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Während der oben beschriebenen Nilfahrt war der Botschafter Prexaspes von den langlebenden Aethiopen, zu denen ihn Kambyses geschickt hatte, zurückgekehrt(Anm. 142) Herod. II. 20–25.. Er pries die Größe und Stärke dieser Menschen, schilderte den Weg zu ihnen als unzugänglich für ein großes Heer und wußte Wunderdinge zu erzählen. Die Aethiopen pflegten den schönsten und stärksten Mann ihres Volkes zum Könige zu machen und gehorchten ihm unbedingt. Viele von ihnen wurden 120 Jahre alt; nicht wenige aber lebten noch länger. Ihre Speise war gekochtes Fleisch, ihr Getränk frische Milch. Sie wuschen sich in einer Quelle, deren Wasser wie Veilchen duftete, der Haut eigenthümlichen Glanz verlieh und so leicht war, daß Holz in ihr unterging. Ihre Gefangenen trugen goldene Fesseln, da das Erz bei ihnen außerordentlich selten und theuer war. Ihre Todten überzogen sie mit Gyps, begossen sie mit einer glasartigen Masse und behielten die also entstehenden Säulen ein Jahr im Hause. Hier brachten sie den Verstorbenen Opfer und stellten sie später um die Stadt her in langen Reihen auf.
Der König dieses seltsamen Volkes nahm die Geschenke, welche ihm Kambyses übersandt hatte, spottend an und sagte, er wisse recht wohl, daß den Persern nichts an seiner Freundschaft gelegen und Prexaspes nur gekommen sei, um Aethiopien auszukundschaften. Wenn der Fürst von Asien rechtschaffen wäre, so würde er sich mit seinem großen Reiche begnügen und ein Volk, das ihm keine Beleidigung zugefügt habe, nicht unterjochen wollen. »Bringe Deinem Könige diesen Bogen,« sagte er, »und rathe ihm, er möge dann erst gegen uns zu Felde ziehen, wenn die Perser Waffen, wie diese, ebenso leicht wie wir zu spannen vermögen. Uebrigens soll Kambyses den Göttern danken, daß die Aethiopen noch nicht auf den Einfall gekommen sind, zu ihrem eigenen auch noch fremde Gebiete zu erobern!«
Nach diesen Worten spannte er seinen Bogen ab und gab ihn Prexaspes, der das mächtige Geschoß von Ebenholz seinem Gebieter überbrachte.
Kambyses lachte über den prahlerischen Afrikaner, lud seine Großen zur Probe des Bogens auf den nächsten Morgen ein und belohnte Prexaspes für seine beschwerliche Reise und die geschickte Ausrichtung der ihm anvertrauten Botschaft. Trunken, wie gewöhnlich, legte er sich nieder und verfiel in einen unruhigen Schlaf. Als er aufwachte, hatte ihm geträumt, Bartja sitze auf dem persischen Königsthrone und berühre mit seinem Scheitel den Himmel(Anm. 143) Herod. III. 30..
Diesen Traum, zu dessen Deutung er weder Mobeds noch Chaldäer bedurfte, erregte erst seinen Zorn, dann sein Nachdenken.
»Hast Du nicht,« so fragte sich der schlaflose Mann, »Deinem Bruder Grund zur Rache gegeben? Sollte er vergessen haben, daß Du ihn schuldlos in den Kerker warfest und zum Tode verurteiltest? Würden ihm nicht alle Achämeniden, wenn er die Hand gegen Dich erheben wollte, zur Seite stehen? Was habe ich auch gethan, um mir die Liebe dieser feilen Höflinge zu erwerben? Was will ich in Zukunft thun, um sie für mich zu gewinnen? Gibt es denn nach dem Tode der Nitetis und der Flucht jenes wunderbaren Hellenen noch einen einzigen Menschen, dem ich trauen, auf dessen Zuneigung ich zählen darf?«
Diese Fragen erregten sein siedendes Blut so sehr, daß er von seinem Lager sprang und ausrief: »Die Liebe will nichts von mir, ich nichts von der Liebe wissen! Andere mögen es mit Güte versuchen; ich muß Strenge üben, sonst verfalle ich den Händen Derer, die mich hassen, weil ich gerecht gewesen bin und schweres Unrecht mit schweren Strafen heimgesucht habe. In meine Ohren flüstern sie Schmeichelworte, hinter meinem Rücken verfluchen sie mich! Selbst die Götter sind meine Feinde, denn sie rauben mir Alles, was ich liebe, und gönnen mir nicht einmal Nachkommen und den mir gebührenden Waffenruhm! Ist denn Bartja so viel besser als ich, daß ihm Alles, was ich entbehren muß, hundertfach zu Theil wird? Liebe, Freundschaft, Ehre, Kinder, Alles fließt ihm zu, wie dem Meere die Ströme, während mein Herz wie die Wüste verdorrt! – Aber noch bin ich König, noch kann und will ich ihm zeigen, wer der Stärkere ist von uns Beiden; mag auch sein Scheitel an den Himmel stoßen! Nur Einer darf groß sein in Persien! Er oder ich, ich oder er! In den nächsten Tagen will ich ihn nach Asien zurückschicken und zum Satrapen von Baktrien machen. Dort mag er sich von seinem Weibe Lieder singen lassen und den Wärter seines Kindes spielen, während ich im Kampfe gegen die Aethiopen ungeschmälerten Ruhm gewinne! Heda, ihr Ankleider! Bringt meine Gewänder und einen tüchtigen Morgentrunk! Ich will den Persern zeigen, daß ich zum Könige von Aethiopien tauge und sie allesammt im Bogenspannen bemeistere! Noch einen Trunk! Ich spanne das Geschoß, auch wenn seine Sehne ein Schiffstau und das Bogenholz eine Ceder wäre!«
Nach diesen Worten leerte er einen riesigen Humpen voll Wein auf einen Zug und begab sich, im vollen Bewußtsein seiner riesigen Kraft, des Erfolges gewiß, in den Schloßgarten, woselbst alle Großen des Reichs auf den König warteten und ihn mit lautem Zuruf, den Boden mit der Stirn berührend, empfingen.
