Friedrich Baron de la Motte Fouqué
Aslauga's Ritter
Friedrich Baron de la Motte Fouqué

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Drittes Kapitel.

In einer der schönen Buchenwaldungen, welche man häufig in den gesegneten deutschen Landen sieht, traf er einstmalen einen jungen, freundlichen Ritter an, von zarter Gestalt; der lud den edlen Nordmann zu dem Mahle ein, welches er sich eben recht behaglich auf einem Rasenplatze unter dem Schatten der anmuthigsten Zweige bereitet hatte. Wie nun die beiden vergnüglich mitsammen speisten, wurden sie einander sehr lieb und freuten sich, als sie bei'm Aufbruche merkten, ihre Bestimmung führe sie vor der Hand noch einen und denselben Weg. Nicht, daß man sich aber durch viele Worte verständigt hätte; vielmehr war der junge Ritter, welcher sich Edwald nannte, absonderlich schweigsamer Natur, so daß er wohl stundenlang im stillen Lächeln da sitzen konnte, ohne den Mund ein einziges Mal zu öffnen. Aber eben in diesem stillen Lächeln offenbarte sich eine fromme, liebliche Huld, und wenn dann bisweilen ein einfaches aber sinniges Wort über die Lippen sprang, erschien es wie eine dankenswerthe Zugabe. So war es auch mit den kleinen Liedern, welche er hin und wieder sang. Sie waren fast eben so schnell verhallt, als begonnen, aber in ihren kurzen Zeilen webte ein tiefes, anmuthiges Leben, mochte es sich nun wie ein freundlicher Seufzer gestalten oder wie ein seliges Lächeln. Dem edlen Frode ward zu Sinne, als reite ein jüngerer Bruder mit ihm oder gar ein zarter, blühender Sohn.

Sie blieben auf diese Weise mehrere Tage lang beisammen; es schien fast, ihr Pfad sei ihnen in untrennbarer Vereinigung vorgezeichnet, und so sehr sie sich darüber freuten, blickten sie einander doch beim Aufbruche oder an Scheidewegen, wenn sich noch immer keine Aenderung in ihrer Richtung offenbaren wollte, wehmüthig an. Ja, es war bisweilen, als schwimme in Edwalds gesenktem Auge eine Thräne.

Da geschah es einmal, daß sie in der Herberge auf einen gar übermüthigen Ritter trafen, von riesengroßer Gestalt und starken Gliedmaßen und fremder, undeutscher Sprache und Sitte. Er soll aus dem Böhmenlande gekommen sein. Der schaute seltsam lächelnd nach Frode herüber, welcher so eben wieder das alte Buch mit Aslaugens Geschichte vor sich genommen hatte und emsig darin las. »Ihr seid wohl ein geistlicher Ritter?« fragte er ihn und schien damit eine ganze Reihe von frechen Späßen anheben zu wollen. Aber die verneinende Antwort kam so ernst und gesetzt aus Frode's Munde, daß der Sorbenritter plötzlich inne hielt, wie man wohl manchmal sieht, daß Thiere, die ihren König, den Löwen, zu necken wagen, sich vor einem einzigen Blicke desselben alsbald zur Ruhe begeben. Zur Ruhe jedoch begab sich der Sorbenritter noch nicht. Vielmehr hub er an, den jungen Edwald zu necken, über dessen zarte Gestalt und Schweigsamkeit, wobei dieser Anfangs sehr geduldig blieb, endlich aber, da der Fremde ein ungeziemendes Wort sagte, aufstand, sein Schwert anschnallte und mit einer zierlichen Verbeugung sprach: »ich danke Euch, Herr, daß Ihr mir Gelegenheit geben wollt, zu beweisen, daß ich weder ein träger noch ein ungeübter Rittersmann bin. Denn nur so allein läßt sich Euer Betragen entschuldigen, welches man sonst ein sehr ungezogenes nennen müßte. Ist es Euch gefällig?« –

Damit schritt er zur Thür, der Sorbenritter folgte höhnisch lächelnd, Frode sehr besorgt für seinen jungen, zarten Freund, dessen Ehre ihm jedoch viel zu theuer war, um ihn auf irgend eine Weise vertreten zu wollen.

