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Zweite Abtheilung.
In Schlesien.

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Im Juli 1849.

den 6ten.

Redensarten sind angenommene und allgemeingültige Ausdrucksweisen für allgemeine und angenommene Wahrnehmungen, und es giebt ihrer zweierlei: Sprichwörter, d. h. kurze, unumwundene, kernhafte und wahre – die Epigramme des Volkes – und Phrasen, d. h. hohle, nichtssagende, langweilige und oft selbst unerträgliche – Ritus der Gesellschaft. Das Glück der Familie z. B. ist eine Phrase. Dem jungen Manne, der eine Mutter, der jungen Frau, die einen Mann hat, dem Neffen, der Tanten, der Großmutter, die Enkel hat, allen diesen Besitzenden wird von Zeit zu Zeit mit höflichen Gesichtern gesagt: »o wie glücklich müssen Sie sein!« und alle diese Besitzende müssen wohl oder übel mit einem Lächelnden Gesicht antworten: »o, unendlich!«

Aber man sollte nie zu Jemand sagen: »o, Sie müssen recht glücklich sein!« Auf welche frische Wunden kann man mit diesen Worten Feuer legen, an welche ermattende und unnütze Anstrengungen, an welche immerwiederkehrende und immeraufsneuverzehrende Aengste, an welche Unmöglichkeiten und Verzweiflungen erinnern – um es auf ein Mal zu sagen: welche Ironie aussprechen, und was das Schlimmste ist, dumm aussprechen!

Wer hätte uns nicht glücklich glauben sollen, Leo wenigstens? Schien er nicht der Abgott der Familie? Das ganze Haus sein Tempel? Jedes Wort ein Weihduft, jeder Blick ein Liebesopfer? Welch schönes, häusliches Schauspiel! Und nun hinter den Scenen? Die täglichen Vorwürfe, die stündliche Unzufriedenheit! Und worüber, und weswegen? Wir liebten uns. Wenn wir uns nicht geliebt hätten, wenn wir sie mit Klagen bestürmt, mit Versöhnungen beschäftigt hätten, da wären sie zufrieden gewesen, sie, die liebende Mutter und die zärtlichen Schwestern.

Ich bin bitter, und ich darf es sein. Vier Jahr Ehe, und von diesen vier Jahren glücklich nur die ersten drei Wochen, welche wir uns zu unserer Brautreise erlaubten. Seitdem ist mir jedes Lächeln von Leo mißgönnt worden, als begehrte ich es ohne Recht. O, und die Mißgunst, wenn wir ihr ausgesetzt sind ohne Schutz und ohne Widerhall – sie ängstigt so, macht so scheu, so abergläubisch! Es ist so viel Uebelwollen darin. Das böse Auge ist jetzt für mich eine der tiefsten Wahrheiten. Das böse Auge, das der Mißgunst – es bohrt sich in euch hinein, es erreicht euch gerade in dem Geheimsten der Lebenskraft, und ihr siecht, und ihr ermattet, und ihr sinkt. Ich habe oft die Hand auf das Herz gedrückt, um zu fühlen, ob es noch schlüge, ob es nicht erstarrt wäre vor den kalten, feindlichen Blicken – der bösen Augen. Sie waren drei, die ihn außer mir liebten und wollten, er sollte sie mehr lieben, als mich drei ist eine verhängnißvolle Zahl. O und jetzt – wie werden sie mir jetzt erst zürnen und mich verwünschen! Und wenn nun ihre Wünsche mächtig wären, wenn ich stürbe, wenn Leo stürbe! Denn lieber wollen sie ihn tausend Mal todt, als daß ich ihn haben soll.

Ich phantasire – es ist, weil Leo morgen zurückreist, weil ich dann drei Tage lang warten werde, ob und wie er wiederkomme. Ob er wiederkomme – vergieb mir, Einziger – daß du mich nicht verlässest, weiß ich, aber wie du zurückkehren wirst, ob ganz derselbe, ob noch ganz mein eigen, das weiß nur Gott.

 

den 7ten

Ich bin allein; seit vier Jahren ist's das erste Mal, daß ich ihn am Abend nicht sehen werde. Eine neue Erfahrung, und in welchem bänglichen Zustande gemacht! denn ich zweifle, ich kann unsern Erfahrungen nach nicht anders als zweifeln, daß es Leo gelingen werde, die Mutter mit uns und unserm Plane auszusöhnen, selbstständig werden zu wollen – es muß ihr ja wie die höchste Undankbarkeit erscheinen, da sie die Dankbarkeit nur in der völligen Verläugnung nicht der Selbstsucht, sondern des Selbstseins erkennen will. Nichts soll Leo sein, nicht Mensch, nicht Gatte, nicht Bürger, nicht Dichter, Nichts als das Kind des Hauses, ihres Hauses.

Wenn alle Eltern als Erkenntlichkeit für das Geschenk des Lebens die Kinder zu Leibeigenen heischten, was würde da wohl aus der Welt? Sie verwandelte sich in eine Ansiedelung von Elternhäusern, und statt der Menschen gäb' es nur noch Söhne und Töchter.

Es klingt dies so unsinnig, daß es eigentlich gar nicht ausgesprochen werden sollte; aber der Unsinn ist da, ist vorhanden. Helfe Gott Allen, die mit dergleichen Dingen zu ringen haben – sie sind entsetzlich, eben weil sie formlos, unbestimmt, unerfaßbar sind.

Alle, die Ungehöriges wollen, läugnen ihr Wollen. Sie könnten es vor ihrer eigenen Vernunft nicht vertheidigen, darum entziehen sie sich geschickt jeder Aufforderung zur unumwundenen Aussprache desselben. Wenn Leo's Mutter und Schwestern bestimmt erklären sollten, was sie eigentlich von ihm verlangen, sie würden tausend Umschweife nehmen und doch nicht bis zur Wahrheit kommen. Sie würden sagen: »wir haben eine glänzende Partie gewünscht, überhaupt nicht gewünscht, daß er schon so früh heirathen sollte – du nimmst ihn zu sehr in Anspruch – der Schriftsteller muß frei sein, u. s. w.« Als ob er bei ihnen je frei gewesen wäre, als ob –

Daß sie eine bessere Partie für ihn gewünscht hätten, ich glaub' es ihnen ja. Ich war ihnen nicht gut genug, und – ich mag auch wirklich nicht gut genug sein – ich will es ja wahr, und ihre Unzufriedenheit in dieser Hinsicht natürlich finden. Aber ich frage mich auch wieder: welche andere Frau würde so viel ertragen haben, wie ich? Diese täglichen Demüthigungen – gehörte doch selbst bei mir die ganze, volle Liebe für Leo dazu, um unter ihnen das Haupt zu beugen. Und daß ich es gestehe: oft, oft ist trotz meiner Liebe zu ihm mein ganzes Wesen in Stolz und in Haß gegen sie aufgeflammt. Was waren sie denn, die mich so zu behandeln sich erlaubten, was waren sie, so fragte ich mich selbst, denn mehr als ich? War mein Name schlechter als der ihre? Waren ihre Seelen ebenbürtiger als meine? Ihre Gedenken höher, reiner? Ich bekenne, daß ich nach solchen Fragen oft auf sie hinunterblickte. Auch wenn sie von ihrer Liebe zu Leo sprachen, lächelte ich; denn ich kannte meine, und sie war mehr als ihre. Ja, mehr, tausend Mal mehr. Daß sie bis jetzt überwunden hat in dem ermüdenden Kampfe dieser vier Jahre, daß sie noch Kraft genug hat, um abermals ein neues Dasein anfangen zu wollen, welches vielleicht – ich sage nur vielleicht, in einer Art leichter, auf mehrfach andere Weise aber gewiß noch um Vieles schwerer ist, als das bisherige daß sie das will, es bürgt mir für sie, für meine verkannte, verleumdete und geschmähte Liebe. Sie ist jedes Mannes werth und wär' er selbst Leo.

