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DAS SCHEINBAR LÄCHERLICHE EINER ERBMONARCHIE...
Von allen Regierungsformen, die jemals auf Erden obwalteten, bietet die Erbmonarchie die ergiebigsten Anlässe zur Satire. Wie sollte man denn auch ohne ein bitteres Lächeln davon berichten können, dass nach des Vaters Tode das Eigentum an einer Nation wie eine Herde Ochsen seinem unmündigen Sohn zufällt, unbekannt bis dato der Welt und sich selbst, oder dass die tapfersten Krieger und die weisesten Staatsmänner, ihr naturgegebenes Anrecht auf die Regierung dahingebend, sich nur mit gebeugten Knien und Bekenntnissen unverbrüchlicher Treue der königlichen Wiege nähern? Die Satire mag diese Szenerie mit bunter Farbenpracht ausmalen, indessen soll unser ernsthafteres Denken dieser nützlichen Einrichtung mit Respekt begegnen, hat sie doch Erbfolgeregeln festgelegt, die über die Leidenschaften von Menschen erhaben sind; und freudig wollen wir uns in jede Zweckdienlichkeit fügen, die der Menge die gefährliche und doch nur eingebildete Macht aus der Hand windet, sich selbst einen Herrscher zu bestimmen.
...IHRE VORTEILE...
Leicht lassen sich im kühlen Schatten der Zurückgezogenheit Regierungsformen ersinnen, in welchen das Szepter dem jeweils Würdigsten von einer freien und unbestochenen Wählerschaft in die Hand gelegt wird. Diese Luftgebilde werden jedoch von der Erfahrung überrannt, welche lehrt, dass die Wahl eines Monarchen weder von dem weiseren noch dem zahlenstärkeren Teil eines Volkes übertragen werden darf. Die einzige Körperschaft, die fähig wäre, eine einhellige Meinung zu bilden und sie der übrigen Bevölkerung aufzunötigen, ist die Armee; aber das Gemüt von Soldaten, mit Gewalt und Sklaverei gleichermaßen vertraut, ist denn doch nicht der geeignete Wächter für eine rechtmäßige, geschweige denn bürgerlich-gemäßigte Verfassung. Gerechtigkeit, Humanität, politischer Weitblick: dies sind Werte, die ihnen zu ferne liegen, als dass sie sie bei anderen schätzen könnten. Mut kann ihres Beifalls sicher sein und Freigebigkeit ihre Stimmen kaufen; aber die erstgenannte Tugend ist oftmals auch bei brutalen Charakteren zu finden, und die letztgenannte kann sich nur auf Kosten der Allgemeinheit profilieren; und beide Werkzeuge schließlich kann der Ehrgeiz eines Mitbewerbers auch gegen den jeweiligen Throninhaber einsetzen.
...UND NACHTEILE
Ist indessen das Vorrecht der Geburt erst einmal durch Gewohnheit und Volkes Meinung geheiligt, so ist sie von allen Ungleichheiten, die es unter Menschen gibt, die nächstliegende und somit am wenigsten zu beanstanden. Verbrieftes Recht lässt die Hoffnungen von Faktionen schwinden, und ein Monarch wird im Gefühle seiner Sicherheit weniger der Gewalttat zuneigen. Dieser Idee hat Europa im Wesentlichen die friedliche Thronfolge und mildtätige Verwaltung seiner Monarchien zu danken. Der Entartung dieser Idee schreiben wir die häufigen Bürgerkriege zu, mit deren Hilfe sich etwa orientalische Despoten nachgerade zwangsläufig auf den Thron ihrer Väter hinaufmetzeln müssen. Doch sogar im Osten bleibt die Auseinandersetzung meist auf die Prinzen des regierenden Hauses beschränkt, und sobald der glücklichere der Bewerber sich seiner Brüder mit Schwert oder Bogensehne entledigt hat, ist er jeden weiteren Verdächtigung gegen seine geringer gestellten Untertanen überhoben. Das Römische Reich indessen wurde, nachdem der Senat nur noch verächtlich geworden war, eine einzige riesige Bühne der Verwirrung. Die königlichen und Adelsfamilien der Provinzen hatten schon lange vorher die Triumphzüge der hochfahrenden Republikaner geziert. Die Tyrannei der Cäsaren hatte Roms alte Familien eine nach der anderen ausgelöscht; und da nun diese Herrscher an die vorgegebene Form der Gemeinschaft gebunden waren und regelmäßig in der Frage ihrer Nachfolge Es gibt kein Beispiel für drei aufeinanderfolgende Generationen auf dem Thron; nur drei Beispiele von Söhnen, die ihrem Vater direkt auf den Thron folgten. Die Ehen der Cäsaren waren trotz der erlaubten und auch gern geübten Scheidungspraxis fast immer unfruchtbar. enttäuscht wurden, konnte die Idee einer erblichen Thronfolge unmöglich in der Gedankenwelt ihrer Untertanen heimisch werden. Da von Geburts wegen niemand das Recht auf den Thron für sich reklamieren konnte, leitete es jeder aus seinen Verdiensten ab. Des Ehrgeizes kühne Hoffnungen wurden von Gesetz und Herkommen nicht weiter behindert, und noch der Geringste unter der Sonne mochte ganz nüchtern darauf hoffen, es durch Mut und Fortune in der Armee zu etwas zu bringen und mit einem einzigen geglückten Verbrechen dem schwachen oder unbeliebten Herrscher das Szepter der Welt zu entwinden. Nach der Ermordung des Alexander Severus und der Thronerhebung des Maximinus konnte sich kein Herrscher des Thrones sicher sein, und noch jeder kulturferne Bauer aus den Grenzmarken mochte auf jene erhöhte, wenn auch reichlich heikle Stellung hoffen.
HERKUNFT DES MAXIMINUS THRAX – FRÜHE KRAFT-TATEN
Etwa zweiunddreißig Jahre vor diesem Ereignis machte der Kaiser Severus auf der Rückkehr von einer Unternehmung in den Orient Halt in Thrakien, um mit militärischen Spielen den Geburtstag seines jüngeren Sohnes Geta zu begehen. Ländliches Volk strömte in Massen herzu, ihren Herrscher zu sehen, und ein junger Barbar von gewaltiger Körperstatur bat dringend, wenn auch mit ungehobelter Aussprache, an den Ringerwettkämpfen teilnehmen zu dürfen. Da der Sieg eines thrakischen Bauern über einen römischen Soldaten ein unanständig Ding gewesen wäre, erlaubte man ihm, sich mit den stärksten aus dem Lager-Volk zu messen, von denen er sechzehn nacheinander aufs Kreuz legte. Sein Sieg wurde mit einigen wertlosen Geschenken belohnt sowie mit der Erlaubnis, in die Armee einzutreten. Am nächsten Tage zeichnete sich der glückliche Barbar vor vielen anderen Rekruten aus, als er nach der Sitte seines Volkes tanzte und sprang. Sobald er bemerkte, dass das Auge seines Herrschers auf ihm ruhte, lief er zu dessen Pferd und folgte ihm ohne das geringste Anzeichen von Ermüdung in schnellem und ausgedehntem Laufe zu Fuß. ›Thrakier,‹ so Severus mit Erstaunen, ›bist du bereit, nach deinem Laufe zu ringen?‹ – ›Dies ganz gewiss, Herr,‹ antwortete dessen unermüdete Jugend und überwältigte nahezu im gleichen Atemzug sieben der stärksten Soldaten der Armee. Eine schwere Goldkette war der Lohn für seinen unvergleichlichen Mut und seine Kraft, und unverzüglich wurde er in die Garde zu Pferd aufgenommen, der die Wache über die Person des Herrschers oblag. Historia Augusta, Maximinus 1.
SEINE KARRIERE
Maximinus – dies sein Name – war zwar auf dem Boden des Imperiums geboren, stammte aber aus einer Verbindung verschiedener Barbaren. Sein Vater war ein Gote, seine Mutter gehörte zum Volke der Alanen. Er zeigte allenthalben einen persönlichen Mut, der seiner Körperkraft angemessen war; und seine naturgewollte Wildheit wurde alsbald durch zunehmende Weltgewandtheit gemäßigt oder doch wenigstens hinter ihr verschleiert. Unter der Herrschaft des Severus und dessen Sohn hatte er den Rang eines Centurio inne und war der Gunst und Wertschätzung dieser beiden Herrscher gewiss, von denen der erstere übrigens Verdienste genau zu wägen verstand. Aus Gründen der Dankbarkeit war es Maximinus nicht möglich, unter dem Mörder des Caracalla zu dienen. Aus Gründen der persönlichen Ehre hatte er an den weibischen Albernheiten des Elagabal keinerlei Anteil. Nach der Thronbesteigung des Alexander kehrte er zum Hofe zurück und wurde von diesem Herrscher in eine Stellung gehoben, die nützlich und für ihn selbst höchst ehrenhaft war: die vierte Legion, zu deren Kriegstribun er ernannt wurde, mutierte unter seiner Führung rasch zu der am besten ausgebildeten aller Landstreitkräfte. Unter der allgemeinen Zustimmung der Truppe, die ihren Liebling mit den Heldennamen Ajax und Hercules belegte, wurde er allmählich zum Oberkommandierenden Historia Augusta, Maximinus 6; Herodian 6,8; Aurelius Victor. Vergleicht man diese Autoren, so scheint es, als ob Maximinus das besondere Kommando über die Triballianische Reiterei innegehabt hätte, deren allgemeiner Auftrag darin bestand, den Rekrutennachwuchs der gesamten Armee auszubilden. Sein Biograph hätte hier mit mehr Sorgfalt seine einzelnen Verdienste und seine militärische Karriere festhalten sollen. befördert, und hätte nicht etwas zuviel von seiner urwüchsigen Herkunft in ihm gesteckt, dann hätte der Kaiser womöglich seine eigene Schwester dem Sohne des Maximinus zur Frau gegeben Siehe den Brief des Alexander Severus in der Historia Augusta, Maximinus 29.
ERMORDUNG DES ALEXANDER SEVERUS (19. MÄRZ 235 A.D.)
Leider waren alle diese Gunstbezeigungen nicht geeignet, seine Treue zu festigen; sie fachten im Gegenteil den Ehrgeiz dieses thrakischen Bauern an, der seine Position, gemessen an seinen Verdiensten, solange für nichts erachtete, solange er genötigt war, einen Höheren anzuerkennen. Wenn es ihm auch an Weisheit gebrach, so besaß er doch eine gewisse Bauernschläue, welche ihn erkennen ließ, dass der Kaiser seine Popularität bei der Truppe verlor und die ihn lehrte, ihre Unzufriedenheit zu seinem eigenen Vorteil zu mehren. Verleumdung und Parteiengeist können ihr Gift mit Leichtigkeit auch gegen die besten Herrscher versprühen und sogar aus ihren Tugenden Anklagepunkte machen, indem sie sie mit den Lastern in Verbindung bringen, zu denen sie eine gewisse Affinität besitzen. Die Truppe lauschte mit Entzücken den Emissären des Maximinus. Sie erröteten über ihren eigenen unbegreiflichen Langmut, mit der sie dreizehn Jahre lang die schikanöse Disziplin dieses weichlichen Syrers ertragen hätten, dieses ängstlichen Muttersöhnchens und Senatssklaven. Es sei nun an der Zeit, so ihr Zorngeschrei, dieses nutzlose Gespenst aus der Zivilverwaltung hinwegzuscheuchen und sich zum Herrscher und Befehlshaber einen waschechten Soldaten zu erkiesen, der im Feldlager aufgewachsen und im Kriege gestählt sei und der nicht nur den Ruhm der Armee mehren, sondern auch die Schätze des Reiches unter seinen Kampfgefährten redlich aufteilen werde. Zu jener Zeit stand unter dem Kommando des Kaisers selbst eine gewaltige Armee an den Rheinufern, welcher unmittelbar nach Beendigung des persischen Feldzuges gegen die germanischen Barbaren zu marschieren sich genötigt fand. Maximinus fiel die wichtige Aufgabe zu, die neuen Rekruten auszubilden. Eines Tages begrüßten die Truppen ihn, sei es infolge einer plötzlichen Eingebung, sei es infolge einer vorherigen Absprache, beim Betreten des Exerzierplatzes als ihren neuen Imperator, brachten durch ihren lärmenden Zuspruch sein hartnäckiges Weigern zum Schweigen und eilten, ihre Rebellion durch die Ermordung des Alexander Severus zu krönen.
