes und schwieriges Unternehmen dürfte er kaum genügend Zeit gehabt haben.
SEIN ENDE
Aber der Ruhm und das Leben des Tacitus waren nur von kurzer Dauer. Aus Campaniens mildem Klima wurde er mitten im Winter an den Fuß des Kaukasusgebirges verschlagen, und seine Kräfte schwanden zusehends unter den ungewohnten Härten des Militärlebens. Hinzu kamen schwere Sorgen und Probleme. Eine Zeitlang hatte er die selbstsüchtigen und aufgeregten Gelüste der Soldaten durch eine Art Begeisterung für öffentliche Tugend ruhigstellen können. Bald aber brachen sie sich mit doppelter Stärke wieder Bahn und machten weder vor dem Lager noch vor dem Zelt des Kaisers Halt. Sein milder und liebenswerter Charakter provozierte sie nur noch mehr, und beständig bedrängten ihn Parteiungen, die er nicht beschwichtigen, und Forderungen, die er nicht erfüllen konnte. Wie immer er sich die Bereinigung der verkommenen öffentlichen Ordnung vorgestellt haben mag, an dieser Stelle musste Tacitus erkennen, dass die Disziplinlosigkeit der Armee die Autorität des Gesetzes nicht ernst nahm, und so beschleunigten Verbitterung und Enttäuschung sein Ende. Es mag zweifelhaft sein, ob die Soldaten ihre Hände in das Blut ihres unschuldigen Herrschers getaucht hatten. Eutropius und Aurelius Victor sagen nur, dass er starb; der jüngere Victor fügt hinzu, dass es Fieber gewesen sei. Zosimos und Zonaras versichern, dass ihn Soldaten umgebracht hätten. Vopiscus erwähnt beide Berichte, kann sich selbst aber nicht entscheiden. Diese Widersprüche müssten doch leicht zu versöhnen sein! Es steht indessen fest, dass sie mit ihrem Drängen seinen Tod herbeigeführt hatten. Er starb zu Tyana in Kappadokien nach nur sechs Monaten und zwanzig Tagen Regierungszeit. Er regierte, wie die beiden Victor angeben, genau zweihundert Tage.
FLORIANUS
Tacitus hatte die Augen noch nicht geschlossen, da hatte sein Bruder Florianus bereits den Nachweis erbracht, wie unwürdig der Herrschaft er sei, indem er übereilt und ohne den Senatsbeschluss abzuwarten nach dem Purpur schnappte. Der Respekt vor der römischen Verfassung, welcher in den Provinzen und Militärlagern immer noch lebte, reichte aus, um so etwas wie Kritik an Florianus' hastigem Ehrgeiz hervorzurufen; zu einer wirksamen Ablehnung kam es indessen nicht. Diese Unzufriedenheit hätte sich sicherlich zu taten- und folgenlosem Murren verflüchtigt, hätte nicht der General des Ostens, der heldengleiche Probus, sich mit Entschlossenheit zum Rächer des Senates aufgeworfen. Die Auseinandersetzung wurde jedoch mit ungleichen Waffen geführt; denn selbst der fähigste General konnte an der Spitze der verweichlichten Truppen Ägyptens und Syriens nicht hoffen, gegen die europäischen Legionen seines Nebenbuhlers zu bestehen, deren unwiderstehliche Kampfkraft dem Bruder des Tacitus zur Seite stand. Aber das Glück und der Unternehmungsgeist des Probus überwanden jedes Hindernis. Die Veteranen seines Feindes, abgehärtet und an kaltes Klima gewöhnt, schmachteten und vergingen in der schwülen Hitze Kilikiens, wo sich der Sommer als besonders ungesund erwies. Infolge von Massendesertationen lichteten sich ihre Reihen weiter, und die Bergpässe wurden nur schwach verteidigt; Tarsus öffnete seine Tore, und die Soldaten des Florianus, die ihm immerhin drei Monate den Kaisertitel zu führen gestattet hatten, ersparten dem Reich einen Bürgerkrieg, indem sie diesen Herrscher, den sie nur verachten konnten, leichterdings erschlugen. Vopiscus, Historia Augusta, Florianus 1; Zosimos 1,64 und 65; Zonaras 12,28. Aurelius Victor (de Caesaribus) behauptet, dass Probus die Kaiserwürde in Illyricum angenommen habe; welche Auffassung (ob sie schon von einem hochgelehrten Manne geteilt wird) jene Geschichtsepoche in heillose Konfusion stürzen würde.
DIE FAMILIE BLEIBT IM DUNKEL
Die beständigen Absetzungen der Kaiser hatten den Gedanken an eine etwaige Erbfolge so sehr zurückgedrängt, dass die Familie eines solchen glücklosen Herrschers unmöglich den Argwohn des Nachfolgers erregen konnte. Die Kinder des Tacitus und Florianus durften sich ins Privatleben zurückziehen und sich mit dem Volke gemein machen. Ihre Armut bot zusätzliche Gewähr für ihre Harmlosigkeit. Als Tacitus zum Kaiser gewählt wurde, überließ er sein umfangreiches Vermögen der öffentlichen Hand, Vopiscus, Historia Augusta, Tacitus 10. welche generöse Maßnahme allerdings auch ein deutlicher Hinweis darauf war, dass er die Herrschaft auf seine leiblichen Nachkommen übertragen wollte. Den einzigen Trost, den diese nun aus ihrer gesunkenen Stellung ziehen mochten, war die Erinnerung an ihre frühere Größe und eine vage Hoffnung – die Frucht einer leeren Prophezeiung – dass nach tausend Jahren ein Herrscher aus dem Hause Tacitus erstehen werde, bestimmt, den Senat zu beschützen, Rom neuerlich zu erheben und darüber hinaus die ganze Welt zu erobern. Dieser ferne Monarch sollte außerdem Richter zu den Parthern, Persern und Samartanern schicken sowie einen Statthalter in Trapobana und einen Proconsul auf der römischen Insel einsetzen. (Casaubon und Salmasius mutmaßen, dass es sich hier um Britannien handeln müsse.) Eine historische Darstellung wie die meine, sagt Vopiscus in angemessener Selbstbescheidung, wird nicht tausend Jahre überdauern, und folglich auch diese Prophezeiung nicht widerlegen oder bestätigen können.
DER AUFSTIEG DES PROBUS SEINE WAHL ZUM KAISER
Die Bauern Illyriens, die dem sinkenden Imperium bereits einen Claudius und einen Aurelian geschenkt hatten, durften sich mit gleichem Rechte auch der Erhebung eines Probus rühmen. Historia Augusta, Tacitus 8. Zwanzig Jahre zuvor hatte Kaiser Valerian mit bewährtem Scharfblick die emporstrebenden Talente eines jungen Soldaten ausgemacht, den er zum Tribunen beförderte, obgleich die militärische Rangliste dies noch lange nicht zuließ. Der Tribun rechtfertigte indessen seine Beförderung durch einen Sieg über eine starke Abteilung Sarmaten, bei welcher Gelegenheit er auch noch einem nahen Verwandten des Valerian das Leben rettete; und so verdiente er sich alle Kragen, Schnüre, Abzeichen, Mauer- und Bürgerkronen aus der Hand des Kaisers, alle Ehrenbezeigungen, die das alte Rom für verdiente Tapferkeit bereithielt. Die III und dann die X Legion wurden dem Kommando des Probus anvertraut, der auf allen Stufen seiner Karriereleiter sich den jeweiligen Anforderungen weit überlegen zeigte. Afrika und Pontus, der Rhein, die Donau, der Euphrat und der Nil boten ihm nacheinander die besten Gelegenheiten, Proben von persönlichem Mut und Kriegstüchtigkeit abzulegen. Aurelian war ihm verpflichtet für die Wiedereroberung Ägyptens, und noch mehr war er ihm verpflichtet für den Mut, mit dem er mehrmals Aufwallungen von kaiserlicher Grausamkeit abzuwenden verstand. Tacitus, der sich von den Fähigkeiten seiner Generäle Kompensation für seine Unbegabtheit in militärischen Dingen erhoffte hatte, ernannte ihn zum Oberkommandierenden der östlichen Provinzen bei fünffach höherem Sold, der Zusicherung eines Konsulats und der Aussicht auf einen Triumphzug. Vierundvierzig Jahre war Probus bei seiner Thronbesteigung alt, Gemäß den Angaben der Alexandrinischen Chronik war zum Zeitpunkt seines Tode fünfzig Jahre alt. stand auf der Mittagshöhe seines Ruhmes, hatte die unverbrüchliche Zuneigung der Armee und war geistig und körperlich im Vollbesitz seiner Kräfte.
HALTUNG GEGENÜBER DEM SENAT
Seine unbestreitbaren Verdienste und der Sieg seiner Waffen über Florianus machten, dass er ohne Feinde dastand. Schenken wir allerdings seinen eigenen Bekenntnissen Glauben, die nichts weniger als Herrschsucht erkennen lassen, dann nahm er die Wahl nur mit dem aufrichtigsten Widerstreben an. ›Aber es steht nicht mehr in meiner Macht,‹ so schrieb er in einem Privatbrief, ›diesen Titel abzulehnen, der so gefahrvoll und neidvergiftet ist. Ich muss nun fortfahren, die Rolle zu spielen, die die Soldaten mir zugedacht haben.‹ Der Brief war an den Prätorianerpräfekten gerichtet, welchem er (unter der Voraussetzung weiterer tadelloser Aufführungen) das Verbleiben auf seinem exponierten Posten in Aussicht stellte. S. Historia Augusta, Probus 10. Seine pflichtschuldige Adresse an den Senat offenbarte die Gefühle, oder doch wenigstens die Sprache des römischen Patrioten: ›Wenn Ihr, versammelte Väter! einen aus Eurer Mitte erwählt hättet, dem Kaiser Aurelian nachzufolgen, so wäre dies eine Handlung gewesen, die Eurer Weisheit und Gerechtigkeit entsprochen hätte. Denn Ihr seid die eigentlichen Herrscher der Welt, und die Macht, die von Euren Vorfahren auf Euch gekommen ist, wird auch auf Eure Nachfahren übergehen. Es wäre ein gutes Ding gewesen, wenn Florianus, anstelle den Purpur an sich zu raffen wie ein persönliches Beutestück, abgewartet hätte, was Eure Majestät befunden hätte, sei es zu seinen oder jemandes anderen Gunsten. Die Soldaten haben klüglich seine Voreiligkeit bestraft. Nun haben sie mir den Augustustitel angeboten; ich jedoch lege meine Ansprüche und Verdienste auf die Wagschale Eures Urteils.‹ Historia Augusta, Probus 11. Das Datum des Briefes ist sicherlich falsch. Statt Non. Februar sollten wir Non. Aug. lesen.
