Otto Ernst
Ortrun und Ilsebill
Otto Ernst

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Erster Aufzug.

(Rechts und links vom Zuschauer aus.)

Eine Meeresbucht. Links das offene, bis zu fernem Horizont sich dehnende Meer. Die rechte Hälfte der Bühne wird von einer felsigen, ebenfalls in blaue Ferne sich erstreckenden Küste eingenommen. Rechts im Vordergrunde die Wohnung der Fischerfamilie: eine große aufrecht stehende Heringstonne, die in der oberen Hälfte mit einer augenblicklich offenstehenden Tür und einem Ofenknierohr als Schornstein versehen ist. Zu der Tür führt eine kleine Treppe hinauf. Fischer und Schiffergeräte, Netze, zum Dörren aufgehängte Fische und dergl. vervollständigen die Strandidylle. Am Ufer, das sich im Vordergrunde bis in die linke Kulisse fortsetzt und hier fast eben ist, sitzt Munk, der Fischer, mit dem Ausbessern eines Netzes beschäftigt und singend. Neben ihm spielt sein sechsjähriges Söhnchen Ubbe im Sande.

1. Szene.

Munk. Ubbe.

Munk (singt)


    Das steht gepflanzt in Gottes Hand,
    O Herr, gib Fisch an meinen Strand.
    Ich bitte nicht um Überfluß,
    Nur was ich nötig haben muß.

Ubbe. Vater, erzähl mal wieder 'n Geschichte.

Munk. Ja welche denn?

Ubbe. Och, die, weiß wohl, mit Jungfrau Maria un wie die Königin verbrannt werden soll.

Munk. Na ja. Also da war mal 'n großer Wald, un da –

Ubbe. Vater, was is eigenlich 'n Wald?

Munk. 'n Wald? Das is, wenn 'n ganze Menge Bäume zusammensteh'n –

Ubbe. Was is Bäume?

Munk. Nanu – Bäume, das sind – – das sind so dicke Stämme mit Blättern dran –

Ubbe. Was is Stämme?

Munk. Jung, du frags ja der Kuh das Kalb ab!

Ubbe (neugierig). Was tu ich, Vater?

Munk (laut, aber immer freundlich). Du frags der Kuh das Kalb ab!

Ubbe. Was is'n Kalb?

Munk. Herrgott – Junge, nu laß mich aber mal zufrieden. (Nach einer Weile.) Du weiß doch noch, wie wir' n Pferd gesehen haben, nich?

Ubbe. O ja, wie du gans weit mit mir weggegingt – gegangt bis – Junge, das war fein!

Munk. Na, so'n Tier is auch die Kuh, bloß: sie hat Hörner auf'm Kopf (deutet es durch Geberden an) un macht Muh! un wenn sie'n Kind kriegt, dann ist das 'n Kalb.

Ubbe. Mm. (Verfällt in Nachdenken. Nach einer Weile) Vater, weiß du was?

Munk. Na?

Ubbe. Ich wollt', ich könnt' fliegen.

Munk. Nanu? Warum das denn?

Ubbe. Denn könnt' ich alles seh'n!

Munk. Djä, denn fliegs du uns aber weg!

Ubbe. Nöö, denn lern ich dich natürlich auch fliegen, un denn fliegs du mit, un Ortrun natürlich auch.

Munk (ihn lächelnd und erwartungsvoll fixierend): Un Mudder? Mudder wills du nich mithaben?

Ubbe. Mutter? – (Sehr gedehnt): Och jaa.

Munk (lacht still in sich hinein und beginnt dann wieder sein Lied).

Ubbe (unterbricht ihn). Du Vater, weiß du was?

Munk. Na?

Ubbe (im Sand bauend). Ich bau uns 'n neues Haus.

Munk. Das 's rech!

Ubbe. Du weiß doch, Mutter schimpft doch immer: sie will nich mehr in der Heringstonne wohnen, nich? Un nu bau ich uns 'n gans gans großes neues Haus!

Munk. Aha! Wie groß soll es denn werden?

Ubbe. Bis gans an die Luff! (Streckt das Ärmchen hoch.)

Munk. Oha!

Ubbe (nach einer Pause). Du Vater, warum schimpft Mutter eigenlich immer?

Munk. Djä – mußt sie mal fragen.

Ubbe. Nee, das tu ich nich. Denn haut sie mich.

