Ludwig Fulda
Herr und Diener
Ludwig Fulda

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Zweiter Aufzug

Gemach im Landschloß Artabans

In der Mittelwand links breite Fensteröffnung mit Aussicht auf südliche Gärten und Waldgebirg; rechts Eingangstür. Zwei weitere Türen in der rechten Seitenwand. Rechts vorn Tisch mit Sitzpolstern; links vorn Diwan. Der ganze Raum ist mit Teppichen und Ziergerät reich und warm ausgestattet

Erster Auftritt

(Die schrägen Strahlen der Nachmittagssonne beleuchten den Garten.) Gülsade (in leichter Kleidung, liegt auf dem Diwan). Manjana (fächelt sie)

Gülsade (mit halb geschlossenen Augen)
Dies ist nicht Traum noch Wachen, ist ein Drittes.
Ein Zauberschlaf, der alle Glieder fesselt
In süßer Mattigkeit und alle Sinne
Zu lockrem Tanz entführt. Kann dieser Tag
Sich nicht ersättigen? Es offenbart
Sein schwüler Atem ihn als Liebestrunknen,
Und seine Seele loht nur um so heißer,
Je mehr von ihren Flammen sie verhaucht.
Mich hat er eingelullt auf meinem Pfühl,
Die Sehnen mir mit weichem Band geknebelt, 66
Um ohne Scham zu girren. (Blinzelnd) Was beginnst du,
Manjana? Nahm er dich in Sold?

Manjana                                         Ich fächle
Dir Kühlung.

Gülsade             Nein, du fächelst, Kupplerin,
Mir seine Küsse zu, die brennenden.
Laß ab!

Manjana (aufhörend)
              Ei, was für Küsse?

Gülsade                                     Sagt' ich so?
Man schwatzt im Traum gar wunderliche Dinge.
Da flattern die Gedanken Faltern gleich
Wahllos von Wort zu Wort und nippen dran.
Sprach ich von Küssen, hab' ich sie geträumt.
Und doch – ich träumte nicht. Es waren seine!
Durch die Gemarkung streifend sandt' er sie
Mir von bewegten Lippen, und ihr Glühn
Griff zündend über auf die Botin Luft.
        (Sie richtet sich ein wenig auf, stützt den Kopf mit der Hand)
Ich wollt', ich wäre nun der rote Mohn,
Der seinen Schritt umblüht; ich wollt', ich wäre
Das Laub des Kirschbaums, der ihm Schatten spendet;
Die reife Purpurtraube möcht' ich sein
Am Rebenhang . . .
        (Sich zu ihr wendend)
                              Manjana, war es gestern? 67

Manjana Was?

Gülsade           Als er wiederkam.

Manjana                                       Schon viele Wochen
Ist's her.

Gülsade         Und wieviel Jahre war er fern?

Manjana Ein halbes kaum

Gülsade (kopfschüttelnd)       Die Uhr in deinem Innern
Gibt falsche Zeiten an, weil du nicht liebst.

Manjana Mir bangt vor Liebe, seit nach deinen Seufzern
Ich dir die Stunden zählen half.

Gülsade (sie mit einem Arm umschlingend) O Kind!
O töricht Kind!

Manjana                 Was bleibt noch unser eigen,
Wenn unsres Wesens ganzen Hort und Inhalt
An einen Liebsten wir gehängt und der
Zu andern Pflichten als den uns geschwornen 68
Ihn mit hinwegträgt? Was noch bleibt zurück
Für uns Verlaßne?

Gülsade                       Unsre Liebe bleibt
Und hält zugleich den Flüchtling klammernd fest.
Verlassen? Ich von ihm? Das war ich niemals!
Verlieh denn eine wundersame Macht
Mir nicht ein Auge, das den Raum durchdrang
Auf tausend Meilen? Mocht' im Lagerzelt
Er weilen oder im Palast, zum Kampf
Ausreiten oder tafeln mit dem König,
Schlaflos zur Nachtzeit grübeln oder ruhn,
Ich war bei ihm, und mit untrüglichen
Fühlfäden spürt' ich, wann er frohen Herzens,
Wann voll Betrübnis, wann in Sicherheit,
Wann in Gefahr.

Manjana (bewundernd) Und von dort überall
Konnt' er hinwieder dich erblicken?

Gülsade (mit leichtem Seufzer)                   Nein,
Das können Männer nicht. Sie sind für uns
Der ganze Himmel und die ganze Erde,
Wir ihnen bestenfalls ein Stück davon.
        (In anderem Ton, lebhaft)
Am Morgen seiner Heimkehr – weißt du noch,
Wie von Gesichten zeitig aufgescheucht
Ich rief: Er kommt! Flicht um die nackten Säulen
Ein Blumenkleid! Zum Abend ist er hier! – 69
Und jetzt? Gewahre jetzt ich etwa minder,
Daß er sich nähert? Soll ich prophezein?
Vom Fruchtland rückgewendet zu den Gärten
Durchquert er den Zypressengang, ersteigt
Gemach die Böschung, steht am Haus, tritt ein
Und . . . (Man hört draußen Artabans Stimme)
              Horch!

Manjana                   Fürwahr, du trafst es!

Gülsade                                                     Schleich dich fort.
Ich will so tun, als schlummert' ich.

(Manjana ab rechts vorn)

Zweiter Auftritt

Gülsade. Artaban (kommt mit) Milas (durch die Eingangstür. – Die Besonnung des Gartens ist gewichen; zunehmende Trübe)

Milas (im Eintreten)                               Dies wird
Ein schweres Wetter, so mir recht ist.

Artaban                                                 Leise!
Sie schläft.

Milas (mit gedämpfter Stimme)
                  Es regt sich weder Halm noch Blatt;
Kein Heimchen zirpt mehr; dicht am Boden huschen
Die Schwalben . . . 70

Artaban (ebenso)           In Gehöft und Ställe soll
Die Herden treiben meiner Hüter Troß.
Die Schnitter sollen einen Unterstand
Sich küren. Niemand bleib' aus offner Flur.

(Milas verneigt sich zustimmend und geht ab durch die Eingangstür. – Fernes Donnergrollen. – Er tritt zum Diwan, beugt sich über Gülsade)

Ruh' noch ein Weilchen, holde Schläferin;
Sei Bildnis nur und laß mich fromm betrachten,
Wie lieblich deine Brust gleich eines Weihers
Belebtem Wellenspiel sich hebt und senkt.
Von ihrer zarten Wölbung wird ein Reich
Umschlossen, drin ich herrsche. Hier, nur hier,
In diesem engen pochenden Gehäus,
Das dennoch ohne Grenzen ist, gehören
Der Erde Güter, sonst so wankelmütig,
Gehören Macht und Ansehn, Würd' und Rang
Mir unverlierbar.

Gülsade (wie aus dem Schlaf sprechend)
                          Artaban!

Artaban                                   Gülsade,
Bin ich in deinem Traum?