3. AUGUST A.D. 276
Als der Konsul diesen respektvollen Brief verlesen hatte, konnten die Senatoren unmöglich ihre Genugtuung darüber verbergen, dass Probus selbst so demütig den Senat um das Szepter gebeten hatte, welches er doch schon längst in der Hand hielt. Aufs herzlichste dankte man ihm für seinen Mut, seine bisherigen Heldentaten und ganz besonders für seine Bescheidenheit. Und so erging unverzüglich und ohne Gegenstimme ein Senatsbeschluss, der die Wahl des Ostheeres bestätigte und ihrem Oberkommandierenden alle Insignien der kaiserlichen Würde übertrug: den Caesaren- und Augustustitel, die Bezeichnung Vater des Vaterlandes, das Recht, dreimal am Tage einen Senatsbeschluss herbeizuführen, Historia Augusta, Probus 12,8. Merkwürdig, dass der Senat Probus schlechter behandelte als Marcus Aurelius. Noch vor dem Tode des Pius hatte dieser Herrscher das ius quintae relationis [Recht der ersten fünf Senatsanträge] erhalten. das Amt des Pontifex Maximus, die tribunizische Gewalt und prokonsularische Befehlsgewalt. Diese Art der Investitur schien die Machtbefugnisse des Herrschers zu vermehren, war aber zugleich ein Rückgriff auf die Verfassungswirklichkeit der untergegangenen Republik.
REGIERUNG DES PROBUS – SIEGE ÜBER DIE BARBAREN
Die Herrschaft des Probus hielt, was ihr verheißungsvoller Auftakt versprochen hatte. Dem Senat wurde die Leitung der Zivilverwaltung übertragen; ihr treuergebener General hielt die Ehre der römischen Waffen aufrecht und legte ihnen des Öfteren Goldkronen und Trophäen aus dem Barbarenland zu Füßen. Siehe das ehrerbietige Schreiben des Probus an den Senat nach seinen Siegen in Germanien. Historia Augusta, Probus 10. Während er so ihrer Eitelkeit schmeichelte, muss er im Inneren ihre Trägheit und Schwäche verachtet haben. Obwohl es in ihrer Macht gestanden hätte, zu jedem Augenblick den herabsetzenden Erlass des Gallienus zu annullieren, fanden sich die stolzen Nachfahren der Scipionen gefasst damit ab, von allen militärischen Aufgaben ausgeschlossen zu sein. Bald jedoch machten sie die Erfahrung, dass der, der das Schwert verschmäht, auch auf das Szepter verzichten muss.
Aurelian hatte die Feinde Roms ringsum gedämpft. Nach seinem Tode erschienen sie neuerlich auf dem Plan, zahlreicher und stärker denn je. Erneut gingen ihre Entwürfe zuschanden, diesmal durch Probus' Dazwischenfahren; innerhalb von nur sechs Jahren Regierungszeit erklomm er die Ruhmeshöhen archaischer Heroen Die Daten und die Dauer von Probus Regierungszeit hat der Kardinal Noris in seinem gelehrten Werke de Epochis Syro-Macedonum, p. 96-105 aufs genaueste bestimmt. Eine Textstelle bei Eusebios verbindet das zweite Regierungsjahr des Probus mit den Jahreszählungen verschiedener syrischer Städte. und stellte in jeder römischen Provinz den Frieden wieder her. Die gefährdete rhätische Grenze sicherte er so nachhaltig, dass von Feinden noch nicht einmal eine Spur blieb. Er brach die Macht der nomadisierenden Sarmaten und zwang sie durch Waffengewalt zur Herausgabe ihrer Kriegsbeute. Die Goten waren heftig um die Freundschaft zu einem solchen Kriegsherrn bemüht. Historia Augusta, Probus 16,3. Er griff die Isaurier in ihren Bergen an, belagerte sie, nahm einige ihrer stärksten Festungen Zosimos 1,69 berichtet uns hier lang und albern von Lydius, dem isaurischen Räuber. und mochte sich schmeicheln, für alle Zeiten einen inneren Feind besiegt zu haben, dessen Unabhängigkeit so schmerzlich die Majestät des Imperiums gekränkt hatte.
Die Unruhen, die der Empörer Firmus in Oberägypten aufgeregt hatte, waren niemals wirklich beigelegt worden, und auch die Städte von Ptolemais und Koptos, unterstützt noch durch die Blemyer, waren nach wie vor rebellisch. Die Bestrafung dieser Städte und ihrer Verbündeten, den Wilden aus dem Süden, soll den persischen Hof beunruhigt haben, Zosimos, 1,71; Vopiscus in der Historia Augusta, Probus 17,4 und 18,1. Es erscheint uns allerdings sehr unwahrscheinlich, dass die Niederlage der Äthiopischen Eingeborenen den König von Persien sollte mit Sorge erfüllt haben. suchte doch der Großkönig ganz vergebens um die Freundschaft des Probus nach. Die meisten Großtaten, die seine Regierung zierten, waren seiner persönlichen Tapferkeit und seinem Feldherrentalent zu danken; so dass einer seiner Biographen sich leise darüber verwundert, wie denn in so kurzer Regierungszeit ein einzelner Mann auf so vielen, weit voneinander entfernten Kriegsschauplätzen habe anwesend sein können. Er überließ die Aufgaben im Anschluss an einen Feldzug nachgeordneten Offizieren, und dass er hierbei stets den Richtigen ausgewählt hatte, macht nicht den geringsten Teil seiner Bedeutung aus. Carus, Diocletian, Maximian, Constantius, Galerius, Asclepiodatus, Annibalianus und zahlreiche andere Generäle, die später den Thron bestiegen oder ihm doch wenigstens zur Seite standen, hatten das Waffenhandwerk in der strengen Schule des Aurelian und Probus erlernt. Neben diesen wohlbekannten Heerführern nennt Vopiscus (Historia Augusta, Probus 22) noch einige andere, deren Gefechte allerdings nicht auf uns gekommen sind.
BEFREIUNG GALLIENS
Der größten Dienst jedoch, den Probus der Republik leistete, war die Befreiung Galliens und die Wiedereroberung von siebzig blühenden Städten, welche durch die barbarischen Germanen bedrückt wurden, welche seit dem Tode Aurelians jene große Provinz ungestraft heimgesucht hatten. Siehe Julian, Caesares und Historia Augusta, Probus 15 und 18. Wir können in der Masse der Eindringlinge mit leidlicher Sicherheit drei große Armeen – besser wohl: Stämme – ausmachen, die nacheinander an Probus' Stärke scheiterten. Er trieb zunächst die Franken in ihre Sümpfe zurück; aus diesem Umstand können wir unschwer ablesen, dass die mannesstarke Konföderation der Freien inzwischen das flache, meeresnahe Land besetzt hielt, welches durch die trägen Fluten des Rhein zerschnitten und nahezu überschwemmt wurde und dass ferner einige friesische und batavische Stämme in ihrer Gefolgschaft waren.
Er besiegte die Burgunder, nicht der unverächtlichste Stamm aus dem Volke der Vandalen. Beutelüstern hatten sie die Ufer der Oder mit denen der Seine vertauscht. Sie schätzten sich nun glücklich, gegen Abgabe ihres gesamten Raubes freien und ungestörten Abzug zu erhalten. Sobald sie jedoch versuchten, diesen Teil des Vertrages nicht zu erfüllen, erging es ihnen übel. Zosimos 1,67 und Historia Augusta, Probus 14. Diese nimmt jedoch an, dass die Strafen mit Einwilligung ihrer Könige verhängt wurden. Stimmt dies, dann war dies genauso unrecht wie die Vergehen selbst. Die Bestrafung folgte unverzüglich und war fürchterlich.
Von allen Eindringlingen in Gallien waren die Lygier die schlimmsten, ein Volk, welches über ein weitläufiges Gebiet zwischen Polen und Schlesien herrschte. S. Cluver, Germania antiqua Bd. 3. Ptolemaios verlegt den Ort Kalisia in ihr Land; vielleicht ist es Kalisch in Schlesien. Nach Zahl und Wildheit nahmen innerhalb der Lygier die Arii die erste Stelle ein. ›Die Arii (so beschreibt sie Tacitus sehr eindringlich) versuchen durch Kunstgriffe und Nutzung der Begleitumstände die den Barbaren eigene Schreckenswirkung noch zu vergrößern. Ihre Schilde sind schwarz, ihre Körper schwarz bemalt. Für die Schlacht suchen sie sich die dunkelste Stunde der Nacht. So ist der Angriff ihrer Massen finster wie ein Leichenbegängnis; ›feralis umbra‹ [Totenschatten] heißt es bei Tacitus – gewiss sehr kühn. selten nur begegnet ihnen ein Feind, der imstande ist, einen solcherart fremden, höllischen Anblick auszuhalten. Von allen unseren Sinnen sind ja unsere Augen in der Schlacht als erste besiegt.‹ Tacitus, Germania 43. Diesen entsetzlichen Schreckensbildern bereiteten die römische Waffendisziplin ihrerseits nur weniges Unbehagen: in einer großen Entscheidungsschlacht wurden die Lygier besiegt, und Semno, der Häuptling mit dem größten Ansehen, fiel Probus lebend in die Hände. Klugheit verbat es dem Kaiser, ein tapferes Volk bis zum Äußersten zu treiben; so gewährte er ihm ehrenhafte Kapitulation und gestattete ihnen freie Rückkehr in ihre Heimat. Aber die Verluste, die sie auf dem Vormarsch, in der Schlacht und auf dem Rückzug erlitten hatten, hatten diese Nation zu sehr geschwächt; der Name der Lygier ist seitdem aus der Geschichte Germaniens oder des Römischen Reiches verschwunden. Die Befreiung Galliens soll vierhunderttausend Invasoren das Leben gekostet haben; für die Römer ein gewaltiges Stück Arbeit, und für den Kaiser darüber hinaus ein sehr teures, da er für jeden toten Barbaren ein Goldstück ausgelobt hatte. Vopiscus in der Historia Augusta, Probus 15. Da aber der Ruhm der Soldaten auf der Zerstörung von Menschenleben begründet ist, dürfen wir den naheliegenden Verdacht hegen, dass die Habgier der Soldaten diesen Blutzoll noch übertrieben hat und von Probus' freigebiger Eitelkeit ohne nähere Überprüfung geglaubt wurde.
