Johann Gottlieb Fichte
Die Bestimmung des Menschen
Johann Gottlieb Fichte

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Vorrede des Herausgebers.

Fichte war am 3. Juli 1799 in Berlin angekommen. In Jena konnte nach der ihm von der weimarischen Regierung in Folge des »Atheismusstreites« ertheilten »Entlassung«, die, wie Kuno FischerKuno Fischer, Geschichte der neuern Philosophie, Bd. V, Heidelberg, 1869. S. 297. Es ist hier eine übersichtliche Darstellung der Fichte'schen Conflicte. Ausführlicher noch wird derselbe Gegenstand erörtert von dem Sohne Fichte's in: Joh. Gottl. Fichte's Leben und literarischer Briefwechsel, 2. vermehrte Aufl., Leipzig, Brockhaus, 1862. 2 Bde. treffend bemerkt, einer »Vertreibung« nicht unähnlich sah, seines Aufenthaltes nicht mehr sein. Durch den »Atheismusstreit« in seiner ganzen Persönlichkeit auf das Tiefste erschüttert und dem zufolge der Ruhe und Muße dringend bedürftig, hatte er die Absicht gehabt, in ländlicher Abgeschiedenheit, fern von literarischen Fehden, eine Zeitlang im Fürstenthum Schwarzburg-Rudolstadt zu leben.Fichte schreibt an Reinhold: »Ich suchte ein abgelegenes Winkelchen, wo ich im strengsten Incognito mich einige Jahre verbergen könnte, bis die Gährung im Publikum und mein Ekel an demselben vorübergegangen wäre, und hatte Hoffnung, durch die Güte eines benachbarten Fürsten, den ich kenne, dies Winkelchen zu finden.« Fichte's Leben etc. S. 309. Anmerkung. Der Fürst dieses Reiches jedoch hatte, wahrscheinlich aus Furcht vor einer üblen Einwirkung des »Demokraten« und »Atheisten« Fichte auf seine Unterthanen, den Rathschlägen der auf Fichte erbitterten weimarischen Regierung nachgegeben und diesem den Aufenthalt in den Grenzen seines Reiches nicht gestattet.Fichte kann, diese Thatsache an Reinhold berichtend, mit Recht hinzufügen: »Hätten Sie dergleichen Schritte in unserem aufgeklärten Zeitalter und Lande wol vermuthet?« (Brief vom 9. Mai 1799.) Jean Paul schreibt an Jacobi: »Fichte wurde mit seinen Privatissimis aus Rudolstadt ausgesperrt. Es schmerzt mich, weil er hilflos ist und edel.« Um so glücklicher konnte sich Fichte preisen, daß zu einer Zeit, wo man geneigt war, ihn wie einen Geächteten zu behandeln, der preußische Minister Dohm ihn indirect auf den Gedanken leitete, »in Preußen eine Zuflucht zu suchen«.Fichte's Leben etc. Bd. I, S. 309. Fichte wählte daraufhin Berlin zum Aufenthalt.Der König von Preußen hatte, als ihm über Fichte's Aufenthalt in Berlin referirt wurde, gesagt: »Ist Fichte ein so ruhiger Bürger, als aus Allem hervorgeht, und so entfernt von gefährlichen Verbindungen, so kann ihm der Aufenthalt in meinen Staaten ruhig gestattet werden. Ist es wahr, daß er mit dem lieben Gott in Feindseligkeiten begriffen ist, so mag dies der liebe Gott mit ihm abmachen, mir thut das nichts.« (S. Fichte's Leben etc. S. 324.) In die erste Zeit des Berliner Aufenthalts fällt die Entstehung und Vollendung vorliegender Schrift, die sicher aus dem Bedürfnisse Fichte's entsprungen ist, die widersprechenden Urtheile und die Mißverständnisse, welche seine bisherigen Schriften und der Atheismusconflict hervorgerufen hatten, durch eine gedrängte popularisirende Darstellung seiner theoretischen und praktischen Philosophie zu eliminiren. Er wollte dabei zugleich in anderer Form, als es in der »Appellation« und in den »Verantwortungsschriften der Herausgeber des philosophischen Journals« geschehen war, zeigen, wie grundlos die Beschuldigung des Atheismus war. Die letztere Absicht geht deutlich aus dem Briefwechsel hervor, den Fichte während des Berliner Aufenthaltes mit seiner Gattin, die in Jena zurückgeblieben war, geführt hat.Fichte's Leben etc. Bd. I, S. 311-333.] So schreibt er am 5. Novbr. 1799: »Meine gegenwärtige Schrift wird hoffentlich denen, die nicht Schalke sind – und deren sind doch die wenigsten – die Augen aufreißen; und die Schalke haben dann um so schlimmeres Spiel, weil sie von dem ganzen Publikum auf der offenbarsten Lüge ertappt werden.« Die »offenbarste Lüge« war aber, daß man ihn zum Atheisten zu stempeln, ihn als einen staatsgefährlichen Gottesläugner zu brandmarken versuchte.

Die Schrift gewährt einen »umfassenden Blick auf das ganze System«, sowol auf die Wissenschaftslehre, als auch auf die religiöse Weltanschauung Fichte's, »sie umfaßt in der Summe das ganze System mit dem Keime zu neuen Entwickelungen und bildet daher recht eigentlich den Uebergang zur letzten Periode und deren bedeutsamen Anfang.«Kuno Fischer a. a. O. S. 859.

Fichte dachte über die Schrift, deren Abfassung er mit Eifer und Begeisterung oblag, sehr günstig. Am 20. Aug. 1799 schon schreibt er an seine Gattin: »Ich arbeite fleißig und mit Lust.Daß er fleißig und mit Lust an der Bestimmung des Menschen arbeitete, geht aus dem Briefe vom 28. October 1799 hervor, worin er mittheilt, daß er bereits in 14 Tagen die Schrift vollendet haben will. In demselben Briefe theilt er auch mit, daß er durch Feßler einen günstigen Contract mit dem Verleger abgeschlossen hat (das Honorar betrug nach dem Briefe vom 19. November 1799 500 Rthlr.). Meine Schrift über die Bestimmung des Menschen wird, denke ich, zu Michaelis fertig geschrieben (noch nicht gedruckt) sein, und sie scheint mir zu gerathen. Du weißt, daß ich mit meinen Arbeiten nie zufrieden bin, wenn sie zunächst geschrieben sind, weißt sonach, daß mein eigenes Urtheil über diesen Punkt etwas gelten mag.« – – »Ich habe bei der Ausarbeitung meiner gegenwärtigen Schrift einen tiefern Blick in die Religion gethan als noch je. Bei mir geht die Bewegung des Herzens nur aus vollkommener Klarheit hervor, es konnte nicht fehlen, daß die errungene Klarheit zugleich mein Herz ergriff.« (Brief vom 5. Nov. 1799; Fichte's Leben, Bd. I. S. 330.)

Das Werk erschien mit dem Jahre 1800 im Buchhandel.


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