Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Halle im Königspalast
Im Hintergrund führen einige breite Stufen zu einer Galerie, die durch einen Vorhang abgeschlossen werden kann. Auf der rechten Seite keine Wand, sondern nur eine Säulenstellung, die vorn in einen erkerartig vorspringenden Altan auslädt, mit Blick ins Freie; hinter diesem Altan führt zwischen den Säulen eine Treppe zu einer dort gedachten Terrasse hinab. In der linken Seitenwand zwei Türen. Auf dem Altan und rechts vorn Diwans und Sessel; links vorn Schachtisch mit aufgestellten Elfenbeinfiguren
(Beim Aufgehen des Vorhangs hört man einen Trompetenstoß) Bahram (lehnt am Altan und blickt hinab). Sapor (kommt von links über die Galerie)
Sapor (stirnrunzelnd)
Und wiederum ein Fest!
Bahram (wendet sich nach ihm um)
Hier, edler Sapor,
Kannst du das Kampfspiel sich entrollen sehn.
Der rauhe Krieg zog seine Rüstung aus
Und borgt zur Kurzweil sie dem zahmen Frieden.
Die weiten Schranken vorm Palast verwandelt, 10
Kaum von der Walstatt siegreich heimgekehrt,
Zur frohern Walstatt unsres Heeres Jugend,
Wettlaufend, fechtend, ringend, Speere werfend,
Als wäre neue Mühsal schönste Rast.
Sapor Ein Waffenspiel! Mag mit den Waffen spielen,
Und mag dem Spiele zuschaun, wer da will!
Mich ekelt's, Bahram, wenn die Kriegsdrommete
Tanzweisen schmettert und ein toter Jubel
Lebendiges Erinnern übertäubt.
Krieg! Wäre doch noch Krieg! Da galt der Mann
Nach seinem Vollwert, nicht nach Gunst und Gnade.
Bahram Gilt Sapor nicht durch sein Geschlecht?
Sapor Du fragst?
Soll mich die Frage stacheln oder höhnen?
Bahram Dein Adel stellt am nächsten dich dem König.
Sapor Und seiner Huld steht nah nur noch der eine,
Der einzige, der heut ihm alles gilt.
Bahram Heut wohl; und morgen, Sapor? Morgen auch?
Mein Graukopf, schon dem dritten König frönend, 11
Sah manche Huld, gleichwie von Zweig zu Zweig
Ein Vogel springt, von Haupt zu Haupte hüpfen.
Sind unsre Herrscher über Tod und Leben
Der Sonne nicht entsprossen? Und auch sie,
Die Herrscherin des Himmels, häuft ihr Gold
Nur selten dauernd auf den gleichen Fleck.
Sapor (sieht nach links)
Die Königin!
Vorige. Nadira, Thamar (sind auf der Schwelle der Tür links vorn erschienen und lassen die) Königin (eintreten. Sapor und Bahram verneigen sich tief vor ihr)
Bahram Erhabne . . .
Königin Mein Gemahl
Ließ mich zum Wettkampf seiner tapfern Streiter
Hierher entbieten. Auge soll ich sein,
Nachdem ich Monde lang nur Ohr gewesen
Dem Ruhm, zu dem er sie geführt.
Bahram (nach dem Altan weisend) Dein Auge
Wird wie ein Sternbild, blinkend vom Zenit,
Kraft in sie strömen.
Königin (zu Nadira und Thamar, die sich dem Altan genähert haben)
Reckt ihr schon den Hals,
Neugierige Mädchen? (Zu Bahram) Gut nur, daß ich ihnen 12
Den Weg eröffnet; nicht mit ehrnen Banden
Hielt' ich sie sonst im Fraungemach zurück.
Nadira flehte, Thamar bettelte:
Nur schaun, ach, nur ein Weilchen schauen dürfen,
Wie braune Riesen die gestählten Glieder
Anspannen um ein Lob, das ihr, nicht wahr,
(wieder zu den Frauen)
Zu spenden wär't bereit mit eignen Lippen,
So schämig ihr auch tut?
Nadira (vom Altan) O Herrin, schau
Die Ringer dort!
Thamar Und mit gezückten Schwertern
Die Fechter, Schild an Schild, ganz wie im Krieg.
Königin Schwelgt immerhin und pflückt euch euren Anteil
Von der gesamten Lust. – Und, Sapor, du?
Will nur in deinem Blick sie sich nicht spiegeln?
Sapor Verzeih, Gebieterin; mein Blick, noch jüngst
Bei blutigem Anprall auf den Feind gebannt,
Kann so im Nu das glatte Festtagslächeln
Nicht wiederfinden.
Königin Sag ihm nur, er soll's.
Dienst du dem Sasaniden Kosru nicht, 13
Dem Sohn der Sonne, dem gewaltigsten
Von allen Herrschern der bewohnten Erde?
Hat eben dieser Krieg sein Diadem
Nicht neu mit lichter Glorie geschmückt?
Wer darf sich mit ihm messen, der da lebt,
Und würde nicht wie jene Widersacher,
Die er gezüchtigt, seiner Größe Schemel?
Und wer begnadet ist, in seinem Umkreis
Zu atmen, sollte der nicht auf der Stirn
Den Abglanz tragen seiner Herrlichkeit?
Bahram (deutet nach der Galerie)
Erhabene, hier naht er dir.
Vorige. (Von links über die Galerie kommen) Juba, Mansor, (gleich darauf) König, Artaban (mit einem goldenen Stab, und) Gefolge
Juba (an den Stufen ankündigend) Der König!
(Die Anwesenden, außer der Königin, verneigen sich bis zur Erde)
König (im Auftreten, zu Artaban)
Die wundersame Frische dieses Morgens
Hat unversehens unsern Ritt gedehnt.
Schon wartet meiner hier die Königin.
(Er geht zu ihr)
Hab' Dank, Odatis, daß du meinem Ruf
Willfahrt. Um diesen Freudentag zu krönen,
Bedarf ich deiner hohen Gegenwart
Und hege mehr im Sinn, als dir wohl ahnt. 14
Es zeigt vorab da drunten auf dem Plan
Im Scheingefecht mein Fußvolk dir die Waffen,
Mit denen ich die Baktrer schlug, die Grenzen
Des Reichs geweitet, seine Wucht gemehrt.
Jedoch, sobald sich jede Tüchtigkeit
Den Preis, den ich ihr ausgesetzt, errungen,
Dann um der Preise köstlichsten zu werben
Behalt' ich meinen Auserwählten vor.
(Er gibt Juba einen Wink)
Die Großen meines Reichs und meine Ritter
Samt allen Sprossen königlichen Bluts
Zu einem Lanzenstechen ruf' ich auf –
(Juba hat ihm auf samtenem Kissen einen goldenen Kranz gereicht, den er aufnimmt)
Und dies die Gabe für den Überwinder;
Ein Kranz von lautrem Gold, der Ehre Sinnbild
Und drum gewichtiger als sein Metall.
