Carit Etlar
Arme Leute - Erzählungen
Carit Etlar

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4. Pater Peter.

Bim, bam! bim, bam! Das war der Klang, der sich von allen Kirchen- und Klosterglocken der Stadt Ribe die zweite Woche nach Ostern im Jahre der Gnade 1465 vernehmen ließ. Leute standen gruppenweise auf der Straße und fragten und redeten von einem und demselben. Vor dem bischöflichen Schlosse war eine dicke Schicht Haidekraut über das Steinpflaster gestreut, um die Schritte der Gehenden unhörbar zu machen. Die eisernen Ketten, mit denen die Stadtwächter des Nachts die Straße abzusperren pflegten, waren in den letzten zwei Tagen nicht abgenommen worden, und jeder, der an der Wohnung des Bischofs vorüber wollte, wurde nach dem Zwecke seines Ausgehens gefragt.

Was ist denn los? Weshalb läuten die Glocken in einem fort? Weshalb singen sie Messen und brennen Räucherwerk vor den Bildern der Heiligen in den Kirchen? Weshalb gehen alle diese heiligen Prälaten und Mönche, die Hände in die Ärmel gesteckt, langsamen Schrittes und mit weinerlicher Miene vom Kloster zur Kirche und wieder zurück? – Der Bischof der Stadt, der ehrwürdige und gelehrte Herr, Henrik Stangeberg zu Beierholm, liegt im Sterben. Am Montag hatte er seinen Gedächtnistag gestiftet, in Folge dessen von nun an bis zum Ende der Welt für ihn jeden 29. April eine Seelenmesse in der Liebfrauenkirche gelesen werden sollte, in der gelben Kapelle, welche Sanct Lambert, dem Patrone und Schutzheiligen der Stadt gehörte, dessen vergoldetes Bild die Priester bei stürmischem Wetter in Procession nach dem Strande hinabtrugen, damit er die See ausschelten sollte, wenn sie zu hoch über die Wiesen austrat. Hinsichtlich Henrik Stangebergs hatte der Heilige von nun an den Auftrag erhalten, den lieben Gott zu bitten, dem Bischof seine Schuld im Leben zu vergeben und seine Pein im Fegfeuer nach dem Tode abzukürzen. Diese Mühe hatte ihm vor kurzem ein Edelmann mit 40 Mark lübisch bezahlt; Henrik Stangeberg war ein entschlossener Mann, er gab 62 Mark, dann sollte aber die Messe für ihn zugleich in der Kirche der Kreuzbrüder, vor dem Altare des Leibes Christi wiederholt werden. Der gemeine Mann kam billiger zu der Hilfe der lieben Heiligen, aber bezahlen ließen sie sich doch. Für jeden, der im Kirchspiele starb, hielt der Priester eine Seelenmesse, dafür gab die Familie einen fetten Ochsen oder eine Milchkuh; zwei gute Kälber konnten es auch thun, und diese erhielten dann Erlaubnis, am Begräbnistage mit auf den Kirchhof zu spazieren, und wurden vor dem Leichengefolge her geführt, während die Leiche nach der Sitte der Zeit rings um die Kirche getragen wurde, ehe man sie in das Grab senkte.

Gestern erhielt Henrik Stangeberg die Vorbereitung zum Tode; eine große Procession zog mit Räucherpfannen und brennenden Wachslichtern singend aus der Domkirche, um ihm die beiden Sacramente, die Hostie und das heilige Öl zu bringen. Heute sollte ein Kreuzgang durch die Stadt und um den Lilienberg stattfinden, so hieß nämlich der Berg, auf welchem die Domkirche erbaut war. Das war noch ein größeres Fest, also auch noch größere Ursache, die Glocken zu ziehen und zu läuten.

Der Kreuzgang war übrigens ein alter katholischer Gebrauch, der jeden Palmsonntag, Ostertag und Mittwoch vor Christi Himmelfahrt wiederholt wurde und darin bestand, daß sich alle Geistliche aus der Stadt und den nächsten Dörfern zu einer großen Procession vor der Domkirche versammelten, jeder Mönchsorden mit seiner Kirchenfahne und den Reliquien seiner Kirche, oder mit kleinen Schachteln, Krügen, Kokosnüssen, Straußeiern und vergoldeten Monstranzen, in denen die Reliquien verwahrt wurden. Wenn alle versammelt waren, begann die Procession rings um die Kirche zu gehen, von Osten nach Westen, und von da weiter auf das Land hinaus, um Feld und Korn zu segnen, oder nach dem Schlosse hinab, wenn das Fest zu Ehren des Königs statt fand, oder hier und dort hin, wenn es galt milde Gaben für die Kirche zu sammeln. Vor dem Zuge trug ein Mönch ein ungeheures Becken mit Weihwasser, welches er mit einem Wedel über die Menge hin sprengte. Darauf folgten die Domherren in ihren Meßgewändern, welche die Lichter vor den Reliquien trugen, wobei aber eine gewisse Rangfolge beobachtet wurde, so daß sich die kleinen Heiligen, die sich keiner größeren Nachfrage zu rühmen hatten, bescheiden mit einem kleinen Lichte oder einer Lampe begnügen mußten, während vor den großen ein Dekan mit einem dreiarmigen Silberleuchter ging, auf dem drei tröpfelnde Lichter, von denen zu sechs auf das Pfund, brannten.

Je weiter der Zug durch die Straßen vorwärts schritt, eine desto größere Volksmenge schloß sich demselben an, Große und Kleine, Vornehme und Geringe, Zwei und Zwei, alle betend, alle singend, so laut und so gut ein jeder vermochte.

Heute waren an sieben verschiedenen Stellen oder Stationen in einer gewissen Entfernung von einander Kreuze um die Domkirche aufgerichtet, vor welchen die Procession Halt machte und Messe las, ehe sie weiter zog. Die Reliquien befanden sich unter kleinen, auf vier Stangen getragenen Baldachinen und waren von Chorknaben umgeben, die mit ihren Klingeln schellten und Rauchkessel schwenkten.

Einer der Mönchsorden trug ein Holzbild der heiligen Gertrud, der Schwester Karls des Großen, die ihre Kapelle in der Domkirche hatte. Sie wurde auf der Spitze einer hohen Stange gezeigt, in ein rothes Atlasgewand gekleidet, welches unten mit breiten, ausgezackten Goldtressen besetzt war. In der Hand trug sie eine lange weiße Lilie, und um das Antlitz, welches schneeweiß geschminkt war und liebliche, hellrothe Wangen hatte, schwebte ein Glorienschein aus Goldblech, der im Sonnenschein blinkte und strahlte. Sobald der Mönch, der sie trug, eine Strecke gegangen war, blickte er in die Höhe und drehte die Stange, damit die heilige Dame das Vergnügen hätte, sich auch nach der andern Seite hin ein wenig umzuschauen.

Die Sonne leuchtete, der Gesang klang schön und feierlich durch die klare Luft, und der Wind trug den Duft des Weihrauchs durch die Straßen. Der Theil des Volkes, der sich der Procession nicht anschloß, lag die Mauern entlang auf den Knien, einige sogar mit ausgestreckten Armen der Länge nach auf dem Boden. Aus allen Thüren grüßten Frauen und Kinder und schwenkten die Tücher. Die Gucklöcher, welche anstatt der Fenster dienten, waren mit Zuschauern gefüllt. Die Hunde bellten und heulten.

