Friedrich Baron de la Motte Fouqué
Aslauga's Ritter
Friedrich Baron de la Motte Fouqué

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Erstes Kapitel.

Auf der Insel Fühnen lebte vor Zeiten ein edler Herr, der hieß Frode der Skaldenfreund, also benannt, weil er nicht allein alle rühmlichen und edlen Sänger gern in seiner schönen Burg bewirthete, sondern auch von den uralten Liedern, Sprüchen und Sagen mit großer Mühe aufzufinden strebte, was noch in Runenschrift oder auf andre Weise irgendwo übrig war. Er hatte selbst in dieser Absicht einige Fahrten nach Island gethan und dabei blutige Kämpfe mit den Seeräubern gehalten, wie er denn überhaupt ein gar männlicher Ritterheld war und seinen großen Altvordern nicht nur in Liedern nachspürte, sondern ihnen auch nacheiferte mit dem Schwert. Obgleich er noch fast in den Jahren der Jünglingsblüte stand, vereinten sich doch alle andern Edelherren des Eilandes gern seinen Rathschlägen und seinem Banner, ja es war sein Ruhm schon über das Meer nach dem nachbarlichen deutschen Reiche hinüber gezogen. So wollte er es aber auch, denn es hätte ihm das Herz gebrochen, hätte er glauben müssen, von ihm würden dermaleinst keine Lieder gesungen werden und keine Sagen erzählt.

An einem schönen Herbstabende saß dieser ehrliebende Herr vor seiner Burg, wie er es gern zu thun pflegte, um recht weit nach allen Seiten in Land und See hinaus schauen zu können und auch um die vorbeiziehenden Wanderer, seiner edlen Gastlichkeit nach, zu sich einzuladen. Aber heute sah er nur wenig von Allem, wonach er sonst auszublicken gewohnt war, denn ein altes Buch mit kunstreicher, schön gemalter Schrift, das ihm eben erst ein weiser Isländer herübergesandt hatte, lag auf seinen Knieen. Es war die Sage von der schönen Sigurdstochter Aslauga, die anfänglich, ihre hohe Geburt verbergend, in schlechten Kleidern bei gemeinen Bauersleuten Ziegen hütete, dann dem König Nagnar Lodbrog in den wallenden Goldschleiern ihres Lockenhaars gefiel und endlich als dessen herrliche Königin auf dem dänischen Throne prangte bis an ihres Endes Zeit.

Dem Ritter Frode war es zu Muth, als steige die huldreiche Herrin Aslauga lebendig und wahrhaft vor ihm auf, so daß sein stilles, tapfres Herz, zwar allen Frauen dienstbar, doch bis dahin noch nie von der Neigung gegen ein einzelnes Frauenbild getroffen, jetzt für die schöne Sigurdstochter in Liebe hell emporflammte. – »Was thut es,« dachte er bei sich, »daß sie schon seit mehr als hundert Jahren von der Erde verschwunden ist? Sieht sie mir doch licht und klar in mein Herz herein, und was kann ein Rittersmann Besseres wollen? Deswegen soll sie nun auch für und für meine holde Minne bleiben und meine Helferin in Kampf und Lied.« – Er machte auch sogleich einen Sang auf seine neue Liebschaft, der hieß folgendergestalt:

»Sie reiten und suchen durch Thal und Höh'n
Nach einem Feinsliebchen wunderschön;
Durch Stadt und Burg sie halten die Fahrt,
Zu suchen ein Liebchen wunderzart;
Sie forschen, wo nie ein Steig hintrug.
Zu suchen ein Liebchen wunderklug; –
Ach reitet, Ihr Ritter, Ihr findet's nicht.
Ich hab' es gefunden im Sangeslicht,
Ich hab' es gefunden, zart, klug und schön.
Ich will es durch muthige That erhöh'n.
Und sah' ich's im Leben auch nimmerdar,
So wird mir im Tode sein Antlitz klar,
Und wohnt es nicht mehr auf dem Erdenrund,
So schließen wir drunten den süßen Bund.
Gute Nacht, liebe Welt! Süß Lieb, guten Tag.
Wird finden, wer treulich nur suchen mag.«