Zwischen den geschorenen Hecken und geradlinigen BaumgängenSiehe I Theil Anmerkung 7. erhoben sich schnellerrichtete Säulen, welche mit scharlachenen Stricken verbunden waren. An goldenen und silbernen Ringen flatterten von diesen herab rothe, gelbe und dunkelblaue Tücher(Anm. 144) Nach Buch Esther I. 6. Dort sind die Tücher weiß, roth und gelb. Wir schreiben roth, gelb und dunkelblau, weil dieß die persischen Farben waren. S. III. Theil Anmerkung 109.. Zahlreiche Bänke von vergoldetem Holze standen in weitem Kreise umher und luden zur Ruhe ein, während behende Schenken Wein in prächtigen Gefäßen herbeibrachten und den zum Bogenspannen Versammelten anboten.
Auf einen Wink des Königs erhoben sich die Achämeniden von der Erde.
Sein Blick überflog ihre Reihen und blitzte freudig auf, als er die Abwesenheit seines Bruders bemerkte. Nun überreichte Prexaspes seinem Gebieter den äthiopischen Bogen und zeigte ihm eine in ziemlicher Entfernung aufgestellte Schießscheibe. Kambyses lachte über die Größe derselben, wog das Geschoß mit der Rechten, forderte seine Getreuen auf, ihr Glück vor ihm zu versuchen, und übergab den Bogen zuerst dem greisen Hystaspes, als dem Vornehmsten der Achämeniden.
Während erst dieser, dann die Häupter der anderen sechs vornehmsten Geschlechter in Persien sich vergeblich abmühten, die ungeheure Waffe zu spannen, leerte der König Becher auf Becher und wurde um so fröhlicher, je weniger es einem von ihnen gelingen wollte, die Aufgabe des Aethiopen zu lösen. Endlich ergriff Darius, dessen Kunst im Bogenspannen berühmt war, das Geschoß und versuchte seine Kraft. Aber trotz aller Anstrengung gelang es ihm nur, das eisenfeste Holz einen Finger breit zu biegen. Der König nickte ihm dieses Erfolges wegen freundlich zu und rief, mit siegesgewissem Blicke seine Verwandten und Großen musternd: »Gib den Bogen her, Darius! Ich will euch zeigen, daß nur Einer in Persien lebt, der den Namen ›König‹ verdient, daß nur Einer es wagen darf, gegen die Aethiopen zu Felde zu ziehen, – daß nur Einer diesen Bogen zu spannen vermag!« –
Nun ergriff er das Geschoß mit gewaltiger Hand, umklammerte den Bogen von Ebenholz mit der Linken und die fingerdicke Sehne von Löwendärmen mit der Rechten, holte aus tiefster Brust Athem, krümmte den gewaltigen Rücken und zog und zog und raffte all' seine Kraft zu ungeheurer Anstrengung zusammen und spannte seine Sehnen an, bis sie zu reißen und die Adern auf seiner Stirn zu springen drohten, und verschmähte es nicht, selbst mit den Füßen zu arbeiten, um mit ihrer Hülfe das Ungeheure zu bewerkstelligen; aber Alles war vergebens, denn nach einer Viertelstunde voll übermenschlicher Anstrengung ließen seine Kräfte nach, schnellte das Ebenholz, welches er schon weiter als Darius gebogen hatte, zurück und spottete all' seiner ferneren Versuche. Endlich, als er sich völlig erschöpft fühlte, warf er den Bogen wüthend zur Erde nieder und rief: »Der Aethiope ist ein Lügner! Kein Sterblicher hat diese Waffe je gespannt! Was meine Arme nicht vermögen, das vermag kein anderer Arm! In drei Tagen brechen wir nach Aethiopien auf. Dort will ich den Betrüger zum Zweikampfe herausfordern und euch zeigen, wer der Stärkere ist von uns Beiden. Hebe den Bogen auf, Prexaspes, und bewahre ihn wohl, denn ich gedenke den schwarzen Lügner mit seiner Sehne dort zu erdrosseln. Dies Holz ist wahrlich fester als Eisen! Wer es zu spannen vermöchte, den wollt' ich gern meinen Meister nennen, denn der wäre in der That von besserer Art, als ich!«