Über die näheren Umstände seines Todes laufen verschiedene Berichte um. Die Autoren, welche ihn in Unkenntnis von Maximinus' Undankbarkeit und Ehrgeiz sterben lassen, versichern uns, dass er nach einem kargen Mahl in Sichtweite der Armee sich zum Schlafen zurückgezogen habe und dass dann etwa zur siebenten Stunde des Tages eine Abteilung seiner eigenen Leibwache in das kaiserliche Zelt eingedrungen sei und ihren tapferen und ahnungslosen Herrscher ermordet habe. Historia Augusta, Alexander 61. Einige der absurdesten Einzelheiten, die sein elender Biograph mitteilt, habe ich beiseite gelassen. So lässt sich aus der – überdies schlecht geschriebenen – Erzählung erraten, dass der Hofnarr des Kaisers versehentlich das Zelt betreten und den schlummernden Monarchen geweckt habe; die Angst vor Strafe habe ihn vermocht, die dem Kaiser bereits entfremdeten Soldaten zu ihrer Mordtat zu überreden. Wenn wir allerdings einer anderen und sehr viel glaubwürdigeren Darstellung vertrauen wollen, dann empfing Maximinus, mehrere Meilen vom Hauptquartier entfernt, von einer starken Abteilung den Purpur, und sein Vertrauen auf den Erfolg gründete sich eher auf die heimlichen Wünsche als auf die öffentlichen Bekundungen der großen Armee. Alexander hatte noch genügend Zeit, um in seinen Truppen einen schwachen Begriff von Loyalität ins Leben zu rufen; aber ihre knirschend abgelegten Treubekenntnisse verflüchtigten sich beim ersten Erscheinen des Maximinus, welcher sich selbst zum Freund und Verteidiger der militärischen Ordnung ernannte und durch Akklamation der Legionen einstimmig zum Römischen Kaiser ernannt wurde. Der Sohn der Mamäa, verraten und verlassen, verschwand in sein Zelt, da er sein nahendes Verhängnis wenigstens nicht dem Spottgejohle der Menge aussetzen wollte. Bald folgten ihm ein Tribun und einige Centurionen, die das Henkeramt versahen; aber anstelle das Unausweichliche mit männlicher Festigkeit zu empfangen, verdunkeln sein vergebliches Gejammer und Flehen die letzten Augenblicke seines Lebens, und das berechtigte Mitleid, das uns seine Unschuld und sein Untergang einflößen, wird teilweise zur Geringschätzung. Seine Mutter Mamäa, deren Hochmut und Ehrgeiz er noch lauthals als die Ursache seines Verderbens anklagte, ging mit ihrem Sohn zugrunde. Seine ergebensten Freunde fielen der ersten Wut der Soldaten zum Opfer. Andere blieben für die wohlberechneten Grausamkeiten des Thronräubers aufgespart, und dem, der in Schanden aus Hof und Armee ausgestoßen ward, wurde noch die mildeste Behandlung zuteil. Herodian 6,8 und 9.
MAXIMINUS' DESPOTIE
Die früheren Tyrannen Caligula und Nero, Commodus und Caracalla waren sämtlich haltlose und unerfahrene Jugendliche Caligula, der älteste der vier, war bei seiner Thronbesteigung nur fünfundzwanzig Jahre alt, Caracalla dreiundzwanzig, Commodus neunzehn und Nero eben siebzehn, im Purpur aufgewachsen und verdorben durch den Hochmut des Herrschens, den Luxus von Rom und das üble Gift der Schmeichelei. Die Grausamkeit des Maximinus wurde aus einer anderen Quelle gespeist, der Furcht vor der Verachtung. Obgleich er lediglich von der Zuneigung der Soldaten abhing, die ihn für seine soldatischen Tugenden liebten, war er sich doch bewusst, dass seine obskure und barbarische Herkunft, sein ordinäres Erscheinungsbild und seine vollständige Unkenntnis der Künste Er scheint von der griechischen Sprache absolut nichts verstanden zu haben, welche doch wegen ihrer weiten Verbreitung in Konversation und Literatur ein unverzichtbarer Bestandteil der höheren Erziehung war. sowie der Einrichtungen des bürgerlichen Lebens einen sehr unvorteilhaften Gegensatz zu dem liebenswerten Auftreten des glückverlassenen Alexander bildeten. Er erinnerte sich, dass er in früheren, niederen Zeiten oft vor den Türen des hochfahrenden römischen Adels gewartet habe und ihm die Grobheit ihrer Sklaven den Zutritt verwehrt hatte. Auch gedachte er der wenigen, die ihm in der Armut beigestanden und seine emporfliegenden Hoffnungen bestärkt hatten. Aber die, die den Thraker angespornt, und die, die ihn gefördert hatten, waren derselben Straftat schuldig: sie alle kannten seine fragwürdige Herkunft. Für dieses Verbrechen mussten viele mit dem Tode büßen; und die Hinrichtung seiner Wohltäter war der Inhalt einer von Maximinus verfassten, mit Blut geschriebenen, ewigdauernden Geschichte seiner erbärmlichen Undankbarkeit. Historia Augusta, Maximinus 8; Herodian 7,1. Letzterer wird ganz zu Unrecht getadelt, dass er die Verbrechen des Maximinus verharmlost hat..
MAXIMINUS' TYRANNEI
Die finstere und blutrünstige Seele des Tyrannen stand für jeden Verdacht offen, besonders gegen diejenigen seiner Untertanen, welche sich durch Geburt oder Verdienst auszeichneten. Sobald er Verrat witterte, wurde seine Grausamkeit grenzen- und gnadenlos. Eine Verschwörung gegen sein Leben wurde entdeckt oder auch nur vermutet, und der Name des Magnus, eines Senators von konsularischem Rang, wurde als der Hauptverursacher angegeben. Ohne Zeugen, ohne Verfahren, und ohne die Gelegenheit zur Verteidigung wurden Magnus und viertausend angebliche Komplizen zum Tode verurteilt. Italien und das ganze Imperium waren mit Spionen und Denunzianten verpestet. Bei der windigsten Anzeige wurden Roms erste Adlige, die Provinzen verwaltet, Armeen befehligt oder die auch nur konsularische oder triumphale Ehrenzeichen getragen hatten, auf Staatswagen gefesselt und in Eile ihrem Kaiser vorgeführt. Beschlagnahme der Güter, Exil oder einfacher Tod: dies waren unübliche Beispiele für seine Milde. Einige der Unglücklichen ließ er in Tierfelle einnähen, andere den wilden Bestien aussetzen, wieder andere mit Knüppeln zu Tode prügeln. Während der drei Jahre seiner Herrschaft verschmähte er es, Rom oder Italien aufzusuchen. Sein Feldlager, das er vom Rhein an die Donau verlegte, war der Sitz seiner gnadenlosen Regierung, welche auf allen Prinzipien von Recht und Gesetz herumtrampelte und erklärtermaßen von der Macht des Schwertes getragen wurde. Die Frau des Maximinus brachte den Tyrannen gelegentlich auf den Pfad der Tugend und Humanität zurück, indem sie ihm mit weiblicher Zärtlichkeit weise Ratschläge einflüsterte. Siehe Ammianus Marcellinus 14,1,8, wo dieser auf das Ereignis anspielt, über welches er mit größerer Ausführlichkeit bei den Gordianen berichtet hatte. Aus den Medaillen entnehmen wir, dass die wohltätige Kaiserin Paulina hieß und aus dem Titel Diva, dass sie noch vor Maximinus starb. Spanheim, De usu numismatium Bd. 2, p 300. Kein Mann von adliger Geburt, gepflegtem Äußeren oder Kenntnissen in kulturellen Dingen wurde in seiner Nähe gelitten, und am Hofe des Römischen Kaisers belebte sich wieder die Erinnerung an jene alten Anführer von Sklaven und Gladiatoren, deren rohe Gewalt einen so schrecklichen und abscheulichen Eindruck hinterlassen hatte. Er wurde mit Spartacus und Athenion verglichen. Historia Augusta, Maximinus 9.
REVOLTE IN AFRIKA A.D. 237
Solange Maximinus seinen Hass nur prominenten Senatoren widmete oder sogar nur jenen kühnen Abenteurern, welche am Hofe oder in der Armee ihr Glück probierten, gewahrte das Volk ihre Leiden mit Gleichmut, vielleicht sogar mit Genugtuung. Bald aber vergriff sich die Habgier des Tyrannen – die Maßlosigkeit der Soldaten machte dies notwendig – sogar an öffentlichem Eigentum. Jede Stadt des Imperiums hatte eine Steuerbehörde, welche Brotgetreide für die Massen und die Auslagen für Spiele und Volksbelustigungen beibringen musste. Durch einen einzigen despotischen Verwaltungsakt wurden diese Reichtümer für den Gebrauch der kaiserlichen Schatzkammer beschlagnahmt. Aus den Tempeln wurden die wertvollsten Weihegeschenke aus Gold und Silber hinweggestohlen, und die Statuen von Heroen, Göttern und Kaisern wurden eingeschmolzen und in Münze umgeprägt. Diese gottlosen Maßnahmen ließen sich naturgemäß nicht ohne Tumult und Blutvergießen ausführen, denn oft ließen die Bürger bei der Verteidigung ihrer Altäre lieber ihr Leben, als mitten im Frieden kriegsähnlichen Raub an ihren Städten zuzulassen. Die Soldaten selbst, unter die diese heillose Beute verteilt wurde, nahmen sie nur unter Erröten entgegen; und obgleich sie im Geschäft der Gewalttat gehärtet waren, scheuten sie doch die berechtigten Vorwürfe ihrer Freunde und Verwandten. Durch die ganze Römische Welt ging ein Schrei der Empörung, und die Bestrafung des gemeinsamen Feindes aller Menschen ward erfleht. Schließlich wurde eine friedliche und waffenlose Provinz aus gleichsam privaten Gründen zur Empörung gegen ihn getrieben. Herodian, 7,3; Zosimos 1,13.
