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Bei dem Mangel männlicher Nachkommenschaft des Erzhauses mußte die Wahl eines Gatten für die erstgeborne Kaisertochter ein Gegenstand von nicht geringer Wichtigkeit sein. Verschiedene Rücksichten kamen dabei in Betracht. Die Erzherzogin durfte durch eine Verbindung ihre Selbstständigkeit nicht verlieren, und die Autorität ihres Gemahls mußte anderseits doch auch hinreichen, um die ihrige gehörig zu unterstützen. Es handelte sich ferner darum, auch aus Rücksicht auf die Besorgnisse der großen Fürstendynastieen im Reiche sowie auf den außerdeutschen Thronen, das beliebte Gleichgewicht bei dieser Gelegenheit nicht zu verrücken. Auch die Abkunft des künftigen Gatten mußte sich mit jeder anderen messen können.
Anderseits wieder erregte der Gedanke an die Erwerbung so vieler herrlicher Lande durch die Hand der Erbtochter des Erzhauses an mehreren Höfen Wünsche, Hoffnungen und Bemühungen. Die bekannte Devise: » Tu felix Austria nube« leuchtete manchem Prinzen ein; man erinnerte sich daran, wie unter ähnlichen Verhältnissen die Hausmacht Luxemburgs und Burgunds an Oesterreich gekommen. Man wollte die günstige Gelegenheit zu friedlicher Erwerbung, zu gesicherter, auf dem Titel der Heirath und Erbschaft ruhender Rechtsnachfolge nicht ungenützt vorüber gehen lassen. Insbesondere war dies der Wunsch der Königin von Spanien. Wenn, wie es ihre Absicht war, der Infant Don Carlos die Hand Marien Theresiens erhielt, so stand abermals eine Vereinigung der romanischen Monarchie mit dem deutsch-slavisch-magyarischen Staatsverbande in Aussicht; die spanische Linie, des Hauses Bourbon erntete dann alle Errungenschaften Habsburgs. Wirklich geschah auch 1730 eine Werbung von Seiten Spaniens um die Hand der Erzherzogin Maria Theresia für Don Carlos. War es jedoch Karl VI. zu verargen, wenn er, noch ganz erfüllt von der frischen Erinnerung, daß ihm die Bourbons den spanischen Thron entrissen, seine Einwilligung zu dieser Verbindung, welche allerdings ein kaum hergestelltes freundliches Verhältniß – aber auf welche Kosten! – befestigen konnte, nicht ertheilte? Das war jedoch dem Wiener Kabinet allerdings zu verargen, daß es die ihm bekannten Wünsche der Königin von Spanien 1725 beim Abschluß des Wiener Friedens zu seinen Zwecken klug benützt hatte, ohne schon damals daran zu denken, dieselben zu erfüllen. Die nothwendige Folge der ablehnenden Antwort des Kaisers war die Erbitterung der Königin von Spanien, die neue Feindschaft zwischen den Höfen von Wien und von Madrit.
Wie dieser aus politischer Berechnung hervorgegangene Vorschlag, so wurde auch mancher andere abgewiesen, wobei wirklich aufrichtige und uneigennützige Neigung für die geistreiche und anmuthvolle Kaisertochter den ersten, einzigen, oder überwiegenden Beweggrund gab. Auch König Friedrich Wilhelm I. von Preußen hatte die Absicht gehabt, seinen Kronprinzen Friedrich mit Marie Theresie zu vermählen, und deshalb Unterhandlungen angeknüpft. Doch weder Karl VI., noch der Kronprinz selbst zeigte Interesse dafür. Welche unermeßliche Folgen, wenn Friedrich II. Marien Theresiens Gemahl geworden wäre!
Am Ende gab doch die Stimme des Herzens den Ausschlag und entsprach glücklicherweise auch den Erwägungen der Politik. Der Prinz, welchem Maria Theresia ihr Herz schenkte, konnte gewissermaßen insofern als ein Glied des Erzhauses betrachtet werden, da er schon seit seinem 15. Jahre sich am Wiener Hofe befunden, dessen Weise und Sitten in sich aufgenommen hatte; es war Franz Stephan von Lothringen.