Kaum hatte er diese Worte ausgesprochen, als Bartja in den Kreis der versammelten Perser trat. Reiche Gewänder umwallten seine herrliche Gestalt, und seine Züge strahlten vor Glück und selbstbewußter Kraft. Freundlich winkend, durchschritt er die Reihen der Achämeniden, die den schönen Jüngling mit froher Bewunderung grüßten, schritt geraden Wegs auf seinen Bruder zu, küßte sein Gewand und rief, indem er ihm frei und heiter in die finsteren Augen schaute: »Ich habe mich ein wenig verspätet und bedarf Deiner Entschuldigung, mein hoher Herr und Bruder. Oder sollt' ich doch zu rechter Zeit gekommen sein? Ja, wahrlich, ich sehe noch keinen Pfeil in der Scheibe und schließe daraus, daß Du, der beste Schütze der Welt, Deine Kraft noch nicht versuchtest! Du siehst mich fragend an? Nun, ich will nur gestehen, daß mich unser Kind ein wenig aufgehalten hat. Das Püppchen lachte heut' zum ersten Male und war so lieb mit seiner Mutter, daß ich darüber Zeit und Stunde vergaß. Spottet nur über meine Narrheit, kann ich mich doch selbst kaum freisprechen! Sieh' nur, das kleine Ding hat mir wahrhaftig den Stern von der Halskette gerissen! Nun, ich denke, lieber Bruder, daß Du mir einen neuen verehren wirst, wenn mein Pfeil den Mittelpunkt des Zieles durchbohrt. Darf ich gleich mit dem Schießen beginnen, ober willst Du, mein König, den Anfang machen?«
»Gib ihm den Bogen, Prexaspes!« erwiederte Kambyses, den Jüngling keines Blickes würdigend.
Als Bartja das Geschoß in Empfang genommen hatte und im Begriffe war, Bogen und Sehne sorglich zu prüfen, lachte der König spöttisch aus und rief: »Ich glaube, beim Mithra, daß Du dies Geschoß, wie die Herzen der Menschen, mit süßen Blicken Dir gefällig zu machen versuchst! Gib nur Prexaspes den Bogen zurück! Es spielt sich leichter mit schönen Weibern und lachenden Kindern, als mit dieser Waffe, welche der Kraft ächter Männer spottet!«
Bartja erröthete bei diesen im bittersten Ton gesprochenen Worten vor Zorn und Entrüstung, nahm den riesigen Pfeil, der vor ihm am Boden lag, schweigend in die Rechte, stellte sich der Scheibe gegenüber, raffte all' seine Kräfte zusammen, zog mit beinahe übermenschlicher Anstrengung die Sehne an, spannte den Bogen und entsandte den gefiederten Pfeil, dessen eiserne Spitze tief in die Mitte der Scheibe drang, während sein hölzerner Schaft krachend zersplitterte(Anm. 145) Herod. III. 30 erzählt diese Geschichte. Demselben Autor verdanken wir die Nachricht von den folgenden Ereignissen. Wie viel die Perser auf den Ruf, gute Bogenschützen zu sein, gaben, mag die vom Onesikritus bei Strabo 730 mitgetheilte Inschrift, welche auf dem Grabe des Darius gestanden haben soll, beweisen: »Ich war ein Freund meiner Freunde, der beste Reiter und Bogenschütze, der vorzüglichste Jäger; Alles vermocht' ich zu leisten!« –.
Die meisten Achämeniden brachen bei dieser wunderbaren Kraftprobe in lauten Jubel aus, während die nächsten Freunde des Siegers erbleichten und schweigend bald den vor Wuth zitternden König, bald den vor Stolz und Selbstbewußtsein strahlenden Bartja anschauten.
Kambyses bot einen wilden, Entsetzen erregenden Anblick dar. Es war ihm, als habe der in die Scheibe dringende Pfeil sein eigenes Herz, seine Würde, seine Kraft, seine Ehre durchbohrt. Funken sprühten vor seinen Augen, in seinen Ohren brauste es, als peitsche neben ihm der Sturm die brandenden Wogen, während seine Wangen glühten und sich seine Rechte krampfhaft um den Arm des neben ihm stehenden Prexaspes klammerte. Dieser wußte den Druck der königlichen Hand wohl zu deuten und murmelte: »Armer Bartja!«
Endlich gelang es dem Könige, die nöthige Fassung wieder zu gewinnen. Schweigend warf er seinem Bruder eine goldene Kette zu, befahl seinen Großen, ihm zu folgen, und verließ den Garten, um in seinen Gemächern ruhelos auf und ab zu wandern und seinen Groll im Wein zu ersäufen. Plötzlich schien er einen Entschluß gefaßt zu haben, befahl allen Höflingen, außer Prexaspes, die Halle zu verlassen, und rief ihm, als sie allein waren, mit trunkenen Blicken und heiserer Stimme zu: »Dies Leben ist nicht länger zu ertragen! Schaffe meinen Feind aus der Welt, und ich will Dich meinen Freund und Wohlthäter nennen.«
Prexaspes erbebte, warf sich vor dem Herrscher nieder und hob seine Hände flehend zu ihm empor; Kambyses war aber zu berauscht und von seinem Hasse zu sehr verblendet, um diese Bewegung des Höflings zu verstehen. Er glaubte, daß der Botschafter durch jenen Fußfall seine Ergebenheit bezeugen wolle, winkte ihm, sich vom Boden zu erheben, und flüsterte, als wenn er sich seine eigenen Worte zu vernehmen fürchtete: »Handle schnell und geheimnißvoll! Niemand außer Dir und mir darf, so lieb Dir Dein Leben ist, von dem Tode des Glückspilzes wissen. Geh' hin und nimm Dir nach vollbrachter Arbeit soviel Du willst aus der Schatzkammer! Sei auch vorsichtig, denn der Knabe hat einen starken Arm und versteht die Kunst, sich Freunde zu gewinnen. Denke, wenn er Dich mit glatten Worten versuchen wird, an Dein Weib und Deine Kinder!«