Der Prokurator von Afrika war ein rechter Diener dieses Meisters, ästimierte er doch willkürliche Geldstrafen und Konfiskationen als die ergiebigsten Einnahmequellen des kaiserlichen Fiskus. Nun war ein Gerichtsurteil von absurder Härte gegen ein paar reiche und leichtsinnige Jugendliche aus jener Provinz ergangen, und die Vollstreckung hätte sie des größten Teiles ihres väterlichen Erbes beraubt. In dieser Situation gab ihnen die Verzweiflung einen Plan ein, der ihren Untergang entweder vollenden oder abwenden musste. Einen Aufschub von drei Tagen, die sie unter Mühen dem raubgierigen Kämmerer abgerungen hatten, benutzten sie, um auf ihren Ländereien zahllose blindergebene Sklaven und Bauern zu versammeln und sie ländlich-derb mit Knüppeln und Äxten zu bewaffnen. Als nun die Anführer dieser Verschwörung zur Audienz vor den Prokurator gelassen wurden, erstachen sie ihn mit Dolchen, die sie unter ihren Gewändern verborgen hatten, besetzten, unterstützt von ihrem bewaffneten Anhang, die kleine Stadt Thysdrus Sie liegt in der fruchtbaren Landschaft von Byzacium, 150 Meilen südlich von Karthago. Diese Stadt war vermutlich von den Gordianen mit dem Titel einer Kolonie ausgezeichnet worden und außerdem mit einem schönen Amphitheater, welches sich heute noch bestem Zustand befindet. Wesseling, Intineraria, p. 59 und Shaw, Travels, p. 117 und zogen dort die Fahne der Empörung gegen den Herrscher der Römischen Welt empor. Ihre Hoffnungen ruhten auf dem Hass der Menschheit gegen Maximinus und so beschlossen sie folgerichtig, gegen jenen abscheulichen Tyrannen einen Kaiser zu inthronisieren, dessen Milde bereits die Liebe und Wertschätzung der Römer errungen hatte, und dessen Ansehen in der Provinz ihrem Unternehmen Festigkeit und Nachdruck verleihen mochte. Gordianus jedoch, Prokonsul und Objekt ihrer Wahl, sträubte sich mit ungeheuchelter Abneigung gegen diese heikle Ehrenstellung und flehte unter Tränen, man möge ihm vergönnen, sein langes und schuldloses Leben in Frieden zu beenden und sein hinfälliges Alter nicht mit Bürgerblut zu besudeln. Ihr Drohen nötigte ihn schließlich, den kaiserlichen Purpur anzunehmen, was mittlerweile auch seine einzige Rettung vor der neidischen Grausamkeit des Maximinus war; denn entsprechend der Logik von Despoten hat jemand, dem man den Thron angetragen hat, sein Leben verwirkt, und wer darüber nur nachdenkt, begeht offene Rebellion. Herodian 7,3; Zosimos 1,13.
DIE GORDIANE
Die Familie der Gordiane war eine der angesehensten im Römischen Senat. Väterlicherseits führte man sie bis auf die Gracchen zurück und mütterlicherseits bis auf den Kaiser Trajan. Beachtlicher Besitz ermöglichte ihm eine seiner Herkunft angemessene Lebensführung, und hierbei entwickelte er einen erlesenen Geschmack und eine wohltuende Wesensart. Der einstmals von dem großen Pompeius Historia Augusta, Gordiane 3. Den berühmten Pompeius-Palast im Stadtteil Carinae hatte sich Marcus Antonius angeeignet, und folglich wurde er nach dem Tode des Triumvirn Teil der kaiserlichen Domäne. Kaiser Trajan erlaubte, ja ermutigte sogar dazu, dass reiche Senatoren diese ebenso opulente wie nutzlose Palastanlage kauften (Plinius, Panegyricus 50). Und wahrscheinlich ist bei dieser Gelegenheit Pompeius' Haus in das Eigentum von Gordians Urgroßvater übergegangen. bewohnte Palast zu Rom war bereits seit mehreren Generationen im Besitze der Familie der Gordiane. Uralte Trophäen von See-Siegen und Malereien der modernen Schule schmückten ihn. Seine Villa auf dem Weg nach Präneste war berühmt für Bäder von einziger Schönheit und Größe, für drei gewaltige Räume von einhundert Fuß Länge und für ein prachtvolles Portico mit zweihundert Säulen aus ebenso kostbaren wie seltenen Marmorsorten Es waren dies der claudianische, numidianische, carystianische und synnadianische Marmor. Die Farben der römischen Marmorsorten hat man nur sehr blass beschrieben und ungenau unterschieden. Es scheint indessen, dass der carystianische von seegrüner Farbe war, während der aus Synnada weiß und mit ovalen Purpurflecken durchsetzt war. Siehe Salmasius, Anmerkungen zur Historia Augusta, Gordiane 32,2, p.164. Die öffentlichen Lustbarkeiten, die auf seine Kosten gingen und in welchen er das Publikum mit hunderten von wilden Tieren und Gladiatoren Historia Augusta, Gordiane 3. und 4. Bisweilen zahlte er für mehr als 500 Paare, niemals für weniger als 150. Einmal spendierte er für Zirkusrennen einhundert sizilianische und ebenso viele kappadokische Pferde. Die für die Hetzen vorgesehenen Tiere waren hauptsächlich Bären, Eber, Bullen, Wildeber, Elche, Wildesel &c. Elefanten und Löwen scheinen den kaiserlichen Prunkveranstaltungen vorbehalten gewesen zu sein. unterhielt, überstiegen eigentlich die finanziellen Möglichkeiten eines Untertanen; und während sich die Freigebigkeit anderer Beamten auf ein paar Festveranstaltungen zu Rom beschränkte, wiederholte Gordian während seines Jahres als Ädil seine Großzügigkeit jeden Monat und dehnte sie während seines Konsulates auf die wichtigsten Städte Italiens aus. Alexander und Caracalla bestimmten ihn zu letztgenannter Würde zweimal; denn er besaß die seltene Gabe, sich die Wertschätzung edler Herrscher zu erwerben, ohne gleichzeitig das Misstrauen der Tyrannen zu erwecken. Sein langes Leben widmete er in aller Unschuld dem Studium der Wissenschaften und den friedvollen Ehrenämtern Roms; und bis zu dem Zeitpunkt, als ihn das Senatsvotum und dessen Bestätigung durch Alexander Vergleiche hierzu den Originalbrief (Historia Augusta, Gordiane 5), welcher Alexanders Respekt vor dem Senat bezeigt sowie seine Wertschätzung dem Prokonsul gegenüber, den diese Versammlung ernannt hatte. zum Prokonsul Afrikas gemacht hatten, scheint er sich klüglich von militärischen Kommandos und der Provinzverwaltung ferngehalten zu haben. Solange dieser Kaiser lebte, war Afrika glücklich unter seinem würdigen Stellvertreter. Nach dem Thronraub des brutalen Maximinus suchte Gordianus das allgemeine Elend zu lindern, wenn er es schon nicht verhindern konnte. Er stand bereits in den Achtzigern, als er den Purpur unter Widerstreben angenommen hatte; er war gleichsam ein letztes, kostbares Relikt aus dem glücklichen Zeitalter der Antonine, deren Tugenden er in seiner Person wiederbelebt und in einer eleganten Dichtung von dreißig Büchern gefeiert hatte. Zusammen mit ihm wurde ein honoriger Prokonsul, sein Sohn, der ihn als Leutnant in Afrika zur Seite gestanden hatte, zum Imperator ernannt. Dessen Gesittung war weniger rein, aber sein Charakter war, ähnlich dem seines Vaters, durchaus liebenswert. Zweiundzwanzig offizielle Beischläferinnen und eine Bibliothek von zweiundsechzigtausend Bänden zeugten für die Vielfalt seiner Interessen; und seine Hinterlassenschaften zeigen deutlich, dass sein Fleiß auf beiden Feldern nicht dem äußeren Schein, sondern dem Nutzen gewidmet war. Jeder seiner Konkubinen hinterließ der jüngere Gordian drei oder vier Kinder. Seine literarische Produktion, obschon nicht ganz so üppig, war durchaus nicht zu verachten. In den Zügen des jüngeren Gordianus glaubte Rom Ähnlichkeiten zu Scipio Africanus zu entdecken; auch erinnerte man sich mit Freuden daran, dass seine Mutter die Enkelin von Antoninus Pius war. So ruhte die Hoffnung der Öffentlichkeit auf jenen verborgenen Tugenden, welche sich bis dahin, wie man zärtlich hoffte, unter der luxusträchtigen Gleichgültigkeit eines privaten Lebens verborgen gehalten hatten.
DER SENAT UNTERSTÜTZT DIE GORDIANE
Sobald die beiden Gordiane die Aufregung um ihre Wahl beigelegt hatten, verlegten sie ihren Hof nach Karthago. Sie wurden vom Beifall der Afrikaner begrüßt, die ihren Mut bewunderten und die seit den Tagen des Hadrian keine kaiserliche Majestät mehr gesehen hatten. Bestärkt oder abgesichert wurde die Stellung der Gordiane durch diese müßigen Kundgebungen indessen nicht. Sie mussten aus grundsätzlichen Erwägungen und in ihrem eigenen Interesse die Billigung des Senates einholen; und unverzüglich wurde eine Delegation der angesehensten Provinzialen nach Rom geschickt, um dort die Ereignissen ihrer Provinz zu berichten und zu rechtfertigen, welche, nachdem sie lange Zeit in Geduld ausgeharrt, nunmehr zu mutiger Gegenwehr gegriffen habe. Die Schreiben der neuen Herrscher waren bescheiden und respektvoll, wiesen auf die Notlage hin, die sie zur Annahme des Kaiserlichen Titels genötigt hatte und unterwarfen ihre Wahl und ihr Schicksal dem höchsten Urteil des Senates. Herodian 7,6; Historia Augusta, Maximinus,14.
Dieser war in seiner Auffassung weder schwankend noch gespalten. Geburt und vielfältige Beziehungen der Gordiane hatten sie mit den hochmögendsten Häusern Roms in innige Beziehung gebracht. Ihre Vermögensumstände hatten ihnen in der senatorischen Versammlung viele Anhänger verschafft und ihre Verdienste viele Freunde. Ihre umsichtige Verwaltungstätigkeit eröffnete sogar vage Hoffnungen auf Wiederherstellung bürgerlicher, ja republikanischer Zustände. Der Terror des Militärs, welches den Senat gezwungen hatte, zunächst den Mörder des Alexander Severus zu vergessen und dann die Kaiserwahl eines ordinären Bauern abzunicken, ›Quod tamen patres, dum periculosum existimant inermes armato resistere, approbaverunt‹ (Aurelius Victor, Caesares 25 [Was die Senatoren dennoch billigten, da es ihnen gefährlich vorkam, unbewaffnet einem Bewaffneten Widerstand zu leisten]. hatte jetzt die gegenteilige Wirkung und veranlasste den Senat, sich für die beleidigten Freiheits- und Menschenrechte einzusetzen. Der Hass des Maximinus auf den Senat war nachgerade offiziell und unversöhnlich; die submissesten Artigkeiten hätten seine Wut nicht gedämpft und jedes noch so unschuldige Auftreten seinen Argwohn nicht aus der Welt geschafft; und selbst die Sorge um ihr eigenes Wohlergehen nötigte sie, ihr Schicksal an ein Unternehmen zu hängen, dessen erste Opfer (gesetzt, es misslänge) zuverlässig sie sein würden. Diese Überlegungen und vermutlich noch andere eher privater Natur waren Gegenstand einer Debatte zwischen Konsuln und Magistraten. Sobald ihr Entschluss feststand, riefen sie den gesamten Senat im Castortempel zusammen, hierbei einem althergebrachten Geheimverfahren Sogar die Hausdiener, die Schreiber &c wurden ausgeschlossen und ihre Aufgaben vom Senat selbst wahrgenommen. Wir sind hier (Gordiane 12) der Historia Augusta verpflichtet, dass sie uns dieses bemerkenswerte Beispiel von der Ordnung der alten Republik bewahrt hat. folgend, das darauf berechnet war, ihre Aufmerksamkeit zu erregen und ihre Beschlüsse geheim zu halten. ›Patres conscripti‹, so der Konsul Syllanus, ›die beiden Gordiane, beide von konsularischem Rang, der eine Euer Prokonsul, der andere Euer Leutnant, sind durch Afrikas einhellige Meinung zu Kaisern ernannt worden. Lasst uns Dank abstatten,‹ fuhr er beherzt fort, ›der Jugend von Thysdrus; lasst uns Dank abstatten dem treuen Volk von Karthago, das uns von diesem grässlichen Monster errettet hat. – Warum hört ihr mich so kaltsinnig an, so ängstlich? Warum diese besorgten Blicke untereinander? Warum zögern? Maximinus ist ein Feind des Staates! Möge diese Feindschaft mit ihm selbst zugrunde gehen, und mögen uns Besonnenheit und Glück von Gordian dem Vater erhalten bleiben, und Mut und Standhaftigkeit von Gordian, seinem Sohn!‹ Diese beherzte Rede, überliefert vom Verfasser der Historia Augusta (Gordiane 11), scheint aus den Originalakten des Senates entnommen zu sein. Das edle Feuer des Konsuls weckte den ermatteten Geist des Senats zu neuem Leben: Durch einstimmigen Beschluss wurde die Wahl der Gordiane bestätigt; Maximinus hingegen, sein Sohn und seine Anhänger wurden zu Staatsfeinden erklärt und großzügigste Belohnungen denen in Aussicht gestellt, die den guten Mut und das Glück haben mochten, sie zu vernichten.
