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4. Kapitel. Der erste Zank im englischen Seeengebiet.

 

In Keswick: Ein Erguß an Frau Doktor St.

»Alte, liebe Herzensluni! Schenkst Du mir das »Tante«? Ich sehe Dich im Geiste mit dem Kopfe nicken. Sehr vernünftig! Wozu soll eine alte, längst verheiratete Frau zu einer andern »Tante« sagen? –

Wie es mir geht, willst Du wissen, ob die Reise mich anstrengt, und ob mir der Himmel noch immer voller Geigen hängt? – Na, hör' mal, Duchen, wenn die Saiten jetzt schon zerrissen wären, das wäre doll!

Mein Gatte muß so einen Zauberbogen haben; wenn er geigt, kommen immer neue Töne, neue harmonische Akkorde zum Vorschein. Noch sind wir glück – – – – selig und genießen die herrliche Zeit, ja, ich kann es behaupten, wir gewinnen uns noch lieber, wenn das möglich sein könnte! Er ist ja auch ein himmlischer Wonneknopp! – Er bleibt sich gleich in seiner ernsten, vornehmen, frischen Männlichkeit. Ich bin noch immer, wie ich war! – Will ick och! Zum Verändern und Umkrempeln meines Ichs habe ich ja nicht geheiratet! – Bisher blieben die Disharmonieen in unserer Geigerei aus; aber »det kommt noch!« Nach dem Zanken freue ich mich schon auf den Versöhnungsrummel! Hier habe ich bisher nur einen Fehler an ihm entdeckt, das ist seine Eifersucht. Doch die gewöhne ich ihm noch ab! – Wie es mir geht? Ja, olle geliebte Lune, das ist eine Frage, zu der man bei einer Reise wie der unsrigen, gar nicht kommt. Kennst Du so einen Brummkreisel oder wie wir in Berlin sagen: Brummtriesel? An dem wird die Strippe fest gebunden, dann scharf abgezogen, und nun kreiselt das Dingrichs wie besessen los. So geht es mir und auch Willi. So geht es wohl jedem, der auf Rundreisen wie wir begriffen ist! Das Billet und der erste Einstieg in das Coupé ist die abgezogene Strippe. Bums, nu jeht es los! – Man rast kreiselnd von Hôtel zu Hôtel und kommt garnicht zur Besinnung. Die wechselnden Eindrücke, die weiterhastenden Stunden, alles creiert in uns ein Perpetuum mobile. Was ich daheim nie im stande wäre, wird unterwegs im Reisetaumel möglich. – Ob es mich anstrengt? Ja, weeß Knebbchen, das weeß ich Sie alleene nich! – So was kommt bei mir nach! Wir haben Holland und Schottland absolviert. Seit gestern sitzen wir in Keswick, in dem berühmt schönen, englischen Seeengebiet, und wollen die nächsten acht Tage der Erholung weihen. Das klingt zwar sehr schön! Allein mir fehlt der Glaube!

Apropos, denke Dir, geliebte Lune, was uns hier schon mehrfach passiert, was wir mit Zeugnissen belegen können! – Als mein dickes Wonnchen mit mir nach Italien fuhr, da warnte man uns von allen Seiten vor den armen Italienern. Die Beamten, die Kellner, alle sollten sehr dazu neigen, die Fremden über das Ohr zu hauen und zu beschummeln. Wir paßten wie die Schießhunde auf und kamen gänzlich ungerupft davon! Weder auf der Bahn, noch in der Post, noch in irgend einem Hôtel wurden wir je beschwindelt! – Dagegen ist es uns in Schottland schon einige Male, sogar in den besten Hôtels, vorgekommen, daß die Rechnungen nicht stimmten. Uns wurden zwischen fünf bis acht Schilling zu viel angekreidet! Erst nachdem wir energisch die Irrtümer aufklärten, wurden sie unter höflichen Bitten um Entschuldigung gestrichen. Willi ist dadurch ganz konsterniert. In Großbritannien hat er diese Unehrlichkeit nicht erwartet! Offen gesagt, ich auch nicht. Wir werden jetzt sehr auf der Hut sein! – Dabei bekommt man hier in den ganz großen Hôtels vorgedruckte Rechnungen, auf denen alle Posten verzeichnet stehen. Die Dinger machen genau solch hochanständigen Eindruck wie die Hôtelkassierer oder -kassiererinnen, welche sie ausfüllen! »Ja Kuchen, hat sich was! Immer aufpassen!« –

Nun sitzen wir hier in Keswick. Wir wohnen im Seehôtel und sind in fünf Minuten an dem lieblichen Ufer. Der See ist das Lieblichste, was man sich vorstellen kann. Aus dem spiegelklaren Wasser tauchen drei grüne Hauptinseln und mehrere kleine auf. Steile, zum Teil bewaldete Felsen, grüne Hügel, malerische Bergzüge am Horizonte rahmen den See ein. Willi ruderte mich weit hinaus. Es war herrlich, so allein in der schönen Natur mit dem geliebten Manne, so auf seine Kraft angewiesen! Er sah bildschön aus, als er die Ruder führte, und die untergehende Sonne ihn so rot überhauchte. Wir sangen deutsche Lieder, und die Leute sahen sich nach uns um, als ob wir wahnsinnig wären! – Dabei hat doch hier der Dichter Robert Southay gelebt.