PROBUS IN GERMANIEN
Seit dem Feldzug des Maximinus hatten die römischen Generäle ihren Ehrgeiz auf Verteidigungskriege gegen die germanischen Stämme beschränkt, welche unablässig die Grenzen des Reiches bedrängten. Der risikofreudigere Probus jedoch fuhr seine Siege in Gallien ein, überquerte den Rhein und zeigte seine unbesiegbaren Legionsadler an den Ufern von Elbe und Neckar. Nichts könne, so seine feste Überzeugung, die kriegerischen Gemüter der Barbaren nachhaltiger mit dem Friedensgedanken anfreunden, wenn sie in ihrem eigenen Lande die Nöte des Krieges erfahren würden. Germanien, das noch erschöpft war von seinen letzten Unternehmungen und deren schlimmen Folgen, wurde von seinem Herannahen überrumpelt. Neun ihrer angesehensten Häuptlinge begaben sich in sein Lager und warfen sich vor ihm nieder in den Staub. Die vom Sieger huldreich diktierten Bedingungen nahmen sie demütig an. Er forderte eine vollständige Rückgabe aller Beutestücke und Gefangenen, die sie aus den Provinzen verschleppt hatten; gleichzeitig legte er ihren Obrigkeiten auf, alle diejenige verstockten Räuber, die auch nur den geringsten Teil der Beute für sich zu behalten im Verdacht standen, empfindlich zu bestrafen. Ein erklecklicher Fundus an Korn, Vieh und Pferden, dem einzigen Reichtum dieser Barbaren, blieb dem Nutzen der Garnisonen vorbehalten, welche Probus an ihrer Landesgrenzen stationierte.
Probus ging sogar kurzfristig mit dem Gedanken schwanger, die Germanen zum Verzicht auf jeden Waffengebrauch zu zwingen und ihre Zwistigkeiten römischen Gesetzen, ihre Sicherheit aber römischen Waffen anzuvertrauen. Um jedoch zu diesem heilsamen Ziele zu gelangen, waren die Einrichtung einer kaiserlichen Gouverneursresidenz und die Stationierung einer starken Armee unabdingbar. Probus hielt es deshalb für zweckdienlicher, sich der Ausführung so weitreichender Pläne zu entschlagen; deren Nützlichkeit ja in der Tat eher symbolischer als konkreter Natur war. Historia Augusta, Probus 13 und 14. Vopiscus zitiert einen Brief des Kaisers an den Senat, in welchem er auch seine Plänen erwähnt, Germanien zu einer Provinz zu machen. Wäre nämlich Germanien tatsächlich zu einer Provinz geworden, dann hätten die Römer lediglich eine noch ausgedehntere Grenze hinzugewonnen, die sie dann mit immensen Kosten und Mühen gegen die noch wilderen und unternehmenderen Skythen hätten verteidigen müssen.
BAU DES LIMES VOM RHEIN BIS ZUR DONAU
Anstelle nun Germaniens kriegerischen Massen den Status römischer Untertanen anzubieten, gab sich Probus mit dem weniger ruhmreichen Unterfangen zufrieden, ein Bollwerk gegen ihre Einfälle aufzufahren. Das heutige Schwabenland war in den Zeiten des Augustus von seinen damaligen Bewohnern aufgegeben worden. Strabo, 7, p. 270. Velleius Paterculus zufolge (2,108) führte Marbod seine Markomannen nach Böhmen; und Cluver (Germania antiqua Bd.3, p. 8) kann nachweisen, dass dies von Schwaben aus geschah. Die Fruchtbarkeit des Bodens jedoch lockte schon bald neue Siedler aus den benachbarten Provinzen Galliens. Unmengen von Abenteurern mit unsteter Seelenlage und in verzweifelten häuslichen Verhältnissen besetzten das herrenlose Gebiet und anerkannten durch Zahlung des Zehnten Roms Oberherrschaft. Weil diese Ansiedler den Zehnten entrichteten, nannte man sie Decumates. Es wurde nun, auf dass diese neuen Untertanen geschützt seien, eine Kette von Frontgarnisonen zwischen Rhein und Donau angelegt. Als während der Regierungszeit des Hadrian diese Art der Verteidigung in allgemeinen Gebrauch kam, wurden die einzelnen Garnisonen durch starke Verschanzungen aus Bäumen und Palisaden verbunden und gesichert. Statt dieses etwas derben Bollwerks ließ Kaiser Probus einen Steinwall von beträchtlicher Höhe aufführen und durch Wachtürme in geeigneter Entfernung absichern. Von Regensburg und Neustadt an der Donau bis nach Wimpfen am Neckar erstreckte sich der Limes über Berg und Tal, Flüsse und Sümpfe und gelangte nach über zweihundert Meilen windungsreichen Verlaufes schließlich an den Rhein. S. hierzu ›Notes de l'Abbe de la Bleterie a la Germanie de Tacite‹ p. 183. Seine Schilderung des Limes ist, wie er selbst zugibt, weitgehend der Alsatia illustrata von Schöpflin verpflichtet. Dieser wichtige Verteidigungswall, der die beiden mächtigen Ströme miteinander verband, welche die europäischen Provinzen schützten, sicherte die offene Bresche, durch welche die Barbaren und namentlich die Alamannen bequem in das Herz des Reiches eindringen konnten. Aber alle Erfahrungen der Menschheit von China bis Britannien haben die Vergeblichkeit solcher Sicherungsmaßnahmen weitausgebreiteten Landes erwiesen. Hierzu siehe ›Recherches sur les Chinois et les Egyptiens‹, tom. 2, p. 81-102. Der anonyme Verfasser ist mit der Welt im Allgemeinen und mit Deutschland im Besonderen wohlvertraut, zitiert zum letzteren ein Werk von Hanselmann und verwechselt hierbei wohl den Wall des Probus (gegen die Alamannen) mit der Befestigung der Mattiatiker bei Frankfurt (gegen die Chatten). Ein unternehmender Feind, der sich sein Angriffsziel nach Belieben aussuchen und wieder abändern kann, wird irgendwann einen schwachen Punkt oder einen unbewachten Augenblick entdecken. Die Kräfte und die Aufmerksamkeit des Verteidigers jedoch sind zersplittert; und so kommt es dann, dass selbst die zuverlässigsten Truppen, ist die Linie erst einmal an einem Punkt durchbrochen, sie in Eile und Panik aufgeben. Das Schicksal, welches den von Probus errichteten Limes ereilte, mag diese allgemeine Zwischenbemerkung bestätigen. Wenige Jahre nach seinem Tode wurde der Limes von den Alamannen überrannt. Seine weithin verstreuten Trümmer, die man einst für das Werk von Dämonen hielt, dienen heute lediglich dazu, dass sich der schwäbische Bauersmann darüber verwundere.
ANSIEDLUNG VON BARBAREN
Zu den nutzbringenden Friedensbedingungen, die Probus den besiegten Germanenstämmen auferlegte, gehörte auch die Verpflichtung, der römische Armee sechzehntausend Rekruten zu stellen, den tapfersten und stärksten ihrer Jugend. Der Kaiser schickte sie in alle Provinzen und verteilte diese durchaus zweischneidige Verstärkung in kleineren Abteilungen von fünfzig bis sechzig Mann auf die nationalen Truppenkontingente; wobei er einsichtig anmerkte, dass die Hilfe, die die Republik von den Barbaren erhalten habe, spürbar, aber nicht sichtbar sein dürfe. Er teilte fünfzig bis sechzig Barbaren einem, wie es damals genannt wurde, numerus zu, einen Truppenteil, dessen genauere Mannschaftsstärke wir nicht kennen. Und Hilfe tat dringend not. Italiens verweichlichte Eleganz und die inneren Provinzen sahen sich mittlerweile außerstande, die Last der Verteidigung zu tragen. Die rauen Gefilde von Rhein und Donau brachten immer noch genug Menschen hervor, die den Mühen des Lagerlebens psychisch und körperlich gewachsen waren; aber die ununterbrochene Serie von Kriegen hatte auch ihre Reihen gelichtet. Es wurde zu selten geheiratet, die Äcker lagen verödet, und diese für das Bevölkerungswachstum ungünstigen Voraussetzungen zerstörten nicht nur den Lebensnerv der gegenwärtigen, sondern auch die Hoffnungen der zukünftigen Generationen.
Probus war vorausschauend genug, große und segensreiche Pläne zur Wiederauffüllung der verwaisten Grenzmarken zu ersinnen: neue Kolonien mit flüchtigen oder gefangenen Barbaren sollten begründet werden; ihnen sollte Land, Vieh, landwirtschaftliches Gerät und ferner jede Art von Ermutigung zuteil werden, um eine neue Generation von wehrhaften Soldaten heranzuziehen. In Britannien, vermutlich im heutigen Cambridgeshire, Camden, Britannia, Einleitung, p. 136. Seine Vermutungen bleiben aber sehr fragwürdig. wurde eine erkleckliche Anzahl von Vandalen angesiedelt. Die Unmöglichkeit der Flucht söhnte sie mit ihrer Lage aus, und in allen künftigen Unruhen auf der Insel erwiesen sie sich als die zuverlässigsten Parteigänger des Landes. Zosimos, 1,68. Wie Vopiscus berichtet, war ein anderer Haufe der Vandalen weniger zuverlässig. Franken und Gepiden wurden in großer Zahl an Rhein und Donau angesiedelt. Einhunderttausend Bastarner, Vertriebene aus ihrer Heimat, siedelten mit Freuden in Thrakien und nahmen rasch Brauchtum und Denkweise der Römer an. Historia Augusta, Probus 18. Vermutlich wurden sie von den Goten vertrieben. Zosimos 1,71. Ebenso oft aber wurden die Erwartungen des Probus auch enttäuscht. Um sich in den gemäßigten Gang der Landwirtschaft zu finden, waren die Ungeduld der Barbaren und andererseits ihre Neigung zum Müßiggang untauglich. Ihre unauslöschliche Freiheitsliebe, die sich gegen jede Form von Despotismus erhob, verführte sie oftmals zu überhasteten Rebellionen, die sich für sie ebenso fatal auswirkten wie für die Provinzen; Historia Augusta, Probus 18. auch konnten diese künstlichen Maßnahmen, wie oft sie auch spätere Herrscher wiederholen mochten, den wichtigen Grenzen Galliens und Illyriens nicht ihre frühere Stabilität zurückgeben.