Was der Procession heute etwas besonders Anziehendes gab und die allgemeine Aufmerksamkeit mehr als sonst fesselte, war ein Mann, der allein in dem Zuge ging, unmittelbar hinter den Reliquien. Er trug eine spitze schwarze Mütze und war bis auf die Hüfte entblößt. In der Hand hatte er einen kleinen, dicken hölzernen Griff, an den drei geflochtene Schnüre, jede mit einer ausgezackten Kugel am Ende, gebunden waren. So oft der Zug unterwegs vor den erwähnten Kreuzen oder bei einer der Kirchen Halt machte, begann der Mann sich unbarmherzig mit der Geißel zu peitschen, stöhnte und seufzte, aber peitschte wieder, und die aufgelaufenen und blutigen Striemen, welche die Schläge auf seinem nackten Rücken und Schultern zurückließen, bezeugten, daß er mit Kraft zuschlug.

Dieser Mann hieß Paul Teiste und hatte »in der Hitze und im Eifer« seinen Mutterbruder mit einer Wollscheere todt gestochen; sein Urtheil wurde auf Bitte des Bischofs dahin abgeändert, daß er sich von der Domkirche an durch die Stadt peitschen und darauf eine Pilgerfahrt nach Sanct Jakob in Spanien machen sollte. Auf diese lange Reise durfte er kein Geld zu seinem Unterhalte mitnehmen, durfte auch gute Leute um nichts bitten, sondern nur annehmen, was sie ihm freiwillig geben würden. Das Urtheil hatte noch das Mildernde, daß der Bischof einem jeden, der sich des Sünders annahm, einen vierzigtägigen Ablaß versprach.

Solche Bußübungen waren früher sehr allgemein gewesen. Bei den großen Kirchenprocessionen in Deutschland und Frankreich ging zu der Zeit, da die Geißelbrüder und Begharden noch im Ansehen standen, eine Schaar Büßender an der Spitze des Zuges, entblößte sich bis zum Gürtel und peitschte sich selbst nach Herzenslust. Man fand, daß die Procession durch die Bereinigung des Feierlichen mit dem Anziehenden nur gewann.

Heute hatte Paul auf seine Bitte Erlaubnis erhalten, den ersten Theil seiner Strafe auszuführen, darauf sollte er bis morgen eingesperrt und dann auf die lange Reise geschickt werden.

Vom Lilienberge zog die Menge nach dem bischöflichen Schlosse, um dort Messe zu lesen. Die Reliquien wurden in die Höhe gehoben, nachdem ihr Sammetüberzug abgestreift war. Die Fenster standen offen, Henrik Stangeberg zeigte sich, todtenbleich, entsetzlich mager, von zwei Klerikern unterstützt, seine Augen schienen geschlossen zu sein, sein Kopf war auf die Brust hinabgesunken. Mehrmals versuchte er während des Gebetes das Zeichen des Kreuzes zu machen, aber die Hand glitt matt und kraftlos wieder hinab. Die Mönche sangen, die Leute starrten hinauf, die Leute schwiegen, sie fühlten, daß sie vor dem Tode standen. Noch vor Beendigung der Messe wurde der Bischof wieder von dem Fenster zurückgeführt, er vermochte sich nicht länger aufrecht zu erhalten. Die Procession zog weiter nach der Kapelle des heiligen Kreuzes außerhalb der Stadt und es wurde auf der Straße wiederum still.

Ein Mönch, Blasius hieß er, als Arzt berühmt und erfahren, war aus Leyden verschrieben; er hatte den ganzen letzten Monat in dem bischöflichen Schlosse zugebracht, kam und ging und versuchte an dem Kranken alle seine Kräutertränke, aber ohne jegliche Wirkung. Gleich nach Mittag rief Blasius die Domherren, welche im Vorzimmer um das Crucifix lagen und beteten, in das Gemach des Kranken hinein, sie sollten in diesem ihr Gebet verrichten, der Tod näherte sich, des Bischofs letztes Stündlein mußte bald schlagen.

Henrik Stangeberg lag angekleidet mit geschlossenen Augen und gefalteten Händen in einem hölzernen Lehnstuhle, er wollte nicht zu Bett gehen. Die gebogene Nase schien während der Krankheit länger geworden zu sein, die Augen waren mit einem schwarzbraunen Schatten umgeben, die Lippen bläulich und verzerrt, alles war an dieser Gestalt welk, abgemagert und zerstört, nur seine breite und hohe Stirne verrieth die frühere Bestimmtheit und Kraft des Mannes.

Gegen Abend kam ein Mönch aus dem Kloster der schwarzen Brüder herüber und bat mit dem Bischof reden zu dürfen. Henrik war allein und ließ ihn kommen.

Der Mönch trat schweigend und ängstlich ins Zimmer, seine nackten Füße bewegten sich still und lautlos über den steinernen Fußboden. Er beugte sich über den Kranken hinweg und flüsterte:

»Der hochehrwürdige Vater hat nun alles versucht, was wir zu ersinnen wußten, Arzt und Heilige wurden zu Hilfe gerufen, alles mit gleichem Erfolge; jetzt bleibt nur noch ein Mittel übrig. – Ich habe vergangene Nacht einen merkwürdigen Traum gehabt. Unten in dem Gäßchen an dem Horstorger Thor wohnt eine Frau, Malene Kruk ist ihr Name; es kam mir vor, sie stände vor Ihrem Bette und murmelte Gebete und gäbe Ihnen etwas Pillenartiges ein, was Sie wieder gesund machte. Wollen Sie dieselbe nicht jetzt, wo alle andere menschliche Kunst vergeblich ist, holen lassen und einen Versuch mit ihr machen?«

Henrik Stangeberg blickte empor und schüttelte den Kopf.

»Was sprichst du da?" sagte er leise, »die Malene soll ein schlimmes Weib sein, das sich mit Zauberei und ungöttlichem Wesen befaßt; jetzt bin ich im Stande der Gnade, es würde mir übel anstehen, wollte ich ihre Künste versuchen. – Geh! Du meinst es gut mit mir, ich weiß es, laß mich allein.«

Der Mönch verneigte und bekreuzigte sich, küßte die Decke, welche über den Füßen des Bischofs lag, und verließ das Zimmer.

Wieder verstrich eine Zeit, in der alles still war. Von draußen vernahm man den gedämpften Klang der Glocken, und ein schwacher Schimmer der untergehenden Sonne fiel in das Zimmer. Der Bischof klopfte auf den Tisch, ein alter Mann erschien.

»Ist jemand draußen? – Sie sind wirklich sämmtlich fortgegangen? – Dann führe sie herein, die in der Kammer wartet, und passe gut auf, daß niemand kommt, während sie hier ist. Wenn sie geht, mußt du sie durch die kleine Hinterthür hinauslassen und darauf Acht geben, daß es niemand sieht.«

Der Mann verneigte sich und kam mit einer Frau zurück, auf einen dicken Haselstock gestützt und in einen kurzen braunen Mantel gehüllt, der den obersten Theil ihres lumpenähnlichen Kleides verdeckte. Um ihren Kopf hatte sie ein Tuch gebunden, welches jedoch nicht hinderte, daß ihr einige Büschel ihres ergrauenden und struppigen Haares über die Stirn herabfielen. Ihr Gesicht war rauh und von tiefen Runzeln durchfurcht. Als sie zum Bischof hereintrat und ihn steif und unverwandt anstarrte, ruhte ein Ausdruck von Bosheit und Schadenfreude um ihren eingefallenen Mund.

