Ludwig Fulda
Der Sohn des Kalifen
Ludwig Fulda

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Vierter Aufzug

Gemach im Palast. Der Hintergrund ist derartig abgeschrägt, daß die linke Seite der Bühne wesentlich schmäler ist als die rechte. Durch eine weite, verandaähnliche Oeffnung mit Geländer gewährt er die freie Aussicht auf die sonnige Stadt. Seine ganze Breite wird von einer über den Vordergrund um mehrere Stufen erhöhten Estrade eingenommen. Hinter dem Geländer noch ein zweites; zwischen beiden, in gleicher Höhe mit der Estrade, läuft eine schmale Galerie, welche als schwebender Ausbau des Palastes zu denken ist. Zwei Thüren rechts; eine vorn links.

Erster Auftritt

Morgiane (in weißen Gewändern, liegt leblos ausgestreckt auf einer reich mit Blumen geschmückten Bahre, welche die Mitte der Estrade einnimmt). Assad (sitzt, sie unbeweglich betrachtend und dem Zuschauer fast ganz den Rücken wendend, auf einem Schemel vor der Bahre. Hinter der Scene leises, schwermütiges Lautenspiel. Nach einer kurzen Weile schallen vom Hintergrund herauf brausende Hochrufe, von Assad nicht beachtet. Das Lautenspiel verstummt erst nach Beginn des Dialogs. Wieder vergehen einige Augenblicke; dann von rechts vorn) Schehriar.

Schehriar (betrachtet die stille Gruppe und scheint unschlüssig; endlich tritt er vor).
Mein Fürst . . . (Da Assad unbeweglich bleibt, nach einer kleinen Pause.)
                        Erhabener Kalif . . . 131

Assad (wie aus tiefem Traume, nur den Kopf halb wendend).
                                                        Wer spricht? –
Was willst du? (Erneute Hochrufe.)

Schehriar.             Meiner Einzelstimme nicht,
Nur jenem lauten Chore magst du lauschen,
Der stündlich wachsend sich wie Meeresrauschen
Um des Palastes Mauern brandend flicht. –
Die Tage reihten sich zur langen Kette,
Seitdem, von keinem Zuspruch abgelenkt,
Du teilnahmlos verharrst an dieser Stätte . . .

Assad. Zählst du die Tage noch? Wieviele schwanden,
Seit meinen Vater wir ins Grab gesenkt?

Schehriar. Schon eine Woche.

Assad.                                     Folgt' ich nicht dem Sarg?
Hab' ich nicht an des Toten Gruft gestanden
Als Trauernder, bis ihn die Erde barg?
Nichts andres kann von dieser Stelle hier
Noch einmal mich in die Verbannung zwingen.

Schehriar. Kalif, dein Volk . . .

Assad.                                     Was will das Volk von mir?

Schehriar. Dich sehen will's in deinem neuen Amt, 132
Will jauchzend seine Huldigung dir bringen,
Wenn hehr von deiner Stirn die Krone flammt.

Assad (sich erhebend, matt).
Das willst auch du? Die Herrschaft zu ergreifen
Flehst du mich an, demütig und verzagt?.
Hat deine Schwester sich umsonst geplagt,
Zum kühnsten Ehrgeiz dich emporzuschleifen?
Ihr herrschtet unbeschränkt in diesem Land,
Und jetzt, noch eh' man dir's befohlen,
Willst du mir dienen, statt mit eigner Hand
Die reife Frucht vom Baume dir zu holen?

Schehriar. Mein Fürst, du spottest unsrer Niederlage.
Mein Ansehn sank unwiederbringlich
Dahin; mit einem einz'gen Schlage
Hast du's vernichtet. dein ererbtes Recht,
Durch deine Klugheit ward es unbezwinglich.

Assad. Durch meine Klugheit?

Schehriar.                               Dies Geschlecht,
Das dich gefürchtet, dich gehaßt, mit Grausen
Des Tags gedacht, der dich zum Herrn ihm setzt,
Dies gleiche Volk erfüllt die Lüfte jetzt
Mit Dankgebeten und mit Jubelbrausen.
Vergessen hat's, wie tief es dir gegrollt,
Und wer noch säumt, dich einen Gott zu heißen,
Den wird es augenblicks in Stücke reißen.
Niemand von deinen Ahnen war so klug: 133
Du wurdest um den Preis von ein paar Scheffeln Gold
Der Mächtigste, der je die Krone trug.