Gülsade (öffnet die Augen und schlingt die Arme um seinen Hals)
                                        Du bist in allem,
Was mein, und alles, alles ist in dir.

Artaban Kann der Demant sich noch gesondert fühlen
Vom Goldreif, der ihn hegt? So hegen beide
Wir dauernd eingefaßt im Ich das Du. 71

Gülsade (richtet sich auf, setzt sich)
Sag', ist's auch wahr? Ist's auch gewißlich wahr?

Artaban Was?

Gülsade           Werd' ich so von dir gehegt?

Artaban (lächelnd)                                       Gelob' ich
Dir dies vom Morgen bis zum Abend fort,
Alsdann vom Abend weiter bis zum Morgen,
Und wähne dich von meiner Schwüre Flut
Ertränkt, so waren sie nur Tropfen Wassers,
Gegossen in den heißen Sand.

Gülsade                                       Ach nein!
Jedoch ich wollte . . .

Artaban                           Sprich!

Gülsade (sich umschauend)               Wie düster wird's!

Artaban Um deine Wangen webt ein heitrer Tag.

Gülsade Auf deiner Stirne lastet ein getrübter.
Ihr bösen Falten! Kaum hinweggestreichelt 72
Erscheint ihr wieder. Fehlt es mir an Kunst?
Ich möchte schön sein wie . . .

Artaban                                       Schön wie Gülsade.
Die Schönheit kennt kein ander Losungswort.

Gülsade Ich möchte schöner sein, so machtvoll schön,
Daß keine Stelle wär' in deinem Denken,
Die mich nicht spiegelte; kein leerer Platz
Für schwarze Grübeleien, weil die Liebe
Dir jedes Eckchen rosig ausgefüllt!
Und sollt' ich dennoch bei der kleinsten Regung
Dich überraschen, die von mir entflieht,
Ich würf' ihr eine seidne Schlinge nach
Und zöge sie zurück.

Artaban                         Bedarf es deren?
Ich bin ja schon gefangen.

Gülsade                                   Leider nein.
Glaubst du, daß ich die Schrift in deinen Mienen
So schlecht entziffern kann? Sie hehlt mir nichts.
Ich sah vorzeiten eine wilde Taube
Das Nest umkreisen, draus man sie vertrieben;
Nicht anders kreist noch immer all dein Sinnen
Um diesen König, der es nicht verdient.

Artaban Du bist ihm gram? 73

Gülsade                             Hat er dich doch verbannt!

Artaban Hierher – zu dir.

Gülsade                           Und raubt mir dich aufs neue,
Betrügt mich um dem bestes Teil. Solang'
Er ganz dich festhielt, weilte deine Sehnsucht
Bei mir. Jetzt – leugn' es nicht – jetzt weilt sie dort.

Artaban Mein eifersücht'ger Schutzgeist – Spuk, nichts weiter!
Drum fort mit ihm aus deinem Lockenhaupt!
Bin ich denn minder dein, weil dann und wann
Der jäh durchschnittne Nerv ein wenig schmerzt?
Mein rechter Arm ist mir gelähmt und zuckt,
Wenn mit dem linken ich ans Herz dich preßte,
Noch manchmal unwillkürlich nach dem Schwert.

Gülsade Du leidest hier Entbehrung, ach, ich weiß!

Artaban War dort ich so beneidenswert? Es lebt
Sich nicht bequem auf einer Nadelspitze.
Welch einen Aufwand von Geschicklichkeit
Braucht's da, sich nur im Gleichgewicht zu halten,
Geschweige denn sich selbst genug zu tun!
Ein Wort zu wenig oder eins zu viel;
Ein Ton zu laut, zu leis; ein ernster Blick 74
Statt eines lächelnden; geschäftig Handeln,
Das vorgreift, oder ehrerbietig Zögern;
Ein Fehlschlag oder schlimmer, ein Erfolg –
Dies all ist gleiches Wagnis. Weh dem Diener,
Wenn er nur dient und nicht zugleich gefällt!
Nach Wunsch des Herrn, der bald als starken Beistand
Ihn will und bald als eigner Stärke Siegel,
Abwechselnd muß er Löwe sein und Maus.
Man achtet ihn gering, wenn er entbehrlich,
Man grollt ihm, wenn er unentbehrlich ist;
Und war der Himmel eben wolkenfrei,
Im Nu kann auf den Schädel des Erstaunten
Ein malmend Ungewitter sich entladen,
Gleich dem, das jetzt um unsre Mauern tobt.

(Das Wetter ist schon während seiner Rede losgebrochen und erreicht nun den Höhepunkt in einigen rasch aufeinander folgenden Blitzen und Donnerschlägen. Gleichzeitig rauscht ein wolkenbruchartiger Regen nieder)

Gülsade Unheimlich dröhnt's.

Artaban                                 Wie königlicher Zorn.

Gülsade (sich an ihn schmiegend)
O bleib! O laß mich nie mehr einsam sein!

Artaban (zärtlich)
Vorm Donner zagt mein Wiegenkind.

Gülsade                                                 Ich zage
Vor nichts in deiner Hut. 75

Artaban                               Und bebst?

Gülsade                                                 Um dich. –
Wie, wenn der König seinen Grimm bereute,
Dich neu begnadete?

Artaban                         Das wird er kaum.

Gülsade Warum nicht?

Artaban                       Weil die Königin mich haßt.

Gülsade Nicht wahr, du gäbest niemals, niemals mehr
Dem Wetterstrahl dich preis?

Artaban                                     Denk' dir, Gülsade,
Nur einmal unsern alten Schäferhund,
Gefüttert und gepflegt in trockner Hütte;
Schau, würd' er nicht an seiner Kette reißen,
Wüßt' er die Herde draußen unbewacht
In Blitz und Sturm? Und ich – ich sollt' ihm nachstehn?
Geborgenheit ist nur des Feiglings Glück,
Und zeigt sich Not am Mann, bin ich des Königs.

Gülsade (lauschend)
Mich dünkt, ich höre Hufschlag. 76

Artaban                                         Regen ist's,
Der auf die Steine tickt.

Gülsade                             Nun deutlicher.

Artaban Bei solchem Graus verirrt so leicht sich niemand
In unser abgeschiednes Tal.

Gülsade                                   So hör' doch!
Ganz nahe schon.

Artaban (geht zur Fensteröffnung, späht hinaus)
                            Ja wahrlich, du hast recht.
Ein Reiter trabt, vom Saum des Waldes kommend,
Grad aus dem Schlosse zu. Nur seinen Umriß
Läßt mich der feuchte Schleier unterscheiden,
Der zwischen ihm und mir herniederfließt.
Ein Fremdling allenfalls, vom Reisepfad
Seitab verschlagen.

Gülsade                       Oder gar ein Bote.

Artaban Von wem geschickt?

Gülsade                                 Je nun . . . 77

Artaban                                                 Er hält am Tor.