Franz Stephan, der älteste Sohn des Herzogs Leopold von Lothringen, war am 8. December 1708 geboren (also um nicht ganz neun Jahre älter als Maria Theresia), und als Erbprinz im Jahre 1723 nach Prag zur böhmischen Krönung Karls VI. gekommen, von wo er dem Monarchen nach Wien folgte. Noch lebte in dieser Stadt der Name »Lothringen« in gutem Andenken. Hatte doch der Großvater Franz Stephans, Herzog Karl von Lothringen ein halbes Jahrhundert vorher, im schönen Bunde mit dem Polenkönig Johann Sobiesky, das belagerte Wien von den Türken errettet! Dieser Herzog Karl, gleich ausgezeichnet als Kriegsheld, wie als Freund der Wissenschaften und insbesondere der Geschichte, war der Gatte von Kaiser Karls VI. Tante, von Leopolds I. Schwester Eleonore. Gleiche Jugendschicksale wie der Großvater Karl, hatte der Enkel Franz Stephan. Beiden kam das Unheil von Frankreich, beiden ward väterliche Aufnahme, Asyl und Ehre am Kaiserhofe zu Wien. Karl VI. hatte Franz Stephan von Lothringen an seinem Hofe erziehen lassen (die Grafen Cobenzl und Neipperg waren seine Hofmeister) und hatte ihn mit dem Herzogthum Teschen belehnt, ihn 1731 eine Reise nach England, Holland und den österreichischen Niederlanden machen lassen, und ihn nach der Zurückkunft zum Vicekönig und Statthalter von Ungarn, wo sein Großvater Karl mit kriegerischer Strenge die Autorität des Erzhauses Oesterreich herstellen und befestigen geholfen, sowie zum Generallieutenant ernannt. Die Regierung Lothringens hatte Franz Stephan schon 1729 angetreten; er verlor sie jedoch in Folge des Krieges, den die Besetzung des polnischen Thrones hervorgerufen hatte; – einer von jenen Kriegen, durch welche die damals herrschende Politik die Immoralität ihres Prinzipes: »Gewalt für Recht« zur Schau stellte. Frankreich wollte den polnischen Thron für den Schwiegervater seines Königs, für Stanislaus Lesczinsky; und als dieser dem Kurfürsten von Sachsen, Friedrich August III. weichen mußte, wollte es – Lothringen, angeblich zur Entschädigung für Lesczinsky, eigentlich aber für sich; in dem Friedensvertrage von 1735 war nämlich ausdrücklich vorgesehen und bedungen, daß Lothringen nach Lesczinsky's Tode an Frankreich fallen und demselben einverleibt werden solle. Während die Politik der Gewalt so mit den Rechten der Fürsten spielte, behandelte sie das Volk lediglich als ein Ding, als eine rechtlose Zuthat des Landes. Man fragte die Bewohner Lothringens ebensowenig, als ob sie mit den Diktaten der Gewalt einverstanden seien, als man, die Nothwendigkeit einer Entschädigung für Franz Stephan durch Toskana einsehend, die Bewohner dieses Landes fragte. Allerdings gereichte der Tausch, die Verpflanzung eines neuen Fürstenstammes auf den Thron Toskana's, diesem Lande zum Heil. Johann Gasto von Medici war der Letzte seines von einstiger Herrlichkeit bis zu völliger Bedeutungslosigkeit herabgesunkenen Stammes; mit der lothringischen Dynastie und durch sie sollte eine neue schönere Zeit für Toskana heranblühen. Nicht gering wog übrigens in den Begriffen des Wiener Hofes der Umstand, daß der Herzog durch jenen Ländertausch zum Großherzog, zur »königlichen Hoheit« wurde. Diese Erhöhung des Titels durfte Franz Stephan, nachdem ihm im Wiener Präliminar-Frieden von 1735 Toskana zugesichert worden war, nicht lange erwarten.
Maria Theresia und Franz Stephan hatten sich im täglichen Umgänge kennen gelernt, und unvermerkt hatte sich eine wechselseitige Neigung zwischen beiden gebildet und befestigt. Karl VI. betrachtete dieses Verhältniß mit um so größerem Wohlgefallen, da er in Franz Stephan, dessen angenehmes Aeußere eben so gewinnend war als sein gewandtes Benehmen, seinen Zögling sah, der alle ihm erwiesene Liebe zu verdienen bemüht war. Was die Fähigkeiten desselben betraf, so hatte man wenigstens die besten Hoffnungen, in Bezug auf seinen Charakter die Gewißheit, daß derselbe tadellos war.