SENATSHERSCHAFT DIE ZWANZIG MÄNNER TOD DER GORDIANE A.D. 237
Während der Abwesenheit des Kaisers Maximinus aus Rom blieb hier eine Abordnung Prätorianer zurück, um die Hauptstadt zu schützen oder besser, zu beherrschen. Der Gardepräfekt Vitalianus hatte seine Treue zu Maximinus zu erkennen gegeben durch die Eilfertigkeit, mit der er den grausamen Anordnungen des Tyrannen gehorsamte, ja sogar zuvorkam. Sein Tod allein konnte die Autorität des Senats und das Leben der Senatoren aus ihren gefahrvollen Schwebezustand retten. Bevor ihre Beschlüsse noch durchgesickert waren, wurden ein Quästor und einige Tribune beauftragt, ihm sein Leben zu nehmen, das man ihm abgesprochen hatte. Sie führten ihren Auftrag gleichermaßen mutig und erfolgreich aus; danach eilten sie, die blutigen Dolche in Händen, durch die Straßen und brachten den Bürgern und Soldaten die Post von der glücklichen Wende. Der Freiheitstaumel wurde noch durch großzügige Land- und Geldversprechungen befeuert, die Statuen des Maximinus wurden gestürzt, die Hauptstadt erkannte die Hoheit der beiden Gordiane und des Senats mit Freuden an; Herodian,7,6. und dem Beispiel Roms folgte alsbald das übrige Italien.
Ein neuer Geist war in diese Versammlung eingekehrt, deren Langmut durch schamlosen Despotismus und militärische Willkür chronisch beleidigt worden war. Der Senat nahm die Zügel der Regierung in die Hand und bereitete sich vor, mit kaltem Mut und mit der Waffe die Sache der Freiheit wieder herzustellen. Unter den Senatoren von konsularischem Rang fanden sich rasch zwanzig Mann, die sich durch ihre Verdienste um den Kaiser Alexander Severus empfahlen und die in der Lage waren, eine Armee zu kommandieren und einen Krieg zu führen. Ihnen ward die Verteidigung Italiens anvertraut. Jeder sollte in dem ihm zugeteilten Bezirk operieren, war zugleich berechtigt, Italiens Jugend unter die Waffen zu rufen und auszubilden und war endlich angewiesen, Häfen und Straßen gegen die zu erwartende Invasion des Maximinus zu befestigen. Zahlreiche Bevollmächtigte von höchstem senatorischem und ritterlichem Range wurden dann zu den diversen Provinzstatthaltern abgeschickt, um diese nachdrücklich zu bereden, Italien zu Hilfe zu eilen und die Nationen an die alten Freundschaftsbande mit Rom zu erinnern. Der allgemeine Respekt, den man diesen Bevollmächtigten entgegenbrachte, der Eifer ferner, den Italien und die Provinzen für die Sache des Senates an den Tag legten: dies bewies hinlänglich, dass die Untertanen des Maximinus bereits bis zu jener Stufe der Verzweiflung fortgeschritten waren, bei der sie von offenem Widerstand weniger zu fürchten hatten als von weiterer Unterdrückung. Das Bewusstsein dieser trübseligen Wahrheit facht oftmals einen Zorn an, der hartnäckiger ist als der, welcher in Bürgerkriegen im Interesse von ein paar händel- und ränkesüchtigen Anführern künstlich erzeugt wird. Herodian 7,7 und 8,7; Hist. Augusta, Gordiane 13.
NIEDERLAGE UND TOD DER BEIDEN GORDIANE 237 A.D.
Denn während man sich der Sache der Gordiane mit solchem allgemeinen Eifer annahm, waren die Gordiane selbst nicht mehr. Der erbärmliche Hof zu Karthago wurde aufgescheucht durch den Gouverneur von Mauretanien, der der Stadt in Eilmärschen nahte und mit einem kleinen Trupp Veteranen und einer zügellosen Masse von Barbaren die treue, aber unvorbereitete Provinz zu attackieren sich anschickte. Der jüngere Gordian an der Spitze einiger Gardesoldaten und einer zahlreichen ungeübten, im behaglichen Luxus von Karthago aufgewachsenen Menge machte einen Ausfall, dem Feinde zu begegnen. Sein unnützer Mut sicherte ihm wenigstens einen ehrenvollen Soldatentod. Sein betagter Vater, der nicht länger als sechsundsechzig Tage regiert hatte, setzte seinem Leben bei der ersten Nachricht von der Niederlage selbst ein Ende. Seines Verteidigers beraubt, öffnete Karthago seine Tore dem Eroberer, und Afrika selbst, der räuberischen Grausamkeit einer Sklavenseele ausgesetzt, sah sich genötigt, mit Strömen von Blut und Massen von Gold seinen unersättlichen Beherrscher zufrieden zu stellen. Herodian 7,9; Historia Augusta, Gordiane 15ff. Wir dürfen hier anmerken, dass ein Monat und sechs Tage für die Regierungszeit der Gordiane eine zutreffende Richtigstellung von Casaubons und Panvinius' absurder Lesart ›Ein Jahr und sechs Monate‹ ist. Siehe auch den Kommentar Casaubons S. 193. Zosimos 1,16 berichtet, die beiden Gordiane seien während einer Schiffsreise in einem Sturm umgekommen. Welch eine befremdliche Unkenntnis der Geschichte, oder auch: welch eine befremdliche Überstrapazierung von Metaphern!
BALBINUS UND MAXIMUS
Das Schicksal der Gordiane, befürchtet und doch unerwartet, rief in Rom allgemeines Entsetzen hervor. Der Senat, in den Tempel der Concordia zusammengerufen, gab sich den Anschein, er arbeite die üblichen Tagesordnungspunkte ab; furchtbebend weigerte er sich, die Gefahr, in der er selbst und das Volk schwebten, wenigstens zur Kenntnis zu nehmen. Schweigende Betroffenheit beherrschte die Versammlung, bis ein Senator, seines Namens und seiner Herkunft ein Traian, seine Mitbrüder aus ihrer tödlichen Starre erlöste. Er legte ihnen dar, dass ihnen die Möglichkeit der Verzögerungstaktik nicht mehr offen stehe; dass Maximinus, von Natur aus gewalttätig und durch die Vorkommnisse aufs äußerste erbittert, sich anschicke, an der Spitze der Armee Italien anzugreifen; und dass ihnen lediglich die Alternative gegeben sei, ihm mutig auf dem Schlachtfeld zu begegnen oder apathisch Foltern und Tod in Unehre abzuwarten, die für gescheiterte Rebellen vorbehalten seien. ›Wir haben zwei hervorragende Herrscher verloren,‹ fuhr er fort, ›aber solange wir uns nicht selbst aufgeben, sind die Hoffnungen der Republik mit den Gordianen nicht untergegangen. Der Senatoren sind viele, welche die kaiserliche Würde verdient hätten, infolge ihrer Tugenden oder ihrer Fähigkeiten. Darum so lasst uns zwei Herrscher wählen, von denen der eine den Krieg gegen den Staatsfeind führen möge, während sein Kollege in Rom bleibt und die Zivilverwaltung ausübt. Ich für meine Person setze mich freudig der Gefahr und den Anfeindungen des Nominierens aus und stimme für Maximus und Balbinus. Stimmt für meine Wahl, patres conscripti [versammelte Väter], oder benennt andere, die der Herrschaft würdiger sind!‹ Angesichts der allgemeinen Zustimmung verstummte das Zischeln des Neides rasch; die Verdienste der beiden Kandidaten waren allgemein anerkannt; und das Haus hallte wider von den aufrichtigen Rufen des Einverständnisses wie ›Ein langes Leben und Sieg den Kaisern Balbinus und Maximus. Wie ihr glücklich seid mit dem Votum des Senates, möge nun auch die Republik glücklich sein unter Eurer Regierung!‹ Siehe Historia Augusta, Maximus 1 aufgrund der Senatsprotokolle. Das Datum stimmt wohl nicht, aber das zeitliche Zusammentreffen mit den Spielen des Apoll erlaubt eine Korrektur.
HR CHARAKTER
Die Fähigkeiten und das Ansehen der neuen Herrscher rechtfertigten die übersprudelnden Hoffnungen der Römer. Ihre unterschiedlichen Fähigkeiten machten sie geeignet für ihre jeweiligen Aufgaben im Frieden und Krieg und ließen keinerlei Raum für Eifersüchteleien. Balbinus war ein anerkannter Redner, ein Dichter von einiger Bedeutung und ein redlicher Beamter, welcher ohne Fehl und Tadel in nahezu allen inneren Provinzen des Reiches Recht gesprochen hatte. Er war von adeliger Herkunft, Er stammte von dem adligen Spanier Cornelius Balbus und war Adoptivsohn von Theophanes, dem griechischen Historiker. Balbus hatte durch Pompeius' Fürsprache das Römische Bürgerrecht erhalten und mit Hilfe von Ciceros Beredsamkeit behalten. Die Freundschaft zu Cäsar (dessen Geheimsekretär er während des Bürgerkrieges war) brachte ihm das Konsulat und das Pontifikat ein, welche Ehrenstellungen bis dahin noch kein Ausländer innegehabt hatte. Der Neffe dieses Balbus obsiegte über den Stamm der Garamanten. Siehe das Lemma Balbus' im Dictionnaire historique et critique von Bayle, wo er die verschiedenen Personen gleichen Namens gegeneinander abgrenzt und die von älteren Autoren verbreiteten Irrtümer mit bewährter Akkuratesse richtig stellt. sein Vermögen beachtlich und sein Auftreten leutselig und umgänglich. Die ihm eigene Freude an Vergnügungen wurde stets durch ein Gefühl für Würde kontrolliert, geschweige dass ihm hierdurch die Neigung zu den Geschäften abhanden gekommen wäre. Die Person des Maximus war aus derberem Stoff gebildet. Durch eigene Tüchtigkeit war er aus einfachsten Anfängen zu den höchsten Staats- und Militäraufgaben emporgestiegen. Seine Siege über die Sarmater und Germanen, seine anständige Lebensführung, seine strenge und unparteiische Rechtsprechung während seiner Zeit als Stadtpräfekt brachten ihm die Achtung auch solcher Mitbürger ein, deren Zuneigung eher dem leutseligen Balbinus galt. Beide waren sie Konsul gewesen, (Balbinus hatte dieses respektable Amt sogar zweimal innegehabt), beide waren unter den zwanzig Männern gewesen, die der Senat ernannt hatte; und da der eine sechzig und der andere vierundsiebzig Jahre alt war, Zonaras 12,17; aber ein moderner Grieche bietet nur eine schwache Gewähr für Zuverlässigkeit, wenn er von Geschichte so wenig weiß, dass er sich ein paar neue Kaiser ausdenkt und die echten durcheinander wirft. standen beide auf der Höhe des Alters und der Lebenserfahrung.