(Man hört draußen ein starkes Klopfen)

Gülsade Und pocht recht keck daran.

Artaban                                           Ob Freund, ob Feind,
Im Kriege mit dem wilden Element
Sind Mensch und Mensch seit Urbeginn verbündet.
        (Milas kommt durch die Eingangstür. – Artaban ihm entgegen)
Wer ist es, Milas?

Milas                         Wie mir scheint, ein Ritter,
In unsrer Sprache redend und ersichtlich
Durchnäßt bis auf die Haut. Geb' ich ihm Einlaß?

Artaban Wie jedem, der drum bittet. Bring' ihn her.

(Milas ab)

Gülsade Die Sitte heißt mich gehn; allein sie dürfte
Mir's nicht verargen, wenn etwa die Neugier
Mich blinzeln hieße durch der Türe Spalt. (Ab rechts) 78

Dritter Auftritt

Artaban. Milas (kommt durch die Eingangstür und läßt den) König (eintreten, der bis über den Kopf in einen triefenden Mantel gehüllt ist. – Das Gewitter verzieht sich allmählich; der Regen läßt nach; es wird heller)

Milas Hier sieh den Herrn des Schlosses.

Artaban                                                 Wer auch immer
Du sein magst, sei willkommen.

König                                             Wer ich bin,
Erkunde selbst. (Er wirft den Mantel ab, ist im Jagdkleid)

Artaban (starr)         Mein König!

Milas (ebenso)                               Unser König!
        (Er kniet nieder)

König Du stehst verwundert; ich desgleichen. Wisse:
Nicht ahnend, wer in diesem Schlosse wohnt,
Betrat ich seine Schwelle.

Artaban                               Wie geschah,
Wie konnte dies geschehn? Des Landes Herrscher
Schutzlos, geleitlos in Gewitterschauern
Vor Ungemach nicht sorglicher bewahrt
Als jeder Niedrigste! 79

König                             Durch eigne Schuld.
Man hatte diese Gegend meines Reichs,
In der ich nie zuvor mich umgetan,
Mir oft gepriesen ob des Überflusses
An edlem Wild in ihrer Wälder Schoß.
Deshalb zum Schauplatz einer Jagd sie wählend,
Vier Tage schon durchpirscht' ich mit den Meinen
Den ungeheuren Forst, bis heut am fünften
Ein weißes Hirschkalb nicht zehn Klafter weit
Von meinem Bogen aus dem Dickicht sprang
Und flinker, als mein Pfeil ihm folgen konnte,
Waldeinwärts flog. Ich mit verhängtem Zügel
Setzt' ihm wie rasend nach, so daß ich bald
Mein ganz Geleit zurückließ hinter mir.
Abgründe, Dornen, Bäche hemmten nicht
Mein tolles Ungestüm, und endlich, endlich
In einem unwegsamen Felsenkessel
Schien mir die Beute sicher. Da mit eins
Verkehrte sich der Tag in Nacht; vom Himmel
Traf züngelnd Feuer mich und peitschend Wasser;
Verloren hatt' ich meines Weidtiers Fährte
Samt meiner eignen; unnütz der Versuch,
Die Richtung auszuspähn, woher ich kam.
Dem Ungefähr mich blindlings überliefernd
Ritt ich und ritt, nur noch bewegt vom Wunsch
Nach einem Obdach, als am Waldesrand
Mir tröstlich nah dies Haus entgegenwinkte.

Artaban Dies Haus, Erhabner, würdigt nach Gebühr
Die hohe Gnade . . . 80

König                             Gnade? Du vernahmst,
Ich hatte keine Wahl.

Artaban                           Ein Untertan,
Bei dem sein König einkehrt, ist begnadet.
Verstatte mir darum, dich zu bewirten,
So gut ich es vermag.

König                             Falls mich am Herd
Will dulden auch die Wirtin . . .

Artaban (zu Milas)                           Das Gesind
Ruf mir zusammen; meiner Weisung soll es
Gewärtig sein. Und sende deine Herrin
Zu Gruß und Willkomm für den hehren Gast.

(Milas ab rechts hinten)

König Was du mir bietest, wohl, ich nehm' es an,
Bis mein Gefolg sich wiederfand. Schon lächelt
Versöhntes Licht herab . . .

Artaban                                   Doch bald ist's Abend.
Du würdest in der Finsternis die Deinen
Zum zweitenmal verfehlen, und sie dich.
Auch werden sie, sofern der Wald sie hergibt,
Mein Dach wohl vorziehn einem nassen Zelt. 81
Geruhe drum zu säumen bis zur Frühe.
Vorab jedoch . . . (Er sieht Gülsade eintreten, unterbricht sich)
                          Gülsade, neige dich
Dem höchsten Herrn.

Vierter Auftritt

Artaban. König. Gülsade (deren Kleidung durch einen Überwurf ergänzt ist, von rechts vorn)

Gülsade (voll einiger Befangenheit)
                                    Ich bin beglückt, mein König,
Dein Angesicht zu schaun.

König (geblendet)                     Und ich – das deine.

Gülsade Verzeih, wenn durch dein unvermutet Nahn
Mir keine Frist verblieb, mich so zu schmücken,
Wie mir geziemte.

König                         Deinen reichsten Schmuck
Mußt du nicht erst bemüht sein anzulegen.
Du trägst ihn unveräußerlich.

Gülsade                                     Du wirst
Erschöpft und hungrig sein . . .

König                                           Ich war's. 82

Gülsade                                                       Man bringt
Sogleich dir Labung.

Artaban                         Falls dir mittlerweil
Gefiele, dein durchfeuchtet Kleid zu tauschen . . .

König (ohne den Blick von ihr zu wenden)
Herbergen will mich dein Gemahl zur Nacht.
Entscheide, was ich soll.

Gülsade                               Was ihn erfreut.

Artaban Selbst werd' ich Sorge tragen, die Gemächer
Für dich zu rüsten.

König                           Schalte, wie du magst.

(Artaban ab rechts hinten)

Fünfter Auftritt

König. Gülsade. (Die untergehende Sonne ist durchgebrochen und taucht den Garten in rötlichen Abendglanz)

Gülsade (auf einen Sitz am Tische rechts weisend)
Dies, bitte, laß den goldnen Thron bedeuten
Und nimm vorlieb. 83

König (überhört ihre Aufforderung, in ihren Anblick verloren)
                              Der frevlen Lästerung
Verklag' ich das Gerücht von deinem Reiz.
Das scheinbar so verstiegne Lob war Schimpf;
Sonst hätt' es nicht für selten ausgegeben,
Was einzig ist; sonst hätte sich die Sprache
Mit Worten von gewohnter Klangart nicht
Begnügt zur Schilderung des Unerhörten;
Sonst würde täglich die verlaßne Straße
Zu deinem stillen ländlichen Versteck
Von Scharen schaubegieriger Pilger wimmeln
Gleichwie der Weg zu einem Heiligtum.

