Hermann Essig
Der Schweinepriester
Hermann Essig

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Erster Aufzug

Personen
Der Pfarrer von Miesbach
Hella
Michel
Büttel
Kirchenpfleger
Schullehrer
Ein Schüler
Kirchgänger

Szene: Der Pfarrhof.

Links stehen Scheune und Schweinestall. Zwischen beiden führt ein enger Gang in den Pfarrgarten, dessen Bäume über den Schweinestall heraussehen. Rechts steht das Pfarrhaus, mit ein paar Stufen vor der Haustüre und einer Gartenlaube an der Seite des Hauses vorn an der Rampe; die Laube ist ganz offen, darin Tisch und Bank. Hinten schließt ein Zaun den Hof ab, doch ist aus demselben ein breites Feld in der Mitte ständig ausgehoben. Durch den Zaun hinaus getreten, steht man auf der Dorfstraße, die an der Kirchenmauer entlang führt. Durch die Kirchenmauer führt eine kleine Pforte. Die Kirche selbst steht inmitten der Ummauerung. Was hinten und seitlich noch offen ist, decken die Häuser des Dorfes.

Es ist Sonntags vormittags vor der Kirchzeit. Der Pfarrer, im geschlossenen schwarzen Rock mit weißem Stehkragen, geht zwischen Schweinestall und Wohnhaus hin und her und lernt seine Predigt. Er hält ein weißes, kleines Manuskript in den auf dem Rücken gekreuzten Händen. – – Er bleibt stehen, nimmt die Predigt vor sich und liest laut.

Pfarrer. Da ihr Kinder der Welt seid – – (Er hört allmählich auf und schielt nach dem Schweinestall, worin Mischa grunzt, geht dann wieder zwei Schritte, sieht in das Manuskript, wiederholt laut.) Da ihr Kinder der Welt seid, so verstrickt ihr euch in allerlei ungöttlich Werk und Wesen – – (Er sieht wieder nach dem Schweinestall und redet dem Schwein gemütlich zu.) Mischa! Sei stille! – – – Da ihr Kinder der Welt seid, so verstrickt ihr euch – Mischa! – (Er ruft.) Hella!

Hella (in dem Hause). Herr Pfarrer!

Pfarrer. Hella, sieh einmal nach, was die Mischa hat, sie nottelt in einem fort an der Stalltüre.

Hella (kommt aus dem Hause, werktäglich, im engärmeligen Kattunkleid, blauweiß gesternt, die Haare hängen ihr halb unten; sie spricht im Hingehen zum Stall mit Mischa). Aber, »man« muß doch die Predigt lernen, Mischa! (Sie öffnet die Stalltüre weit.) Was ist denn?

Mischa (hockt mit hochgeworfenem Kopf auf den Hinterbeinen und äugelt sie an).

Pfarrer (grinsend, mit tausend Fältchen um die Dickaugen). Ich möchte wetten, sie weiß, daß ich die Predigt lernen will.

Hella. Jaa, Mischa, du mußt ruhig sein, der Herr Pfarrer will lernen, oder fehlt dir etwas?

Mischa (wirft die Ohren, bäumt rückwärts). Nee.

Pfarrer. Haha. Sie ist wahrhaftig gescheit wie ein Mensch. Ein drolliges Vieh. Glaubst du, daß sie dich versteht?

Hella. Mischa, verstehst du mich?

Mischa (in derselben Weise). Nee.

Beide (lachen).

Pfarrer (seine Lippen lassen die lachenden großen Zähne vortreten, droht mit dem Finger). Mischa, das kann ich dir sagen, wenn du jetzt nicht ruhig bist, komme ich mit dem Stecken und du kriegst keine Rüben heute.

Hella (wirft die Stalltüre zu).

Mischa (stößt zornig dagegen).

Pfarrer. Na, da hör einmal, wie sie stößt! Jetzt hat sie eine Wut. Mischa! Mischa!

Mischa (wird horchend stille).

Hella. Die Mischa mag keinen Sonntag, der macht sie ärgerlich.

Pfarrer. Kein Wunder, man kümmert sich viel weniger um sie, als am Werktag. Sie muß den ganzen Vormittag im Stall sitzen, das macht kein Vergnügen.

Hella. So ist es eben, warum hat sie sich einen Pfarrer zum Herrn ausgewählt.

Pfarrer. Du, du! Mache mir keinen Vorwurf.

Hella (sieht halb lachend, schalkhaft weg).

Pfarrer. Weißt du, meine Predigt die kann ich, ich lasse die Mischa ein bißchen heraus.

Hella (stellt sich rasch abwehrend vor die Stalltüre). Nix da, Herr Pfarrer, »man« muß die Predigt noch besser lernen, »man« bleibt sonst bloß wieder mitten drin stecken. Die Mischa hat sich zu gedulden. Wenn sie dann auf den Abend ein bißchen heraus darf, hat sie auch noch ihr Vergnügen.

Pfarrer. Hella, ein kleines Weilchen?? Ich kann ruhig dabei lernen, während sie außen ist. (Er will sie sanft von der Stalltüre wegziehen)

Hella. Nein! (Sie schüttelt seine Hand ab.) Wenn »man« sich von der Mischa gar nicht trennen kann und sie »einen« beim Lernen stören tut, dann sag ich eben, dann muß die Schweinezucht aufhören. Wenn »einen« das Schwein ständig im Kopf kribbelt, so ist das »einem« nicht mehr zuträglich. Was denken da die Leute! Der Herr Pfarrer hat am verwichenen Sonntag mitten drin in der Predigt aufgehört und hat gar nicht mehr geatmet, bloß um nach der Mischa hinzuhorchen.

Pfarrer. Das hast du dir eingebildet.

Hella. Die ganze Kirche hat ja gelacht. So etwas merken alle.

Pfarrer (dringlich). Darum läßt man die Mischa Sonntags vor der Kirche ein wenig heraus, dann wird sie sich so schön ruhig verhalten während der Kirche.

Hella. Und wie »man« drängt und sich erregt, als ob dem »armen Kind« das größte Unrecht geschähe, wenn es artig sein soll.

Pfarrer. Nein, ich bin absolut nicht schwach und nachgiebig gegen die Mischa, aber ich bringe es nicht fertig, so ein Tierchen zu quälen.

Hella. Das ist für die Mischa keine Qual, sie bleibt drinnen!

Mischa (stößt wütend gegen die Türe).

Pfarrer (heftiger). Aber Hella, so sehr das große Wort führst du schließlich nicht. Geh bitte von der Türe weg, sie soll das eine Mal heraus!

Hella (tritt weg, schmollend). Dann gut, wenn »man« den Eigensinn haben muß, mir kann es gleichgültig sein, ob man »einen« für kindisch hält mit seiner Schweineliebe.