Wir kamen gerade gestern Abend von einem Spaziergang zurück, als wir auf dem Markte Singen, Trommeln und das Rasseln von Kastagnetten hörten. In der Meinung, daß es sich um ein Volksfest handelte, eilten wir hin. Von Volk war wenig zu sehen! Nur eine kleine Truppe der Heilsarmee von ungefähr acht Personen nahm eben Aufstellung und sang und predigte. – Kein Mensch, bis auf ein paar Kinder und zwei herumlagernde Burschen, kümmerte sich um die Leute. Nur wir stellten uns auf. Ich kam mit spöttischem Lachen, auch Willi, der alles Zurschaustellen haßt. Aber weißt Du, geliebte Luni, das Lachen verging uns beiden. Mir wurde abwechselnd kalt und heiß. Da steht ein todblasses, weibliches Wesen mit der verblaßten Fahne in der Hand. Um sie herum die andern Hallelujamädchen und Frauen, unter ihnen ein Mann. Alle tragen die bekannten Uniformen. Einige halten Tambourins in der Hand. – Die müden Augen in den hohlen, bleichen Gesichtern beleben sich während der geistlichen Gesänge, bis sie in fanatischem Fieber erglühen. Dann tritt nach Beendigung des Liedes erst ein Hallelujamädchen in den Kreis und beginnt zu predigen. Durch ihre Worte angestachelt, drängt sich eine kleine Frau in tiefer Trauer hinein. Mit flammender Begeisterung erzählt sie von ihrem bisher sündigen Leben und ihrer Rettung durch die Heilsarmee. Die Augen geschlossen, fleht, beschwört sie die Zuhörer, ihrem Beispiel zu folgen, sich retten zu lassen. Neue Gesänge. Der Führer bittet um Geld. Er und seine Begleiterinnen werfen Kupfer- und Silbermünzen in den Kreis auf die Erde. Wir thun es auch. – Die Mädchen kehren ihre Tambourins um und verstreuen sich durch die Straßen, die Tambourins als Bettelteller benutzend. Die Ausbeute ist sehr gering. An der Gleichgültigkeit des Publikums sieht man, wie es an den »Rummel« gewöhnt ist. Wir sind außer dieser winzigen Armee die einzigen Erschütterten. Alle reichen uns die Hand und bitten uns, ihrer Hauptversammlung an dem gleichen Abend beizuwohnen. Das heben wir uns allerdings für London auf und verzichten dankend. –

Doch nun wirst auch Du verzichten, heute noch mehr zu hören! Gelt? Addio, geliebte Luni, grüße Deine teure, olle Mama und Deine beiden Ableger innigst von meinem liebsten Gatten und mir. Du sei umarmt von Deiner vieltreuen, alten Lotte.« –

 

Der erste Zank.

»Teuerstes Häschen! Wissen Sie, wo die englischen Seeen liegen? Pfui, einen Platz 'runter! Sie scheinen in der Geographie schwach! Haben Sie schon von Wordsworth, Southay, Coleridge gehört, den Dichtern der englischen Seeschule? – Pfui, Herr von Hase! Litteratur schlecht! – – Kurz, wir sind hier. Wir – – heißt: Willi Feller und ich! Zweck: Hochzeitsreise. Ort der Handlung: Ambleside als mehrtägige Residenz. Von hier aus haben wir schon entzückende Ausflüge nach dem Grasmere-Windermere-Ullswatersee gemacht. Wir haben per »Mehlquatsch« (Mailcoach), auch per Gaul, per Esel, per pedes Touren ins Gebirge unternommen. Jeden Tag wo anders hin. Es ist hier entzückend. So eine Landschaftsmischung aus Thüringen und Harz mit großen und kleinen Seeen, mit malerischen Örtchen. – Deutsche fast garnicht vorhanden. Das Publikum eine wenig anmutende Mischung aus Yankee Doodle und John Bull, ersterer noch entschieden angenehmer! – Unser Hôtel – famos. – Unsere Stimmung famoser! – Wetter bisher schön, seit heute bewölkt. Es wird Regen geben! Gott sei Dank! Dann giebt mein Herzallerliebster Ruhe und schleppt mich nicht über Berg, Thal und Wasser. Ich bin für Ruhe, stilles Genießen schöner Natur von einem seßhaften Punkte aus. Besonders, da viel Trubel naturgemäß durch die Raserei hinter und vor mir liegt! – Menschenskind, heiraten Sie bloß! Jeder Mensch sollte es thun! Jeder Mann danach streben! Man ist zu glücklich! Ach, Häschen! Nun ist es mit Lotte Bach ex! Sie ist Frau Doktor Feller und tauscht nicht zurück, d.h. ein Stück Freiheit giebt man auf. Heute ist mein Ehegespenst fuchtig allein abgezogen. Ich wollte nicht mit, weil ich – entre nous – zu faul war. Das ewige Gerenne! Bah! Nun sitze ich hier – – – – – –«

