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Fräulein Doktor

Ein altes Haus im Centrum der Stadt. An einem seiner Parterrefenster, von sauberen Gardinen halb versteckt, sitzt eine Frau in mittleren Jahren und blickt, die Hände müssig im Schoss, mit müdem, missmutigem Blick in das Gewimmel zu ihren Füssen.

Der Wintertag ist prächtig. Festgefroren liegt der Schnee auf den Dächern und glitzert im Sonnenschein wie von Milliarden verstreuter Demantfunken. Ueber den reinlich gefegten Strassen, die nach dem Fahrdamm zu von weissen Schneewällen begrenzt sind, liegt ein wolkenloser, lichtblauer Himmel. Kein Lüftchen rührt sich. Mit frohen, aufgeregten Gesichtern eilen die Menschen hin und her. In den Händen und unter den Armen grosse und kleine Pakete. Man stösst und drängt einander, aber keiner nimmt es dem andern übel. Morgen ist Weihnachten! Da hält man einander schon etwas zu gut.

Das Gesicht der Frau will sich noch immer nicht erhellen. In trübe Gedanken versunken sitzt sie da. Sie hat ein eigenes Talent, sich das Leben noch schwerer zu machen, als es ohnedies für sie ist. Vor etwas über fünf Jahren hat sie ihren Gatten durch den Tod verloren. Er war einer der angesehensten Aerzte im Centrum Berlins gewesen. Seitdem hat weder Weihnachten noch das Leben überhaupt einen Reiz für sie. Sie würde sich vielleicht besser in den Verlust gefügt haben, wenn ihr Lieblingskind, ihre Tochter Eva, nicht wenige Monate nach dem Tode des Vaters als Erzieherin in die Schweiz gegangen wäre.

Freilich, so gross die Praxis ihres Mannes gewesen, viel war nicht für sie und die Kinder zurückgeblieben. Ihr Gatte hatte niemals ans Sparen gedacht. Er hatte ein grosses Haus gemacht und für jedermann eine offene Hand gehabt, da that es wohl not, dass die Kinder frühzeitig daran dachten, sich selbst durchs Leben zu helfen. Aber dass gerade Eva sie verlassen musste, ihr einziger, wirklicher Halt, seit des Vaters Tode der eigentliche Mann in der Familie!

All die geringe Energie, über die Frau Bornstein verfügte, hatte sie daran gesetzt, ihrer Tochter Sinn zu ändern. Sie hatte sich hinter den Sohn gesteckt, der viel von ihrer eigenen weichen Natur hatte, aber auch er war gegen alles Erwarten für Evas Pläne eingetreten. Alle Gründe der Mutter, dass das Mädchen seine reichen Kenntnisse, seinen offenen Kopf auch in Berlin verwerten könne, waren in den Wind gesprochen gewesen. Die Geschwister, die sich sonst in allen Dingen so unähnlich waren, schienen über diesen Punkt einen Pakt geschlossen zu haben.

In diesen langen fünf Jahren hatte Frau Bornstein ihre Tochter nur zweimal wiedergesehen. Einmal war Eva zu Weihnachten in Berlin gewesen, ein anderes Mal hatten alle drei sich für einige schöne, sonnige Spätsommerwochen am Rhein zusammengefunden. Eva hatte behauptet, nicht öfter Urlaub nehmen zu können. Das Pensionat, an dem sie unterrichtete, musste ungeheuerliche Anforderungen an ihre Arbeitskraft stellen; Frau Bornstein schalt beständig auf diese Ausnutzung des geliebten Kindes. Dennoch schien die Arbeitslast, die sie auf sich genommen Eva niemals zu viel zu werden. Sie schrieb stets heiter und zufrieden und in jenen Sommerwochen am Rhein war sie so frisch gewesen, als ob es überhaupt keine Lehrbücher in der Welt gegeben hätte.