»Ich erinnere mich Ihrer nicht, Mutter Malene, Sie kam so selten zur Kirche,« sagte Henrik Stangeberg, »aber ich habe von Ihr gehört und Sie rufen lassen, weil die Leute sagen, Sie sei ein kluges und erfahrenes Weib. Kann Sie mir wieder zu meiner Gesundheit verhelfen, so soll Ihr Lohn groß sein und Sie von nun an gute Tage haben.«

Malenens spöttisches Lächeln nahm in dem Grade zu, daß ihre braunen, abgebrochenen Zähne zum Vorschein kamen; sie fuhr fort Henrik Stangeberg anzustarren, antwortete aber nicht.

»Nun, rede Sie doch!« sagte der Bischof ungeduldig. »Weshalb antwortet Sie nicht?«

»Ich stehe da und wundere mich darüber, daß es mit Ihnen so weit gekommen ist, daß Sie bei mir Hilfe suchen müssen, Sie, der Sie doch den klugen Doctor aus fremdem Lande haben, Sie, der Sie Gott und alle Heilige zum Beistand rufen können. – Will Ihnen niemand von denselben helfen? – Nein, die wollen nicht, gnädiger Herr! – – Ich auch nicht. – Wenn ich wirklich über Ihnen Beschwörungsworte sprechen und zaubern könnte, würde meine Zunge doch lieber verfaulen, als daß sie ein Wort hervorbrächte; wenn ich ein Heilmittel, eine Arznei wüßte, würde meine Hand doch lieber verdorren, als daß sie es Ihnen reichte. Während man heute dort unten Messe und Gebete las, stand ich hinter der Ecke und kratzte mit einer Krähenklaue an der Mauer und bat den Teufel, Ihr Herz zu peinigen und zu zerreißen, wie der Krähenfuß den Stein zerriß, um all des Unglückes willen, das Sie über die Meinigen gebracht haben. – Sie wissen nichts von mir zu sagen, – Sie erinnern sich nicht meiner bebenden Stimme, obgleich Sie sie doch schon früher gehört haben. Es war meine Mutter, Sibsel Kryk, die saß am Tage vor Mariä Geburt auf dem Markte und verkaufte Honig. Es wurde bewiesen, daß ihr Honig verfälscht war. Das ist leicht möglich, aber sie verkaufte ihn, wie sie ihn gekauft hatte, das beschwor sie vor Gericht, und Sie sagten, sie schwöre einen Meineid; da war es aus mit ihr. – Sie bat um Gnade, sie schleppte sich über die Steine fort, um Ihre Knie zu umfassen, aber Sie stießen sie mit dem Fuße fort und schüttelten den Kopf. Sie wurde nach Riber Recht berurtheilt, ich weiß es wohl, aber Sie waren doch der Mann, der sie retten konnte, wenn Sie gewollt hätten, es hätte Ihnen nur ein Wort gekostet, als sie sie lebendig unter dem Galgen mit einem Kübel über dem Kopfe vergruben. – Unser bischen Hab und Gut fiel an die Kirche, ihr Mund steht weit offen und kann alles verschlucken; wir irrten umher und bettelten und sangen zum Christfeste vor guter Leute Thür und schliefen öfter auf kahlem Felde als unter einem Christendach. An dem Tage, an welchem sie meine arme Mutter zum Richtplatze schleppten, fuhr der Teufel in mich, mein Gemüth wurde hart und schlecht, und so oft ich seitdem an Sie dachte, wünschte ich Ihnen alle Teufel in den Leib, und so oft ich Sie auf sammetnem Sattel und in rothem Hute vorüberreiten sah, stand ich da und dachte daran, ob denn nie ein Augenblick kommen würde, wo ich Ihnen einen Stein in den Weg legen könnte.

– Da lassen Sie mich jetzt selber holen, – ich könnte Ihnen durch Beschwörung Gesundheit und Kraft wiedergeben, ich geringes Weib kenne die kräftigen Worte, die das Blut stillen und das Schwert stumpf machen und das Feuer löschen, nicht umsonst habe ich mich dem Teufel verschrieben, aber ich thue es nicht. – Sie haben dem Diener den Riegel vor die Thür schieben lassen es kann niemand herein kommen, Sie verboten es ja, ich bin allein bei Ihnen, ich werde Sie binnen kurzem sterben sehen, ich werde Ihnen den Namen des Teufels ins Ohr flüstern, sobald es mit Ihnen zu Ende geht. – Kratz, Krähenklaue, kratz! Als ich zum letzten Male zur Communion ging, behielt ich die Hostie auf der Zunge und spie sie, als ich am Rade auf der Richtstätte vorbeikam, über meine linke Schulter aus, dann gehört man ihm mit dem Pferdefuße. – Weshalb zittern Sie und reißen die Augen so auf, hochehrwürdiger Herr? – Sie möchten gern auf den Tisch klopfen und sie herbeirufen; ach nein, ach nein, wir beide wollen hier hübsch allein bleiben. Kratz, Krähenklaue, kratz, peinige ihn, vergilt ihm jede Thräne, die wir vergossen haben. Umkreise ihn, zwicke ihn, Lucifer, Riese mit der gespaltenen Zunge! – – Sie raste im Zimmer umher, breitete mit seltsamen wilden Geberden die Hände über den Sterbenden aus, redete sich in immer größere Wuth hinein, stöhnte und schnaubte, brach in Gelächter aus und zog den Tisch zurück, so oft Henrik Miene machte, Hilfe herbeizurufen. Ungefähr eine Stunde später klopfte sie an die Thür; die Dämmerung war bereits hereingebrochen und das Krankenzimmer fast finster.

»Ich glaube fast, der gnädige Herr ist in einen leichten Schlummer gefallen,« flüsterte sie demüthig und bescheiden dem alten Diener zu. »Lassen Sie mich nach Hause gehen und einen Kräutertrank holen, bis er wieder erwacht.«

Malene Kryl wurde hinausgelassen, kehrte aber nicht zurück, und Bischof Henrik bedurfte auch keines Kräutertrankes mehr, er war todt. Der Diener fand ihn in dem Stuhle ausgestreckt, mit einem Zuge im Gesicht, als wäre es unter dem Eindrucke eines grauenvollen Vorfalles verzerrt und erstarrt.

Acht Tage später läuteten abermals die Kirchenglocken und aufs Neue zog eine große Procession durch die Straßen, als Henrik Stangebergs Leiche aus dem bischöflichen Schlosse nach der Kapelle Bethlehem gebracht und mit all der feierlichen Pracht, die einem mächtigen Edelmanne und dem ersten Diener der Kirche zukam, beigesetzt wurde.