Lotte biß an ihrem Federhalter herum. Das Schreiben ging heute garnicht flott von statten. Sie knabberte an dem Holze und blickte in dem eleganten Salon umher. Einige Herrschaften saßen beisammen und flüsterten. Eine seidenrauschende, junge Frau schrieb gleich ihr; aber weniger unterbrochen. Die englische Art der Zimmereinrichtung gefiel Frau Lotte außerordentlich. Überall, auf den Tischen, den Schränken, dem Flügel, ja auf dem Kaminsims standen Schalen und Vasen mit lockeren, blühenden Blumen. Die Polster und Vorhänge waren aus lichtem Cretonne und bunten Libertyseiden hergestellt. Jedes Möbelstück anders geformt. Keins stand symmetrisch neben dem andern. Alle Stücke des Meublements waren in einer so harmonisch-künstlichen Unordnung! Nichts war so steif aufgebaut wie sonst in Hôtels und Salons, sondern eine wohnliche, flott graziöse Behaglichkeit lag über dem Raume. Durch die greulichen, auch hier üblichen Schiebefenster sah man in eine reizende Hügellandschaft und auf die Nordecke des Windermeresees. – Störend wirkten nur die beiden fetten Katzen, welche sich auf dem Diwan herumsiehlten. – Die fabelhafte Geschicklichkeit, mit der die englischen Baumeister, besonders bei Hôtelbauten, den Raum auszunutzen verstehen, hatte Lotte schon während der ganzen Reise imponiert. Sie bewunderte die nette, gediegene Ausstattung, die Sauberkeit und die Lautlosigkeit in den Hôtels sehr. Der ruhige Ton des meist vorzüglich geschulten Personals, die vornehme Stille der Reisenden imponierte ihr. Sie mußte anerkennen, so sehr sie nach Angriffspunkten suchte. Ihr Gatte war darüber natürlich entzückt. –

Heute schien ihr der lichte Drawing-room düster. Lag das an dem bewölkten Himmel oder an ihr selbst? – – – Sie war verstimmt! Und schuldbewußt. Eigentlich war es doch recht unfreundlich von ihr, daß sie Willi nicht auf dem Spaziergang begleitet hatte. Er bat so sehr darum. Er hatte auch Recht, ein Wetterwechsel stand bevor. Man mußte die guten Stunden benutzen! Aber – – – p! – Sie war die Frau, gehörte zum zarteren Geschlechte – – – er konnte doch nachgeben! Warum setzte er sich nicht mit ihr einfach in den Garten oder auf den Balkon, der an ihre Zimmer stieß? Warum ruderte er sie nicht spazieren? Schließlich waren sie doch auf der Hochzeitsreise, wo der Gatte immer nachgeben müßte! Später, wenn er erst wieder im ernsten Berufe stand, dann wollte sie sich fügen; aber jetzt – – – Donnerwetter – – – nee! – – Lotte konnte nicht mehr sitzen bleiben. Sie sprang auf und packte ihre Schreibmappe zusammen. – Die Katzen glitten vom Sofa und kamen, um sich an ihr kosend zu reiben. Sie scheuchte die Tiere unwillig fort. – Sogleich sah sie, wie sich die englischen Damen in eine empörte Positur setzten und sie zornig ansahen. Die Eine bückte sich sofort und hob mit süß flötenden Zärtlichkeitslauten beide »Pussies« auf ihren Schoß. – Lotte lächelte ironisch, schaute kühl auf die Fremden und dachte: »Glotzt Ihr nur, was ich mir dafor koofe!« – – Ein wenig deutschfreundlicher, leiser Satz reizte sie aber derart, daß sie in der Thür stehen blieb, sich umwandte und die verstummende Sprecherin kalt musterte. Dann rauschte sie hinaus und freute sich, als sie in der Halle in dem großen Spiegel ihr Bild sah. Wenigstens war das elegante, auf Seide gearbeitete, taubengraue Reisekleid so hübsch, daß sie ihr Vaterland gut vertrat. Diese englischen Ekels – – – –