Odatis, nimm und wahr' ihn; überlassen
Sei dir der Richterspruch, wer ihn verdient;
Aus deiner Hand soll ihn der Würdige,
Hört, aus der Hand der Königin empfangen.
Königin (hat den Kranz durch Nadira entgegennehmen lassen, die ihn auf dem Altan niederlegt)
Nimmst du von der Bewerbung niemand aus?
König Niemand von allen diesen, bis hinauf
Zu Artaban, dem ersten meiner Diener.
Artaban Der letzte gern, wenn ich nur dienen darf. 15
König Der erste! Heut und hier bezeug' ich ihm
Dies mit erneutem Nachdruck, zum Beweis,
Daß ich so wenig geize mit dem Lohn,
Wie er gegeizt mit ungemeinen Taten.
Er, meines Willens zuverlässige Wage
Im Frieden, war im Krieg mein schärfstes Schwert
Und schleifte mir das flatterhafte Glück,
Das mit dem Feind schon äugelte, gefangen,
Gefesselt, unterworfen vor den Fuß.
Als Beispiel und als Sporn getreuen Eifers
In jedem seiner Ämter neu bestätigt,
Führt er mein Siegel, trägt er meinen Stab.
Artaban Herr, deine Nachsicht ehrt mich allzu hoch.
Königin (lebhaft)
Nein, Artaban, du irrst. Der König ehrt
Mit seinem edlen Überschwang sich selbst.
König (lächelnd zur Königin)
Er schweigt, von dir im Wortstreit überwältigt.
(Er geleitet sie an der Hand zum Altan, wo sie sich niederläßt)
Geruhe nun von dieser freien Warte
Hinabzuspähn.
Königin Und du?
König Mein Platz ist drunten,
Inmitten meiner Krieger. (Zu den anderen)
Folgt mir!
(Er ist nach links gegangen, bleibt am Schachtisch stehen) 16
Traun,
Au einem Blachfeld streif' ich da vorüber,
Auf dem ich lang' nicht mehr mich tummelte.
Die Heere stehen sich in Reih' und Glied
Zum Überfall gerüstet schon entgegen . . .
Komm, Artaban, und laß mich deinen Witz,
Bevor dein Arm sich übt im Lanzenbrechen,
Im Schach erproben.
Artaban Herr, du wolltest eben . . .
König Jetzt will ich anders. Laß die drunten fechten;
Ich fecht' inzwischen hier.
Artaban Wie du gebietest.
(Er gibt einem aus dem Gefolge den Stab, dieser trägt ihn ab durch die Tür links hinten)
König Der dieses Spiel ersonnen, war gewiß
Ein meisterlicher Kenner unsres Wesens,
Das nur im Kampf, nur durch den Kampf sich fristend
In der Zerstreuung noch sein Gleichnis sucht.
(Er hat sich an den Tisch, rechte Seite, gesetzt)
Der erste Zug bei dir.
Artaban (setzt sich, linke Seite) Nein, Weiß zieht an. 17
König Sei's drum.
(Sie spielen, während das Gefolge in ehrerbietigem Abstand den Tisch umringt und das Spiel mit Spannung verfolgt)
Juba (halblaut zu Bahram) Welch unerhörte Gunst!
Bahram (halblaut) Wohl wahr.
Doch möcht' ich nicht an seiner Stelle sein.
Die Maus, die mit der Katze spielt, verliert
So oder so; wenn sie gewinnt, am meisten.
Mansor (im Flüsterton)
Des Königs Stellung ist die beßre. Jetzt
Muß er den Springer ziehn.
Juba (ebenso) Er zieht den Läufer.
Mansor Das war nicht klug. Wenn Artaban den Bauer
Vorschiebt . . .
Juba Er schiebt ihn vor.
Mansor Und wendet so
Das Blatt.
Juba Mit nichten. Ein unfehlbar Mittel,
Den Schaden auszuwetzen, wüßt' ich nun . . . 18
Königin (mit Nadira und Thamar auf dem Altan, hat nur flüchtig und zum Schein hinuntergeschaut und wendet ihre eigentliche Aufmerksamkeit dem Schachtisch zu. Nun winkt sie Sapor herbei, der rechts, abseits von den anderen steht)
Tritt näher, Sapor. – Folgst du meinem Rat
So wenig? Deine Miene ward nicht heitrer.
Sapor Und soll's auch nicht. Wenn andre leichtbegnügt
Beiseite stehn wie abgedanktes Spielzeug,
Ja, dem, der über ihren Kopf hinweg
Sich jählings aufschwingt, noch den Bügel halten,
Ich hab' es nicht gelernt und lern' es nie.
Königin (bedeutungsvoll)
Hier liegt ein Kranz.
Sapor Ich werb' um ihn, das schwör' ich.
Den Huldberauschten fordr' ich mir heraus,
Und meinen Rappen spornend bis aufs Blut
Heb' ich ihn aus dem Sattel, daß er ächzend
Erschlichnen Glanzes bar den Boden küßt.
Königin Gelingt es dir, den Kranz davonzutragen,
Ich werd' ihn gern dir reichen, herzlich gern.
Artaban (nach einem Zug des Königs)
Herr, mit Verlaub . . .
König Was soll's? 19
Artaban Du bist zerstreut.
König Durchaus nicht. Weiter nur.
Artaban Indessen . . .
König Wie?
Artaban Dein Turm ist nicht gedeckt.
König Das übersah ich.
Artaban Drum nimm den Zug zurück.
König Er ist geschehn.
Artaban Nur deiner Hand entglitten wider Einsicht;
Und somit gilt er nicht.
König Ich sag', er gilt.
Der Turm ist deine Beute. Raff' ihn weg. 20
Artaban (zögernd)
Du willst es.
König (heftig) Ja.
Artaban Dann aber . . .
König Sieh dich vor.
Du sollst ihn teuer zahlen. (Er zieht)
Artaban (zieht) Dies zur Abwehr.
König (zieht) Zum Angriff dies. (Triumphierend)
Was nun?
Artaban (ziehend) Ich biete Schach.
König Wo hatt' ich meine Augen? Überrumplung!
Der Vormarsch mir gesperrt, und Schach dem König!
Artaban Nur dem im Spiel.
König Und dem, der spielt, ungleich.
Zwei Könige, die mit vereinter Macht
Ins Garn gegangen. 21
Artaban Keineswegs. Noch gibt
Es mehr als einen Ausweg.
König (mit wachsender Ungeduld) Galgenfrist!
Der König kann den König nicht mehr retten.
Sechs oder sieben Züge, dann schachmatt.
Artaban Betrachte, Herr, die Stellung nur genauer;
Dann wirst du sehn . . .
König Ich sehe, du gewinnst.
Artaban Sehr fraglich; denn du könntest . . .
König Ich? Soll heißen,
Der hier im Spiel. Der könnt' um Mitleid bitten,
Bis der Belagrer selber ihm barmherzig
Ein Hintertürchen ausweist für die Flucht.