Assad. Der Mächtigste? Du irrst. Vom Leichenzug
Des Vaters heimgekehrt, setzt' ich verstohlen
Die Krone, die für wunderkräftig galt,
Auf dieses Haupt und schmückte vorm Altare
Vom Scheitel mich bis zu den Sohlen
Mit jedem Zeichen irdischer Gewalt.
So ausgerüstet trat ich an die Bahre,
Die all mein Sehnen, all mein Hoffen trägt;
So ausgerüstet fiel ich vor ihr nieder
Und sprach zu Morgiane. Lebe wieder!
Es war umsonst.

Schehriar.                 Wann wirst du dich der Einsicht beugen,
Daß keine Macht den stillen Tod bewegt?
Sie starb. –

Assad.               Und wenn mir's Tausende bezeugen,
Ich glaub' es ihnen nicht. Schau hin! Den Tod
Hab' ich erblickt in vielerlei Gestalten.
Nie trug er solch ein Antlitz. Dem Erkalten
Trotzt unversehrt der Wangen lieblich Rot;
Die Schönheit hütet mit getreuem Geiz
Ihr Ebenbild, und wie von herbem Trauern
Ergriffen gönnt Verwesung ihren Schauern
Nicht dieses Leibes jugendlichen Reiz. 134

Schehriar. Doch sie ist leblos, und das volle Leben
Umflutet dich und fordert unaufhaltsam
Anteil von dir. Zum Aufruhr schon erheben
Will sich das Volk; es wähnt, daß ich gewaltsam
Den Thron dir vorenthalten will. Entbürde
Von diesem Argwohn mich! . . .

Assad.                                             Gib ihnen Gold,
Soviel du magst; dann werden sie dir hold.
Mir aber ekelt vor der eitlen Würde,
Die meines Wohlthuns flammendes Begehren
So jämmerlicher Ohnmacht unterwarf;
Widriger Tand sind mir des Herrschers Ehren,
Wenn ich mein Liebstes nicht erwecken darf
Zu Licht und Luft. – Geh hin und meld es ihnen;
Mich aber laß mit ihr allein!

(Er kehrt zu seinem Sitz zurück. Von unten hallen erneute Hochrufe.)

Schehriar (geht langsam zur Thüre vorn rechts; ein Sklave kommt ihm von rechts hinten entgegen, spricht leise einige Worte zu ihm und geht wieder ab. Daraufhin wendet er sich noch einmal um).
Herr, wieder ist ein neuer Arzt erschienen,
Wohl nur, um gleich den andern zu erliegen.
Erst heut aus fernen Landen traf er ein
Und prahlt, den Tod sogar könn' er besiegen.

Assad. Ihn will ich sehn, sonst niemand.
        (Schehriar ab hinten rechts.) 135 Ich umranke
Den letzten Halt; soll ihn der Zweifel rauben?
Nein, jeder Wunsch erschafft sich einen Glauben,
Und ewig hofft mein liebender Gedanke . . .
Ewig . . .

Zweiter Auftritt.

Morgiane (auf der Bahre). Assad. Derwisch.

Derwisch (in einem dunklen Mantel, kommt von rechts hinten und schreitet langsam vor).

Assad (hat sich lebhaft zu ihm hingewandt).
              Sei mir gegrüßt, du fremder Meister!
Wenn du vermagst, was unerreichbar fast,
Wenn du der Teuren flücht'ge Lebensgeister . . .

(Er stockt und faßt ihn genauer ins Auge.)

Derwisch (hat den Mantel abgestreift und steht nun vor Assad in derselben Erscheinung wie im ersten Aufzug).
Man sagte mir, du selber seist der Kranke.

Assad (ihn erkennend).
Du bist's?! – Fürwahr ein unverhoffter Gast! –
Was willst du hier? Mit welcher Absicht hast
So trügerischen Namen du entlehnt?

Derwisch. Ich bin der Arzt, nach dem du dich gesehnt . . .