Damit war er vergessen, und die Domherren versammelten sich gleich nach der Beerdigung im Kapitel, um einen neuen Bischof zu wählen. Jeden Tag kamen sie zusammen, sprachen und verhandelten, ohne einig werden zu können; es war nicht blos die Tüchtigkeit, die sie in Betracht zogen; es waren Familien- und Freundschaftsverhältnisse, es waren vor allem persönliche Interessen, die bei dieser Wahl wahrgenommen werden sollten. Viele und fruchtlose Verhandlungen führten endlich dazu, daß sich die Domherren in drei Parteien theilten, deren jede hauptsächlich dafür kämpfte, die Wahl ihres Candidaten durchzusetzen. An der Spitze der einen stand Hartwig Juel, ein Sohn des Knappen Niels Juel, des Stifthauptmannes in Viborg; er hatte Verwandte bei Hofe und erfreute sich daselbst großen Einflusses. Die zweite Partei stimmte für den Dekan, den ehrlichen Thomas Lange, der ebenfalls einer bekannten adeligen Familie angehörte. Die dritte schloß sich dagegen um den Vorsänger Jep Mundelstrup, einen alten, milden und friedliebenden Mann, der nicht streng darauf hielt, seine eigene Meinung durchzusetzen und bei dem man deshalb um so mehr auf Nachgibigkeit rechnen konnte. Es wurde für und wider geredet, heimlich und öffentlich gewirkt, keine der Parteien war im Stande, sich das erforderliche Übergewicht zu verschaffen.

Eines Tages erhob sich nach einem langen und fruchtlosen Streit im Kapitel Jep Mundelstrup und bat um Gehör. Es war das erste Mal, daß er das Wort verlangte; er saß sonst gern und blickte vor sich nieder und hörte den andern zu, während er die Daumen um einander drehte.

»Jetzt will ich Ihnen die Meinung meines Herzens sagen«, sprach der alte Mann und schaute lächelnd um sich, »wenn Sie mich anhören und meinem Rathe folgen wollen, so weiß ich etwas, das unserm Streit ein Ende machen kann. Es sind hier einige gute Freunde und gelehrte Männer, die, Gott weiß weshalb, ihre Wahl haben auf mich fallen lassen, ich selbst habe nie eine so große Ehre begehrt. Ich bezweifle auch, daß ich einer so hohen Stellung gewachsen bin, deshalb thue ich am besten daran, auf dieselbe zu verzichten: ich will nicht Bischof sein, Sie brauchen sich also um einen weniger zu zanken. Senden Sie ferner Boten nach Roager an der Landstraße nach Tønder; dort wohnt ein ehrlicher und unparteiischer Mann, der Pfarrer Peter Nielsen. Er hat, so viel ich weiß, keine Verwandte, keine Freunde oder Bekannte unter uns; überlassen Sie ihm deshalb die Wahl, und möge der, welchen er bezeichnet, unser Bischof sein.«

Als Jep Mundelstrup dies gesagt hatte, setzte er sich wieder hin und trocknete sich die Stirn mit dem Ärmel seiner Kutte; er hatte lange nicht eine so große Rede gehalten.

Sein Vorschlag erregte großes Aufsehen; es war etwas Neues und Unerwartetes in demselben, etwas, das Plänen und Intriguen Spielraum gab, kurz gesagt etwas, das die ganze Sachlage änderte. – Wer ist Herr Peter? – Von wo stammt er? – Wissen Sie etwas von seiner Familie, seiner Vergangenheit? – – Einer wußte, daß er in dürftigen und ärmlichen Verhältnissen lebte, ein anderer, daß er einen adligen Schild führte, der einen männlichen Kopf mit einem Helme zeigte, ein dritter konnte sich entsinnen, daß er der Universität zu Leipzig angehört hatte. Das war alles.

Ehe die Versammlung endete, wurden die Anwesenden darüber einig, den armen Pfarrer aus der Roager Haide zu holen und den, welchen er wählen würde, zum Bischof zu erheben. Noch an demselben Mittag setzte sich einer der Domherren zu Pferde und ritt zu Herrn Peter.

Damals war Roager noch ein geringes Dorf, einige Häuschen, aus Lehm und Haidetorf zusammengeklebt und in einem Kreise um eine kleine unansehnliche Kirche ohne Thurm und Glocke gesammelt. Das Haus des Pfarrers lag am Ende eines Steindammes, der um den Kirchhof herum ging. Als Herr Peter sein Amt erhielt, baute er einen neuen Flügel an sein Haus und hatte jetzt schon viele Jahre in einer ruhigen und friedlichen Einsamkeit gelebt, ohne sich darum zu kümmern, was in der Welt um ihn her vorging.

In seinem Hause befand sich eine ältere Frau, fett und rotbackig, mit dunklen Augen, schwarzem Haar, dicken vorstehenden Lippen und einem Ausdrucke, der List und Schlauheit bezeichnete. Herr Peter selbst nannte sie seine Haushälterin; allerdings gab es andere, die ihr einen noch vertraulicheren Namen beilegten, aber die Leute redeten nicht gern davon, sondern begnügten sich damit, zu wissen, daß, wer etwas bei dem Pater ausgerichtet haben wollte, sich nur an Maren Spield zu wenden brauchte. Sie war die Frau dazu, alles durchzusetzen, das heißt natürlich gegen eine Anerkennung in der Gestalt eines Käses, eines Topfes Butter oder eines jungen Lämmchens, das hing von eines jeden Belieben ab.

Noch eine dritte Person war in Herrn Peters Hause, ein halberwachsenes Mädchen mit hervorstehendem Bauche, kugelrundem Gesicht, kleinen, funkelnden Augen und einer stets feuchten Nase. Es brachte den größten Theil seiner Zeit in Müßiggang zu, schlug sich mit den Bauerkindern, stahl Obst aus den Gärten, warf mit Steinen nach Enten und Gänsen und jagte die Schafe in den Teich. Es nannte die Haushälterin Mutter und nahm in dem Hause des Pfarrers eine noch zweideutigere Stellung ein als Maren Spield.

Als Domherr Sören gegen Abend in Herrn Peters Hof hinein ritt, fand er alle Thüren offen. Maren stand mit aufgestreiften Ärmeln und blutrothem Gesichte da, beschäftigt Handkäse zu kneten. Der Domherr band sein Pferd an und trat in die Stube hinein wo die kleine Sidsel auf dem Fußboden lag und einen jungen Hund quälte, den sie am Schwanze rings herum zog, ohne sich um sein Jammergeheul zu kümmern.

»Mutter, Mutter!« schrie sie beim Anblick des fremden Mannes.

Maren kam herein, wischte sich die Hände an ihrem Rocke ab und glättete sich das Haar, während sie sich vor dem geistlichen Herrn verneigte.