Das aber tut ein König nicht. Genug.
(Er wirft die Figuren um und steht auf)
Du hast gewonnen.
Artaban (aufstehend) Herr . . . 22
König Es bleibt dabei.
Du hast das Spiel gewonnen; ich verlor.
Zeit wird es ohnedies, hinabzusteigen.
Die Preise teil' ich meinen Kriegern aus.
Hab' auf dies Schaustück acht, Odatis. (Zum Gefolge) Kommt.
(Er geht ab über die Galerie nach rechts. Bahram, Sapor, Juba, Mansor und Gefolge schließen sich an, untereinander flüsternd. Artaban, der ein wenig betroffen am Schachtisch stehen geblieben, will ihnen nach und geht als letzter langsam nach hinten)
Königin. Nadira. Thamar. Artaban
Königin Bleib, Artaban.
Artaban (sich umwendend) Du hast befohlen, Herrin?
Königin (ein paar Schritte auf ihn zu)
Befohlen, daß du bleibst. Hör' auch den Grund,
Warum ich dir's befahl. Ich will dich warnen.
Artaban (ist zu ihr getreten)
So dank' ich dir, noch eh' ich weiß, wovor.
Königin Du spieltest eben ein gewagtes Spiel.
Artaban Ein unentschiednes. König Kosru hatte
Nur seinen halben Geist ihm zugewandt . . . 23
Königin Doch deinen ganzen du.
Artaban Und nicht das Spiel,
Nur die Geduld am Spiel ging ihm verloren.
Königin Du warst ihm überlegen. Warst du's nicht?
Artaban Ich spielte nach der Regel.
Königin Ist's die Regel,
Daß einer, der vom Hauch des Herrschers lebt,
Sich irgendwie vermißt, ihm gleichzukommen,
Wo möglich gar es ihm zuvorzutun?
Artaban Ein so Vermeßner wäre sinnberaubt.
Doch trau' ich derlei Wahnwitz keinem zu.
Königin Nicht? Wirklich nicht?
Thamar (vom Altan) Ein feierliches Bild
Versäumst du, Herrin. 24
Nadira Auf den Hochsitz stieg
Der König; einzeln führt man die Beglückten
Ihm zu . . .
Thamar Wie schade, daß man nicht von näher
Sie schauen kann!
Königin Ihr sollt sie näher schaun.
Springt flugs hinab zum unteren Altan,
Euch satt zu gaffen.
Nadira Wie du gütig bist!
(Nadira, Thamar eilen die Treppe rechts hinab)
Königin. Artaban
Königin Dich, der von Wahnwitz redet, frag' ich nun:
Sieht etwa heute sich zum erstenmal
Von dir dein Herr und König übertroffen
Und nur im Schach?
Artaban Wenn er bescheidnen Teil
Mir zusprach an des Feindes Niederwerfung . . .
Königin So war dies nur ein Stückchen von der Wahrheit.
Du hattest größern Teil daran als er. 25
Artaban Das rühmten mir gewiß die Neider nach!
Es zerrt ihr falscher Lobspruch den Gestiegnen
Zum steilsten Gipfel für den schroffsten Sturz.
Königin Noch mehr, du wahrtest ihn vorm Untergang.
Artaban Ich ihn? Wie kannst du glauben? Ich den König?
Königin Am Tage der Entscheidung, da die Schlacht
Wie sturmgeschüttelt hin und wider schwankte,
Fand er, allein zu weit vorausgesprengt,
Sich plötzlich einem Bienenschwarm von Feinden
Dicht gegenüber. Pfeilgetroffen brach
Sein Hengst verendend unter ihm zusammen.
Es war um ihn geschehn und um sein Reich –
Denn niemals widerstand ein Perserheer
Nach seines Herrschers Fall – da hattest du,
Der unbemerkt ihm folgte, dich behender
Als mein Bericht vom Roß herabgeschwungen,
Halfst ihm empor, so daß beritten wieder
Zu den erschrocknen Seinen er entrann,
Sie neu beseelend, während nur ein Wunder
Dich rettete vor tausendfachem Tod.
Artaban Wer, Fürstin, wer verriet dir das?
Königin Er selbst. 26
Artaban Von mir erfuhr es niemand, wird es nie
Jemand erfahren.
Königin Minder noch von mir.
Ich aber weiß es, und mir überflutet
Schamröte heiß die Wangen, weil mein Gatte
Dir, seinem Diener, Sieg und Leben dankt.
Artaban Sollt' ich, sein Diener, Leben ihm und Sieg
Entreißen lassen? Jedes Persers Blut
Gehört ihm, wenn er's fordert, wird mit Freuden
Freiwillig ihm geopfert, wenn er's braucht.
Und was der letzte seiner Untertanen
Ihm schuldig ist, sollt' ich ihm vorenthalten,
Ich, dem er Stab und Siegel hat vertraut?
Er sei mir Zeuge, daß ich nicht gebuhlt
Um dies Vertraun, ihm nicht in gierigem Wettlauf
Sein Wohlgefallen keuchend abgejagt.
Ich ward von ihm gesucht, und nicht im Staub.
Auf meinem Landschloß war ich Fürst im kleinen,
Der Scholle Herr, so gut wie er des Reichs.
Er rief, ich kam und blieb, erst nur gehorsam,
Dann hingegeben bis zum tiefsten Kern.
Wer dient, soll drauf bedacht sein, gut zu dienen;
Bis dahin fliegt mein Ehrgeiz, höher nicht.
Auf seinem Acker lenk' ich meinen Pflug;
Die Aussaat steht bei mir, bei ihm die Ernte,
Und im Bemühn, den ungeteilten Strom
Des Lichts auf seiner hehren Stirn zu sammeln,
Wähl' ich getrost im Schatten meinen Platz. 27
Königin Und spürst wohl nicht, was für ein Maß von Hochmut
In dieser Fülle von Entsagung steckt?
Artaban Entsagung?
Königin Ja. Nur daß du so beredt
Nicht just vor mir dich ihrer rühmen solltest.
Wachrütteln könntest du damit Vergangnes,
Das du, so dünkt mich, lieber schlafen siehst.
Artaban Umsonst, o Fürstin, lass' ich mein Gedächtnis
In alle Winkel des Vergangnen leuchten,
Um zu verstehn, worauf die Mahnung zielt.
Königin Solch leuchtendes Gedächtnis, und darinnen
Der eine blinde Fleck! Im Irrtum denn,
Durchaus im Irrtum war ich all die Jahre,
Wenn ich Vergeßlichkeit für Kunst gehalten,
Für eines Arztes schlau bedachten Plan,
Allmählich, ohne schmerzendes Erinnern
Den Stachel aus der Wunde mir zu ziehn.
Artaban Falls dein Erinnern mich bei dir verklagt –
Hier steh' ich, Königin.
Königin So laß doch hören,
Ob gänzlich ist verlöscht in deinem Geist, 28
Was dazumal geschah, da du vom König
In meine ferne Heimat warst entsandt,
Mich einzuholen, deines Herrn Verlobte?