Bei diesen Worten leerte er einen neuen Becher voll ungemischten Weins, taumelte unsicheren Schrittes durch das Thor des Gemaches und rief, indem er Prexaspes den Rücken zuwandte, und als wenn er zu sich selbst spräche, mit heiserer Kehle, mit schwerer Zunge und drohender Faust: »Wehe Dir und den Deinen, wenn der Weiberheld, der Glückspilz, der Ehrendieb am Leben bleibt!«
Als er längst den Saal verlassen hatte, stand Prexaspes noch immer regungslos auf dem alten Platze. Der ehrgeizige, aber nicht unedle Despotendiener war niedergeschmettert von der Furchtbarkeit der ihm zuertheilten Aufgabe. Er wußte, daß ihm und den Seinen, wenn er sich den verbrecherischen Plan des Königs auszuführen weigern würde, Tod oder Ungnade drohe; doch, er liebte Bartja, und sein ganzes Wesen empörte sich bei dem bloßen Gedanken, eine gemeine Mordthat begehen zu sollen. Ein furchtbarer Kampf entspann sich in seinem Innern, der in ihm forttobte, als er den Palast schon längst verlassen hatte. Auf dem Wege zu seinem Hause begegnete er Krösus und Darius. Er versteckte sich vor ihnen hinter das vorspringende Thor eines großen ägyptischen Hauses, denn er meinte, sie müßten ihm ansehen, daß er den Pfad des Verbrechens wandle. Als sie an ihm vorübergingen, vernahm er, wie Krösus sagte: »Ich habe Bartja wegen seiner unzeitigen Kraftprobe streng getadelt, und wir müssen den Göttern danken, daß sich Kambyses nicht in einem Anfalle von Jähzorn an ihm vergriffen hat. Jetzt ist er meinem Rathe gefolgt und mit seinem Weibe nach Sais gefahren. Der König darf ihn in den ersten Tagen nicht wieder sehen, denn sein Groll könnte bei seinem Anblicke leicht von neuem erwachen, und ein Herrscher findet zu jeder Zeit ruchlose Diener . . .«
Bei diesen letzten, verhallenden Worten zuckte Prexaspes schmerzlich zusammen, als habe Krösus ihn selbst der Schändlichkeit bezichtigt, und beschloß, möge kommen, was da wolle, seine Hände nicht mit dem Blute eines Freundes zu beflecken. Nun ging er wieder in hochaufgerichteter Haltung einher, bis er zu der ihm angewiesenen Wohnung gelangte. An der Thür derselben sprangen ihm seine beiden Söhne entgegen, die sich von dem Spielplatze der Achämeniden-Knaben, welche dem Reichsheere und dem Könige, wie immer, gefolgt waren, fortgestohlen hatten, um ihren Vater auf einen Augenblick zu begrüßen. In seltsamer, ihm selbst unverständlicher Rührung drückte er die schönen Kinder an seine Brust und umarmte sie nochmals, als sie erklärten, wenn sie nicht bestraft werden wollten, zum Spielplatze zurückkehren zu müssen. In seiner Wohnung fand er seine Lieblingsgattin mit ihrem jüngsten Kinde, einem holden kleinen Mädchen, spielend. Da erfaßte ihn abermals jene unerklärliche Rührung. Diesmal bezwang er sie, um seinem jungen Weibe sein Geheimniß nicht zu verrathen, und zog sich bald in sein Gemach zurück.
Indessen war die Nacht hereingebrochen.
Schlaflos wälzte sich der schwer Versuchte aus seinem Lager umher; der Gedanke, daß seine Weigerung, den Wunsch des Königs zu erfüllen, auch sein Weib und seine Kinder dem Verderben preisgeben würde, stellte sich mit greller Schrecklichkeit vor seine schlaflosen Augen. Die Kraft, seinen schönen Vorsatz festzuhalten, verließ ihn, und dasselbe Wort des Krösus, welches den edlen Gefühlen in seiner Brust den Sieg verschafft hatte, ließ sie jetzt unterliegen: »Ein Herrscher findet jederzeit ruchlose Diener!« Dieser Satz beschimpfte ihn zwar, erinnerte ihn aber, daß, wenn er dem Könige trotzen würde, hundert Andere seinen Befehl zu vollziehen bereit sein würden. Dieser Gedanke beherrschte bald jede andere Erwägung. Er sprang von seinem Lager auf, musterte und prüfte die zahlreichen Dolche, welche wohlgeordnet an der Wand seines Schlafgemachs befestigt waren, und legte den schärfsten auf ein neben dem Divan stehendes Tischchen.