So lange ich mit ihnen unter einem Dache, unter »ihrem« Dache war, versagte ich es mir, mit mir selbst zu reden – ich fand, es wäre nicht redlich gewesen. Ich wollte mir nichts vorzuwerfen haben, ich suchte eine Art herber Genugthuung darin, ehrlicher zu sein, als sie. Wie ich gegen meine Mutter schwieg, schwieg ich auch gegen mich selbst. Jetzt aber bin ich erlöst von diesem selbstauferlegten Banne, jetzt bin ich – entfernt von ihnen. »Frei« darf ich nicht sagen – sie werden immer ihren Einfluß ausüben auf unser armes, ihnen preisgegebenes Loos. O, ich wollte, es wäre auf einer stillen Insel in einem stillen Meere, und bestände ganz aus Liebe und Schweigen. Bis jetzt hat es aus gestohlenen Augenblicken und vergifteten Stunden bestanden und ist uns im Schooße der Familie gefallen. O, die Familie, wie sie sich entheiligen kann! Denn was ist unheiliger, als die Zwietracht?

Daß wir – Leo und ich, nicht Zwei geworden sind, daß unsere Hände sich nicht losgelassen, unsere Herzen nicht von einander abgewendet haben – ich habe immer die Liebe als Begnadigung von Oben betrachtet, nicht nur das Empfangen von Liebe, auch die eigene Befähigung dazu und an uns ist das recht offenbar geworden. Aus eigener Stärke hätten wir wahrlich nicht festzuhalten und zu beharren vermocht. Es war Gnade, und Nichts als Gnade, daß wir nicht ermüdeten, und ich dankte jeden Abend mit tiefer demüthiger Inbrunst Gott, wenn ich meine Liebe noch unversehrt im Herzen empfand.

Nicht daß ich nicht Anfechtungen gegen sie zu überwinden gehabt. Das Selbst in uns ist ein trotzig Ding, welches sich leicht aufbäumt. Und mein Selbst ward so erbarmungslos getreten! Als wäre es aus Niedrigkeit geschaffen und daheim im Staube. Aschenbrödel ist im Mährchen geduldig – in der Wirklichkeit würde sie es nicht sein. Ich war es auch nicht immer. Ja, ich gesteh' es ein: ich bin bisweilen heftig gewesen, oft gereizt. Aber sie haben es mit Gewalt so weit gebracht, mit einer Betriebsamkeit der Quälerei, die bei einem guten Zwecke vielleicht bewundernswerth gewesen wäre, bei mir aber wahrhaft erbarmungslos war. Denn ich war allein unter ihnen. An Leo hätte ich wider alle Welt einen Vertheidiger gefunden, aber wider die Seinen – konnte ich ihn da aufrufen? Das wußten sie und quälten mich daher – künstlerisch möchte ich sagen. Und ich fühlte manchmal mit dumpfem Entsetzen, wie mein Herz sich gegen ihn empörte, der die Ursache von dem war, was mir angethan wurde. Empörung wider den Geliebten von Gottes Gnaden – o, wie mußte das arme Herz gestachelt worden sein, um so weit zu kommen! Und ich vermochte Nichts, konnte Nichts – Liebe ist, wie das Leben, außerhalb unsers Willens. Wir lieben und hören auf, und können nicht für das Eine und nicht für das Andere – Liebe ist Gnade. Wie rang ich jammernd die Hände in der Todesangst, ich könnte plötzlich meine Liebe verschwunden sehen und nicht wissen wohin.

Ob sie, die mich wieder und immer wieder in dies Schweben zwischen Sein und Nichtsein gestoßen, ob sie eine Ahnung davon hatten, wie so ganz ohne Barmherzigkeit sie waren? Ich will gerecht zu sein versuchen, selbst in diesem Augenblicke, wo ich von ihnen noch Alles zu fürchten haben kann – sie wußten wohl nicht recht, was sie thaten. Hätten sie die Wunden gesehen, welche sie in der Blindheit ihrer Eigensucht schlugen, sie hätten inne gehalten. Sie haben mich mehr aus Instinkt, als aus überlegter Bosheit gemartert. Am Ende ich hatte ja doch Nichts wider sie verbrochen, als daß ich mich ihnen hatte zuführen lassen, weil Leo mich an seine Brust gefleht hatte. Ich konnte es ja nicht wissen, daß ich in ihren Augen die Thür ihres Hauses verdunkeln würde. Sonst folgt einer jungen Braut Freude, und Freude empfängt sie auch – daß ich anders empfangen wurde – es war ja nicht meine Schuld. Gern hätt' ich eine segnende Hand auf meiner Stirn gefühlt, als Leo sagte: »Da, Mutter, bring' ich Dir meine Clotilde.« Es sollte nicht sein, aber ungesegnet eingehen in ein neues Haus ist nur Verhängniß, nicht Verbrechen – ich bin schuldlos.

 

den 8ten.

Wenn ich noch ein Vaterhaus hätte! Wenn nicht, so oft ich mich zu meinen lieben Eltern flüchten möchte, zwei Gräber da lägen! O, könnte man sich zurückweinen in die Vergangenheit, ich weinte mich in meine Mädchenzeit zurück. Mutter, Mutter, Du warst immer so gut und so ruhig, und Du, Vater, Du warst so unruhig und auch so gut! Sie klagen Euch an, weil Ihr mir zu wenig hinterlassen habt – nein, um irdisch Gut für mich zu sparen, dazu wart Ihr nicht; aber ich beneide noch jetzt den Armen nicht das Brod, welches in Eurem Hause für sie geschnitten wurde, und ich segne die Hände, die immer gaben – mir blieb genug – ach, was mir fehlt, ist einzig Eure unveränderliche Güte. O, wenn die Thür zu unserm grünen Gärtchen noch aufginge, sobald Clotilde riefe, da brauchten wir, Leo und ich, jetzt nicht nach einem Dache zu suchen, unter welchem wir uns ansiedeln könnten – das Dach wäre da, und das Willkommen auch.

Jetzt hab' ich auf der weiten, weiten Welt Niemand mehr, um mich zu lieben, als ihn. Arme Clody, wenn er –

Wohl, die Erde ist noch da und der Himmel, und über dem Himmel Gott und die Eltern – verklärt.


Zurückblick.

Man sieht es, Clotilde war in ihrer vierjährigen Ehe eine Andere geworden, als sie am Gardasee gewesen war.

Und nicht die naturgemäße Verwandlung aus dem jungen Mädchen in die Frau war mit ihr vorgegangen, nein, die widernatürliche, welche an einem Charakter geschieht, wenn er aus einem ganz liebevollen, ihm ganz gemäßen Element plötzlich in ein ganz feindliches und ihm ganz unheimliches Element versetzt wird.

Ich schrieb am Schlusse der ersten Abtheilung, am Schlusse der Idylle: »Selig sind, die da träumen!« Ich sage jetzt beim Anfange der zweiten, beim Anfange des Dramas: »Wehe denen, die geträumt haben!«

Wer sich nie eine Erwartung gemacht hat von einem Glück, welches für ihn da oder dort bereitet sei, wer sich im Voraus resignirt und auf Alles gefaßt hat – wohl – Resignation ist eine Rüstung, die sich nicht leicht trägt, die aber schützt.

Wer jedoch mit offener, vertrauender Brust seinem Schicksal entgegen fliegt, und statt der ausgebreiteten Arme nur eine ausgesteckte Hand findet, die ihn hart zurückschleudert – Alles, was er da vermag, ist sich zu erhalten, nicht gebrochen zu Boden zu stürzen.