»Ich komme in amtlichen Geschäften zu Herrn Peter; ist er zu Hause?«

»Pater Peter!« verbesserte Sidsel, die in der anmuthigen Stellung, welche ihr gestattete, die nackten Beine in die Höhe zu schlagen, auf dem Fußboden liegen geblieben war. »Pater Peter!«

»Der Pater sitzt in seinem Zimmer und liest sein Brevier,« erwiderte Maren, »er läßt sich während des Gebetes nicht gern stören. Wen soll ich anmelden?«

»Ich bin in einer sehr wichtigen Angelegenheit von den Domherren in Ribe an Herrn Peter gesandt.«

»Pater Peter!« wiederholte Sidsel auf das Eifrigste und focht mit den Beinen in der Luft. Darauf schrie sie laut weiter: »Peter Pater! Pater Peter! Vater Pater! Pater Vater!«

Der Domherr Sören lächelte wohlwollend der kleinen Unschuld zu. Das machte jedenfalls einen angenehmen Eindruck auf sie und erweckte ihr Vertrauen, denn sie stand auf und ging zu ihm hin. »Der Pater ist nicht in seinem Zimmer, wie Mutter sagt,« bemerkte sie und steckte zwei Finger tief in den Mund hinein, als gälte es einen Versuch, die Zunge fest zu halten. »Er ist draußen im Schweinekoben und stellt Rattenfallen auf. Komm und sieh!« Nach dieser Erklärung führte sie den Domherrn nach einem der Gucklöcher. Von hier sah er Peter Nielsen sich in Hemdärmeln, Kniehosen, herabgefallenen Tuchstrümpfen und großen Holzschuhen in einem abgesperrten Schweinekoben bewegen, dessen Bewohner inzwischen ihre Freiheit erhalten hatten und im Hofe umher galoppirten. Sören lachte. Maren Spield warf dem Kinde ein paar mörderische Blicke zu, die diese dadurch, daß sie ihrer Mutter eine lange Nase machte, ebenso ausdrucksvoll beantwortete. Die Mutter haschte nach ihr, aber die kleine Sidsel versteckte sich hinter den Domherrn, drehte sich im Kreise um ihn herum und fuhr fort mit gellender Stimme zu schreien:

»Pater Peter! Peter Pater! Pater Vater! Vater Pater!«

Als Maren sie endlich ergriffen hatte, zog sie sie mit sich zur Thüre hinaus. Bald darauf klatschte es einige Male heftig und ein zorniges und winselndes Geheul ließ sich vernehmen, welches mit einem anhaltenden Schluchzen endete.

Domherr Sören hatte eine Weile gewartet, als sich Sidsel abermals zeigte; diesmal kam sie draußen die Wand entlang geschlichen und schaute zum Guckloch hinein. Der so eben vergossene Thränenstrom hatte zwei reine Streifen die Backen hinab gebildet; sie lächelte und bohrte ihren einen Daumen in einen großen Apfel hinein. Erst saugte sie den Saft ein wenig heraus und dann reichte sie den Apfel auf der Spitze des Daumens Sören hin.

»Mutter ist dabei, dem Pater das Gesicht rein zu waschen,« erklärte sie inzwischen; »dort stehen sie am Wassertrog. Komm nur und sieh, wie er das Gesicht verzieht, weil sie ihn so hart anfaßt. – Morgen wollen wir Gänse schlachten, dann mache ich mir Schnarren aus den Gurgeln; aber sieh nur, ich habe bleierne Ringe in den Ohren.«

Etwas später trat der Pfarrer mit gesenktem Kopfe, die Hände kreuzweise über die Brust gelegt und unter wiederholentlichen tiefen Verbeugungen in das Zimmer. Während ihm Sören seinen Auftrag mittheilte, wurde Herrn Peters gekrümmte Gestalt gleichsam ein wenig gerader, das Demüthige in seiner Miene verschwand, er nahm eine würdigere Haltung an und legte den Finger gegen die Nase, als ob er sich die Sache noch einmal sagte und überlegte, was dabei zu thun wäre.

»Es ist den Domherren bisher nicht möglich gewesen, in der Wahl einig zu werden,« fügte Sören mit vertraulicherer und gedämpfterer Stimme hinzu. »Es stehen einander zwei Parteien scharf gegenüber, die eine hält zu Hartwig Juel, einem milden und mächtigen Herrn, der am königlichen Hofe in großem Ansehen steht.«

Herr Peter blieb noch immer einige Zeit mit dem Finger an der Nase stehen. Als er seine Stellung änderte, geschah es, um die Hand in die Hosentasche zu stecken und sie, mit Kümmel gefüllt, zurückzuziehen. Er nahm ihn in den Mund und begann zu kauen. Die ganze Stube roch sofort nach diesem scharfen Gewürz. Sörens Gesicht drückte tiefes Erstaunen aus, aber der Pfarrer lächelte und sagte:

»Ich liebe den Kümmel, er thut dem Magen gut und stärkt das Gedächtnis. Das war nun Hartwig Juel,« fuhr er fort, »für wen stimmen denn aber die andern?«

»Die halten es mit dem Erzdiakon, Herrn Thomas Lange, einem Manne ohne sonderliches Verdienst, aber mit einem starken Gelüst, in die Höhe zu kommen und in das Adlernest zu kriechen. Ich besorge nur, er wird sich darin nicht fest halten können.«

»Sie stimmen gewiß für Hartwig Juel,« bemerkte Herr Peter als das Resultat einer tiefsinnigen Überlegung.

»Das thue ich sicherlich. Wie konnten Sie das nur errathen, ehrwürdiger Herr? Juel ist ein Mann, der die Gesinnung dazu hat, für seine Freunde etwas zu thun, wenn er zur Macht kommt, das kann ich Ihnen versprechen.«

»Ei ja, an Versprechungen lassen es die Herren nicht fehlen,« versetzte Peter und warf eine neue Handvoll Kümmel in den Mund. »Was haben sie nicht schon alles versprochen, während ich hier draußen sitze. Einer der Domherren hat mir zugeschworen, ich sollte eine Glocke bekommen, ein anderer wollte unserer Kirche einen kleinen Ablaß verschaffen. Was ist daraus geworden? Hier lassen sie mich Jahr aus und Jahr ein in einem geringen Amte, das mir kaum das Getreide abwirft, das ich jetzt zur Wintersaat gebrauche, seufzen und darben.«

»Dagegen gibt es Mittel; ich will noch heute Abend mit Hartwig Juel darüber Rücksprache nehmen.«

»Ei, aus dem Grunde sage ich es nicht, ich bin nicht der Mann, der nach Gunst und Gaben geht, das müssen Sie nicht denken.«

»Kein Saatkorn!« wiederholte Domherr Sören, »wie ist es doch möglich, daß man auf einen so würdigen Diener des Herrn, wie Sie sind, so wenig Rücksicht hat nehmen können.«

»Wenn das noch das Schlimmste wäre, aber da ist auch nicht ein Viertelpfund Fleisch in unserm Pökelfaß, nicht eine einzige Speckseite in unserm Schornstein. Wo soll das herkommen? Der Bauer hier umher ist arm, er sitzt auf magerem Boden und hat wenig Mittel zu Opfern und Messen.«

»Hartwig Juel wird innig gerührt werden, wenn er diese Schilderung hört, er hat einen offenen Beutel und braucht den großen Wohlstand, den der Himmel ihm geschenkt hat, nur dazu, den Darbenden wohl zu thun. Sollte er so glücklich sein gewählt zu werden, so wage ich mit Gewißheit zu versprechen, daß sein erster Gedanke darauf gerichtet sein wird, Leute wie Sie in eine bessere Lage zu versetzen.«

»Das ist wohl möglich, aber wenn ich Lust zu helfen hätte und mächtig und reich wäre, würde ich nicht warten, Gutes zu thun, bis ich Bischof würde. – Wollen Sie nicht einmal eine Handvoll Kümmel kosten?« fügte er hinzu und nahm sich eine neue Portion. »Versuchen Sie nur, es wird Sie merkwürdig beleben.«

Sören schüttelte den Kopf, indem er fortfuhr: »Sie haben mir eine große Freude gemacht, ehrwürdiger Vater, so offenherzig zu sprechen. Ich darf es doch Hartwig mittheilen, wie es hier steht? Vor morgen Abend wird Ihrer Noth abgeholfen sein. Es ist gerade sein liebster Wunsch, für die armen Klöster und Kirchen hier draußen auf dem Lande zu sorgen.«

»Von einer guten Tonne Bier will ich gar nicht erst reden,« bemerkte Herr Peter, der seinem eigenen Gedankengang folgte und gar nicht zu hören schien, was Sören sagte, »die ist seit Palmsonntag vor einem Jahre nicht in meinem Hause gewesen. – Ach nein, arme Leute wie ich müssen sich mit klarem Wasser oder saurem Most begnügen. Ich habe fast vergessen, wie das köstliche alte Riber Bier schmeckt,‹ versicherte er und schmatzte mit der Zunge.

