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Frau Harriet ließ Mägde rufen und gab ihnen in freudiger Hast ihre Befehle. Da schwärmten sie aus wie Bienen in die Frühlingssonne. »Vor Nacht muß alles bereitet sein!« gebot die Burgfrau.
Dann schritt sie in das Nebengemach des Trinksaales, tat das Fenster auf und sah in die Richtung, in der Norval mit ihrem Gatten davongeritten. Die Schottin stand hinter ihr auf den Zehen.
»Nicht mehr zu sehen!« scherzte sie.
Sie dachte die Gunst der Stunde zu nützen und Sonne durch die offenen Türen über die Seele der Herrin fallen zu lassen. »Wir wollen die Zelter satteln heißen und hinterdrein reiten. Hui, das sollt' eine Lust sein im Heerlager! Denkt Euch, wenn Ihr den Kriegern zurieft: Seid tapfer und siegt! Und wenn Euere frohen Augen ihren Mut segneten! Wehe dem Feind, der diesen Männern begegnete!«
Die Schottin hatte, während sie sprach, den rechten Arm gehoben, als schwinge sie ein Schwert, und hielt den linken vor die Brust, als hielt er den Schild.
Frau Harriet sah sie verwundert an.
»Du bist mutwillig, Mary.«
»Hab' ich nicht schön gesprochen?« lachte die.
»Schön wohl nicht. Aber, es scheint, du bist sehr glücklich!«
»Und Ihr selber solltet doch noch um vieles froher sein als ich. Ist's nicht so?«
Aber Frau Harriet flocht die Finger ineinander und lehnte das Haupt gegen das Fensterkreuz. Sie richtete den Blick empor gegen das altersbraune Balkenwerk des Gelasses. Dann sagte sie wehmütig:
»Ich weiß nicht mehr, wie das Glück aussieht. Und wenn ich einer Freude begegne, so laß ich sie unerkannt des Weges ziehen.«
Sie lehnte dort wie im Gedenken verlorener Glückseligkeit.
Die Schottin vernahm den Wandel ihrer Stimmung aus dem Tone der Worte und erschrak. »Herrin,« bat sie, »gebt diesem unfrohen Hange nicht nach!«
Aber die sanfte Mahnung ging an ihr vorüber. Ihr Antlitz war wieder still und nachdenklich wie am Morgen, als sie sprach:
»Mary, wie ist die Mutter dieses edlen Norval zu segnen! Sie sah ihren Sohn heranwachsen in Kraft und Schönheit. Bald sieht sie ihn wetteifern mit den Edlen des Landes, und sie wird erkennen: er ist besser als sie alle. Und ich? Mir hat das Schicksal einen Sohn geschenkt –« sie schlug ihre Hände vor das Gesicht und schluchzte laut auf – »und ich habe mein Kind verderben lassen in den wütenden Wassern des Stromes!«
»O Herrin, teuere Herrin!« rief die Kammerfrau, »was ist mit Euerer Freude geschehen? Wollt Ihr Euerem Gaste mit verweinten Augen begegnen?«
Frau Harriet trocknete sich die Tränen. »Du hast recht. Es wär' ein übler Dank,« sagte sie.
»Vielleicht reiten die Männer morgen oder am andern Tage gegen den Feind –«
»Dann haben wir Zeit genug, traurig zu sein.«
»Das wollt' ich nicht sagen!« lachte Mary. »Aber – möchten wir nicht nach den Mägden sehen?«
»Es ist vielleicht noch zu früh.«
Die Schottin trachtete, Frau Harriets Herz wieder froh zu stimmen. Darum fragte sie schalkhaft: »Was dachte meine Herrin, als der blonde Norval eintrat?«
Die Burgfrau sann eine kurze Frist. Dann sagte sie in freudigem Stolz: »Ich dachte: wenn der Sohn meines Douglas lebte, er müsse diesem Fremdling ähnlich sein – so schön von Angesicht, so stark an seinem Leib und so hochgesinnt in seinem Herzen.«
Die Kammerfrau nickte froh: »Das dacht' ich auch. Nun,« – sie sprach in neckischer List – »so laßt uns glauben, dieser Sohn ward uns vorhin zum anderen Male geschenkt!«
»Uns?« fragte Frau Harriet mit erstauntem Lächeln.
»Nein doch, nein!« wehrte die Kammerfrau, wie sie die Regung verzeihlicher Eifersucht erkannte. »Euch ganz allein!«
»Du redest leichtsinnig und heiter wie ein Kind!«
Mary plauderte weiter. »Und – Herrin, dachtet Ihr nicht auch: Norval solle nach seiner Heimkehr aus dem Kampfe sonderlich in unserem – in der Frauen Dienste stehen?«
»Dacht' ich das?« fragte Harriet und sann, durch welches Wort sie sich verraten hatte.
»Es wird wohl so gewesen sein,« mutmaßte die Schottin. »Ihr könntet ihm dann soviel Liebe geben als Euerem eigenen Kinde.«
Die Kammerfrau leitete das Herz ihrer Herrin auf Wege, auf denen ihr eine große Freude entgegenkommen sollte. Plötzlich verließ sie die fröhliche Zuversicht. Sie schaute nachdenklich auf die Fliesen des Grundes.