Pfarrer (zögert, Hand am Riegel). Wer hält mich für kindisch?

Hella. Was heißt es denn, wenn die Leute lachen?

Pfarrer. Das heißt höchstens, daß sie sich freuen.

Hella. Aber auf wessen Kosten?

Pfarrer. Das Schwein stellt sich ziemlich billig.

Hella. Man kann freilich mit allem Spott treiben und sich über der Leute Meinung hinwegsetzen, aber man kann nie wissen, ob nicht eine Gefahr daraus entsteht.

Pfarrer. Wie? Eine Gefahr? Mit was? Für wen? (Hält den Riegel bloß noch sacht.) Du könntest es mir immerhin sagen, wenn irgendwie . . . haben denn die Leute schon etwas gesagt? (Läßt den Riegel los.)

Hella. Mir wäre es gleichgültig, was die Leute reden. Aber . . . wenn man Pfarrer ist.

Pfarrer (mit Kopf und Händen redend)^ Nun, was können die Leute reden: daß ich ein Schwein halte, für das ich noch ein Prämium kriegen werde? – Na? Oder nicht?

Hella (sieht ihn fast mitleidig lächelnd an). Die Leute reden eben gar nicht.

Pfarrer (mit kollernden Augen). Was reden sie dann? Du scheinst mir recht nichtswürdig zu klatschen! (Spricht mit kleinen an sich gehaltenen Fäusten.)

Hella (weint). Ich klatsche doch nicht.

Pfarrer. Beim Klatschen weiß man nämlich nie, was man zu viel redet.

Hella. Ich klatsche ja auch gar nicht. (Putzt die Nase in die Schürze.) Da braucht »man« nun doch nichts zu fürchten, von mir, »man« ist nicht mein erster Herr Pfarrer.

Pfarrer (macht ein beschwichtigendes Schrittchen). So? Du klatschst also nicht, dann heule nicht weiter.

Hella. Wenn ich von so was redete, da wäre ich eine große Gans!

Pfarrer. Das glaube ich dir. Aber nun heule deswegen, sei so gut, nicht immer weiter!

Hella. Wenn ich klatsche, dann weiß ich was ich rede.

Pfarrer (die Hand tröstend auf ihr). Das ist recht nett von dir, und ich muß es dir leider noch dankend zurechnen. Doch warum du weinst, wenn ich das Schwein heraus lassen will, das begreif ich nicht. Ich habe ja kein Wörtchen gesagt, das dich beleidigen konnte. Ich wollte dich nur ermahnen, denn wie die Leute sind, das merkst du an ihrem unverständigen Lachen. Es ist vollständig nichtssagend und gänzlich gefahrlos, so lange du dich, als die Hauserin, innig mit deinem Pfarrherrn und der Mischa verbindest.

Hella. Das tu ich auch stets. Aber es ist meine Pflicht, darauf zu achten, daß sich der Herr Pfarrer das Ansehen vor der Gemeinde erhält. Die Leute dürfen nicht merken, daß»einem« das Schwein wichtiger ist als das Amt.

Pfarrer (erschrickt). Das Amt! Gleich das ganze Amt.

Hella. Haja das Amt.

Pfarrer. Bedenke, was du sagst. Das Amt ist doch etwas sehr Heiliges.

Hella. Ja schon. Aber wenn sie den Pfarrer – na ich sage nichts weiter.

Pfarrer. Was: wenn sie den Pfarrer?

Hella. Ha nun, der gottlose Michel hat es aufgebracht.

Pfarrer. Dann sage mir's, daß ich den Michel ins Gebet nehme. Was hat er aufgebracht?

Hella. Ach, ich will's nicht aussprechen. Es käme mir zu dreist vor, das nachzusprechen.

Pfarrer. Aber Hella, du hast die Pflicht, mir nichts zu verheimlichen.

Hella. Nein, ich sage es nicht. Ich will meine Lippen nicht damit entweihen.

Pfarrer. Es wäre mir jetzt viel lieber, du würdest aus deinen Lippen keinen solchen Ochsenmaulsalat machen. Was sagt der Michel?

Hella (trotzig). Ich mache Ochsenmaulsalat.

Pfarrer. Hella, natürlich ist dein Mund etwas Herrliches. Doch wahr sein, offen sein, bis zum Zerbersten, das nenne ich heilig. Also rede!

Hella. Herr Pfarrer, es verleidete einem den ganzen Beruf, wenn ich es sagte.

Pfarrer. So schlimm ist's, was der Michel gesagt hat?

Hella. Bloß ein Wörtchen.

Pfarrer. Also ein Schimpfnamen.

Hella (schweigt).

Pfarrer. Sag mir meinen Schimpfnamen.

Hella. Das werd ich nie tun.

Pfarrer (schwitzend). Das widerspricht aber dem Gebot von Liebe und Treue, die du mir beide halten solltest.

Hella. Nicht um die Erlösung von der Sünd bring ich das Wort in meinen Mund.

Pfarrer. Dann schreib mir's auf! (Hält Manuskript und Bleistift hin.)

Hella. Auch nicht in die Finger nehme ich das Wort.

Pfarrer. Ist es so gemein? – – Und das hat der Michel aufgebracht? Es wird also auch sonst im Orte gebraucht?

Hella. Gottlob, das könnte ich bis jetzt noch nicht behaupten.

Pfarrer. Ha nun, wenn es bloß der Michel sagt, der wohl im ganzen Ort als ein abschreckendes Beispiel gelten mag und auch gelten wird?

Hella (nickt).

Pfarrer. Dann werden hoffentlich die Leute so viel Charakter besitzen, diesen mich verletzenden Ausdruck auch schon aus ihren Gedanken ferne zu halten.

Hella (lächelt). Ja, das sollte man wünschen.

Pfarrer. Tun sie es nicht?

Hella. Herr Pfarrer, was man ferne halten muß, hat man immer schon in den Gedanken.

Pfarrer. Ich versteh nicht.

Hella. Herr Pfarrer, warum haben wohl die Leute am letzten Sonntag so gelacht? (Sie sieht verlegen weg.)

Pfarrer (sehr unruhig). So allgemein ist mein Spottname?

Hella (grinst, im Boden scharrend). Herr Pfarrer.

Pfarrer. Er hängt also mit meiner Schweinezucht zusammen. Schimpft man mich »Schweinezüchter«? Etwa?

Hella (rennt davon, ins Haus). Beinah. (Ab.)