Daraus ging er sinnend auf und ab und trat häufig an die Fensteröffnung, um zu sehen, ob es nicht tagen wolle, und um seine heiße Stirn zu kühlen.
Als endlich das Dunkel der Nacht dem hellen Morgenlichte gewichen war und ihn das die Knaben zum Frühgebet rufende ErzSiehe II. Theil Anmerkung 30. von neuem an seine Söhne erinnerte, prüfte er den Dolch zum zweiten Male. Als eine reichgeschmückte Schaar von Höflingen, um sich zum Könige zu begeben, an seinem Hause vorüberritt, steckte er ihn in seinen Gürtel. Als sich endlich das muntere Gelächter seines jüngsten Kindes aus dem Weibergemache vernehmen ließ, setzte er mit einer gewissen Heftigkeit die Tiara auf das Haupt und ging, ohne seinem Weibe Lebewohl zu sagen, von mehreren Sklaven begleitet, zum Nile, warf sich dort in eine Barke und befahl den Ruderknechten, ihn nach Sais zu befördern.
Bartja war wenige Stunden nach dem verhängnißvollen Bogenschießen dem Rathe des Krösus gefolgt und mit seiner jungen Gemahlin nach Sais gefahren. Dort fand er Rhodopis, welche sich, statt nach Naukratis heimzukehren, einem unwiderstehlichen Drange folgend, nach Sais begeben hatte. Nach jener Lustfahrt war Bartja, als er an's Land stieg, hingefallen, und sie hatte mit eigenen Augen gesehen, daß eine Eule, von der linken Seite her, dicht an seinem Haupte vorübergeflogen war. Wenn diese bösen Vorzeichen schon hinreichten, ihr dem Aberglauben ihrer Zeit keineswegs entwachsenes Herz zu beunruhigen und ihr den Wunsch, in der Nähe des jungen Paares zu verweilen, dringender als sonst einzuflößen, so entschloß sie sich kurz, ihre Enkelin in Sais zu erwarten, als sie aus einem unruhigen Schlaf erwachte, in dem sie eine verworrene Reihe von bösen Träumen gehabt hatte.
Das junge Paar freute sich über den lieben, unerwarteten Gast und führte Rhodopis, nachdem sie mit ihrer kleinen Urenkelin, die den Namen Parmys(Anm. 146) Herodot berichtet III. 88, Darius habe eine Tochter des Bartja (Smerdes), Namens Parmys, neben Atossa &c. zum Weibe genommen. Dieselbe wird nochmals erwähnt VII. 78. führte, nach Herzenslust getändelt hatte, in die für sie bereit stehenden Gemächer. Dies waren dieselben, in denen die unglückliche Tachot die letzten Monde ihres hinsiechenden Daseins verlebt hatte. Rhodopis betrachtete mit tiefer Rührung all' jene kleinen Gegenstände, welche nicht nur das Geschlecht und Alter der Dahingeschiedenen, sondern auch ihre Neigungen und ihre Sinnesart verriethen. Da standen zahlreiche Salbenbüchschen und Fläschchen(Anm. 147) Wilkinson III. 381 und 383. Die Denkmäler lehren, daß die Aegypter von sehr früher Zeit an sich in mannigfaltiger Weise zu salben pflegten. Die Augenschminke Mestem begegnet uns schon in der 12. Dynastie; die heute noch übliche, aber nunmehr untersagte Färbung der Fingernägel war schon in der Pharaonenzeit üblich (an Mumien nachweisbar), und duftende Haarlocken wurden in erster Reihe von einem schönen Weibe verlangt. (Papyr. d'Orb. 9, 3. Plutarch, Is. und Os. 15.) mit Wohlgerüchen, Schminken und Oelen auf dem Putztische. In einer Schachtel(Anm. 148) Nach Wilkinson II. 360. Leyd. Museum., welche die Gestalt einer Nilgans täuschend nachahmte, und einer andern, an deren Seite eine Lautenschlägerin gemalt war, hatte einst der reiche goldene Schmuck der Königstochter gelegen, und jener Metallspiegel, dessen Griff eine schlummernde Jungfrau darstellte(Anm. 149) Nach dem Griff einer Schmuckschaale bei Wilkinson II. 359. Auch Wilkinson III. 386. 1 und 2., das schöne, sanft geröthete Gesicht der Verstorbenen zurückgestrahlt. Die ganze Ausstattung des Zimmers, von dem zierlichen auf Löwenfüßen stehenden Ruhebette an bis zu den auf dem Putztische liegenden fein geschnitzten Kämmen(Anm. 150) Zu Theben gefundene Kämme. Wilkinson III. 381 von Elfenbein, bewies, daß die frühere Bewohnerin dieser Räume die äußere Zier des Lebens geliebt habe. Das goldene SistrumSiehe III. Theil Anmerkung 76. und die schön gearbeitete Nabla, deren Saiten längst zersprungen waren, deuteten auf den musikalischen Sinn der Königstochter, während die in der Ecke liegende zerbrochene Spindel von ElfenbeinSiehe III. Theil Anmerkung 71. und einige angefangene Netze von Glasperlen(Anm. 151) An sehr vielen Mumien in fast allen größeren Museen finden sich Glasperl-Arbeiten. Wilkinson III. 90. 101 gibt das Bild der berühmten großen Glasperle Capitain Henvey's in welche eine hieroglyphische Inschrift geschnitten ist. bewiesen, daß sie weiblichen Arbeiten hold gewesen sei.
