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Ich habe eine Enquete über die geistigen Fähigkeiten der Frau vorgenommen.
Zuerst ging ich zu einem Mann mit einer Schreibmaschine. Mit dieser ließ er oft Diktate anfertigen.
»Zu dieser Arbeit verwende ich nur Damen,« sagte er.
»Weil sie billiger sind als Männer,« sagte ich.
»Nein, weil sie zuverlässiger arbeiten. Was ich sage, das schreiben sie. Ich hab' es oft versucht, ihnen baren Unsinn zu diktieren: es gelang; sie schrieben ihn nach. Ich will nicht sagen, daß sie niemals den Unsinn merkten; aber sie hielten sich an ihr Amt und nicht an ihre Meinung; sie schrieben. Männer kann ich nicht brauchen; die denken beim Schreiben sogar an fremde Dinge.«
Ich bemerkte, daß das doch wohl nur mit Ausnahmen gelte.
»Na, selbstverständlich!« rief der Mann mit der Schreibmaschine, »was ich Ihnen sagte, ist aber die Regel.«
Ein anderer Mann hatte eine Schule, an welcher weibliche und männliche Lehrkräfte thätig waren.
»Etwas Neues,« sagte er, »muß man ihnen vormachen bis ins einzelne, und hat man es ihnen vorgemacht, dann nehmen sie nicht die Idee auf, sondern sie ahmen die Ausführung nach mit allen Zufälligkeiten. Auch wissen sie nicht die Grenze zu finden, welche das Wesentliche vom Unwesentlichen scheidet, oder vielmehr, sie wagen nicht, diese Grenze irgendwo selbst zu errichten; es fehlt ihnen die Initiative. Sie finden nicht das Maß, die Vernunft, die in den Dingen ist. Sage ich: ›Behandeln Sie den 30jährigen Krieg ausführlicher,‹ dann berichten sie von jeder Truppenbewegung, die sie irgendwo verzeichnet finden; bitte ich um etwas gedrängtere Behandlung, dann werden sie mit dem ganzen Krieg in einer halben Stunde fertig. Was solch eine Sache wie der 30jährige Krieg – ob kurz oder lang behandelt – unter allen Umständen an Hochachtung verlangt: das finden sie nicht.«
Bei meiner starken Sympathie für das weibliche Geschlecht plädierte ich auch hier für Ausnahmen, die mir auch bereitwillig zugestanden wurden. Und dann – schließlich sind das Urteile von Männern!
Ich kenne eine Reihe hochintelligenter, höchst selbständiger Frauengeister. Eine von diesen Frauen erzählte mir aus ihrer Pension.
»Historische Grammatik las uns ein Mann vor, der eigentlich Theologe war und vom Deutschen keine Ahnung hatte. Er las im schrecklichsten Sinne vor, immer aus demselben braun gebundenen Buch. Meine Kameradinnen schrieben aber jedes Wort nach, bis sie den Krampf in die Finger bekamen. Sie waren in allen geistigen Dingen so feige, so feige!«
»Und was thaten Sie?«
»Ja,« rief sie lachend, »bei mir war er schlimm daran. Ich war damals ein boshafter und trotziger kleiner Backfisch. Ich reproduzierte alles mit Worten, wie sie mir gerade kamen, und er machte dann immer ein Gesicht, als wenn er sagen wollte. Es scheint ja alles richtig zu sein; aber es wäre mir doch viel lieber, du schwürest wie deine Genossinnen auf mein Buch und seine Worte und setztest mich nicht so oft durch naseweise Fragen in Verlegenheit. Der Arme. Jetzt thut er mir so leid! Haben Sie eine Vorstellung davon, was es heißt, einen widerhaarigen Backfisch zu behandeln? Ich stell' es mir unendlich viel angenehmer vor, 70 wilde Katzen zu dressieren.«
Ich bemerke hierzu ausdrücklich, daß dies eine sehr liebenswürdige, sehr weibliche Dame war und einen sehr sympathischen Eindruck zu machen pflegte – o ja, bitte: wenigstens auf uns Männer. Sie war Anhängerin der Frauenbewegung.
Mit einer anderen Dame von seltenen Gaben des Geistes und des Gemüts sprach ich über ihre Dienstboten.