Die Vermählung der Kaisertochter mit dem Kaiserzögling war beschlossen und bereits festgesetzt, als jener Krieg um die polnische Königskrone ausbrach, welcher unter Anderem die Anerkennung Friedrich August's von Sachsen (er hatte eine Nichte Karls VI. zur Gemahlin) als König von Polen, die Entschädigung Stanislaus Lesczinsky's durch Lothringen und Bar, und Franz Stephan's durch die Anwartschaft auf Toskana zur Folge hatte. Kaum war der Friede abgeschlossen, als der Kaiser die Vollziehung der Vermählung seiner Erbtochter mit Franz Stephan, welche seinen Absichten nicht weniger als den Wünschen Beider und den Hoffnungen der österreichischen Erblande entsprach, beschleunigte, so weit dies wenigstens mit den zeitraubenden Weitläufigkeiten der strengen Vorschriften, welche die spanische Hofsitte auferlegte, und bei den Vorbereitungen, welche die Herstellung des unerläßlichen Prunkes benöthigte, möglich war; Karl VI. mochte, wiewohl der Friede geschlossen war, immerhin noch an die Intriguen denken, welche von Seiten Frankreichs gegen diese Verbindung eingeleitet worden. Franz Stephan hatte damals sein sieben und zwanzigstes Jahr erreicht, Maria Theresia stand in der Hälfte des neunzehnten.
Am 31. Januar 1736 fand die feierliche Werbung bei den kaiserlichen Aeltern statt. Eine treue Schilderung des ganzen Ceremoniels, welches sich dabei geltend machte, ist weniger an und für sich, als eben wieder dadurch interessant, weil sich das ganze damalige Repräsentationswesen vollkommen darin abspiegelt, ein ungemein weit und fein ausgegliedertes System, dessen Studium eine vollkommene Lebensaufgabe für einen Hofmann der guten alten Zeit sein konnte. Wie fremdartig war es, an asiatische und byzantinische Weise Daß diese Bezeichnung richtig, ersieht man unter Anderm aus der Vorschrift, daß selbst bei Belehnung eines deutschen Fürsten dessen Abgeordneter beim Eintritt wie beim Abgang dreimal niederknieen und den Saal nach geschehener Belehnung rückwärtsgehend verlassen mußte, um dem Kaiser nicht den Rücken zu wenden. erinnernd, gerade für deutsches Wesen! Aber freilich, wie viel des Fremdartigen und deutscher Wesenheit durch und durch Widerstrebenden ward nicht schon in Deutschland eingeführt, wußte sich daselbst zu behaupten und schien unsere Volksthümlichkeit umgeformt zu haben! Ein Trost ist, daß die einfache und gesunde deutsche Kernnatur über Kurz oder Lang doch immer siegte und das Fremdartige wieder ausschied, um dann nur so entschiedener auf die Ausbildung ihrer eigenen Grundstoffe zurückzukommen.
Wie seltsam kontrastirte übrigens die rein menschlich schöne Herzensneigung Franz Stephan's und Marien Theresien's mit dem ganzen Hofprunk von Ehrenchargen, Hofbedienten und Karossen, mit der strengen Vorschrift für jede Redensart und jede Bewegung, mit dem kleinlich ängstlichen Gesetzbuch der Complimente! Ein Labyrinth von Convenienz, welches das liebende Paar zu durchwandeln hatte, bevor es sich ungestört der schönen Gottesgabe freuen konnte, welche so oft den Hohen und Mächtigen der Erde als Krone des Glückes fehlt!