EIN WAGHALSIGES UNTERNEHMEN DER FRANKEN
Nur sehr wenige Barbaren, die das ihnen zugewiesene Siedlungsland wieder aufgaben und dadurch die Ruhe der Öffentlichkeit aufstörten, kehrten in ihre ursprüngliche Heimat zurück. Für eine gewisse Zeit mochten sie unter Waffen das Imperium durchstreifen; am Ende aber wurden sie zuverlässig von den Truppen des kriegstüchtigen Herrschers ausgelöscht. Ein Unternehmen jedoch, das die Franken mit verblüffender Schnelligkeit durchführten, darf wegen seiner weit reichenden Folgen hier nicht unerwähnt bleiben. Probus hatte sie an der Küste des Pontus angesiedelt, wodurch er zugleich die Abwehrfront gegen die Einfälle der Alanen zu stärken beabsichtigte. Eine Flotte, die zufällig in einem der Schwarzmeerhäfen lag, fiel den Franken in die Hände; und da beschlossen sie, durch unbekanntes Gewässer hindurch den Weg von der Phasismündung bis zu der des Rheins zu wagen. Leicht gelangte sie durch Bosporus und Hellespont, kreuzten im Mittelmeer herum und stellten durch häufige Überfälle an den nichtsahnenden Küsten Asiens, Griechenlands und Afrikas ihre Beute- und Rachegelüste zufrieden. Das opulente Syrakus, in dessen Hafen einst Athens und Karthagos Flotten untergegangen waren, wurde von einer Handvoll Barbaren geplündert, die den größten Teil der entsetzensstarren Bevölkerung niedermetzelte. Von Sizilien segelten sie dann zu den Säulen des Herkules ab, wagten sich auf den offenen Ozean, segelten unter der spanischen und gallischen Küste, durchfuhren im Triumph den Kanal und landeten endlich sicher an der batavischen und friesischen Küste. Panegyrici 5, 18; Zosimos 1,71. Ihr Erfolg lehrte ihre Landsleute, wie man sich die Vorteile der Seefahrt zunutze machen und über ihre Gefahren hinwegsetzen kann und wies so ihrem unternehmenden Volksgeiste neue Wege zu Ruhm und Beute.
REVOLTE DES SATURNINUS IM OSTEN
Trotz aller Wachsamkeit und Vorausplanung des Probus erwies es sich als nahezu unmöglich, in allen Provinzen seines Riesenreiches gleichzeitig den Gehorsam aufrechtzuerhalten. Die Barbaren, ledig ihrer Ketten, hatten die günstige Gelegenheit einer internen römischen Auseinandersetzung ergriffen. Als der Kaiser abmarschiert war, Gallien zu befreien, übertrug er die Befehls- und Regierungsgewalt im Osten dem Saturninus. Dieser General, ein verdienst- und erfahrungsreicher Mann, wurde zur Rebellion gleichsam genötigt durch die Abwesenheit des Kaisers, durch die Leichtfertigkeit der Bevölkerung von Alexandria, durch das Drängen seiner Freunde und durch seine eigenen Ängste; aber von dem Moment seiner Wahl durch die Truppen hatte er alle Hoffnungen auf die Herrschaft, ja sogar auf sein Leben fahren lassen. ›Wehe!‹ sagte er, ›die Republik hat nun einen ergebenen Diener in mir verloren, und der Unbedacht einer einzigen Stunde hat den treuen Dienst vieler Jahre zunichte gemacht. Ersichtlich kennt ihr nicht,‹ so fuhr er fort, ›das Elend der kaiserlichen Macht: beständig hängt ein Schwert über unserem Haupte. Wir fürchten unsere eigenen Leibwachen, wir misstrauen unseren Weggefährten. Es steht nicht bei uns, ob wir handeln sollen oder abwarten, und weder unser Alter, noch unser Verhalten oder unsere Persönlichkeit schützen uns vor Nachstellungen. Ihr habt mich nun auf den Thron gehoben; damit habt ihr mich zu einem vorzeitigen Ende verurteilt. Mein einziger Trost besteht in der Gewissheit, dass ich nicht der einzige bleiben werde.‹ Vopiscus in der Historia Augusta Firmus 29,10. Der unglückselige Redner hatte Rhetorik in Karthago studiert und war deshalb wohl eher ein Maure (Zosimos 1,66) als ein Gallier, wie ihn Vopiscus bezeichnet. Wenn jedoch der erste Teil seiner Prophezeiung sich erfüllte infolge des Sieges von Probus, so missriet der zweite wegen dessen Milde. Dieser liebenswürdige Herrscher bemühte sich sogar selbst darum, den unglücklichen Saturninus vor der Wut seiner eigenen Soldaten zu schützen. Mehr als einmal hatte er den Usurpator gedrängt, wenigsten etwas Zutrauen in die Gnade eines Herrschers zu haben, welcher von seinem Charakter eine so hohe Meinung besaß, dass er sogar einen bösartigen Zuträger bestraft hatte, Zonaras 12,29. der ihm die unglaubwürdige Nachricht von seinem Untergang übermittelt hatte. Saturninus hätte die ausgestreckte Hand wohl ergriffen, hätte ihn nicht das verstockte Misstrauen seiner Anhänger zurückgehalten. Ihre Schuld war tiefer und ihre Hoffnungen flogen höher als die ihres welterfahrenen Anführers.
BONOSUS UND PROCULUS IN GALLIEN
Die Revolte des Saturninus im Osten war kaum beigelegt, als in Gallien die Rebellion des Bonosus und Proculus neue Unruhen verursachten. Ausgezeichnet vor allen anderen waren diese beiden Offiziere durch ihren individuelle Begabung, die sie auf dem Kampfplatz des Gottes Bacchus beziehungsweise der Venus je und je Großes vollbringen ließ; Ein staunenswertes Beispiel von des Proculus Heldenstärke wird uns überliefert (Vopiscus in den Historia Augusta, Firmus 12): Er hatte hundert samartische Jungfrauen erbeutet. Den Rest der Geschichte soll er nun in seine eigenen Sprache erzählen: ›Ex his una nocte decem inivi; ommnes tamen, quod in me erat, mulieres intra dies quindecim reddidi.‹ [Zehn von denen bin ich in einer Nacht näher gekommen; aber sie alle wurden, was mich anbelangt, innerhalb von fünfzehn Nächten zurückgegeben]. indessen fehlte es beiden auch nicht an kriegerischem Mut und an Belastbarkeit, und beide spielten mit Auszeichnung die erhabene Charakterrolle, die die Angst vor Strafe sie anzunehmen genötigt hatte, bis sie endlich Probus' überlegenem Geiste unterlagen. Er beutete seinen Sieg mit der gewohnten Zurückhaltung aus und vergriff sich weder an dem Vermögen noch an den Mitgliedern ihrer unschuldigen Familien. Proculus, gebürtig zu Albengue bei Genua, hatte zweitausend seiner eigenen Sklaven unter Waffen gestellt. Er war sehr reich, hatte sich aber diesen Wohlstand zusammengeräubert. Über seine Familie hieß es dann später: ›Nec latrones esse, nec principes sibi placere.‹ [Sie wollen weder Räuber noch Herrscher sein]. Vopiscus in der Hist. Aug. Firmus 13.
TRIUMPH DES KAISERS PROBUS A.D. 281
So hatte nun Probus über alle äußeren und inneren Feinde des Staates obsiegt. Seine wohlwollende, aber auch energische Verwaltung trug dazu bei, dass wieder Ruhe einzog; auch waren in den Provinzen weder feindliche Barbaren, noch ein Tyrann oder wenigstens ein Räuberhauptmann am Werk, das Andenken an zurückliegende Unruhen aufzufrischen. Es war die Zeit, in der der Imperator daran denken konnte, die Stadt Rom aufzusuchen und seinen Erfolg und den allgemeinen Glückszustand festlich zu begehen. Der Triumphzug, den Probus vollzog, wurde mit dem Pomp begangen, der dem Anlass entsprach, und die Menschen, die zuvor den Triumph des Aurelian bestaunt hatten, begafften nun mit gleicher Freude den seines heldenhaften Nachfolgers. Historia Augusta, Probus 19. Wir wollen bei dieser Gelegenheit jedoch nicht den Verzweiflungsmut jener achtzig Gladiatoren vergessen, welche zusammen mit beinahe sechshundert anderen für die unmenschlichen Spiele des Amphitheaters aufgespart worden waren. Da ihnen ihr Stolz nicht danach stand, ihr Blut zur Belustigung des römischen Mobs zu vergießen, erschlugen sie ihre Wärter, brachen aus ihrer Kaserne aus und richteten in den Straßen Roms Chaos und Blutvergießen an. Nach hartnäckigem Widerstand wurden sie schließlich von den regulären Truppen zusammengehauen; aber sie starben wenigstens einen ehrenhaften Tod und mit der Genugtuung einer geglückten Rache. Zosimos 1,71.
DISZIPLIN UNTER PROBUS SEIN TOD
Die militärische Disziplin, die unter Probus in den Lagern vorherrschte, war weniger grausam als die des Aurelian, aber genauso streng und genauso bewährt. Der Letztere hatte Verstöße der Soldaten mit unnachgiebiger Strenge verfolgt, der Erstere suchte sie zu vermeiden, indem er die Legionen beständig und auf nutzbringende Weise beschäftigte. Als Probus in Ägypten das Kommando innehatte, führte er zum Wohle dieses reichen Landes viele unverächtliche Vorhaben aus: die Schifffahrt auf dem Nil, die ja auch für Rom selbst von Bedeutung war, wurde verbessert; die Soldaten, die auf diese Weise zu Architekten, Ingenieuren und Landwirten wurden, Historia Augusta, Probus 9. errichteten Tempel, Brücken, Porticos und Paläste. Um seine Soldaten vor den Risiken des Müßiggangs zu schützen, soll Hannibal sie beauftragt haben, an Afrikas Küste Olivenplantagen anzulegen. Historia Augusta, Probus. Diese Maßnahme Hannibals, die übrigens von keinem anderen antiken Autoren berichtet wird, stimmt nun mit seiner Biographie absolut nicht zusammen: mit neun Jahren verließ er Afrika, kehrte erst mit fünfundvierzig zurück und verlor unmittelbar darauf seine Armee in der Entscheidungsschlacht von Zama. Livius, 30,35. Aus ähnlichen Gründen ließ Probus seine Legionen in den Hügel Galliens und Pannoniens Weingärten anlegen, und zwei beachtliche Gebiete werden genannt, welche ausschließlich durch die Anstrengungen des Militärs bestellt und bepflanzt wurden. Historia Augusta, Probus 18,8; Eutropius, 9,17; Aurelius Victor, Probus; Victor iunior 37,3. Er hob hierdurch das Alkoholverbot des Domitian auf und gestattete ganz allgemein den Weinbau in Gallien, der Bretagne und in Pannonien. Eines von diesen, bekannt unter dem Namen Mons Alma, lag in der Nähe von Sirmium, dem Lande, aus dem Probus stammte und für das er immer eine gewisse Vorliebe bewahrt hatte; eine großes und fieberheißes Sumpfgebiet ließ er zu bebaubarem Land trockenlegen, wodurch er sich die Dankbarkeit der Bewohner sicherte. Eine in dieser Weise beschäftigte Armee gab so den nützlichsten und wohl auch respektabelsten Teil der Untertanen ab.