Von allen Träumen, die Clotilde gemeinschaftlich mit Leo auf jener Bank an der Promenade von Roveredo in den Horizont der Zukunft gezeichnet hatte, war auch nicht einer in Erfüllung gegangen.

Zwar hatte Leo's Mutter im Anfange die huldreichsten Einwilligungsbriefe geschrieben, und Leo, der wenn auch voll Entschluß, so doch nicht ohne Unruhe an die nöthigen Mittheilungen gegangen war, hatte sich so beglückend überrascht gefühlt, daß er im Jubel des Dankes sich fester als je einer so aufopfernden Mutter gelobt hatte. Hätte man Leo gefragt, was seine Mutter bei seiner Heirath mit einem vollkommen liebenswürdigen Wesen aufopfere, so würde er geantwortet haben: »mich, und das ist das größte Opfer, welches sie bringen kann.« Leo glaubte ehrlich, seine Mutter wolle ihn seiner Frau abtreten – Nichts lag ferner von den Gedanken der Frau von Studnitz. Sicher in der Ueberzeugung, daß Leo von keiner Frau so geliebt werden könne, wie von ihr, hatte sie den Platz Clotildens im Hause bereits bestimmt. Zuerst sie selbst, dann Leo, dann die rechtmäßigen Töchter, dann die aus Gnaden aufgenommene – so war die Rangordnung, welche sie einfach und vernünftig fand. Daß Clotilde damit nicht zufrieden sein könne, nahm sie gar nicht erst als möglich an. Clotilde mußte sich so glücklich schätzen, überhaupt die Schwiegertochter der Frau von Studnitz werden zu dürfen, daß sie ihre Dankbarkeit nur durch eine gänzliche Bescheidenheit genügend beweisen konnte, und unter einer gänzlichen Bescheidenheit verstand Frau von Studnitz eben das Aufgeben aller, selbst der rechtmäßigsten Ansprüche. Und da sie das mit aller Zuversicht von Clotilden erwartete, so sah sie der Ankunft der künftigen Schwiegertochter zwar nicht mit Freude, aber doch nicht geradezu mit unfreundlichen Gesinnungen entgegen.

Clotilde ihrerseits gefiel sich während des Brautstandes in freiwilligen und innigen Demüthigungen gegen die Mutter des Geliebten, die »ihn ihr lassen wollte.« Ihre Briefe waren gleichsam auf den Knieen geschrieben, und Frau von Studnitz äußerte gelegentlich gegen ihre Töchter: Die Clotilde scheine wirklich ein recht gutes Kind zu sein, mit welcher Meinung die beiden Fräulein herablassend übereinstimmten.

Sprach Leo, als er zu seiner Familie zurückgekehrt war, anders von der Geliebten, so – lächelten die Schwestern wie man über einen Verliebten lächelt, und die Mutter – hatte Nachsicht und rechnete gelassen auf die abkühlende Wirkung der Heirath.

Leo fühlte bald, daß er mit der Mutter sowohl wie mit den Schwestern nicht von der Braut reden dürfe. Es überschlich ihn bisweilen eine quälende Ungewißheit, ob Clotilde inmitten seiner Familie auch glücklich sein werde. Zweifel, ob es nicht besser sein dürfte, bevor er heirathe, eine unabhängige Lage zu suchen, ja, ob es nicht sogar eine unumgängliche Pflicht für ihn sei – Zweifel darüber bedrängten, beängstigten ihn manche Stunde, aber die Ungeduld der Liebe überwog so Furcht, wie Vernunft. Ehe es möglich war, die Mutter zur Einwilligung in eine Trennung zu bewegen, konnten Jahre hingehen, und um sich ohne ihre Zustimmung und folglich ohne ihre Hülfe eine Stellung zu gründen, dazu mußte er, der des praktischen Lebens gänzlich Unkundige, noch viel längerer Zeit bedürfen. Und Jahre hindurch noch Clotildens Besitz, das Leben mit ihr, entbehren zu sollen, das dünkte Leo unmöglich. Die Sehnsucht nach ihr hatte sich seiner so ganz bemeistert, daß er entfernt von ihr nur wie zum Scheine lebte. Die Mutter selbst beeilte »die Geschichte« so viel es nur sich thun lassen wollte, denn es wurde ihr allmählich grenzenlos zuwider, »Leo so lächerlich verliebt zu sehen.« Da zu widerstreben, wo es sich um die Erfüllung der höchsten, heftigsten Wünsche handelte, wäre vielleicht für eine härtere Natur als die Leo's ein zu schweres Ansinnen gewesen. Er beschwichtigte sich mit der Gewißheit, daß die Mutter ihn viel zu sehr liebe, um für sein Liebstes nicht zu erwarmen, wenn er es ihr erst wirklich an die Brust gelegt. Genug, aus Stärke der Liebe und Schwäche des Herzens glaubte Leo, oder wollte doch glauben, daß Alles kommen werde, wie es eigentlich kommen müsse.

Im übelsten Falle waren Clotildens Eltern da. Frau von Studnitz hatte zwar dem Plane mit dem Jahre, welches das junge Paar in Braunschweig verleben sollte, keinesweges beigestimmt, sie hatte denselben im Gegentheil für allzu kostspielig und darum für thöricht erklärt. Gelegentliche Besuche, hatte sie gemeint, würden wohl genügen die ersten Ansprüche hätte doch immer sie. Leo stritt nicht weiter mit ihr über diese sonderbare Auffassung der Gleichberechtigung, die Clotildens Eltern denn doch nicht abzusprechen war. »Die Mutter ist im Anfange immer spröde, und dann giebt sie nach,« sagte er, sich tröstend. Wir mögen gern so die Erörterung unangenehmer Wahrheiten umgehen – das Schlimme ist nur, daß dabei die Wahrheiten selbst bleiben.

Die Hochzeit war nach manchem Hin- und Wiederschreiben auf den September festgesetzt worden. Die Zeit dazu kam heran, und Leo fragte seine Mutter zum ersten Male, ob er nicht das Glück haben werde, sie dabei zu sehen. Während des ganzen Sommers hatte er diese Frage nicht gewagt. Frau von Studnitz lehnte es entschieden ab, nach Braunschweig zu kommen, selbst die dringendsten Einladungen von Clotildens Eltern und die zärtlichen Bitten von dieser vermochten sie nicht dazu. Sie entschuldigte sich gegen die Belows mit ihrer Gesundheit, welche stets schwach war, sobald Frau von Studnitz etwas von ihr Erwartetes zu thun nicht geneigt war. Dem Sohn dagegen ließ sie es deutlich genug merken, daß es von ihr »zu viel« sein würde, wenn sie sich »um eines so jungen Mädchens willen so weit bemühen sollte.« – »Bringe sie mir her«, sagte sie, »wir werden uns dann noch früh genug kennen lernen.«

Leo wünschte, daß wenigstens eine seiner Schwestern ihn begleiten möge – aber auch sie zogen es Beide vor, Clotilde zu erwarten.

So reiste denn Leo allein dem Ziele seiner Hoffnungen zu, aber nicht ohne daß die Kälte der Seinen bedrückend auf sein Gefühl gefallen wäre, wie feuchter Dampf auf eine Flamme.

Erst von Clotildens Anblick lebte seine Freudigkeit von Neuem auf. »Es ist nicht möglich, daß sie diesen Engel nicht lieben sollten«, dachte er, und hoffte wieder Alles, und glaubte wieder Alles, und war wieder ein Dichter, ein Kind und – ein Thor. Ja, er dankte es den Seinen, daß sie nicht mit ihm waren, denn so konnte er auf der Brautreise allein mit Ihr sein.