»Ich habe nur wenige Dienstmädchen gehabt,« sagte sie, »denn es waren fast durchweg brave, liebe Mädchen, und sie blieben lange bei mir. (Der freundliche Leser sieht schon hieran, daß er es mit einer seltenen Dame zu thun hat.) Aber mit der Selbstständigkeit ist es fast immer schlecht bestellt. Die jetzige hab' ich fünf Jahre; sie thut alles vortrefflich und willig, was ich ihr sage, aber nur, was ich ihr sage. Sie ist sogar ein entschieden intelligentes Mädchen; aber wenn ich ihr sage, daß ich die Kinder baden will, dann muß ich ihr ausdrücklich auftragen, den Badeofen zu heizen, sonst thut sie's nicht. Wenn ich einmal ihre gewohnte Ordnung ändere, so weint sie heimlich; sie hat dann ein Angstgefühl, als ob der Weltuntergang, das Chaos hereinzubrechen drohe.«
»Und haben Sie dieselbe Beobachtung an anderen gemacht?«
»O ja. Eine andere hatte die Gewohnheit, nach beendigter Zimmerreinigung das Wischtuch mitten aufs Klavier zu legen, ›weit sichtbar jedem Auge‹. Sie hatte bei einer rechten Kleinbürgerin gedient, die das verlangt hatte, damit sie jeden Augenblick selbst mit dem Zeichen ihrer Würde über die Möbel fahren könne. Ach, wenn ich der Kämpfe gegen dieses Wischtuch gedenke! Einem Mädchen etwas angewöhnen, dauert ein Jahr, ihm etwas abgewöhnen, dauert zwei.«
Und so wie diese, teurer Leser, kenne ich noch mehrere Frauen von durchaus entschlossener und selbständiger Intelligenz. Eine liebe, schöne kluge Frau z. B., die durch die Folgen einer Niederkunft auf ein langwieriges Krankenlager gezwungen worden war, empfing mich nach ihrer Genesung und plauderte in ihrer gewohnten, temperamentvollen Güte. Wir sprachen auch von den Wärterinnen, die sie gepflegt hatten.
»Ich hatte die best empfohlenen Wärterinnen. Aber merkwürdig – darin waren sie alle gleich: sie ließen mich lieber zwei Stunden auf die Erneuerung eines Eisbeutels warten, als daß sie ein gleichgültiges Bettkissen einen Tag später als üblich frisch überzogen hätten. Dabei waren es in ihrer Art gewissenhafte, fleißige Frauen. Sie konnten nur nicht begreifen, daß ein Schwerkranker etwas Wichtigeres sei als ihr kleiner, bornierter Ordnungssinn. Das sind auch die Frauen, die zwei Stunden Zeit und zwanzig Pfennige von den Schuhen ablaufen, um fünf Pfennige zu ›sparen‹, und die immer vom Billigsten kaufen, in der Meinung, sie wären gute Wirtschafterinnen. Ich kann Ihnen sagen: ich hasse diese Weiber!«
Ich war entzückt darüber, wie sie die schmalen, nach der Krankheit noch ganz besonders weißen Händchen zu Fäusten ballte. Ich kann mir nicht helfen: bei den Frauen bin ich sehr für schmale, weiße Hände. Es sollte mir leid thun, wenn sie sich mit der Zeit zu »Mordspratzen« emanzipierten.
