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Worin der Jäger sich über Tapferkeit und Heldentugend ausläßt, bis ein fataler Zufall dem Gespräch ein Ende macht.
Der Jäger pries Adams Denkungsart, und sagte ihm, er hoffe, sein Sohn werde in seine Fußtapfen treten, indem er hinzufügte, wenn derselbe nicht bereit sei, für sein Vaterland zu sterben, verdiene er nicht, in demselben zu leben. »Einen Mann,« rief er, »der sich eines solchen Todes weigerte, eine Kugel vor den Kopf zu schießen, daraus würde ich mir gar kein Bedenken machen.« – »Ja, Sir,« fuhr er fort, »ich habe einen in der Armee dienenden Neffen nur deßhalb enterbt, weil er seinen Posten nicht vertauschen wollte, um mit nach Westindien zu gehen. Ich halte ihn für eine feige Memme, obgleich er behauptet, die Liebe lasse ihn nicht fort. An den Galgen mit allen solchen Burschen, Sir; an den Galgen mit ihnen, sage ich.« – Adams antwortete, das würde doch etwas zu hart sein, der Mensch mache sich ja nicht selbst, und in wessen Gemüth die Furcht zu sehr vorherrsche, der sei mehr zu bedauern als zu verabscheuen, auch könnten Vernunft und Zeit in solchem Falle sehr viel leisten. – »Es kann Einer,« fuhr er fort, »heute feige und morgen tapfer sein. Dies lehrt uns Homer, der die Natur so gut kannte und darstellte; denn Paris steht seinen Mann, und Hektor läuft davon. Ja wir haben noch ein auffallendes Beispiel davon in der Geschichte der letzten Zeit, im siebenhundert fünften Jahre nemlich nach Erbauung Roms, als der große Pompejus, der so viele Schlachten gewonnen hatte, mit so vielen Triumphen geehrt worden war, und dessen Tapferkeit mehrere Schriftsteller, besonders Cicero und Paterculus so sehr priesen, als dieserselbe Pompejus aus der Schlacht bei Pharsalus entfloh, bevor er sie verloren, und sich in sein Zelt zurückzog, wo er wie der kleinmüthigste Säugling sich der Verzweiflung hingab, und Cäsar einen Sieg erkämpfen ließ, der die Herrschaft über die Welt entscheiden sollte. Ich bin nicht sehr bewandert in der Geschichte der neueren Zeiten, das heißt seit den letzten tausend Jahren, doch zweifle ich nicht, daß auch in ihnen sich ähnliche Beispiele auffinden lassen. Aus allen diesem ergiebt sich, daß Sie gegen ihren Neffen zu hart und hitzig verfahren haben, und ich hoffe, sie werden die Sache besser erwägen, und zu mildern Gesinnungen übergehen.« – Der Jäger antwortete mit vielem Feuer, und sprach noch viel über Muth und Vaterland, bis er endlich, da es schon spät wurde, Adams fragte: wo dieser zu übernachten gedenke? – »Ich warte hier auf die Landkutsche,« – war die Antwort. – »Auf die Landkutsche, Sir?« rief der Jäger, »die sind alle längst vorbei, Sie können die letzte dort schon über eine Stunde weit voraussehen.« – »Ja wahrhaftig,« sprach Adams, dann muß ich fort, und ihnen eiligst folgen.« – Jener sagte, sie einzuholen werde kaum möglich sein, und wenn er den Weg nicht wisse, so laufe er Gefahr, sich auf der Heide zu verirren, denn es werde gleich dunkel sein, und er könne dann die ganze Nacht umherirren, und am Morgen leicht vom Ziel seiner Reise weiter entfernt sein als jetzt. Er rieth ihm daher, ihn selbst nach Hause zu begleiten, was auch wenig aus seinem Wege sei, und versicherte, er wolle ihm einen Burschen aus der Gegend verschaffen, der ihn für sechs Pence in das Städtchen, wohin er gehen wolle, bringen werde. Adams nahm diesen Vorschlag an, und sie entfernten sich zusammen, indem der Jäger das Gespräch über den Muth und welche Schmach es sei, sich nicht jederzeit zur Aufopferung seines Lebens für das Vaterland bereit zu zeigen, wieder anknüpfte. Es war schon ganz dunkel geworden, als sie an einem kleinen Gebüsch vorbeikamen, aus welchem sie plötzlich das kläglichste Jammergeschrei und zwar von einer weiblichen Stimme vornahmen. – Adams wollte seinem Begleiter die Flinte aus der Hand nehmen. – »Was haben Sie vor?« rief dieser. – »Was ich vor habe,« erwiederte Adams; »ich will dem armen Geschöpf, das, wie es scheint, in Mörderhände gefallen ist, zu Hülfe eilen.