Rhodopis musterte all' diese Gegenstände mit wehmüthigem Wohlgefallen und malte sich, an sie anknüpfend, ein von der Wahrheit nur wenig abweichendes Lebensbild. Endlich nahte sie sich, von neugieriger Teilnahme getrieben, einer großen, bemalten Kiste und öffnete ihren leichten Deckel. Da fand sie zuerst einige getrocknete Blumen, dann einen Ball, der von geschickter Hand mit längst verwelkten Blättern und Rosen umwickelt war, hierauf eine Menge von Amuletten in verschiedener Gestalt, dieses die Göttin der Wahrheit darstellend, jenes ein mit Zaubersprüchen beschriebenes Papyruszettelchen in goldener Kapsel verbergend. Dann fielen ihre Augen auf einige mit griechischen Buchstaben geschriebene Briefe. Sie nahm dieselben und durchlas sie beim Schimmer der Lampe. Nitetis hatte sie aus Persien an ihre vermeinte Schwester, von deren Krankheit sie nichts wußte, geschickt. Als Rhodopis diese Briefe aus der Hand legte, schwammen ihre Augen in Thränen. Das Geheimniß der Verstorbenen lag jetzt offen vor ihren Blicken. Sie wußte, daß Tachot Bartja geliebt, daß sie jene welken Blumen von ihm empfangen und jenen Ball, weil er ihr denselben zugeworfen, mit Rosen umwickelt hatte. Die Amulette waren gewiß dazu bestimmt gewesen, entweder ihr krankes Herz zu heilen, oder Gegenliebe in der Brust des Königssohnes zu erwecken.
Als sie endlich jene Schreiben an ihren alten Platz zurücklegen wollte und einige Tücher, welche den Boden der Kiste auszufüllen schienen, mit der Hand berührte, fühlte sie, daß sie einen harten, runden Gegenstand bedeckten. Nun hob sie die Gewebe auf und fand unter ihnen eine Büste von bunt gefärbtem WachseSiehe II. Theil Anmerkung 172 [72]., welche Nitetis so wunderbar ähnlich darstellte, daß sich Rhodopis eines staunenden Ausrufes nicht enthalten und sich lange Zeit an dem köstlichen Kunstwerke des Theodorus von Samos nicht satt sehen konnte.
Dann legte sie sich nieder und schlief ein, indem sie an das traurige Schicksal der ägyptischen Königstochter dachte.
Am nächsten Morgen begab sie sich in den Garten, welchen wir bei Lebzeiten des Amasis schon einmal betreten haben, und fand dort unter einer Weinlaube Diejenigen, welche sie suchte.
Sappho saß auf einem Stuhle von leichtem Flechtwerk. In ihrem Schooße lag ein nackter Säugling und streckte die Händchen und Füßchen bald seinem Vater, der vor dem jungen Weibe auf der Erde kniete, bald seiner Mutter, die sich lachend zu ihm herniederbeugte, entgegen.
Wenn sich die Finger des Kindes in die Locken und den Bart des jungen Helden vergruben, so zog er leise seinen Kopf zurück, damit er die Kraft des Lieblings empfinde und um ihm das Gefühl zu geben, als habe er das Haar seines Vaters tüchtig gezaust. Wenn die wilden Füßchen sein Gesicht berührten, so nahm er sie in die Hand und küßte die rosigen, niedlich geformten Zehen und die Sohle, die noch so weich und zart war wie die Wange einer Jungfrau. Wenn die kleine Parmys einen seiner Finger mit dem Händchen umklammerte, so stelle er sich, als vermöge er sich nicht von ihnen zu befreien, und küßte die runde Schulter oder die Grübchen in dem Ellenbogen oder gar den schneeweißen Rücken des holden Geschöpfes. Sappho theilte die Wonne dieses harmlosen Spiels und war bemüht, die Aufmerksamkeit ihres Lieblings ausschließlich auf den Vater hinzulenken.
Dann und wann beugte sie sich über die Kleine, um den frischen, kaum merklich feuchten Hals oder die rothen Kinderlippen zu küssen, und in solchen Augenblicken geschah es wohl, daß ihre Stirn die Locken ihres Gatten berührte, der dann jedesmal den dem Kinde gegebenen Kuß von ihrem Munde raubte.
Rhodopis sah diesem Spiele lange Zeit im Geheimen zu und betete, mit Thränen in den Augen, zu den Göttern, daß sie ihren Lieben dies große, reine Glück erhalten möchten. Endlich näherte sie sich der Laube, rief dem jungen Paare einen »fröhlichen Morgen« zu und belobte die alte Melitta, welche mit einem großen Sonnenschirm in der Hand gekommen war, um die kleine Parmys zur Ruhe zu bringen und dem greller werdenden Sonnenlichte zu entziehen.