Das Scheiden Clotildens vom Elternhause war trotz der Stunde, in welcher es geschah, trotz dieser Stunde voll von Liebeszauber, ein schweres und thränenvolles. Die junge Braut empfand dunkel, daß sie sichern Boden verließ, um auf ungewissen zu treten. In den letzten Briefen ihrer Schwiegermutter hatte ein Etwas sie angefröstelt, das sie nicht zu bezeichnen vermocht hätte, das jedoch unläugbar da war. »Ob sie mich am Ende doch nicht gern zur Schwiegertochter hat?« fragte sie am Tage vor der Hochzeit ihre Mutter. Die Generalin suchte der Tochter das auszureden, sprach ihr Muth und Selbstvertrauen ein, und schloß mit dem letzten Troste, mit den schutzverheißenden Worten: und Du hast ja immer uns.« – »Ja, ich habe immer euch,« sprach Clotilde kindlich zuversichtlich, vergaß aller kleinen trüben Ahnungen, und fühlte sich auf der Reise am Rhein so selig, wie die beglückte und beglückende Liebe an diesem dichterischen Strome sich fühlen muß. Drei Wochen lang schwärmten sie so von Schönheit zu Schönheit, von Wonne zu Wonne, bis sie Ende Oktober über Dresden in Niederndorf bei Frau von Studnitz eintrafen.

Hätte Leo mit seinem besten Blute den Eindruck auszulöschen vermocht, den die erste Begrüßung seiner Mutter auf Clotilde machen mußte, wie gern würde er sich die Brust aufgerissen haben. Frau von Studnitz versteinerte sich gleichsam, als sie ihrer neuen Tochter entgegenging. Clotilde war Alles, was eine wahre Mutter für ihren Sohn nur hätte wünschen können, Alles, was Frau von Studnitz früher ihren Reden nach immer an einer Frau für Leo verlangt hatte, Alles, was Leo auf immer fesseln mußte. Daß er ihr so ganz den Willen gethan, daß er ihr ein so vollkommen liebliches Wesen zuführte, daß er es mit gerechtem Stolz auf seine Wahl that, das Alles vergab sie ihm nicht, und vom ersten Augenblicke an haßte sie beinahe die, welche zu lieben ihr Leo mit fast anbetender Erkenntlichkeit gedankt haben würde. Es war ein schwerer, entscheidender Augenblick dieser des ersten kalten Wortes, des ersten eisigen Kusses – ein Riß, der nie wieder ausgefüllt werden sollte, geschah zwischen Mutter und Sohn.

Auch an ihren Schwägerinnen hatte die arme Clotilde schon in den ersten Minuten sowohl Gegnerinnen, wie Nebenbuhlerinnen. Die Eifersucht auf Leo war bei ihnen allerdings nicht so leidenschaftlich, wie bei der Mutter, aber um so heftiger die auf Clotildens Erscheinung. Sie hatten sich nicht geschmeichelt, mit ihr im Aeußern wetteifern zu können – Johanna war zehn, Elfride fünf Jahre älter als Leo, und Beide besaßen genug Verstand, um nicht lächerlich eitel zu sein, aber sie hatten sicher darauf gerechnet, sich ihrer so jungen Schwägerin an Eleganz und gesellschaftlicher Sicherheit überlegen zu sehen, und diese Erwartung wurde höchst empfindlich getäuscht. Die Schlesierinnen, welche ihre Provinz noch nie, oder doch nur selten verlassen haben, sind in allen geselligen Beziehungen sehr leicht zu übertreffen, und so wenig ausgebildet auch Clotilde noch war, so war sie es doch immer noch weit mehr, als ihre Schwägerinnen.

Sie selbst fühlte ihre Vorzüge, und suchte sie so ängstlich zu verstecken, als ob es eben so viele unrechtmäßige Anmaßungen wären. Wenn sie es doch nicht gethan hätte! Wahrscheinlich hätte man sie gelten lassen, hätte sie sich besser gelten gemacht. Die Bescheidenheit ist nur der Würdigung gegenüber angebracht, der absichtlichen Ungerechtigkeit muß Selbstbewußtsein, nöthigen Falls sogar Selbstüberschätzung entgegengesetzt werden. Clotilde verlor ihre Sache, weil sie dieselbe nicht gleich von Anfang an vertheidigt hatte. Sie erwartete, daß man ihr geben solle, was sie hätte fordern müssen.

Sie hatte jedoch viele Entschuldigungen. Ohne Rath, denn Leo war noch zu sehr von seiner Mutter abhängig, als daß er hätte wagen sollen, seiner jungen Frau entschieden zur Seite zu treten, zum ersten Male der Lieblosigkeit ausgesetzt, noch lange nicht unbefangen genug, um in solchen schwankenden Verhältnissen den richtigen Ton treffen zu können, wie hätte sie es vermocht, sich eine Selbstständigkeit zu sichern, die ihr von vornherein nicht blos bestritten, sondern gleich ganz verweigert wurde? Sie hörte nur auf, sich glücklich zu fühlen, und ließ außerdem über sich ergehen, was man für gut befand.

Das war denn zuerst eine allgemeine, fortgesetzte Kälte. So oft auch Clotilde sich zur Wärme ermuthigen wollte, es war ihr nicht möglich – die Luft um sie her blieb immer auf dem Gefrierpunkte. Die zweite Maßregel, welche man gegen sie ergriff, bestand in einem völligen Entfernthalten von allen Familienangelegenheiten und von jedem häuslichen Geschäft. Nie erfuhr sie was vorgehen sollte, was beschlossen worden war. Ihr Stolz wurde durch diese unaufhörliche Zurücksetzung erweckt, sie fragte nicht länger nach irgend etwas, und nun beschuldigte man sie der Gleichgültigkeit. Nicht offen, da hätte sie sich verantworten können, aber verdeckt, in Sticheleien. Wollte sie ein Mal zeigen, daß sie diese Anzüglichkeiten verstehe, so war man ungemein, ja, im höchsten Grade verwundert, und betrübte sich aufrichtig über ihre große Empfindlichkeit. In der Häuslichkeit war es dasselbe Spiel. Bot sie sich an, so lehnte man ihre Hülfe vornehm ab, und that sie nun Nichts, so beklagte man ihre Verwöhnung und ihre unglückliche Neigung, bei einem mehr als mittelmäßigen Vermögen den reichen Frauen der großen Welt nachäffen zu wollen. Aeußerte sie jugendlich unschuldig Freude über eine Einladung, oder gestand sie gar, daß sie recht gern manchmal tanzen würde, so fragte man Leo seufzend: wie wohl diese Vergnügungssucht zu seinen ernsten Bestrebungen passen solle? Umsonst versicherte Leo, daß er noch jung genug sei, um Clotilde gern in Gesellschaften und auf Bälle zu begleiten und an diesen selbst Theil zu nehmen – man glaubte ihm das nicht, er war zu tief, um an dergleichen alltäglichen Zerstreuungen jetzt noch Geschmack finden zu können, er sprach aus zu großer Liebe für Clotilde wider seine Neigungen und seine Ueberzeugung – man wußte es, daß er ein Denker und folglich ein Einsamkeitsbedürftiger sei, und man bedauerte und bemitleidete ihn mit einer ganzen Masse von Mitleid.

Verlor nun Leo bei solchen Anlässen die Geduld und wollte er ausbrechen, so war es Clotilde, die ihn mit Thränen beschwor, sie nicht zum Gegenstand des Streites zwischen ihm und den Seinen werden zu lassen. Natürlich liebte Leo Clotilde um solcher Thränen willen immer anbetender, und natürlich wurde Clotilde, so geliebt, in den Augen der Schwiegermutter und und der Schwägerinnen immer schuldiger.