»Das sollen Sie morgen Abend nicht sagen können,« erwiderte Sören in einem immer eifrigeren Tone. »Aber das Pferd scharrt, es wird dunkel, ich muß eilen, die anderthalb Meilen bis nach Ribe wieder zurückzulegen. Verlassen Sie sich darauf, daß ich mir Ihre Worte gemerkt habe, ehrwürdiger Vater, ich werde danach handeln. Qui pacem habet, se primum pacat! Sie verstehen mich wohl?«

»Ja gewiß, ich verstehe Sie meiner Treu, obgleich ich in den letzten Jahren einen Theil meines Lateins verlernt habe.«

Sören beugte sich näher zu dem Pfarrer herüber, lächelte und flüsterte: »Wer das Kreuz hat, segnet sich zuerst.« Damit grüßte er und verließ die Stube.

Auf der Treppe stand Sidsel mit ihrem Apfel, den sie abermals auf der Spitze des einen Daumens darreichte. Sören wies ihr Geschenk zurück, stieg zu Pferde und ritt aus dem Pfarrhofe. Herr Peter schaute ihm nach und lächelte Maren Spield, die das ganze Gespräch draußen vor der Thür mit angehört hatte, mit großer Befriedigung an.

»Es sollte mich wundern, wenn er uns nicht morgen das Haus voll Lebensmittel schickt,« sagte der Pfarrer. »Das ging gut, was?«

»Es ging an, ja, aber Sie hätten gewiß noch mehr aus ihm herauspressen können, ein wenig Fries oder Leinwand für mich und das Mädel, – etwas baares Geld nicht zu vergessen. Man muß das Eisen schmieden, so lange es warm ist. Ei nun, wir werden ja sehen! – Was meinte er denn eigentlich mit seinem Latein? Was will pacem sagen?«

»Ach, das ist gar weitläuftig, Ihr zu erklären.«

»Ich frage nicht, ob es weitläuftig ist, sondern was es sagen will,« versetzte Maren heftig.

»Es ist ein Sprichwort, welches wir Gelehrte im Munde führen, und stammt von dem Friedenskusse her, welchen die ersten Christen einander gaben, wenn sie zusammen kamen. Später wurde damit Mißbrauch getrieben, und der heilige Vater führte nun bei allen gottesdienstlichen Versammlungen Osculatorien ein. Kann Sie mir folgen? Das Osculatorium ist eine kleine Metallplatte, auch pacem genannt, welche, wie Sie gesehen hat, der Priester während des Gottesdienstes hinhält, um sie von der Gemeinde küssen zu lassen. Sie stellt Christus crucifixus, die Madonna oder einen der lieben Heiligen vor. Einige Kirchen begnügen sich damit, den verzierten Einband des Meßbuches zum Kusse zu reichen, aber der Priester küßt stets zuerst selbst, als derjenige, der vor allem wünscht, des Friedens theilhaftig zu werden. Kann Sie folgen? – Davon kommt das Sprüchwort her: Wer den Pacem, den Friedenspender hat, möge sich selbst zuerst den Frieden geben.«

Maren saß da und gähnte während seiner weitläuftigen Erklärung; es gingen ihr inzwischen ganz andere Gedanken durch den Kopf.

»Nun wird wohl auch der andere Domherr, Thomas Lange, zu uns schicken,« sagte sie, »zeigen Sie mir, daß Sie sich dabei vernünftig benehmen können. Es ist, diese Sache anlangend, noch viel zu besprechen, aber wir thun am besten, damit bis heute Abend zu warten, das Mädchen steht an der Thür und horcht.«

Früh am nächsten Morgen kam ein wohlbeladener Wagen auf den Hof gefahren. Er brachte frisches Fleisch, eine geräucherte Speckseite, einen großen Anker Riber Bier und zwei Maltersäcke voller Saatkorn. Herr Peter schlug entzückt die Hände zusammen, Maren Spield lächelte, Sidsel kreischte.

Im Laufe des Vormittags hielt ein Reiter vor der Thür und fragte, ob Herr Peter zu Hause wäre. Der Pfarrer kam in seinem besten Staate, als hätte er den Fremden erwartet, sofort hinaus.

»Da sehen Sie, was ich sagte,« flüsterte Maren. »Pressen Sie ihn nun tüchtig aus; ich stehe hinter der Thürspalte und horche.«

Herr Peter führte den Fremden in das Zimmer hinein und bat ihn auf der Bank Platz zu nehmen. Es war einer der Domherren aus Ribe. Er ritt gerade in einem Geschäfte des Bisthums durch das Dorf Roager und da konnte er denn dem Verlangen nicht widerstehen, seinen lieben, alten Freund, Herrn Peter Nielsen, zu begrüßen.

»Ja, Sie kennen mich doch, ich bin Oluf Krummedige von Almind; wir haben zusammen studirt, wir beide, in unserer Jugend, da drüben in Leipzig. Ich sehne mich so sehr, wieder einmal von den alten Zeiten zu plaudern.«

»Sie haben übrigens viele Jahre zur Befriedigung Ihrer Sehnsucht gebraucht,« erwiderte Herr Peter trocken. »Sicherlich führt Sie auch wohl noch ein anderes Geschäft zu mir,« bemerkte er forschend.

»Ich will es nicht läugnen,« erwiderte der Domherr und schaute sich um. »Wir reden ja hier unter vier Augen. Es kann doch wohl niemand hören, was ich sage?«

»Reden Sie nur,« versetzte Peter mit einem Blick nach der kleinen Spalte, an der Maren auf der Lauer stand. »Es ist wahrhaftig niemand da, der uns hört.«

»Dann will ich mich kurz fassen, mein liebster Freund und Bruder in Christus. Sie haben in Folge der großen Ehre, die Ihnen die Domherren in Ribe erwiesen haben und allerdings auch keinem Würdigeren hätten erweisen können, in diesen Tagen gewiß fleißig und viel zu denken gehabt. – Sie sollen uns ja einen Bischof wählen, da wir unter einander nicht einig werden können.«

»Ja, das soll ich; gestern war Herr Sören Vind hier und hat mich davon in Kenntnis gesetzt.«

»Dann werde ich mich wohl schwerlich irren, wenn er nicht versuchte, ein gutes Wort für Hartwig Juel einzulegen.«

»Hartwig Juel! Ich kenne ihn nicht, aber nach dem Urtheil der Leute soll er ein sehr trefflicher und mildthätiger Herr sein. Sie dürfen mir übrigens nichts zu seinem Lobe sagen, ich bitte Sie darum, das könnte leicht auf meine Wahl einwirken. Ich will mein Gewissen fleckenlos bewahren und am liebsten als der ehrliche und unparteiische Mann zu Werke gehen, für den man mich hält.«

»Sie mißverstehen mich, lieber Herr Peter, ich beabsichtige durchaus nicht von Hartwig Juel zu reden; er kann ja immerhin brav und gutherzig sein, ei ja, vielleicht! – Gott bewahre meinen Mund! Aber – –« Der Domherr zuckte die Achseln und zeigte mit dem Finger nach der Stirn – »den Riber Bischofsstuhl zu besteigen, dazu halte ich ihn nicht für den rechten Mann.«

»Wer ist es dann, von dem Sie reden wollen?« fragte Herr Peter.