Gülsade Herr, einzig macht mich dir die Einsamkeit.
Doch deine Hauptstadt birgt gewiß der Frauen
Gar viel, vor denen ich verblassen müßte,
Trät' ich, von dir ermutigt, neben sie.
Zumal die Königin . . .

König                               Wie meine Hauptstadt,
Wie mein Palast verurteilt war zu darben,.
Geschmälert um der Zierden köstlichste,
Jetzt erst erfass' ich's.

(Manjana und einige andere Dienerinnen sind inzwischen von rechts vorn gekommen, Gebäck, Früchte und Wein in zierlichen Gefäßen tragend, stellen diese auf den Tisch und gehen dann wieder ab)

Gülsade                           Wolle nicht verschmähn,
Was dich erquicken soll, ist's gleich bescheiden. 84
Hier süßes Backwerk; Früchte hier, die Kinder
Des Heimatbodens, den du väterlich
Im Schutz und Segen deiner Hände hältst.
        (Ihm einschenkend)
Hier Wein von unsern Reben.

König (setzt sich an den Tisch und trinkt) Deines Anblicks
Genoß die Traube, da sie schwebend wuchs.
Kein Wunder, wenn ihr Blut so feurig ward. –
Er aber, vormals meinem Thron der nächste,
Der solch beseelend Kleinod so vergrub,
Daß nur ein Zufall – ewig sei ihm Dank! –
Die Pforte mir zum Schatzgewölbe wies,
War er nicht schon um seines Geizes willen
Verdammenswert?

Gülsade                       Nein, geizig ihn zu nennen
Hätt' ich, vergib, gerechtern Grund als du.
Von allen seinen Gaben weiß ich keine,
Die nicht zu meinem Nachteil unvermindert
Er dir geweiht, solang' du's ihm erlaubt;
Und wenn du mir dadurch um so viel reicher
Erscheinen mußtest, als ich selbst verarmt,
So hab' ich oft – ich will es dir gestehn –
Dich nicht allein um seine Gegenwart,
Nein, auch um sein Gefühl für dich beneidet.
Sogar noch heut, nachdem er, ein Verbannter,
Zu mir zurückgekehrt, wie wär' ich froh,
Nur seines Herzens Hälfte zu besitzen;
Denn mehr als die – das glaube mir – ist dein. 85

König Dies glauben heißt es tadeln. Wem das Glück
Leibhaft geworden sich herniederneigt,
Ihm den umkränzten Kelch bis an den Rand
Mit Wonne füllend – welch verstockter Tor,
Wenn andres Raum noch hat in seiner Brust
Als du, nur du!

Gülsade (verwirrt)     So schrankenlos, mein König,
Herrscht keine Frau.

König                             Du könntest!

Gülsade                                               Und ich würde
Gern wieder seitwärts stehn, wenn ihn du huldreich
Vom Bann, der ihn bedrückt . . .

König (lebhaft)                                   Bedrückt er ihn?

Gülsade Wenn du davon ihn löstest.

König                                             Wünscht er das?

Gülsade Ich wünsch' es, Herr, für ihn. 86

König                                                 Und was, Gülsade,
Für dich?

Sechster Auftritt

Vorige. Artaban (von rechts hinten. – Das Abendrot ist erkaltet; rasch zunehmende Dämmerung)

Artaban (bleibt bei der Tür stehen)
                Erhabner, alles ist bereitet.
Bad und Gewänder harren dein.

König                                             Nun wohl,
Ich füge mich der freundlichen Gewalt.

(Er geht mit Artaban ab rechts hinten)

Siebenter Auftritt

Gülsade. (Gleich darauf) Artaban

Gülsade (allein)
Was jetzt? Wer rät mir? Wie versteh' ich ihn?

(Artaban kehrt von rechts hinten zurück. Milas folgt ihm)

Artaban (zu Milas)
Bring Fackeln.

(Milas ab durch die Eingangstür. – Artaban geht auf Gülsade zu, kaum seine Unruhe bemeisternd)

                        Sprich von ahnungsvollen Träumen
Mir niemals mehr! Sie ließen uns im Stich.
Zwar einerlei – den Glauben hätt' ich ihnen 87
Geweigert; ja, fast weigr' ich ihn sogar
Der Wirklichkeit.

Gülsade (ihn anschauend) Fremd sind mir deine Züge.
Du scheinst ein andrer.

Artaban                             Freilich, die Verwandlung
Ist für die Kürze groß genug. Du kanntest
Bislang mich nur als Herrn; jetzt bin ich Diener,
Aufs neue Diener. Haltung, Gang, Gebärde
Bequemt sich dem veränderten Gesetz.

Gülsade Vermag die Schickung mehr an dir zu tun?
Ihn, den Verlorenen, doch nie Verschmerzten,
Ihn wirbelt sie dir in dein Haus!

Artaban                                         Die Schickung
Kann unser Schicksal werden. Laß vereint
Uns ihr begegnen.

Gülsade                     Was, zu guter Letzt,
Kann draus entstehn, als daß er seinem Wirte
Die Gastlichkeit mit frischer Gunst vergilt?

Artaban Dies fürchtest du? 88

Gülsade                             Dies hoff' ich.

Artaban                                                   Sieh mich an.
Zum ersten Male sagst du mir nicht alles.
Was sprach er?

Gülsade                 Schmeichelein.

Artaban                                         Das Wort ist mild.
Sein Blick war kühner.

Gülsade                             Nicht durch meine Schuld.

Artaban Nur merkt' ich dran sogleich, wie wohlbedacht
Zeit meines Amtes ich die herbe Prüfung
Mir auferlegt, von dir getrennt zu sein.

Gülsade Darum?!

Artaban               Ich zog sie schlimmrem Übel vor.

Gülsade Darum als jung Vermählte saß ich hier
Gleich einer Witib! 89

Artaban                       Ja.

Gülsade                             Wer bin ich denn,
Daß du mir so mißtraut?

Artaban                               Nicht dir; nur ihm.

Gülsade Du hättest mich beschirmt.

Artaban                                         Mit meinem Leben.
Mein Leben aber liegt in seiner Hand.

Gülsade Ich hätte mich verteidigt.

Artaban                                       Und zum Angriff
Dadurch ihn erst gespornt. Ein Weltgebieter
Läßt eher eine Welt in Trümmer fallen,
Bevor er einem Widerstand sich beugt.
Vermenge tausendfältiger Bejahung
Nur das geringste Nein, und seiner Allmacht
Gesamtes Aufgebot an Waffen wendet
Er gegen dieses Bollwerk, das ihr trotzt. 90

Gülsade Und heute – welche Vorschrift gibst du mir?
Bestimme mein Verhalten.

Artaban                                 Ist es möglich,
Daß dich die Notwehr meiner Liebe kränkt?

Gülsade Wie soll die meine sich der Not erwehren?
Du hast sie scheu gemacht; nun gängle sie.