Munk (lachend). Djä – das kann davon kommen!

Ubbe. Hat sie dich heute auch wieder gehaut?

Munk. Heute? Ich weiß nich mal – nee, ich glaub nich.

Ubbe (altklug). Denn kommt das wohl noch.

Munk (lachend). Dscho – denn kommt es wohl noch.

(Pause. Dann beginnt er wieder sein Lied.)

2. Szene.

Irmeland. Die Vorigen.

Irmeland als steinbuttähnlicher, glotzäugiger, triefender Meermann mit einer Krone auf dem Kopfe, steigt aus der Tiefe und legt sich mit dem Oberkörper breit-behaglich auf einen runden Felsblock nahe dem Ufer.

Irmeland. Du singst ja prachtvoll.

Munk (aufblickend). Du wills mich woll für'n Bauern halten, was?

Irmeland. Nein wirklich, wirklich, du singst sehr gut; ich versteh was davon!

Munk. Kannst du denn auch singen?

Irmeland. Gott sei Dank! (Wichtig.) Ich kann singen wie ein Mensch.

Munk. Was du sags!

Irmeland. Ich muß sogar singen.

Munk. Du mußt?

Irmeland. Ja, wenn ich recht glücklich bin – so durch und durch glücklich – dann kann ich gar nicht anders, dann muß ich singen.

Munk. Mensch, das geht mir grade so.

Irmeland. Du singst ja aber so traurig.

Munk. Ja du, wenn ich recht vergnügt bin, sing ich immer traurig.

Irmeland. Bist du denn vergnügt?

Munk. Da kanns dich drauf verlassen, du!

Irmeland. Und dabei prügelt dich deine Frau?

Munk (lachend). Ja, was schad't das?

Irmeland. Wie kommst du denn eigentlich zu dem Drachen?

Munk (mit größter Gemütlichkeit). Dscha, das will ich dir erzählen. Ich hatte mal die Kopfrose, weiß du. Und sie kann die Rose besprechen, weiß du. Un da hat sie mir die Rose besprochen, un da war sie weg. Das heiß: die Rose! Un da sollt ich ja bezahlen; aber Geld hatt ich nich. Un da sagt sie: »Da kanns mich ja für heiraten.« Un das hab ich auch getan.

Irmeland. Ja – was soll man dazu sagen. – Ist das dein Junge?

Munk (stolz). Ja, das is mein Junge.

Irmeland (langt ins Wasser und holt eine Handvoll Seetang mit Muscheln, Seesternen, Seeigeln und Krebsen heraus). Da, hast was zum Spielen.

Ubbe. Oo, ooo Vater, kuck mal! 'n Seeigel – er krabbelt noch!

Munk. Bedank dich auch schön.

Ubbe. Ich dank auch schön, Onkel – Wie heiß du eigenlich?

Irmeland. Jaaa: Das sag ich nicht.

Munk. Warum denn nich?

Irmeland. Das ist ein Geheimnis!

Munk. Na, meinswegen kann's 'n Geheimnis bleiben.

Irmeland. Hast du noch mehr Kinder?

Munk. Natürlich! Ich hab noch 'ne Tochter! Von meiner ersten Frau!

Irmeland. Was? Du warst schon einmal verheiratet?

Munk. Gott sei Dank. Die war aber anders als meine jetzige.

Irmeland (begierig). So? Wie war sie denn?

Munk. Ach – wunderhübsch! Un so zierlich, so niedlich un so gut! Grad wie meine Tochter!

Irmeland (träumerisch). Das muß schön sein. So eine Frau möcht' ich auch haben.

Munk. Ja Mensch, nimm dir doch eine.

Irmeland. Ja du, das sagst du so. (Nach der Tiefe zeigend.) Die Glotzäugigen da unten, die mag ich nicht. (Heimlich.) Ich möchte eine Menschentochter zur Frau haben.

Munk (treuherzig). Soll ich dir mal was sagen? Heirate nie über deinen Stand hinaus, das tut nich gut.

Irmeland. Hahaha – wofür hältst du mich denn?

Munk. Ich halt dich für 'n Butt.

Irmeland. Hahaha – ich bin mehr, mein Lieber.

Munk. Na ja, 'n Steinbutt.

Irmeland. Du bist 'n Dummkopf.