Wieder eine andere, von mir besonders hochverehrte Dame, Namens George Eliot, läßt ihren Weiberfeind von prächtigstem Gemüte, den Schulmeister Barthel Massey, die ewig denkwürdigen Worte sprechen: »Ich sage dir, es giebt nichts unter der Sonne – nichts wirklich Nötiges, was ein Mann nicht besser machen kann als 'ne Frau . . . Eine Frau kann ihr ganzes Leben lang jede Woche die Pastete backen und sieht doch nie ein, daß es umso rascher geht, je heißer der Ofen ist. Ich sage dir, eine Frau macht dir deine Suppe jeden Tag zwanzig Jahre lang und denkt nie daran, das Verhältnis zwischen Mehl und Milch abzumessen: ein bißchen mehr oder weniger, denkt sie, macht keinen Unterschied, und wenn die Suppe denn mal schlecht wird, wie das oft genug vorkommt, dann liegt's am Mehl, oder es liegt an der Milch, oder es liegt am Wasser.«
Und da muß ich nun auch sagen – so leid es mir thut – ich habe selten einen Menschen so eifrig nach Ausreden haschen hören wie gewisse Frauen, wenn sie die Suppe versalzen hatten. Ehe sie zugaben, daß sie auch nur ein Körnchen Salz zuviel erwischt hätten, gaben sie lieber dem Wetter oder der auswärtigen Politik oder ihrem Manne die Schuld. Wenn sie ihm heute etwa eine wohlgesättigte Salzlösung als Suppe vorstellten und er einen leisen Tadel hören ließ, so ließen sie am nächsten Tage, willig und folgsam wie immer, ganz das Salz weg, und wenn ihm auch das nicht gefiel, sagten sie: »Du weißt aber doch wirklich nicht, was du willst: dann ist dir die Suppe zu salzig und dann wieder ist sie dir zu nüchtern.«
Wenn ich dazu bedenke, daß Nietzsche und Strindberg, auf deren Urteil ich freilich nicht halb so viel gebe wie auf das der eben citierten großen Frau aus England, zu ähnlichen Resultaten gekommen sind, z. B. zu dem, daß die Männer, wenn sie's einmal können, besser kochen als die Frauen; wenn ich ferner bedenke, daß ich vorurteilslose Frauen habe sagen hören, keine Frau nähe so gut wie ein Schneider, und ihre Schneiderinnen könnten in der Regel weder messen noch aufmerken: kaum ein einziges Kleid würde von ihnen abgeliefert, an dem nicht irgend etwas verschnitten wäre &c. c&., so werde ich, fürchte ich, trotz meiner energischen Parteinahme für die Frauen, doch zu einem ähnlichen Facit hingedrängt, wie es jene indische Fabel ergiebt, in welcher die Harmlosigkeit der Tiger erwiesen werden soll und die mit den Worten schließt: »Gleichwohl ist das Gerücht, daß die Tiger Menschen fräßen, schwer zu widerlegen.«
Natürlich giebt es unter den Frauen zahlreiche rühmliche Ausnahmen, und das schon allein unterscheidet sie von den Tigern. Eine Frau, die diese Plauderei zu Ende liest, ist z. B. eine Ausnahme.
Ich hörte einmal eine Frauenrechtlerin einen Vortrag halten, der ein recht ärmlicher, kleiner Vortrag war, der indessen die Behauptung aufstellte: was die Männer könnten, das könnten die Frauen auch, wenn man ihnen nur die nötige Freiheit gewährte und ihre Leistungen unbefangen beurteilte. Neben mir saß ein überaus gescheites, sanftes junges Mädchen, das den ganzen Schopenhauer gelesen und verstanden hatte. Sie schüttelte zu der Behauptung der Rednerin den Kopf und sagte: »Das ist Unsinn.«
Und das war es. Die Frauenrechtlerinnen dieser Art erfassen nicht einmal den Gedanken ihrer eigenen Emanzipation auf eine originelle Weise. Sie sind selbst da unproduktiv, sie müssen auch da nachahmen, sie wollen sich zu Männern machen, anstatt sich zu Weibern zu emanzipieren. Anstatt die Idee des Weibes zu suchen und zu gestalten, wollen sie in sich den Mann nachpfuschen. Sie verkennen so ganz das Material!
Das mit der »Freiheit der Entwickelung« ist, so angewandt, ja Unsinn. Die Freiheit, originale Geister, ja Genies zu produzieren, ist dem weiblichen Geschlechte nicht vorenthalten gewesen.
Ich will gleich recht deutlich werden. Sie werden mir vielleicht entgegenhalten, meine Damen, es habe Dichterinnen gegeben, die es mit den größten Dichtern aufnehmen könnten. Das wird Ihnen so leicht keiner abnehmen; aber Sie werden sagen, da stehe eben das dünkelhafte Vorurteil des »starken Geschlechts« im Wege: es sei noch nie die Leistung einer Frau unbefangen beurteilt worden. Ich bin verwegen genug, einmal vorauszusetzen, daß Sie recht hätten.