Assad. Du? 136

Derwisch.   Bin es, den du lang und stürmisch suchtest.

Assad. Ja; doch du kommst nicht mehr zur rechten Zeit;
Denn von der Qual, zu der du mich verfluchtest,
Ward ich durch eigne That befreit.
Mir selbst gelang, den Heilsweg zu entdecken,
Und wenn du hämischen Triumph geträumt,
Jetzt lach' ich deines Fluchs und seiner Schrecken.
Laß hundertfältig Mitleid mich empfinden,
Mitfreude lehrt mich's überwinden.

Derwisch. Nur hast auch du die rechte Zeit versäumt;
Sonst läge, was du liebst, nicht so vor dir.

Assad. Furchtbarer, wer verriet dir, was tiefinnen
Im Herzen wohnt? Wer bist du?

Derwisch.                                       Wer ich sei,
Vernahmst du schon; kannst du dich nicht entsinnen?
Ich flehte: Prinz, erblick dein Volk in mir,
Das darbt und dürstet.

(Erneute Hochrufe.)

Assad.                               Hör' den Jubelschrei!
Laut ruft mein Volk. Vorüber ist die Not.

Derwisch. Hör' besser hin! Es lechzt nicht nur nach Brot,
Nicht nur nach deiner Schätze goldnen Garben, 137
Nein, auch nach Liebe ruft's in heißem Darben,
Wie diese hier es that.

Assad.                             So ruf' auch ich,
Auch ich nach Liebe!

Derwisch.                         So hab' ich gerufen,
Im Staub einst liegend an des Thrones Stufen;
Doch niemand, niemand hörte mich.

Assad (überrascht).
Bist du ein Sterblicher?

Derwisch.                           Unsterblich machte
Mich meine Pein. – Jedoch vor grauen Jahren
War ich ein Mensch wie du. Den Herd bewachte
Mein blühend Weib, und rings um ihn sich scharen
Sahn mir im Aufgang erster Jugendschöne
Liebliche Töchter, tapfre Söhne.
Sie alle, Weib und Kinder, ließ dein Ahn,
In Henkerkunst und Lüsten gleich verrucht,
Hinmartern und den Todesstreich empfahn.
Vergeblich ihm zu Füßen stürzt' ich jammernd,
Und als ich, an mein letztes Kind mich klammernd,
Das vor mir lag verröchelnd, ihm geflucht,
Da lachte Mamun, lachte laut und grell
Und ließ zur schlimmsten Strafe mich lebendig.

Assad (erschüttert).
Dies Leben – du ertrugst es noch? 138

Derwisch.                                         Im Quell
Der Schmerzen badend ward es neu beständig;
Denn feig und scheu vor unermeßnem Kummer
Entflieht der Tod, wie sein Genoß, der Schlummer.
Zur weiten Wüste lenkt' ich meinen Schritt,
Und ihren Geistern, den erhabnen Mächten
Der Einsamkeit, in sternenlosen Nächten
Vertraut' ich flüsternd alles, was ich litt.
Mitleidiger als Menschen lauschten bald
Die Unvergänglichen, die Ungebornen,
Und statt des Glücks, des ewiglich verlornen,
Verliehen sie mir magische Gewalt.
Da ging ich heim zur blutgetränkten Scholle,
Die meine Lieben deckt, und that den Schwur,
Daß keiner deines Stamms mehr lachen solle,
Wenn ihm die andern fluchen. –

Assad.                                             Und du hieltest,
Was du geschworen; ja, frohlocke nur!
        (Auf Morgiane zeigend.)
Dies war der Rache Pfand, nach dem du zieltest.
Du hast sie mir getötet.

Derwisch.                           Nein, betrüge
Dich selber nicht! An ihrem Tode schuld
Bist du allein. (Assad zuckt zusammen.)
                    Doch daß die holden Züge
Noch unverblaßt in rosigem Schimmer prunken,
Gleichwie von sanften Träumen eingelullt, 139
Dies ist mein Werk. Ich hielt den letzten Funken
Der Lebensflamme, die von deinem Hauch
Erloschen.

Assad.             Und sie wieder anzufachen,
Du Mächtiger, vermagst du das nicht auch?

Derwisch. Nein.