Munk. Dscha, das sagt meine Frau auch immer; da muß ja woll was dran sein.

3. Szene.

Ortrun. Die Vorigen.

Irmeland (verbirgt sich sofort hinter den Stein und guckt mit Staunen bald rechts, bald links dahinter hervor).

Ortrun (steigt aus der Tonne herauf und die Stiege herunter).
                                                            Vater!
Die Mutter schickt mich, einen Fisch zu holen.
Ob du noch immer nichts gefangen hättest.
Sie will zu Mittag Lachsforellen essen,
Und wenn du nicht sofort ihr welche schicktest,
Dann will sie dir – das mag ich garnicht sagen.

Munk. Laß man, ich kanns mir schon denken. Naa?? – Du has all wieder geweint. Was war denn all wieder los?

Ortrun. Ich sang ein Lied, da schlug die Mutter mich;
Sie sei nervös und könn' es nicht vertragen.
Und überhaupt: wir wären arme Leute
Und hätten keinen Grund zum Singen. Vater,
Sind wir denn arm?

Munk. I bewahre. Sing du man ru'ig zu, mein Muschi, un wenn sie das nich hör'n will, denn komm man raus zu mir, denn singen wir zusammen.

Ilsebill (von drinnen). Or–truuuuun?! Wo bleibt der Galgenstrick!

Ortrun (ist jäh zusammengefahren).
Ich muß hinein – sonst wird sie splittertoll.
Ein Küßchen, Ubbe. Wenn ich darf, so spiel ich
Nachher mit dir! (schlüpft schnell in die Tonne).

Ubbe. Och ja! Man zu! Man zu!

4. Szene.

Die Vorigen ohne Ortrun.

Irmeland (taucht wieder hinter dem Felsblock hervor und windet sich vor Entzücken, als wenn er Leibweh hätte). Ooo – ooh – wie ist die schön! Die ist ja wunderbar!! Die ist ja – ooo – oooh! – Du, das ist doch nicht wirklich deine Tochter?

Munk. Gott sei dank! Wen seine, meins du denn?

Irmeland. Du, das kann ich gar nicht glauben.

Munk. Djä, mitunter versteh ich es selbs nich, wie ich zu so'nem Goldvogel komme – aber das is ihre Mutter, ihre Mutter, wie sie leibte und lebte.

Irmeland. Uuuh – die is – – – du!

Munk. Na?

Irmeland. D– d– d– du!!

Munk. Na was denn?

Irmeland. Du – gib mir die!

Munk. Was soll ich?

Irmeland. Du sollst mir sie geben!

Munk. Wozu denn?

Irmeland. Sie soll meine Frau werden!

Munk. Hahahahaa – bis du verrückt?

Irmeland. Nein, du – ich – ich kann eine Frau ernähren!

Munk. Das glaub ich gern.

Irmeland. Und – und – sie soll so viel Gold und Silber und Diamanten haben, wie sie will – und hier der Kleine kann sich auch wünschen, was er will –

Ubbe. O ja, o ja!

Irmeland. Und du darfst dir auch wünschen, was du willst –

Munk. Ich? Ich hab alles.

Irmeland. Und deine Frau soll sich auch wünschen –

Munk. Halt stopp, mein Junge! So viel has du nich, wie meine Frau sich wünscht!

Irmeland. Haha! Mir gehört diese ganze Bucht mit allem, was drin ist.

Munk. Das langt nich!

Irmeland. Ach du! Ich komm ja nur, wenn du mich rufst. Wenn du rufst:

        Mantje Mantje Timpe Te,
        Buttje, Buttje in de See!

dann komm ich und dann kannst du wünschen. Und wenn du nicht willst, dann brauchst du ja nicht zu rufen.

Munk. Wenn ich nich will? Ja, das sag ihr man mal! (Man hört Ilsebill keifen und schlagen und Ortrun bitterlich weinen.) Da kommt sie!

Irmeland (taucht blitzschnell ins Meer zurück).

Munk. Aha!

5. Szene.

Ilsebill. Munk. Ubbe.

Ilsebill (kommt rasch aus der Tonne, sieht ihren Mann und stemmt die Arme in die Seiten). Ha! Dacht ich's doch! Da sitzt er noch und faulenzt bei den Netzen 'rum! Warum hab ich noch keine Lachsforelle?

Munk (gemütlich). Weil noch keine angebissen hat.