Wenn Leo allmählig kälter gegen sie geworden wäre, wenn er sie den Anschuldigungen der Seinigen bisweilen preisgegeben hätte, man würde es ihr vielleicht nach und nach verziehen haben, daß sie sich »eingedrängt«, denn so und nicht anders bezeichnete man auch jetzt noch ihr Eintreten in die Familie. Aber, wie gesagt, Leo täglich mehr an sich zu ziehen, ihn immer dichter zu verstricken, immer hoffnungsloser zu verblenden – es waren dies Verbrechen, so schwer, daß die Anklägerinnen darüber oft nur zu »verstummen« vermochten.

Wie es unserer armen, kindlichweichen, liebegewohnten Clotilde in solcher Häuslichkeit und in einem ganz fremden Kreise, der ihr auf die Andeutungen ihrer »Nächsten« hin tausend namenlose Fehler zuschrieb und es gleichsam als Pflicht betrachtete, ihr abstoßend zu begegnen – wie es der armen Clotilde in solchen Verhältnissen zu Muth war – die Blätter, welche ich im vorigen Kapitel mittheilte, sprechen ihren Seelenzustand nach der endlich erfolgten Entscheidung aus. Aber sie lassen kaum zur Hälfte ahnen, was Alles dieses junge schutzlose Opfer mütterlicher und weiblicher Eifersucht während dieser vier Jahre erduldet, und erduldet, ohne daß ihr auch nur das allerkärglichste Mitgefühl zu Theil geworden, ja, im Gegentheil angeklagt und beschuldigt, daß sie es sei, welche das Familienleben untergrabe und die heiligsten Bande zu lockern suche.

Und warum flüchtete sie sich denn nicht an ihren natürlichen Zufluchtsort, an den Heerd und das Herz der Eltern? Erstens zauderte und zauderte sie, die Mutter zu ängstigen und dem Vater zu bekennen, daß er Recht gehabt und sie sich getäuscht habe.

Zweitens gab es, als das erste Jahr um war, eine solche Menge von Einwendungen und eine solche Fülle von Hindernissen gegen die Reise nach Braunschweig, daß drei Monate verflossen, und Leo sich noch immer nicht aus den »heiligsten Banden« losmachen konnte. Und als endlich Clotilde sich zum ersten Male Muth fassen und zum ersten Male einen Willen aussprechen wollte, kam die Nachricht von dem plötzlich erfolgten Tode der Generalin, und vierzehn Tage später die, daß der General seiner Frau gefolgt sei. Clotilde hatte nicht mehr zum Vater gekonnt; ihre Gesundheit war von dem entsetzlich unerwarteten Verluste der Mutter so erschüttert gewesen, daß der Arzt die Abreise nicht gestattet hatte. Und nun starb auch der Vater, starb, weil die Mutter gestorben war. Sie war ihm nothwendig gewesen wie die Luft; o, und wie viel nothwendiger als je wäre sie ihrem armen, preisgegebenen Kinde gewesen! Eine gute Mutter stirbt immer noch zu früh, die Generalin aber starb so vorzeitig früh, daß es für Clotilde von wahrhaft tragischer Bedeutung war. In der Mutter verlor sie die irdische Vorsehung.

Auf eine Zeit lang schienen die Schläge, welche sie getroffen, die für sie bisher so harten Herzen erweicht zu haben – man liebte sie gerade nicht, aber man behandelte sie doch beinahe gut, man zeigte sich doch des Mitleids und der Schonung fähig. Aber als es sich herausstellte, daß Alles, was die Eltern ihr hinterließen, sich nicht viel über sechstausend Thaler belief, da verschwand die mildere Stimmung augenblicklich, und zu den alten Vorwürfen kam nun noch der neue, daß Leo in Hinsicht des Vermögens getäuscht worden sei. Ich brauche nicht erst zu versichern, daß dies nicht der Fall gewesen war. Der General hatte es Leo ganz offen gesagt, daß sein ganzes eigentliches Vermögen in dem Hause bestehe. Leo, dem Alles einerlei gewesen war, wenn er nur Clotilde bekam, hatte der Mutter sowohl geschrieben, wie mündlich versichert, es stehe in Bezug auf die Geldangelegenheiten vortrefflich. Jetzt sah er sich nun heftig der größten Unüberlegtheit angeklagt, und damit war es noch nicht genug – er mußte auch die Frage hören: ob er etwa von dem Einkommen Clotildens die Kosten zu decken meine, die er nebst seiner Frau im Haushalt verursache. Wäre Leo allein gewesen, er würde das Haus der Mutter in der nächsten Stunde verlassen haben. Ihm vorzuwerfen, was er koste, als ob er ein Fremdling, ein Eindringling sei! Frau von Studnitz wurde den begangenen Fehler augenblicklich gewahr, und suchte durch den lebhaftesten Zärtlichkeitsauftritt den Eindruck, welchen sie in ihrer neuen Rolle gemacht, hinwegzudrängen. Aber der Eindruck blieb. Wo ein Mal von Mein und Dein die Rede gewesen ist, kann nicht länger von Liebe die Rede sein. Entweder man liebt, oder man rechnet. Leo konnte nie mehr so unbefangen wie früher bei einer Mutter sein, welche in ihrem Rechnungsbuche die Bissen nachzählte, die er aß. Alle egoistischen Charaktere geben ihre Verstöße Andern zur Abbüßung auf – Frau von Studnitz verzieh es Clotilden nie, daß sie sich gegen den Sohn so verirrt hatte. Clotilde war zu jeder Genugthuung bereit, die man von ihr für ihre zu kleine Aussteuer begehren konnte. Viel zu wenig für ihre eigenen Bedürfnisse behielt sie zurück. Leo erfuhr es erst, als er sie ihren Anzug einfacher und immer einfacher einrichten sah. Er wurde wie rasend vor Zorn – der erste heftige Zusammenstoß zwischen Mutter und Sohn schien nahe. Die Schwestern wendeten ihn ab, und vermittelten überhaupt was noch zu vermitteln war; aber Clotilde wurde hart beschuldigt, daß sie Leo aufgereizt und durch »Winseleien« bis zu solchem »Aeußersten« getrieben.

Sie vertheidigte sich dieses Mal noch gemäßigt, aber auch in ihr begann es jetzt allmählig zu gähren. Sie war der Anklagen gegen sich selbst gewohnt, aber die, welche sie von nun an, so oft Leo abwesend war, gegen ihre Eltern hören mußte, die erbitterten und empörten sie. Clotilde fand, daß die Eltern reichlich für sie gesorgt. Es war schön und naturgemäß, daß sie so dachte. Wie widerwärtig wäre es gewesen, wenn sie den Eltern noch im Grabe das zu geringe Erbtheil vorgeworfen hätte! Aber daß es zu gering war, wer wollte es leugnen? Clotilde war für mehr erzogen. Sie hatte den besten Willen, aber noch nicht das Geschick zur Einschränkung. So wenig sie eigentlich brauchte, so brauchte sie doch immer noch zu viel, denn sie kam nie mit dem aus, was sie sich vorgesetzt hatte. Mit einiger Unterweisung würde sie es leicht gelernt haben, doch Frau von Studnitz zog es vor, ihre gänzliche Unfähigkeit ein für alle Mal anzunehmen. Es war bequemer, und die Schwiegermutter wurde dadurch noch mehr gehoben. Sie konnte mit so erhabener Großmuth die Tröstungen ablehnen, welche über das Unglück, eine solche Schwiegertochter zu haben, ihr darzubringen alle ihre lieben Freundinnen wetteiferten. Sie konnte mit so ausdrucksvollem Augenerheben seufzen: »was erträgt eine Mutter nicht!«