Pfarrer. Hella! (Für sich.) – – Was gibt es denn für ein Wort, das mit Schwein zusammen. hängt? Schweine . . . Schweine . . . Ja so, es muß gemein sein, es muß mein Amt treffen. – Aha! Schweine . . . hahaha! (Rennt mit lebhaftem, rachsüchtigem Blicke umher.) Na wart einmal, Michel, dich belad ich mit einer Sündenlast, daß du Weh und Ach schreist vor dem Flammenschlund der Hölle. (Er hebt sein Käppchen ab, wischt seine Glatze.) So ein Lump! – Na, wegen so einem Höllenlump . . . (ringt nach Luft) wird doch die Würde meines Amtes nicht betroffen werden! Schließlich, was ist ein Schwein! Doch auch ein Geschöpf Gottes! Das werde ich verantworten. Zumal, mancher Mensch ist viel unnützer. – Mischa! (Tritt an den Schweinestall, öffnet.) Du darfst heraus.

Mischa. Nee.

Pfarrer (schlägt die Türe zu). Gut, wenn du drinbleiben willst, dann kann ich dir nicht helfen. Dann aber Ruhe! (Sieht in sein Manuskript, gar nicht bei der Sache.) Also – – da ihr Kinder der Welt seid, so verwickelt ihr euch, so verstrickt ihr euch, so ein Teufelslump verdammter! So verstrickt ihr euch. (Starrt vor sich hin.)

(Aus der Kirche kommt ein Schüler gerannt, langhosig, plumpe Stiefel, nimmt einen sachten Schritt an, steht mit gezogenem Hut zur Seite.)

Pfarrer (knuppert an seinen Fingernägeln, nach einer Weile). Was willst du?

Schüler (leiernd). Herr Pfarrer, einen schönen Gruß vom Herrn Lehrer und ich möchte das Lied holen.

Pfarrer (rasch). »Liebe, die du mich zum Bilde deiner Gottheit hast gemacht, Liebe, dir ergeb ich mich, dein zu bleiben ewiglich.«

Schüler (bleibt unschlüssig stehen).

Pfarrer. Auf was wartest du?

Schüler. Einen schönen Gruß vom Herrn Lehrer und ich möchte das Lied holen.

Pfarrer. Hast du keine Ohren? »Liebe, die du . . . mich zum Bilde«.

Schüler. . . . Die, die, Herr Pfarrer, die Nummer?

Pfarrer. Das weiß er. Ab damit!

Schüler (geht langsam ab, ziemlich dumm geblieben).

Pfarrer (geht mit großen Schritten auf und ab). Ich kann heut nicht predigen. Nicht einmal ein Schwein gönnt man einem Pfarrer, schon zu viel weltlicher Besitz. (Nach längerem Ringen.) Ärgert dich dein rechtes Auge, so reiß es aus! (Blickt, das rechte Auge zukneifend, mit dem linken nach dem Schweinestall.) Jawohl, dich meine ich. Dein fettes Schweineblut soll fließen, daß bloß ein weißer Speckhaufen zurückbleibt!! (Dumpf, unbeweglich.) Hella!

Hella (im Hause). Herr Pfarrer!

Pfarrer (noch immer gleich). Hella, wo wohnt der Schlächter?

Hella (herausgekommen, halb kirchfertig, schwarzseidene Bluse, Unterrock, Haare gesteckt mit bombastischen Pfeilen und Kämmen). Aber Herr Pfarrer.

Pfarrer. Ich vernachlässige mein Amt wegen der Mischa.

Hella (geht absichtlich vor ihn hin, beobachtet seine Miene). Der Herr Pfarrer vernachlässigt das Amt?

Pfarrer. Du sagst doch. (Seine Augen zwinkern, weil ein Lachen über sein Gesicht huscht.)

Hella. Ich habe das gesagt?

Pfarrer. Ja, du. (Wendet sich von ihr ab.)

Hella (vorsichtig). Aber Herr Pfarrer, ich habe nicht gesagt, man soll das Schwein schlachten. Ich habe nur manches Mal schon gedacht, ein klein bißchen weniger sich darum kümmern um die Mischa, das sollte man.

Pfarrer. Nicht darum kümmern, das ist dann Tierquälerei. Dann tu ich sie lieber weg. (Legt den Kopf zurück, blickt gegen den Himmel.)

Hella (geht vor ihn hin). Ja wie, Herr Pfarrer? Die Mischa?

Pfarrer (nickt, seine Augen sind voll Wasser).

Hella (merkt seine Rührung). Herr Pfarrer, die Mischa tut keinem Menschen was zuleide?

Pfarrer (seine Stimme gurgelt). Die Mischa tut keinem Menschen etwas zuleid, aber sie muß sterben. Sterben.

Hella. Herr Pfarrer, da würde ich weinen. (Zwingt sich vergebens dazu.)

Pfarrer. Ja, ich möchte auch weinen. Andere Menschen haben auch Schweine und dürfen sie ruhig haben. Bloß ich nicht. Weil man sie mir mißgönnt.

Hella. Aber Herr Pfarrer, jedermann hat seine helle Freude daran, wie »man« an dem Tiere hängt.

Pfarrer (lallt). Sie lachen!

Hella. Ach, so ist das Lachen ja nicht gemeint.

Pfarrer (sieht sie finster an). Hella!

Hella (verzwungen lachend). Herr Pfarrer, so ernst ist das nicht zu nehmen.

Pfarrer. Meine nur nicht, ich wisse nicht, wie man mich nennt.

Hella (verlegen). So sagt ja bloß der gottlose Michel, der Schnapser, der Nixnutz, der nie in eine Kirche geht, dieser Gottseibeiuns.

Pfarrer (eng auf sie hingetreten). Nun aufrichtig, bloß der Michel oder die ganze Gemeinde?

Hella. Herr Pfarrer, ich bin selber ein Kind dieser Gemeinde.

Pfarrer. Was willst du damit sagen?

Hella. Mir ist die Mischa sehr lieb und wert, ich hänge mit Leib und Seele an dem Tiere.

Pfarrer. Dann darf ich es leben lassen?

Hella. Leben und leben lassen!! Die Mischa soll's ewige Leben haben!! Sie soll alt werden wie »einer« selbst!!

Pfarrer. Ist sie dir nicht zu viel?

Hella (tritt zurück, erstaunt). Wie kommt »man« darauf?

Pfarrer. Ich habe schon gedacht, vielleicht ist es der Hauserin zu viel, was sie immer mit dem Schwein zu tun hat. (Er paßt genau auf Hella auf.)

Hella (rührt sich emsig, geht schleunigst auf den Schweinestall zu). Besorg ich sie nicht gut? Ist die Mischa unzufrieden mit mir? (Macht die Stalltüre auf.) Mischa! hast du mich verklagt beim Herrn Pfarrer?

Mischa (knarfelt mit den Zähnen). Jaa.

