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Sonne

Allmächtig prächtig Glutgestirn,
Überwältigend emporwirbelnd, aufdonnernd vor Licht über Wolkenfirn
In flutblau schäumende Himmelshallen,
Die aus Unendlichem ewig herniederfallen:
Unter dir sind: Waldmeere, der Flüsse Geäder, Felsballen,
Und der grenzenlos hindunstende Tag
Von Anfang zu Anfang.
Erster Tag der Farnwälder und Saurier; ersten Blutes, Pulses Schlag,
Da aus der Mutter gewölbtem Leib ein Kind den Erdenodem trank!
Oh! wie da aus aller Runde orgelnd: Leben! Leben! sang –
Mächtig aufrauschten die Vaterstimmen der Fluten dem Gebärten,
Die grauen Ur-Steingebirge schauerten in ihren Bärten,
Und Blüten, Blüten fielen tausendfroh aus Blumenhainen
Und ein kindlich Lallen und erhaben Weinen. – – –
Und regten sich tief unter deinem Feuerangesicht:
Der Heerscharen Gewimmel, Aufruhr und Kampfgericht,
Gelage bei Leichen, Sturzwassernot, Meucheltod –
Schwarzqualmender Städtemord, wild und funkenrot, –
Vom Haß, vom Leid zerpflügtes und zerfleischtes Land. – –
Und wieder bricht dein Feuerknäul durch Nacht und Wetterwand:
Seht da: London! Tower-Bridge, Dom, Westminster,
Palastfronten von grauem Nebel triefend, morgenfinster –
Auf einmal: brennend, auflodernd, Türme glühen,
Park, Alleestraßen, Fußgänger, Volk, Volk sprühen,
Aufquirlend, hingerissen im gleißenden Mittagsgold!
Und Wagen-Strom schiebt, knattert unendlich – rollt, rollt –
Und wieder, seht: Berlin! Häusergevierte, Warenhausblöcke,
Straßen-Netze, Kaufmannschaft, Damen, Uniformröcke,
Paraden-Märsche, Lärm von Autos, Omnibussen, Gäulen
Um Reichtagsgebäude, Museen, Bahnhöfe, Denksäulen –
Und abermals! Da: Peking! Papierlaternen um Pagoden,
Gong-Musik, Zithergeklimper; gelbe, blumige Seidenmoden
Der zierlich trippelnden Frauen und Holzschuhgeklopf –
Rassig magere Kulis, Mandarinen mit Schirm und Zopf
Huschen vor Konfutses Tempel, dastehend aus Teak, Glasurziegeln.
Und fern: Pei-Ho! Jangt-se-kiang! Fließender Spiegel:
Darin: Dschunken mit Mattensegeln, Haus- und Blumenboote,
Von Flußpiraten erstochene, rundbäuchige, treibende Tote. –
Und endlich: gigantisch, olympgroß: New York!
Rauch – Rauch – Ahnung von Arbeit, Tosen und Grenzlosem
Über fensterquadrierten Steinbergen, Hauskathedralen,
Beton-Türmen, Kuppeln, Menschheit-Arsenalen –
Breit walzende Avenuen, Squares; Würfeleinschnittgefüge –
Kletternd: elektrische Untergrund- und Hochbahnzüge –
Plötzlich: brandend, blendend gewaltig Licht über Licht!
Unten: anbrechend die Nachmittagsschicht:
Gefauch, Geklirr, Sirenen-Heulen, zischender Dampf, Gehämmer,
Ozean-Riesen, Mammut-Schiffe wühlen aus dem Dunstdämmer,
Rhode-Island-Dampfer, Hudson-Pinassen an Mole und Pier:
Stündliche Schlacht, Lebenseroberung, Gold-Wut, Brot-Gier.
Darüber, bogenspringend, tragend Bahnen, Männer, ohne Lücke:
Fein schütternde, kilometerlange Brooklyner Hängebrücke!
Alles, alles: brausend, stoßend in tausendfach spielendem Licht,
Das aus der Eisensäulen Wolkenkronen bricht!

Allmächtig, prächtig Glutgestirn,
Emporwirbelnd, aufdonnernd vor Helle über Wolkenfirn:
Es ist kein Tag, der nicht von dir zerglüht, versengt, erbleicht
In Meere, Prärien, Städte sich abendmüde, leblos neigt und schweigt.
Und keine Sterne – Nacht, die sich in blindem Durste schnell verblüht,
Bis wieder Morgen! Morgen! Wolken, Wellen Menschenhäupter übersprüht.

Du Gottesgestirn, flammensausender Blick und Auge ungeheuer:
Du hältst, umwärmst und brennst mit deiner Güte Feuer:
Gewölk, Getier, Gezeiten, Menschheit aller Zonen,
Erdniedersingend, himmelüberschwingend in Aeonen,
Äquator, Pol – Europa und auch Asien?

O, unser aller, meine, deine lebenheiße Welt
Von unaufhörlich gutem, ewig großem Tage überhellt,
                        Von Sonne! Sonne! Sonne!


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