Aber war denn diese Frau im Allgemeinen ungerecht oder bösartig, quälte sie gern, war sie mißgünstig, karg oder hartherzig? Nein, sie war eine liebende Mutter, welche auf den einzigen Sohn die »heiligen Rechte« des Egoismus und der Eifersucht ausübte. Clotilde durfte nicht gut sein, denn Leo liebte sie, liebte sie mehr als die Mutter. Das war ihre Schuld, das sein Vergehen. Noch ein Mal: hätte Leo die Mutter Clotilden täglich als Vorbild hingehalten, Clotilde hätte Geld ausgeben können, so viel sie gewollt. Hätte Leo sie vernachlässigt, so würde Frau von Studnitz ihn getadelt und die Schwiegertochter gepriesen haben. Wäre Leo ihr gar untreu geworden, so wäre sie ein liebenswürdiges und beklagenswerthes Geschöpf gewesen und hätte drei Herzen gefunden, um sich an ihnen auszuweinen, und drei Vertraute, um ihre klagenden Mittheilungen anzuhören. Aber Clotilde suchte und brauchte kein anderes Herz, als das Leo's, welches für sie immer da war, wenn auch vielleicht in Folge der ewigen häuslichen Unsicherheit einen Augenblick kälter, als den andern. War das der Fall, so weinte Clotilde völlig trostlos, aber sich beschweren gegen ihre Feindinnen – denn so nannte sie jetzt Schwiegermutter und Schwägerinnen – hätte sie jemals einen hitzigen Fieberanfall zu befürchten gehabt, sie hätte sich lieber eingeschlossen und ohne Pflege gelegen, als den Phantasieen die Möglichkeit gestattet, irgend etwas von dem zu verrathen, was jetzt licht, jetzt dunkel in ihrem Herzen um Leo's Namen spielte. Was die Treue betraf, so war kein Priester je seinem Gotte treuer, als Leo Clotilden. Eine Untreue wäre für ihn nicht nur ein Unrecht, sie wäre eine Albernheit gewesen, denn er liebte nur Clotilde.


Der Verstossene.

Leo saß in dem einzigen Gaststübchen der Schenke zu Niederndorf. Es war erstickend heiß in dem engen Raume, und an den trüben Fensterscheiben schwirrten die Fliegen in Unzahl – Leo indessen dachte nicht daran, das Fenster aufzumachen und die Abendluft hereinzulassen. Er stützte den rechten Arm auf den schwerfälligen blauangestrichenen Tisch, ein bitteres Lächeln verzog seinen Mund, und er sprach halblaut: »so mußte es also enden? Nun sei es, und – mit Gott!«

Vor ungefähr einer Stunde war Leo auf dem Schlosse von Niederndorf zur größten Ueberraschung seiner Familie angekommen. Als er mit Clotilden nach Breslau gefahren war, hatte er vorgegeben, es sei nur auf wenige Tage, und zwar in Geschäften mit seinem Verleger. Jetzt gestand er seiner Mutter: er habe Clotilde nur einem möglichen unangenehmen Auftritt entziehen wollen – sie beabsichtigten, sich endlich ein eigenes kleines Hauswesen zu gründen. Obgleich Frau von Studnitz in der Bitterkeit ihres Grolls mehr als ein Mal gesagt: es gehe nicht länger so, es müsse eine Aenderung in den gegenseitigen Verhältnissen geschehen – jetzt, wo Leo thun wollte, was sie gesagt, war sie vor Zorn völlig außer sich und vergaß sich zum zweiten Male gänzlich. Und zwar dieses Mal in einem Maße, daß es nicht wieder gut zu machen ging, wenigstens Leo's Empfindung nach.

Auftritte dieser Art zu schildern, ist peinlich und unnütz. Wer sie aus Erfahrung kennt, der kennt sie zur Genüge, wer sie nicht kennt, hält sie für unnatürlich. Sie sind es auch, aber eben nur, weil sie wider die Natur, nicht weil sie wider die Wahrheit sind. Wahr sind sie, leider, nur zu oft und zu sehr, qualvoll wahr im Augenblicke, wie in der Erinnerung.

Ich gehe daher über den, welcher in Niederndorf vorfiel, mit einer Beklemmung des Mitleids für beide Betheiligte hinweg. Genug, daß Leo das Haus der Mutter verließ, und wie er ihr sagte, auf immer.

Sie machte keinen Versuch, that keinen Schritt, streckte keine Hand aus, um ihn zurückzuhalten. Daß er ihr erklärte, er sei es nun endlich Clotilden schuldig, sie an die Freistätte eines eigenen Heerdes zu führen, daß er es offen zu bekennen wagte, er glaube größere Verpflichtungen für seine Frau zu haben, wie für seine Mutter – sie faßte es nicht, es kam ihr wie eine moralische Ungeheuerlichkeit vor. Im Volksglauben der Normandie wird die Petersilie, im Schatten gesä't, zum Schierling – so hatte sich bei dieser Mutter die Liebe zum Sohne ganz in Haß gegen die Schwiegertochter verwandelt. Er hing an der Gehaßten, er war für sie Nichts mehr, als ein Beleidiger – ohne daß eine Thräne in ihr Auge trat, sah sie ihn über die Schwelle ihres Hauses schreiten – konnte das eine Mutter? Nein, eine Mutter nicht, wohl aber eine gereizte, rachsüchtige Frau. Daß sie dies war, kann Frau von Studnitz allein in etwas entschuldigen, wenn eine beklagenswerthe Handlung aus einem schmerzlich zu tadelnden Beweggrund herleiten dieselbe entschuldigen heißt.

Leo ging nach dem Wirthshause, und nahm dort für eine Nacht Quartier. Natürlich erregte das nicht nur bei den Wirthsleuten, sondern im ganzen Dorfe Aufsehen und Bestürzung. Daß es nicht recht gut zwischen der gnädigen Frau und der jungen Herrschaft stehe, war allgemein bekannt, aber eines förmlichen Bruches hatte man sich nicht versehen. Die Leute tadelten einstimmig die gnädige Frau. »Ihr einziger Sohn!« sagten sie, »und ein so schmucker Herr, der ihr so viel Ehre gemacht hat!« Leo wurde mit der größten Aufmerksamkeit bedient und mit der größten Theilnahme angesehen, aber zu ihm über das Vorgefallene zu reden, erlaubte man sich nicht.

Als Leo über die erste Erschütterung hinweg war, trat eine kalte Fassung bei ihm ein, und er schrieb an seine Mutter einen höflichförmlichen Brief, in welchem er sie ersuchte, seine und Clotildens Sachen möglichst bald nach Breslau befördern zu lassen. Er bat sie um Verzeihung für diese Mühe – er würde gern Alles selbst eingepackt und besorgt haben, aber das Haus hätte sich ihm zu rasch verschlossen.

Würde Leo es wohl je für möglich gehalten haben, daß er seiner Mutter einen solchen Brief schreiben könnte? Wenn wir im Anfange des Lebens bei tausend Dingen ausrufen: »Das kann ja nie sein,« so müssen wir in der Mitte des Lebens schon uns den Glauben an den Menschen als Pflicht auferlegen, um nicht verzagend zu seufzen: »Alles kann sein.« Leo sagte, als er seinen Brief siegelte, mit schmerzlicher Ironie: »Gott sei Dank, daß kein Unglück geschehen ist.«

Nach ungefähr einer Stunde kamen seine Schwestern zu ihm. Sie waren weiter nicht besonders aufgeregt, sondern meinten: »es würde sich Alles wieder machen – Leo möchte nur kommen und um Verzeihung bitten – da würde die Mutter gewiß wieder gut sein.«

Leo lehnte das ohne Heftigkeit, aber mit Bestimmtheit ab. »Wenn hier Verzeihung nachgesucht werden soll,« sagte er, so kann es nur von Seiten der Mutter sein.«

»Eine Mutter kann ihr Kind nicht um Verzeihung bitten,« sprach Johanna.