Aber Musik! Musik, meine Damen! Sie machen oft genug Musik; aber haben Sie auch einmal Musik gemacht? So oft man Ihnen jenes übelgenommen hat, so wenig würde man Ihnen dieses verargen. Aber seltsam: Sie haben keine Komponistin aufzuweisen, so viel Sie sich mit Musik befassen. Daß es je eine bedeutende Tondichterin gegeben habe: dieses Eine werden Sie nicht behaupten, meine Damen! Wenn die Musik, wie ein Philosoph gemeint hat, der unmittelbarste Ausdruck des Willens ist, so hätten wir hier also die überraschende Erscheinung, daß die Frauen ihren Willen nicht auszudrücken wissen. – Wenn sich Dichterinnen die begeisterte Anerkennung der Männer erringen konnten – warum keine einzige Komponistin?
Bei Gott: ich schätze Sie um dieses Mangels willen nicht weniger, meine Damen, selbst wenn Sie schnippisch erklären sollten, daß Ihnen an meiner Hochachtung unendlich viel gelegen sei.
Ich will von Wissenschaften nicht sprechen, meine Damen; Sie könnten mit Recht einwenden, der Weg zu diesen sei Ihnen nicht freigegeben worden.
Ich will auch von der bildenden Kunst nicht sprechen, obwohl hier eigentlich kein äußeres Hindernis vorlag und es doch, beim Zeus, keinen weiblichen Michel Angelo, Rembrandt oder Dürer gegeben hat.
In der Dichtkunst steht es wesentlich besser. Es hat große Dichterinnen gegeben, wenige, sehr wenige. So wie die George Eliot höchstens noch eine: die George Sand, und allerhöchstens noch eine: die Ebner-Eschenbach, die aus ihren Erzählungen hervorblickt als eine jener scharfsichtigen und guten Frauen, die alles Menschliche verstehen und dann gewöhnlich milder und großherziger sind als die gleich klugen Männer. Bei diesen Frauen bleibt nichts zu erinnern. Wenn auch das Höchste der männlichen Dichtung nicht erreicht ist, so darf man doch sagen: auch der größte Poet brauchte sich solcher Leistungen nicht zu schämen.
Aber das sind drei! Da darf man schon von Ausnahmen, von Launen der Natur sprechen.
Und wenn die Frauen diese Spärlichkeit der produktiven Individuen auf die äußeren Hindernisse zurückführen, die sie als Frauen zu überwinden hätten, so mißverstehen sie den eigentlichen Kampf des Genies. Diese äußeren Hindernisse sind bei zahlreichen großen Männern dieselben gewesen. Auch ihnen hat man nicht Geld, Bildung, Freiheit der Bewegung, körperliche Stärke auf gestickten Kissen entgegengetragen. Und alle äußeren Hindernisse zusammen – so gewiß sie manchen Genius vernichtet haben – machen noch keineswegs den Erzfeind des Genies aus.
Der Kampf gegen den Unverstand der Rückständigen – zwanzig, dreißig, vierzig Jahre, ja ein ganzes Leben lang die Schmach ertragen, »die Unwert schweigendem Verdienst erweist« (»schweigend« auch insofern, als das Große den Unverständigen schweigt), sich fassen in dem Gedanken: »Sie wissen nicht, was sie thun«, und in all dem Elend kleinster Umgebungen nicht selber klein werden: das ist der eigentliche Kampf des Genies, und der, meine Damen, bleibt auch dem Manne nicht erspart. Während der ersten zwanzig Jahre seines Ringens werden auch dem genialen Manne nur selten Teppiche unter die Füße gebreitet.
Also warum nicht ebenso gut weibliche Shakespeare wie männliche? Warum nicht ebenso gut weibliche Lionardos wie männliche? Wenn Sie nun gleichwohl behaupten, meine Damen, es habe dennoch weibliche Homere und weibliche Dürer und Holbeine gegeben, wenn Sie das behaupten – aber Sie behaupten es nicht. Weibliche Knackfüße – ja, massenhaft, aber Holbeine – nein.