Schon am Tage vor der feierlichen Werbung war dem hohen Adel das Erscheinen in Gala angesagt worden. Am Vormittag des 31. Januars fuhr der Geheime-Rath, Freiherr von Jaquemin, Franz Stephan's Gesandter am Wiener Hofe, in einer sechsspännigen Karosse nach der Kaiserburg, der kaiserliche Oberstkämmerer und der kaiserliche Oberststallmeister begleiteten ihn, jeder in einem zweispännigen Wagen. Als sie in dem Burghof angelangt waren, – es war um elf Uhr – schritt Franz Stephan in einem kostbaren Kleide von kastanienbraunem Sammt, mit Silber durchwirkt, die Nähte mit Gold gestickt, mit Diamanten statt der Knöpfe, aus den Gemächern, welche er in der Burg bewohnte, durch die kaiserliche Wacht- und Ritterstube bis zur ersten kaiserlichen Antichambre. Voran traten ihm in glänzenden Reihen seine Läufer, Lakeien und Edelknaben, sodann seine stattlichen Cavaliere und Kämmerer, sein Gesandter Jaquemin, die Marquis de Lamberti und de Lenoncourt, sowie der Oberststallmeister, der Reichsfürst von Croan; der herzogliche Oberstkämmerer Marquis de Gablier folgte seinem Gebieter. Am Eingang der ersten kaiserlichen Antichambre, wo die Leibgarde im Gewehr stand, empfingen den fürstlichen Freier der Obersthofmeister Burggraf zu Reineck und Graf zu Sintzendorf, der Oberstkämmerer Marchese von Pescora und der Obersthofmarschall Fürst Heinrich von Auersperg; der Obersthofmeister begleitete ihn dann bis zur Thüre der kaiserlichen Retirade, an welcher ihn Karl VI. selbst empfing und hereinführte. Alsobald wurde die Thüre geschlossen und blieb es bis zur Beendigung der Unterredung zwischen beiden Fürsten, deren Inhalt die Werbung Franz Stephan's und das Jawort des Kaisers bildeten. Nach gleichem Ceremoniel fand der Rückzug statt, und der Prinz begab sich nun, gefolgt von der genannten Begleitung, nach den Gemächern der regierenden Kaiserin Elisabeth Christina. Im Audienzzimmer standen in einer Reihe die Hofdamen, und als die Flügelthüren des Spiegelzimmers geöffnet wurden, führte Fürst Auersperg den Prinzen in dasselbe, an dessen Eingang die Obersthofmeisterin der Kaiserin und die Aya der jungen Herrschaft standen. An einen Tisch gelehnt erwartete die Kaiserin den Herzog von Lothringen, in kleiner Entfernung von ihr stand links die Erzherzogin. – Die Kaiserin ging dem Herzog erst dann einen Schritt entgegen, als er die dritte Kniebeugung zu machen im Begriffe war. Nun fand die Werbung und Antwort statt, wobei die Erzherzogin ihre ganze Aufmerksamkeit blos ihrer Mutter zuwendete, bis sie auf einen Wink derselben das mit Juwelen besetzte Miniatur-Portrait des Prinzen, statt des Glases mit einem großen Diamant bedeckt, entgegennahm und ihm den Handkuß gestattete. Fürst Auersperg begleitete sodann den Prinzen bis zum Austritt aus dem Audienzzimmer zurück, worauf sich der Letztere mit seinem Hofstaat in seine Gemächer begab. Die Aufwartung bei der verwittweten Kaiserin Wilhelmine Amalie erfolgte später, so wie dieselbe aus ihrem Kloster am Rennweg in die Burg gekommen war. Auch hier dieselbe Etikette, nur mit dem Unterschiede, der damals nicht geringen Belang hatte, daß die verwittwete Kaiserin dem Prinzen – einen Schritt näher entgegenkam, als die regierende! Offene Mittagstafel mit Musik, welche die regierende Kaiserin »auf ihrer Seite« gab Da sowohl der Kaiser, als auch die Kaiserin besondere Hofhaltung hatten, so wurde bei den Einladungen ausdrücklich bemerkt, ob sie »auf Seite des Kaisers« oder »auf Seite der Kaiserin« war. Bei Letzterer herrschte ein weniger strenges Ceremoniel; der Kaiser pflegte nicht einmal Kurfürsten zu gestatten, »auf seiner Seite« zu speisen., wobei die Hofdamen das Ehrenamt der Bedienung hatten, und wobei Franz Stephan das Portrait seiner Braut, welches ihm diese mittlerweile zugesendet, auf der Brust tragend, erschien, beschloß die Festlichkeiten dieses Tages.