Artaban Fürwahr, nicht frischer könnt' es in mir haften,
Wär's heut geschehn. Es war die erste Sendung,
Zu der mich seine Wahl geweiht, und nie
Verhallt in mir der Nachklang jener Stunde,
Da feuchten Augs dein königlicher Vater,
Mit Segensprüchen für den Zug weitab
Zum ungekannten Freier, dich, sein Liebstes,
Als zwiefach heilig Pfand mir übergab.
Königin Und was ereignete sich auf dem Weg?
Artaban Ein räuberisch Gesindel überfiel uns
Auf rauhem Bergpaß aus dem Hinterhalt,
So stark an Zahl, daß erst nach hartem Weidwerk
Ich sie zu Paaren trieb.
Königin Und dann?
Artaban Was noch?
Königin Besinne dich! Dein reisiges Geleit,
Wie losgelaßne Meute hinter ihnen, 29
Vermochte, da des Abends Schleier schon
Die wirren Pfade des Gebirgs umhüllten,
Den Zufluchtsort, an dem du meine Schwäche
Verbargst und schirmtest, nicht mehr aufzufinden;
Spurlos verflattert waren meine Fraun.
Wir beide blieben, bis der Morgen kam,
Allein. Gedenkst du jener Nacht?
Artaban Ich habe
Des Königs Braut in jener Nacht behütet,
Wie meine Pflicht und Ehre mir gebot.
Königin Behütet, besser, als sie selbst es tat,
Vor sich behütet – sag' es nur heraus.
Denn sie, dem Hafen ihrer Kindheit kaum
Entrückt aufs Meer, das Leben vorm Gesicht
Wie eines Fabellandes blaue Küste,
Sodann den Tod, ja Schlimmres als den Tod,
Und knapp an ihm vorbei das Leben wieder,
Sie sank im Rausch der Rettung ihrem Retter,
Sank ihm zu Füßen hin wie einem Gott,
Nicht achtend ihre Herkunft noch ihr Ziel –
Ein zitternd Kind erst, nun ein zitternd Weib.
Doch von ihm selber ward sie rasch gelöst
Aus der Bezaubrung, und statt eines Gottes
Stand wunschlos, ohne Willen, ohne Wesen
Vor ihr ein Knecht.
Artaban Daß er nichts andres war,
Will darum die Gemahlin seines Herrn
Ihn heute schelten? 30
Königin Nein, das will sie nicht.
Sie liebt mit allen Fasern ihres Herzens
Den Göttlichen, dem du sie zugeführt.
Doch könnte sie – das merke wohl – dich hassen,
Wenn du den Platz im Schatten je verließest,
Den du gewählt, und der allein dir ziemt.
(Ein Trompetenstoß
Vorige. Nadira, Thamar (kommen über die Treppe zurück und bleiben bei ihr stehen. Dann) König
Nadira War das nicht köstlich, Herrin?
Königin Schon vorüber?
Thamar Die Schranken räumt man für das Lanzenspiel.
Artaban So bitt' ich denn um Urlaub . . .
König (kommt allein über die Galerie von rechts) Artaban,
Noch nicht gewappnet? Sollen ohne dich
Einziehen in die Stechbahn meine Ritter?
Artaban Ich eile. (Er will gehen) 31
König Halt, noch eins. Viel edle Frauen
Umrahmen wie ein bunter Blütensaum
Das grüne Kampfgefild; nur eine fehlt.
Ich misse deine liebliche Gemahlin –
Denn lieblich, so erzählt man, soll sie sein –
Und frage mich. Weshalb noch weilt sie fern,
In Abgeschiedenheit von uns, von dir?
Artaban Sie weilt auf meinem Landschloß, wo – du weißt es –
Kurz vor Beginn des Kriegs ich in der Stille
Mich ihr vermählt. Ich folgte dir ins Feld,
Vom Feld hierher, zu so gehäuften Bürden,
Daß mir bis heut nicht Muße war gegönnt
Zum Frauendienst.
König Ich gönne sie dir gern.
Artaban Wenn du befiehlst . . .
König Befehlen – ich? Weshalb?
Ist's doch gewiß dein Wunsch, sie herzurufen.
Artaban Befiehl, damit ich deinen Wunsch vollführe.
König Ich sage nicht, du sollst es, und ich sage
Noch weniger, du sollst es nicht. – So stumm,
Odatis? 32
Königin (als hätte sie die Frage nicht gehört, zu Nadira und Thamar)
Kehrt zurück nach eurem Auslug,
Ihr Mädchen. Diesmal kämpft vor euch ein Held.
(Nadira, Thamar ab, die Treppe hinunter)
König (zu Artaban) Die Königin hegt gleiche Ungeduld
Wie ich, im Sattel dich zu sehn.
(Artaban nach einer tiefen Verneigung ab über die Galerie nach rechts)
König. Königin
König (geht zum Altan und deutet auf zwei Plätze) Wohlan,
Den Richtersitz nimm ein zu meiner Rechten.
Königin Erst sag' mir, da nach deiner Wiederkunft,
Der mondelang ersehnten, glühender
Du mich umschlangst, versengender als je,
War das nicht neue Hochzeit?
König Ja. Weswegen
Die Frage?
Königin Weil mir als der Königin
Und mehr noch als dem Weibe, das du liebst,
Obliegt, zu ragen über alle Fraun, 33
So höheneinsam, daß auch der Gedanke
Nicht Stufen zwischen ihnen baut und mir.
Mein Rang erfordert Unvergleichlichkeit;
Einmal verglichen wär' ich schon erniedrigt,
Und du in mir.
König Wohl schwerlich droht Gefahr.
(hinabschauend)
Da reiten sie geharnischt in die Schranken,
Mein Artaban voraus – ein Bild von Erz.
Gesteh, daß er Bewundrung heischt.
Königin Zu viel,
Als daß auch noch des Artaban Gemahlin
Bewundrung heischen dürfte.
König (lächelnd) War es das?
Königin Prahlt ihrer Schönheit Ruf schon aus der Ferne,
Dann dort verharre sie, damit nicht hier,
Hier im Palast ein flimmernd Zweigestirn
Wetteifre mit dem Strahl des Diadems
Und wir nicht forschen müssen, wer gemeint ist,
Wenn um uns her man munkelt. Welch ein Paar!
König (betroffen)
Ein Paar?
Königin Ich wenigstens ertrüg' es nicht
So leicht wie du. 34
König Wie ich?
Königin Nie würd' ich dulden,
Wenn ich der höchste Baum des Waldes wäre,
Daß langsam kriechend eine Kletterpflanze
Sich an mir aufrankt über mich empor.
König Was soll das? Ich – und er?! Nach Weiberart
Zeigst du mir deine Absicht halb verhüllt,
Um mich zu reizen, daß ich sie entschleire.
Du fürchtest . . ?
Königin (am Altan) Blick' hinab! Er ist im Anlauf.