Assad (niederknieend).
                  Um ihr Leben bitt' ich auf den Knien.
Sie darf mir nicht ins Schattenreich entfliehn!
Laß einmal nur zum Licht sie noch erwachen
Und nimm dahin, was mein.

Derwisch.                                   Dies zu vollenden
Hab' ich kein Recht.

Assad.                           Wer sonst?

Derwisch.                                         Wer sie zerbrach,
Der einzig kann ihr neue Blüte spenden.

Assad (aufjubelnd).
Ich – ich?

Derwisch.       Ja, du vermagst es.

Assad.                                         Ich! – O gib
Den Weg mir an!

Derwisch.                   Erst forsche redlich nach, 140
Ob du's begehrst, nur um dich selbst zu weiden
An deiner Wohlthat, oder ihr zulieb.

Assad. Ich will ihr Glück!

Derwisch.                         Wenn du's mit eignem Leiden
Erkaufen mußt, willst du ihr Glück auch dann?

Assad. Kein größres Leid, als wenn ich sie verliere!

Derwisch. So wisse, daß sie nur erwachen kann,
Wenn du dein Leben hingibst für das ihre.

Assad. Mein Leben? –

Derwisch.                     Ja, beginnt ihr Herz zu pochen,
Wird deines bald für immer stille stehn.

Assad. Werd' ich noch einmal erst sie lächeln sehn?

Derwisch. Du wirst es.

Assad.                         Habe Dank! Ich bin bereit.

Derwisch. Mit diesem Wort hast du dich losgesprochen
Von meinem Fluch und mich von meinem Eid.
Geh, neige dich entsühnt hinab zur Bahre
Und sprich zu ihr! 141

Assad (ist auf die Estrade gestiegen und beugt sich über Morgiane).
                              Du süßes Lieb, wach auf!
Mein sei der Tod, damit du viele Jahre
Dich freuest an der Sonne lichtem Lauf! – –
Sie regte sich . . . sie lebt! –

Derwisch.                                 So nütze gut
Den kurzen Augenblick, um zu durchsonnen
Die kalte Welt mit deiner Liebesglut!
Kein Aufschub wird dir, wenn die Frist verronnen.

(Ab vorn links.)

Dritter Auftritt.

Assad. Morgiane.

Assad (hat, nur um Morgiane bemüht, den Abgang des Derwischs nicht beachtet).
Sie lebt!

Morgiane (sich fast unmerklich bewegend, mit noch geschlossenen Augen).
              Assad! –

Assad.                         Ich bin es. Blick empor!

Morgiane (schlägt die Augen auf und sieht ins Leere).
Entflogen ist der heitre Traum . . . Er webte
Mir Assads Bild.

Assad.                       Wie deines mich umschwebte. 142

Morgiane (ihn erkennend).
Assad! – Mich dünkt, gewacht hab' ich zuvor
Und träume jetzt.

Assad.                       Wenn Seligkeit ein Traum,
So träum' auch ich; wenn Seligkeit ein Wachen,
So wacht' ich bis zu dieser Stunde kaum.

Morgiane. Wie kamen wir ans Land? Noch eben fuhren
Wir, Wang' an Wange fest geschmiegt,
Stromab auf blumenüberflochtnem Nachen;
Zwei Schwäne kreuzten seine Silberspuren . . .
Du sprachst. Ich liebe dich . . . Verschollen liegt
Nun alles auf der Fluten blauem Grunde . . .

Assad. Ich liebe dich! Von früherm Dasein gibt
Auch mir Erinnrung nur verblichne Kunde.
Die letzten Schatten hat der Tag verstreut;
Ich war nicht, eh' ich dich geliebt;
Nie warst du mein; ich pflücke heut
Den ersten Kuß vom unberührten Munde.

Morgiane. Und gern geb' ich zurück, was ich empfangen.

Assad. Und tausendfach empfang' ich, was ich gab.

Morgiane. Mein eigen Feuer brennt auf deinen Wangen. 143

Assad. Dein Herz trifft meins mit glüh'ndem Zauberstab.

Morgiane. In meinem Herzen klingend fühl' ich deins.

Assad. Ihr Klang verschmilzt in festlichen Akkorden;
Denn du bist ich, und ich bin du geworden.

