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Klaus war gerade dabei, ein Schiffchen aus Rinde zu schnitzen – einen prachtvollen Zweimaster, der mit Botschaft nach dem jenseitigen Ufer segeln sollte. Sie hatten die Hoffnung aufgegeben, daß die Flasche, die sie früher ausgeworfen, jemals gefunden würde. Aber solch ein Schiffchen, das würde bei richtig gestellten Segeln und entsprechendem Wind hinüberschwimmen. Mit dem Strome treibend, gelangte es vielleicht an die Flußmündung und wurde da von irgendeinem Fischer gefunden. Horst saß daneben und gab gute Ratschläge.
Da kam Gerd mit langen Sätzen herangestürmt, die Angelrute in der einen Hand und den mächtigen Fisch in der anderen. Er sprang über Klaus hinweg, trat auf Horst zu, klopfte ihm mit dem Fisch auf den Kopf und war nicht weit davon, sich auf den Kopf zu stellen. Und dabei rief er unaufhörlich etwas, was die anderen nicht verstanden – entweder war es etwas von einem Boot oder etwas von dem größten Fisch der Welt.
Es gehörte viel dazu, Gerd aus seiner Ruhe zu bringen; aber war es einmal geschehen, dann kam er ganz aus dem Häuschen. Horst nahm bedächtig eine Tasse, füllte sie mit Wasser und goß sie ihm über den Kopf. »Sprich zunächst wie ein vernünftiger Mensch«, sagte er und nahm Gerd den Fisch ab. »Deshalb brauchst du doch nicht ganz verrückt zu werden.«
Klaus kam hinzu und nahm den Fisch in die Arme wie einen Säugling. »Der wiegt fast seine vier Pfund«, urteilte er sachverständig; »das Schlimmste dabei ist, daß du jetzt lange nicht mehr angeln kannst.«
Gerd starrte verwirrt von einem zum andern, während er das Wasser aus Gesicht und Haaren wischte. Er hörte gar nicht hin, was sie sagten. Und mit einemmal platzte er heraus:
»Es liegt ein Boot am Ufer – drüben, auf der anderen Seite – gerade gegenüber der Landzunge.«
»Was sagst du? Ein Boot?« Horst war der erste, der die Sprache wiederfand.
»Ja – ein Boot.«
Horst warf ihm einen langen Blick zu, als wollte er sehen, ob Gerd auch ganz bei Sinnen sei – dann war er mit einem Satz davon, Gerd folgte. Klaus lief nach, blieb aber wieder stehen, es fiel ihm der Fisch ein und die Wiesel – ja, die Wiesel – er rannte zurück, steckte den Fisch in einen Rucksack, hängte diesen an dem großen Nagel in der Hütte auf und lief dann keuchend den anderen nach.
Draußen auf dem »Kap der Enttäuschung« blieben sie stehen. Die Bucht gegenüber war von der Abendsonne golden bestrahlt, das Wasser war tief und spiegelte blasse, hochsegelnde Wolken wider.
Und in einem kleinen Einschnitt, jenseits des Wassers, im Schilf halb versteckt, lag ein kleines graues, ans Land hinaufgezogenes Boot.
Sie standen lange bewegungslos da und sahen hinüber nach dem Boot. Es war so still – so lautlos still. Nur das ferne Rauschen des Baches in der Bergschlucht war ganz leis zu hören. Zwei Wildenten flogen weiter unten auf, kreisten im Bogen über die Insel und kehrten zum Wasser zurück. Die Jungen folgten ihrem Flug mit den Augen, dann starrten sie wieder auf das Boot. Da drüben waren jetzt keine Menschen zu sehen, kein Zeichen von Leben, – da lag bloß ein kleines Boot am Ufer.
Horst war der erste, der lebendig wurde. Rasch machte er sich daran, die wenigen Kleidungsstücke, die er trug, von sich zu werfen.
»Du hast es doch schon einmal versucht«, sagte Gerd unwillig, »du schaffst es ja nicht.«
»Das war damals«, erwiderte Horst. »Jetzt bin ich in Übung, und damals war auch kein Boot da, mit dem ich die Rückfahrt hätte antreten können.«
Und er sprang sofort kopfüber in das Wasser und schwamm mit kräftigen Stößen davon.
»Ja wahrhaftig, diesmal gelingt es ihm«, sagte Gerd.
Sie sahen ihn plötzlich im Wasser stehen, er hatte Grund gefunden, und mit ausgereckten Armen watete er drüben an Land. Wie klein er aussah von hier aus! Ein Freudenschrei der beiden wurde von drüben beantwortet.
Jetzt war er am Boot. Sie sahen ihn – flammend rotbraun in dem sinkenden Sonnenlicht – um das Boot herumgehen, zuerst von der einen Seite, dann von der anderen, noch einmal rundherum laufen, hineinklettern. Warum schob er es nicht ins Wasser? Warum kam er nicht zurückgerudert? Was stand da im Wege? Es war durchaus kein Freudengeschrei mehr, bloß ein beständiges Laufen um das Boot, ein Stück landeinwärts und wieder zurück – er suchte nach etwas. Nun winkte er ihnen mit beiden Armen verzweifelt zu und machte die Bewegung des Ruderns – ach, es waren keine Ruder da! Und nun, was machte er jetzt, woran rüttelte er, zerrte und zog er – das war eine schöne Bescherung! Das Boot war angekettet und angeschlossen und nicht ins Wasser zu bringen.
Horst war hineingestiegen – was machte er nun? Die beiden sahen zu und wußten sich keine Erklärung. Aber auch keinen Rat. »Na, jetzt handelt es sich darum, ob er wieder zurück schwimmen kann«, sagte Gerd.
Klaus rutschte aufgeregt hin und her. »Er muß ja zurück.«
»Was zum Kuckuck will er nun machen?« Gerd war aufgestanden.
Sie sahen Horst aufrecht im Boote stehen, zuerst auf sich selbst deuten, dann nach dem Land hin und wieder zurück auf die Insel. Sie winkten und riefen: »Komm zurück!«, aber er hörte es nicht bei der Entfernung, er wies wieder auf sich selbst und dann landeinwärts.
Dann sprang er aus dem Boot heraus, sie sahen die braune Gestalt zwischen dem Weidengestrüpp hin und her laufen und hierauf ein Stück am Ufer hin rennen. Noch einmal blieb er stehen, winkte mit den Armen und jodelte zurück, dann verschwand er unter niedrigen Birken, sie sahen ihn auf einen kleinen Hügel steigen, dort oben stehen und umherspähen. Nun raste er in vollem Lauf den Hügel wieder hinab – und fort war er.
*