Und vor allen Dingen: warum nicht der leiseste Ansatz zu einem weiblichen Beethoven, Mozart, Händel, Gluck &c. – ein ganzes Dutzend steht noch auf Wunsch zur Verfügung –? Warum weise ich so nachdrücklich auf dies absolute musikalische Manko hin? Weil ich Sie auf Grund dieses Mankos mit dem eisernen Griff der Logik – das ist ein Bild, meine Damen – zu dem Zugeständnis zwingen kann: » Ja, es giebt tiefliegende Unterschiede in der Begabung der Geschlechter.«
Und – unter uns – Sie dürfen es sich gesagt sein lassen: nicht umsonst sehen die Mediceische Venus und der Borghesische Fechter so merkwürdig verschieden aus.
Gewiß: die Natur liebt es durchaus, in mannigfachen Formen dieselbe Idee auszudrücken, ihren Zweck auf verschiedenen Wegen zu erreichen. Ob sie den Rand eines Blattes gezackt oder gesägt oder gezähnt sein läßt: das kommt wohl auf dasselbe hinaus. Und wenn sie dem einen Vogel einen schmäleren Bug, dem anderen längere Schwingen giebt: der Effekt ist ungefähr derselbe. Aber wenn sie ein Princip, wie das der Geschlechtigkeit, in der ganzen organischen Kreatur durchführt – dann meint sie etwas Gründliches damit, dann ist es ihr ernst damit. Und darum sollten die Frauenrechtlerinnen von dem trivialen Wahne lassen: »Wenn wir alles haben, was die Männer haben, dann sind wir frei« – und nicht nach dem Rechte des Mannes, sondern nach dem der Frau streben.
Vielleicht wenden die Frauen ein, sie seien nur infolge der vieltausendjährigen Unterdrückung und Unmündigkeit degeneriert; die Urältermutter des Menschengeschlechts sei ebenso begabt gewesen wie der resp. Vater. Aber welche Dame gibt uns über diese vorgeschichtlichen Dinge authentische Auskunft? Selbst wenn eine Dame das könnte – würde sie es thun? Geben wir aber einmal die Berechtigung dieses Einwandes zu, so bleibt doch bestehen, daß die Frauen mindestens gegenwärtig noch nicht das können, was die Männer vermögen, daß sie noch lange nicht regeneriert sein können. Verlangen sie Freiheit der Entwickelung, verlangen sie die Möglichkeit, sich in der Arbeit der Männer zu erproben – ich bin der letzte, der ihnen diese Freiheit vorenthalten möchte, der letzte, der ihnen nicht die größtmögliche Selbständigkeit und Unabhängigkeit gönnte. Daß die Entwickelung der weiblichen Natur eingeengt ist, gibt jeder billigdenkende Mann bereitwilligst zu. Es sind mancherlei Versuche gemacht worden, der Frau die Arbeit des Mannes zu übertragen; manche zeitigten Erfolg, viele ein vollkommenes Fiasko. Man versuche ruhig weiter, nur dürfen die Frauenrechtlerinnen jetzt noch nicht sagen, sie könnten dasselbe wie die Männer. So lange sie keinen Hamlet, keinen Don Juan, keine Keplerschen Gesetze vorweisen können als Legitimation, so lange sind jene Behauptungen – es thut mir leid, das sagen zu müssen – ridikül, also gewissermaßen lächerlich.
Ich weiß, daß einige Frauenrechtlerinnen einwenden, wir Männer könnten auch nicht alle einen Hamlet schreiben. Aber ich denke, solche Frauen, die bestreiten, was niemand behauptet hat, verweisen wir auf das fruchtbare Gebiet der ehelichen Diskurse.
Wie gern sähen einsichtige Männer den Intellekt der Frauen befreit! Wie gern sähen sie z. B. pseudodeutsche Frauengemütsbildung durch eine schöne, harmonische Kultur des Herzens und Verstandes ersetzt! Ich, z. B., bleibe so niederträchtig kalt vor den schönsten, poliertesten Lärvchen und kann mich so riesig verlieben in ein lichtes, transparentes Gesicht! Es braucht nicht einmal so schön zu sein, wenn ich auch keinen Wert auf Häßlichkeit lege. Mit einer nachdenkenden und fühlenden Frau zu streiten, ist ein hoher Genuß; entsetzlich ist es mit jenen zu streiten, die nicht denken, weil sie in der Täuschung leben, weibliches Gefühl zu besitzen. Das macht ja auch die Schwiegermütter so schrecklich – ich meine natürlich nur die schrecklichen – daß ihnen der objektivierende Verstand fehlt, daß sie sich so schwer aus der Sphäre ihres Kindes herausversetzen. An dem Gemüt der Schwiegermütter zweifelt kein Mensch. Aber daß der Intellekt einiger Schwiegermütter mangelhaft entwickelt ist, das behaupte ich unerschrocken, weil ich nie eine gehabt habe.