Morgiane. Und beide, beide sind wir eins! –

Assad. Wohl mir! So leb' ich fort in deiner Seele
Und bin unsterblich, wenn ich längst entschwand.

Morgiane. Was sprichst du?

Assad.                                 Komm und lege Hand in Hand.
Es darf nicht sein, daß ich dir feig verhehle,
Was bald du wissen mußt. Hab mut'gen Sinn
Und laß uns scheiden.

Morgiane.                         Scheiden?!

Assad.                                                 An die Pforte
Pocht die Notwendigkeit; dem Losungsworte,
Das unerbittlich tönt, folg' ich dahin.

Morgiane. So nimm mich mit! 144

Assad.                                     Auf diesem Pfade nicht.

Morgiane. Dein Pfad ist meiner, ob zum klaren Licht
Er aufwärts führt, ob in die Nacht verschwindet.
Aus deinen Augen leuchtet mir der Tag.

Assad. Du warst die Sonne, die der Nacht erlag;
Durch dein Verfinstern war die Welt erblindet.
Ihr bracht' ich den entwölkten Strahl zurück,
Und noch ins Grab wird mir sein Abglanz lodern.

Morgiane. Ins Grab! Weh, nun erfaß' ich all dein Thun!

Assad. Hör' mich, Geliebte! . . .

Morgiane.                                 Trügerisches Glück
Soll, kaum entfaltet, mir zu Staub vermodern?
Weshalb ward mir versagt, in Träumen auszuruhn,
Die unsern Bund zu Gottes Thron erhöhten?
Weshalb zum zweitenmal willst du mich töten –
Durch deinen Tod?

Assad.                           Um meinetwillen lebe!
Von deiner Liebe fordr' ich, daß hienieden
Du dauern sollst, und wenn durchweht vom Frieden
Genoßnen Glücks ich in den Aether schwebe, 145
So bleibt mein Herz, geläutert, leidensmild,
In deinem Herzen heimatlich auf Erden,
Und allem Volk entschleiert werden
Soll durch dein Wohlthun mein verklärtes Bild.

Morgiane. Nie schienst du mir so grausam, nie so heilig!

Vierter Auftritt

Vorige. Mustapha. (Dann) Amine.

Assad. Wer naht?

Mustapha (ist von rechts eingetreten; hastig).
                      Verzeih das Ungestüm . . .
        (Er erblickt Morgiane und hält ergriffen inne.)
                                                                O Segen!
Erhört ist dein Gebet! – – Mit bess'rem Mut
Tritt nun dein Bote dir entgegen.

Assad. Und welche Botschaft . . .

Mustapha.                                   Herr, wenn du nicht eilig
Die Menge, die sich vor Begeistrungswut
Halb rasend zum Palaste wälzt,
Durch deine Gegenwart in Schranken hältst,
Dann läuft sie Sturm und rennt die Thüren ein.

Assad. Laß nur! So werd' ich in des Volkes Mitte
Von hinnen gehn. 146

Mustapha (durch eine verzweifelte Gebärde Morgianens aufgeklärt).
                            Wie? – – Sterben willst du? Nein,
Das thust du mir nicht an! Wenn ich das litte,
Dann wär' ich ja . . .

Assad (lächelnd).               Du Treuer, hier versagen
Auch deine Listen.

Mustapha.                   Weißt du das gewiß?
Ich hab' ein Weib, das mich dem Tod entriß
Und dich der Krankheit. Soll ich sie nicht fragen?
Sie oder keine wird . . .

Assad.                                 Die böse Zunge
Verscheucht den Todesengel nicht. Doch gern
Möcht' ich ihr danken.

Mustapha.                         Sie verweilt nicht fern.
Aus Argwohn ist sie stetig auf dem Sprunge.

(Er geht zur Thür vorn rechts und holt Amine, die dicht dahinter gestanden, herein.)

Amine . . . (Er spricht leise mit ihr.)

