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Herr Bernhard von Ventadour war schon in jungen Jahren ein berühmter Dichter und war überall in der Provence auf den Schlössern bekannt unter dem Beinamen des zierlichen Troubadours. Er war in der Burg Ventadour geboren und war von geringer Herkunft, denn sein Vater war ein niedriger Diener des Vizegrafen von Ventadour, der Bäcker, welcher den Ofen heizte und das Brot buk. Sein Herr, der Vizegraf, aber schätzte ihn sehr hoch wegen seiner Dichtkunst und erwies ihm viel Ehre.
Nun geschah es, daß der Vizegraf sich verheiratete mit einer jungen, frohen und ehrbegierigen Jungfrau. Auch der Vizegräfin gefielen die Lieder Bernhards, und sie bat ihn, daß er Lieder auf sie selber dichtete als auf seine Geliebte, wie es die Sitte damals war; denn die Dichter gaben vor, in ihre Herrin verliebt zu sein, priesen ihre Schönheit, Tugend und Verstand und klagten, daß ihre Liebe nicht erhört werde; es wußte aber jeder, daß diese Liebe nur ein Vorgeben war und die Gedichte nur zum höheren Ruhm der Dame gedichtet.
So dichtete Bernhard nun seine Lieder auf die Dame, und diese Lieder wurden durch das ganze Land bekannt, und jeder wußte, daß sie der Dame von Ventadour galten.
Nun hatte die Frau Vizegräfin eine Dienerin, welche ihr besonders vertraut war, mit Namen Maria. An einem Morgen saß die Vizegräfin auf ihrem Stuhl und lehnte sich zurück, und Maria flocht ihr die langen und blonden Zöpfe. Da fühlte die Vizegräfin, daß ihr eine Träne auf den Kopf fiel; sie drehte sich erstaunt um, und da sah sie, daß Maria weinte. Sie fragte, was die Dienerin habe, aber lange erhielt sie keine Antwort. Erst nachdem sie vielfach gedrängt hatte, sagte ihr Maria, daß sie verliebt sei, und zwar in Bernhard, aber Bernhard sehe sich nicht einmal um nach ihr, denn sie sei ihm zu gering, denn Bernhard habe seine Liebe höher hinaufgerichtet, ganz hoch.
Die Vizegräfin krauste die Stirn und verbot dem Mädchen solches Geschwätz, die aber nahm die Schürze vor die Augen, schrie laut auf und verließ so das Zimmer.
Nun ließ die Vizegräfin Herrn Bernhard vor sich kommen und sagte ihm, er sei nun in den Jahren, daß er ein Weib nehmen könne, und sie wolle ihm wohl wegen der vielen schönen Lieder, die er auf sie gemacht, deshalb wolle sie bei ihrem Mann bitten, daß er ein Lehen bekomme, und dann solle er ihre Dienerin Maria ehelichen.
Als Herr Bernhard diese Worte hörte, wurde er blaß, er verneigte sich und sagte kein Wort.
Die Vizegräfin wurde verlegen, sie fragte ihn: »Nun, Bernhard, freust du dich nicht über das, was ich gesagt habe?«
Herr Bernhard erwiderte mit Umschweifen, er danke der Frau Vizegräfin von Herzen für ihr Wohlwollen, und er habe sich ja freilich immer gewünscht, daß er einmal ein Lehen bekommen möge, aber er denke, er sei noch zu jung, und da seien andere, die älter seien als er, die würden es ihm neiden, wenn er so vorgezogen werde, und der Dienst bei der Frau beglücke ihn auch und er wolle ihn mit nichts tauschen.
Die Frau Vizegräfin war noch ganz jung, sie war eben siebzehnjährig. Es stieg ihr die Röte ins Gesicht und ihre Augen glänzten. Sie sagte: »Ein höheres Glück kann es für einen Mann wohl nicht geben, als daß er Dichter ist und in einer Welt lebt, die nicht wirklich ist, und Worte sucht und Reime, um diese Welt den andern Menschen zu schildern. Aber nun ist diese Welt eben nicht wirklich, und vielleicht weiß er gar nicht, wie Schweres in der wirklichen Welt ist, denn seine Welt, in welcher er lebt, ist ja nur durch seine Wünsche geschaffen, die wirkliche Welt aber ist voller unerfüllter Sehnsüchte.«
Da fiel Bernhard der Frau zu Füßen, ergriff ihre Hand, drückte einen zärtlichen Kuß auf sie und sagte: »Ich liebe Euch in der Wirklichkeit, Herrin.«
Zürnend stand die Vizegräfin auf und rief: »Was hast du getan, Bernhard! Nun hast du mir alles zerstört! Ich stamme von edlen Eltern und habe einen Fürsten geheiratet, denkst du, daß ich deine Liebe erwidern werde wie eine Ehebrecherin? Denn auch mit Gedanken schon kann man die Ehe brechen. Was hast du getan, Bernhard! Wir sind die Fürsten, und alle Leute sehen auf uns, und wie wir handeln, so handeln dann die Niedrigern, und wenn wir ein schlechtes Beispiel geben, so sagen sie: ›Nun dürfen wir das auch tun.‹ Was hast du getan, Bernhard! Die Dichter haben ein zierliches Spiel gespielt mit ihren Herrinnen, -- sie haben geträumt, wie es wäre, wenn sie verliebt wären in die Herrin, und was die Herrin sagen würde, wenn sie ihr die Liebe geständen, und ihre Gedichte wurden überall gesungen und erfreuten die Menschen, weil jeder wußte, daß sie nur ein Spiel waren. Nun hast du mit roher Hand den Schleier zerrissen, der um die dichterische Welt gelegt war, und hast die dichterische Welt in die Wirklichkeit ziehen wollen -- wie kann ich nun noch eines deiner Gedichte anhören?«
Sie legte das Gesicht in ihre Hände und weinte.