« – »Sie werden, hoffe ich, nicht toll sein,« sagte der Jäger zitternd; »berücksichtigen Sie doch, daß diese Flinte nur mit Schrot geladen ist, und die Räuber wahrscheinlich mit Kugeln geladene Pistolen bei sich führen! – Dies ist hier nichts für uns; lassen Sie uns so schnell als möglich davoneilen, damit wir ihnen nicht noch selbst in die Hände fallen.« – Da das Geschrei jetzt noch lauter ertönte, so gab Adams keine Antwort, sondern schnippte mit den Fingern, schwang seinen Knittel und eilte auf die Stelle zu, von wo er die Stimme hörte; der Jäger dagegen, der mit seinem Muth so geprahlt hatte, lief in einem Zuge nach Hause, ohne nur einmal zurückzuschauen. Dort wollen wir ihn lassen, mit der Betrachtung seiner eigenen Tapferkeit und dem Tadel der Feigheit Anderer beschäftigt, und zu dem guten Adams zurückkehren, welcher, als er zur Stelle kam, ein Frauenzimmer erblickte, das sich eines Mannes zu erwehren suchte, der sie zu Boden geworfen, und fast schon überwältigt hatte. Adams bedurfte nicht aller seiner großen Geistesgaben, um schon beim ersten Anblick dieser Sache ein richtiges Urtheil zu fällen. Ohne sich von der Bedrängten erst lange bitten zu lassen, holte er mit seinem Knittel aus, und versetzte damit dem Bösewicht einen Hieb auf jenen Theil des Kopfes, wo nach der Meinung der Alten mancher Leute Gehirn verwahrt ist, und welches er ohne Zweifel dieser Verwahrung entledigt haben würde, hätte nicht die Natur (welche, wie weise Männer bemerkt haben, alle Geschöpfe jeder Zeit ganz nach deren eigenen Bedarf ausrüstet) hier Sorge getragen, diesen Theil des Kopfes dreimal dicker als bei gewöhnlichen Menschen zu machen, deren Beruf es etwa ist, sogenannte Geistesfähigkeiten zu entwickeln. Da nämlich hiezu Gehirn nöthig ist, so muß sie für dieses in der Höhlung des Schädels einigen Raum lassen, wo hingegen, da diese Ingredienz Personen von heroischem Beruf ganz entbehrlich ist, es ihr freisteht, den Schädel so dick und fest zu machen, daß ein schädlicher Eindruck darauf viel weniger zu fürchten, und er nicht der Gefahr ausgesetzt ist, verletzt oder zerschlagen zu werden; ja bei Einigen, die dazu vorher bestimmt sind, an der Spitze von Heeren und Reichen zu stehen, soll sie zuweilen jenen Theil völlig und durchaus dicht und fest machen. Wie ein in verliebtem Tändeln mit einer Henne begriffener Kampfhahn, wenn er etwa einen andern Hahn in der Nähe gewahrt, sogleich die Henne verläßt, und sich seinem Nebenbuhler entgegengestellt, also sprang der durch den Knittel Getroffene sofort von dem Frauenzimmer hinweg, und auf dem Gegner zu. Er hatte keine andere Waffen, als womit ihn die Natur versehen; doch kühnlich ballte er die Faust, und schlug damit Adams auf den Theil der Brust, wo das Herz seinen Sitz hat. Adams schwankte, so heftig war der Schlag, er warf seinen Knittel fort und ballte ebenfalls jene schon früher beschriebene Faust, deren volle Kraft er auf die Brust des Andern entladen haben würde, hätte dieser nicht den Streich geschickt mit der linken Hand aufgefangen und zugleich seinen Kopf (dessen einige neuere Helden von der niedrigen Klasse sich gleich dem Sturmwidder der Alten zur Angriffswaffe bedienen, wobei ihnen jene bewundernswürdige Einrichtung der Natur, ihn aus undurchdringlichen Stoffen zu bilden, abermals zu Statten kommt) – und seinen Kopf, sage ich, dermaßen Herrn Adams gegen den Bauch gerannt, daß dieser zu Boden stürzte, und ohne auf die Gesetze des Rittergeistes zu achten, die ihm jeden fernern Angriff seines Feindes, bis dieser wieder auf den Beinen sei, untersagten, warf er sich auf ihn, und bearbeitete, mit der Linken sich an den Boden stemmend, den Körper Adams' mit der Rechten, bis er müde war, oder bis er glaubte (in der Kampfsprache zu reden), »ihm seinen Theil gegeben,« oder in der Dichtersprache »ihn zu den Schatten gesandt,« – auf gut deutsch, ihn todt geschlagen zu haben.