SEIN TOD AUGUST A.D. 282
Doch selbst der Umsichtigste neigt bei der Durchführung seines Lieblingsprojektes dazu, überzeugt von der Ehrbarkeit seiner Absichten, die entgegenstehenden Hindernisse zu übersehen; auch war sich Probus über die Ausdauer und Belastbarkeit seiner Legionäre nicht im Klaren. Iulian tadelt scharf und überbordend die Strenge des Probus, der nach seiner Auffassung sein Ende nachgerade herbeigeführt habe. Der Ausgleich für die Gefahren des Soldatenberufes konnte nur ein Leben in Trägheit und Vergnügung sein; wenn sich aber zu den Pflichten der Soldatenexistenz noch die Mühsal des Bauernlebens hinzugesellt, wird er unter dieser doppelten Belastung entweder zusammenbrechen oder sie mit Empörung abschütteln. Probus hat, so wird überliefert, unklugerweise das Missbehagen seiner Truppen erregt. Da ihm das Wohl der Menschheit mehr am Herzen lag als die Laune seiner Soldaten, hegte er die leere Hoffnung, durch einen allgemeinen Frieden in Kürze der Notwendigkeit überhoben zu sein, eine stehende Söldnertruppe zu unterhalten. Vopiscus, Historia Augusta, Probus 20,3-6. Er verschwendet viel alberne Rhetorik an diese leere Hoffnung. Diese blauäugige Erwartung wurde ihm zum Verhängnis. Als er an einem der heißesten Sommertage die zermürbenden Meliorationsarbeiten in den Sümpfen von Sirmium mit strengem Nachdruck vorantrieb, warfen die Soldaten, abgearbeitet und erschöpft, wie auf Verabredung ihre Schaufeln beiseite, griffen zu den Waffen und begannen eine wüste Meuterei. Der Kaiser wurde sich der Gefahr augenblicklich bewusst und nahm seine Zuflucht auf einem Holzturm, welcher eigens zu dem Zweck errichtet worden war, den Fortgang der Arbeiten zu überwachen. Turris ferrata. Vermutlich war es ein bewegliches Holzgestell mit Eisenbeschlägen. Der Turm wurde augenblicklich erstürmt, und tausend Schwerter durchbohrten den unglückseligen Probus. Sobald die Wut der Soldaten am Ziel war, war sie auch schon wieder verflogen. Laut beklagten sie ihren Unbedacht, vergaßen im Augenblick die feste Hand des Herrschers, den sie soeben ermordet hatten, und eilten, durch ein Ehrenmal die Erinnerung an seine Tugenden und seine Sieg zu verewigen. ›Probus et vere probus situs est; victor omnium gentium barbarorum; victor etiam tyrannorum.‹ Historia Augusta, Probus 21. [Hier liegt Probus begraben, der wahrhaft erprobte, der Sieger über alle Barbarenvölker und der Sieger auch über die Tyrannen].
WAHL DES CARUS – SEIN CHARAKTER
Nachdem die Legionen ihren Schmerz und ihre Reue über den Tod des Probus gepflegt hatten, erklärten sie einmütig Carus, seinen Prätorianerpräfekten, zum ersten Thronanwärter. Alles, was sich irgendwie auf diesen Herrscher bezieht, ist unklar und zweifelhaft. Er rühmte sich des Titels ›römischer Bürger‹ und war bemüht, die Reinheit seines Blutes gegenüber der fremdländischen, gar barbarischen Herkunft seiner Vorgänger ins rechte Licht zu rücken: aber die gründlichsten seiner Zeitgenossen haben, weit davon entfernt, seinen Anspruch anzuerkennen, seinen oder seiner Eltern Geburtsort nach Illyricum, Afrika oder Gallien verlegt. Diese Widersprüche lassen sich möglicherweise in Einklang bringen: Er wurde in Narbonne in Illyricum geboren, welchen Ort Eutropus mit der bekannteren gallischen Stadt gleichen Namens verwechselt haben mag; sein Vater könnte Afrikaner gewesen sein, seine Mutter eine vornehme Römerin. Carus selbst erhielt in der Hauptstadt seine Ausbildung. Siehe auch Scalinger, Animadversio ad Eusebii Chronicam, p.241. Obschon Soldat, hatte er eine gediegene Erziehung erhalten; obschon Senator, übte er oberste Befehlsgewalt in der Armee aus; und in einer Zeit, als militärische und zivile Laufbahnen sich bereits unübersehbar voneinander entfernt hatten, waren sie in der Person des Carus noch vereint. Trotz der harten Urteile, die er gegen die Mörder des Probus verhängte – er war ihm als seinem Förderer zutiefst verpflichtet-, blieb dennoch der Verdacht an ihm selbst hängen, dass er der eigentliche Anstifter zu dieser Mordtat gewesen war, die ihm schließlich die höchste Regierungsgewalt eingebracht habe. Er galt, zumindest bis zu seiner Wahl, als aufrechte und befähigte Persönlichkeit. Probus hatte als Anerkennung für die Verdienste des Carus vom Senat ein Reiterstandbild und einen Marmorpalast auf Staatskosten beantragt. Vopiscus, Historia Augusta, Probus 24, Carus 6. Aber seine ernst-erhabene Natur nahm unmerklich Züge von Missmut und von Grausamkeit an; und seine dürftigen Lebensbeschreibungen schwanken, ob sie ihn nicht unter die römischen Tyrannen einreihen sollten. Vopiscus, Historia Augusta, Firmus 1 und Carus 3. Als Carus den Purpur anlegte, war er etwa sechzig Jahre alt, und seine beiden Söhne, Carinus und Numerianus, waren schon längst zu Männern herangewachsen. Ioannes Malala, Chronographia, Bd.1, p.401. Aber die Glaubwürdigkeit dieses unbedarften Griechen ist äußerst gering. Er leitet albernerweise von Carus die Namen der Stadt Carrhae und der Provinz Caria ab, welch letztgenannte schon bei Homer vorkommt.
SENAT UND VOLK
Mit Probus ging auch das Ansehen des Senats unter; zugleich hatte ihre Reue die Soldaten – anders, als nach dem unglückseligen Tode des Aurelianus – nicht dazu gebracht, auch weiterhin die schuldige Ehrerbietung gegenüber den bürgerlichen Einrichtungen zu beobachten. Carus' Wahl war vollzogen, ohne dass man das Einverständnis des Senates abgewartet hätte, und der neue Herrscher begnügte sich damit, in einem Schreiben kühl und geschäftsmäßig wissen zu lassen, dass er den verwaisten Thron bestiegen habe. Vopiscus, Historia Augusta, Carus 5. Carus gratuliert dem Senat, weil einer der Ihren Kaiser geworden war. Diese Verhalten, welche in so deutlichem Gegensatz zu dem seines leutseligen Vorgängers stand, ließ für die neue Regierung keine allzu optimistischen Erwartungen aufkeimen. Die Römer, schon längst ohne Macht und ohne Freiheit, beharrten wenigstens auf diesem Vorrecht und murrten unbotmäßig. Vopiscus, Historia Augusta, Probus 24. Glückwünsche und Schmeichelei wurden ebenfalls vernommen; und wir können noch heute mit genüsslicher Verachtung eine Ekloge studieren, die anlässlich der Thronbesteigung des Carus geschmiedet ward. Zween Hirten, Schutz suchend vor der Mittagshitze, ziehen sich in die Grotte des Faunus zurück. Unter einer weittragenden Buche gewahren sie frische Schriftzüge. Die ländliche Gottheit hatte in prophetischer Lyrik die glückhaften Umstände dargetan, die dem Reiche unter der Regierung eines großen Herrschers vorherbestimmt seien. Faunus jauchzt dem Einzug des Herrschers zu, welcher auf seinen Schultern die Last der sinkenden römischen Welt abfedern, Krieg und Parteienhader beenden und dereinst die unschuldige Sicherheit des Goldenen Zeitalters wiederherstellen werde. Siehe die erste Ekloge des Calpurnius. Fontenelle (Oeuvres, Bd. 3, p.401) zieht die zugrunde liegende Idee derjenigen von Vergils Pollio vor.
DER PERSISCHE FELDZUG
Es ist wenig wahrscheinlich, dass diese anmutigen Nichtigkeiten jemals bis vor die Ohren dieses altgedienten Haudegens gelangten, der, und hierin folgten ihm die Legionen gerne, sich anschickte, den lange gehegten Plan eines persischen Feldzuges auszuführen. Vor seiner Abreise zu diesem Feldzug investierte Carus seine Söhne Carinus und Numerianus in das Cäsarenamt; und während er den ersteren mit nahezu gleichen kaiserlichen Vollmachten ausstattete, wies er ihn zugleich an, einige in Gallien aufkeimende Unruhen zu unterdrücken und anschließend seine Residenz in Rom zu nehmen sowie die Herrschaft über die westlichen Provinzen anzutreten. Vopiscus, Historia Augusta, Carus 7; Eutropius 9,18; Pagi, Annales. Die Sicherheit Illyricums wurde durch einen grandiosen Sieg über die Sarmaten sichergestellt; sechzehntausend dieser Barbaren deckten die Wahlstatt, und die Zahl der Gefangenen ging an zwanzigtausend. Der alte Kaiser, durch diesen Ruhm und die Aussicht auf fernere Siege verjüngt, marschierte mitten im Winter durch Thrakien, Kleinasien und gelangte endlich mit seinem jüngeren Sohn, Numerianus, an die Grenzen der persischen Monarchie. Auf der Höhe eines Berges ließ er das Lager aufschlagen und wies seinen Truppen den Luxus und Reichtum des Feindes, den zu bekriegen sie im Begriffe standen.
DIE AUDIENZ DER PERSISCHEN GESANDTSCHAFT
Der Nachfahre des Artaxerxes, Varanes oder Bahram, der zwar die äußerst kriegerischen Segestaner im Inneren von Asien Agathias Scholastikos, De Imperio 4, p. 135. Einen seiner Aphorismen finden wir in Herrn d'Herbelots Bibliothéque Orientale: ›Die Idee der Humanität schließt alle anderen Tugenden in sich ein.‹ besiegt hatte, wurde dennoch durch das Nahen der Römer aufgeschreckt und unternahm es, ihrem Vormarsch mit Friedensverhandlungen zu begegnen. Seine Emissäre betraten das Lager bei Sonnenuntergang, als die Soldaten ihren Hunger mit einer frugalen Mahlzeit stillten. Die Perser begehrten, seiner Majestät dem Römischen Kaiser vorgestellt zu werden. Man brachte sie endlich zu einem Soldaten, der im Grase saß. Sein Mahl bestand aus einem Stück ranzigem Speck und einer Handvoll Trockenerbsen. Lediglich ein grober, purpurfarbiger Wollmantel gab einen Hinweis auf seinen Rang. Auch während der Unterhandlung verzichtete man auf alle höfischen Artigkeiten. Carus nahm lediglich die Mütze ab, mit der er seinen kahlen Schädel deckte und versicherte den Gesandten, er werde, wenn ihr Herrscher nicht die Oberhoheit Roms anerkenne, Synesios erzählt diese Anekdote von Carinus; und es liegt viel näher, sie sich von Carus erzählt zu denken als von Probus – wie es Petavius und Tillemont vorziehen. binnen kurzem Persien so von Bäumen entblößen, wie es jetzt sein Kopf von Haaren sei. Wenngleich diese Szene dichterisch ausgeschmückt sein dürfte, können wir aus ihr doch Carus' Sitten und die karge Strenge ablesen, die die kriegstüchtigen Herrscher, die Nachfolger des Gallienus, wieder in die Militärlager Roms eingeführt hatten. Die Minister des Großkönigs erbebten und nahmen hastigen Abschied.