Dann fuhr sie fort: »Du weißt nicht, wie mein Leben ist, du siehst es nur von außen. Das war mein Glück, daß ich deine Gedichte anhörte. Das hast du nun zerstört.«
Mit bleichem Gesicht und gesenktem Haupt stand Bernhard vor seiner Herrin. Er konnte ihr nichts erwidern.
Sie fuhr fort: »Nicht durch dich ist die Welt geschaffen, in welcher solche Lieder gedichtet werden, wie du sie dichtest. Sie ist von edlen Dichtern und edlen Frauen geschaffen und von edlen Gatten, welche Vertrauen haben. Kann diese Welt denn noch bestehen, wenn auch nur ein einziger den Schleier zerreißt? Kann dann noch eine edle Frau einem Dichter glauben, ein edler Mann seiner Frau? Was hast du getan, Bernhard! Du mußt gehen, du darfst nicht hier bleiben.«
»Ja, ich muß gehen«, sagte Bernhard und kniete nieder. »So nehme ich Abschied von Euch und bitte Euch, daß Ihr Euch müht, ob Ihr vielleicht nach Jahren mir verzeihen könnt.«
»Ich werde mich mühen«, sagte sie, »denn Ihr tut mir ja leid, Ihr seid wie ein Kind und müßt nun hinaus in die schlimme Welt, die Ihr nicht kennt.«
So verließ Bernhard die Burg Ventadour und ging; und wie er von Burg zu Burg zog, da wurde er endlich von der Herzogin der Normandie aufgenommen, welche jung war und schön und unvermählt. Auf diese dichtete er nun Lieder, indem er dabei immer an seine Herrin dachte, die Vizegräfin von Ventadour, und die Herzogin hielt ihn in hohen Ehren und war stolz auf seine Gedichte. Aber dann vermählte sie sich mit dem König von England und zog über das Meer, und Herr Bernhard blieb traurig und einsam zurück. Da suchte er sich einen Herrn, und so ging er zu dem guten Grafen Raimund von Toulouse, bei dem blieb er, bis der Graf eines unglücklichen Todes verstarb. Da wurde ihm das Leben in der Welt zu schwer, und er bat ein Kloster, daß es ihn aufnehmen möge. Das geschah denn auch, und so wurde er Mönch.
Niemand wußte, was zwischen der Vizegräfin und Herrn Bernhard geschehen war. Aber als der Sohn der Gräfin, der Vizegraf Ebles von Ventadour, erwachsen war, da erzählte es ihm seine Mutter. Ebles aber erzählte es Herrn Hugo von Saint-Cyr, und der hat es aufgeschrieben, und so wurde die Geschichte erhalten.
Als der Dichter seine Erzählung beendet hatte, da erhob er sich und verließ das Zimmer. Die beiden jungen Leute blieben allein.
Der junge Mann war bleich. Er sagte: »Ich liebe Sie«; und das Wort stockte ihm in der Kehle. Die junge Frau aber schlug die beiden Hände vor das Gesicht und saß stumm da und ohne Bewegung.
Der Dichter ging aus dem Haus und ging in den Wald. Da war ein schmaler Steig zwischen jungen Fichtenbäumchen, die noch nicht durchforstet waren, und ihre Zweige scheinbar undurchdringlich verflochten. Er konnte noch eben über die Bäumchen fortsehen, die gleichmäßig nebeneinander standen. Es war ganz still, auch nicht der Laut eines Vogels war in der Luft. Die Sonne stand rund am Himmel und strebte zur Mittagshöhe.
Da kam ein Landstreicher dem Dichter entgegen. Er stellte sich breitbeinig in die Mitte des schmalen Weges, pflanzte seinen dicken Stock vor sich auf, umfaßte den Griff mit beiden Händen und sah dem Dichter herausfordernd ins Gesicht. Der suchte an ihm vorbeizugehen und tat, als bemerke er das auffallende Benehmen des andern nicht. Dabei streifte er ihn.
Der Landstreicher rief: »Weshalb stoßen Sie mich an? Ich bin ebenso gut wie Sie, der Weg ist frei für alle.« Dabei erhob er den Stock.
Der Dichter hatte die Gefahr schon vorher gespürt, nun sah er, daß er verloren war. Er zuckte gleichgültig die Achseln und ging ruhig weiter. Da schmetterte der Mensch ihm seinen Stock von hinten über das Haupt, daß er betäubt stürzte. Dann beugte er sich über den Gefallenen, drehte ihn um, daß er auf dem Rücken lag, und wühlte in den Taschen.
Nach einiger Zeit wurde der Dichter gefunden und sterbend auf das Schloß gebracht. Er lag, und die junge Frau kniete weinend neben ihm.
Der Dichter legte ihr die Hand auf das Haupt, dann sagte er langsam und leise: »Ich danke dir. Durch dich hat sich das Letzte gelöst, das noch in mir war. Ich habe in diesem Jahr unserer Ehe die Verse gedichtet, die ich noch dichten mußte. Nun muß ich nicht mehr leben. Nun gehe ich, und ich gehe gern. Du aber sollst nun ein neues Leben beginnen. Ich fühlte, daß ich in den Tod ging, als ich das Haus verließ. Ich fühlte es, aber ich glaubte es nicht, denn sonst hätte ich nicht den Mut gehabt, zu gehen. Wir haben Angst vor dem Tod. Du bist edel; ich will, daß du deinen Weg gehst. Er ist nicht leicht. Der junge Mann, der mir wie ein Sohn ist, muß nun vor Gericht treten, dann muß er seine Strafe abbüßen. Aber das Leben ist lang, lang ist es. Viel wirst du noch erleben.«