Ein Bild von Erz, du sagst es. Wie verschmolzen
Zur Einheit mit dem Hengste, der ihn trägt.
Sein Gegner auch stürmt an und lockt auf sich
Nicht mehr Betrachtung als die leere Luft.
Er einzig ist der mächtige Magnet
Für aller Augen, selbst für das der Sonne,
Das wie verliebt auf seinem Panzer ruht.
Nun stoßen sie zusammen . . .
König Mansor hält
Sich wacker.
Königin Da! Der wackre Mansor windet
Sich schon im Staub, gefällt vom zweiten Prall!
(Beifallsrufe)
Hörst du die Freude? 35
König Ja – und teile sie.
Der Beifall, der mir seinen Wert bekräftigt,
Lobt meine Wahl.
Königin Und mehr noch den Gewählten,
Der schon allein sich zu bewerten weiß.
König Du willst ihm Übles.
Königin Gutes will ich dir.
König Des Guten denke drum, das ich ihm schulde.
Königin Ich denke dran, seit ich's von dir erfuhr,
So stetig, daß um meines Schlummers willen
Ich wünschen muß, du hättest mir's verhehlt.
König Wie?
Königin Denk' ich doch, daß er dich schwach gesehn
Und sich den Stärkern fühlte! Daß dich lösend
Aus der Umklammrung von Verlust und Schmach
Er in des Dankes Netz dich fing. Ich denke,
Daß ihn die einmal übersprungne Kluft 36
Nicht länger schwindeln machen kann und nichts
Ihn hindert, sich im Geist voranzurücken
Dem eignen Herrn, der nun sein Schuldner ist.
König Du glaubst, er könnte je . . . Was frag' ich noch?
Tapp' ich im Finstern? Muß von deinem Urteil
Ich erst mir Fackeln leihn? Den kenn' ich besser!
Wenn Überhebung eine Seuche würde,
Die weder Greis noch Weib noch Kind verschont,
Ihm schritte sie vorüber. Merkst du nicht,
Wie mit Bedacht, mit Eifer, ja mit Angst
Er immerzu den Abstand wahrt, als Gnade
Verdienten Lohn empfängt, mir niemals vorzählt,
Was ihm gelungen, nichts begehrt für sich,
Vielmehr ganz Demut hinter mir verschwindet?
Königin Und diese Demut, stolzer Perserkönig,
Demütigt sie dich nicht? Nimm ihr vom Antlitz
Die Maske doch, die mich nicht blenden kann:
Was ist denn Überhebung, wenn nicht sie?
Könnt' er mit seinen Taten eitler prunken,
Als wenn er ihnen schweigend überläßt,
Laut für sich selbst zu reden? Hätt' er Grund,
So artig zu verschwinden hinter dir,
Falls neben dir er sich verschwindend schiene?
O nein, aus Hoffart zahlt er deine Gnade
Dir unverkürzt in gleicher Münze heim.
Aus Dünkel stellt er sich gering und schleicht
Gebückt einher, als wollt' er zu dir sagen:
»Ich bücke mich, weil, wenn ich aufrecht ginge,
Ich größer war' als du.« 37
König (mit mühsamem Lachen) Ha, bei der Sonne,
Mag er nur aufrecht gehn, erhobnen Haupts,
Gereckt vom Hals bis zu den Zehenspitzen,
Ich nehm' es mit ihm auf. (Beifallsrufe) Was lärmen sie?
Königin (hinuntersehend)
Ein andrer bäumt, von ihm herabgeschleudert,
Gen Himmel seine Fersen . . .
König (ebenso) Das ist Juba.
Königin Die Hand gekrallt um seiner Lanze Stumpf;
Die Splitter stoben ein paar Ellen weiter.
König Noch sind wir nicht am Ende.
Königin Nein, gewiß;
Noch nicht am Ende des Triumphs, den du
Für deinen Liebling sorglich ausgesonnen.
Dir war sein heimlich Wachstum nicht genug,
Der Vorrang nicht, den du vor all den Deinen
Ihm eingeräumt; nun hast du noch dein Volk,
Das ihm zum Preis schon Wundermären flüstert,
Als ein verschwenderischer Wirt geladen
Zum Zeugen seiner Unbezwinglichkeit.
König Er ist nicht unbezwinglich! Keiner ist's!
Wer unbezwungen bis zum Mittag ficht, 38
Der kann vor Abend seinen Meister finden.
Ich prüfe meiner Diener Kraft, wie man
Ein Roß, ein Schwert, ein Kleinod prüft. Nicht ihm,
Dem Sieger hab' ich diesen Kranz bestimmt.
Königin Und wenn er Sieger bleibt?
König Noch ist er's nicht.
(Beifallsrufe)
Königin (hinunterweisend)
Zum dritten Male blieb er's.
König Leichten Kaufs.
Doch ernstre Fährnis wahrlich sucht ihn jetzt.
Der Rappe dort, im Zügel kaum zu halten,
Und ungebärdig knirschend ins Gebiß,
Trägt einen Kämpen, der ihm ebenbürtig.
Auf, Sapor, auf! Bewähre deinen Ursprung,
Erweise deiner Väter fürstlich Blut!
Königin Blindwütig rast er auf ihn ein.
König Das traf!
Königin Doch der Getroffne sitzt, als hätt' ein Strohhalm
Ihm an den Schild gestreift. 39
König Nun ist's an ihm.
Königin Die Lanze legt er ein; er spornt; er zielt . . .
König Der Stoß ging fehl.
Königin Sie schwenken um; sie jagen
Zurück und wieder her.
König Sie rammen beide
Zugleich einander an.
Königin Die Rosse taumeln;
Die Reiter nicht.
König Noch einmal, Sapor, triff!
Ich kenne deine Gier, ihn auszustechen.
Die Frucht, nach der du schmachtest, pflücke sie!
So recht!
Königin Und so! Die Lanze Sapors kracht;
Er fliegt ihr nach; er schmettert auf den Rasen,
Und von der Stirn ihm träuft sein fürstlich Blut.
(Stärkere Beifallsrufe) 40
König So jubelten sie kaum bei meinem Einzug.
Königin Wie beispiellos wird erst ihr Jubel sein,
Wenn meine Hand, vor Widerwillen zitternd,
Dies blanke Gold auf seinen Scheitel drückt!
Mag lieber sie verdorren, eh' durch sie
Entfacht wird zu noch gleißenderem Aufgang
Die Leuchte, die dich zu verdunkeln droht.
König Mich?!
Vorige. Bahram (kommt über die Galerie von rechts)
Bahram Herr, soll man das Zeichen geben?
König Welches?
Bahram Zum Schluß des Wettkampfs. Artaban behauptet
Allein das Feld, und niemand stellt sich mehr,
Die Ernte streitig ihm zu machen.
König Doch,
Es stellt sich ihm noch einer.
(Zur Königin, mit gedämpfter Stimme) 41
Einer, dem
Verdunklung droht von keinem Erdgebornen.