CARUS' UNGEWÖHNLICHER TOD – CARINUS UND NUMERANIUS NACHFOLGER
Die Drohung des Carus waren keine leeren Worte. Er durchhetzte Mesopotamien, schlug in Stücke, was immer sich ihm in den Weg stellen mochte, bemächtigte sich der Städte Seleukia und Ktesiphon (letztere ergab sich ohne Widerstand) und trug seine siegreichen Waffen über den Tigris Vopiscus, Historia Augusta, Carus 7; Eutropius 9,18; beide Victor. hinaus. Er hatte sich für seine Invasion einen günstigen Zeitpunkt erwählt. Der persische Kronrat war zerstritten, und die Truppen standen größtenteils gegen Indien im Felde. Rom und der Osten nahmen die Nachricht von solchen Fortschritten mit Frohlocken auf. In lebhaften Farben malten Schmeichelei und Hoffnung an dem Gemälde von Persiens Untergang, Arabiens Unterjochung, Ägyptens Knechtung und der dauerhaften Ruhe vor skythischen Einfällen. Der Dialog Philopatris, der solange Gegenstand gelehrter Debatten gewesen ist, bezieht sich nach meiner Auffassung auf den Sieg des Carus über die Perser. Diese meine Position zu begründen und zu belegen, würde jedoch eine eigene Abhandlung erfordern. Aber die Herrschaft des Carus sollte erweisen, wie müßig Weissagungen sind: kaum waren sie ausgesprochen, da wurden sie durch seinen Tod widerlegt.
25. DEZEMBER A.D.283
Dieses Ereignis ist durch so viele zweifelhafte Begleiterscheinungen umdunkelt, dass es am besten durch ein Zitat aus einem Brief seines Geheimschreiber an den Stadtpräfekten erzählt werden soll. ›Carus,‹ schreibt er, ›unser geliebter Herrscher, war durch Krankheit ans Bett gefesselt, als sich im Lager ein fürchterlicher Sturm erhob. Es wurde hier so nachtfinster, dass wir uns gegenseitig nicht wahrnehmen konnten; es blitzte und donnerte fortwährend, so dass wir in der allgemeinen Verwirrung jede Übersicht verloren. Unmittelbare nach einem besonders schrecklichen Donner hörten wir einen lauten Schrei, dass der Kaiser tot sei. Bald war klar, dass seine Kammerdiener in einem Verzweiflungsanfall Feuer an die königliche Unterkunft gelegt hatten, welcher Umstand jedoch das Gerücht in die Welt setzte, dass Carus vom Blitz erschlagen worden sei. Wenn wir denn imstande waren, die Wahrheit herauszufinden, so ist er an seiner Krankheit gestorben.‹ Vopiscus, Historia Augusta, Carus 8. Aber Eutropius, Festus Rufus, beide Victor, Hieronymus, Sidonius, Apollinaris, Syncellus und Zonaras – alle machen für Carus' Tod einen Blitzschlag verantwortlich.
CARINUS UND NUMERIANUS THRONFOLGER
Die Thronvakanz rief keine weitergehenden Unruhen hervor. Der Ehrgeiz der in Frage kommenden Generäle hielt sich infolge gegenseitiger Furcht in Maßen, und es wurden der junge Numerianus und sein abwesender Bruder Carinus einstimmig zum Kaiser ernannt. Die öffentliche Meinung erwartete nun, dass sein Nachfolger in seines Vaters Fußstapfen treten und, ohne den Persern Sammlung zu vergönnen, mit dem Schwerte in der Hand die Paläste von Susa und Ekbatana erstürmen werde. Nemesianus, Cynegetica 71 ff. Aber die Legionen, wie stark sie auch sein mochten nach Zahl und Schulung, wurden entscheidend geschwächt durch den abwegigsten Aberglauben. Trotz aller Schliche, die man aufwandte, die Todesumstände des letzten Herrschers zu verschleiern, war es unmöglich, die Mehrheitsmeinung umzustimmen, denn die Macht der Meinung ist unüberwindbar. Plätze oder Personen, die vom Blitz getroffen wurden, wurden von den Alten mit frommer Scheu beargwöhnt, da sie dem Zorn des Himmels in der offenkundigsten Weise anheim gefallen seien. Siehe Festus und seine Kommentatoren zum Wort scribonianum – Plätze, in die der Blitz eingeschlagen hatte, wurden ummauert; Dinge mit magischen Zurüstungen verbrannt. Auch war ein Orakel erinnerlich, welches den Tigris zu Roms schicksalsbestimmten Grenze erklärt hatte. Entsetzt vom Schicksal des Carus und ihrer eigenen Gefahr drängten die Soldaten den Numerianus, sich dem Willen der Götter zu beugen und sie von dem unheilschwangeren Schauplatz fortzuführen. Gegen ihren festbetonierten Aberglauben standen dem sanftmütigen Kaiser keine Mittel zu Gebote, und der Perser verwunderte sich über den unverhofften Rückzug des siegreichen Feindes. Vopiscus, Historia Augusta, Carus 9. Aurelius Victor glaubt offenbar der Prophezeiung und ist mit dem Rückzug einverstanden.
CARINUS' CHARAKTERDEFIZITE
Schon bald war die Nachricht von des Kaisers wundersamen Todesumständen von der persischen Front nach Rom gelangt; und der Senat begrüßte, wie auch die Provinzen, die Thronbesteigung der Söhne des Carus. Indessen: den beiden glücklichen jungen Männer war jenes Überlegenheitsgefühl fremd, welches man, sei es von Geburts wegen, sei es um besonderer Verdienste willen, besitzen muss, um den Thron mit Leichtigkeit besetzen zu können; und diese Fremdheit war naturgemäß. Geboren und erzogen in einer staatsfernen Position, erhob sie die Wahl ihres Vater unvermittelt in den Rang von Thronprinzen; und sein Tod, der schon sechzehn Monate später eintrat, lud ihnen die völlig unerwartete Erbschaft eines Riesenreiches auf. Um ein so stürmisches Emporkommen mit Gelassenheit zu ertragen, wäre ein Übermaß an Tugend und Besonnenheit erforderlich gewesen; und Carinus, der ältere der beiden, besaß gerade hiervon besonders wenig. Im gallischen Krieg hatte er Anflüge von persönlicher Tapferkeit erkennen lassen; Nemesianus, Cynegetica 69; er war ein Zeitgenosse und ein Dichter. aber seit dem Moment seiner Ankunft in Rom widmete er sich ausschließlich dem Luxus der Hauptstadt und dem Genuss seines Glücks:
Er war weich, aber grausam; vergnügungssüchtig, aber ohne jeden Geschmack; grenzenlos eitel und doch gleichgültig gegenüber der öffentlichen Meinung. Innerhalb weniger Monate heirate und verabschiedete er neun Frauen, die meisten geschwängert; und neben dieser gleichsam gesetzlichen Ausschweifung fand er noch Zeit zu abwegigen Neigungen, was ihm und den angesehensten Familien Roms nur Schimpf und Schande einbrachte. Allem, was ihn gegebenenfalles an seine obskure Vergangenheit erinnern oder seine gegenwärtigen Aufführungen tadeln mochte, widmete er seinen unverwelklichen Hass; alle, die sein Vater zum Begleiter oder Anleiter seiner unerfahrenen Jugend eingesetzt hatte, verbannte er oder ließ er hinrichten; und nachgerade fanatisch verfolgte er die Kameraden seiner Kinderjahre oder Schulzeit, welche es an Respekt vor der verborgenen Majestät des künftigen Herrschers hatten fehlen lassen.
Mit den Senatoren pflegte Carinus eines hochfahrenden Umgangs, wobei er oft und gern verlauten ließ, dass er ihre Ländereien an die römische Bevölkerung zu verschenken beabsichtige. Aus dem Abschaum des Volkes rekrutierte er seine Favoriten und selbst seine Minister. Einem seiner Türhüter Cancellarius. Dieser Ausdruck mit einer ursprünglich so unschuldigen Bedeutung ist infolge eines ganz einzigartigen Zufalls zum Titel des wichtigsten Staatsamtes geworden, welches die Monarchien Europas vergeben. Siehe Causabon und Salmasius zu Vopiscus, Historia Augusta, Carus 16. übertrug er das Amt des Stadtpräfekten. An die Stelle des Prätorianerpräfekten, den er ermorden ließ, setzte er einen Gefährten seiner niederen Lustbarkeiten. Einen anderen, der einen womöglich noch schamloseren Gunst-Titel beanspruchen durfte, ernannte er zum Konsul. Ein Geheimsekretär, der es in der Kunst der Schrift- und Urkundenfälschung zu besonderer Meisterschaft gebracht hatte, nahm dem Kaiser mit dessen Einverständnis die lästige Mühe ab, selbst mit seinem Namen zu unterzeichnen.
Als Kaiser Carus nach Persien ins Feld zog, veranlassten ihn familiäre und politische Überlegungen, das Glück seiner Familie abzusichern, indem er die Armee und die westlichen Provinzen seinem ältesten Sohn in die Hand gab. Die Nachrichten über das Treiben des Carinus, die er bald darauf zu hören bekam, erfüllten ihn mit Scham und bitterer Reue; auch verhehlte er nicht seine Absicht, durch einen entschlossenen Rechtsakt die Republik zufrieden zu stellen und auf dem Wege der Adoption an die Stelle des unwürdigen Sohnes den jungen Constantius zu setzen, welcher damals Dalmatien verwaltete. Aber seine Ernennung wurde für kurze Zeit ausgesetzt; und sobald seines Vaters Tod den Carinus von allen Rücksichten befreite, die ihm die Angst und etwaiger Anstand auferlegt hatten, gab er den Römern eine Neuauflage der Sittenlosigkeit des Elagabal, angereichert allerdings noch durch die Grausamkeit eines Domitian. Vopiscus, Historia Augusta, Carus 16 und 17. Eutropius 9,19. Victor iunior. Die Regierung des – nachfolgenden – Domitian war nun allerdings so lang und so glücklich, dass sich dies auf den Nachruf des Carinus sehr nachteilig ausgewirkt haben muss.