Hella. Ja natürlich, du wirst schlecht besorgt von der Hella. So kann ich es freilich verstehen, daß »man« eine andere Hauserin haben will. Das ist aber nicht schön von dir, Mischa, wasch ich dich nicht alle Tage? Kriegst du nicht dein übergutes Fressen? Nimmst du nicht Tag um Tag ein Kilo an Speck zu? Oder ist dir's nicht genug?

Mischa. Nee.

Hella. So, es ist nicht genug? Meinst du, du kriegst deinen Preis nicht zum landwirtschaftlichen Fest? Na, dann muß ich dir halt den Willen tun und dich zum Sonntagmorgen heraus lassen.

Pfarrer. Laß einmal gut sein, sie will nicht.

Hella. Ha nun, dann muß man ein wenig weggehen, dann wird sie in einem Weilchen schon herauskommen. (Tritt vom Stall weg.) Nein, Herr Pfarrer, ich bin der Mischa wohl gesinnt. Nein, das wäre noch schöner, wenn wegen der Mischa Zank zwischen uns käme. Mir liegt wohl am allermeisten daran, daß es dem Herrn Pfarrer nicht verdrießlich wird, das Evangelium zu verkünden.

Pfarrer. Hella, ich weiß nicht, redest du so aus Einsicht oder aus Nachgiebigkeit?

Hella. Ich rede aus Einsicht! Das weiß ich wohl, wie dem Herrn Pfarrer seine Mischa am Herzen hängt, da werde ich nie sagen, wo für die Mischa ein Schlächter wohnt. So dumm werde ich nicht sein. Um der Mischa willen bin ich »einem« gerade noch gut genug. Ich bemerke es wohl, mit welcher Wonne »man« sieht, wie gut ich die Mischa besorge, daß sie preisgekrönt werde – Herr Pfarrer, spekuliert »man« denn überhaupt auf etwas anderes? (Listig.) Ist augenblicklich nicht das Amt Nebensache?

Pfarrer (bekreuzt sich sozusagen). Das dürfte nicht sein.

Hella. Nun lieber Herr Pfarrer, jetzt unter uns. (Leiser.) Wir sind zwei Menschen, die sich nicht belügen sollen. Ich bin zwar kein Heide, aber ist es nicht wichtiger für den Menschen, daß er seine Leidenschaften befriedigt, als daß er einen lästigen Sack Pflichten hinschleppt, der immer schwerer wird?

Pfarrer (bedenklich). Hella!! – Du hattest recht getan, mich an die Wichtigkeit meines Amtes zu mahnen.

Hella. Wenn ich deswegen fliege und der »Herr Gemahnte« in ein trübselig Elend versinkt?

Pfarrer. Dann ist das ein Zeichen. Ich kämpfe sehr in mir, Hella. Muß das Schwein weg? Oder kann es bleiben?

Hella. Das beantworte ich am klügsten nun so, Herr Pfarrer. Kriegt das Schwein den Preis, so darf es leben bleiben. Kriegt es keinen, dann haut man ihm über den Nischel und vernützt es im Haushalte.

Pfarrer. Hella, in wessen Namen redest du?

Hella. In wessen Namen? Ich rede aus dem Verstande und aus dem Herzen.

Pfarrer. Hella, das Schwein ist meine Versuchung. Oder bist es du?

Hella. Ich danke.

Pfarrer (pathetisch, mehr für sich, vertieft überlegend, mit hochgehaltenem Finger). Ein Weib?? Ein Schwein??

Hella. Hör ein Mensch an!

Pfarrer (wiederholt). Ein Weib? Ein Schwein?

Mischa (entschließt sich aus dem Stall zu fallen, sie watschelt zentnerschwer dahin).

Hella. Das schafft mir nun wirklich Bedenken. (Schabt sich das Kinn.) Daß man so hoch geschätzt wird! Und dann, wenn die Mischa vollends den Preis kriegt, dann bin ich gar nichts mehr.

Pfarrer. Es sind ideelle Begriffe.

Hella. Die, bitt ich denn doch schön, möchte »man« nicht so kuttelmutteln.

Pfarrer. Du verstehst mich schwer. (Wendet sich zur Betrachtung Mischas.)

Hella. Oh, ich versteh »einen« schon. Dort läuft sie, hier stehe ich. Es ist eben kein Mitgefühl in »einem«. Ach! Hauserin von so einem . . .

Pfarrer. Na, kommt es voll heraus?

Hella (besinnt sich, dann) . . . . Spekulanten.

Pfarrer. Es wird dir noch einmal auf die Zunge kommen, das Schimpfwort.

(Der gottlose Michel tritt hinter dem Zaune leise, mehr plötzlich als schleichend, auf. Er ist noch unbemerkt. Der Michel hat ein scharfes, verschnapstes, intrigantes Gesicht, er trägt schwarze kurze Lederhosen, ein zerfetztes Wams, aus den Ärmeln sehen lange dünne Handgelenke und Mädchenhände hervor. Die Schuhe, offene Lederpantoffeln, trägt er häufig, zum Beispiel jetzt, in der Hand, wodurch er leicht überraschend nahe kommt. Strümpfe trägt er, aber ohne Fuß.)

Hella (tritt mit Leidenschaft auf den Pfarrer zu). Hat »man« keine Liebe mehr zu mir?

Pfarrer. Was willst du denn? Davon reden wir ja nicht. (Liest.)

Hella (läßt die Arme sinken). Schließlich, wenn man gemeint hat, »einem« alles gewesen zu sein, da sieht man ein Schwein vorgezogen.

Pfarrer (liest setzt eifriger). Störe du nicht den Frieden hier.

Mischa (benimmt sich mit friedlicher Gebärde, den Boden absuchend).

Hella (von weitem, verzückt). Herr Pfarrer! (Sie schüttelt, da er nicht beachtet, den Kopf und sieht auf einmal den Michel, dabei macht sie keine Miene des Erschreckens, sondern sie läßt einfach das zufällig in die Richtung gekommene Gesicht so stehen.) Der Michel!

Pfarrer (leise). Steht er schon lang da?

Michel (räuspert sich – wie er bemerkt wird, redet er sofort los). Guten Morgen, da ist man ja zum Sonntagmorgen beieinander, die ganze Pfarrfamilie.

Mischa (sieht einen kurzen Augenblick hinüber, sucht dann weiter).

Hella (Blick noch auf Michel gerichtet). Ich weiß nicht.

Pfarrer (er tut nun, als stünde der Michel gar nicht da). Richte mir meinen Kirchenrock zurecht!

Hella (unterwegs nach dem Hause). Man hat sich wegen der Mischa ihrem Schnupfen solange aufgehalten. (Ab.)

Michel. Mischa, du mußt wenigstens ein bißchen niesen.

Mischa (schaufelt mit den Hinterbeinen Dreck nach ihm).