Etwas wie ein Lächeln legte sich auch jetzt um die Lippen der selbstquälerischen Frau, wenn sie der herrlichen Wanderungen am Arme ihrer Tochter, der wohligen Plauderstunden auf der Rheinterrasse des bescheidenen Hotels gedachte. Aber auch diese Wochen hatten für Frau Bornstein ihren dunklen Punkt gehabt. Während sie mit Eva plauderte oder in den Bergen sich erging, hatte ihr Sohn mit rastlosem Eifer seine Studienmappe gefüllt. Damals war es zum Ausbruch gekommen. Hans hatte sich der Kunst in die Arme geworfen. Er war Maler geworden. Niemals konnte die Mutter ihm diesen Schritt verzeihen. Sie war so stolz auf den Beruf ihres Mannes, auf die angesehene gesellschaftliche Stellung gewesen, die er als beliebter Arzt genoss, und die ihr, der geborenen Kleinstädterin, noch als ein ganz besonderer Nimbus dünkte, dass sie glaubte, es niemals überwinden zu können, den Sohn nicht als Nachfolger des Vaters zu sehen. Ja, wäre Eva ein Junge gewesen! Dann hätte der Verstorbene einen Ersatz nach seinem Herzen gehabt! Und die alte Dame seufzte resigniert auf und blickte teilnahmslos auf die Strasse, zu der sie vor Jahren so oft nach dem heimkehrenden Gefährt ihres Gatten oder nach Evas lustig fliegenden schwarzen Zöpfen ausgeschaut. Was gingen sie jetzt die Menschen da unten noch an? Wenige genug verirrten sich zu ihr hin, seitdem sie nicht mehr die schönen, grossen Parterreräume bewohnte, sondern nur ein paar Stübchen, die der Hauswirt aus besonderer Pietät für den Verstorbenen von der Hauptwohnung hatte abteilen lassen.

Jetzt sah sie zwischen der sich immer dichter zusammendrängenden Menschenmenge eine Gestalt in weitem grauen Mantel auftauchen. Es war ihr Sohn, der lächelnden Antlitzes, mit der Hand zu ihr auf winkend, nach Hause kam. Er trug eine Mappe unter dem Arm. Wahrscheinlich kam er von den Unterrichtsstunden, die er kürzlich übernommen hatte. Der Verkauf seiner Bilder brachte gar zu wenig ein, das Malen war eine brotlose Kunst.

Jetzt war er ihren Blicken entschwunden.

Draussen im Schloss hörte sie den Schlüssel sich drehen. Nun trat er bei ihr ein. Er lachte über das ganze Gesicht. »Du Mutter!«

Was hatte der Junge nur? Malunterricht geben konnte doch kein so grosses Vergnügen sein. Jetzt fing er noch einmal an und wurde dabei so rot wie als Schuljunge, wenn er eine freudige Mitteilung zu machen hatte. Er wird sich doch nicht etwa verlobt haben, als Weihnachtsüberraschung? Das hätte ihr gerade noch gefehlt. Wenn ihr jetzt, wo sie ohne Eva nicht aus noch ein wusste, eine Schwiegertochter ins Haus geregnet wäre!

»Was giebt's denn, Hans? so sprich doch!«

Er umhalste sie von hinten und flüsterte ihr ins Ohr: »Eine Weihnachtsüberraschung, Mutter.«

Also doch! Was dieser Junge ihr für Sorgen machte!

»Du musst auf eine sehr grosse gefasst sein.«

»Ich bin es schon, sprich nur endlich!«

»Mutter, bist Du auch gefasst? Nicht umfallen, Mutter! Eva kommt!«

Sie war wie der Blitz zu ihm herumgefahren und ergriff seine Hände. »Was sagst Du? Eva kommt? Aber das ist ja unmöglich!«

»Sie kommt wirklich und bleibt bei uns. Sie hat ihre Stelle aufgegeben.«

»Wann kommt sie?« Der Atem versagte der Frau.

»Morgen Nachmittag, Mutter, gerade zum Heiligen Abend, sie hat mir telegraphiert.«

»Weshalb Dir und nicht mir?« Es lag ein unverkennbarer Ausdruck von Eifersucht in dieser Frage.