»Nun, Mary, ist deine Weisheit schon zu Ende?« fragte Frau Harriet verwundert, weil sie den plaudernden Mund geschlossen sah.
»Zu Ende? Nein,« entgegnete Mary. »Aber – vielleicht –«
»Nun?«
»Vielleicht fängt die Weisheit erst an!« sagte sie ernst. »Wir wollen uns überlegen, was am besten ist.«
»Und was hat deinen Sinn so rasch geändert?«
»Herrin,« begann die Kammerfrau, »es ist ein Mann in Eueren Diensten, der wird neidisch werden, wenn Ihr dem jungen Ritter die Liebe einer Mutter zuwendet. Er hat sein keckes Auge einst zu seiner Burgfrau erhoben und hat Euch zur Gattin begehrt.«
Frau Harriet lächelte verächtlich. »Wenn er sein tückisches Spiel auch mit dem Retter Lord Randolphs triebe –«
Da trat Glenalvon in das Gelaß.
Er tat, als wisse er nicht, daß der Lord vor kurzem die Burg verlassen hatte. »Ich komme, Bericht zu geben und meines Herrn Befehle zu erwarten,« sagte er kurz.
Frau Harriet ließ sich auf dem Sitz am Fenster nieder und sah den Burgwart nicht an, während sie sprach. »Ist Eure Botschaft von Wichtigkeit, so redet.«
Glenalvons Lippen wurden bleich. Die Verachtung der edlen Frau traf ihn hart. Aber sein Auge war hell wie eines Falken und listig wie eines Fuchses. Er wußte: vor diesem übermächtigen Blicke war Frau Harriet schon manchmal mutlos geworden. Dann sprach er:
»Vier Knechte sind geflohen und vier Rosse gestohlen in der letzten Nacht. Es sind Gewappnete gesandt, den Wald zu umstellen und zu durchstreifen. Wenn die entkommenen Schurken noch in den Grenzen Malcolms sich versteckt halten, werden sie erwischt und gehenkt. Aber zuvor sollen sie gestehen, welch heimlicher Feind unseres edlen Herrn sie gedungen hat.«
Wie Irrlichter flatterten die Lügen aus den heimlichen Tiefen seiner Seele.
»Es ist gut, Marschalk.«
Frau Harriet erhob sich. Der Haß gegen den tückischen Mann verlieh ihr Kraft; und die Furcht, seine Falschheit möchte den jungen Norval verderben, hieß sie reden.
»Glenalvon,« sagte sie, »mein Gemahl hat seinen tapferen Befreier Euch an Macht und Ehren gleichgestellt –«
»Er ist ein Jüngling!« stieß der Marschalk hervor. Er sprach diese Worte wie in Bewunderung. Aber seine Eifersucht war zu mächtig, als daß sie sich verbarg. Der Marschalk war nicht mehr, der er einst gewesen.
»Glenalvon!« Frau Harriet sprach kalt und scharf wie nie zuvor. »Ihr habt es vermocht, schon manchen der Gunst meines Gemahls zu entfremden. Verführt Euch Euer giftig Gemüt auch diesmal – dann mag das Maß Euerer Schuld überlaufen. Ich will dafür sorgen. Es ist voll bis zum Rand.«
»Oh,« lächelte Glenalvon, »meine Herrin spricht bitter!«
Er wollte noch etliches reden. Da kehrte ihm Frau Harriet den Rücken und ging mit Mary hinaus.
Des Marschalks Hände krampften sich zusammen. Er stand wie ein verwitternd Steinbild an der Schwelle. »Soll das der Anfang vom Ende sein?« murmelte er. »Pah!«
Dieser Tag hatte seinen Anschlag vereitelt. Der Plan war klug ersonnen gewesen – in Waffenlärm und Bereitung für bevorstehenden Kampf war nicht Zeit, gedungene Mörder zu fangen und sie zum Verrate zu zwingen. Fiel der Lord, ha, dann wäre Glenalvon der Erste in der Burg gewesen! Und wer hätte den Mut gehabt, ihn einer Schuld zu zeihen?
Nun war's als hätte Gott selbst an jenem Kreuzwege Wache gehalten und die Tücke des Marschalks zuschanden werden lassen.
Aber Glenalvon dachte: der Zufall hat sein müßig Spiel getrieben. Beharrlichkeit besiegt auch das Schicksal.
Dann ging er hinaus und schritt mit gesenkter Stirne über den Burghof. Ehrgeiz und Rachsucht, wegen erlittener Niederlage, brannten in seiner Seele wie Wildfeuer. Ein neuer Anschlag stieg in ihm auf, stieg auf, wie der rote Mond, der im Osten emporschwimmt und von dunkelen Wolken überflogen wird: der Marschalk war noch nicht zur Klarheit gelangt.
Da dachte er des Knechtes, den Norval am Mittag verächtlich gemacht hatte, und den sie gefangen gesetzt.
Der Junge möchte Lust haben, die Beschimpfung zu rächen.
Und der Marschalk trat zu ihm in den Turm.