Am folgenden Tage fand in der kaiserlichen Rathsstube, wo ein Altar errichtet worden war, bei verschlossenen Thüren die feierliche Verzichtleistung der Erzherzogin statt. Der Kaiser, seine Gemahlin und seine Tochter standen unter einem prachtvollen Baldachin; außer dem Hofstaat des Herzogs von Lothringen waren alle Häupter der Dikasterien und die kaiserlichen Geheimen-Räthe anwesend. Nach einer Anrede des Kaisers an die Umstehenden verlas der Graf von Sintzendorf die Urkunde, deren Inhalt in folgenden drei Punkten bestand: Zum Ersten verpflichtete sich die Erzherzogin für den Fall, daß der Kaiser noch einen männlichen Erben erhalten würde, hinter demselben in der Erbfolge für ihre Person so wie in Bezug auf ihre Nachkommenschaft zurückzustehen; zum Zweiten ward festgesetzt, daß Maria Theresia in dem Falle, wenn sie selbst keine männliche Nachkommenschaft hinterließe, wohl aber eine solche von der Prinzessin Maria Anna, ihrer Schwester, vorhanden wäre, nebst ihren Töchtern von der Erbfolge in den österreichischen Stammlanden ausgeschlossen bleiben solle; zum Dritten endlich sollte der Herzog von Lothringen für seine eigene Person nie einen Anspruch auf die Erbfolge in den österreichischen Erblanden erheben. Nachdem nun Graf Sintzendorf die Verzichtungsurkunde vorgelesen, nahm der Kardinal-Erzbischof Kollonitsch das Evangelienbuch, und Maria Theresia beschwor, die Finger auf dasselbe legend, die Verzichtleistung, worauf sie die Urkunde unterfertigte. Gleiches geschah von Seiten des Bräutigams für seinen Theil.
Auf den 12. Februar 1736 war die Trauung der Verlobten angesetzt und die großartigste Pracht sollte dabei entfaltet werden. Der Kaiser seinerseits mochte dabei die gleichzeitig erfolgte Lösung der europäischen Streitfrage in Betreff der polnischen Krone als eine glückliche Vorbedeutung betrachten; am 27. Januar hatte Stanislaus Lesczinsky die Urkunde seiner Verzichtleistung auf Polen, – am 30. Januar, also am Tage vor Franz Stephan's feierlicher Werbung, der Kaiser eine Deklaration unterzeichnet, in welcher er die Friedenspräliminarien annahm. Das feindselige Verhältniß zwischen ihm und Frankreich sollte sich in ein freundliches verwandeln, und er unterließ nichts, um diese seine Absicht durch die Auszeichnung auszusprechen, welche er dem Gesandten Frankreichs und den übrigen französischen Cavalieren bei den Vermählungsfeierlichkeiten erwies. Bei der strengen Ausschließlichkeit der damaligen Etikette war es bedeutungsvoll, daß sich der französische Gesandte bei der Trauung im kaiserlichen Oratorium befinden durfte, daß er später in den Speisesaal und dann bei der Oper in das Parterre geführt wurde, welches nur für die kaiserlichen Räthe, die Hofdamen und die Gesandten bestimmt war, daß den französischen Kavalieren am dritten Tage gestattet wurde, im – Mantelkleide im Saal zu erscheinen, und daß der Kaiser an den französischen Kabinetskurier, welcher die Ehre hatte, sich bei der kaiserlichen Tafel als Zuschauer einzufinden, einige Fragen zu richten nicht verschmähte. Glückliche Vorbedeutungen dauernden Einvernehmens! Aber wie gern und wie oft war man damals geneigt, solche zu begrüßen! Wie viele günstige Vorzeichen hatten 1716 der Geburt des ersehnten Thronerben geleuchtet, und wie bald darnach hatte man dieses Kind, dem Erde und Himmel langes Leben und Herrlichkeit zu prophezeihen schienen, in die Kaisergruft hinabgetragen!
