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Jones besucht Mad. Fitzpatrick.
Der Leser kehrt nun vielleicht gern mit uns zu dem Herrn Jones zurück, der sich zu der bestimmten Stunde zu Mad. Fitzpatrick begab; ehe wir aber das Gespräch zwischen beiden mittheilen, dürfte es gerathen sein, etwas weiter zurückzublicken und die Erklärung der großen Veränderung in dem Benehmen dieser Dame zu geben, die erst ihre Wohnung hauptsächlich aus dem Grunde wechselte, Jones zu vermeiden und jetzt, wie wir gesehen haben, so eifrig eine Zusammenkunft mit ihm suchte.
Wir brauchen hier nur zu erwähnen, was am vorigen Tage geschehen war, als sie, nachdem sie die Ankunft Westerns von der Lady Bellaston erfahren hatte, in die Wohnung desselben ging, hier aber so viele gemeine Schimpfreden hören mußte, die wir unmöglich wiederholen können, und selbst die Drohung vernahm, hinausgeworfen zu werden. Von da führte sie ein alter Diener ihrer Tante Western, mit dem sie gut bekannt war, nach der Wohnung dieser Dame, die sie nicht freundlicher, wenn auch artiger behandelte. Kurz, sie nahm von beiden die Ueberzeugung mit hinweg, daß nicht blos ihr Plan zu einer Wiederversöhnung fehlgeschlagen sei, sondern daß sie auch für immer alle Gedanken daran aufgeben müsse, eine Aussöhnung auf irgend eine Weise zu bewerkstelligen. Von diesem Augenblicke an erfüllte ihr Herz nur Haß; in dieser Stimmung sah sie Jones im Theater und es schien sich ihr eine Gelegenheit darzubieten, die Rache zur Ausführung zu bringen.
Der Leser muß sich erinnern, daß sie ihm in ihrer Geschichte die frühere Vorliebe des Fräulein Western für Herrn Fitzpatrick in Bath mitgetheilt hatte. Aus der getäuschten 167 und betrogenen Liebe leitete Mad. Fitzpatrick den großen Haß ihrer Tante gegen sie her. Sie zweifelte deshalb auch nicht, daß die gute Dame eben so leicht auf die Bewerbung unseres Jones achten würde, wie sie die eines andern beachtet hatte, zumal Jones offenbar ein noch schönerer Mann war und das unterdeß weiter vorgerückte Alter ihrer Tante ihrer Ansicht nach dem Plane eher förderlich als hinderlich sein mußte.
Als Jones bei ihr angekommen war und sie zuerst ihren Wunsch ausgesprochen hatte, ihm zu dienen, weil sie dadurch, wie sie sagte, gewiß Sophien einen großen Gefallen erzeige, nach einigen Entschuldigungen wegen des frühern Mißlingens ihrer Bemühungen, und als sie Jones mitgetheilt hatte, in welchen Händen Sophie jetzt sei, was Jones, wie sie glaubte, noch nicht wüßte, setzte sie ihm ihren Plan sehr deutlich auseinander, rieth ihm, verstellt der älteren Dame den Hof zu machen, um leichter Zutritt zu der jüngeren zu erhalten und setzte ihn zugleich in Kenntniß von dem Glücke, das Fitzpatrick früher durch dieselbe List gemacht habe.
Jones sprach seinen Dank aus gegen die Dame wegen ihrer guten Absicht, die sie durch diesen Vorschlag an den Tag gelegt, äußerte aber einigen Zweifel an dem Erfolge, weil die Dame doch seine Liebe zu ihrer Nichte kenne, was bei Fitzpatrick nicht der Fall gewesen sei und sagte dann, er fürchte auch, daß Sophie einen solchen Betrug nicht billigen würde, sowohl weil sie ihrer Tante wirklich zugethan sei, als weil sie jede Falschheit hasse.
Mad. Fitzpatrick fühlte sich durch diese Bemerkung ein wenig verletzt und sie zeugte allerdings von einem Mangel an Artigkeit, dessen er sich sicherlich nicht schuldig gemacht haben würde, wenn ihm nicht das innige Vergnügen, mit dem er Sophien pries, alle andern Gedanken benommen hätte.
