Christian Fürchtegott Gellert
Moralische Gedichte
Christian Fürchtegott Gellert

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Der Ruhm.

        Was ist das Gut, nach dem du strebst,
Der Ruhm, für den du denkst und lebst?
Wag's, du sein Freund, ihn zu betrachten!
Gewährt er, was er dir verspricht,
So bleib' ihm treu! Gewährt er's nicht,
So lern' ihn dreist verachten!

Welch Glück, wenn mich ein Großer schätzt,
Der Fürst an seine Seite setzt
Und laut mir seinen Beifall schenket!
Alsdann wird mein Verdienst bekannt;
Dann denkt von mir das ganze Land
Groß, wie mein Ehrgeiz denket.

Wer ist der Große, der dich ehrt?
Sprich, kennt er der Verdienste Wert?
Setz' ihn im Geist aus seinem Stande!
Vielleicht wird dir sein Beifall klein;
Vielleicht hältst du's, ihm wert zu sein,
Nunmehr für eine Schande. 221

Wenn itzt des Dichters Lobgedicht,
Der Redner göttlich von dir spricht,
Und laut dich die Geschichte preisen;
Wenn, auf ihr Wort, die halbe Welt
Dich für den größten Weisen hält:
Wirst du darum zum Weisen?

Wächst deiner Tugend etwas zu,
Gewinnet deines Geistes Ruh',
Wenn viele deinen Namen hören?
Bist du beglückt, in dir beglückt,
Wenn Thor und Thörin auf dich blickt,
Und Länder dich verehren?

Suchst du den Ruhm nicht in der Pflicht,
Gibt dir dein Herz den Beifall nicht:
Was wird dir andrer Beifall nützen?
Und hast du deinen Ruhm in dir;
Was sorgst du kummervoll dafür,
Den äußern zu besitzen?

Wenn jener deinen Namen liest,
Gleichgiltig nennt und dann vergißt:
Ist dies ein schätzbar Glück zu nennen?
Ist dies die Welt, die von dir hört,
Wenn gegen Einen, der dich ehrt,
Dich tausend noch nicht kennen?

Ist dies des Nachruhms Ewigkeit,
Wenn ein Skribent der Trockenheit
Sich künftig an dein Leben waget?
Und wenn dem Wandrer einst noch spät
Der Stein, vor dem er müßig steht,
Daß du zu früh starbst, saget?

Und ist das Glück so ungemein,
Von einer Welt gerühmt zu sein,
Die oft den wahren Ruhm verkennet,
Das Laster rühmet, wenn es gleißt,
Die Wildheit Mut, den Unsinn Geist
Und Ehrsucht Größe nennet? 222

Du strebst mit Eifersucht und Angst,
Damit du ihren Ruhm erlangst.
Wohlan, du sollst ihn schnell erstreben!
Doch welch unsichres Eigentum!
Vielleicht reut bald die Welt der Ruhm,
Den sie dir schnell gegeben.

Die Zahl der Klugen ist nicht groß.
Verlangst du ihren Beifall bloß,
So such' ihn still in ihrer Sphäre!
Der Kluge sieht auf dein Verdienst;
Und bist du das nicht, was du schienst,
So bist du sonder Ehre.

Erwirb dir Tugend und Verstand:
Nicht, um sie, von der Welt genannt,
Mit eitlem Stolze zu besitzen!
Erwirb sie dir mit edler Müh'
Und halte dies für Ruhm, durch sie
Der Welt und dir zu nützen!

Nicht deines Namens leerer Schall,
Nicht deiner Tugend Widerhall
Muß dich zu großen Thaten stärken.
Die Zeit, die Kräfte, großer Geist!
Die du so laut dem Ruhme weihst,
Die weihe still den Werken!

Erfüllst du, was die Weisheit spricht,
Und gleicht dein Eifer deiner Pflicht,
So wird der Ruhm ihm folgen müssen.
Und wenn dein Wert ihn nicht erhält,
So gibt dir ihn, trotz aller Welt,
Doch ewig dein Gewissen.

 


 


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