Franz Stephan, welcher erst am Nachmittag des Trauungstages von Preßburg angekommen war, ließ sich in den Zimmern des Oberstkämmerers, Grafen von Cobenzl, ankleiden. In weißen Schuhen und Strümpfen, weißem Hut mit weißen Federn, weißem Mantel von Silberstuck, und mit dem goldenen Vließ geschmückt, schritt er zur festgesetzten Zeit unter Vortritt seines Kavaliers nach den Gemächern des Kaisers; Graf Sintzendorf, Marquis Pescora und Fürst Auersperg empfingen ihn oben an der Treppe der Galerie und begleiteten ihn dann bis zu dem kaiserlichen Zimmer, aus welchem ihm Karl VI. drei Schritte entgegenging. Des Abends um 6 Uhr begaben sich dann der Kaiser und seine Gemahlin, so wie Bräutigam und Braut nach der Hofkirche der Augustiner-Barfüßer. Voran schritten die kaiserlichen Kavaliere und Kammerherren, so wie die lothringischen Kavaliere in bunter Reihe ohne Berücksichtigung des Ranges; dann erschienen die kaiserlichen Staatsminister und die Ritter des goldenen Vließes im vollen Ornat mit der großen Ordenskette. Nun folgte der Bräutigam, dem zwei Edelknaben die Fackeln vorantrugen und sein Oberstkämmerer zur Seite schritt. Vier Edelknaben leuchteten dem Kaiser, welcher unmittelbar darauf einherschritt, begleitet von dem Marquis de Pescora und dem Hartschier-Hauptmann; desgleichen gingen vier Edelknaben mit Fackeln vor den beiden Kaiserinnen, der regierenden und der verwittweten, zwischen denen die Braut ging in einem mit Perlen und Diamanten besetzten Kleid von Silberstuck, dessen Schleppe die Gräfin Fuchs als kaiserliche Aya trug, Edelknaben trugen den beiden Kaiserinnen die Schleppe; die Fürsten von Auersperg und Lichtenstein, so wie der Graf von Stahrenberg begleiteten die erlauchten Damen, Fürst Wenzel von Lichtenstein und Graf Serini die Erzherzoginnen Anna Maria und Magdalena; die Hofdamen schlossen den Zug. Am Eingang der Augustinerkirche standen drei kaiserliche Kammerherren zum Empfang des Adels, während der päpstliche Nuntius Passionei, welcher die Trauung im Namen des Papstes verrichten sollte Folgender kleiner Zug charakterisirt die Strenge, mit welcher Karl VI. auf die Etikette sah. Der Nuntius wollte, weil er die Person des Papstes vertrat, die Trauung sitzend vornehmen. Karl VI. protestirte dagegen und erwirkte darüber eine eigene Bulle, kraft deren der Nuntius die Trauung stehend verrichten durfte!, umgeben von vier Prälaten, dem Ceremonienmeister, allen Kaplanen und der assistirenden Geistlichkeit, die höchsten Herrschaften an der Loretto-Kapelle erwartete, wo die Herzen der Fürsten des Hauses Oesterreich ruhen. Dort wurde die Litanei gesungen, worauf sich der Zug in den mit kunstreich gewirkten niederländischen Tapeten behangenen Chor der Kirche an den Hochaltar begab, wohin sich mittlerweile die ganze Geistlichkeit verfügt hatte. Wände, Pfeiler und Altäre der in deutschem Styl und in einfach-edlen Verhältnissen erbauten Augustinerkirche, dieses Denkmals habsburgischer Frömmigkeit Ein Gelübde zu erfüllen, das er in seiner Haft auf der Trausnitz, gethan, baute sie Friedrich der Schöne mit seinen Brüdern. Der Bau dauerte von 1330 bis 1339. Zur Hofkirche ward sie erst durch Ferdinand II. erhoben., waren mit Wachsfackeln erleuchtet, der Hochaltar mit einem Baldachin und einer kolossalen allegorischen Darstellung in dem überladenen Geschmack jener Zeit geschmückt. Nachdem der kaiserliche Hof- und Burgpfarrer die päpstliche Dispensationsbulle verlesen hatte, weihte der päpstliche Nuntius die Ringe und richtete die üblichen Fragen in lateinischer Sprache an das fürstliche Brautpaar; die Etikette wollte, daß die Erzherzogin ihr » volo« nicht eher sprach, als bis sie, nach einer Beugung vor den kaiserlichen Eltern, durch einen Wink derselben die abermalige Zustimmung derselben erlangt hatte. Hierauf wurden die Ringe gewechselt und nun verband der Nuntius im Namen des Papstes die Hände der Neuvermählten mit der Stola. Als sie nach Beendigung dieser Ceremonie zu ihrer mit rothem Sammt überzogenen Kniebank zurückkehrten, stimmte der Nuntius das Tedeum an, unter Trompeten- und Paukenschall stimmte die kaiserliche Musik ein, und draußen auf dem Augustinerplatz gab die Stadtgarde eine Salve, auf den Basteien donnerten die Karthaunen. Die Segensertheilung des Nuntius beschloß die kirchliche Feierlichkeit, worauf sich der Zug in derselben Ordnung, wie er gekommen, abermals unter Salven des Kleingewehrs und der Karthaunen in die Burg zurück begab.