AUFRUHR IN ROM
Nachdem nun der Senat den beiden die konsularische und tribunizische Gewalt in gleichem Umfang übertragen hatte, ferner den Titel "Vater des Vaterlandes" und das gemeinsame Pontifikat, bestieg man das Kapitol, den Göttern, den Rettern Roms, Dank abzustatten. Herodian, 7,10 vermutet, dass der Senat zunächst in das Capitol zusammen gerufen wurde und beschreibt die Szene sehr anschaulich. Zuverlässiger erscheint allerdings die Historia Augusta (Maximus 3). Die weihevollen Opferrituale wurden jedoch durch aufgewiegeltes Volk gestört. Die ungezogene Menge schätzte weder den strengen Maximus, noch flößte ihnen der milde und humane Balbinus hinreichend Respekt ein. In wachsender Zahl umstanden sie den Jupitertempel; mit obstinatem Radau reklamierten sie ihr angeborenes Recht, sich ihren Herrscher selbst zu erkiesen; und verlangten, ersichtlich moderater, dass den beiden vom Senat gewählten Herrschern noch ein dritter aus der Familie der Gordiane zur Seite treten möge, als eine Art Danksagung an die beiden Kaiser, die ihr Leben dem Staat aufgeopfert hätten. Maximus und Balbinus versuchten, an der Spitze der Stadtwache und der Jugend des Ritterstandes sich ihren Weg durch die aufgebrachte Menge zu bahnen. Diese, mit Steinen und Stöcken gerüstet, drängten sie ins Kapitol zurück. Es war unschwer abzusehen, dass der Streit, was immer sein Gegenstand sein mochte, einen tödlichen Ausgang nehmen würde. Ein Knabe, erst dreizehn Jahre alt, Enkel des älteren und Neffe des jüngeren der Gordiane, ward dem Volk präsentiert, angetan mit dem Dekor und dem Titel eines Cäsar. Der Tumult wurde durch dieses freundliche Zugeständnis beigelegt, und sobald nun die beiden Herrscher in Rom gütlich anerkannt waren, bereiteten sie Italiens Verteidigung gegen den gemeinsamen Feind vor.
MAXIMINUS GREIFT ITALIEN AN
Während nun in Rom und Afrika die Ereignisse sich in diesem erstaunlichen Tempo überstürzten, wurde Maximinus bis in Mark von Zornaufwallungen durchschüttelt. Es heißt, dass er die Nachricht von der Erhebung der Gordiane nicht mit der Gemütsverfassung eines menschlichen Wesens, sondern der Wut eines wilden Tieres aufgenommen habe; da er seinen Ingrimm aber nicht am Senat selbst habe auslassen können, bedrohte er statt dessen das Leben seines Sohnes, seiner Freunde und all derer, die in seine Reichweite zu gelangen unvorsichtig genug waren. Auf die hocherfreuliche Zeitung vom Untergang der beiden Gordiane folgte die sichere Kunde, dass der Senat, der alle Hoffnungen auf Pardon oder Vergleich habe fahren lassen, auf einer Sitzung zwei Kaiser an seiner Stelle eingesetzt habe, deren Befähigung ihm nicht unbekannt sein konnten. Seinen einzigen Trost fand Maximinus in Rache, und Rache war für ihn gleichbedeutend mit Waffengewalt. Alexander hatte aus allen Teilen des Reiches Legionen gebildet; drei erfolgreiche Feldzüge gegen die Germanen und die Samarter hatten ihren Ruf gemehrt, ihre Disziplin gefestigt, und selbst ihre Zahl war gestiegen, hatte sich doch die Jugend der Barbaren unter ihrer Fahne versammelt. Maximinus hatte das Leben eines Kriegers geführt, und selbst eine strenge, aber objektive Geschichtsschreibung kann ihm persönliche Tapferkeit und sogar die Fähigkeiten eines erfahrenen Generals nicht absprechen. Bei Herodian 7,8 und in der Historia Augustea (Maximinus 18 und Gordiane 14) finden wir drei unterschiedliche Reden des Maximinus an die Armee über die Unruhen in Rom und Afrika: indessen hat Herr Tillemont sehr zutreffend bemerkt, dass sie weder untereinander geschweige denn mit der Wahrheit übereinstimmten. Histoire des Empereurs, Bd. 3, p. 799. Man hätte nun mit Fug von einem solchen Herrscher erwarten können, dass er, anstelle durch Zögern der Rebellion gleichsam Vorschub zu leisten, sich unverzüglich vom Donau- zum Tiberufer aufgemacht hätte und dass seine siegreiche Armee, durch den Hass auf den Senat und die Gier nach italienischer Beute geeint, vor Ungeduld gefiebert haben müsse, dieses leichte und einträgliche Unternehmen zu beenden. Wenn wir jedoch der fragwürdigen Chronologie jener Zeiten trauen können, Die Sorglosigkeit der Schreiber jener Zeiten stürzen uns in tiefe Ratlosigkeit: 1. Wir wissen, dass Maximus und Balbinus während der Kapitolinischen Spiele ums Leben gebracht wurden (Herodian 8,8). Censorinus' Zuverlässigkeit ermöglicht uns, jene Spiele mit Bestimmtheit in das Jahr 238 zu legen, Tag und Monat kennen wir indessen nicht (De die natali18). 2. Die Wahl Gordians kann mit gleicher Sicherheit auf den 27. Mai gelegt werden; unmöglich aber können wir sagen, ob in demselben oder dem vorangegangenen Jahr. Tillemont und Muratori, die die entgegengesetzten Meinungen vertreten, führen lediglich einen zusammenhanglosen Haufen von Autoritäten, Konjekturen und Wahrscheinlichkeitserwägungen ins Feld. Der eine scheint die Folge der Ereignisse zwischen den beiden Perioden zu dehnen, der andere zusammenzuziehen, und zwar mehr, als sich mit Vernunft und Geschichtsschreibung verträgt. Dennoch muss man sich notwendigerweise zwischen den beiden entscheiden. dann scheinen ein paar Manöver eines auswärtigen Krieges die italienische Operation bis ins nächste Frühjahr verzögert zu haben. Aus dem besonnenen Vorgehen des Maximinus mögen wir erkennen, dass die Feder der Parteien die unbeherrschte Seite seines Charakters übertrieben hat; dass seine Leidenschaften, wie stürmisch auch immer, sich gelegentlich doch den Geboten der Vernunft unterwarfen; und dass dieser Barbar etwas von der Großmut eines Sulla besaß, welcher erst die Feinde Roms dämpfte, bevor er es sich zugestand, privat erlittenes Unrecht zu rächen. Velleius Paterculus 2,24. Der Präsident de Montesquieu (im Dialog zwischen Sulla und Eukrates) drückt die Gefühle des Diktators auf geistvolle, ja sogar vergeistigte Weise aus.
EINMARSCH IN ITALIEN
Als nun die Truppen des Maximinus in tadelloser Ordnung am Fuße der Iulischen Alpen anlangten, entsetzten sie sich doch über die Ruhe und die Einsamkeit, die hier an Italiens Grenze vorherrschten. Dörfer und unbefestigte Städte waren vor ihrer Ankunft von den Bewohnern verlassen worden, das Vieh fort getrieben, Proviant beiseite geschafft oder vernichtet, die Brücken abgebrochen; nichts, was einem Invasionsheer Schutz oder Hilfe hätte gewähren können, war stehen geblieben. Dies war auf wohlerwogene Anweisung der senatorischen Generäle geschehen, deren Absicht es war, den Krieg in die Länge zu ziehen, die Armee des Maximinus durch das langsame Mittel des Aushungerns zu schwächen und seine Kräfte an der Belagerung der befestigten Städte Italiens sich aufreiben zu lassen, welche mit Mannschaften und Vorräten aus den aufgegebenen Gebieten wohl versehen waren. Auf Aquileja fiel der erste Ansturm der Invasion, und sie widerstand. Die Flüsse, die in die nördliche Adria strömen, Muratori (Annali d'Italia, Bd. 2, S.294) meint, die Schneeschmelze passe besser für die Monate Juni oder Juli als für den Februar. Diese Meinung eines Mannes, der sein Leben zwischen Alpen und Appenin zugebracht hat, ist ohne Zweifel von großem Gewicht. Ich möchte jedoch anmerken, dass 1. der lange Winter, der Murotori recht zu geben scheint, nur in der lateinischen Version des Herodianes, nicht aber im griechischen Text zu finden ist; 2. der rasche Wechsel von Regen und Sonne, denen Maximinus' Krieger ausgesetzt waren, eher auf das Frühjahr als den Sommer hinweist. Gleichermaßen wollen wir anmerken, dass die einzelnen Flüsse, als sie zu einem zusammenschmolzen, den Timavus bildeten, den Vergil (in jedem Sinne des Wortes) poetisch beschrieben hat. Sie liegen etwa zwölf Meilen östlich von Aquileja. schwollen unter den schmelzenden Schneemassen an und bildeten so ein unerwartetes Hindernis für Maximinus' Waffen. Schließlich jedoch brachte er über eine mit ebensoviel Schwierig- wie Kunstfertigkeit gebauten Brücke aus Fässern seine Armee an das andere Flussufer, plünderte die schönen Weingärten in der Nähe von Aquileja, zerstörte die Vorstädte und verwendete das Holz der Gebäude für die Belagerungsmaschinen und -türme, mit denen er die Stadt von allen Seiten angriff. Die Stadtmauern, die während der langen Friedenszeiten allmählich mürbe geworden waren, wurden infolge dieses Notfalles in aller Hast wieder aufgebaut; aber der zuverlässigste Schutz Aquilejas war die Unverzagtheit seiner Bürger; alle Stände waren gleichermaßen, anstelle sich in Betroffenheit zu ergehen, durch die äußere Gefahr und die Kenntnis von des Tyrannen unversöhnlicher Natur belebt. Ihr guter Mut wurde belohnt und angeleitet durch Crispinus und Menopheles, zwei der zwanzig Legaten des Senates, die sich mit einer kleinen regulären Truppenmacht auf den belagerten Platz geworfen hatten. Die Armee des Maximinus wurde durch wiederholte Angriffe zurückgeworfen, alle seine Kriegsmaschinen durch Schauer von griechischem Feuer zerstört; und der starke Enthusiasmus der Städter erhöhte sich zu fester Siegeszuversicht, weil Belenus, ihre Schutzgottheit, in eigener Person bei der Verteidigung seiner bedrängten Bekenner mitgestritten hatte. Herodian 8,3. Die Keltische Gottheit wurde mit Apollo gleichgesetzt und erhielt unter dieser Anrede auch die Danksagungen des Senates. Auch wurde für Venus die Kahle ein Tempel errichtet, zu Ehre der Frauen von Aquileja, die ihr Haar für Seile der Kriegsmaschinen hingegeben hatten.