(Milas und ein anderer Diener kommen durch die Eingangstür mit brennenden Fackeln und befestigen sie in Fackelhaltern an der Wand; dann ab)

Artaban (zieht Gülsade nach dem Vordergrund, mit gedämpfter Stimme)
Schon morgen ist er wieder fern. Es gilt
Ihn über kurze Stunden wegzutäuschen.
Du kannst nicht hindern, daß vor seinem Auge
Du Wohlgefallen findest; aber ich,
Daß er es ohne Zeugen dir beteuert.
Solang' ich gegenwärtig, zügelt er,
Den keiner zügeln dürfte, wohl sich selbst;
Und du, vor jeder Silbe sei gedenk,
Daß Eitelkeit, von allen Leidenschaften
Die heftigste, je reichlicher genährt,
Je schwerer überwuchert wird von andern.
Drum zeig', auch wenn er dringlicher dir huldigt,
Als deinem Sinn genehm, dich gleich der Biene,
Die Honig sammelnd ihren Stachel birgt.

Gülsade (mit Blick nach der Tür rechts hinten)
Er kommt! 91

Achter Auftritt

Vorige. König (in einem anderen Gewande, von rechts hinten. – Draußen ist es inzwischen völlig Nacht geworden)

König               Hier euer Gast, von Wohlsein strotzend,
Geläutert und geletzt in solchem Grade,
Daß ihm des Irrwegs Mühsal wie Gewölk
Zerronnen deucht. Wer müßte dieses Haus
Nicht loben? Zollt es doch für sich allein
Beredtes Lob dem Geiste der Bewohner;
Und nichts gebräche mir zu völligem
Behagen, sorgt' ich nicht um mein Gefolg',
Das jetzt in Sorg' um mich den nächtigen Wald
Vergebens kreuz und quer durchstöbern wird.

Artaban Schon gab ich meinen Leuten Auftrag, Herr,
Nach ihm zu fahnden.

König                               Kennen deine Leute
Den Wald genau?

Artaban                     So mein' ich.

König                                             Doch du kennst
Ihn besser? 92

Artaban           Ich?

König                     Und wenn auch nicht – du hast
Als Feldherr manch verwickelteren Pfad
Enträtselt. Ich vertraue deiner Führung.

Artaban Herr, sie bedürfen meiner Führung nicht.

König Doch sie verspricht beschleunigtes Gelingen.

Artaban Ich bürge . . .

König                         Bürge mir durch den Vollzug.

Artaban (mit Gülsade einen Blick wechselnd)
Mein König, ist dies ein Befehl?

König                                             Dein König
Befiehlt nicht, was dein Gast erwarten darf.

Artaban (mit qualvoll mühsamer Selbstbeherrschung)
So muß ich meinem Gast gehorchen.

König                                                     Glaub',
Erkenntlich ist er dir dafür. Ich wette, 93
Du wirft nicht rasten, eh' zu mir die Meinen
Du selber hergeleitet.

Artaban                         Sei gewiß.

(Ab Eingangstür)

Neunter Auftritt

König. Gülsade

König (mit einem Schritt auf sie zu)
Gönnt mir Verzaubertem die Fee Gülsade
Noch einen Zug von ihrem heißen Wein?
        (während sie ihm einschenkt)
Weshalb erzittert ihre Lilienhand,
Senkt sich ihr leuchtend Augenpaar zu Boden? –
Folgt ihre Seele züchtig dem Gemahl
Auf seine dunkle Wandrung? Hat er doch
An Trennung sie gewöhnt; hat doch sie selber
Gewünscht, ich soll ihn wieder ihr entziehn,
Und länger als auf einen Abend bloß.

Gülsade (ihn plötzlich voll ansehend)
Nicht so! Wenn Artaban zur Hauptstadt kehrte,
So käm' er diesmal nicht allein.

König                                           Ist's das?
        (Er trinkt)
O, nur der Durstige vermag den Trank
Zu schätzen, den ein andrer achtlos schlürft. 94

Gülsade Zur Seite wär' ich ihm.

König                                       Ist's das? Dein Wunsch –
Wie konnt' ich nur ihn so verkennen! – quoll
Empor aus deinem eigensten Verlangen.
Aus ihren Hüllen drängt voll Ungestüm
Zum Licht, zum Tag die Blüte deiner Jugend;
Sie will am Rausche, den ihr süßer Schmelz
Ergriffnen Blicken beut, sich selbst berauschen,
Will, daß vor ihrer königlichen Pracht
Sich tausend Häupter, alt und junge, neigen,
Vornehmlich eines Königs Haupt.

Gülsade                                           Vielleicht.
Doch wie du meinen Wunsch auch deuten magst,
Gewähr' ihn mir.

König                       Und wenn ich ihn gewähre?

Gülsade Dann werd' auch ich, o Herr, dem Zufall danken,
Der dich hierher geführt.

König                                   Nun, so vernimm.
Es war nicht völlig Zufall, daß ich kam.

Gülsade (erstaunt) Nicht? 95

König                           Sondern ich begehrte dich zu schaun.
Es lockte mich zu prüfen, ob in Wahrheit
Sich der Vermeßne, der herabgeschnellt
Beim Wettflug mit dem Aar, berühmen dürfe,
Vermählt zu sein des Landes schönster Frau.
Mit Vorsatz drum verlegt' ich meinen Pirschgang
In dieses Tal; mit Vorsatz bog ich ab,
Den irren Weg erkiesend als den rechten,
Und bin am Ziel.

Gülsade                   Bis dich ein neues ruft
Und wieder eins von all den ernstern Zielen,
Die sich ein Mann, die sich ein Herrscher setzt.
Schon morgen, wenn du meiner noch gedenkst,
Werd' ich für dich das Gestern sein.

König                                                   Du bist
Vielmehr das Heute, das ich halten will,
Festhalten, wie man Unersetzliches,
Nach lebenslangem Schürfen Aufgefundnes,
Wie man das Leben selbst umklammert hält.
Und wie sich meiner Ahnung kühnstes Bild
Verflüchtigte vor dir zu fahlem Schatten,
So dünkt mir jedes Gestern ausgelöscht,
Vorweg mir ausgesogen jedes Morgen,
Du seliges Heut, von deiner Allgewalt.
Gebrauche sie! Statt eines Wunsches nenne
Mir hunderte, so keck, so buntbeflügelt,
So märchentoll du sie ersinnen kannst,
Und eilends dir zu Füßen schütt' ich aus 96
Ein unversiegbar Füllhorn der Gewährung,
Wenn du gewährst!

Gülsade                         O Herr, du baust mit Worten
Mir sagenhafte Schlösser in die Luft.
Greif' ich danach, so werden sie zerflattern.

König Gülsade, nein!

Gülsade                     Denn ich befürchte schier,
Du hast mich meiner Allgewalt versichert,
Nur weil du meiner Ohnmacht spotten willst.