»Sie wollte Dich nicht erschrecken, ich sollte Dich vorbereiten.«

»Zeig mir das Telegramm.«

Hans schüttelte den Kopf. »Das geht nicht, Mama. Eva will Dich überraschen. Mit einer Neuigkeit. Du wirst ihr die Freude nicht verderben.«

»Eva ist doch gesund?«

»Kerngesund.«

Die Mutter seufzte, dann sagte sie mit schwerem Entschluss: »Nun gut, so will ich mich gedulden,« und ihn durchdringend ansehend, fragte sie:

»Weshalb Eva die Stellung so plötzlich aufgegeben hat, willst Du mir auch nicht sagen, oder weisst Du es selber nicht?«

Hans wurde wiederum blutrot. »Das musst Du Dir von Eva selbst erzählen lassen!«

Die vierundzwanzig Stunden bis zu Evas Ankunft waren mit mancherlei Vorbereitungen angefüllt. Da die Weihnachtskiste nach der Schweiz längst abgesandt war, mussten Mutter und Bruder für neue Geschenke sorgen. Eva durfte doch nicht mit leeren Händen empfangen werden. In ihrer Herzensfreude kauften beide das unnützeste Zeug zusammen und gaben dafür doppelt so viel Geld aus, als sie sich vorgesetzt hatten. Jedesmal, wenn Hans wieder ein neues Paket in die Tiefe seines grauen Mantels versenkte, lachte er vor sich hin und murmelte etwas, das ungefähr so klang wie: »ein rechter Unsinn, gerade für Eva!« Aber die Mutter hatte nicht acht darauf, und selbst wenn sie es gehört hätte, würde es ihre Kauflust nicht beeinträchtigt haben. Dagegen schalt sie um so eifriger auf ihren Sohn ein, dass er sich bei seinem mageren Verdienst so verschwenderisch geberdete und Ende gut, alles gut, in einem grossen Buchladen ein Werk bestellte, dessen Titel sie nicht verstand, aber um so besser bemerkte, dass er fünfzig Mark an der Kasse dafür bezahlte.

Dem sonst so Empfindlichen that heute der Tadel der Mutter nicht weh. Er lachte ruhig fort und hatte auf ihre Behauptung, dass Eva sich nach diesen fünf Arbeitsjahren aus gelehrten Werken nicht das geringste machen würde, nur ein schmunzelndes: »Wir werden ja sehen.«

Zu Mittag rührten beide vor Aufregung die Speisen kaum an. Nach dem letzten Bissen fuhr Hans zur Bahn. Während der Stunde, die Frau Bornstein noch bis zu Evas Heimkehr warten musste, blieb sie kaum minutenlang auf demselben Fleck. Unablässig schritt sie zwischen dem kleinen Wohnzimmer, in dem der Weihnachtsbaum stand, und Evas wohldurchwärmtem Stübchen hin und her. Sie fragte sich, ob es Eva wohl in dem grossen Schweizerpensionat hübscher gehabt habe wie daheim und musterte dann die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum, zwischen denen auch Hans' fest mit Papier umschlossene Büchergabe lag. Dazwischen schossen ihr allerhand peinigende Fragen durch den Kopf, deren sie sich nach ihrer Gewohnheit niemals lange erwehren konnte. Ob ihre bescheidenen Zinsen und Hans' Einkünfte für sie alle drei ausreichen würden, ob Eva wieder würde verdienen müssen? So ein armes zur Arbeit gezwungenes Mädchen hatte es doch gar zu schlecht auf der Welt. Da war ein Mann mit einem gefestigten Beruf tausendmal besser daran. Ja, wenn Eva ein Mann gewesen wäre! Der hätte es sicher nicht gefehlt.

Da, die Uhr schlug fünf, klingelt es draussen. Gerade wollte sie die Hand auf die Thürklinke legen, als die Thür von aussen aufgerissen wurde.

»Mutter!« Das grosse, kräftige Mädchen hatte sich in die Arme der Mutter völlig eingegraben.

»Mein liebes, liebes Kind!« Und dann eine ganze Weile gar nichts als Küsse und leises Weinen.

Jetzt hatte sich Eva aus den Armen der Mutter gewunden. »Und was sagst Du dazu, dass ich nun ganz bei Euch bleibe?« Und ohne eine Antwort abzuwarten, nahm sie die alte Frau aufs neue in den Arm.