168 »Nun,« antwortete die Dame mit einiger Wärme, »ich glaube nicht, daß etwas leichter ist, als eine alte Jungfer durch einen Liebesantrag zu täuschen, wenn sie besonders verliebter Art ist, und ob sie gleich meine Tante ist, so muß ich doch gestehen, daß ich keine verliebtere gesehen habe. Können Sie nicht sagen, daß Sie aus Verzweiflung darüber, ihre Nichte nicht zu besitzen, Ihre Gedanken auf sie gerichtet? Meine Cousine Sophie auf der andern Seite kann ich nicht für so albern halten, daß sie sich im mindesten ein Gewissen daraus machte, eine der alten Hexen für die manchen Leiden und Verdrüßlichkeiten ein wenig zu züchtigen, die sie ihrer tragikomischen Leidenschaften wegen über Familien bringen und für die sie eigentlich durch die Gerichte sollten bestraft werden können. Ich habe mir darum kein graues Haar wachsen lassen und ich hoffe auch, Sophie wird es nicht übel nehmen, wenn ich sage, sie kann jede Art wirklicher Falschheit nicht mehr hassen als ihre Cousine Fitzpatrick. Achtung fühle ich für meine Tante nicht und sie verdient keine. Ich habe Ihnen meinen Rath gegeben und wenn Sie ihn nicht befolgen, so kann ich es nicht ändern, werde aber keine so gute Meinung mehr von Ihrer Klugheit haben, wie bisher.«
Jones erkannte den Fehler, den er gemacht hatte und bot alles auf, um ihn wieder zu verbessern, aber er stotterte nur und verwickelte sich in Unsinn und Widersprüchen. Es ist oftmals klüger und sicherer, die Folgen des ersten Fehlers zu ertragen, als einen Versuch zu machen, ihn zu verbessern, denn durch solche Versuche geräth man meist eher tiefer hinein, als daß man sich herausarbeitet, und wenige Personen werden bei solchen Gelegenheiten die Gutmüthigkeit besitzen, welche Mad. Fitzpatrick gegen Jones bewies, indem sie lächelnd sagte: »Sie brauchen sich nicht mehr zu entschuldigen, denn ich vergebe gern einem Manne, der 169 wirklich liebt, welches auch die Wirkung seiner Zärtlichkeit gegen seine Geliebte sein mag.«
Sie erneuerte darauf ihren Vorschlag, empfahl ihn sehr dringend und vergaß keinen Grund, den ihr ihr Scharfsinn darbot; denn sie war gegen ihre Tante so aufgebracht, daß kaum etwas ihr ein gleich großes Vergnügen gemacht haben würde, als sie der Verspottung Preis gegeben zu sehen. Als ächtes Weib wollte sie in der Ausführung ihres Lieblingsplanes durchaus keine Schwierigkeit sehen.
Jones lehnte jedoch bestimmt das Unternehmen ab, das allerdings auch nicht die geringste Wahrscheinlichkeit des Erfolges für sich hatte. Er durchschauete leicht die Beweggründe, welche Mad. Fitzpatrick veranlaßten, so eifrig ihm ihren Plan anzuempfehlen. Er sagte, er wolle seine Liebe zu Sophien nicht läugnen, fühle aber auch die Ungleichheit ihrer Stellungen so sehr, daß er sich nicht schmeicheln könne, ein so himmlisches junges Mädchen werde sich herablassen, an einen ihrer so unwürdigen Mann zu denken.
Manche Frauen, in denen das Selbst so vorherrscht, daß sie es nie von irgend einem Gegenstande abtrennen können, bei denen die Eitelkeit ferner vorherrschende Leidenschaft ist, greifen jedes Lob auf, das sie hören und wenden es auf sich an, wenn es ihnen auch nicht angehört. In Gegenwart solcher Frauen kann man nichts Schönes von einer andern sagen, das sie nicht sogleich auf sich anwendeten; ja sie steigern bisweilen die Lobeserhebungen noch, die sie hören, und denken z. B., wenn die Schönheit, der Geist, die Anmuth einer andern so rühmenswerth sind, was verdiene ich, da ich diese Eigenschaften in weit höherem Maße besitze?