ÖFFENTLICHE SPIELE
Das einzige Verdienst, welches die Regierung des Carinus der Historie zum Aufschreiben und der Dichtkunst zum besingen gab, war der ungewöhnliche Glanz, mit dem in seinem und seines Bruders Namen die Aufführungen im Theater, Circus und Amphitheater inszeniert wurden. Zwanzig Jahre später, als die Hofschranzen des Diocletian ihrem nüchternen Herrscher den Ruhm und die Popularität seines prunkliebenden Amtsvorgängers schilderten, bemerkte er lediglich, während der Herrschaft des Carinus müsse es ohne Zweifel fröhlich zugegangen sein. Vopiscus, Historia Augusta, Carus 17. Er nennt ihn Carus, aber es ist wohl deutlich, wer gemeint ist, und Namen werden nun mal leicht verwechselt. Aber diese sinnlose Verschwendungssucht, die Diocletians Besonnenheit zu Recht verachtete, wurde vom römischen Volk mit Freuden goutiert. Die ältesten Bürger der Stadt, die sich noch der Aufführungen früherer Tage erinnern mochten, etwa der Triumphzüge des Aurelius oder Probus, oder gar der Säkularspiele des Kaisers Philippus Arabs, mussten bekennen, dass dies alles von der noch grandioseren Pracht des Carinus überboten werde. Siehe Calpurnius, Eclogae 7,43. Wir wollen hier anmerken, dass die Spiele des Probus noch in frischer Erinnerung waren und dass der Dichter vom Historiker Unterstützung erhält.
Die Schauspiele, die Carinus veranstaltete, lassen sich deshalb auch am besten durch die Schilderung einiger Einzelheiten illustrieren, welche die Geschichte über vergleichbare Spektakel seiner Vorgänger aufzuschreiben beliebt hat.
Wenn wir uns lediglich auf die Tierhatz beschränken (wie sehr uns auch die Sinnlosigkeit dieser Veranstaltung und die Grausamkeit ihrer Ausführung abstoßen mögen), so müssen wir zugeben, dass niemals vor oder nach der Zeit der Römer soviel Kunst und Geld für eine Volksbelustigung verschwendet wurde. Der Philosoph Montaigne (Essais, Buch 3, Kap.6) schildert die römische Prachtentfaltung bei diesen Spielen in trefflicher und anschaulicher Weise. Auf Anordnung von Probus wurden zahlreiche Bäume, die man an den Wurzeln herausgerissen hatte, mitten in den Zirkus verpflanzt. Dieser geräumig-schattige Wald wurde alsdann mit tausend Straußenvögeln, tausend Hirschen, tausend Stück Damwild, tausend Wildebern bevölkert; und diese ganze Vielfalt wurde dem Mordsinn des Pöbels hingeopfert. Am folgenden Tag wurden wurde die Metzelei mit hundert Löwen, einer gleichen Anzahl von Löwinnen, zweihundert Leoparden und dreihundert Bären Vopiscus, Historia Augusta, Probus 19. fortgesetzt. Die Sammlung, welche der jüngere Gordian für seinen Triumphzug zusammenstellen ließ und welche sein Nachfolger bei den Säkularspielen vorführte, war weniger durch die Anzahl als vielmehr durch die Seltenheit der Tiere bemerkenswert. Zwanzig Zebras Sie wurden Onagri genannt; aber für schlichte Wildesel ist ihre Zahl nicht eben bemerkenswert. Cuper (De Elephantis 2,7) hat bei Oppianus, Cassius Dio und einem griechischen Anonymus gefunden, dass es in Rom Zebras gegeben habe. Sie kamen von irgendwelchen Ozeanischen Inseln, möglicherweise Madagaskar. zeigten dem römischen Publikum ihre Eleganz und vielfältige gestreifte Schönheit. Zehn Elche und eben so viele Giraffen, die größten und gleichzeitig harmlosesten aller Kreaturen, die über die Ebenen von Sarmatia und Äthiopien dahinziehen, bildeten einen lebhaften Gegensatz zu den dreißig Hyänen Afrikas und zehn Indischen Tigern, den schrecklichsten Jägern der heißen Zonen. Die harmlose Kraft, die die Natur den großen Vierfüßlern geschenkt hat, ließ sich am Rhinozeros und am Nilpferd Das Flusspferd hat Carinus beigesteuert (siehe Calpurnius, Eclogae 7,66). In den späteren Vorführungen kann ich kein Krokodil ausmachen, von denen Augustus einst sechsunddreißig zur Schau stellen ließ. (Cassius Dio 55,p. 781). bestaunen sowie an einer prachtvollen Schwadron von dreißig Elefanten. Capitolinus, Historia Augusta, Gordiane 32 und 33. Wir kennen die Tiere nicht, welche er archeleontes nennt; einige lesen hier argoleontes, andere wieder agrioleontes; beide Korrekturen sind nur noch albern. Während die Nation diese einmalige Veranstaltung noch dumpfsinnig begaffte, mochte der Naturkundler Aussehen und Körperbau so vieler unterschiedlicher Arten studieren, die aus allen Winkeln der alten Welt zum Amphitheater in Rom verschleppt worden waren. Aber diese eher zufälligen Erkenntnisse, die die Wissenschaft aus dieser Torheit ziehen durfte, rechtfertigt gewiss nicht diese Verschwendung öffentlichen Reichtums. Es gibt jedoch eine Episode aus dem ersten Punischen Krieg, in welcher es einem weisen Senat gelang, die öffentliche Unterhaltung und das Staatsinteresse zu harmonisieren. Eine beachtliche Anzahl Kriegselefanten, die man nach einer Niederlage der karthagischen Armee erbeutet hatte, wurde von ein paar Sklaven, welche lediglich mit ein paar stumpfen Lanzen bewaffnet waren, durch den Zirkus gescheucht. Plinius, Naturalis Historia 8,6, aus den Annalen des Piso. Diese lehrreiche Vorführung war geeignet, dem römischen Soldaten das rechte Ausmaß an Verachtung für diese friedliebenden Kreaturen zu vermitteln; so war ihm alle Furcht vor etwaigen feindlichen Zusammenstößen genommen.
DAS AMPHITHEATER
Die Tierhetze wurde mit demjenigen Aufwand betrieben, welchen sich eine Nation nun einmal schuldig war, die sich selbst zur Herrin der Welt ernannt hatte; auch ließ das für diese Unterhaltung vorgesehene Bauwerk nicht minder römische Größe erkennen. Die Nachwelt bestaunt die erhabenen Ruinen des Amphitheaters des Titus, und wird sie noch lange bestaunen, welche das Epitheton kolossal Siehe Maffei, Verona illustrata, 1,2. wahrhaft verdienen. Es war ein Bau von elliptischen Grundriss, fünfhundertundvierundsechzig Fuß lang und vierhundertsiebenundsechzig Fuß breit, begründet auf achtzig Rundbögen und in vier Stockwerken bis zu einer Höhe von einhundertundvierzig Fuß emporstrebend. Die Höhenangaben sind von den Alten maßlos übertrieben worden. Das Kolosseum reichte fast bis in die Wolken, so Calpurnius (Eclogae7,23), und es überforderte die Möglichkeiten der menschliche Sehkraft, so Ammianus Marcellinus (16,10). Wie krümelig gegen die großen Pyramiden, deren Fall-Linie fünfhundert Fuß senkrecht in die Höhe ragen! Die Außenwände waren mit Marmor verkleidet und mit Statuen verziert. Das gewaltige Rund hatte sechzig oder achtzig Sitzreihen, ebenfalls aus Marmor gefertigt und mit Sitzpolstern versehen, und es konnte bequem achtzigtausend Zuschauer fassen. In den verschiedenen Abschriften lesen wir bei Victor 77.000 oder 87.000 Zuschauer. Maffei (2,12) jedoch errechnet für die offenen Sitze lediglich Platz für 34.000; die übrigen saßen dann auf den höhergelegenen Galerien. Vierundsechzig Vomitorien (›Spucktore‹, was die Hauptausgänge trefflich kennzeichnet) entließen die unübersehbaren Massen; und Eingänge, Passierwege und Treppen waren derartig durchdacht angelegt, dass ein jeder, sei er senatorischer, ritterlicher oder plebejischer Herkunft, zu seinem vorgesehenen Platz ohne Gedrängel und Konfusion gelangen konnte. Siehe Maffei, Verona, Bd.2, 5-12. Er behandelt diesen äußert schwierigen Gegenstand mit aller erdenklichen Klarheit, wie ein Architekt und wie ein Altertumsforscher.
Nichts war vergessen, was der Bequemlichkeit und dem Vergnügen des Zuschauers hätte zuträglich sein können. Eine riesige Überdachung, die im Bedarfsfalle über ihre Köpfe gezogen wurde, schützte ihn vor Regen oder Sonne. Sprudelnde Brunnen, die zusätzlich noch mit erfrischenden Aromen geschwängert waren, sorgten beständig für Frischluft. Das Zentrum der Anlage, die Arena, war mit dem feinsten Sand gefüllt und konnte das unterschiedlichste Aussehen annehmen. Eben noch schien sie sich über die Erde zu erheben wie der Garten der Hesperiden, dann war sie zerklüftet wie Thrakiens Felsen und Höhlen. Unterirdische Rohre hielten einen unerschöpflichen Wasservorrat bereit; und was eben noch eine flache Ebene war, wurde danach vielleicht in einen offenen See verwandelt, von Kriegsschiffen befahren und von den Bestien der Tiefe durchwimmelt. Calpurnius, Eclogae 7, 64-73. Diese Verse sind bemerkenswert, und für Maffei war die ganze Ecloge von ungemessenem Nutzen. Calpurnius war, genau wie Martial (vgl. dessen 1. Buch) ein Dichter, aber als sie das Amphitheater beschrieben, überließen sie sich ihren Gefühlen und schrieben für das der Römer. Bei der Gestaltung dieser Szenerien sparten die römischen Kaiser nicht an Geld; und wir können lesen, dass bei unterschiedlicher Gelegenheit das ganze Gestühl des Amphitheaters mit Silber, Gold oder Bernstein beschlagen war. Vgl. Plinius, Naturalis Historia 33, 16 und 37,11. Der Dichter, der die Spiele des Carinus aus der Sicht eines Schäfers beschreibt, den die Hauptstadt und ihr Glanz angezogen hatten, versichert uns, dass die Netze, die als Schutz gegen die wilden Tiere gedacht waren, aus goldenem Draht bestanden; dass die Porticos vergoldet waren; und dass der Absatz, der die Sitzreihen der Zuschauer ihren Rang entsprechend gegeneinander abgrenzte, mit wertvollen musivischen Arbeiten ausgeschmückt war. Calpurnius, Eclogae 7,47.