»Aber nun, Kindchen, schnell in Dein Stübchen. Erst die kalten Sachen vom Leibe. Willst Du nicht lieber ein wenig ausruhen, ehe wir den Baum anstecken? Das Mädchen soll Dir eine Tasse heissen Thee bringen. Und lass doch einmal sehen, wie Du eigentlich aussiehst.«

Frau Bornstein hatte ihre Tochter in den Lichtkreis der Hängelampe gezogen. Sie schüttelte den Kopf. Sie war nicht ganz mit Evas Aussehen zufrieden. Ein wenig blass und spitz war das Töchterchen doch geworden, und wenn die strahlenden Augen nicht gewesen wären, die so gesund und fröhlich ins Leben blickten, die Mutter hätte gewiss eine ihrer ängstlichsten Litaneien angestimmt. So küsste sie die Tochter nur und meinte, sie werde sie schon wieder herausfüttern, und sagte mit einem halb warnenden, halb vorwurfsvollen Blick auf Hans: »Von Büchern darf einstweilen natürlich nicht die Rede sein.«

Die Geschwister sahen sich an und lachten. Dann huschte Eva aus der Thür, nachdem sie versprochen, in einer kleinen halben Stunde für das Weihnachtszimmer bereit zu sein. Hans wollte währenddessen zum Hauswirt heraufsteigen, um ihm die Freudenbotschaft von Evas Heimkehr zu bringen.

Pünktlich, wie immer, kam Eva zurück und händigte ihrem Bruder einen grossen weissen Briefumschlag ein. »Für die Mutter,« sagte sie mit bedeutungsvollem Lächeln. Hans drückte ihr die Hand: »Dicht unter den Christbaum, nicht wahr?«

Dann betraten sie alle drei Arm in Arm, Eva in der Mitte, das Weihnachtszimmer. »O wie schön, o wie lieb,« wiederholte die Heimgekehrte immer wieder, Mutter und Bruder umhalsend. »Wie schön ist es doch daheim zu sein und bleiben zu dürfen.«

Nachdem der erste Freudenrausch verflogen, beantragte Hans, dass die Mutter das Kouvert öffnen möge, das Evas Geschenk enthielt. Feierlich rückte er einen Stuhl herbei, in dem die Mutter Platz nehmen musste, zündete zwei Lichter an, die er zu beiden Seiten des geheimnisvollen Briefumschlags aufstellte, und trat dann, Hand in Hand mit Eva, hinter den Rücken der Mutter zurück.

Frau Bornstein, die einen Scherz vermutete, lachte mit ihren Kindern über die feierlichen Vorbereitungen und öffnete das umfangreiche Kouvert. Ein grosser, zweimal gebrochener Bogen fiel ihr entgegen, mit einer gleichmässig schönen Handschrift in lateinischen Lettern bedeckt. Sie nahm das Blatt dicht vor die Augen und hielt es dann wieder weit von sich ab. Ihre Lippen bewegten sich, als ob sie buchstabiere. Sie zog ihr Taschentuch hervor und wischte sich über Stirn und Augen, dann stiess sie stockend halblaut den Namen ihrer Tochter und das ihr als Doktorsfrau wohlbekannte Wort »Approbation« aus. Als sie aber weiter lesen wollte in der wunderbar geheimnisvollen Schrift, wurde es ihr plötzlich schwarz vor den Augen, und die Kinder fingen eine halb Ohnmächtige in ihren Armen auf.

»Es war zuviel für sie, ich fürchtete es gleich,« murmelte Hans, der Mutter die kalten Hände reibend, während Eva die Stirn mit einer belebenden Flüssigkeit netzte.

Da schlug die alte Dame die Augen wieder auf und richtete sich mit einem Ruck in die Höhe. »Ja, wahrlich, zu viel, wenn es kein Traum ist. was ich da gelesen habe, wenn Du –« sie brach in Thränen aus.

»Statt dieses meines unwürdigen Sohnes, Nachfolger im Beruf des Vaters würdest.« Hans hatte es lachend hinzugefügt, um das erschütterte Gemüt der Mutter zu beruhigen, Eva aber hatte die Weinende bei den Schultern genommen. »Aber so weine doch nicht, Mütterchen, ich bin ja so glücklich! Seit acht Tagen Fräulein Doktor, überall zugelassen, wo man mich haben will.« Sie fasste in die Tasche und holte ein kleines ledernes Portefeuille vor. »Das habe ich für Dich machen lassen.« Sie hielt der alten Frau eine Visitenkarte vor die nassen Augen. »Dr. E. Bornstein«, grad' wie dem Papa seine Karten. Fehlt nur noch die Praxis, und die wird schon kommen,« fügte sie im Uebermut des Glücks hinzu.