Pfarrer (sieht giftig nach Michel, lernt weiter).

Michel (vertraulich). Mischa, wie hast du heute nacht geschlafen?

Mischa (beachtet die Frage nicht).

Michel. Mischa, das nächste Mal bringe ich dir was mit. – Mischa, das nächste Mal bringe ich dir ein Mastpulver.

Pfarrer (zornig). Die Mischa kriegt keine Mastpulver. Sie frißt bloß unsere heimischen Bodenprodukte.

Michel. Soll es nicht auf den Preis losgehen, Herr Pfarrer?

Pfarrer (barsch). Ich weiß nicht.

Michel. Herr Pfarrer, ich habe bisher beim Lammwirt von Ellhofen die Schweine gefüttert und die haben bisher alle Jahre die ersten Preise gekriegt.

Pfarrer. Ich füttere selber.

Michel. Zum Preise durchfüttern, das muß verstanden sein.

Pfarrer. Ich verstehe genug.

Michel. Ich dachte, ich gehe einmal hin zum Herrn Pfarrer und biete meinen Dienst an.

Pfarrer (antwortet nicht, liest scheinbar) – –

Michel. Mischa! Gefällt dir's Predigtlernen?

Pfarrer (plötzlich aufgebracht, mit dem Finger verweisend). Hebe er sich hinweg!

Michel (sieht rückwärts). Wo fliege ich? (Sieht wieder herum) Sehen Sie, Herr Pfarrer, weil es am Glauben fehlt, darum ist es nicht gegangen.

Pfarrer (lernt heftiger, faßt sich).

Michel. Mischa! Ist die Sonntagspromenade neu eingeführt?

Pfarrer (ihn heftig anfahrend). Er geht ja auch am Sonntag genau so schweinemäßig wie am Werktag spazieren.

Michel. Geduld, Herr Pfarrer, mit einem Gliede der Gemeinde.

Pfarrer. Führe er sich zunächst als solches auf.

Michel. Der Herr Pfarrer müßte mich eben ein bißchen anlernen.

Pfarrer. Dann gehe er einmal in die Kirche.

Michel. Wie macht man das?

Pfarrer. Man bleibt daheim bis zum Glockenläuten und zieht sich einen ganzen Rock an, wäscht sich, kämmt sich, rasiert sich. Wenn es dann läutet, erhebt man sich und geht in die Kirche.

Michel. Das wollte ich schon hie und da. Aber jedesmal komme ich am Herrn Pfarrer seinem Schweinestall vorbei, und dann finde ich die Kirche nicht mehr.

Pfarrer. Es ist tief bedauerlich, daß er durch ein Schwein vom rechten Wege verirrt.

Michel. Und der Herr Pfarrer ist mein Hirte und erfindet kein Mittel, mich vor dem Verirren zu behüten.

Pfarrer. Zufällig weiß ich, daß er auch bei meinem Vorgänger nie die Kirche besucht hat.

Michel. Ich habe mich einstweilen bekehrt.

Pfarrer (staunt). Warum geht er dann nicht zur Kirche?

Michel. Ich kann nicht.

Pfarrer. Das Schwein ist seine faule Ausrede.

Michel. Nein, Herr Pfarrer, wenn ich sehen würde, daß der Herr Pfarrer um meinetwillen das Schwein abtäte, dann würde ich gläubig.

Pfarrer. Da ist mir das Schwein lieber als der gottlose Michel.

Michel (mit Eifer und mehr Ernst). Das ist dem Herrn Pfarrer seine Sünde.

Pfarrer. Ist er nicht der gottlose Michel?

Michel. Das will ich nicht ableugnen.

Pfarrer. Steht er nicht manchen Tag aus der Gosse auf, wo er die Nacht verbracht hat völlig betrunken? Ist er da über der Würde meiner Mischa? Sei er kein solcher Säufer, dann will ich seine Bekehrung glauben und die Mischa darangeben.

Michel. Herr Pfarrer, ich bin kein Säufer, ich bin bloß stets voll.

Pfarrer (lacht).

Michel. Es geht meinem Kopf halt wie einem randvollen Gefäß, wenn man da bloß ein Gläschen hineinschüttet, dann läuft es wieder über. Ich bin zum Beispiel jetzt nüchtern.

Pfarrer. Haha.

Michel. Wenn ich nun in den Anker gehe, dann ist es wieder für den ganzen Sonntag geschehen, dann torkele ich umher und bin gänzlich hinüber, aber bloß von einem Gläschen.

Pfarrer. Laß er doch einmal das Gefäß verdunsten, dann kann er mehr vertragen.

Michel. Ich will ja gar nicht mehr trinken, Herr Pfarrer.

Pfarrer. Das soll er ja gar nicht, aber das eine Gläschen wird dann das Gefäß nicht mehr gleich überfüllen.

Michel. Ich habe es schon probiert, aber das im Kopf verdunstet zu langsam.

Pfarrer. Kann er das Gefäß nicht mit einem Mal ausschütten?

Michel. Ich kann in meinen Kopf kein Loch bohren, Herr Pfarrer.

Pfarrer. Wenn an seinem Zustand nichts zu ändern ist, dann hat er auch kein Recht, an meinem Schweine zu kritisieren.

Michel. Soll ich mich aufhängen? Soll ich mich an einem Baumast aufhängen?

Pfarrer. Wenn er einmal so endet, so ist dafür kein Mensch verantwortlich zu machen. Verschreib er sich nicht dem Teufel mit Schnaps und Karten, dann hat er keine Gewalt über ihn.

Michel. Trotzdem hat mich der Teufel noch nicht geholt. Ich bin eben noch zu gut für ihn.

Pfarrer. Vielleicht hat ihn auch der Teufel zu seiner angenehmen Wohnung ausgesucht.

Michel. Es ist erst noch wahr, Herr Pfarrer. Der Teufel hatte einmal bei mir Wohnung genommen. Aber da habe ich so viel gesoffen, daß es aus des Teufels Wohnung das ganze Mobiliar davongeschwemmt hat. Da hatte er keinen Stuhl mehr zum Sitzen. Da ist er aus mir ausgefahren und in des Pfarrers Schwein hinein. Haha.

Pfarrer (vergnügt). Da ist der Teufel wenigstens gut aufgehoben.

Mischa (verläßt den Hof, geht in den Winkel zwischen Scheune und Schweinestall, worin sie verschwindet).

Pfarrer. Wenn ich nun der Mischa, so wie er will, den Kopf abschlüge, dann wäre bloß Gefahr, daß der Teufel zum Michel zurückkehrte.

Michel. Herr Pfarrer, Sie sind gut studiert. Aber ich möchte den Rat geben, den Teufel namentlich am Sonntag gut einzusperren, sonst läuft er unter die Gemeinde. Hähä! (Geht lachend weg, am Zaun vorbei, schlüpft in seine Pantoffeln, ab.)