KAISER MAXIMUS
Der Kaiser Maximus, der bis nach Ravenna vorgerückt war, um diese wichtige Stadt zu sichern und die Kriegsvorbereitungen zu beschleunigen, sah die Geschehnisse aus der etwas zuverlässigeren Perspektive des Verstandes und der Politik. Ihm war durchaus bewusst, dass eine einzelne Stadt den unausgesetzten Anstrengungen einer großen Armee auf Dauer nicht gewachsen war. Und er besorgte, dass der Feind, des hartnäckigen Widerstandes von Aquileja müde geworden, unvermittelt die fruchtlose Belagerung aufheben und Rom direkt angreifen könnte. Das Schicksal des Reiches und die Sache der Freiheit würde dann am Ausgang einer einzigen Schlacht hängen; und welche Armee könnte dann wohl den Rhein- und Donauveteranen Widerstand leisten? Die Jugend Italiens, bereitwillig, aber eben auch verweichlicht, könnte wohl einige neu rekrutierte Truppen stellen; desgleichen ein Corps germanischer Hilfstruppen, auf deren Standhaftigkeit in der Stunde der Entscheidung angewiesen zu sein denn doch einigermaßen bedenklich war. Inmitten dieser zutreffenden Überlegungen schlug eine Palastverschwörung zu, bestrafte die Verbrechen des Tyrannen und ersparte Rom und dem Senat die Kalamitäten, die ein Sieg des tobsüchtigen Barbaren zur Folge gehabt hätte.
ERMORDUNG DES MAXIMINUS UND SEINES SOHNES
Die Bürger von Aquileja hatten von den üblichen Bedrückungen einer Belagerung kaum etwas zu spüren bekommen; ihre Magazine waren übervoll; und einige Quellen innerhalb ihrer Stadtmauern stellten die Versorgung mit Trinkwasser auf unabsehbare Zeit sicher. Anders die Soldaten des Maximinus; sie litten gleichermaßen unter den Widrigkeiten der Jahreszeit, ansteckender Krankheiten und den Schrecken des Hungers. Verwüstet das Land ringsum, in den Flüssen, von Blut gerötet, trieben die Leichen. In der Truppe breiteten sich Verzweiflung und Widersetzlichkeit aus; abgeschnitten von allen Nachrichten, glaubten sie gern, dass die ganze Welt die Sache des Senats zu der ihren gemacht habe und sie selbst ausersehen seien, vor Aquilejas unüberwindlichen Mauern zu verderben. Das wüste Gemüt des Tyrannen war aufgebracht durch die Rückschläge, die er aber der Feigheit der Armee zur Last legte. Seine willkürliche und völlig deplazierte Grausamkeit erzeugte Hass und berechtigte Rachegelüste. Eine Abteilung Prätorianer, die um ihre Frauen und Kinder in dem Lager von Alba nahe Rom bangten, exekutierten den Beschluss des Senats: Maximinus, von seinen Wachen im Stich gelassen, wurde in seinem Zelt erschlagen, zusammen mit seinem Sohn (den er an der Ehre des Purpurs hatte teilhaben lassen), dem Präfekten Anulinus und den führenden Ministern seiner Gewaltherrschaft 8,5; Historia Augusta, Maximinus 23. Die Dauer von Maximinus' Herrschaft wird nicht mit Bestimmtheit angegeben, außer bei Eutropius, der im drei Jahre und ein paar Tage zugesteht. Wir können den Text als zuverlässig ansehen, da das lateinische Original mit der griechischen Fassung des Paeanius übereinstimmt. Der Anblick ihrer Köpfe, aufgespießt auf Speerspitzen, überzeugte die Bewohner Aquilejas, dass die Belagerung ein Ende habe; die Tore der Stadt wurden geöffnet, für die ausgehungerten Truppen des Maximinus wurde Markt gehalten, und die ganze Armee bekannte sich in Treue feierlich zum Senat, dem Römischen Volk sowie deren legalen Herrschern, Balbinus und Maximus. Dies war das ersehnte Ende eines brutalen Wilden, dem nach allgemeiner Darstellung jedes zivilisierte oder sogar menschliche Gefühl abging. Sein Körper Er maß acht und ein drittel Römische Fuß, was etwas mehr als acht Englischen Fuß (2,50m) entspricht, da beide Maße sich zueinander verhalten wie 967 zu 1000. Siehe hierzu Graves Abhandlung über den Römischen Fuß. Wir erfahren, dass Maximinus an einem Tage eine Amphore (das sind etwa sieben Gallonen oder 26 l) Wein saufen konnte und dreißig bis vierzig Pfund Fleisch aß. Er konnte einen vollbeladenen Wagen ziehen, mit der Faust einem Pferd das Bein brechen, Steine in seiner Hand zerkrümeln und kleine Bäume mit den Wurzeln ausreißen. Siehe auch seine Biographie in der Historia Augusta. passte zu dieser Seele. Er war über acht Fuß groß, und nahezu Unglaubliches wird von seiner unvergleichlichen Kraft und seinem Appetit berichtet. Hätte er in einem weniger aufgeklärtem Zeitalter gelebt, dann hatten Überlieferung und Dichtung ihn ohne weiteres zu einem jener ungeschlachten Riesen gemacht, deren übernatürliche Stärke immer mal wieder zum Verderben der Menschheit tätig wird.
FREUDE IN DER RÖMISCHEN WELT
Es ist leichter, sich die Freude der Römischen Welt über den Sturz des Tyrannen vorzustellen als sie zu beschreiben; die Nachricht hiervon soll innert vier Tagen von Aquileja nach Rom gelangt sein. Maximus' Rückkehr geriet zu einem einzigen Triumphzug; sein Kollege und der junge Gordian kamen ihnen noch vor der Stadt entgegen, und die drei Herrscher zogen in die Hauptstadt, begleitet von Abgesandten fast aller italienischen Städte, wurden mit den Geschenken des Dankes und des Aberglaubens überhäuft und von dem ungeheuchelten Beifall von Senat und Volk umbrandet, welche sich einreden mochten, dass auf das Eiserne Zeitalter nunmehr das Goldene folgen werde. Siehe das Glückwunschschreiben des Konsuls Claudius Iulianus an die beiden Kaiser (Historia Augusta, Maximus 17). Die Maßnahmen der beiden Kaiser entsprachen auch diesen Erwartungen. Sie nahmen die Rechtsprechung persönlich in die Hand, und die Strenge des einen fand in der Milde des anderen ihr Korrektiv. Die erdrückenden Steuern, die Maximinus auf Erbschaften gelegt hatte, wurden aufgehoben oder doch wenigstens gemildert. Die Ordnung kam zu ihrem Recht, und auf Anregung des Senates wurden viele vernünftige Gesetze von den kaiserlichen Ministern erlassen, welche die gewaltige Arbeit auf sich genommen hatten, auf den Trümmern einer Militärdiktatur eine bürgerliche Verfassung einzurichten. ›Welche Belohnung dürfen wir erwarten, jetzt, wo wir Rom aus den Klauen eines Monstrums befreit haben?‹ fragte Maximus in einem Augenblick ungetrübten Vertrauens. Balbinus antwortete ohne Zögern: ›Die Zuneigung des Senats, des Volkes, der Menschheit!‹ ›Ach!‹, so sein etwas schärfer denkender Kollege, ›Ach! Ich hatte schon gefürchtet, den Hass der Soldaten und die tödlichen Folgen ihrer Rachsucht.‹ Historia Augusta, Maximus 15. Seine Mutmaßung wurde durch die Ereignisse aufs pünktlichste bestätigt.
BÜRGERKRIEG IN ROM VERDROSSENHEIT DER PRÄTORIANERGARDE
Während Maximus die Verteidigung Italiens gegen den gemeinsamen Feind vorbereitet hatte, wurde sein Kollege Balbinus, der in Rom zurückgeblieben war, in Metzelei und innere Zwietracht verwickelt. Im Senat obwalteten Missvertrauen und Scheelsucht; und selbst in die Tempel, ihren Versammlungsorten, brachte jeder Senator, versteckt oder offen, Waffen mit. Mitten unter ihre Beratungen hatten sich zwei Veteranen der Garde, durch Neugierde oder ein finsteres Motiv veranlasst, kühnlich in das Gebäude eingeschlichen und sich allmählich hinter den Altar der Victoria geschlängelt. Gallicanus, ein konsularischer und Mäcenas, ein prätorischer Senator gewahrten mit Empörung ihr ungebührliches Eindringen: sie zogen ihre Dolche und legten die Spähbuben, für die sie die beiden halten mussten, tot vor dem Altar zu Boden und forderten dann, nachdem sie zur Eingangstür gelangt waren, die Menge unklugerweise dazu auf, die Prätorianer als die geheimen Anhänger des Tyrannen zu massakrieren. Diejenigen Soldaten, die den ersten Zornesaufwallungen der Menge entkommen konnten, flohen in das Lager, das sie anschließend mit Überlegenheit gegen die wiederholten Angriffe der Bevölkerung verteidigten, die noch von Gladiatorenbanden, dem Eigentum reicher Adliger, unterstützt wurde. Dieser Bürgerkrieg dauerte mehrere Tage, mit ungemessenen Verlusten auf beiden Seiten. Als nun die Wasserleitungen zur Versorgung des Lagers zerstört wurden, gerieten die Prätorianer in ärgste Nöte; also machten sie ihrerseits Verzweiflungsausfälle in die Stadt, steckten Häuser in großer Zahl in Brand und überschwemmten die Straßen mit dem Blut ihrer Bewohner. Kaiser Balbinus suchte durch wirkungslose Verfügungen und kurzlebige Stillhalteabkommen die Parteien Roms zu versöhnen. Aber ihre Feindschaft, erstickt nur für kurze Zeit, flammte alsbald mit verdoppelter Stärke auf. Die Soldaten, die den Senat und das Volk verabscheuten, verachteten auch die Schwäche eines Herrschers, dem ersichtlich entweder die Befähigung und die Möglichkeit abgingen, den Gehorsam seiner Untertanen einzufordern. Herodian 8,12.