Frau Bornstein war aufgestanden und hatte ihre Tochter bei den Händen genommen. »Ich danke Dir, Eva, aus tiefster Seele, dass Du mich diesen Tag hast erleben lassen.«

Eva entzog ihr schnell eine Hand und legte statt dessen die des Bruders in der Mutter Rechte. »Mir gebührt der Dank nicht allein. Ohne diesen Prachtmenschen da wäre alles beim guten Willen geblieben. Hätte er nicht so fleissig gemalt und seine Bilder so gut verkauft, hätte ich nicht fünf Jahre studieren können, sondern wirklich, wie wir Dir eingeredet, um Dich nicht zu beunruhigen, Pensionsunterricht geben müssen. Der arme Junge hat ordentlich herhalten müssen. Aber gelt, Du weisst, mein guter Hans, das vergisst Dir die Eva ihr Lebtag nicht, und arbeiten will sie für Euch alle, wie ein zweiter Papa.«

Frau Bornstein war sprachlos. Also war das Malen doch keine brotlose Kunst! Es hatte für ein fünfjähriges Studium ausgereicht, und auch sie beide waren noch satt davon geworden! Sie drückte dem Sohn in stummer Abbitte die Hand, Worte hatte sie nicht mehr.

Da klingelte es an der Flurthür, gerade zu rechter Zeit, um der Rührung ein Ende zu machen. Das Mädchen meldete den Hauswirt. Polternd trat der joviale Mann ins Weihnachtszimmer. »He holla, ist das Fräulein Doktor nicht hier?«

Eva kam hinter dem Weihnachtsbaum vor und schüttelte dem alten Hausfreund, der längst in ihr Geheimnis eingeweiht war, die Hand.

»Gefahr in Verzug, mein kleines Fräulein Doktor! Nehmen Sie Ihr Verbandzeug und Ihre Hausapotheke, wenn Sie eine haben und kurieren Sie mir meine Kinder. Meine Grete hat sich gestern bei der Grossmama an Zuckerzeug den Magen verdorben und der Junge hat sich soeben den Zeigefinger an der neuen Kanone geklemmt.«

Eva stiess einen Juchzer aus, den sie aus den Schweizer Bergen mitgebracht hatte, und stürmte mit dem Rufe: »Hurrah, die erste Praxis!« davon. Hans, wie die wilde Jagd hinter ihr drein. Der Hauswirt blieb bei der Mutter sitzen und rieb sich vergnügt die Hände.

»Sie dürfen sich gratulieren, Frau Doktorin. In dem Mädel steckt die Kraftnatur Ihres Seligen. Die wird es einmal zu was Rechtem bringen. Die Weisheit hab' ich nicht von mir, sondern von den Herren Professoren in Zürich. Da die Kinder mich ins Vertrauen gezogen hatten, wollte ich es dabei nicht bewenden lassen und habe gelegentlich einer Schweizerreise Erkundigungen in Zürich eingezogen. »In dem Mädchen steckt ein ganzer Mann,« hat es da geheissen, »und wenn nicht alles täuscht, ein tüchtiger Arzt.« Was wollen Sie mehr! Sie haben ausgesorgt. Wollen uns in einigen Jahren wieder sprechen, ob die Praxis des Herrn Doktor nicht wieder in dies alte Haus zurückgekehrt ist. Wenn ich dagegen an meine drei Mädchen denke! Nicht jedermann, der seine Töchter heutzutage nicht unter die Haube bringen kann, bringt sie unter den Hut.« Er war aufgestanden und drückte der in stiller Rührung dasitzenden Frau die Hände, dass die feinen Finger knackten.

»Nichts für ungut, Frau Doktorin! Mir und meiner Familie kommt kein anderer Arzt als der junge Dr. E. Bornstein mehr ins Haus. Fröhliches Fest, Frau Doktor!«


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