Ilsebill. Nein, weil du wie gewöhnlich schläfs un nich aufpaßt!

Munk. Na ja, kann auch sein.

Ilsebill. Hach – daß mir der Himmel so ßtrafen un mir so 'ne Schlafmütze zu'n Mann geben muß.

Munk. Djä, ich hab dirs ja gleich gesagt: hätts mich nich nehmen sollen.

Ilsebill. Wollt' ich denn? Wollt ich dir denn haben? Du has mir ja keine Ruhe gelassen!

Munk. Ich hab dir –? Ich hab dir –? (Er gerät vor Heiterkeit aus Rand und Band und will sich ausschütten vor Lachen.)

Ilsebill (sieht ihn erst starr an, versucht mehrmals zu reden, kann aber vor seinem Lachen nicht dazu kommen; schließlich wird sie wütend, zieht einen Pantoffel vom Fuß und will ihn schlagen). Bis du jetz aus der Sztelle ßtill oder –

Munk. Hahaha – nee Ilsebill, du bis zu komisch –

Ilsebill. Jetz halt dein Maul, oder – (sie will zuschlagen) ich bezwinge mir ja man bloß, weil das Kind dabei is – Geh rein, mein Ubbe, hörs du?

Ubbe. Mutter, hier is eben 'n Mann aus 'm Wasser gekommen, der hat gesagt, ich soll mir was wünschen –

Munk (giebt seinem Söhnchen Zeichen, daß er schweigen solle, die aber das Kind nicht versteht).

Ilsebill. Was is das?

Ubbe. Ja, un Vater soll sich auch was wünschen.

Ilsebill (zu Munk). Was is das?

Munk. Och was, das 's ja Unsinn!

Ilsebill. Aha, ich soll es nich wissen! – Was has du dir gewünscht?

Munk (verwundert). Ich?

Ilsebill. Ja du!

Munk. Was soll ich mir denn wünschen?

Ilsebill. Was – (schlägt die Hände über dem Kopfe zusammen). Was er sich wünschen soll! Der Mann fragt, was er sich wünschen soll! Nein, das is ja wahr: Wir sind ja die reichsten Leute von der Welt!

Munk. Gott sei Dank.

Ilsebill. Hör mal, Munk: Bringe mir nich zum Äußersten!

Munk. Nu hör doch bloß mal an, Ilsebill. Nu sei doch bloß mal vernünftig! Nu sag mal bloß: Was fehlt uns denn?

Ilsebill. O, uns fehlt garnix.

Munk. Siehst du woll? Erstens sind wir alle gesund.

Ilsebill. Haha! Un dabei bin ich durch un durch nervös!

Munk (trocken). Ja, das macht dir aber doch grade Spaß!

Ilsebill (will auffahren). Ich –

Munk (unerschütterlich fortfahrend). Zweitens haben wir immer was zu essen, wenn ich was fange.

Ilsebill (verächtlich). Ja, Dorsch!

Munk. Frau, versündige dich nich! Es giebt Menschen, die haben keinen Dorsch zu essen. Und Sonntags haben wir mitunter sogar Kantoffeln!

Ilsebill (rennt wütend auf und ab).

Munk. Drittens leben wir in glücklicher Ehe miteinander, wenigstens ich.

Ilsebill. Hanswurst! (Packt ihn beim Kragen und schleppt ihn vor die Heringstonne). Da, kuck dir mal das Spielwerk an! Da wohnen wir nu mit vier Menschen drin! In 'ner Heringstonne! Ist das 'ne Wohnung, die 'n strebsamer Mann seiner Familje bietet?

Munk. Na ja, 'n bischen klein is sie ja; aber dafür riecht sie wunderschön nach Hering.

Ilsebill. Ich will dir jetzt was sagen, Musche Blix! Du wünscht dir jetzt auf der Sztelle 'n richtiges Haus mit drei Sztuben, verßtehst du mir?

Munk Mit drei Stuben –? Ilsebill, du bis krank, mein Deern!

Ilsebill. Ich sage dir, du wünscht uns das Haus oder –

Munk. Weiß du denn auch, mein Deern, was der Meergeist dafür verlangt?

Ilsebill. Nee, was denn?

Munk. Meine Tochter will er haben, meine Ortrun!

Ubbe. Ja, un denn soll Ortrun so viel Silber und Gold haben, als sie man haben will!