Diesen Frauen empfiehlt sich ein Mann nicht selten dadurch, daß er eine andere Dame rühmt und sie stellen während er entzückt die Geliebte preist, Betrachtungen 170 darüber an, welch' liebenswürdiger Liebhaber dieser Mann ihnen gegenüber sein würde, da er so viel Zärtlichkeit für eine andere zu empfinden und auszusprechen vermöchte. Ich habe, so sonderbar es auch scheinen mag, manche Beispiele dieser Art außer Mad. Fitzpatrick gesehen, der alles dies wirklich geschah und die etwas für Jones zu fühlen begann, dessen Symptome sie früher verstand, als in anderer Zeit Sophie erkannt hatte. Vollkommne Schönheit ist bei beiden Geschlechtern unwiderstehlicher als man gemeinhin glaubt, denn ob sich gleich Mancher von uns mit weniger begnügen und die Außenseite übersehen kann, um die andern Reize zu schätzen, so habe ich doch immer gefunden, daß jene andern Reize neben vollendeter Schönheit nur in dem Glanze schimmern, welchen die Sterne nach Sonnenaufgang besitzen.
Als Jones mit seinen Ausrufungen zu Ende war, seufzte Mad. Fitzpatrick tief, wendete ihre Augen von Jones ab, auf den sie bis dahin gerichtet gewesen waren, schlug sie nieder und sprach: »wirklich, Herr Jones, ich bedauere Sie, aber es ist einmal der Fluch, daß so große Liebe auf solche fallen muß, die sie nicht zu würdigen verstehen. Ich kenne meine Cousine besser als Sie, Herr Jones, und muß gestehen, daß das Weib, welches solche Liebe nicht erwidert, dieselbe nicht verdient.«
»Sie können doch gewiß nicht der Meinung sein . . .« fiel Jones ein.
»Ich weiß, was ich meine,« entgegnete Mad. Fitzpatrick, »es liegt gewiß in wahrer Liebe etwas Bezauberndes; wenige Frauen sind so glücklich, sie bei Männern zu finden und noch wenigere verstehen sie zu würdigen. Ich habe nie so edele Gefühle aussprechen hören und ich kann es nicht sagen, aber Sie zwingen mich, Ihnen zu glauben. Die 171 muß das verächtlichste Weib sein, welche solche Trefflichkeit zu übersehen vermag.«
Die Art und der Blick, mit dem sie alles dies sprach, weckte in Jones einen Verdacht, den wir gegen den Leser nicht mit bestimmten Worten aussprechen wollen. Statt eine Antwort zu geben, sagte er blos: »ich fürchte, Madame, Sie durch meinen Besuch zu lange belästiget zu haben,« und wollte sich entfernen.
»Keineswegs,« antwortete Mad. Fitzpatrick. »Ich bedauere Sie wirklich, Herr Jones, wahrhaftig; aber wenn Sie gehen, so überlegen Sie nochmals, was ich Ihnen gesagt habe. Ich bin überzeugt, daß Sie den Plan billigen werden und kommen Sie bald wieder. Morgen früh, wenn Sie wollen, oder zu irgend einer Zeit morgen. Ich werde den ganzen Tag zu Hause sein.«
Jones empfahl sich, nachdem er nochmals seinen Dank ausgesprochen hatte und Mad. Fitzpatrick warf ihm beim Abschiede noch einen Blick zu, der so deutlich sprach, daß er ihn verstehen mußte, wenn er in der Augensprache nicht ganz unerfahren war. Er befestigte ihn in dem Vorsatze, nicht wieder zu ihr zu kommen, denn so viele Fehltritte er auch bisher gethan hatte, so waren doch jetzt alle seine Gedanken bei Sophien, so daß ihn schwerlich irgend ein Weib auf Erden zu einer Untreue hätte verleiten können.
Das Schicksal, das ihm nun einmal nicht freundlich gesinnt war, bereitete ihm den tragischen Vorfall, den wir nun leider erzählen müssen.