Ja, Lotte war nun einmal schlechter Laune. In ihrem Wohnzimmer breitete sie ihre Schreiberei wieder aus. Aber sie stellte sich ans Fenster und sah hinaus. Ihr geliebter Mann wanderte da allein durch die Weltgeschichte, – – – und sie mopste sich hier! Ein Gedanke erfaßte sie. – Sie wollte Willi, der verärgert fortgewandelt, erfreuen. Vielleicht holte sie ihn irgendwo ein und überraschte ihn? Wenn nicht – – – – – dann wollte sie Ananas und Bananen, seine Lieblingsfrüchte, kaufen und ihm einen kleinen Versöhnungsaufbau machen! Hastig zog sie sich an, setzte den Hut auf und eilte von dannen. – Den Gatten erreichte sie natürlich nicht; aber sie besorgte das Obst und erstand einen kleinen Bronzeamor, der zwei Herzen in der Hand hielt. An einem Stempel auf dem Sockel las sie triumphierend das bezeichnende: » made in Germany«, das ihr auf den meisten Postkarten, auf Schreibpapier und andern Kleinigkeiten schon entgegengeleuchtet hatte. – Langsamer trat sie den Heimweg an. Bei dem Anlegeplatz neben dem Hôtel herrschte viel Leben und Treiben. Der Dampfer war eingetroffen. Wohl an dreißig Mailcoaches und Breaks hielten friedlich aufgepflanzt im Halbkreise. Die Kutscher und Schaffner aber bedrängten das vom Schiff strömende Publikum. Jeder rief das Ziel seiner Fahrt und warb für sein Hôtel. Es gab einen Höllenlärm, wie er sonst in England selten ist. Unschlüssige Reisende wurden von den Konkurrenten umstürmt, umschmeichelt, förmlich um die Fahrt angebettelt. Hier eilten die Eroberer mit ihrer lebendigen Beute stolz von dannen, setzten die Leitern an und halfen beim Aufklettern. Dort tobte ein förmlicher Kampf. – – Die junge Frau sah dem allen amüsiert zu. – Mit welcher Pomadigkeit viele daherkamen! Welche unglaublichen Gestalten, wie aus den Witzblättern ausgeschnitten, darunter waren! – – – Manche Paare in Sportkostümen schoben ihre Maschinen bis zur Chaussee, schwangen sich darauf und radelten flott davon. Andere konsultierten erst den Bädeker. – Der Hauptstrom hatte sich fast verzogen. Noch immer hielten ein paar leere Gefährte, deren Kutscher einen Herrn wie die lästigen Fliegen umkreisten und riefen: » Here for Grasmere-Keswick!« – »I am for Rydall-Ullswater!« – – Er machte ein ganz verzagtes Gesicht, blickte in sein Notizbuch, schüttelte den Kopf und winkte endlich die beiden Männer heran. Sie näherten sich ihm, und nun zeigte er ihnen mit dem Finger eine Adresse, die er ausgeschrieben. Sie lasen und schwatzten sofort auf ihn ein. Wieder machte er ein verzagtes Gesicht. Dann platzte ihm aber die Geduld: »Schockschwerebrett, verdammte Bande, spricht denn in diesem Höllenlande kein Mensch deutsch, das ist ja zum Auswachsen!« – donnerte der Fremde plötzlich zornig los. Die Kutscher fuhren entsetzt zurück, erbitterten sich dann auch und schrieen gleichfalls. Das gab ein Terzett! – – Lotte lachte hell auf, näherte sich ihm schnell und bot ihre Hülfe an. – Ach, wie er bei den deutschen Lauten erstrahlte, sofort gemütlich wurde und sich dankbar ihr offenbarte, nachdem er sich ihr vorgestellt: »Radde aus Buckow!« – Ein Märker! Von »so dichte bei Berlin«. – Auch Lotte freute sich wie ein Schneekönig. – Besonders, als es sich herausstellte, daß Herr Radde im Hôtel Waterhead, also am Ziele seiner Reise war. Hier wollte er sich am nächsten Morgen mit seiner in Leith verheirateten Nichte treffen, um mit ihr einige Wochen an den Seeen zu verleben. – Sie geleitete ihn in das Hôtel und blieb so lange sein Dolmetscher, bis er in einem guten Zimmer untergebracht war. – Sehr ermuntert und erfrischt, denn inzwischen hatte sie alle Verstimmung vergessen, betrat sie, die Obsttüte im Arme, ihr Gemach. –

Da stand Willi am Tisch vor ihrer Schreiberei, bleich und mit gerunzelter Stirn. »Hu, wie siehst Du aus, Schatz? Wie sieben Tage Regenwetter! Beiß' man nicht!« – rief sie lachend. Er blieb sehr ernst stehen. »Guten Morgen, mein Wonnevieh, nanu, begrüßt man so seine Gattin nach einer dreistündigen Trennung?« – Sie warf die Tüte aufs Bett und verbeugte sich lachend mit einem tiefen Hofknix. – – »Laß die Dummheiten!« – rief er grimmig. – – »Nanu?« Lotte schnellte empor und schaute ihn an: »Ach so, Du tückschst ein bisken! Wie Du willst!« – – Sie legte den Hut und die Jacke ab und streifte die Handschuhe von den Händen. Ihre Frohlaune war hin. – – »Was hast Du während meiner Abwesenheit gemacht?« – fragte er inquisitorisch. – – »Geschrieben und jetzt – – –« – – »An wen geschrieben?« – donnerte er los. »Aber, Willi, was ist das für ein Ton?« – fragte sie erstaunt. – – »Antworte!« – Es lag soviel geheime Qual in dieser zornigen Stimme, daß sie gezwungen gleichgültig erwiderte: »An unsere Mütter, an Waldecks, an – – –« – – »Aha, an?« – – Jetzt wurde sie doch aufmerksamer: »Sag', was beabsichtigst Du mit diesem Examen? Du bist wohl nicht ganz richtig im Kopf, Freundchen?« – – Sie blickte ihn an. Er schien auf sie losstürzen zu wollen und bebte ordentlich: »Laß diesen frechen Ton, Du! Antworte!« – – Lotte war sprachlos. Was wollte – – was hatte er eigentlich? Sie kannte ihn in dieser Heftigkeit noch garnicht. – – »Menagier' Dich, bitte!« – – »An wen hast Du geschrieben?« – – »Auf diese Art von Fragen halte ich es für unter meiner Würde, zu antworten!« – – »So – – so! Haha! An Herrn von Hase hast Du geschrieben – – – –«