Ilsebill (starrt das Kind mit offnem Munde an, macht plötzlich kehrt, rennt nach der Tonne und ruft hinein): Ortruuun, mein süßes Kind, komm doch mal flink raus, mein Liebling!

6. Szene.

Die Vorigen. Ortrun.

Ortrun (erscheint mit hoch erstauntem Gesicht in der Tür der Tonne).

Ilsebill. Komm her, mein Zuckerdeern, ich hab ganz was Schönes für dich!

Ortrun. Was ist dir, Mutter, bist du krank?

Munk. Siehst du, die sagt es auch!

Ilsebill. Willst du dein M– (mit jähem Wechsel) Mein' süße Deern, denk blooß mal an, du kriegst 'n Mann! Un noch dazu 'n gans reichen Mann!

Munk. Er is aber auch danach!

Ilsebill (will wieder losbrechen, faßt sich aber). Natürlich, mein Kind, dein Vater is wieder dagegen. Dein Vater hat ja immer seinen eigenen Willen!

Munk. Ach du lieber Gott!

Ilsebill. Aber nu kanns du mal seh'n, wer es wirklich gut mit dir meint. Ich will bloß dein Glück, mein Herzblatt! du solls leben wie 'ne Königin, in lauter Samt und Seide solls du geh'n!

Ortrun. Mutter, warum bist du so anders plötzlich,
So sanft und gut, wie ich dich nie gesehn?

Munk. Weil für sie auch was abfällt.

Ilsebill. Wenn du jetz nich sofort –

Munk. Sie denkt, sie kriegt 'n neues Haus mit drei Stuben; 'n richtiges, steinernes Haus will sie haben!

Ilsebill. Hör nich auf ihn, mein Schatz; dein Vater hat eben kein Streben; wenn's nach ihm geht, wohnen wir bis an unser Ende in der Heringstonne. Sieh mal, ich weiß, du bis mein liebes, gutes, gehorsames Kind un hörs auf mir! Ich weiß woll, ich bin mitunter 'n büschen hart gegen dir gewesen; aber das war aus Liebe!

Munk (gedehnt). Sooo!

Ilsebill (wirft ihm einen giftigen Blick zu).

Ortrun. Mutter, bist du so lieb und mild mit mir,
Dann kann ich mir nichts Herrlicheres denken,
Als hier bei Euch zu bleiben bis zum Tod.

Ilsebill (ganz verändert). Bis du verrückt, du alberne Gans? Ich werd dir gleich – (in größter Wut): Das sag ich Euch: wenn aus der Hochzeit nix wird, dann sollt ihr alle beide keine ruhige Sztunde mehr erleben, da könnt Ihr »Deubel« drauf sagen!

Ortrun. Gut, Mutter, gut! Ich will's! Ich will es tun!

Munk. Bis du bei Trost?

Ilsebill (gleichzeitig). Na also! Ich hab's ja immer gesagt, du bis mein bestes Kind!

Ortrun. Wenn du mir eins versprichst, dann will ich's tun.

Ilsebill. Was denn, mein Engel?

Ortrun. Wenn dir der Meermann gab, was du dir wünschtest,
Willst du zufrieden dann und fröhlich sein?
Und willst du immer sanft und liebevoll
Mit Vater sein und Ubbe – ja, dann will ich's.

Ilsebill. Jaa, mein Deern, jaa, da kanns du dir auf verlassen: wenn ich 'n Haus hab un 'n kleinen Garten un vielleich 'n kleinen Hühnerhof un 'n Schwein zum Fettmachen habe –

Munk. Un sons noch so 'n büschen –

Ilsebill. Nee, höchs'ns noch 'n Kuh – denn bin ich gans zufrieden, un denn sollt ihr kein böses Wort mehr von mir hör'n.

Ortrun (still gefaßt). Dann will ich's tun.

Munk (tritt an sie heran). Mein Deern, du wills von mir gehn? Denn bin ich ja gans allein. Sieh mal: denn bin ich wirklich unglücklich.

Ortrun. O Gott, dann darf ich's nicht, dann darf ich's nicht!
Verzeih mir, Mutter, dann – dann kann ich's nicht!