Pfarrer (sieht sich um). Wo ist die Mischa? (Sieht in den Stall tief hinein, schlägt gedankenlos die Türe zu, rennt durch den Hof.) Mischa! (Brüllt ins Haus.) Hella! Wo ist die Mischa? (Fährt mit der Hand über den rot angelaufenen Kopf.)

Hella (kommt kirchfertig heraus, sie hat setzt den Rock an, das Gesangbuch in der Hand). Hat man schon im Winkel nachgesehen?

Pfarrer (schießt vorwärts). Im Winkel? (Atmet auf.) Richtig, da ist sie.

Hella. Warum ist »man« denn so aufgeregt?

Pfarrer. Ich dachte, sie sei entlaufen.

Hella. Die Mischa nimmt doch stets den Lauf in den Winkel!?

Pfarrer. Der Michel hatte mich mit seiner gottlosen Rede so von der Aufmerksamkeit abgezogen. Im Augenblick war mir's wie beim Erwachen aus dem Schlaf.

Hella (sieht ihn prüfend lächelnd an). Sollte man sie lieber wieder einsperren?

Pfarrer. Ich weiß nicht, Sonntags, – müßte sie vielleicht doch lieber im Stall gehalten werden.

Hella. So meinte ich ja auch.

Pfarrer. Weißt du, zum Lernen der Predigt würde ich auch besser in meinem Zimmer bleiben, damit ich gar keine Gedanken habe, was die Mischa wünscht.

Hella. Freilich, man hat mehr Sammlung.

Pfarrer. Wenn ich dann innen lernte, so könnte Mischa wohl außen sein, nur müßtest du dich dann künftig so gänzlich um Mischa bekümmern, daß ich nicht im geringsten die leiseste Störung durch sie erleide.

Hella. So wollte ich es immer. Aber »man« war dann immer so mißtrauisch, ob ich auch genügend acht gebe.

Pfarrer. Nur dann kann die Vorbereitung auf die Predigt ersprießlich werden. Nicht wahr? Du bleibst ganz bei der Mischa?

Hella. Natürlich, zu ihr in den Stall sitzen kann ich nicht.

Pfarrer. Es ist ganz vorwurfslos von mir gesagt heute. Du mußt dir das nur für den kommenden Sonntag schon jetzt merken, daß es wenigstens heute das letzte Mal war, wo ich gestört wurde.

Hella (geht mürrisch dem Winkel zu). Nun soll wohl die Mischa wieder herein?

Pfarrer. Oh, sei jetzt nicht ärgerlich mit der Mischa. Sie ist ewig unschuldig.

Hella. Freilich, freilich, die Mischa ist ein Engel. Soll sie herein?

Pfarrer. Ein Teufel ist sie jedenfalls nicht. Bringe sie ein.

Hella (verschwindet im Winkel).

(Man hört Mischa laut grunzen, der Pfarrer steht am Eingang des Winkels und beobachtet das Einfangen, hat die Hand in den Rock gesteckt, um auf die Uhr zu sehen. In dieser Stellung verharrt er.)

Pfarrer. Das arme Tier! Jetzt kriegt sie womöglich Stöße und Püffe.

(Ein Trupp sonntäglich gekleideter Männer versammelt sich vor der Kirche, sie grüßen und lüften die Hüte. »Guten Morgen Herr Pfarrer«.)

Pfarrer. Guten Morgen, Guten Morgen! (Streng.) Hella! (Er verschwindet im Winkel.)

(Die Männer lachen nicht. Die Kirchenglocken beginnen. Die Männer gehen in die Kirche, bald entwickelt sich der Kirchgang des ganzen Dorfes.)

Hella (kommt aus dem Winkel gerannt).

Pfarrer (rennt hinter ihr).

Mischa (streckt als Zuschauer den Kopf aus dem Winkel).

Hella. Warum soll ich mich mit dem eigensinnigen Schwein herumärgern! Da, »man« sehe. fast alle Leute sind schon in der Kirche.

Pfarrer (hält sie fest, schwitzt vor Angst). Du kannst unmöglich mitten drin weglaufen. (verzweifelt.) Man kann die Mischa während der Kirche nicht frei umhergehen lassen, sie wird gestohlen.

Hella. Gott mit dem Dieb! »Man« braucht kein Schwein.

Pfarrer (wütend). Hella, du fliegst!

Hella (ihrerseits wütender, macht kehrt zum Schwein). Du Luder!

Mischa (flieht wieder in den Winkel zurück).

Hella. Wenn du jetzt nicht hereingehst, reiß ich dich an den Ohren! (Ab.)

Pfarrer (verzweiflungsvoll genehmigend). Ja wohl, dann reißt man dich an den Ohren, Mischa! (Ab in den Winkel.)

(Ein altes zittriges Weib und eine Junge treffen von verschiedenen Seiten kommend unter der Kirchtüre zusammen. Die Glocken haben ausgeschwungen, die Orgel brummt.)

Die Junge (rasch). Guten Morgen.

Die Alte (langsam). Guten Morgen.

Die Junge (wartet auf die Alte). Seid Ihr auch wieder wohlauf?

Die Alte (mühselig schnaufend). Jaja, so schön heute.

Beide (ab in die Kirche).

Pfarrer (kommt gerannt). Ich muß mich fertig machen. (Ruft zurück.) Sorge vollends, daß die Mischa hereinkommt.

Hella (unter dem Winkel zum Vorschein kommend). Vollends. Von vollends ist noch gar keine Rede. Das kann noch eine Stunde dauern.

Pfarrer. Ja, Liebe, es tut mir leid.

Hella. Mir tut es auch leid.

Pfarrer. Da sieh du zu! Ich habe sie nicht herausgelassen. (Ab ins Haus.)

Hella (wartet nur, bis er ganz fort ist). Na, heute war ich zum letzten Mal so gutmütig. (Geht zum Schweinestall rasch hin und holt die Peitsche aus der Futterkammer.) Und ich hole für meine Mischa einmal die Peitsche. So. (Unter dem Winkel.) Kommt man nun gutwillig, Mischa?

Mischa (kommt angerannt).

Hella. Siehst du die Peitsche?

Mischa (rennt kreiselnd und grunzend durch den Hof, hopft vor der Stalltüre, da sie zu ist, rennt sie weg). Nee, nee.

Hella (knallt mit der Peitsche). Wer hat auch die Stalltüre zugemacht?

Mischa (rennt zum Hof hinaus, hinein ins Dorf).

( Hella läßt einen Augenblick die Peitsche sinken, aus der Kirche tönt jetzt der laute Gesang der Gemeinde. Der Pfarrer tritt unter die Haustüre im Kirchenrock, die Bücher im Arm.)