Lotte setzte sich trotzig ans Fenster. Sie wurde sehr blaß und blickte kühl hinaus: »Sehr richtig bemerkt! Der Brief lag ja offen auf dem Tisch, und lesen hast Du gut gelernt! Bravo!« – – Er packte, seiner selbst kaum mehr mächtig, den schuldlosen Bogen, warf ihn zu Boden und trampelte darauf herum: »Solch eine Frechheit! Solche Schamlosigkeit! An diesen Kerl zu schreiben, diesen Laffen! Der Dich anbetet, bah! Der es gewagt hat, Dich zu küssen! Schämst Du Dich nicht?« – – »Aha, ein kleiner Eifersuchtstobsuchtsanfall!« – Sie lachte zornig und spöttisch, was ihn noch mehr erregte. »Ich werde Dir das Lachen vertreiben, Du! Weißt Du, was Du bist? Eine herzlose, kalte Kokette! An den Kerl überhaupt nur zu denken, an ihn zu schreiben? Der Verehrer soll wohl nicht verloren gehen, he? So ein dummer, alberner Laffe – – – –« – – Lotte sprang auf und stellte sich vor ihn hin: »Ich verbiete Dir, selbst in diesem Tobsuchtsanfalle so von meinem Freunde zu sprechen. Herr von Hase ist mein Freund! Als solcher sollte er auch ein Lebenszeichen erhalten. Daraus siehst Du, wie Wurscht er mir so – – ist! P! Das kleine Häschen! Wenn ich ihn liebte, so würde ich nicht an ihn schreiben und ihn nie erwähnen! Verstehste das, Othello, oder fehlt Dir die Psychologie?« – – – Sie wollte einlenken, denn Willi that ihr leid. Jedoch er tobte weiter: »Und diesem Fremden gegenüber wagst Du es zu schreiben, daß ich fuchtig fortgegangen? Also beklagst Dich noch über mich? Dein Herr Freund soll Dich wohl bedauern, daß Du an so einen Tyrannen geraten bist, was? Hättest ihn wohl lieber geheiratet, wenn er reich gewesen? Schade drum, was? – – – – – Aber nun hast Du einmal das Unglück, meine Frau zu sein! Und ich werde Dich klein kriegen, so oder so! Verstanden? Du wirst Dich fügen und gehorchen lernen, und wenn es Gewalt kostet! – – – An Hase geht kein Brief ab!« – –