Assad.               Wahrt und hütet im Gedächtnis,
Was jetzt ihr hört; denn in des Atems Rest,
Den flüchtigen, dräng' ich mein ganz Vermächtnis.
        (Zu Mustapha.)
Dich hielt im harten Dienst die Treue fest – 147
        (Zu Amine.)
Und du hast nicht in Worten, doch in Thaten
Dem Liebenden ein liebend Herz verraten. –
Das Höchste, Teuerste, was ich besessen,
Vertrau' ich euch: gewährt ihr Schutz und Hort!
Von Blumen einen dichten Teppich breitet
Auf rauhen Boden, den ihr Fuß beschreitet;
Laßt keine Thränen ihrem Aug entpressen,
Und zu ihr dringen laßt kein unsanft Wort!

Amine. Herr, darin nehm' ich's auf mit einer jeden:
Nur Männer reizen mich zu schlimmen Reden;
Doch gegen Frauen war ich immer zahm.
        (Sie kniet vor Morgiane nieder.)

Assad. Und den bestaunten Schatz, den aufgespeichert
Durch vieler Ahnen Fleiß ich überkam,
Der lang gerostet und uns nicht bereichert,
Legt in der Armut ausgestreckte Hand! –
Wie labende Musik schon im voraus
Hör' ich der Freude schwellend Sturmgebraus,
Und einmal will ich noch herniederschauen;
Denn seit ich aller Schmerz und Glück empfand,
Sind alle mir geschwisterlich verwandt.
        (Zu Morgiane.)
Geleite mich hinan!

(Er steigt mit ihr, den Arm um ihre Schulter gelegt, die Stufen der Estrade hinauf, während die Landschaft des Hintergrundes von beginnender Abendröte überstrahlt wird.) 148

Fünfter Auftritt.

Vorige. Derwisch. (Dann) Hassan, Jussuf (und) Volk.

Derwisch (erscheint, von links kommend, auf der hinteren Galerie).

Assad (bei seinem Anblick unmerklich zusammenzuckend und Morgiane unwillkürlich fester umschließend, tritt ihm entschlossen gegenüber).
                                So hurtig schon
Mahnst du den Säumigen? Ihn faßt kein Grauen.
Was du versprachst, ward reichlich ihm zum Lohn;
Drum freudig löst er ein, was er dir schuldet.
        (Er wehrt Morgiane, die sich in sprachloser Angst an ihn klammert, sanft ab.)
Das hehrste Glück, das jemals ich erwarb,
Zahlt dir mein Tod.

Derwisch.                     Du hast ihn schon erduldet.

Assad. Den Tod? Noch leb' ich . . .

Derwisch.                                       Der du warest, starb.
Durch Opferkraft hat er der bleichen Schar
Der Abgeschiedenen sein Selbst dahingegeben;
Begraben ward es heut, und nimmerdar
Soll wiederkehrend es der Welt erscheinen.

(Er schreitet langsam nach rechts.) 149

Assad (erst allmählich verstehend).
Ich darf . . .! O, bleibe!

Derwisch.                           Leb' und wirke Leben!
Doch mich laß heimwärts wandern zu den Meinen.

(Er verschwindet, rechts abgehend.)

Morgiane (Assad beseligt umschlingend).
Kein Scheiden mehr! –

(Durch die Thüre rechts hinten dringt tumultuarisch ein Volkshaufe herein, an der Spitze Hassan und Jussuf.)

Hassan.                               Hoch Assad, der Kalif!

Alle. Hoch!

Assad (mit tiefer Rührung).
          Lasset hellen Festgesang ertönen
Durchs ganze Land! Noch eh' der Tag entschlief,
Will mich und meine Fürstin ich bekrönen
Und euer Herrscher sein.

Jussuf.                                 Assad, dem Guten, Heil!

Alle. Heil!

Assad.       Nicht den Guten nennt mich! Bunt vermengt
Hat Gut und Böses an uns allen teil.
Gut war mein Vater; dennoch unbeengt
Schoß Schlimmes unter seiner Hand in Blüte; 150
        (Auf Amine deutend.)
Bös war dies Weib und doch beseelt von Güte.
Nein, sagt von mir, wenn ich dereinst entrückt.
Er hat in unsrer Herzen Grund gelesen;
Drum ist kein menschlich Leid ihm fremd gewesen,
Und unsre Freude hat ihn mitbeglückt.

(Vielstimmige Hochrufe schallen von unten herauf, während der Vorhang fällt.)

 


 


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