Die offene Hochzeitstafel fand um 9 Uhr des Abends im kleinen Opernsaal bei glänzender Beleuchtung und Vokal- wie Instrumentalmusik statt, jedoch ausschließlich für die kaiserliche Familie; als der Kaiser das erste Glas hob, donnerten die Salven zum dritten Male. Charakteristisch ist es, daß bei aller Entfaltung von Pracht die hausbürgerlich-religiöse Sitte des » Benedicite« vor und des » Deo gratias« nach der Tafel nicht vergessen wurde, wie denn auch an großen Festtagen, so zu Weihnachten, Ostern, Pfingsten, über Tisch geistliche Lieder gesungen wurden. Nicht minder bezeichnend ist der kleine Zug, daß der Bruder des Bräutigams, Prinz Karl von Lothringen, bei der Tafel sich als Zuschauer auf der Galerie befand. Für die kaiserlichen Minister und Kavaliere waren in der Regierungsraths- und Kommissions-Stube eigene Tafeln gerüstet, eben so besondere für die Damen im spanischen Saal. Das Fest ging um Mitternacht zu Ende.
Der einfallenden Fastenzeit wegen dauerten die Vermählungsfeierlichkeiten im Ganzen nur drei Tage. Den auf die Trauung folgenden eröffnete eine stille Messe, welche der Nuntius hielt und wobei er die Neuvermählten neuerdings einsegnete. Die Tafel war diesmal »auf Seite der Kaiserin,« und Prinz Karl von Lothringen nebst der jüngsten Erzherzogin zugelassen. Des Abends wurde auf dem großen Theater in der Burg die italienische Oper » Achille in Scirro« mit großem Aufwand von Dekorationen und Ballet aufgeführt. Eine Maskerade, welche am dritten Tage im spanischen Saale stattfand, beschloß die Festlichkeiten.
Fürsten, Adel und Geistlichkeit! Blos von ihnen ist bis jetzt die Rede gewesen. Die Frage ist natürlich: Welchen Eindruck brachte ein Ereigniß, dessen Folgen für das Volk so wichtig werden konnten, bei eben diesem Letzteren hervor? Das Volk, gewohnt, seine Interessen nur in jenen der Dynastie zu erblicken, und allmählig entwöhnt eines Selbstbewußtseins, ohne dessen Vorhandensein jede Aeußerung reinmenschlicher Theilnahme einer politischen Bedeutung ermangelt, spielte überhaupt eine passive Rolle. Es hatte seine Landstände; was wollte es mehr? Die Landstände vertraten das Volk nicht sowohl, als daß sie dem Fürsten gegenüber die Honneurs für dasselbe machten, und das Volk war damit zufrieden, wenigstens gab es keinen offenen Beweis des Gegentheils. Ich will hiemit nicht sagen, daß es Ursache hatte, unter der Herrschaft des letzten Habsburgers im Allgemeinen unzufrieden zu fein; dem Kaiser lag das Wohl seiner Erbstaaten am Herzen, er bemühte sich selbstthätig für manche Verbesserungen, wenn er gleich nicht erfolgreich durchzugreifen, statt veralteter Zustände neue zu schaffen und alle Schäden an der Wurzel auszureißen vermochte. Immerhin blieb jene passive Stellung des Volkes beklagenswerth, das Uebergewicht des sinnlichen Behagens über das freie Bewußtsein, und bei aller, wenigstens in Oesterreich, der angebornen Gutmütigkeit entsprossenen freudigen Theilnahme an der glücklichen Verbindung, die wahrscheinlich eine neue Dynastie auf den Thron setzte; der Mangel eines Zeichens erneuter, erhöhter Lebensthätigkeit. Und es handelte sich doch wahrlich um keine Kleinigkeit; es galt die Verschmelzung der einzelnen Erbstaaten zu einem Erb-Ganzen. Das Volk gaukelte über diesen Gedanken weg und nicht eine Intelligenz erhob sich, die Aufmerksamkeit desselben darauf zu