»Dann müßte sie ihm auch nie Unrecht thun können,« erwiederte Leo.

»Das kann sie auch nicht,« sagte Johanna. Leo schwieg. Er wußte seit langer Zeit, daß Johanna stets nur in Gemeinplätzen redete und dachte, die sie für unwiderlegliche Wahrheiten und für erhabene Grundsätze hielt.

»Dein Schicksal wird ein sehr trauriges sein, wenn Du nicht nachgiebst,« fuhr sie fort. »Die Mutter besteht unerschütterlich darauf – sie sagte es noch, als wir schon in der Thür waren. Entweder Du beugst Dich, oder Du siehst sie nie wieder.«

Leo, den diese theatralische Art in diesem Augenblicke unbeschreiblich anwiderte, begnügte sich, eine stumme beistimmende Kopfbewegung zu machen.

»Denke, Leo, Deine Mutter!« Johanna wollte sich noch steigern, aber Leo unterbrach sie jetzt mit einiger Ungeduld. »Ich habe heute schon genug ausgehalten,« sagte er, »sei so gut, mir wenigstens Deine Redensarten zu ersparen.«

Sie blickte ihn wie von einer Höhe herab an. »Wir verstehen uns nicht mehr,« sprach sie dann. »Das sagte ich eben,« entgegnete Leo, indem er aufstand und, sogut es sich thun lassen wollte, in dem Stübchen auf und ab ging.

Johanna hatte vorhin ihren Hut und ihre Mantille auf das Bett gelegt, ein Ende der Mantille und die Bänder des Hutes hingen herunter, sie ging an das Bett und legte Alles weiter hinauf, damit Leo nicht etwa daran streifen möchte. Leo sah das und lächelte geringschätzig. Er wußte nun, wann bei seiner ältesten Schwester die Bekümmerniß um ihn kam – unmittelbar nach der Sorge für ihre Mantille und ihre Hutbänder.

Die Schlesierinnen aller Klassen zeichnen sich durch eine große Gemüthstrockenheit aus – Johanna war eine ächte Schlesierin. Leo hätte sie kennen und wissen sollen, was er von ihr zu erwarten habe; aber die Fibern seiner Seele waren so krankhaft gespannt, daß diese so offenbare Lieblosigkeit ihn doch schmerzlich berührte.

Johanna wandte sich abermals zu ihm und fragte ihn, was er denn nun anzufangen gedenke.

»Ich werde arbeiten,« antwortete er.

»Literarisch vermuthlich?« fragte sie spöttisch.

»Ja,« antwortete er einfach, »denn das ist die einzige Arbeit, die ich kann.«

»Sieh', was sie Dir bringen wird in den jetzigen Verhältnissen,« sprach sie kalt.

»Wenig, ich weiß es,« entgegnete er und setzte sich wieder, denn ihm schwindelte leicht; »aber doch genug, um davon leben zu können, wenn wir dazu nehmen, was wir haben.«

»Ja, das große Vermögen Deiner Frau.«

»Groß oder klein,« versetzte er mit der Geduld einer überlegenen Seele, »es ist doch jetzt Alles, was wir haben.«

»Etwas muß die Mutter Dir doch geben!« meinte Elfride, die gutmüthiger war als Johanna, beängstigt durch die ernste Wendung, welche die Sache nehmen zu wollen schien.

»Ich würde es der Mutter sehr verdenken, wenn sie nach Leo's heutigem Betragen und nach Allem, was sie schon von ihm und Clotilden erduldet hat, auch nur das Geringste für ihn thäte,« sprach Johanna mit hohem moralischen Unwillen. »Was soll noch heilig sein, wenn es eine Mutter nicht mehr ist?«

»Aber, mein Gott,« rief Elfride halbweinend, »sie kann ihn doch nicht Noth leiden lassen?«

»Du hörst ja, daß er arbeiten wird,« sagte Johanna, höhnisch auf Leo hinunterblickend.

Dieser saß, den Kopf wieder aufgestützt, ruhig da. Er dachte an Clotilde und an die Aufgabe, die nun vor ihm lag.

Elfride sah Johanna bittend an, diese zuckte heroisch die Achseln. Wo es sich um das »Recht« handelte, kannte sie kein Mitleid. Das Mitleid gehörte überhaupt nicht zu ihren genauen Bekanntschaften.

Sie berührte mit ihren magern Fingern jetzt leise die Schulter Leo's. Er fuhr wie aus einem Traume auf und drehte sich nach ihr um. »Du willst jetzt gehen?« fragte er.

»Ja,« antwortete sie; »soll ich der Mutter Nichts sagen?«

»Sage ihr,« sprach Leo, sanft und ernst, »ich wünschte, sie möchte nie die letzten Stunden zu bereuen haben.«

Ohne ein weiteres Wort des Abschieds riß Johanna Hut und Mantille vom Bett und rauschte heftig aus der Thür. Leo nahm seine Stellung wieder an. Nach einigem Zögern kam Elfride zu ihm, umarmte ihn und weinte.

Leo war nicht erweicht, aber erkenntlich. »Ich werde nun doch nicht auf immer von hier fortgehen, ohne einen leisen Beweis von etwas Liebe empfangen zu haben,« sagte er, zog Elfride zu sich nieder und küßte sie.

Wie alle nicht sehr geistreiche Personen kannte die gute Elfride, sobald sie ein Mal in ein Gefühl hineingerathen war, in demselben kein Maß. Das war auch jetzt mit ihrer Rührung der Fall. Sie weinte sich förmlich in Krämpfe, fiel vor Leo auf die Knie und beschwor ihn, sie zur Mutter stürzen und um Verzeihung für ihn flehen zu lassen.

Leo versuchte ihr zuzureden, als sie sich aber gar nicht beschwichtigen ließ, sondern mit Händeringen immerfort ausrief: Das überlebe sie nicht, eine solche Zerrissenheit in der Familie, wurde er endlich etwas ungeduldig und sagte: »liebe Elfride, diese Zerrissenheit ist ja nicht neu, und Du hast sie doch bis jetzt glücklich überlebt. Glaube mir, man überlebt mehr, als man denkt. Greife Dich nicht so unnütz an – es ist für einen Tag an einem dramatischen Auftritt vollkommen genug.«

Diese Worte waren wie kaltes Wasser, und löschten den Anfall von Elfridens Schwesterliebe auf ein Mal aus. Da sie wirklich gute Absichten gehegt, war sie um so mehr beleidigt, daß Leo sie die schöne Rolle der Friedensstifterin nicht wollte spielen lassen. Scharfe Reden folgten den Küssen und Thränen, und die zweite Schwester nahm nicht freundlicher Abschied, als die älteste.

Leo blieb allein, und warum es nicht für ihn gestehen, daß dieses Alleinbleiben ein sehr bitteres war? Die Familie ist der naturgemäße Boden für das Individuum – wie schwer, einen neuen, gleich entsprechenden in der Welt zu finden, noch dazu, wenn sie so von unaufhörlichen Bebungen erzittert wie in der Gegenwart? Darum ist es unverzeihlich von dem Einzelnen, wenn er sich unüberlegt oder trotzig von der Familie losreißt, wie es unverantwortlich von dieser ist, wenn sie den Einzelnen, ohne daß er schwere Veranlassung dazu gegeben, aus ihrer Mitte ausstößt.