»Dabei kommt auch noch Vieles auf Glück an;« sagte eine hohle Stimme dicht neben dem Ritter, und als er sich umsah, erblickte er die Gestalt einer ärmlichen Bäuerin, so dicht in graue Tücher gehüllt, daß er von ihrem Antlitz auch nicht das mindeste wahrnehmen konnte. Sie sah ihm über die Schulter in das Buch, und sagte mit tiefem Seufzen: »Die Geschichte kenn' ich recht gut, und geht es mir eben nicht besser, als dem Fräulein, von welchem darin geschrieben steht.« – Frode starrte sie verwundert an. – »Ja wohl, ja wohl!« fuhr sie mit wunderlichem Kopfnicken fort. »Bin ich doch die Enkelin des mächtigen Rolf, welchem die schönsten Burgen und Forsten und Felder dieses Eilands gehörten; deine Burg und deine Marken, Frode, gehörten ihm unter andern auch. Nun sind wir zur Armuth herab gebracht, und weil ich nicht so schön bin, wie Aslauga, gibt es zur Wiederherstellung keine Hoffnung mehr, und ich verhülle deswegen lieber mein armes Angesicht ganz.« – Es war, als weine sie unter den Schleiern heiße Thränen. Darüber ward Frode sehr bewegt und bat sie, ihn doch um Gotteswillen wissen zu lassen, wie er ihr helfen könne; er sei ein Nachkomme der großen altnordischen Helden und vielleicht noch etwas mehr als die: nämlich ein guter Christ. – »Ich glaube fast,« murmelte sie unter der Umhüllung hervor, »du magst derselbe Frode sein, welchen sie den Guten nennen und den Skaldenfreund, und von dessen Großmuth und Milde sie ja verwunderliche Geschichten erzählen. Wenn das ist, so möchte mir geholfen sein. Du brauchst mir ja nur die Hälfte deiner Aecker und Wiesen abzutreten, und ich käm' in den Stand, halbweg ein Leben zu führen, wie es der Enkelin des mächtigen Rolf geziemt.«

Da schaute Frode nachdenklich vor sich nieder, theils weil sie so gar Vieles gebeten hatte, theils auch, weil er nachsann, ob diese wohl wirklich von dem gewaltigen Rolf herstammen möchte. Die Verhüllte aber sagte nach einigem Schweigen: »ich habe mich wohl dennoch geirrt, und du bist jener weitgepriesene, mildherzige Frode nicht. Wie würde sich der wegen solch einer Kleinigkeit so lange besonnen haben! Aber es soll das letzte versucht sein. Sieh, um der schönen Aslauga willen, von welcher du eben gelesen und auch wohl gesungen hast, um der herrlichen Sigurdstochter willen erfülle mir mein Begehr.« – Da richtete sich Frode feurig in die Höhe, rief: es geschehe, wie du gebeten hast! und reichte ihr betheuernd seine ritterliche Rechte. Aber er konnte die Hand der Bäuerin nicht erfassen, obgleich die dunkle Gestalt immer dicht vor ihm stehen blieb. Ein heimliches Grauen begann deshalb durch seine Glieder zu schleichen, während plötzlich ein Licht als von der Erscheinung ausging, ein Goldlicht, in welches sie sich ganz und gar einhüllte, so daß ihm zu Sinne ward, als stehe Aslauga vor ihm, in die wallenden Schleier ihres Goldhaares gekleidet, und lächle ihn freundlich an. Verzückt und geblendet sank er in die Kniee. Als er sich endlich wieder empor hub, sah er nur einen herbstlichen Nebeldampf über die Wiesen ziehen, an seinen Umrissen mit späten Abendlichtern gesäumt, und ihn dann fern auf den Meereswogen verschwinden.

Der Ritter wußte nicht, wie ihm geschehen war. Tiefsinnig schritt er in seine Gemächer zurück und meinte bald für ganz gewiß, er habe Aslaugen gesehen, bald auch wieder, ihm sei nur ein Kobold mit neckischen Gaukeleien erschienen, den Dienst, welchen er der todten Herrin gelobt, auf eine boshafte Weise verspottend. Aber wo er fortan durch Thal und Forst und Haide zog oder hinsegelte auf den Wellen des Meeres, kamen ihm ähnliche Erscheinungen entgegen: einmal fand er eine Zither im Walde liegen und scheuchte einen Wolf davon weg, und als die Zither unberührt in Töne zersprang, hob sich ein schönes Kindlein draus empor, wie Aslauga einstmals auch auf ähnliche Weise gefunden ward, – dann sah er Ziegen auf den höchsten Strandbergen klettern und eine Goldgestalt als Hüterin bei ihnen, – dann wieder eine leuchtende Königin in strahlender Barke dicht an ihm vorüber fahren und ihn freundlich grüßen – und wenn er sich dem Allen nähern wollte, war es Nebel und Wolke und Duft. Es möchten sich vielleicht viele Lieder davon singen lassen. Immer aber erkannte er so viel daraus, die schöne Herrin Aslauga nehme seinen Dienst an, und er sei nun in der That und Wahrheit ihr Ritter geworden.

 


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