Nach dem Tode des Tyrannen hatte seine schreckliche Armee, wohl eher der Not als wirklicher Einsicht sich beugend, die Autorität des Maximus anerkannt, welcher sich ohne Verzug in das Lager vor Aquileja begeben hatte. Sobald sie vor ihm den Treueid abgelegt hatten, sprach er zu ihnen in Worten der Milde und Mäßigung; beweinte eher die ungeordneten Zeiten, als dass er sie neu eingerichtet hätte und versicherte den Kriegern, dass von allen ihren vergangenen Aufführungen der Senat nur dieses im Gedächtnis behalten habe, dass sie nämlich den Tyrannen nicht weiter unterstützt hätten und freiwillig zu ihren Pflichten zurückgekehrt seien. Maximus verlieh durch ein großzügiges Geschenk seinen Ermahnungen zusätzliches Gewicht, reinigte das Lager durch ein Sühneopfer und entließ dann die Legionen, in denen, wie er hoffte, ein lebendiger Sinn für Dankbarkeit und Gehorsam wieder aufgelebt sei, in ihre verschiedenen Provinzen. Herodian 8,7. Nichts aber konnte den hochfahrenden Sinn der Prätorianer versöhnen. Sie geleiteten die Kaiser zwar an dem denkwürdigen Tag ihrer öffentlichen Rückkehr nach Rom; aber inmitten des allgemeinen Jubels machten ihre mürrisch-deprimierten Gesichtszüge hinreichend deutlich, dass sie sich eher als Gegenstand denn als Teilhaber des Triumphes ansahen. Als nun der Truppenkörper vollständig im Lager vereint war, tauschten die, die unter Maximinus gedient hatten, mit denen, die zu Hause geblieben waren, sich unauffällig über ihr Ungemach und ihre Besorgnisse aus. Die Kaiser, welche die Armee gewählt hätte, seien in Schanden untergegangen; die, die der Senat bestimmt hätte, säßen gefestigt auf dem Throne. Diese Feststellung hatte man, unklug denn doch, in die Senatsproklamation einfließen lassen, und den Soldaten musste sie wie eine vorsätzliche Kränkung vorkommen. Historia Augusta, Maximus 12. Der ewige Konflikt zwischen ziviler und militärischer Macht sei nun durch einen Krieg entschieden, in welchem die erstgenannte einen vollständigen Sieg errungen habe. Die Soldaten mussten nun den Lehrsatz vom Gehorsam gegenüber dem Senat neu erlernen; und welche Milde auch immer jene Versammlung vorgab, es war dennoch eine spätere Rache zu befürchten, vertüncht mit dem Namen Disziplin und geheiligt durch achtbare Vorwände, etwa denen vom Wohle des großen Ganzen. Indessen: noch liege ihr Schicksal in ihrer eigenen Hand; und wenn sie es über sich brächten, die leeren Machtmittel der Republik gering zu schätzen, dann sei es auch einfach, die Welt davon zu überzeugen, dass diejenigen, die die Herren über die Waffen des Staates seien, auch die Herren des Staates selbst seien.
ERMORDUNG VON MAXIMUS UND BALBINUS
Als der Senat die beiden Herrscher gewählt hatte, dürfte neben der erklärten Aufgabenteilung für Krieg und Frieden auch die geheime Absicht eine Rolle gespielt haben, durch Teilung den Despotismus des obersten Magistrats zu schwächen. Dieser Schachzug war zunächst wirksam, aber am Ende erwies er sich für die beiden Kaiser und den Senat als verhängnisvoll. Ihre Machtansprüche wurden infolge ihrer unterschiedlichen Charaktere bald zum Äußersten gereizt. Maximus verachtete Balbinus als einen opulenten Adligen und wurde seinerseits von dem Kollegen als ordinärer Schlagetot eingestuft. Ihre schweigende Feindschaft war mehr zu erahnen als wirklich zu sehen; ›Discordiae tacitae et quae intelligerentur potius quam videtur.‹ Historia Augusta, Maximus 14. Diese geschliffene Formulierung ist wohl von einem Besseren abgesehen. aber die gegenseitige Abneigung hinderte sie, sich gegen ihren gemeinsamen Feind im Prätorianerlager auf wirkungsvollen Maßnahmen zu einigen. – Die ganze Stadt war mit den Kapitolinischen Spielen beschäftigt, und die Kaiser waren nahezu alleine in ihrem Palast. Plötzlich wurden sie durch das Nahen einer zu allem entschlossenen Gruppe von Mördern aufgeschreckt. In Unkenntnis der Umstände und der Pläne des jeweils anderen – sie bewohnten mittlerweile weit voneinander getrennte Wohntrakte – unwillig, vom anderen Hilfe zu erhalten oder sie ihm zu leisten, vergeudeten sie wertvolle Zeit mit müßigen Debatten und gegenseitigen Beschuldigungen. Die Ankunft der Prätorianer beendete diesen sinnleeren Streit. Sie stürzten sich auf diese Kaiser von Senats wegen, denn so nannten sie sie mit bösartiger Verachtung, rissen ihnen die Gewänder herunter und trieben sie in billigem Triumph durch die Straßen Roms mit der erkennbaren Absicht, diesen glückverlassenen Herrschern einen langsamen und qualvollen Tod zuzufügen. Lediglich die Angst vor den treuergebenen Germanen aus der kaiserlichen Leibwache verkürzte ihr Leiden; und die Leichen der beiden, von tausend Wunden zermetzelt, überließen sie dem Hohn oder dem Mitleid des Volkes. Herodian 8,8.
SECHSKAISERJAHR 238 A.D. · GORDIAN III WIRD KAISER
Innerhalb weniger Monate waren nun sechs Herrscher durch das Schwert umgekommen. Gordian, der bereits den Cäsarentitel innehatte, war der einzige, der den Soldaten geeignet erschien, den vakanten Thron einzunehmen. ›quia non alius erat in praesenti‹ [Weil kein anderer zur Hand war], so die Historia Augusta, Maximus 14. Sie brachten ihn in ihr Lager und riefen ihn einstimmig zum Augustus und Imperator aus. Dem Senat und dem Volk war sein Name teuer; und dadurch, dass sich Rom und die Provinzen dem Willen der Soldaten unterwarfen, ersparte man sich, wenn auch zum Preis der eigenen Freiheit und Würde, den Schrecken eines neuen Bürgerkrieges im Herzen der Hauptstadt. Quintus Curtius Rufus (10.9) macht dem Herrscher jener Tage ein artiges Kompliment, weil jener infolge seiner glückhaften Thronbesteigung soviele Feuerbrände erstickt, soviele Schwerter in die Scheide gesteckt und dem Übel einer geteilten Herrschaft ein Ende bereitet habe. Nach genauer Abwägung jedes Wortes dieser Passage komme ich zu dem Schluss, dass es zu der Wahl des Gordian besser passt als zu jedem anderen Ereignis der römischen Geschichte. Sollte dies zutreffen, könnte der Text auch helfen, die Lebenszeit des Curtius Rufus zu bestimmen. Diejenigen, die ihn unter den ersten Cäsaren leben lassen wollen, argumentieren mit seinem klaren Stil, sind aber überrascht, dass Quintilian ihn in seiner genauen Liste der römischen Historiographen nicht aufnimmt.
Da Gordian, der Dritte dieses Namens, zum Zeitpunkt seines Todes erst neunzehn Jahre alt war, würde die Geschichte seines Lebens, wäre sie denn genauer bekannt als sie es tatsächlich ist, wenig mehr enthalten als die Schilderung seiner Erziehung und die Taten seiner Minister, welche der Reihe nach die Arglosigkeit seiner unerfahrenen Jugend ausnutzten oder anleiteten. Unmittelbar nach seiner Thronbesteigung fiel er den Eunuchen seiner Mutter in die Hände, jenen verderblichen Schädlingen aus dem Orient, die sich seit den Tagen Elagabals im Palast eingenistet hatten. Durch raffinierte Ränke hatten diese Elenden einen undurchdringlichen Schleier zwischen den unschuldigen Prinzen und sein unterdrücktes Volk gezogen. Gordians mutiger Sinn ward überlistet und die Ehre des Reiches ohne sein Wissen, aber der Öffentlichkeit bemerklich, an die verworfensten unter den Menschen verkauft. Wir kennen die Glücksumstände nicht, durch welche der Kaiser aus dieser schandbaren Sklaverei entkam und von da an sein Vertrauen einem Minister schenkte, dessen umsichtige Ratschläge kein Ziel hatten außer dem Ruhm seines Herren und der Wohlfahrt des Volkes. Es scheint nun, dass dieser Misitheus sich mit Liebe und Gelehrsamkeit dem Gordian wert und angenehm machte. Der junge Herrscher heiratete die Tochter seines Lehrmeisters und versah seinen Schwiegervater mit den höchsten Staatsämtern. Zwei erstaunliche Briefe der beiden sind auf uns gekommen; der Minister gratuliert Gordian mit überlegener Würde zu seiner Befreiung aus den Fesseln der Eunuchen Historia Augusta, Gordiane 24 und 25. Wegen diverser Andeutungen in den beiden Briefen möchte ich vermuten, dass die Eunuchen nicht ohne sanfte Gewalt aus dem Palast entfernt wurden und dass Gordian ihre Ausmusterung wo nicht betrieb, so doch auch nichts gegen sie einzuwenden hatte. und besonders dafür, dass er sich dieser Erlösung bewusst ist. Der Kaiser seinerseits anerkennt die Fehler seines früheren Verhaltens und beklagt sich äußerst zutreffend über das elende Schicksal eines Monarchen, von dem die Wahrheit fernzuhalten eine käufliche Clique von Höflingen beständig bemüht ist. ›Duxit uxorem filiam Misithei, quem causa eloquentiae dignum parentela sua putavit; et praefectum statim fecit; post quod non puerile iam et contemptibile videbatur imperium‹, Historia Augusta, Gordiane 23. [Er nahm die Tochter des Misitheus zur Frau, den er wegen seine Beredsamkeit für würdig hielt, sein Verwandter zu werden; rasch machte er ihn zum Präfekten; woraufhin seine Regierungstätigkeit nicht so kindisch-verächtlich erschien].
MISITHEUS ERMORDUNG DES GORDIAN
Misitheus Leben war den Wissenschaften gewidmet, nicht dem Krieg; indessen war der biegsame Geist dieses großen Mannes so geartete, dass er, als er das Amt des Prätorianerpräfekten innehatte, die hier anfallenden militärischen Aufgaben mit Bravour und Befähigung löste. Die Perser waren in Mesopotamien eingefallen und belagerten Antiochia. Der junge Kaiser verließ auf Zureden seines Schwiegervaters den Luxus von Rom, öffnete – dies ist der letzte derartige Fall, den die Geschichte überliefert – den Janustempel und begab sich in Person nach Osten. Als er sich mit seiner gewaltigen Armee näherte, zogen die Perser die Garnisonen aus den bereits von ihnen eroberten Städten ab und marschierten vom Euphrat an den Tigris zurück. Gordian hatte das Vergnügen, dem Senat den ersten Erfolg seiner Waffen anzuzeigen, welchen er allerdings mit schicklicher Zurückhaltung der Umsicht seines Vaters und Präfekten zuschrieb. Während des ganzen Feldzuges hatte Misitheus ein Auge auf die Sicherheit und die Disziplin der Armee; während er zugleich ihrem gefährlichen Nörgeln dadurch vorbeugte, dass er das Lager zuverlässig versorgen und starke Vorräte von Essig, Speck, Stroh, Brotgetreide und Weizen in allen Grenzstädten anlegen ließ. Historia Augusta, Gordiane 27; Aurelius Victor, Caesares 27; Porphyrius, Vita Plotini 3. Der Philosoph Plotinus begleitete die Armee, veranlasst durch seinen Wissensdurst und der Hoffnung, bis nach Indien zu gelangen. Aber Gordians Glück ging mit Misitheus unter; er starb an der Ruhr, wobei ein äußerst starker Verdacht auf Vergiftung bestand. Philippus, sein Nachfolger in der Präfektur, war Araber von Geburt und folglich in jungen Jahren seines Gewerbes ein Wegelagerer gewesen. Sein Aufstieg aus so trüben Anfängen zu den höchsten Staatsämtern scheint indes zu beweisen, dass er ein kühner und befähigter Anführer war. Aber seine Kühnheit stiftete ihn lediglich an, nach dem Thron zu streben, und seine Befähigung setzte er ein, seinen nachsichtigen Herren abzulösen, nicht, ihm zu dienen. Die Gemüter der Soldaten wurden durch Lebensmittelknappheit beunruhigt, die er vorsätzlich im Lager herbeiführte; und die Ausweglosigkeit der Armee suchte und fand ihre Ursache in der Jugend und Unfähigkeit des Herrschers. Wir sind außerstande, das allmähliche Fortschreiten der geheimen Verschwörung und der offenen Auflehnung zu verfolgen, die zum Schluss tödlich für Gordian ausging. Ein Grabmonument wurde zu seinem Gedenken an der Stelle Etwa zwanzig Meilen von der Kleinstadt Circesium entfernt, an der gemeinsamen Grenze der beiden Weltreiche. Eutropius 9,2 und 3. errichtet, an der er ermordet wurde, in der Nähe des Zusammenflusses des Euphrat mit dem Bach Aboras. Die Inschrift, die ein sehr merkwürdiges Wortspiel enthält, wurde auf Anordnung von Licinius herausgemeißelt, welcher eine entfernte Verwandtschaft mit Gordian für sich beanspruchte; aber den tumulus oder Erdhügel über dem Grab gab es noch in der Zeit des Julian. Siehe Ammianus Marcellinus 23,5. Der glücklichere Philippus, der durch die Stimmen der Soldaten an die Spitze des Imperiums gelangt war, fand bei Senat und in den Provinzen bereitwilligen Gehorsam. Aurelius Victor; Eutropius 9,2; Orosius 7,20; Ammianus Marcellinus,23,5; Zosimos 1,19. Philippus, der aus Bostra stammte, war etwa vierzig Jahre alt.