Pfarrer. Elende Kreatur!

Hella. Wer?

Pfarrer. Hast du sie denn gehauen?

Hella. Soll man die nicht hauen? Da rennt sie ins Dorf hinein!

Pfarrer. So renne ihr nach, aber doch liebevoll, liebevoll, nur liebevoll!

Hella. Ich werde ihr liebevoll. eins überziehen. So was ist mir ja früher niemals vorgekommen. (Folgt Mische)

Pfarrer. Oh, erinnere mich nicht an meine Vorgänger! Die haben dich auf dem Gewissen.

Hella (halb entschwunden). Mischa! Du Sau!! Wirst du daher kommen! (Ab.)

(Der Polizeidiener zieht auf zur Kirchenwache.)

Pfarrer (unter dem Hofausgang). Kann ich denn nun in die Kirche?

Büttel (grüßt, sticht auf). Guten Morgen, Herr Pfarrer.

Pfarrer (lüftet leise das Barett).

Büttel. Ist die Mischa ausgegangen, Herr Pfarrer?

Pfarrer (unangenehm berührt). Ja.

Büttel. Es ist ein bißchen zur ungeschicktesten Zeit, Herr Pfarrer.

(Der Michel kommt mit lautem Hohnlachen.)

Michel. Der Pfarrer hat eine Treibjagd während der Kirche! Hahaha.

Büttel (ihm entgegen, aufhaltend). Halt dein Maul! Michel.

Michel (bleibt schwankend stehen).

Büttel. Nimmst du den Hut ab, gottloser Michel!

Michel (grinst den Pfarrer an, Hut in der Hand). Herr Pfarrer, wenn ich ein wenig mit einfangen dürfte?

Pfarrer (scherzend). Diesmal hätte ich dem Michel folgen sollen und den Teufel einsperren müssen.

Michel. Ei Herr Pfarrer, wir fangen das Schweinchen. Da wird der Teufel keinen langen Sonntag machen.

Pfarrer. Wenn er so hilfreich sein will, dann . . .

Michel. Es ist dem Herrn Pfarrer sein Glück, daß ich kein Kirchgänger bin. (Schiebt vorwärts, schlenkert die Schuhe hinaus, die er unterwegs aufhebt.) Ich werd die Pfarrsau fangen! Juhu! (Ab.)

Pfarrer. Polizeidiener, Sie könnten die Stalltüre öffnen, damit sie dann schnell herein kann.

Büttel. Ich will gerne tun, Herr Pfarrer, was ich dabei tun kann. (Er geht hin und hält die Stalltüre offen.)

Pfarrer. Haben Sie vielleicht gesehen, hat meine Hauserin die Mischa mit der Peitsche gehauen?

Büttel. Das habe ich nicht entdecken können, Herr Pfarrer.

Pfarrer. Sie könnten ihr vielleicht folgen. Sie scheint das Tier zu mißhandeln.

Büttel. Herr Pfarrer, es soll ihr kein Leid geschehen! (Aufstechend, ab.)

(Der Kirchengesang hört auf, es brummt nur noch die Orgel. Der Schüler kommt wie früher.)

Pfarrer (nervös). Ist das Eingangslied schon zu Ende?

Schüler. Herr Pfarrer, einen schönen Gruß vom Herrn Lehrer, ob der Herr Pfarrer komme oder ob man das Lied noch einmal von vorne anfangen soll?

Pfarrer. Ein neues Lied. Nummer dreiunddreißig.

Schüler (will fortrennen). Dreiunddreißig – (Hält wieder.) Herr Pfarrer, das hat man gerade gesungen.

Pfarrer. Dann Nummer sechsundsechzig.

Schüler (rennt fort). Nummer sechsundsechzig.

Pfarrer (nach einer Weile). Heh! – Na, der Esel hört nicht. Hahaha. Sechsundsechzig ist ein Tauflied. Oh Bocksunglück!

(Der Kirchengesang beginnt von neuem. Der Kirchenpfleger kommt aus der Kirche schnaufend, Verlegenheitsasthmatiker mit Brille, ist überrascht, den Pfarrer stehen zu sehen.)

Kirchenpfleger (mit schmeichelndem Wesen). Herr Pfarrer, so kommt der Herr Pfarrer? Ich wollte schon nachsehen, ob der Herr Pfarrer unwohl geworden ist?

Pfarrer. Singt ruhig weiter, ich werde schon kommen.

Kirchenpfleger. Weiß es der Herr Pfarrer nicht? Der Eingang ist schon zu Ende.

Pfarrer. Freilichle weiß ich's, lieber Herr Kirchenpfleger. Singen Sie nur noch einmal eines mit, dann bin ich da.

Kirchenpfleger. An was hängt's denn? Herr Pfarrer.

Pfarrer. Oh leiderle durchgegangen!

Kirchenpfleger (erschreckt). Die Hauserin?

Pfarrer. Oh nein. Wir leben im größten Frieden.

Kirchenpfleger (sein Gesicht grinst wieder). Die Sau? Hä hähä?

Pfarrer. Oh ja! Die Mischa.

Kirchenpfleger (will gleich in die Kirche zurückkehren).

Pfarrer. Herr Kirchenpfleger, sagen Sie es zunächst niemand.

Kirchenpfleger. Herr Pfarrer, was man eben in der Kirche redet, bloß Frömmlichkeiten. (Ab.)

Büttel (kommt zurück). Ist sie nun da, Herr Pfarrer?

Pfarrer (beunruhigt). Wer? da? Niemand ist da. Sie sehen ja, daß ich noch warte.

Büttel. Da kann ich nicht viel machen. Ich habe sie aus den Augen verloren.

Pfarrer (besorgt). Ich dachte, Sie fangen auch ein bißchen mit ein.

Büttel (sich entschuldigend). Es ist während der Kirche, Herr Pfarrer, da bin ich daher befohlen.

Pfarrer. Na ja, ein bißchen. Haben Sie überhaupt etwas gesehen?

Büttel. Von einer Mißhandlung? Es war schon zu spät.

Pfarrer. Wie? Zu spät? Zu was zu spät?

Büttel. Sie kommen schon zurück.

Pfarrer (aufatmend). Mann Gottes! Das ist mehr, als ich zu erfahren hoffte.

Rufe. Hoia! Hoia! Hoia!

Pfarrer. Achtung! Polizeidiener, in den Hof, in den Hof! Ich bleibe hier stehen. Stehen Sie? Achtung!

Mischa (rennt in den Hof).

( Hella und Michel kommen scharf hinter ihr. Michel toll vergnügt, Hella außer Atem. Sie wirft die Peitsche auf die Straße hin.)