In seinen Fragen lag etwas so Bestimmtes und Rückhaltloses und in allen seinen Antworten etwas so Ausweichendes, daß Oluf Krummedige gezwungen wurde, offen zur Sache zu kommen.

»Soll ich die Wahrheit sagen, so würde es mir nie in den Sinn kommen, Hartwig Juel zu wählen, dagegen ist es meine Meinung, daß – –«

»Ach nein, lieber Bruder, nicht Ihre Meinung verlange ich zu wissen, sondern den Zweck Ihres Besuches, Ihr Geschäft oder Ihren Auftrag. Sie müssen sich am liebsten etwas kurz fassen, denn es erwartet mich jemand drüben im Beichtstuhl.«

»Nun denn, ich habe einen Bekannten, dessen Sache ich gern vor Ihnen führen möchte, es ist der brave Thomas Lange, ein Mann mit einem ehrlichen Namen und wegen seiner Gelehrsamkeit, Gottesfurcht und seiner strengen Sitten weit bekannt.«

Herr Peter schüttelte mißbilligend den Kopf und nahm eine bedenkliche Miene an. »Wir sprechen ja hier im Vertrauen, wir beiden,« sagte er und legte die Hand auf Olufs Knie. »Was ich sage, bleibt unter uns. – Mir gefällt der Thomas nicht recht; er ist gewiß ein kreuzbraver Mann, gelehrt, – nun, lassen wir das gehen, in den Ruf kann man billig kommen, aber er hat einen großen Mund, Versprechungen zu machen, und eine kleine Hand, sie zu erfüllen. Nun wissen Sie es. – Im Frühjahr kam er zur Kirchenvisitation heraus und ich führte ihn überall umher. – Der Sturm hatte die eine Seite unseres Daches hinweggeweht, der Regen tröpfelte in meine Studierstube hinein, ich erklärte ihm meine bedrängte Lage: eine Seuche hatte unsere Schafe fortgerafft, die Kühe standen trocken, das thun sie noch jetzt, wie ich glaube, so daß ich nicht einmal im Stande bin, Ihnen eine Schüssel dicke Milch anzubieten. – Er hörte es, er schrieb es auf und versicherte mit Hand und Mund, von nun an sollte es besser werden, er wollte mir eine eiserne Pfanne verschaffen, um mich im Winter daran zu wärmen, er versprach mir einen Opfertag an einem Hauptfeste, einen Dachdecker für das Dach, einen Zimmermann für den Boden. Was ist aus Sämmtlichem geworden? – Ach, und was für ein Schnee ist im vorigen Jahre gefallen! – Nein, nein, Oluf Krummedige, mein alter Freund von Leipzig her, der spielt doch gar zu leichtfertig mit Worten und Versprechungen. Er kann ja gern einen ehrlichen Namen tragen und Gott fürchten und strenge Sitten haben und Freunde, die sein Lob singen, aber mein Mann wird er nie und er taugt wahrlich nicht dazu, auf dem Bischofstuhl zu sitzen.«

»Das muß sicherlich nur auf einer reinen Vergeßlichkeit beruhen,« versicherte Oluf, »aber so sind die frommen und gelehrten Männer einmal, sie wandeln auf Erden und lenken nur an den Himmel.«

»Vielleicht, aber wenn Herr Thomas sich nicht einmal des Wenigen erinnert, woran er als Domherr zu denken hat, wie würde es dann erst werden, wenn er die Arbeitslast eines Bischofs zu tragen hätte?«

»Ich werde ihn ausdrücklich an seine Worte erinnern, Sie können sich darauf verlassen, und jedes Versprechen, das er gegeben hat, soll erfüllt werden, ehe der Sonntag da ist.«

»Ja, nun müssen Sie nur nicht wähnen, daß ich der Mann bin, der die Gelegenheit benutzt, sich Vortheil oder weltlichen Gewinn zu verschaffen. Davon bin ich weit entfernt. Sie haben gefragt, und ich habe geantwortet, mein lieber Bruder und Commiliton von Leipzig; sehen Sie, das ist alles. – Ich werde übrigens jedenfalls nach der Kirche hinübergehen müssen, wo mein Beichtkind sitzt und wartet. Ich möchte gern die Haushälterin rufen, daß sie Ihnen etwas vorsetzen könnte, was unser geringes und armes Haus vermag, aber sie lief wahrhaftig davon, als Sie kamen, denn sie hat nicht einmal ein ordentliches Alltagskleid, um sich darin zu zeigen. Wir wollen erst gar nicht von ihrem Kinde reden, dem holden, herzigen Mädchen, welches da draußen mitten in der Wasserpfütze steht und schreit und von frühem Morgen bis zum späten Abend die Enten und Gänse hüten muß.«

Der Domherr blickte in der Richtung hinaus, in welcher Herr Peter hingezeigt hatte. Er stutzte. Es war auch eine eigenthümliche Weise, Gänse zu hüten. Die kleine Sidsel stand und stampfte in das Wasser, drehte sich im Kreise herum, hüpfte und sprang mit all der Anmuth, die ihr eigen war. Schlamm und Entengrün flogen nach allen Seiten empor, sie schrie und heulte, was bei ihr der Ausdruck einer glücklichen und ausgelassenen Stimmung war. Überdies schlug sie mit einem Holzschuh in jeder Hand den Takt zu ihrer Musik.

»Friede Gottes, mein theurer Bruder,« fügte der Pfarrer hinzu, »die heilige Jungfrau nehme Sie in ihren gnädigen Schutz!« Damit öffnete er die Thür, als ob er erwartete, der Domherr sollte gehen.

»Sie nehmen es also nicht übel, daß ich in Thomas Lange's Sache mit Ihnen zu reden wagte? Das verspreche ich Ihnen, er wird sich beeilen, seine Vergeßlichkeit wieder gut zu machen. Ich liebe ihn wie keinen anderen, und da ich nun Ihr Bekannter und alter Freund bin und gerade vorbei kam, glaubte ich ein gutes Wort für ihn einlegen zu können.« – Herr Oluf streckte beide Arme aus, umarmte den Pfarrer und flüsterte: »Für die Haushälterin und ihr armes fleißiges Kind wird wohl auch noch ein Stück Garn aufzutreiben sein. Warten Sie nur, Sie werden bald von mir hören.«

»Was für einen weltlichen Sinn Sie doch haben, Herr Bruder, daß Sie an solche Kleinigkeiten denken können,« erwiderte Peter salbungsvoll.