Die alte Sklavin war zur obersten Wärterin des fürstlichen Säuglings ernannt worden und verwalte ihr Amt mit eben so großer wie komischer Würde. In reiche persische Gewänder ihre alten Glieder bergend, empfand sie eine wahre Seligkeit in dem ihr neuen Befehleertheilen und hielt die vielen ihr untergebenen Sklavinnen, denen sie mit vornehmer Herablassung begegnete, in fortwährender Bewegung.
Sappho folgte der Alten, nachdem sie ihren runden Arm um den Hals ihres Gatten geschlungen und ihm schmeichlerisch in's Ohr geflüstert hatte: »Erzähle doch der Großmutter Alles und frage, ob sie Dir Recht gibt!« –
Ehe ihr Bartja antworten konnte, hatte sie seinen Mund geküßt und war der würdevoll dahinschreitenden Alten eilend gefolgt.
Der Königssohn schaute ihr lächelnd nach und wurde nicht müde, ihren schwebenden Gang und ihre herrliche Gestalt schweigend zu bewundern. Endlich wandte er sich wieder an die Greisin und fragte: »Findest Du nicht auch, daß sie in der letzten Zeit gewachsen ist?«
»Es scheint so,« antwortete Rhodopis. »Die Jungfräulichkeit breitet einen eigenen Anmuthszauber über das Weib; aber erst die Mutterschaft ist es, welche ihm die rechte Ehrwürdigkeit verleiht. Diese erhebt das Haupt der Frau. Wir wähnen, sie müsse körperlich gewachsen sein, während sie sich nur durch das Bewußtsein, ihre Bestimmung erfüllt zu haben, innerlich erhoben fühlt!«
»Ja, ich glaube, daß sie glücklich ist,« gab Bartja der Greisin zurück. »Gestern waren wir zum ersten Male verschiedener Ansicht. Als sie uns soeben verließ, bat sie mich heimlich, Dir unsere Streitfrage vorzulegen, und ich folge ihr gern, da ich Deine Weisheit und Lebensklugheit eben so hoch schätze, als ich ihre kindliche Unerfahrenheit liebe.«
Nun erzählte Bartja der Greisin den Verlauf jener verhängnißvollen Bogenprobe und schloß mit den Worten: »Krösus tadelt meine Unvorsichtigkeit; ich kenne aber meinen Bruder und weiß, daß er zwar im Zorne zu jeder Gewalttat fähig ist und wohl im Stande gewesen wäre, mir im Angesicht seiner Niederlage den Tod zu geben, daß er jedoch, wenn sein Groll verraucht ist, meine Ueberhebung vergessen und sich nur bemühen wird, mich in Zukunft durch Großthaten zu übertreffen. Noch vor einem Jahre ist er bei Weitem der beste Schütze in Persien gewesen und würde es heute noch sein, wenn seine Riesenkräfte nicht durch den Trunk und seine bösen Krämpfe geschwächt worden wären. Von der andern Seite fühle ich, daß meine Stärke täglich zunimmt –«
»Reines Glück,« unterbrach Rhodopis den Jüngling, »stählt die Arme des Mannes, wie es die Schönheit des Weibes erhöht; während Unmäßigkeit und Qualen der Seele Körper und Geist sicherer zerrütten, als Krankheit und Alter. Hüte Dich vor Deinem Bruder, mein Sohn, denn eben so gut, wie sein ursprünglich starker Arm erlahmen konnte, kann seine ursprünglich edle Seele ihre Hoheit einbüßen. Traue meiner Erfahrung, die mich lehrt, daß, wer der Sklave einer schändlichen Leidenschaft geworden ist, sehr selten Herr seiner anderen Triebe bleibt. Außerdem trägt Niemand schwerer eine Erniedrigung, als der Sinkende, welcher das Abnehmen seiner Kräfte fühlt. Hüte Dich vor Deinem Bruder und traue mehr der Stimme der Erfahrung, als Deinem eigenen Herzen, welches, weil es selbst edel fühlt, jedes andere für edel zu halten geneigt ist.«
»Diese Worte,« erwiederte Bartja, »zeigen mir im Voraus, daß Du Sappho's Ansicht theilen wirst. Sie hat mich nämlich gebeten, so schwer ihr auch die Trennung von Dir werden würde, Aegypten zu verlassen und mit ihr nach Persien zurückzukehren. Sie meint, daß Kambyses, wenn er nichts von mir hört und sieht, seinen Groll vergessen wird. Ich habe sie bisher für allzu ängstlich gehalten und würde mich nur ungern von dem Feldzuge gegen die Aethiopen ausschließen . . .«
»Ich aber,« unterbrach ihn Rhodopis abermals, »bitte Dich dringend, ihrem von einem richtigen Gefühle und wahrer Liebe eingegebenen Rathe zu folgen. Die Götter wissen, welchen Kummer mir die Trennung von euch bereiten wird, dennoch rufe ich tausend und tausend Mal: Kehre nach Persien zurück und bedenke, daß nur Thoren ihr Leben und ihr Glück zwecklos auf's Spiel setzen! Der Krieg mit den Aethiopen ist ein Wahnsinn, denn ihr werdet nicht den schwarzen Bewohnern des Südens, wohl aber der Hitze, dem Durst und den Schrecknissen der Wüste unterliegen. Dies gilt von dem beabsichtigten Feldzuge im Allgemeinen; was Dich im Besondern betrifft, so gebe ich Dir zu bedenken, daß Du Dein eigenes Leben und das Glück der Deinen unnütz auf's Spiel setzest, wenn kein Kriegsruhm zu gewinnen ist; daß Du aber, solltest Du Dich von neuem auszeichnen, den Groll und die Eifersucht Deines Bruders zum andern Male reizen würdest. Geh' nach Persien, mein Sohn, und zwar so bald wie möglich!«
Als Bartja eben mit Zweifeln und Einwänden antworten wollte, erblickte er Prexaspes, der mit bleichem Angesicht auf ihn zutrat.