König In deiner Ohnmacht suche deinen Sieg. –
Sei mein! (Er umschlingt sie)

Gülsade (windet sich erschauernd los)
                Du bist im Haus des Artaban.

König Sei Herrin seines Herrn!

Gülsade                                   Ich bin sein Weib.

König Geburt bestimmte dir ein reichres Los.
Vollendung wurde dir verliehn als Merkmal, 97
Daß du geschaffen seist für mich, den einen,
Der einzig ist wie du – zum stolzen Bunde
Der höchsten Schönheit mit der höchsten Macht. –
Sei mein, Gülsade!

Gülsade                       Schonung, Herr!

König                                                   Ich werbe!

Gülsade Wie soll ich dir erwidern? Wie mich wappnen
Als durch ein Flehn?

König                             Ich flehe ja zu dir.

Gülsade Dem Sturmwind gleich, der knickt, was nicht willfährig.

König Dem Sturmwind gleich, der, was er liebt, entführt.

Gülsade O scheue doch den Frieden dieser Mauern!

König Laß uns von hier entrinnen! Komm!

Gülsade                                                     Wohin? 98

König Auf halbem Weg zu meiner Hauptstadt ragt
Ein Marmorbau, drin kühle Bronnen rauschen
Und goldne Schalen in verschwiegnen Kammern
Betäubend hauchen Ströme Wohlgeruch.
Dort soll die Liebe dich erhöhn . . .

Gülsade                                               Erniedern
Will sie mich dort. Sie nimmt mich für den Becher,
Aus dem du gierig trinkst, und der zur Neige
Von dir geleert zurücktaucht in das Nichts.
Was würdest du, wenn alles, was ich bin,
Ich dir dahingab, zum Entgelt mir bieten?
Brosamen deiner Laune, müde Stunden,
Der Weltenherrschaft kärglich abgespart.
Wie kindisch unser Wahn, es könne jemals
Ein Mann für mehr als einen Augenblick
Nur lieben, lieben, müsse nicht bereits
Noch angeschmiegt an unsre warme Brust,
Im Geist befehlen wieder, dienen, kämpfen
Und so durch fremde Glut uns hintergehn!
Ja, wer gleich uns vergessen würd' um Liebe,
Was ihr nicht eignet, ihren Brand nicht schürt;
Wer sich vergeudend bis zum kleinsten Rest
Blindlings wie wir in ihren Krater stürzte,
Der Mann, der das vermöchte – ja, von dem,
Ob König oder nicht, würd' ich es glauben,
Daß er auf Erden einzig ist.

König                                       Gülsade,
Wie, wenn seither, um dieser Mann zu sein, 99
Ich deiner nur ermangelte, des Weibes,
Das jenes Flammenopfer lehrt und lohnt?
Wie, wenn um solchen Preis die Selbstvergeudung
Mir Wucher dünkt? Was ich dir böte, fragst du?
So fordre, fordre doch die Morgengabe!
Für alles, höre, biet' ich alles dir;
Nichts nehm' ich aus.

Gülsade                           Wie kannst du mir verheißen,
Was einer andern zugehört?

König                                       O schweig
Von ihr!

Gülsade       Das Schweigen deines Marmorbaus
Für mich; für sie Palast und Königsnamen
Und Diadem . . .

König (mit scheuem Ausdruck und heiserer Stimme)
                            Entfremdet ist sie mir.
Ein Wort von ihr hat mich zerstört, vergiftet.
Ich bin ein Kranker, der durch dich allein
Genesen kann.

Gülsade                 Indem ich mit ihr teile?

König Indem du sie zur Ahndung überstrahlst. 100

Gülsade Die Probe denn; die Probe wag' ich drauf.
Ja, ja, das ist die Rettung! – Dein die Wahl
Sie oder ich.

König                 Wohlan, so folg' mir.

Gülsade (verständnislos)                         Was . . .

König Ich führe dich in den Palast.

Gülsade                                         Und sie?

König Sie soll dir weichen.

Gülsade (schaudernd, halb für sich) Wo gerat' ich hin! –

König Sei Königin an ihrer Statt!

Gülsade (die Herrschaft über sich verlierend) Dies ist
Ein wirres Traumbild . . .

König                                   Ich erhebe dich
Zur Weltbeherrscherin; die fernsten Reiche, 101
Die meinem Zepter noch nicht unterjocht,
Erober' ich, damit auch sie zu dir
Als einer Gottheit beten. Komm!

Gülsade (wie unter einem hypnotischen Zwang) Entfliehn?

König Bevor er heimkehrt.

Gülsade                             Nein, er würd' uns treffen.
Einholen würd' er uns.

König                               Gleichviel!

Gülsade                                             Ich stürbe . . .

König So wart' ihn ab und geh mit ihm wie sonst
Ins Schlafgemach. Sobald sein Schloß und ihn
Der erste Schlummer bleiern hält umfangen,
Schleichst du heraus. Ich harre dein; ich hebe
Die Königsbraut auf mein geschwindes Tier . . .

Gülsade Und wenn er aufwacht? Wenn er meiner Flucht
Sich widersetzt?

König (hält ihr einen mit Edelsteinen geschmückten Dolch hin)
                          Hilft andres nicht, so nimm
Zu Hilfe diesen, um dich zu befrein. 102

Gülsade (gelangt, auf den Dolch hinstarrend, wieder zu voller Besinnung)
Ihn töten? Ich?!

König                     Wenn Drangsal es erheischt.
Hab' ich geschwankt, als du die Wahl mir stelltest?
Du gleichfalls, geht es auch um Tod und Leben,
Mußt wählen zwischen ihm und mir.

Gülsade (von einer plötzlichen Vision gefaßt, schlägt die Hände vors Gesicht)
                                                        Entsetzen!

König Was ist dir?

Gülsade                 Erde, schlinge mich hinab!
Herunter, Dachgebälk, mich zu zerschmettern!

König Was flog dich an?

Gülsade                         Er naht.

König (lauschend)                         Kein Schritt; kein Laut.

Gülsade Ich höre, fühle, sehe, daß er naht.
Und ich . . . und ich . . .

König                                   Soll Angst ihm dich verraten? 103

Gülsade Schon tritt er in den Torweg!

König                                               Bist du schutzlos?
Wer ist der Stärkere von beiden?

Gülsade                                           Du.

König Drum fürchte nichts.

Gülsade (mit jähem Entschluß) Gib mir die Waffe; gib!

König Hier.

Gülsade (den Dolch ergreifend)
            Tut es not, schütz' ich mit ihr mich selbst.

König (in wildem Triumph)
Du hast gewählt! Vom Urteilspruch der Liebe
Ward mir der Kranz. Wer rüttelt noch daran?

Zehnter Auftritt

Vorige. Artaban (durch die Eingangstür)

Artaban (im Auftreten)
Mein König, dein Gefolg . . .