Vor dir und alter Welt erhärt' ich dies.
(Zu Bahram)
Mein Schlachtroß, Speer und Harnisch auf den Plan!
Königin (freudig)
Du willst . . .
König (zu Bahram) Was zögerst du?
Bahram Vergib mir, Herr,
Mein Ohr wird altersschwach. Verstand ich recht?
Du selber . . .?
König Meld' es Artaban: die Waffen
Zu kreuzen fordert ihn heraus der König.
(Bahram ab)
Königin Dank, mein Gemahl. Wär' ich die Deine nicht,
Du zögst mit dieser königlichen Wallung
Gewonnen mich an deine Brust. Und doch
Läßt mich dein ungeheures Wagnis schaudern.
Wenn etwa . . .
König Zweifelst du?
Königin Nein, nein, unmöglich!
Der Zweifel wäre Lästrung, wäre Tod. 42
König Kein andres Wort hab' ich von dir erwartet.
Bahram (zurückkehrend)
Herr . . .
König Was?
Bahram Ich bracht' ihm deine Fordrung.
König Gut.
(Er wendet sich zum Gehen)
Bahram Er aber . . .
König Nun?
Bahram Inbrünstig bittet er,
Du mögest von ihr abstehn.
König Hör', Odatis!
Bahram Er sei gewohnt, für seinen Herrn zu kämpfen,
Nicht gegen ihn, und nicht einmal im Spiel
Woll' er die Waffe nach dir zücken. 43
König (zur Königin) Hör'
Den Vorwand seiner Furcht. So nah der Scheuer
Läßt volle Garben ungern man im Stich.
Der Unbezwungne bebt vor dem Bezwinger. –
Hinab und in den Bügel!
(Er geht schnell ab über die Galerie nach rechts, Bahram folgt ihm)
Königin. (Dann) Nadira, Thamar
Königin (allein, in großer Bewegung) Ob er bebt?
Kann sein. Wie aber deut' ich's? Hegt er Furcht,
Besiegt zu werden, oder Furcht, zu siegen?
Jetzt euer Aug', ihr Falken in der Luft!
(Stimmengewirr. – Sie ruft)
Nadira! Thamar! Pflichtvergeßne, laßt
Ihr mich vereinsamt? Lüstet euch nach Strafe?
Herauf zu mir!
(Nadira, Thamar kommen die Treppe herauf)
Wer hieß euch . . .
Nadira Herrin, du. –
Thamar Du sandtest uns . . .
Königin Ihr träumt. 44
Nadira Wir schwangen nur
Im Wind gleich allen Frauen seidne Wimpel
Dem Sieger Artaban.
Thamar Da ging ein Raunen,
Der König . . .
Königin (hinabweisend) Was gewahrt ihr dort?
Thamar Er ist's!
Nadira Er reitet ein . . .
Königin Mit Artaban, dem Sieger,
Ringt euer König um den goldnen Kranz.
Thamar Dies, Herrin, träumen wir.
Königin Seid wach! Seid achtsam!
Helft mir als Späherinnen Bild um Bild
Auf ehrne Tafeln unauslöschlich graben,
Und prägt es in euch selbst, um euren Enkeln
Davon zu künden.
Nadira Alles hält ringsum
Den Atem an . . . 45
Thamar Gespenstige Stille lagert
Auch auf den Kämpfern.
Nadira Sie beleben sich.
Thamar Sie sprengen vor . . .
Nadira Die Lanzen funkeln grell,
Zwei Blitzen gleich, die ineinander schießen . . .
Königin Es nebelt mir vorm Blick; ich unterscheide
Nichts mehr.
Thamar Sie sind verstrickt zu dichtem Knäul.
Nadira Sie lösen sich . . .
Königin Wollt ihr mich martern? Sprecht!
Wer liegt am Boden?
Thamar Keiner, Herrin.
Königin Keiner? 46
Nadira Sie fallen aus zum andern Mal . . .
Königin Was schwatzt ihr,
Als wär' ich blind? Ich sehe . . . Nein, mich täuscht
Ein Fieberwahn! Des Königs Renner strauchelt . . .
(Mit Aufschrei)
Weh mir, du wankst! (Sie schlägt die Hände vors Gesicht)
Ich will nichts weiter sehn –
Und sehe dennoch durch geschloßne Lider.
Traf Artaban ihn schon?
Thamar Er zaudert.
Königin (wieder hinabblickend) Zaudert?
Was hemmt ihn?
Thamar Nun erhebt er seine Lanze . . .
Nadira Der König rafft sich auf . . .
Königin Das tut ihm not.
Nadira Die seine hebt auch er, und . . . Herrin! 47
Königin Was?
Nadira Dem Artaban entfällt sie!
Königin Stieß der König?
Thamar Noch nicht!
Königin Noch nicht? Und doch . . .
Thamar Jetzt aber, jetzt! –
Sieg!
Königin Wessen Sieg?
Nadira Bewältigt hingestreckt
Liegt Artaban.
(vielstimmige Rufe)
Königin Zerbrach denn seine Lanze,
Bevor sie fiel?
Thamar Vernimm! Sie jauchzen Sieg,
Sieg für den König. 48
Königin (verstört, mit matter Stimme)
Für den König – ja.
Nadira Was ist dir, Herrin? Du bist bleich.
Königin Vor Stolz.
(Auf einen Diwan sinkend)
Und wie gelähmt vor Freude. (Ein Trompetenstoß)
Geht voran
Ins Fraungemach. Das Spiel ist aus.
Nadira (besorgt) Und du?
Königin Vergaßet ihr mein Amt? Ich muß den Sieger
Bekrönen. Geht!
(Nadira, Thamar ab links vorn)
Königin. König, Artaban (beide geharnischt, kommen über die Galerie von rechts). Bahram (folgt ihnen)
König (in strahlender Laune)
Aus meiner jüngsten Schlacht,
Du Zierde meines Thrones, kehr' ich heim
Und bringe dir den überwundnen Helden
Als Geisel mit.
Königin (ist aufgestanden)
Heil dir, Bewundernswerter! 49
König Bahram, die Rüstung ab!
(Bahram entwaffnet ihn während des folgenden)
Ja, wisse nur,
Mein guter Artaban, was mich bewog,
Recht aus dem Stegreif mit dir anzubinden.
Die Königin, dein Werk bestaunend, meinte,
Hinfürder werd' im Volk die Fabel gehn
Von deiner Unbezwinglichkeit, und Fabeln
Sind manchmal Drachensaat. Im Keime drum
Erstickt' ich sie.
Artaban Du hättest, mein Gebieter,
Der Mühe kaum bedurft. Würd' ohnehin
Den Frevler man nicht steinigen, der leugnet,
In deinem Arm sei mehr als Menschenkraft?
Du bist gefeit, und weil du's bist, gereicht
Es dir zum Ruhm, mir aber nicht zur Schande,
Daß ich dir unterlag. Der Kranz ist dein.