»Noch heute!« – – »Wage es!« – knirschte er. – »Ich wage alles, was ich vor meinem Gewissen verantworten kann, lieber Willi! Nur dies ist meine Richtschnur! – entgegnete Lotte kühl – Du aber hast Dich mir heute von der Seite der männlichen Marktfrau gezeigt, schade! Der Nimbus ist weg! Ich bedaure Dich um das verlorene Prestige!« – – Sie wandte sich ab und ging in das anstoßende Gemach. Er blieb im Schlafzimmer im höchsten Zorne sitzen. Herr von Hase war nebst Fritz Haffner für Herrn Doktor Feller ungefähr das, was für den Stier das rote Tuch bedeutet. Verärgert war er fortgegangen. Gereizt heimgekommen. Lotte war nicht da! Dafür ihr Brief an Hase – – – hu! – – Ein dumpfes Schallen ging durchs Haus. Das Gong wurde geschlagen, ein Zeichen, daß man Toilette machen sollte. Eine halbe Stunde später wurde es zum zweiten Male angeschlagen, wenn die Stunde zum Luncheon da war. – Das junge Paar saß bei geschlossenen Thüren getrennt in seinem Zimmer. Er stierte wütend vor sich hin. Sie verbiß mit aller Gewalt die Thränen. Trotz und Zorn kämpften in ihr, während ihr andrerseits seine Eifersucht wohlthat. Jedoch solche Scenen durften sich nicht wiederholen. Sie mußte ihn jetzt, am Anfang ihrer Ehe, davon heilen und sich mit dem nötigen Stolz wappnen. Oder sollte sie ihm einfach um den Hals fallen und ihn abküssen? Seine Versöhnung erschmeicheln? Er war doch ein so geliebter, prächtiger Mensch! Und hatte sich so abgeäschert mit seinem Zorn. Schon stand sie und wollte zu ihm, da riß er die Thür auf. »Das Gong hat geschlagen, ich wünsche, daß Du dich umziehst!« – – Sie blieb betroffen stehen: »Zum Luncheon? Ich habe das gute Schneiderkleid mit der weißen Weste an, ich bleibe, wie ich bin! Die hellseidene Blouse trage ich erst zum Dinner.« – – Er musterte sie und mußte ihr rechtgeben; aber verbohrt wollte er seinen Willen durchsetzen: »Tu hast gehört, daß ich es wünsche und wirst gehorchen!« – – »Auf diese Chikane hin? Nee! Gehorchen giebt es überhaupt nicht, ich verbiete Dir dieses Wort, Willi! Ganz entschieden! Es wird aus Deinem Wörterschatz einfach gestrichen, sonst – – – –« – – »Reist du wohl ab?« – – »Das könnte eintreten! Ich finde Mittel und Wege nach Berlin. Von Tyrannisieren kann nie die Rede sein!« – – Sie sahen sich feindlich an. Es läutete wieder. Ruhig schritt sie an ihm vorbei in den Speisesaal. Bleich, mit zusammengebissenen Zähnen folgte er ihr. Unten in der Halle stand Herr Radde verlegen und stürzte froh auf sie zu, als er sie erblickte: »Ach, meine Retterin! Gnädiges Fräulein, was bedeutet dieses Mordinstrument?« – – »Gestatten Sie, daß ich Sie erst mit meinem Gatten, Herrn Doktor Feller, bekannt mache. Dieser Herr kann nicht englisch, und ich freute mich, ihm aus der Verlegenheit helfen zu können! – wandte sich die junge Frau erklärend an den Gatten – Herr Radde aus Buckow!« – – Die Herren begrüßten sich. Willi sehr steif. Der Andere starr, daß seine »junge Fee« verheiratet, überhäufte Willi mit Komplimenten. – Gemeinsam betraten sie den Speisesaal. Es wurde an verschiedenen kleinen, mit Blumen reizend geschmückten Tafeln gespeist. Vor dem Speise-Anrichtetisch, auf dem die Schüsseln, meist Krystall und Nickel, appetitlich hergerichtet waren, stand der Vorschneider und ein Groom. Ein Oberkellner und eine Schar Kellnerinnen in schwarzen Kleidern mit weißen Mützchen und Schürzen bedienten. Lotte ließ Herrn Raddes Couvert neben das ihre legen. Es war gut, daß er ein alter Herr war, sonst hätte Willis Wut sich noch einmal vor allen Leuten entladen. Willi saß allein, seine Frau erklärte flüsternd ihrem Nachbarn die Speisekarte. Zuerst hätte sie ihn ins Pfefferland gewünscht. Jetzt war sie froh, sich ihm widmen zu können! Da bei jedem Gange verschiedene Gerichte aufgezählt waren, erkundigten sich die Bedienten erst höflich, was man nehmen wollte. – Der Saal war vollkommen gefüllt; dennoch hörte man kein lautes Wort, noch irgend ein Tellergeklapper. Lautlos huschten die Bediener hin und her. Lautlos speisten die Gäste, höchstens ihre Unterhaltung raunend. – Radde machte Lotte darauf aufmerksam: »Finden Sie das Gehabe etwa schön, gnädige Frau? Sind wir Gespenster oder Astralleiber? Scheußlich ist das ja! Ziererei verdammte! Wo steckt unsere deutsche Behaglichkeit? Wie gemütlich ist dagegen eine Table d'hôte bei uns in Deutschland!« – – »Ach nein, Herr Radde, bei uns wird man von dem Geschnatter immer ganz nervös. Hierin liegt doch viel gute Erziehung und Vornehmheit!« – – »Sooo? – meinte er trocken – Dann sind wohl auch diese winzigen Portionen vornehm, die wir hier vorgelegt bekommen? Sie hatten doch fünf Gänge herausgerechnet, gnädige Frau? Jetzt wird schon das Dessert gereicht. Wie ist das möglich?« – – Lotte lachte: »Gewiß, viermal sind die Couverts gewechselt, jetzt kommt der letzte Gang!« – – »Oh weh, ich habe noch furchtbaren Hunger. Sie nicht auch?« – – »Oh nein, man gewöhnt sich an weniger essen schneller, als ich dachte! Zuerst war ich stets verzweifelt und stürzte mich auf meine privaten Konfektvorräte. Jetzt geht es schon!« – flüsterte Lotte. – – »Na ich danke, viel Geschrei und wenig Wolle! So kann ich mir auch die fabelhafte Magerkeit der Engländer erklären! Die Gesellschaft ist einfach mangelhaft ernährt. Nee, das halte ich nicht aus, ich bestelle mir einfach noch ein heißes Beefsteak.« – – »Dann werden Sie als Vielfraß verschrieen!« – – »Das ertrage ich, gnädige Frau! Ich kann den Engländern nie so unangenehm werden, wie sie mir sind! Höchst einfach!« – –