Hella. Ich kann nicht mehr.

Pfarrer. Aufgepaßt, aufgepaßt! Sie kehrt um!! Polizeidiener! Hella!! Michel!!!

Mischa (rennt in den Kirchhof, watschelt dann, da sie nicht weiter verfolgt wird, gemütlichen Hinterteils weiter der Kirche zu).

Pfarrer. Oh jerum!

Alle (stutzen).

Michel (lacht plötzlich unbändig). Das hat noch gefehlt! Haha!

Pfarrer (endlich). Hella, was hast du da gemacht?

Hella (verfällt in einen Weinkrampf). Ich? Ich?

Pfarrer. Nein. Der Polizeidiener war der Schafskopf.

Büttel (wehrt sich milde). Herr Pfarrer, was in der Sache in meiner Kraft stand.

Pfarrer. Hella! So höre mich an! Ich werde nun in die Kirche gehen, raffe dein Letztes zusammen und stelle du dich im Hofe auf. Polizeidiener rechts, Michel links auf der Straße, dann werde ich sie bald haben.

Hella (geht ins Haus). Ich kann die Schmach nicht erleben. (Ab.)

Pfarrer (stürzt ihr nach). Hella, ich beschwöre dich, diese eine Hilfe werde ich dir mit einem Goldstück belohnen. (Die Haustür fällt vor ihm zu.) Polizeidiener! (Verändert.) Wenn jemand ein Lied verlangt, geben Sie einfach Befehl »Weitersingen«. (Ab ins Haus.)

Büttel. Das wird geschehen, Herr Pfarrer. (Der Gesang verstummt, die Orgel schweigt.)

Büttel. So eine Frechheit, nun einfach zu schweigen.

Michel. Das ist eben auch kein Verhalten von einem Pfarrer.

Büttel. Ruhe hier. Es ist Kirchzeit.

Michel. Und wenn dem Pfarrer sein Schwein im Orte herumsaut, das ist in der Ordnung? Ist das keine Ruhestörung während der Kirchzeit?

Büttel. Das ist eine Sache für sich. Diese geschieht im Interesse der Wahrung eines gefahrlaufenden Besitzes.

Michel. Daß du ein Schafskopf bist, hat der Pfarrer selber gesagt.

Büttel. Willst du mich beleidigen?

Michel. Ach, du meinst, wenn er zu dir Schafskopf sagt, so spricht er als der gute Hirte?

Büttel. Dazu ist der Herr Pfarrer berechtigt, die Titel aus seiner Erhabenheit zu verleihen.

(Der Schullehrer kommt mit bedächtig wackelndem Gang und zitterndem Cholerikerkopf, ein langer, igelborstiger Alter in schäbigem Gehrock in gestickten Pantoffeln, die bei jedem Schritte krachen.)

Lehrer. Können Sie mir sagen, wo der Herr Pfarrer bleibt?

Büttel. Weitersingen, hat der Herr Pfarrer befohlen.

Lehrer. Wir haben zwar schon zwei Lieder gesungen, aber ich lasse weitersingen.

Michel. Habt ihr noch keinen Gast in der Kirche?

Lehrer. Was meinen Sie?

Büttel (zum Michel, dem er den Mund zuhält). Halt das Maul! Halt dein Maul! Weitersingen.

Lehrer (macht Kehrt). Soeben haben wir ein Tauflied gesungen, ich werde somit am besten jetzt ein Sterbelied erwählen. (Ab.)

Michel (der endlich das verdeckte Maul frei kriegt). Wenn nun die Sau in die Kirche hineingeht?!

Büttel. Das ist eine Sache für sich, – die dich wiederum nichts angeht.

Michel. Wenn er den Teufel in die Kirche seiner Gemeinde schickt!

Büttel. Du sollst jetzt ruhig sein mit deinen Lästerungen, sag ich. Es ist Kirchzeit.

(Kirchengesang)

Michel. Sieht man's jetzt nicht, daß in der Pfarrsau der Teufel innewohnt?

Büttel. Das ist zu viel.

(Sie prügeln sich. – – Schließlich zieht der Büttel blank, worauf Michel die Peitsche gewandt aufhebt.)

Büttel (mit vorgestrecktem Bajonett, in Haltung). So jetzt, was willst du?

Michel. Stoß zu!

Büttel. Wenn mir dein Blut nicht zu versoffen wäre. Wenn ich dich stäche, da liefe der Schnaps weg!

Michel. Du bist so verhungert, daß die Peitsche nicht einmal einen Striemen hinterließe.

Büttel. Versuch's!

Michel. Versuch's!

Büttel. Wer hat die Macht?

Michel. Wer ist im Recht?

( Pfarrer mit Hella, die er am Arm führt, aus dem Hause.)

Pfarrer. Da stell dich hin, Hella. Gibst recht Obacht, Liebe. Willst du's tun?

Hella. »Man« gehe und probiere!

(Der Kirchengesang bricht jäh ab. Ein dröhnendes Gelächter kommt aus der Kirche.)

Alle. Holla! Was ist das?

Pfarrer. Jetzt ist sie im Schiff der Kirche!!

Hella (schlägt die Hände flehend zum Himmel).

Pfarrer (im Vorbeirennen). Was kämpft ihr? (Ab in die Kirche.)

Hella. Der gute Mann hat es dahin gebracht, daß es aufhören muß, aufhören muß, muß!

Michel. Jungfer, das ist recht gut. Das kann der Teufel nicht brauchen, so eine Zwittergeschichte. Entweder ist er Pfarr oder ist er Züchter.

Büttel. Das ist das Schöne an unserm Herrn Pfarrer, das Vorbild, das er der Gemeinde ist, auch im Tierleben. Es sind schon viele Rohheiten gewichen aus der Gemeinde.

(Unter lautem Geschrei wälzt sich die Menge aus der Kirche. Das Schwein stürzt voran, scharf dahinter der Pfarrer im fliegenden Kirchenrock. Er entreißt im Vorbei dem Michel die Peitsche und brennt Mischa ein Dampfendes über den Speck, so daß sie laut aufschreit, er prügelt saftig und saftiger. Die Menge staut sich unter dem Tor, wird stumm.)

Pfarrer. Ich will dir den Teufel austreiben! (Die Stalltüre fliegt zu, Mischa ist drinnen)

Die Leute (wenden sich leise gegen den Pfarrer). Warum denn so unmenschlich? Herr Pfarrer!

Pfarrer (ab ins Haus, die Türe knallt).

Die Leute (werden murrender). So ein armes Tierchen! So zu hauen!

Michel (durch die vorgehaltenen Hände laut aus voller Kehle). Schweinepriester!!

Hella (steht inmitten des Hofes erschüttert).


(Vorhang.)


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