Friedrich Baron de la Motte Fouqué
Aslauga's Ritter
Friedrich Baron de la Motte Fouqué

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Sechstes Kapitel.

Einige Tage darauf saß Frode in einer entlegenen Laube des Schloßgartens und las in dem alten Buche von seiner schönen Herrin Aslauga. Da geschah es, daß eben Hildegardis vorüber ging. Sie blieb nachdenklich stehen und sagte: »wie kommt es denn, Ihr seltsames Gemisch von Rittersmann und klugem Meister, daß Ihr von den tiefen Schätzen Eures Wissens so gar wenig erzählt? Ich sollte doch meinen, es müßten Euch viele anmuthige Geschichten zu Gebote stehen; zum Beispiel die, welche Ihr eben da vor Euch habt, denn ich sehe gar zierliche und helle Bilder von schönen Jungfrauen und edlen Helden in die Schriftzeichen hineingemalt.« – »Wohl ist dieses die herrlichste und lieblichste Geschichte von aller Welt,« sagte Frode. »Aber Ihr habt keine Geduld und keinen Ernst dazu, unsre wundersamen Nordlandssagen anzuhören.« – »Wer sagt Euch das?« entgegnete Hildegardis mit einigem Stolz, wie sie ihn gern gegen Frode annahm, wenn es ihr gelingen wollte; ließ sich auf eine Steinbank ihm gegenüber nieder und gebot, »er solle ihr gleich jetzt aus dem schönen Buche vorlesen.«

Frode begann, und eben in der Anstrengung, mit welcher er bemüht war, die alte isländische Heldensprache in die süddeutsche Mundart zu verwandeln, regte sich ihm Herz und Sinn noch glühender und feierlicher an. Wenn er bisweilen aufblickte, sah er in Hildegardis strahlendes Angesicht, wie es von Freude, Bewunderung und Theilnahme immer schöner funkelte, und ihm fuhren Gedanken durch den Sinn, als könne diese doch wohl seine erkorene Braut auf Erden sein, zu welcher eben Aslauga ihn hinleite.

Da verwirrten sich plötzlich die Schriftzeichen seltsam vor seinen Augen; es war, als fingen die Bilder sich zu regen an, und er mußte innehalten. Indem er nun so angestrengten Blickes in das Buch sah, um die wunderliche Störung wieder zu verscheuchen, hörte er eine wohlbekannte holdselige Stimme sagen: »gebt ein wenig Raum, schönes Fräulein. Die Geschichte, welche der Ritter Euch vorliest, handelt von mir, und ich höre sie gern.«

Vor den Blicken des emporstarrenden Frode saß in aller Pracht ihrer goldig wallenden Locken Aslauga neben Hildegardis auf der Bank. Thränen des Schreckens im Auge, sank das Fräulein ohnmächtig zurück. Aslauga drohte ihrem Ritter ernst aber lieblich mit der schönen Rechten und verschwand.

»Was habe ich Euch gethan,« sagte die vor seinen Bemühungen wieder erwachende Hildegardis, »was habe ich Euch gethan, böser Ritter, daß Ihr Eure nordischen Gespenster an meine Seite ruft und mich mit entsetzlichen Zauberkünsten zum Tode erschreckt?«

»Dame,« entgegnete Frode, »so soll Gott mir helfen, als ich die wundersame Herrin nicht berufen habe, die uns soeben erschien. Aber ihren Willen erkenne ich nun gar wohl und befehle Euch in Gottes Schutz.« Damit schritt er nachdenklich aus der Laube.

Scheu flüchtete Hildegardis von der andern Seite aus dem schauerlichen Blätterdunkel und trat auf einen weiten, schönen Rasenplatz hinaus, wo Edwald im anmuthigen Abendscheine Blumen pflückte und ihr freundlich lächelnd einen Strauss von Sinnviolen und Narcissen entgegen trug.

 


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