Nach den gewöhnlichen Begrüßungen und Fragen flüsterte der Botschafter dem Jünglinge zu, daß er mit ihm allein zu reden habe, und sagte, als sich Rhodopis entfernt hatte, indem er verlegen mit den Ringen an seiner Rechten spielte. »Der König sendet mich zu Dir. Du hast ihn durch Deine gestrige Kraftprobe aufgebracht. Er will Dich in der nächsten Zeit nicht wieder sehen und befiehlt Dir darum, nach Arabien zu reisen und dort so viel Kameele(Anm. 152) Auf den ägyptischen Denkmälern finden wir keine Kameele abgebildet, während doch die Araber und Perser diese heutzutage am Nil unentbehrlich gewordenen Thiere fleißig benützten. Uebrigens gab es auch im Alterthume Kameele in Aegypten. Hekekyan-Bey fand in tiefen Bohrlöchern Dromedarknochen. Die Darstellung des Kameels scheint aber, wie die der Hähne, welche in Menge vorhanden waren, verboten gewesen zu sein. Merkwürdig ist es, daß das Kameel in der Berberei erst nach Christi Geburt eingeführt worden ist. H. Barth, Wanderungen am Gestade des Mittelmeers, S. 3 fgd. als möglich zu kaufen. Diese Thiere, welche den Durst lange Zeit zu ertragen wissen, sollen das Wasser und die Lebensmittel für unser nach Aethiopien ziehendes Heer führen. Unsere Reise leidet keinen Verzug. Nimm von Deinem Weibe Abschied und sei, – so befiehlt es der König, – bevor es dunkelt, zum Aufbruche bereit. Du wirst mindestens einen Monat unterwegs bleiben. Ich begleite Dich bis nach Pelusium. Kassandane wünscht unterdessen Dein Weib und Kind in ihrer Nähe zu haben. Sende sie so bald als möglich nach Memphis, wo sie, von der hohen Mutter des Königs bewacht, am sichersten sein werden.«
Bartja hörte Prexaspes an, ohne daß ihm die kurze und verlegene Art des Botschafters aufgefallen wäre. Er freute sich über die vermeinte Mäßigung seines Bruders und jenen Auftrag, der ihn aller Zweifel in Betreff seiner Entfernung von Aegypten enthob, reichte dem vermeinten Freunde die Hand zum Kusse und forderte ihn auf, ihm in den Palast zu folgen.
Als es kühler zu werden anfing, nahm er von Sappho und dem Kinde, das auf Melitta's Armen ruhte, einen kurzen, aber herzlichen Abschied, befahl seiner Gattin, die Reise zu Kassandane so bald als möglich anzutreten, rief seiner Schwiegermutter neckend zu, daß sie sich diesmal doch in der Beurtheilung eines Menschen, nämlich seines Bruders, getäuscht habe, und schwang sich auf sein Roß.
Als Prexaspes das seine besteigen wollte, flüsterte ihm Sappho zu: »Gib Acht auf ihn und erinnere den Wagehals an mich und das Kind, wenn er sich unnöthigen Gefahren aussetzen will!«
»Ich muß ihn schon zu Pelusium verlassen,« antwortete der Botschafter, indem er sich, um den Blicken des jungen Weibes auszuweichen, mit dem Zaumzeuge seines Pferdes zu schaffen machte.
»So werden ihn die Götter beschützen!« rief Sappho, indem sie die geliebte Hand des Scheidenden ergriff und in Thränen, denen sie nicht zu wehren vermochte, ausbrach. Er blickte zu ihr hernieder und sah seine sonst so vertrauensvolle Gattin weinen. Da erfaßte auch ihn eine niegekannte schmerzliche Rührung. Liebreich neigte er sich vom Pferde herab, schlang seinen starken Arm um ihren Leib, hob sie zu sich empor und drückte sie, während ihr Fuß auf seinem im Bügel ruhenden Fuße stand, an sein Herz, als müsse er ihr auf ewig Lebewohl sagen. Dann ließ er sie sanft und sicher zur Erde nieder, nahm sein Kind noch einmal zu sich hinauf in den Sattel, um es zu küssen und ihm scherzend zuzurufen, daß es seiner Mutter rechte Freude machen möge, rief Rhodopis herzliche Abschiedsworte zu und sprengte, seinem Hengste die Sporen gebend, daß er wild aufbäumte, von Prexaspes begleitet, durch das Thor des Pharaonenpalastes.
Sobald der Hufschlag der Rosse in der Ferne verhallt war, warf sich Sappho an die Brust ihrer Großmutter und weinte unaufhörlich, trotz der ernsten Vorstellungen und des strengen Tadels der Greisin.