Gülsade (von Artabans spähendem Blick getroffen, erwidert ihn mit einem Blick, in dem gemarterte Scham und angstvolle Hingebung sich vermischen, eilt dann, keines Wortes mächtig, hinaus durch die Tür rechts vorn) 104

Elfter Auftritt

König. Artaban

Artaban (hat sich zur Beobachtung dieses blitzschnellen Vorgangs unterbrochen und richtet erst jetzt wieder voll erkünstelter Ruhe seine stumm fragenden Augen auf den König)

König (eine leichte Befangenheit bemeisternd)
                                              Du wolltest sagen?

Artaban Daß dein Geheiß vollzogen ist. Mit Fackeln,
Die hellen Wink durchs schwarze Dickicht sprühten,
Bracht' ich die Deinen stracks auf unsre Spur.
Sie bergen das erlegte Wild im Vorhof
Des Schlosses eben jetzt und werden baldigst
Vor dir erscheinen.

König                           Nicht vergebens also
Sandt' ich auf Kundschaft solchen Boten aus.
Gar mannigfach, ich muß gestehn, verpflichtet
Mich dir der heut'ge Tag. Vergangne Dinge
Rühr' ich dabei nicht auf; denn ob aus ihnen
Etwelches Unkraut gleich hervorgekeimt,
Ein Wirt wie du hat Anspruch auf Belohnung.

Artaban Den Wirt belohnt genügend seines Gastes
Zufriedenheit. 105

König                   Ein Knauser müßt' ich heißen,
Schlüg' ich, was du mir heut erwiesen hast,
Nicht höher an.

Artaban                   Was ich dir heut erwies,
Hätt' ich dem ärmsten Wandrer nicht verweigert.

König (sich setzend)
Wozu der Umschweif? Sag' es grad heraus,
Daß ich für andre, wichtigere Dienste
Den Lohn dir vorenthielt.

Artaban                                 So meint' ich's nicht.

König Mich aber würd' es freun, dich so zu hören.
Entsinnst du dich, weshalb du meiner Gnade
Verlustig gingst?

Artaban                   Weil ich es unterließ,
Mich zu beklagen.

König                         Ja, ganz recht; so war's.
Dein Stolz verdroß mich. Doch an deiner Stelle
Macht' ich den Fehler heute wieder gut.

Artaban Wodurch? 106

König                     Indem du nachholst, was du damals
Versäumt.

Artaban           Es sei denn; ich beklage mich.

König Nur immerzu.

Artaban                   Doch nicht um dessentwillen,
Was du mir nahmst, und was dein Eigentum.

König Weswegen sonst?

Artaban                         Mit gütigem Verlaub,
O Herr, beklag' ich heut mich wegen dessen,
Was du mir nehmen willst.

König                                     Was wäre das?

Artaban Mein Weib. –

König (erhebt sich und steht mit verschränkten Armen ihm gegenüber)
                              Fahr fort. – Nur weiter. – Oder bist
Du schon zu Ende?

Artaban                       Deiner Gegenrede
Harr' ich in Demut. 107

König                           Ich entgegne nichts.

Artaban Die Sprache führt' ich, die du mir empfohlen,
Und hoffe, mich dafür belohnt zu sehn.

König Du treibst verwognen Scherz.

Artaban                                         Nie war mir ernster
Zu Sinn. Ich habe mein Versehn von einst
Genau nach deinem Fingerzeig verbessert,
Und wenn die Klage triftig dir erscheint,
Dann zum geringsten zähl' ich drauf, sie bringe
So viel von deiner alten Gunst mir wieder,
Daß du mir lässest, was mein eigen ist.

König Dein eigen?

Artaban                 Ja.

König                         Was ist in meinem Reich
An Gut und Blut nicht mein, sobald ich will?

Artaban Nimm Gut und Blut, vertilge dieses Haus
Durch Schwert und Feuer; laß in seinen Trümmern
Mein Leben, das ich hundertmal für dich 108
Gewagt, verröcheln, und du bist im Recht.
Solang' jedoch dies Leben in mir wohnt,
Gebietet Halt vor meinem Ehebett
Auch dir, dem König, das Gesetz der Treue,
Auf dessen unerschütterlichem Grunde
Der Thron nicht minder als die Hütte ruht.

König Des Königs Macht steht über dem Gesetz.

Artaban Um es zu hüten!

König                               Wer – so frag' ich – darf
Ihr Schranken ziehn?

Artaban                         Du darfst es; ja, du mußt,
Soll Unumschränktheit zum Gespött nicht werden,
Zur Selbstbeschränkung nicht einmal im Stand.

König Und nun genug! Just weil durch spitze Worte
Du weiser Held mich zu entwaffnen denkst,
Schrei' ich's dir ins Gesicht. Ja, zehnmal ja,
Ich will Gülsade! Meinen Willen schreckt
Kein Recht und kein Gesetz, und ihn befestigt
Gewißheit obendrein, daß ihm von ihr
Kein Sträuben droht. Was jetzt?

Artaban (knirschend)                         Ein wildes Tier
Schlägt man zu Boden; doch sogar im Wolf, 109
Der räuberisch in meine Hürde bricht,
Acht' ich des Königs Unverletzlichkeit.
Nur seinem Frevel wehr' ich!

König                                         Wenn du kannst.
Mag sein, daß mich gelüstet, Kraft an Kraft
Nochmals zu messen, ob du zwar voraus
Für jeden Wettkampf zwischen uns den Sieg
Mir zugesichert. Laß die Schwerter reden.
Ich rufe mein Gefolg, du deine Knechte,
Falls gegen mich sie dir gehorsam sind . . .

Artaban (verzweifelt)
Furchtbarer Zwiespalt! Selber lehrt' ich sie,
Dich heilig halten . . . Dieser Kampf ist ungleich!
Du fichtst mit Waffen, die mein Glaube dir
In langen Jahren eifernd hat gestählt;
Zutiefst im eignen Innern, dir verbündet,
Kehrt meines Wirkens Geist sich wider mich,
Und wenn ich siege, bin ich doch verloren.

König So räum' es ein, daß du den Wolf am Raube
Nicht hindern kannst.

Artaban (von einer Erleuchtung durchzuckt)
                                Doch! Daran hindr' ich ihn!

König Ich zweifle. 110

Artaban               Nimmer wirst du mit Gewalt
Sie mir entreißen.

König                         Laß doch sehn.

(Er macht einige Schritte nach rechts)

Artaban (vertritt ihm den Weg)               Ja, nimmer!
Ich beuge vor. Man soll dereinst nicht melden,
Daß König Kosru sich durch eine Schandtat
Mit Schmach befleckte; Persiens Oberhaupt
Soll nicht in das Gedächtnis später Enkel
Eingehn mit einem Brandmal auf der Stirn.
Was wiegt auf eherner Jahrhundertwage
Der Nachwelt eines Dieners Ehr' und Glück?
Wie damals in der Schlacht ich aus den Garnen
Des Feinds dich hieb, mich und mein Heil verachtend,
So mit noch teurerm Einsatz rett' ich heut
Zum zweiten Male deinen Herrscherruhm
Für künftige Geschlechter vor Verfinstrung.