Das Frühstück war beendet. In der Halle plauderte man noch ein Weilchen. Willi entschuldigte sich und verschwand. Mit wahrer Pein las die kluge Lotte von Raddes Gesicht, daß er ihren schönen Mann »langweilig und unausstehlich« fand. Sie seufzte. Als sie nach einer Viertelstunde auf ihr Zimmer kam, war Willi verschwunden. Der Portier, den sie befragte, sagte ihr etwas erstaunt, der Herr sei mit dem Dampfer abgefahren. Nun war sie in hellstem Trotz und in voller Rebellion. Sie holte Herrn Radde von seinem Zimmer und machte mit ihm einen Ausflug, von dem sie erst kurz vor dem Dinner heimkam. Lotte hatte nur noch Zeit, sich in ein anderes Kleid zu werfen. Als sie in die Halle eilte, kam ihr Doktor Feller schon im schwarzen Gesellschaftsanzug entgegen. »Wo warst Du?« – fragte er leise – »Genau im graden Gegenteil von da, wo Du warst, lieber Mann! Auch beim Herrn Bock im vergnügten Arrest!« – – »Reizend, mit einem Stockfremden auszufahren!« – – Sie knixte und meinte schnippisch: »Es war sehr gemütlich! Reizend von Dir, allein eine Dampferpartie zu machen!« – – »Ich habe eine Stunde in der Wartehalle auf Dich gewartet!« – – »Sooo, thut mir leid; aber Gedanken raten und Wünsche riechen habe ich nicht gelernt, dabei fehlte ich in der Schule!« – – An ihr prallte alles ab, darum ging Willi schweigend neben ihr zum Speisesaal, wo Herr Radde ihrer schon wartete. – Dieser hatte sich den ganzen Nachmittag mit der frischen jungen Frau herumgeneckt, war in bester Laune und ärgerte sich nun über den »steifleinenen Patron«, wie er Willi innerlich nannte. Er ließ diesen einfach sitzen und mokierte sich mit Lotte über alles Mögliche und Unmögliche. »Schmeckt Ihnen die Suppe, Herr Radde?« – – Pfui Spinne, heißes Fettwasser!« – entgegnete er nach dem Kosten. – »Natürlich, das glaube ich! Sie verstehen sich noch nicht auf den Rummel mit der englischen Küche. Hier kommt alles fast roh, einfach durchgekocht auf den Tisch. Sie müssen erst Salz, Pfeffer, sonstige Gewürze heranthun oder den Fraß durch Zugießen von pikanten Saucen, die dort in den Flaschen enthalten sind, genießbar machen. Da ich Gewürze aber nur durchgekocht vertrage, so nehme ich stets zu wenig oder zuviel und habe hier, zum ersten Male im Leben, mit meinem Magen zu thun! Kein Land der Welt kocht so elend wie England! Was nutzen die schönen, großen Braten, wenn sie so fade und geschmacklos sind?« – – »Ich fand in London besonders die Gemüse so scheußlich. Sie schmeckten wie roh mit heißem Wasser übergossen! Geht es Ihnen nicht ebenso, Herr Doktor?« – – »Bedaure, mir schmeckt es vortrefflich!« – erklärte dieser kurz.

Sie kümmerten sich nicht mehr um ihn; denn nach dem Essen behauptete er, im Salon die Times lesen zu müssen. Lotte plauderte mit Radde. Ohne zu sprechen, begab man sich um zehn Uhr zur Ruhe. Ein flüchtiges, beiderseitiges: »'e Nacht!«, und man versuchte zu schlafen, während man sonst allabendlich scherzte, plauderte und zärtlich war. Das war ein Unterschied! Beide thaten, als ob sie schliefen; aber bei beiden kam der Schlaf nicht. Mit offenen Augen lagen sie da und starrten in die Finsternis. Reue, Selbstvorwürfe und Gewissensbisse kamen bei Willi zum Durchbruch. Am liebsten hätte er sich über Lotte geworfen und sie um Verzeihung gebeten; jedoch sie schien zu schlafen. – Sie rührte sich nicht und heuchelte tiefe Atemzüge; aber die Thränen schlichen langsam über ihre Wangen. Hatte sie ihn nicht noch mehr gereizt, war sie nicht kalt, höhnisch, trotzig gewesen, anstatt ihn einfach auszulachen? – – Wie zwei unartige Kinder blieben sie trotz des nächtlichen Selbsterkennens auch am Morgen und Vormittage des folgenden Tages, »böse!« – Jeder wartete, daß der Andere anfangen sollte! Es goß in Strömen. An Ausgehen war kaum zu denken, trotzdem verschwand er auf eine Stunde und kehrte mit einer Tüte und einem Päckchen zurück, das er neben die von Lotte in den Schrank legte. – Sie schrieb wieder, er las. Gar oft begegneten sich ihre Blicke, immer sehnsüchtiger. »Wenn er mich doch einfach abknutschen würde, der dumme Othello, dann würde ich ja mit Wonne verzeihen!« – dachte sie. – »Wie entzückend ist diese kleine Person wieder, wenn sie bloß nicht so ernst aussähe! Ob ich mich mit einem Kniefall lächerlich mache und für die Dauer unserer Ehe um die Autorität bringe?« – erwog er.