HERRSCHAFT DES PHILIPPUS DIE SÄKULARFEIERN
Wir können es uns nicht versagen, an dieser Stelle die glänzende, wiewohl etwas eigenwillige Darstellung einzufügen, in welcher ein bekannter Autor unserer Tage die römische Militärregierung nachgezeichnet hat. ›Was sich damals Römisches Imperium nannte, war lediglich eine verunglückte Republik, ähnlich der Aristokratie Kann das Epitheton ›Aristokratie‹ wirklich mit Fug auf die Regierungsform Algeriens angewandt werden? Jede Militärregierung schwankt doch zwischen absoluter Monarchie und ungebändigter Demokratie. in Algerien, Die Militärrepublik der Mameluken in Ägypten hätte Herrn Montesquieu (Considerations sur la Grandeur et la Decadence des Romains, c. 16) einen treffenderen und angemesseneren Vergleich geliefert. wo das Militär, das sich im Besitze des Souveräns befindet, Magistrate, Dey genannt, ein- und absetzt. Vielleicht hat sogar als allgemeine Regel zu gelten, dass eine Militärregierung in mancher Hinsicht eher einer Republik als einer Monarchie ähnelt. Zudem haben die Soldaten keineswegs nur durch das Mittel der Meuterei und der Auflehnung Teil an der Regierung. Die Reden, die die Kaiser an sie richten, sind sie denn nicht aufs Ganze gesehen dieselben, die ehedem Konsuln und Tribunen an das Volk hielten? Und wenn Armeen auch keine regulären Plätze und vorgegebenen Formen für ihre Versammlungen haben, – denn ihre Debatten sind kurzangebunden, ihr Handeln unvermittelt und ihre Beschlüsse selten die Frucht kühlen Nachdenkens – beeinflussen sie nicht dennoch in unumschränkter Form das öffentliche Wohl? Was war denn der Kaiser, wenn nicht der Diener eines Gewaltregimes, der für das private Wohlergehen der Soldaten zu sorgen hatte?‹
›Als die Armee Philippus zum Kaiser bestimmt hatte, welcher unter dem Dritten der Gordiane Prätorianerpräfekt gewesen war, bestand der letztgenannte darauf, alleiniger Kaiser zu bleiben; dies durchzusetzen war ihm unmöglich. Dann bot er an, dass die Macht zwischen beiden geteilt würde; die Armee hörte gar nicht hin. Er war mit einer Degradierung in den Rang eines Cäsar einverstanden; diese Gnade wurde ihm ausgeschlagen. Schließlich bettelte er darum, wenigstens zum Prätorianerpräfekt eingesetzt zu werden; seine Bitten blieben ungehört. Am Ende flehte er nur noch um sein Leben; in diesem Falle bildete die Armee die letzte Instanz.‹ Glaubt man dem Historiker, dessen unzuverlässige Darstellung Herr De Montesquieu aufgegriffen hat, war Philippus, der sich während der ganzen Verhandlung in mürrisches Schweigen gehüllt hatte, durchaus geneigt, seinem unschuldigen Wohltäter das Leben zu schenken; in der Erwägung aber, dass eben diese Unschuld in der Römischen Welt für gefährliche Unruhe sorgen könnte, ordnete er, ohne auf sein Flehen Acht zu haben, seine unverzügliche Hinrichtung an. Sofort wurde dieses unmenschliche Urteil vollstreckt Die Historia Augusta (Gordiane 30) ist in diesem Punkte weder mit sich selbst noch mit der Wahrscheinlichkeit in Einklang zu bringen. Wie hätte wohl Philippus seinen Vorgänger zum Tode verurteilen und gleichwohl sein Andenken durch eine Grabstele heiligen können? Wie hätte er seine öffentliche Hinrichtung anordnen und sich zugleich in seinen Briefen an den Senat von aller Schuld an seinem Tode freisprechen können? Philippus war zwar ein von Ehrgeiz zerfressener Thronräuber, aber auf keinen Fall ein schwachsinniger Tyrann. Tillemonts und Muratoris Scharfblick hat auch in dieser angeblichen Mitregentschaft des Philippus einige chronologische Ungenauigkeiten entdeckt..
REGIERUNG DES PHILIPPUS
Nach seiner Rückkehr aus dem Osten nach Rom ließ Philippus in dem Bestreben, die Erinnerung an sein Verbrechen auszulöschen und sich die Zuneigung des Volkes zu erheimsen, die Jahrhundertspiele mit ungemessenem Pomp und Aufwand abhalten. Seit ihrer Stiftung oder Neubegründung durch Augustus Die Darstellung der vermutlich letzten Feiern ist (obwohl sie in eine gut erforschte Geschichtsepoche fiel) derart zweifelhaft und ungenau, dass die Alternative dazu nicht mehr zweifelhaft ist. Als Bonifatius VIII die päpstlichen Jubel- oder Heiligen Jahre als eine Kopie der Säkularspiele ersann, gab dieser durchtriebene Papst vor, er erwecke lediglich eine antike Einrichtung zu neuem Leben. hatten Claudius, Domitian und Severus sie feiern lassen und wurden nun ein fünftes Mal aus Anlass der eintausendsten Wiederkehr des Jahres der Gründung Roms begangen.
SÄKULARSPIELE 21. APRIL 248 A.D.
Alle Vorkehrungen dieser Säkularfeiern waren sorgfältig darauf berechnet, abergläubischen Gemütern tiefe und ernstempfundene Andacht einzuträufeln. Der lange Abstand Es waren entweder einhundert oder einhundertundzehn Jahre. Varro und Livius treten der erstgenannten Auffassung bei, aber die unfehlbare Autorität der Sibylle heiligt die letztgenannte. (Censorinus, de die natali 17). Die Kaiser Philip und Claudius behandelten das Orakel ohne den gehörigen Respekt. zwischen den Feiern überschritt die Dauer eines Menschenlebens; und so, wie keiner der Teilnehmer einer beigewohnt hatte, konnte sich auch keiner auf eine weitere Hoffnung machen. An den Tiberufern wurden drei Nächte lang mystische Opfer vollzogen; das Marsfeld erfüllte sich mit Musik und wurde mit ungezählten Lampen und Fackeln illuminiert; Sklaven und Fremde waren von der Teilnahme an diesen nationalen Festivitäten ausgeschlossen. Ein Chor von zweiundsiebzig Jungen und ebenso vielen Jungfrauen von Adel, deren beide Eltern noch am Leben sein mussten, erflehten die Gunst der Götter zum Wohle der gegenwärtigen und inskünftiger Generationen; baten mit religiösen Gesängen darum, dass sie, im Einklang mit altüberlieferten Orakeln, auch ferner noch das Glück und das Reich des Römischen Volkes bewahren und mehren möchten Die Idee der Säkularspiele erschließt sich am besten aus dem Gedicht des Horaz und der Beschreibung des Zosimos 2,5ff.. Der Glanz von Philippus' Darbietungen und Lustbarkeiten blendete die Menge. Die Andächtigen widmeten sich den Rituale des Aberglaubens, während die wenigen Nachdenkenden die Vergangenheit und das künftige Schicksal des Reiches in ängstlichen Gemütern bewegten.
DER VERFALL DES REICHES
Seit Romulus mit ein paar Hirten und Landesflüchtigen sich auf den Hügeln in der Nähe des Tibers verschanzt hatte, waren insgesamt zehn Jahrhunderte Die anerkannte Berechnung des Varro legt die Gründung Roms auf einen Zeitpunkt, der mit dem 754. Jahr v. Chr. korrespondiert. Aber so ungewiss ist die Chronologie der frühen Römischen Jahre, dass etwa Sir Isaac Newton dasselbe Ereignis in das Jahr 627 v. Chr. verschob. vergangen. In den ersten vier hatte sich die Römer in der harten Schule der Armut die Künste des Krieges und des Regierens angeeignet. Durch energische Anwendung dieser Fähigkeiten und vom Glück begünstigt, hatten sie in den folgenden drei Jahrhunderten ihre uneingeschränkte Herrschaft über Europa, Asien und Afrika aufgerichtet. Die letzten drei Jahrhunderte waren im äußeren Wohlstand und innerem Niedergang dahin gegangen. Die Nation der Krieger, Magistrate und Gesetzgeber, die einst die fünfunddreißig Stämme des Römischen Volkes gebildet hatten, waren mittlerweile in der Masse der Menschheit aufgegangen und mit den Millionen unterwürfiger Provinzbewohnern vermengt, welche alle den Namen eines Römers besaßen, ohne den römischem Geist zu besitzen. Eine Söldnerarmee, rekrutiert aus den Untertanen und Barbaren der Grenzmarken, war die einzige Menschengruppe, die ihre Unabhängigkeit bewahrte und - missbrauchte. Durch ihre unter Getöse vollzogene Wahl waren ein Syrer, ein Gote und ein Araber auf den römischen Thron gelangt und mit unbegrenzter Gewalt ausgestattet worden, die sie über die Provinzen und das Land der Scipionen ausüben konnten.
Die Grenzen des Römischen Imperiums erstreckten sich noch immer vom Ozean im Westen bis zum Tigris, vom Atlasgebirge bis zu Rhein und Donau. Für den arglosen Betrachter schien Philippus ein Monarch, der nicht weniger mächtig war als vordem Augustus oder Hadrian. Die äußere Form war nach wie vor dieselbe, aber Gesundheit und Kraft waren dahin. Fleiß und Tüchtigkeit des Volkes waren infolge langwährender Steuerbelastung zum Erliegen gekommen. Die Disziplin der Legionen, welche nach dem Erlöschen aller anderen Tugenden die letzte Stütze des Reiches geblieben war, war durch den Ehrgeiz der Herrscher korrumpiert oder infolge ihrer Schwäche erlahmt. Die Stabilität der Grenzen, die bis dahin durch Waffen und weniger durch Festungsanlagen gewährleistet wurde, war unmerklich unterwühlt worden; und die blühendsten Provinzen waren der Raubgier oder dem Ehrgeiz von Barbarenstämmen ausgesetzt, welchen nicht entgangen war, dass das Römische Imperium zur Rüste ging.