König Ich bin begierig, was du tust.

Artaban                                         Hab acht! –
        (Er geht zur Tür rechte vorn, öffnet sie, ruft)
Gülsade! 111

König             Wähnst du . . .?

Artaban                                   Hab nur acht!

Zwölfter Auftritt

Vorige. Gülsade (bleich und zitternd, von rechts vorn)

Artaban (flüstert ihr schnell zu)                           Vertrau mir!
Was auch geschieht, sei stumm.
        (Er nimmt sie bei der Hand und führt sie dem König zu)
                                                Hier, Perserkönig,
Hier ist das Weib, das du mir rauben willst.
Ich aber, um dich dran zu hindern, schenke
Sie dir.

(Pause. – Gülsade, zwischen beiden stehend, blickt fassungslos vom einen zum andern. Der König, wie durch einen kalten Wasserstrahl zur Besinnung gebracht, ringt vergeblich nach Worten)

            Du hast mich wohl nicht recht verstanden?
Ich schenke dir Gülsade.

König (stammelnd)                 Schenkst sie . . .?

Artaban                                                         Ja.
Und schmeichle mir, daß niemals fürstlicher
Ein Fürst beschenkt ward. 112

König (im Kampf mit seiner wachsenden Beschämung)
                                        Wahnwitz spricht aus dir.

Artaban Nicht doch, mit wohlerwogenem Entschluß
Geb' ich mein letztes Gut aus freien Stücken
Dir hin.

König (murmelt zwischen den Zähnen)
              Ein König, der von seinem Diener
Almosen nimmt.

Artaban                   Was hält dich noch zurück?
Warum ergreifst du nicht in raschem Taumel
Die heißbegehrte Beute, nun sie rechtens
Und ohne Kampf anheim dir fällt? Zumal
Du schon vorher die Zuversicht erlangt,
Sie selber werde sich nicht sträuben?

Gülsade (aufflammend)                             Wie?

(Artaban bedeutet ihr durch eine Gebärde, zu schweigen. Neue Pause)

König (mühsam)
Du fandest mich bereit, mit dir zu ringen.
Doch dein Geschenk – nehm' ich nicht an.

Artaban (aufatmend)                                       So spricht
Ein König, muß ein König sprechen. Anders
Hatt' ich es nicht von dir erwartet, Herr. 113

König Du hast gewußt . . .?

Artaban                             Unfehlbar wie des Sternlaufs
Granitne Regeln hab' ich es gewußt,
Ich dürfe deiner adligen Gesinnung
Nur Aug' in Aug' dich gegenüberstellen,
Um aus den Schlacken deiner Leidenschaft
Zu sieben dieser Antwort lautres Gold.

König (stirnrunzelnd)
Ein Kunstgriff also!

Artaban                       Nein, Voraussicht nur,
Gegründet felsenfest auf deine Größe.

König Voraussicht eines Mittels, mich zu kirren.
Du schenktest mir, was ich erzwingen wollte,
Und zwangst mich solcher Art, es zu verschmähn.
Gesetzt jedoch, ich hätt' auf das Geschenk,
Das nur zum Schein du mir geboten, dennoch
Die Hand gelegt, was dann?
        (Da Artaban schweigt, eindringlicher)
                                          Was dann? Gülsade,
Dich frag' ich nun.

Gülsade (sich völlig vergessend, zeigt ihm den Dolch)
                            Dann hätte dieser Stahl,
Den du mir gabst, um Artaban zu treffen,
Dein Herz durchbohrt. 114

König (zurückprallend)         Betrug!

Artaban (zu Gülsade)                       Was tatest du!

König (aus haltloser Scham heraus zu immer wilderer Wut sich steigernd)
Heimtückisch Doppelspiel! – Ha, nun durchschau' ich
Mit eins der Arglist ganzes Webestück.
Reif war der Anschlag schon, als eure Schwelle
Mein Fuß betrat; geflochten schon der Fallstrick,
In den ich rannte. (Zu Artaban) Dein Geschenk enthielt,
Wenn ich es annahm, tödlich Otterngift.
Sie war das Werkzeug, das in feigem Haß
Du hinterrücks geschärft, mich zu ermorden!

Artaban Du irrst. Hab' ich doch nicht einmal geahnt,
Daß sie bewaffnet ist.

König                             Ein Hochverräter
Bist du, von dessen wahrem Antlitz endlich
Die stets getragne Heuchlerlarve sank.
Von Anfang auf der Lauer, hintern Schild
Schmiegsamer Unterwürfigkeit geduckt,
Lag deiner Ehrsucht unersättlich Trachten;
Verzehrt vom Neid, an Wuchs mir nachzustehn,
Zergrübelte dem Hirn sich ruhelos,
Durch welche Finten am verläßlichsten
Du mich verringertest, mich niederzögst. 115
Und weil dir das mißlang, weil beim Versuch
Der Übertrumpfung in die Tiefe dich
Geschleudert hat ein Zucken meiner Wimpern,
Drum wollte sich nunmehr dein Zwergengrimm
In meinem Herzblut kühlen.

Dreizehnter Auftritt

Vorige. Sapor, Juba, Mansor (und) Gefolge (durch die Eingangstür; hinter ihnen) Milas. (Der Mond ist ausgegangen und ergießt sein Licht über den Garten)

Sapor                                       Herr, gestatte,
Daß wir zu frohem Gruß . . .

König                                         Heran mit euch!
Hier den Verworfnen, der mir nach dem Leben
Meuchlings gezielt, nehmt fest!

Gülsade                                         Nein, mich!

König (zu den Verdutzten)                                     Ihr hörtet.

Gülsade Herr, du verklagst ihn falsch. Nur ich allein
Bin schuldig.

König                 In die Hauptstadt fort mit ihm,
Und morgen vors Gericht! 116

Gülsade (vor ihm hingeworfen)     Barmherzigkeit!

König (ohne sie zu beachten)
Die Nacht ist mondklar. Wenn wir wacker traben,
Sieht uns das Frührot schon daheim.

Gülsade (Artaban umklammernd)               Vergib!

Artaban Leb' wohl.
        (Er macht sich sanft von ihr los und läßt sich ruhig hinwegführen)

König                       Zu Pferde!

(Alle ab durch die Eingangstür, bis auf Gülsade und Milas)

Vierzehnter Auftritt

Gülsade. Milas

Gülsade (wendet sich, noch während des Abgangs, zu dem fassungslosen Milas, mit der Geistesgegenwart der Verzweiflung)
                                              Milas, augenblicks
Den Zelter sattle mir!

Milas                               Du willst . . . 117

Gülsade                                               Ich will
Mich insgeheim an ihre Fersen heften.

Milas (jammernd)
Wohin des Wegs bei Nacht?

Gülsade                                     Zur Königin. 118


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