lenken. Warum? Das Volk war nicht höfisch geworden; aber die Gelehrten waren es, sie dünkten sich besser als das Volk, das sie als eine gemeine Rasse betrachteten; sie bildeten noch eine geschlossene privilegirte Kaste. Es gab keine öffentliche Meinung, es gab keine Zeitungspresse; ein Jahrhundert hatte den Geist des Volkes um mehr als ein Jahrhundert zurückgeschraubt, weniger noch durch offene Gewalt, als durch planmäßige Erziehung der nachwachsenden Geschlechter in und zur Unfreiheit und Unselbstständigkeit; – traurige Erinnerungen! Somit beschränkte sich denn damals der ganze Ausdruck von Volkstheilnahme auf die Verwilligung der »Fräuleinsteuer« durch die Stände. Die österreichischen gaben 100,000 Gulden, die böhmischen 90,000, die schlesischen 50,000, die mährischen 30,000, die steyerischen 80,000, die kärnthnerischen 50,000, die krainerischen 40,000.
An Höflichkeit, welche sich durch Geschenke kund gab, ließ man es bei jener Gelegenheit von keiner Seite her ermangeln! Prinz Eugen legte dem Herzog von Lothringen einen reich mit Diamanten verzierten Degen und deßgleichen Stock, den ihm die Königin Anna von England verehrt hatte, – der Gemahlin desselben ein kostbares Juwel zu Füßen. Der Werth aller Geschenke zusammengenommen, welche die Neuvermählten von den Reichsständen und von auswärtigen Mächten erhielten, wurde auf eine Million Gulden angeschlagen.
Bezeichnend für Marien Theresiens religiöse Grundsätze ist der Umstand, daß sie bald nach ihrer Vermählung mit dem Manne ihres Herzens eine Wallfahrt nach dem Gnadenort Mariazell in Steyermark antrat und dem dortigen Muttergottesbild, zu welchem das Erzhaus stets eine besondere Andacht an den Tag gelegt, ein mit Diamanten besetztes goldnes Doppelherz opferte.
Zwei Monate später brach ein Herz, das lange Jahre hindurch in unerschütterlicher Treue für den Kaiser und sein Haus geschlagen hatte; in der Nacht vom 20. auf den 21. April starb der greise Prinz Eugen von Savoyen, der Sieger in so vielen Schlachten, der Schrecken aller Feinde Oesterreichs, nicht minder groß als Staatsmann wie als Held. Bei allen seinen Verdiensten – er war stets der eigentliche Hort und Halt Oesterreichs in den Zeiten der Gefahr – hatte Eugen, wenn auch die Hochachtung des Kaisers, doch nie dessen volles Vertrauen besessen. Jetzt aber erschütterte Eugen's Verlust Karl VI. tief, und bei dem Gedanken an die Zukunft seiner Tochter und seiner Erbstaaten mußte sich mehr als je die Besorgniß geltend machen, ob der alte Held in seinem Scharfblick nicht doch wohl Recht gehabt, als er in Betreff der pragmatischen Sanktion nicht auf der Mächte Versprechungen und Garantieen, die den Kaiser so viele Opfer gekostet, sondern einzig nur darauf Gewicht gelegt, daß der Thronfolgerin ein gefüllter Schatz und ein vollzähliges, in Waffen geübtes, schlagfertiges Heer hinterlassen werden möchten. Eugen starb; unter allen Feldherren des Kaisers war keiner, der ihn ersetzen konnte. Der Glücksstern der österreichischen Waffen erblich. Eugen's prachtvolle Leichenfeier, nach dem ganzen Ceremoniel wie für den Prinzen eines regierenden Hauses begangen, war ein düsteres ernstes Nachspiel zu den Hochzeitsfestlichkeiten. Eugen, Prinz von Savoyen-Carignan, Generalissimus der kaiserlichen Heere, ruht in der Kreuzkapelle des Stephansdoms zu Wien, wo sich sein Denkmal in grauem Marmor erhebt.