12.SEPTEMBER A.D. 284
Inmitten dieses glitzernden Prunkes thronte Carinus, seinen Glückes gewiss, freute sich am Beifall des Volkes, den Schmeicheleien der Hofschranzen sowie der Lyrik der Dichter, welche in Ermangelung von etwas wirklich Preiswürdigem sich damit begnügen mussten, die göttliche Anmut seiner Person zu besingen. ›Et Martis vultus et Apollonis esse putavi.‹ [Mars und Apollo vermeinte ich zu gleichen] sagt Calpurnius, Eclogae 7, 83, aber Ioannes Malalas, der möglicherweise von Carinus Bilder gesehen hat, beschreibt ihn als fett, klein und bleich, Chronographica, Bd.1, p.403. Zur nämlichen Stunde, wenn auch neunhundert Meilen von Rom entfernt, verstarb sein Bruder; und eine plötzliche Wende übertrug einem Fremden das Szepter aus dem Hause des Carus. Was den Zeitpunkt dieser römischen Spiele betrifft, so haben Scaliger, Salmasius und Cuper keine Mühe gescheut, eine vollkommen klare Angelegenheit zu verwirren.
RÜCKKEHR DES NUMERIANUS
Die Söhne des Carus hatten sich seit dem Tode ihres Vaters niemals wieder gesehen. Die Vereinbarungen, die infolge der neuen Situation erforderlich wurden, verschob man bis zur Rückkehr des jüngeren Bruders nach Rom, wo ein Triumphzug für die beiden jungen Regenten beschlossen wurde wegen ihres ruhmreichen Abschneidens im Feldzug gegen Persien. Nemesianus (Cynegetica 80) scheint diesen Tag des Glücks im Voraus phantasiert zu haben. Es ist ungewiss, ob sie die Verwaltung oder die Provinzen des Reiches unter sich aufteilen wollten; aber es lässt sich zuversichtlich sagen, dass ihre Gemeinschaft nicht von langer Dauer gewesen wäre. Der Futterneid hätte ihre unterschiedlichen Charaktere gegeneinander aufgebracht. Carinus war selbst in dieser schlechtesten aller Zeiten nicht wert zu leben: Numerianus hätte glücklichere Zeitläufte für seine Regierung verdient. Sobald sein liebenswürdiges Auftreten und seine unaufdringliche Tugend bekannt waren, brachten sie ihm die Wertschätzung der Öffentlichkeit ein. Er verfügte über die Fähigkeiten eines Dichters und Redners, welche noch dem untersten Rang Würde verleihen und den höchsten zieren. Wenngleich seine Beredsamkeit nicht an dem Vorbild Ciceros als vielmehr dem zeitgenössischer Deklamatoren geschult war, konnte sie des senatorischen Beifalles sicher sein; aber in einer Epoche, in welcher an dichterischem Verdienst wahrlich kein Mangel war, stritt er mit den besten seiner Zeit um die Krone und blieb seinen Rivalen dennoch freundschaftlich verbunden; ein Umstand, welcher Herzensgüte oder geistige Überlegenheit erkennen lässt. Er gewann alle Preise gegen Nemesianus in der Kategorie ›Lehrgedicht.‹ Der Senat errichtete dem Sohn des Carus ein Standbild mit einer allerdings sehr zweideutigen Inschrift: ›Dem mächtigsten Redner.‹ Historia Augusta, Carus 11. Aber Nemesianus neigte eher zur Betrachtung als zum Handeln. Als ihn die Ernennung durch seinen Vater jäh aus seiner stillen Abgeschiedenheit emporzog, qualifizierten ihn weder Neigung noch Begabung zur Führung einer Armee. Seine Gesundheit wurde durch die Härten des Perserkrieges unterhöhlt, und er hatte infolge der Hitze Eine Ursache, die glaubwürdiger klingt als die Angabe des Vopiscus (Vopiscus, Historia Augusta, Carus 12.) er habe ununterbrochen um seinen toten Vater geweint. eine solche Schädigung seiner Augen davongetragen, dass er sich während des ganzen langen Rückmarsches in die Einsamkeit und Dunkelheit seines Zeltes oder seiner Sänfte zurückziehen musste. Was in zivilen oder militärischen Bereich zu erledigen war, besorgte der Prätorianerpräfekt Arrius Aper, der über sein einflussreiches Amt hinaus auch noch der Schwiegervater des Numerianus war. Die kaiserliche Unterkunft wurde durch seine zuverlässigsten Anhänger bewacht, und viele Tage hindurch verkündete Aper den Soldaten die Befehle ihres unsichtbaren Herren. Während des Perserfeldzuges wurde er des Verrates an Carus verdächtigt. Vopiscus, Historia Augusta, Carus 8.
TOD DES NUMERIANUS DIOCLETIANS KAISERWAHL
Es waren seit dem Tode des Carus fast acht Monate vergangen, als die römische Armee nach schleppenden Märschen endlich von den Ufern des Tigris an denen des thrakischen Bosporus anlangte. Die Legionen machten zu Calchedon in Asien Halt, während der Hofstaat nach Heraclea auf die europäische Seite der Propontis übersetzte. Die Angaben über Zeitpunkt und Ort von Diokletians Kaiserwahl verdanken wir der Alexandrinischen Chronik. Doch schon bald gingen Gerüchte um im Lager, zunächst nur getuschelt, dann laut herausgeschrieen, vom Tode des Kaisers, und von den Anmaßungen seines ehrgeizigen Ministers, der immer noch die Macht ausübte für einen Herrscher, der schon längst nicht mehr war. Lange konnte die Geduld der Soldaten diesen ungewissen Schwebezustand nicht ertragen. Mit geradezu brutaler Neugier brachen sie in das kaiserliche Zelt ein und entdeckten hier lediglich den Leichnam des Numerianus. Historia Augusta, Carus 12; Eutropius 9,18; Hieronymus, Chronicum Eusebii. Diesen verständigen Autoren zufolge wurde Numerianus' Tod erst durch den Leichengeruch entdeckt. Gab es denn im ganzen kaiserlichen Haushalt keine Aromen? Der unaufhaltsame Zerfall seiner Gesundheit mochte sie wohl an eine natürliche Todesursachen denken lassen; aber die Geheimhaltung wurde als Schuldbeweis ausgelegt, und die Vorkehrungen, mit denen Aper seine Wahl hatte sicherstellen wollen, wurden ihm augenblicklich zum Verhängnis. Selbst jetzt noch, zornig und traurig, beobachteten die Soldaten die gesetzmäßige Vorgehensweise, was deutlich erweist, wie fest die Disziplin unter Gallienus' kriegstüchtigen Nachfolgern wieder verankert worden war. Eine allgemeine Heeresversammlung beriet zu Calchedon darüber, wohin nun Aper, in Banden und als Verbrecher, gebracht werden solle. In der Mitte des Lagers wurde ein leeres Tribunal errichtet, und Generäle und Tribunen bildeten einen großen Heeresrat.
WAHL DIOCLETIANS ZUM KAISER 17. SEPTEMBER 284
Schon bald konnten sie der Menge mitteilen, dass ihre Wahl auf den Kommandanten der Leibwache, Diocletian, gefallen sei, der Person, welche die meiste Eignung besitze, dem geliebten Herrscher nachzufolgen und ihn zu rächen. Die Zukunft des Kandidaten hing jetzt vom Verlauf und den Ereignissen einer einzigen Stunde ab. Im Bewusstsein, dass er wegen seiner exponierten Stellung ebenfalls nicht frei von Verdacht sei, bestieg Diocletian das Tribunal, erhob seine Augen zur Sonne, beschwor aufs feierlichste seine Unschuld und rief die Gottheit, der nichts verborgen bleibe, zum Zeugen. Aurelius Victor, Caesares 39; Eutropius 9,20; Hieronymus, Chronicum Eusebii. Dann nahm er den Tonfall eines Herrschers und Richters an und ließ Aper in Ketten vor das Tribunal führen. ›Dieser Mann, ‹ so sagte er, ›ist Numerianus' Mörder.‹ Und ohne ihm Gelegenheit zu einer möglicherweise gefährlichen Verteidigung zu geben, zückte er sein Schwert und bohrte es dem unglücklichen Präfekten in die Brust. Dieses Urteil, welches auf so eindeutigen Beweisen beruhte, wurde ohne Murren angenommen, und unter häufigen Beifallsbezeigungen anerkannten die Legionen den Gerechtigkeitssinn und Autorität des neuen Kaisers, Diokletian. Vopiscus, Historia Augusta, Carus 14 und 15. Diokletian tötete Aper (Wildschwein) wegen einer läppischen Prophezeiung und wegen eines geistlosen Wortspieles.
CARINUS' ENDE
Bevor wir uns nun der durchaus erinnerungswürdigen Regierung dieses Herrschers zuwenden, wollen wir erst noch den unwürdigen Bruder des Numerianus entlassen und bestrafen. Carinus besaß Waffen und Geld genug, um seine rechtmäßigen Ansprüche als Kaiser durchzusetzen. Aber seine persönlichen Mängel überwogen alle Vorteile, die ihm Herkunft oder Stellung gewähren mochten. Noch die treuesten Diener seines Vaters verachteten die vollständige Unfähigkeit des Sohnes, wie sie zugleich seine brutale Arroganz fürchteten. Die Herzen der Menschen schlugen bereits für seinen Nachfolger, und selbst der Senat schien gemeint, den Thronräuber dem Tyrannen vorzuziehen. Die Vorgehensweise des Diocletian hatte indessen allerorten Missvergnügen hervorgerufen; und der ganze Winter verging mit heimlichem Intrigenspiel und offenen Vorbereitungen für einen Bürgerkrieg. Im Frühjahr endlich begegneten sich die Truppen des Westens und des Ostens auf der Ebene bei Magus, einer Kleinstadt Mösiens in der Nähe der Donau. Eutropius 9,20 gibt die Lage mit Genauigkeit an: zwischen Mons Aureus und Viminacium. D'Anville, Geographie ancienne, Bd.1, p.304 legt Margus zum serbischen Kostolac, etwas südlich von Belgrad und Semendria. Die Truppen, die so spät aus dem Perserkrieg zurückgekehrt waren, hatten Ruhm erworben hauptsächlich auf Kosten ihrer Gesundheit und Anzahl, noch waren sie in der Verfassung, sich mit den ausgeruhten Truppen Europas messen zu können. Ihre Reihen wankten, und für einen Moment verzweifelte Diocletian an beiden, seinem Leben und dem Purpur. Aber die Vorteile, die Carinus durch die Tapferkeit seiner Soldaten erzielte, wurden zu Nichts infolge der Treulosigkeit seiner Offiziere. Ein Tribun, dessen Ehefrau er verführt hatte, ergriff die Gelegenheit zur Rache, und mit einem einzigen Hieb erstickte er den Bürgerkrieg mit dem Blute des Ehebrechers. Historia Augusta, Carus18; Eutropius 9,20; Aurelius Victor, Caesares 39; Epitome 38.