Ich glaube, nachdem die Frauenbewegung mancherlei berechtigte Erfolge und Mißerfolge erzielt haben wird, wird es verhältnismäßig bald klar werden, daß sogar die weibliche Natur sich vor der Heugabel nicht fürchtet und immer wieder zurückkehrt.
Ich glaube, es wird dann klar werden (vielen wenigstens), daß die Aufgabe des Mannes die Produktivität, die des Weibes die Rezeptivität ist. Nicht nur der Hamletschreiber, sondern auch der Steinklopfer ist produktiver als die Steinklopferin; er wird im allgemeinen eher eine rationelle Methode des Steinklopfens finden als sie.
Aber man kann auch rezeptiv genial sein, man kann auch in der Rezeption die höchsten Aufgaben der Menschheit erfüllen helfen. Im Haushalt der Welt ist das rezeptive und konservative Element der Frau genau so notwendig, wie das fortschreitend-produktive des Mannes. Ich kenne einen Komponisten, dessen liebstes und wertvollstes Publikum seine Frau ist. Nicht etwa, weil sie ihm unvermischten Weihrauch streute: sie sagt offen heraus, was ihr nicht gefällt. Aber er ist bei ihr des feinsten, tiefsten und erschöpfendsten Verständnisses sicher. Diese Frau ist durchaus nicht produktiv, und es fällt ihr gar nicht ein, produzieren zu wollen. Die Frauen sind geborene Apostel, und es gibt viele Beispiele, daß das Werk eines großen Mannes durch Frauen zuerst und am wirksamsten verbreitet wurde. Eine ganze Frau ist soviel Wert wie ein ganzer Mann, und eine Frau, die die Gattin eines großen Mannes sein kann, ist so groß wie dieser Mann; die Geschichte bewahrt ihr Andenken mit Recht durch Jahrhunderte, durch Jahrtausende neben dem seinigen. Der Ruhm und die Größe einer solchen Frau werden zwar ewig anderer Art sein als die des Mannes. Vor der Öffentlichkeit werden die Geber berühmter sein als die Empfänger; freilich, wie für alles in der Welt, so muß auch für diesen Vorteil der volle Preis in blanken, baren Leiden gezahlt werden. Und vor den Vornehmen und Gerechten wird es nicht unbekannt sein, daß der Empfänger ebenso gut, daß er besser sein kann als der Geber; vor ihnen werden die dankbaren, die erkenntlichen Empfänger, Bewahrer und Verbreiter so hoch in Achtung stehen wie die Geber. Die besten Männer protzen nicht vor den Frauen mit ihrer Männlichkeit; sie ehren in einem echten Weibe so gut den vollwertigen Menschen wie in einem echten Manne. Das allgemeine Zugeständnis dieser Gleichheit sollten die Frauen erstreben.
Die wenigen großen Junggesellen, die einer weiblichen Ergänzung nicht bedurften, beweisen nichts gegen die Regel; selbst ein Schopenhauer hat den Frauen den Triumph bereitet, daß er erklärte, ohne sie sei es auch nichts, das sei eben das Mißliche. Je besser und stärker ein Mann ist, je einsamer also ein Mann ist: desto mehr weiß er den Wert einer letzten Zuflucht zu schätzen, desto dankbarer ist er für ein paar Augen, aus denen ihm zuverlässig kein verborgener Haß, kein heuchlerisch versteckter Neid, keine plötzlich aufglimmende feindselige Fremdheit entgegenglüht.
Ich wollte eigentlich noch von der Schriftstellerei der Frauen reden. Ein andres Mal –. Wer könnte mir verargen, daß ich zu lange bei den Frauen selbst verweilte? Zumal bei den Frauen, von denen ich zuletzt sprach? Solche Frauen brauchen wir, meine Damen. Männer brauchen wir nicht. Männer sind wir selbst. Wenigstens einige von uns.