Bald jedoch zeigte sich's, daß der Nordmann unnöthige Sorge getragen hatte. Mit eben so viel Kraft als Gewandtheit fiel Edwald seinen riesigen Gegner an, so daß es fast anzusehen war wie die Kämpfe von Rittern gegen Wald-Ungethüme, davon wir in alten Büchern lesen. Auch ergab sich der Ausgang auf ähnliche Weise. Edwald unterlief den Sorben, als dieser zu einem entscheidenden Hiebe ausholte, und warf ihn mit Ringerkraft auf den Boden. Dann aber schonte er des Besiegten, half ihm höflich wieder empor und ging nach seinem Rosse. Bald darauf verließen er und Frode die Herberge, und abermals führte ihre Reise sie ein und dieselbe Straße entlang.

»Das sehe ich von nun an gerne;« sagte Frode, indem er vergnügt auf den gemeinsamen Weg zeigte. »Ich muß dir nur gestehen, Edchen, – er hatte sich gewöhnt, seinen jungen Freund in anmuthiger Vertraulichkeit bei diesem kindlichen Namen zu nennen, – ich muß dir nur gestehen, wenn ich bis jetzt daran dachte, du könntest vielleicht mit auf das Turnier ziehen wollen, das der schönen Hildegardis zu Ehren gehalten wird, ging mir eine Bangigkeit im Herzen auf. Deinen edlen Rittermuth erkannte ich wohl, aber ich fürchtete, die Kraft in deinen zarten Armen möchte nicht dafür ausreichen. Nun habe ich dich kennen lernen als einen Fechter, der seines Gleichen sucht, und Gottlob, wenn wir immer und immer des gleichen Weges ziehen, und willkommen mir baldigst gegenüber in den Schranken!«

Edwald aber blickte ihn sehr wehmüthig an und sagte: »was hilft mir meine Ringfertigkeit und Kraft, wenn ich sie gegen dich werde gebrauchen müssen und es um den höchsten Preis des Lebens gilt, welchen doch nur Einer von uns gewinnen kann! Ach ich habe die trübe Botschaft, daß auch du zum Turnier der schönen Hildegardis ziehest, schon lange mit schwerem Herzen vorausgeahnt.«

»Edchen,« entgegnete der lächelnde Frode, »du holdes, freundliches Kind, siehst du denn nicht, daß ich bereits das Bild einer Huldin auf meinem Brustharnisch trage? Mein Kampf gilt nur dem Siegesruhm, deiner schönen Hildegardis nicht.«

»Meiner schönen Hildegardis!« seufzte Edwald. »Das wird sie wohl nun und nimmermehr, oder wenn sie es wird, – ach, Frode, so sticht es dir dennoch durch das Herz. Ich weiß, die Nordlandstreue ist tiefgewurzelt, wie eure Felsen, und schwer zu schmelzen, wie deren Schneegipfel, aber glaube nur kein Menschenkind, ungestraft in Hildegardis Auge schauen zu dürfen. Hat doch sie, die stolze, die überstolze Jungfrau meinen stillen, demüthigen Sinn so ganz bethört, daß ich den Abgrund vergesse, der zwischen uns liegt, und ihr nacheile und lieber untergehen will, als der freveln Hoffnung entsagen, dies Adlergemüth zu gewinnen für mich.«

»Ich will dir dazu helfen, Edchen;« erwiederte Frode noch immer lächelnd. »Wüßte ich nur, wie die gewaltige Herrin aussieht. Sie muß den Walküren unsrer heidnischen Ahnen gleichen, weil ja so muthige Helden vor ihr erliegen.« – Edwald zog ernst ein Bildniß aus seinem Brustharnisch hervor und hielt es ihm entgegen. Starr und wie verzaubert blickte Frode darauf hin, seine Wangen glühten, seine Augen funkelten, das Lächeln schwand von seinem Antlitz weg, wie Sonnenlichter vor dem herabdunkelnden Sturm von den Wiesen ziehen.

»Siehst du es nun ein, mein herrlicher Genosse,« flüsterte Edwald, »daß für einen von uns Beiden oder auch für uns alle Zwei die Lust des Lebens verloren ist?«

»Nicht doch,« entgegnete Frode mit gewaltiger Anstrengung, »aber verbirg dein wunderliches Bildniß, und laß uns ruhen unter diesen Schatten. Der Zweikampf hat dich doch wohl ein wenig angegriffen, und auch mich drückt eine seltsame Mattigkeit wie mit bleiernen Gewichten nieder.« – Sie stiegen von ihren Rossen und legten sich auf den Boden.

 


 << zurück weiter >>