(Bahram mit den Waffenstücken ab Tür links hinten)
König Dem Fest zuliebe mög' er meinethalb
Für diesen einen Tag mein Haupt bekleiden.
Hier neigt sich's vor der Richterin.
Königin (nachdem sie sich von Bahrams Abgang überzeugt hat)
Ist's billig,
Sofern zu richten ich berufen bin,
Daß meinem Spruch man vorgreift? 50
König (lächelnd) Wahrlich nein.
Den Spruch zuerst, hellsichtiges Orakel,
Und dann den Kranz.
Königin Der Spruch versagt ihn dir.
König (zurückprallend)
Bist du bei Sinnen?
Königin Muß ihn dir versagen,
Eh' mir dein Sieg verbürgt ist.
König Dir verbürgt?
Steht nicht vor dir als Bürge der Besiegte?
Königin Mir gilt nur als Besiegter, wem der Sieg
Entrungen ward aus der geballten Faust,
Nicht wer ihn hergab mit gespreizten Fingern.
König Ihn hergab? Artaban – erwidre du!
Artaban Soll ich mit meiner Gegenwehr mich brüsten?
Du hast, o Herr, vermutlich sie gespürt. 51
König (zur Königin)
Die Wahrheit ist's; er setzte hart mir zu.
Es hing an einem Faden . . .
Königin Frag' ihn doch,
Warum er diesen Faden nicht zerschnitt;
Frag' ihn, warum dich halb Entwurzelten
Sein stoßbereiter Arm verschonte . . .
König (zu Artaban) Mach'
Ein Ende; gib ihr Antwort!
Königin Heiß ihn schwören,
Daß unfreiwillig er die Lanze hinwarf,
Bevor noch du . . .
König Genug davon, genug!
Kein Gaukler war ich je, kein Spiegelfechter,
Kein Trödler, der um goldne Kränze feilscht! –
Leist' ihr den Schwur, den sie nun einmal will!
Artaban (stockend)
Erhabner . . .
König Schwöre, sag' ich!
Artaban Wohl, ich schwöre,
Daß, wenn du tausend Male mit mir kämpfst,
Du tausend Male siegen wirst. 52
Königin (zum König) Verstehst du?
König (mit aufschäumender Heftigkeit)
Bin ich der Sieger oder nur dein Narr?
Artaban Du bist des Reiches unumschränkter Fürst
Und ich dein Untergebner. Dieser Kampf,
Den du mir aufzwangst gegen meine Bitte,
War drum bereits entschieden vor Beginn.
Mein Roß trug mich allein; jedoch mit dir
Im Sattel saß zugleich des Staates Wohl,
Des Vaterlands Gedeihn, des Volkes Ehrfurcht.
Um dieser aller willen durftest du
Nicht übermannt von mir zur Erde sinken.
Du mußtest siegen, und du hast gesiegt.
König (zur Königin, zähneknirschend)
Gib ihm den Kranz.
Königin Hier ist er.
König (ihn ihr abnehmend und Artaban hinhaltend)
Nimm, was dein.
Artaban Mit nichten. Dir gehört er.
König Nimm! 53
Artaban Dein Volk
Hat dir ihn zuerkannt.
König So lieg' er hier –
Zertreten!
(Er hat den Kranz zu Boden geschleudert und stampft darauf)
Artaban Herr, bedenk' . . .
König (mit gebietender Bewegung) Entferne dich!
(Artaban ab durch die Tür links hinten)
König. Königin
König Gefoppt! –
Königin O nein, beschenkt. Wer hat nun recht?
Für die Beschämung, die er dir ersparte,
Ward eine schlimmre dir. Du fühlst sie brennen
Und mußt ihm noch dafür erkenntlich sein:
Er schenkte dir den Sieg, ließ ihn wie Kupfer
Aus vollem Säckel in den Schoß dir gleiten.
O hätt' ich einen Bettler doch gefreit
Statt eines Königs, der von seinem Diener
Almosen nimmt! 54
König Nicht diese Sprache, Weib!
Niemand verhöhnt mich straflos, auch nicht du.
Königin Verhöhnung nennst du meinen grimmen Schmerz?
Ich log und schmeichelte dir nicht wie er,
Hob nicht in falscher Unterwürfigkeit
Dich in die Wolken; nein, ich sah dich dort.
Unnahbar throntest du für mich da droben,
Und schon der freche Trieb, in deine Sphäre
Zu klimmen, deuchte mir wie Tempelraub.
Nun aber bist du mir herabgestürzt.
Ihm, den zu beugen du dich unterfingst,
Lagst wehrlos du, wenn er gewollt, zu Füßen;
Was ich für Selbstvergöttrung nahm, ist wahr,
Und allem Sträuben der Verzweigung trotzend
Lebt fürder sein Bewußtsein auch in mir,
Daß er dich überragt.
König (außer sich) So spotte mein,
Rauf' mir den Bart, sperr' mich in einen Zwinger
Und gib mich wie ein seltsam Jahrmarktstier
Dem Mutwill meiner Untertanen preis,
Wenn nicht noch heut, in dieser Stunde noch,
Solang' die Sonne, deren Sohn ich bin,
Noch strebt bergan, ich den verbognen Maßstab
Einrenke wiederum in deinem Hirn.
Ich überragt? Von wem denn, Rasende?
Was ist er, wenn nicht mein Geschöpf, mein Werkzeug?
Ich, der ihn groß gemacht, kann ihn verkleinern;
Zertreten kann ich ihn wie diesen Kranz. 55
Vorige. Sapor, Juba, Mansor, Gefolge (kommen über die Galerie von rechts)
Sapor (mit einer Schramme auf der Stirn)
Unüberwindlicher! Wir nahn, geschwellt
Vom brausenden Frohlocken deiner Hauptstadt
Und sind ihr Echo.
König (gepeinigt) Ja, schon gut.
Juba Wir feiern
In dir den Sieger, der . . .
König Schon gut, schon gut.
Ihr alle seid beglückt, ich weiß.
Sapor, Juba, Mansor, Gefolge Wir alle.
König Beglückt, weil ich ihn zwang, dem ihr erlagt.
(Abwinkend)
Schon gut.
(Juba, Mansor, Gefolge ab durch die Tür links hinten. Sapor will sich ihnen anschließen)
Wart, Sapor! Einen Auftrag dir.
Geh hin zu Artaban . . .
Sapor (widerstrebend) Ich soll . . . 56
König Geh hin.
Er gebe, so befehl' ich ihm, die beiden
Kennzeichen seiner Amtsgewalt heraus.
Sapor (in völlig verändertem Ton, freudig)
Ich soll . . .
König Du sollst ihm Stab und Siegelring
Abfordern und mir bringen.
Sapor Augenblicks!
(Schnell ab durch die Tür links hinten)
König. Königin
König Wie der sich freut!
Königin Was hast du vor?
König (mit wiedererlangter Sicherheit) Merk' auf.
Ein neuer Zweikampf zwischen uns hebt an,
Mit spitzigeren Lanzen als vorher.