Die Stunden schlichen. Kurz vor der Mittagszeit schob sie ihm einen Stoß Briefe und Karten zum Unterschreiben hin. Darunter befand sich eine an Herrn von Hase. Aber unter der Illustration stand nur: »Dem alten Freunde die freundschaftlichsten Grüße von Lotte« – –

Er sah Lotte, sie ihn an. Ruhig und ernst. Hastig schrieb er etwas darunter und trug die postfertigen Sachen, ohne sie ihr noch einmal zu zeigen, in den Postkasten. Dann mußten sie wieder in den Speisesaal. Beide begrüßten heute Radde gleich ungestüm, als ob sie froh wären, in ihm einen Blitzableiter zu haben. Herr Willi mischte sich heute in die Unterhaltung. Allmählich wurde Lotte warm. Sie sah, er kroch zu Kreuze! Hurrah, ihr Übermut schwoll an! Als nun gar zwei unbeschreibliche, magere Wesen mit großen, grauen Schleiern auf den Hüten an ihren Tisch placiert wurden, ulkte sie los. »Dunnerschlag!« – sagte Radde kurz. »Die kokettieren mit Ihnen, sehen Sie nur! Oder leiden die an ewigem Lächeln?« – meinte Lotte. »So was habe ich doch noch nicht gesehen!« – erklärte Willi auch vergnügt; denn seine Lotte »bandelte« an und kokettierte mit ihm selber ganz flott, wie damals in der Tanzstunde. – – Die beiden Schleiertanten saßen kerzengrade, aßen kaum, tranken Wasser und verharrten in ihrem süßen, lieblichen Lächeln unter den Riesenbrillen. Als sie dann gar sprachen, mit dem süßen Flötentone mancher englischen Fräuleins, war es um Lotte geschehen. – Sie bekam bei der wachsenden inneren Vergnügtheit einen wahren Lachkrampf. Sie schluckte, suchte ihn zu unterdrücken und wimmerte schließlich so silberhell hinter der Serviette, daß es eine Lust war. Erst riß sie die beiden Herren hin: Willi und Radde. Dann folgten die Gäste, die Bedienung, immer einer nach dem andern. Selbst die beiden Schleiereulen lächelten süß hörbar mit. –

Das Wunder war geschehen: Die kleine Lotte Bach hatte eine ganze große, vornehm lautlose, englische Table d'hôte zu hellem Gelächter fortgerissen! –

Endlich waren sie erlöst. Der grinsende Oberkellner riß die Thür auf, sie eilten davon. »Nein! – sagte Radde heiter – Sie haben den Schelm im Nacken, Frau Doktor! Sie erinnern mich sehr an die Frau meines Compagnons. Seit dessen Geburtstag habe ich nicht so herzhaft gelacht. Das war – – – – warten Sie – – – im November: Ja, im, November hat Seffmann Geburtstag!« – – »Seffmann!« Willi und Lotte schrieen den Namen wie aus einem Munde. »Nun ja, so heißt er!« – sagte er verwundert. Das Pärchen blickte sich an und wiederholte jauchzend: »Seffmann! Unser Zauberwort!« – – Damit stürzten sie fort in ihr Zimmer, riegelten ab und – – – – – – – eine rührende Versöhnungsscene folgte. Willi und Lotte überboten sich in Selbstanklagen und in der Größe des Verzeihens. Es war eine herrliche Stunde! Jubelnd baute sie ihm – seine Lieblingsfrüchte und den Amor auf. Er ihr Kuchen, Konfekt und den gleichen Amor. Das gab eine neue Wonne und Freude, als sie sich die gegenseitigen Geschenke zeigten und der kleine Gott in doppelter Gestalt zu Tage trat. Vor ihm als Götzenbild wurden neue Schwüre ausgetauscht! Man wollte nie mehr eifersüchtig toben! – Man wollte nie mehr tückschen! –

Es gab noch, trotz des Hundewetters, ein paar urgemütliche Tage an den Seeen. Das Hôtelpersonal schüttelte nur die Köpfe, denn in den Zimmern der »Germen« ging es recht fröhlich und laut zu.

Endlich reisten Fellers ab. Radde und seine Verwandten beschenkten sie mit schönen Blumen. Auf dem Dampfer mußten sie des Sturmes wegen in der Kajüte bleiben. Sie waren allein und recht ausgelassen glücklich. »Du, Schatz, thu' mir den Gefallen und sag, was Du an den mir sehr schnuppigen kleinen Hase unterschrieben hast?« – bettelte Lotte und schmiegte sich an ihn. »Nur unter einer Bedingung!« – – »Und die wäre?« – – »Daß kein Mensch von meinem Eifersuchtsanfall erfährt. Weder unsere Freunde noch Ernst Georgy. Ich will keine Neckereien!« – – »Gut, ich verspreche es Dir, Liebster! Nur im Reisetagebuch bleibt es auf ewig zu lesen, was Lotte und Willi für Schafe gewesen! – Du, wir waren fast einen Tag böse!« – – »Na eben, Zeitvergeudung! Das muß nachgeholt werden. Du Wonne meines Herzens!«

Er ließ sie kaum zu Atem kommen. – »Was hast Du unterschrieben?« – keuchte sie zuletzt. »Einfach: ›Die freundschaftlichsten Grüße von Lotte und Willi Feller, dem glücklichsten Ehepaare unter der Sonne!‹ – So grausam war ich!« – – »Das schadet nix, das hätte ich auch geschrieben! – erkannte die herzlose Lotte an. – Aber in den Stunden war das Attribut der reine Hohn!« – – »Schadet nix! Das braucht er ja nicht zu wissen!« – – »Na warte, wenn Du unartig bist, petze ich – – –« – – »Dann laß ich mich scheiden! – – »P, Jungeken, dazu gehören zwei!« – – »Das stimmt!« – –


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