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Bebuquin trat steif in die neblige Nacht. Die Reflexe der Bogenlampen stürmten durch die Baumäste und schwammen wie breite opalisierende Fische in dem nassen Boden. Bebuquin stand! Er lief, rannte durch eine Prozession irgendwelcher neuen Sektierer; verschiedene Messiasse, dekorative junge Mädchen rannte er um; es galt, in den Cirkus zu gelangen. Er mußte aus sich Äußerungen solcher künstlichen unlogischen Bewegungen abzwingen, um zunächst die Physik mit der Kraft seines absterbenden Akts zu widerlegen.
Er ging in eine Loge des Cirkus.
Etwas Sonderliches geschah.
Während eines Radlertricks fuhr eine spiegelnde Säule in die Arena, blitzend; eine Flötenbläserin ging nebenher in einer Nonnenkutte. Die Bürger sahen sich darin, bald strahlend übergroß, bald verzerrt; diese Spiegel zwangen, immer wieder hineinzuschauen. Mäuler schluckten die Arena, und die Finsternis aufgerissener Gurgeln verdunkelte sie. Die Blicke versuchten, die hohe Spiegelsäule zu durchbrechen. Ein Weib stürzte aufgewölbten Rocks hinunter unter dem Druck des neugierigen Staunens. Eine Galerie brach durch. Inmitten die Spitzen der unermüdlichen Finger der Bläserin und die Spiegel, die einen Tanz mit ihrem Schatten und dem der Zuschauer begannen. Diese waren sich entwendet, entblitzt, eine Dame starb, so sehr verlor sie sich an der Gestalt der Spiegel, die mit dem Schatten der andern sprechend tanzten. Die Säule trat in die Schatten geschwungenen Sprunges.
Die Menschen verwandelten sich in sonderliche Zeichen in den Spiegeln; das Publikum wurde leise irrsinnig und richtete in drehendem Schwindel seine Bewegungen nach denen der Spiegel; um die Spiegel sausten farbige Reflektoren.
Eine innerste Dunkelheit, ein Lichtblitz, der in die Mauer zurückfuhr, eine Anzahl sprang von den Galerien.
Ein junger Mann fuhr zur Decke ins Freie hinaus.
»Bagage« rufend.
Das Publikum raste weiter, die Verzerrung für wahr haltend.
Bis in die öde Frühe.
Die Paralyse zog in die Stadt ein.
Mehrere Eisenbahnwaggons hielten mittags vor dem Zirkus.
Im friedlichen Sonnenschein sortierte man die Toten aus.
Dann verlud man die Irren.
In der Stadt war ein halb Jahr Fasching. Bürger leisteten Bedeutendes an Absurdität. Ein grotesker Krampf überkam die meisten. Ein bescheidener Spaß war's, sich gegenseitig die Hirnschale einzuschlagen. Die Raserei wurde dermaßen schmerzlich, daß man begann zu töten.
Man begann mit einem Alten, der als Pierrot angezogen an einem Wegweiser bei den Füßen aufgehängt wurde.
Ein Mädchen, das noch einen Rest Vernunft besaß, schrie »hier stirbt der Allmensch« und bat, sie gleichfalls zu hängen; denn sie sei Mörder und Gehängter schon ohnehin, dank ihrer ethischen Sensibilität.
Sie wurde unter nicht unbedeutenden Greueln beinlings gehängt. Jedoch verübelte man ihr, daß sie keine gute Unterwäsche trug. Verschiedene Messiasse traten mit Erfolg auf, Messiasse der Reinheit, der Wollust, des Pflanzenessens, des Tanzes, hypnotisierende Messiasse und einige andere. Hatte man genug Anhänger, so wurde die Sache langweilig. Überlebte Messiasse verwandte man als Redakteurs, zumal ihnen Sensation geläufig war. Die neue Weltanschauung kristallisierte sich zur Ziege, die ein Bein gebrochen hat.
Vor dem Fenster Bebuquins tauchten einige Irre auf. Er neigte sich heraus, die Glatze von der Mittagssonne beleuchtet. Die Fratzen sprangen am Fenster hoch wie Gummibälle, einer schrie: »Gib uns wieder zurück, laß uns heraus, nimm die Spiegel weg«; denn der gleißende Schrecken der Spiegel hing über der Stadt.