Ilsebill. Verflucht, verdammt, in der Hölle verbrannt! Das sollt ihr mir büßen! Bis jetz bin ich 'n Lamm gewesen! Nu sollt ihr mich kennen lernen! (Sie rennt nach der Tonne. Vor der Tür schwingt sie noch einmal die Faust): Nu sollt ihr mich kennen lernen! (Verschwindet in der Tonne).

Ortrun. O weh, o weh, nun wird's uns schlimm ergeh'n.

Munk. Och was, das giebt sich allens. Murrjahn war 'n toller Hund un hat sich auch gegeben.

Ilsebill (steckt den Kopf wieder zur Tür heraus, ruft mit Vehemenz): Munk!

Munk. Was soll ich?

Ilsebill. Reinkommen!!!

Munk. Ich hab jetz keine Zeit, ich muß –

Ilsebill. Ob du auf der Sztelle reinkommst?!!

Munk (schwach werdend). Na meintwegen, ich kann ja auch reingehn. Guck mal nach den Buhnen, Ortrun, ob sich vielleich 'ne Lachsforelle gefangen hat. (Ab in die Tonne.)

7. Szene.

Ortrun allein. Dann die Stimme Irmelands.

Ortrun (schürzt ihr Röckchen und geht ins Wasser, um die Buhnenkörbe zu untersuchen. Plötzlich ertönt Harfenklang und sie horcht auf).

Irmelands Stimme (singt aus der Tiefe zum Harfenspiel):


        Aus Staub und Sonnenglut
        Komm her in blaue Flut,
        Ihr Arm ist kühl und weich!
        Dein Angesicht
        Mit seinem Licht
        Erhelle dies dunkle Reich!

Ortrun. Mein Gott, wie greift es schauernd mir ins Herz!
Wie Fieberfrost und Flammenregen rinnt's
Mir durch den Leib – Das klingt wie Menschenstimme –
Und ist doch mehr als irdischer Gesang –
Das lockt wie Wolkenschnee und Himmelsblau,
Die aus der Tiefe blinken – (Harfenspiel).

Irmelands Stimme.
        O komm, o komm herab!
        Was dir die Erde gab,
        War Angst und irre Pein.
        Was ihm du gibst,
        Den einst du liebst,
        Wird Lust und Friede sein.

Ortrun (ist auf den großen Stein getreten, hat sich niedergeduckt und gehorcht. Wie verzaubert, spricht sie leise):
Ich will es tun – ich will hinuntertauchen –
Es kann nicht bös sein, was so lieblich singt –
Vater, ich helfe dir – und helfe mir!

(Sie wirft noch einen hastigen Blick ans Land zurück und springt ins Meer. Die Flut spritzt hoch auf.)

8. Szene.

Ubbe. Munk. Ilsebill. Dann Irmeland.

Ubbe (hat aus einem kleinen Fensterloch an der Seite der Heringstonne gesehen). Ooo! Ortrun is ins Wasser gesprungen! Vater! Vater! Ortrun is ins Wasser gesprungen!

Munk (stürzt die Treppe herunter ans Ufer). Ortrun! – Ortrun!! – Has du's denn gesehen?

Ubbe. Ja, ich hab es ganz gewiß gesehen! Sie ist so (macht es nach) reingesprungen!

Ilsebill (ist inzwischen auch erschienen). Das liebe Kind!

Munk. Ortrun! Ortrun, wo bis du?

Irmeland (steigt heraus). Sie ist bei mir.

Munk (sinkt auf einen Felsblock am Ufer). Ooh!!

Ilsebill (kommt mit gezierten Bewegungen und Knixen näher): Ach – Herr Schwiegersohn – ich bin nämlich die Mutter.

Irmeland (abwinkend). Ich weiß, ich weiß.

Munk. Lebt sie denn?

Irmeland. Natürlich lebt sie.

Munk. Kommt sie denn niemals wieder?

Irmeland (mit Bedeutung). Sie kann zurückkehren.

Munk. Sie kann –?

Irmeland (wie oben). Ich hoffe, daß sie zurückkehrt.

Munk (fröhlich). Has du sie all satt?

Irmeland. O nein! Du verstehst mich nicht.

Munk. Wann – wann kommt sie denn wieder?

Irmeland. Das steht bei Gott – und bei ihr.

Ilsebill. Ach, Herr Schwiegersohn, wenn Sie erlauben, denn wünsch ich mir 'n kleines Haus mit vier Sztuben un –

Irmeland. Ja, Dein Wünschen nützt nichts. Dein Mann muß es wünschen.