»Sie gehören mit dazu,« versicherte Oluf, »sie gehören mit dazu! – Was ist in dieser Welt klein und was ist groß. Wer das Kreuz hat, segnet sich selbst zuerst, wie das Sprüchwort sagt.« Er stieg zu Pferde und ritt nach Ribe zurück in der Überzeugung, seinen Auftrag wohl ausgeführt zu haben.

Jetzt gab es viel zu thun in dem kleinen Pfarrhause, indem die Bischofswahl bevor stand. Jeden Tag kamen neue Besuche, die alle wichtige Verhandlungen mit Herrn Peter hatten. Jeden Tag kamen auch neue Geschenke an, die von Maren Spield mit großer Bereitwilligkeit angenommen wurden. Die gute Frau war in ihrem neuen Alltagskleide, seidenen Bändern, falschen Schmucksachen und mit einem Gesicht, das in noch lebhafteren Rosenfarben als sonst strahlte, kaum wieder zu erkennen. Sidsel wurde auch nicht vergessen; es traf sich nur unglücklich, daß ihre hübsche Tracht so wenig mit den Neigungen des jungen Herzens in Einklang stand. Das Entengrün der Wasserpfütze, der Schlamm der Torfgrube, der Staub des Weges verwandelten die leuchtende rothe Farbe ihres Kleides bald in eine dunkelgraue.

Den Tag, nachdem sie ihre neuen Schuhe erhalten hatte, saß sie singend draußen auf der Treppe und schnitzte dabei mit einem großen Brotmesser an der Spitze des einen.

»Er ist allzu eng, er ist allzu eng und kneift an den kleinen Zehen,« versicherte sie heulend, als Maren dazu kam und freigebig die üblichen Kläppse zu ihrer Besserung austheilte.

Jedes Geschenk, das in das Pfarrhaus gebracht wurde, nahm Herr Peter mit Dank an, fügte aber jedes Mal die Erklärung hinzu, sie möchten doch ja nicht wähnen, daß er der Mann wäre, der sich durch Gunst oder Gaben bestechen ließe. Er sähe in dem Übersandten nur einen Ersatz, den ihm das Schicksal schuldig wäre, weil es ihn so lange hätte darben und entbehren lassen.

Zwischen dem Pfarrer und der Haushälterin fanden ebenfalls häufige und langdauernde Verhandlungen statt, immer hinter verschlossenen Thüren. Niemand erfuhr je, wovon sie sprachen. Vor den Gucklöchern, wo Sidsel getreulich stand und lauschte, konnte sie jedoch hören, daß es fast beständig Maren Spield war, die in einem befehlenden und belehrenden Tone sprach.

So kam denn der wichtige Tag, nachdem Herr Peter einen Monat Zeit gehabt hatte, sich auf die Wahl vorzubereiten. Er wurde mit einem großen Gefolge von Prälaten und Domherren, von denen ihn jeder besonders anlächelte und ihm seine zuvorkommende Aufmerksamkeit bewies, in Ribe eingeholt. Auf des Pfarrers Antlitz ruhte an diesem Morgen eine tiefe und feierliche Würde; er schien von seiner bedeutungsvollen Aufgabe mächtig ergriffen zu sein. Wenn er sich in dem huldigenden und verneigenden Kreise umschaute, konnte bei ihm freilich auf einen Augenblick ein satirisches Lächeln zum Vorschein kommen; es zog und zuckte um seine Mundwinkel, aber das Lächeln verschwand gleich wieder, und der tiefe Ernst kehrte zurück.

Auf Ribe's Straßen stand das Volk und wartete und stellte sich die Häuser entlang in Reihen auf, während der Zug vorüber ritt; alle betrachteten den kleinen dicken Mann, der an der Spitze des Zuges ritt mit krummen Knien, gewölbtem Rücken und in einem schwarzen Priestergewand, das vor Alter schon ein wenig bräunlich schimmerte, und mit großen röthlichen Schuhen von einer Form wie der zunehmende Halbmond. Jeder war mit der Ursache seines Kommens bekannt, jeder wußte, über wie viele Interessen er heute zu entscheiden hatte.

Vor dem Portale der Domkirche machte der Zug Halt; die Treppe war bis zur obersten Stufe mit Blumen und Zweigen des Wachholderstrauches bestreut. Herr Peter wurde von einer neuen Schaar Domherren empfangen, die ihn auf das Chor führten, wo ihm der beste und vornehmste Platz eingeräumt wurde. Erst wurde Messe gelesen, während der Herr Peter mit niedergeschlagenen Augen und gefalteten Händen da saß. Seine Person hatte sicherlich nie zuvor diesen erhabenen Ausdruck von Majestät und Würde gezeigt. Als die Messe zu Ende war, erhob er sich von seinem Sitze, machte das Kreuzeszeichen und küßte das Brevier, mit dem in der Hand er dagesessen hatte. Darauf schritt er weiter und machte mitten zwischen den beiden Stuhlreihen, auf denen die Domherren saßen, Halt.

»Ich bin hierher berufen worden,« sagte er langsam und deutlich, »unter alle diese wackeren Männer und würdigen Väter, um dem Stifte einen Bischof zu wählen; allein das Wichtigste haben Sie vergessen, mir die Namen derjenigen anzugeben, zwischen denen ich wählen soll. Ich frage jetzt und verlange Antwort von allen, die hier anwesend sind, ob Sie unweigerlich gesonnen sind, denjenigen anzuerkennen, den ich bezeichne und dem ich meine Stimme gebe.«

Während er sprach, glitt sein Blick wie prüfend über beide Reihen fort. Hartwig Juel glaubte ganz fest, daß er ihn bezeichnen würde, aber Thomas Lange nährte freilich dieselbe Überzeugung hinsichtlich seiner Person.

Eine allgemeine Bekräftigung antwortete auf die vorgelegte Frage.

Da erhob Herr Peter seine Stimme und seine kleine Person und rief: »Bei dem heiligen Kreuze und unserer lieben Frau erwähle ich demnach Herrn Peter von Roager zum Bischof in Ribe, denn ich habe in diesen Tagen beständig gelernt und oft wiederholen hören, daß wer das Kreuz hat, sich selbst zuerst segnet.«

Die tiefste Überraschung folgte seinen Worten. Die Domherren blickten einander an, ob sie auch recht gehört hätten, der eine schien immer den Einspruch des andern zu erwarten, sie betrachteten Herrn Peter, der ruhig, zuversichtlich und mit einer Miene in dem runden Antlitz stehen blieb, welche zu erkennen gab, daß er aus voller Überzeugung gesprochen hatte. Seine Mundwinkel vibrirten wieder in diesen kleinen Zuckungen, welche man als eine Anstrengung betrachten konnte, ein spöttisches Lächeln zu verbergen. Endlich brach der Sturm los, es wurde gemurmelt, gesprochen, gerufen, eingewendet und widersprochen. Herr Peter stand, die Hände über das Gebetbuch gefaltet, schweigend, regungslos und fest wie ein Felsen da, der dem Wogengang des Meeres rings um sich her trotzt.

Als die Kirchenglocken zu Mittag läuteten und die Domherren sich trennten, war er zum Bischof in Ribe gewählt.


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