Ich will ihn kitzeln, wo sein zähes Fell
Am eh'sten blutet, bis ich die Beschämung
Gedoppelt ihm beglichen. Merk' nur auf! 57
Vorige. Sapor
Sapor (zurückkehrend)
Hier Stab und Ring, mein König.
König Gab er gleich
Sie dir heraus?
Sapor Ja, gleich.
König Mit welcher Miene?
Sapor Ihm zuckte keine Wimper.
König Doch die Worte –
Die Worte, die er sprach, wie lauten sie?
Sapor Er sagte keins; was ich in deinem Namen
Verlangte, reichte wortlos er mir hin.
Königin (ironisch)
Beschämung offenbar.
König Geduld! Geduld!
Er hat noch nicht begriffen. (Zu Sapor) Geh zurück; 58
Bestell' ihm, daß ich alle seine Würden
Ihm aberkannt, um dir an seiner Statt
Sie zu verleihn.
Sapor (überschwenglich) Ich küsse dir die Schuhe!
Du bist gerecht, bist weise, bist . . .
König Schon gut.
(Ihm nachrufend)
Hierher sodann bescheid' ich ihn.
(Sapor ab links hinten)
König. Königin
Königin (fragend) Dies alles . . .
König Ist nur ein Spiel, ein Kampfspiel, weiter nichts.
Er, dem du mich zu Füßen liegen sahst –
Im Geiste freilich nur – er wird alsbald
Leibhaftig hier zu meinen Füßen winseln.
Ich hör' ihn schon, wie hundertmal zuvor
Ich andre hörte. »Was, o Herr, verbrach ich?
Und hab' ich nicht, o Herr, dir treu gedient?
Versäumt' ich eine Pflicht? Ließ ich an Sorgfalt
Es irgend fehlen? Dann gelob' ich dir
Von heut an Besserung. Nur nimm, o Herr,
O Herr, in deine Huld mich wieder auf!«
Ich aber stelle mich ein Weilchen taub 59
Und weide mich daran, wie Zoll für Zoll
Er sich der überragenden Gestalt
Entäußern wird, vor dir zusammenschrumpfend
Wie schmelzend Wachs.
Königin Ich bin darauf gespannt.
Vorige. Artaban
Artaban (von links hinten, ohne Waffen)
Ich komm' auf dein Geheiß, o Herr . . .
König (leise zur Königin) Es fängt
Schon an.
Artaban Und harre . . .
König (herablassend) Was ist dein Begehren?
Artaban Das meine?
König Wohl. Denn meines Willens Botschaft –
Nicht wahr? – die hast du doch empfangen?
Artaban Ja. 60
König Kennst ihren Inhalt?
Artaban Ja.
König So wiederhol' ihn.
Artaban Du schiedest mich von meinen Würden ab
Und übertrugst sie Sapor.
König Also! – Sprich! –
Verstatte deiner Zunge freien Lauf. –
Ich lausche. – Sprich!
Artaban Wovon?
König Was ich dir antat,
Wie nennst du das?
Artaban Dein gutes Recht.
König Und doch
Ein Unrecht – wie? (Da Artaban schweigt) 61
Soll ich dir etwa glauben,
Daß du mein Handeln billigst?
Artaban Für dein Handeln
Steht mir nicht Billigung noch Tadel zu.
König Nahm ich dir nicht, was dein war nach Gebühr?
Artaban Du nahmest mir, was du mir einst gegeben;
Genau so viel, nicht um ein Körnchen mehr.
König Den Grund jedoch! Der Grund, warum ich's gab,
War dir bekannt. Errietest du den andern?
Artaban Nein.
König Und du forschest nicht einmal danach?
Artaban Wozu? Wie jenen hast du sicherlich
Auch diesen wohl erwogen.
König (immer hitziger) Weiche mir
Nicht aus mit Schlangenglätte! Steh mir endlich!
Birg nichts! Erheuchle nichts! Ich bin es müd, 62
Von dir geschont zu werden und gehätschelt
Wie ein verzogen Kind. Dir ward soeben
Ein wucht'ger Streich von mir versetzt; begegn' ihm;
Gebrauche deine Waffen; lehn' dich auf!
Artaban Sich aufzulehnen wider seinen König
Ist Hochverrat.
König Ich will den Augenblick
Nicht König sein! Vergiß, daß ich es bin!
Artaban Ich kann nicht für den Augenblick vergessen,
Was ich in langen Jahren nie vergaß.
König Für lange Jahre voll Ergebenheit
Und makelloser Treue zahlt' ich so!
Nun schilt mich undankbar – dies wenigstens
Wirst du doch dürfen! – schütte nach der Reihe
Gleich Perlen einer aufgetrennten Schnur
Mir deine Taten mahnend auf den Tisch.
Kurz, als ein Mann, dem Kränkung widerfahren,
Beklage dich!
Artaban Ein Mann beklagt sich nicht.
Er tut sein Mögliches; doch was auch immer
Daraus erwächst, ob Gutes oder Schlimmes,
Das nimmt er als Verhängnis ruhig hin. 63
König Verwegener, du bist erkannt! Zutage
Liegt klar dein schnöder, grenzenloser Hochmut,
Der sich in geilem Wuchern allgemach
Aufblähte bis zum Thron. Dies war die Probe,
Der ich ihn unterzogen. Hättest du
Zur Bitte dich bemüßigt oder auch
Dich rückhaltlos beschwert, mein Tun gerügt,
Wermut mit Galle mir vergolten – dann
War dir verziehn. Doch, daß du nun den Vorwurf
Mir just so pomphaft schenktest wie den Sieg,
Darin enthüllt sich eine Sinnesart,
Die nimmermehr von einem Untertanen
Ein Herrscher ungesühnt erleiden darf. –
Ich banne dich von meinem Angesicht
Nach deinem Landschloß. Überschreitest künftig
Du nur um Haaresbreite sein Gebiet,
Bist du dem Tod verfallen.
Artaban (verneigt sich und geht nach links hinten)
König So behend,
So willig dein Gehorsam? Erst bekenne
Die Quellen deiner stummen Festigkeit;
Gesteh, daß dir die Buße winkt wie Lohn
Und du beflügelt eilst, für straffen Zwang
Dir einzutauschen Rast in weichen Armen.
Artaban Hierin, mein König, rätst du fehl. Ich liebe
Mein Weib. Doch mit noch tiefrer Leidenschaft 64
Liebt' ich zu dienen. Dieses Feuer glimmt
Auch in der Asche fort, und seine Glut
Erkaltet nicht, bevor ich selbst erkalte.
(Ab links hinten)
König (schadenfroh hinter ihm drein rufend)
So fühle, daß für diesmal dich dein Herr
Nicht nur zum Schein bezwungen!
(Er sieht ihm nach, bis er verschwunden ist, und wendet sich dann rasch zur Königin)
Wer ist nun
Der Überragende?
Königin Du nicht.
König (mit Aufschrei) Odatis! 65