Adams aber, der kein zartes Hähnchen war, und trotz einem Boxer auf der Welt seinen Puff aushalten konnte, lag nur still, um seine Gelegenheit abzuwarten; und da er jetzt seinen Gegner ganz erschöpft sah, nahm er seine ganze Kraft auf einmal und so glücklich zusammen, daß er ihn nicht allein von sich ab, sondern sich auch auf ihn wälzte. Ein Knie ihm auf die Brust drückend, rief er triumphirend aus: »Jetzt ist an mir die Reihe!« und versetzte ihm nach einigen derben Stößen einen so geschickt gerade unter die Kinnlade, daß sein Gegner ohne Bewegung dalag; und Adams zu fürchten begann, er habe ihm einen Schlag zu viel gegeben, denn er war zu gewissenhaft, um selbst des Bösen Blut auf der Seele haben zu wollen. Er sprang jetzt auf, und rief laut dem jungen Frauenzimmer entgegen: »Fasse Muth, mein Kind, Du hast jetzt nichts mehr von dem Bösewicht zu befürchten, der, wie ich nur zu sehr besorge, todt zu meinen Füßen liegt; Gott verzeihe mir, was ich zur Vertheidigung der Unschuld gethan habe!« – Das arme Geschöpf, das sich mit Mühe und nur langsam vom Boden aufgerafft, und während des Kampfes durch Furcht sogar am Entlaufen gehindert, zitternd dagestanden hatte, kam jetzt, da es vernahm, sein Vertheidiger habe gesiegt, auf ihn zu, doch nicht ganz ohne Mißtrauen auch gegen ihn, das jedoch sein höfliches Benehmen und seine freundlichen Worte bald entfernten. Beide standen vor dem Körper, der bewegungslos auf der Erde lag, und dem Adams mehr als das Mädchen eine baldige Auferstehung wünschte. Er bat Letztere jetzt dringend, ihm zu erzählen, welches Unglück sie so spät in der Nacht an einen so einsamen Ort geführt habe. Sie erwiederte, sie sei auf der Reise nach London begriffen, und zufällig mit dem Menschen, vor welchem er sie gerettet, zusammengetroffen; er habe ihr gesagt, sein Weg sei derselbe, und er wolle ihr Gesellschaft leisten, ein Anerbieten, welches sie, nichts Arges vermuthend, angenommen, um so mehr, als er ihr versichert, sie seien nicht mehr weit von einem Wirthshause, wo sie übernachten könnten, und er wolle sie einen nähern Weg dorthin führen. – »Hätte ich aber auch,« fuhr sie fort, »trotz seiner freundlichen Reden Verdacht gegen ihn gehegt, wie konnte ich allein hier auf der Heide im Finstern von ihm loskommen? Ich setzte daher meine ganze Zuversicht auf die Vorsehung, und ging mit ihm, jeden Augenblick in der Erwartung, das Wirthshaus zu erreichen, als er plötzlich, da wir an dieses Gebüsch gekommen waren, mich anhielt, und nach einigen mir mit Gewalt aufgedrückten Küssen und nachdem er mir Anträge gemacht, die ich mit Abscheu zurückwies, gewaltsame Hände an mich legte, und seine böse Absicht zu vollziehen versuchte, als, dem Himmel sei Dank, Sie noch zur rechten Zeit mir zur Hülfe kamen, und es verhinderten.« Adams lobte sie, daß sie ihre ganze Zuversicht auf die Vorsehung gesetzt, und sagte, er zweifle nicht, diese habe ihn zur Belohnung jenes Vertrauens zu ihrer Befreiung abgesendet; übrigens thue es ihm leid, daß er dem bösen Menschen das Leben geraubt habe, aber Gottes Wille müsse geschehen. Er fügte hinzu, er hoffe, seine gute Absicht werde ihn am Tage des Gerichts entschuldigen, und ihr Zeugniß werde vor dem irdischen Gericht seine Freisprechung bewirken. Hierauf schwieg er, und erwog bei sich selbst, ob er besser thäte, zu entfliehen, oder sich den Händen der Gerechtigkeit zu übergeben, welche Erwägung sich endigte, wie der Leser in dem folgenden Kapitel vernehmen wird.