Ilsebill (knufft ihren Mann in die Seite). Munk! Du solls wünschen!

Munk. Ach, mir is alles einerlei.

Ilsebill (wütend). Munk!!! (plötzlich milder, heimlich zuredend) Munk, nu is es doch gleich! Nu is sie doch einmal weg, nu kanns du doch wünschen!

Munk. Jaja, gib ihr man, was sie haben will.

Irmeland. Sie hats schon.

(Die Szene verfinstert sich unter Brausen und fernem, leisem Donner; als sie sich wieder erhellt, ist Irmeland verschwunden, und an der Stelle der Heringstonne steht ein anmutiges, rosenumranktes Häuschen mit einem lieblichen Garten davor. Man hört Hühnergegacker und Taubengirren.)

9. Szene.

Die Vorigen ohne Irmeland.

Die Fischerfamilie ist anfangs starr von dem Anblick.

Ubbe (geht langsam näher). Ooooh, Oooooooh, Mutter? Orndlich mit Fenstern!

Ilsebill (geht ebenfalls langsam näher, mit gierig starrenden Augen und mit Furcht, als könne der neue Besitz bei der Berührung wieder verschwinden. Sie betastet behutsam die Obstbäume des Gartens).

Ubbe (vor einem Baum mit großen roten Äpfeln). O Mutter, was is das?

Ilsebill (antwortet nicht und tritt in das Haus).

Munk (folgt ebenfalls langsam und staunend. Aus dem Innern des Hauses hört man jetzt von allen Ausrufe der Bewunderung).

Ubbe (ist durchs Haus auf den hinteren Hof gelaufen. Er öffnet eine Stalltür: eine Kuh steckt brummend den Kopf hervor). O Vater, was is das?

Munk (der ihm gefolgt ist). Siehst du, das is 'n Kuh. Nu kanns du alle Tag Milch trinken.

Ubbe. Oooh! – Vater, was is Milch?

Munk. Das wirs du bald schmecken.

Ubbe. O kuck mal, Vater, was für hübsche Möven!

Munk. Das sind keine Möven. das sind Hühner.

Ubbe. Legen die auch Eier?

Munk. Und ob!

Ubbe. Kann man die auch essen?

Munk. Das wollt' ich meinen!

Ubbe (springend). Uu, wie freu ich mich, wie freu ich mich! (Sie kommen durch eine Pforte des hinteren Hofes wieder nach vorn. Gleichzeitig tritt Ilsebill vorn aus dem Haus.)

Ilsebill. Na? Is das besser als 'n Heringstonne oder is das nich besser als 'n Heringstonne?

Munk. Jaja, Frau, das is wunderschön! Das hätt ich mir nich gedacht!

Ilsebill. Munk, du sags noch immer »mir«. Gewöhn dich das doch endlich ab. In unsern Sztand muß du dich an Bildung gewöhnen.

Munk. Na so. Jaja. – Na, mein Deern, nu bis du doch zufrieden, was?

Ilsebill. Jaa? – Das heiß: die Möbel sind man sehr einfach. Unser Herr Schwiegersohn hätt' uns auch wohl Plüschmöbel schenken können.

Munk. Frau, nu bis du doch noch nich zufrieden?

Ilsebill (heftig). Natürlich bin ich zufrieden. – Aber 'n Fortepiano is auch nich da.

Munk. Kanns du denn Fortepiano spielen?

Ilsebill. Das 's ja gans einerlei, nich? Für Leute in unsern Sztand gehört sich 'n Fortepiano.

Munk (innig). Frau, ich bitt dich, sei zufrieden. Nu könn'n wir uns doch wahraftig nix mehr wünschen –

Ilsebill. So?? Na, das wird sich finden. (Geht ins Haus.)

Munk und Ubbe (folgen).

Ilsebill (wendet sich um). Was! Du wills mich doch woll nich mit die großen Holzklotzen auf die lackierten Fußböden rumtrampeln? Daß du mich nich mit die Holzschuh' reinkomms!

Munk. Ja so – so. (Er setzt sich auf die Bank vor dem Hause und zieht die Holzschuhe aus. Er kratzt sich hinter den Ohren und sagt gedankenvoll): Das war nu bei der Heringstonne besser.

 
(Vorhang.)


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