Leo dachte das, und dann prüfte er sich, ob er solche Veranlassung gegeben. Nach gewissenhafter Erwägung sprach er zu sich selbst: »Nein – ich habe von Freiheit nur beansprucht, was das unantastbare Recht einer jeden entwickelten Intelligenz ist. Nur selbstständig wollte ich sein, nur denken, fühlen und handeln können, wie es den Bedürfnissen und Forderungen meiner Natur gemäß ist. Was meine Mutter mir vorwirft, ist nur die immerwährende Anklage des Alters gegen die Jugend. Die da gelebt haben, zürnen denen, die da leben. Es ist die Nachfolge, die sie empört. Sie, die Kinder des Gestern, heischen von uns, den Kindern des Heute, daß wir opfern sollen, wo sie opfern – auf den Altären der Vergangenheit. Sie vergessen, daß sie einst standen, wie wir jetzt stehen – vorwärts wollend, rückwärts sollend. Werde ich einst in dieselben Fehler verfallen, wie meine Mutter? Wenn ich Kinder haben sollte, werde ich dann auch fordern, was sie nicht leisten können? Gott verhüt' es! Nur nie Kindern so gegenüberstehen, wie meine Mutter mir gegenüberstand, so gefallen, so entkleidet aller Elternwürde! O, wie kann eine Mutter ihren Sohn beschimpfen! Was kein Fremder wagen würde, wie kann eine Mutter es sich erlauben? ›Eine Mutter darf Alles.‹ – Unsinn! Eine Mutter darf im Gegentheil tausend Mal weniger, als die ganze übrige Welt. Was wir von Gleichgültigen gleichgültig anhören, dringt uns bis an's Herz, wenn es von der Mutter ausgesprochen wird. O Gott, und alle die Qualen, die wir durch einander erlitten, uns gegenseitig bereitet haben, wie unnütz, wie völlig unnütz! Wär' es nicht so traurig, es könnte lächerlich sein. Welche Elemente zu einem ganz harmonischen, ganz glücklichen Dasein hatte Gott in unsere Hände gelegt, und was haben wir daraus gemacht? Herr, gehe nicht in's Gericht mit den Verblendeten, die Deine heiligen Gaben entheiligen!«

Leo sprach für sich mit – es war eine edle Schonung, die er selbst mit sich allein noch gegen die Mutter übte. Dem Rechte nach durfte er sie ganz allein anklagen, ja, er mußte es sogar, wenn er wahr sein wollte.

Die Nacht war gekommen, klar und voll von Sternen. Leo fühlte den Antrieb, noch ein Mal Alles zu sehen, was er nicht mehr sehen sollte. Unbemerkt verließ er das Haus und ging vorsichtig die Lindenallee hinauf, welche nach dem Schlosse führte. An dem Gitterthor, das sich auf den großen Rasenplatz öffnete, stand er still. Es war verschlossen, aber der Duft der Blumen drang bis zu dem Einsamen, Verstoßenen. »Der letzte Athemzug der Heimath«, sagte Leo. Dann setzte er finster hinzu: »nicht mehr dieses Wort – ich habe keine Heimath mehr.«

Dennoch, obgleich er das sagte und es im Innersten fühlte, konnte er sich von dieser Stelle, wo er zum letzten Male stehen sollte, nicht losreißen. Eine Thräne kam in sein Auge, er schämte sich ihrer und zerdrückte sie hastig, aber sie war doch da gewesen. »Ich hätte nicht gedacht, daß ich so dabei leiden würde,« murmelte er. »Gott sei Dank wenigstens, daß ich es allein leide. Das habe ich ihr doch ersparen können – arme Clotilde!«

Die Erinnerung an Alles, was ihr, der armen Schutzlosen, in diesem Hause widerfahren, stählte ihn plötzlich wider seine Weichheit. Es brannte nirgends mehr ein Licht. »Sie schlafen,« sagte er mit einem feierlichen Unwillen, »sie können schlafen, während ich hier stehe und – weine. Meine Mutter kann schlafen – ich will gehen und es auch versuchen.«

Er ging, aber noch nicht nach seinem heißen, engen Stübchen zurück, sondern erst nach dem Kirchhof des Dorfes. Hier war das Grab seines Vaters, dessen Leo sich aus seiner Kindheit her nur als die Güte selbst erinnerte. Die Thür zum Kirchhof war offen, Leo trat geräuschlos auf, als könnte er die Schläfer unten stören. Aber sie schliefen tief und fest, und eine Sehnsucht ergriff Leo, mit Clotilden im Arm auch so tief und fest zu schlafen. Wer, der da liebt, hat diese Sehnsucht, Arm in Arm mit dem Geliebtesten ewig still zu ruhen, nicht ein Mal empfunden? Wem hat die dunkle, kühle Erde nicht ein Mal zugeflüstert: komm' zu mir, der Du mühselig und beladen bist Deines Wanderns Ende ist einst doch in mir, warum willst Du erst noch weiter?

Auf des Vaters Grabe, wo kein Stein war, sondern nur der weiche, thauige Rasen, kniete

der Sohn und betete. Nicht für sich – für die Mutter, für die Geliebte um Glück, und doch – für sich selbst auch – um Kraft zum Wollen und um Stärke zum Vollbringen.

Langsam kam Leo zurück. Das Wirthshaus war verschlossen, und er mußte stark klopfen, ehe man ihn hörte. Man hatte ihn ruhig schlafend in seinem Stübchen gemeint; jetzt da man ihn wach und bleich eintreten sah, bedauerte man ihn gar sehr und »hatte es sich wohl gedacht, daß der junge Herr heut' Nacht keine Ruhe finden würde.«

Auch fand er wirklich keine. Seine Seele war beschwichtigt, aber die Nerven blieben aufgeregt, und anstatt zu schlafen dichtete er:

Die gute Nacht des Sohnes.

Die Nacht ist ruhig in dem Glanz der Sterne,
Die Blumendüfte zieh'n im Windgezitter,
Ich stehe schweigend vor dem dunklen Gitter,
Zum letzten Mal, denn morgen bin ich ferne.
Doch eh' ich noch den Weg hierher verlerne,
In dieser meiner ernsten, stillen Wacht,
In dieser Stunde, schwer und schwül und bitter,
Nimm, Mutter, meine letzte gute Nacht.

Was hast du mir gethan? Am Mutterherzen,
Da wollen wir das Heim für uns're Seelen,
Da wollen wir den Schirm für unser Fehlen,
Da wollen wir den Trost für uns're Schmerzen,
Da wollen wir das Echo uns'rer Herzen,
Da wollen wir uns selbst in Wahrheit seh'n,
Und was wir sonst im Schweigen stolz verhehlen,
Hier will es klagen, weinen und gesteh'n.

Was that ich dir? Zu meines Vaters Grabe
Bin ich geschritten, zu der grünen Stelle,
Bevor mich faßt die wilde Lebenswelle,
Legt' ich da nieder meiner Andacht Gabe.
Er liebte mich – ich war sein einz'ger Knabe,
Das letzte Kind, das du ihm froh gebracht
Als du gestoßen mich von deiner Schwelle,
Hast da du meines Vaters nicht gedacht?

Und nicht gedacht der tausend süßen Sorgen,
Gesammelt um mein Bett, das kleine, warme,
Und nicht der beiden sehnsuchtvollen Arme,
Zu dir emporgestreckt an jedem Morgen?
Und nicht der Angst, womit du mich geborgen
Vor jeder fernen, möglichen Gefahr,
Des Bangens nicht, wenn ich im Kinderschwarme
Auf eine Stunde dir verloren war?

Zum Hause leiten die bekannten Wege,
Und d'rinnen öffnen sich die alten Räume,
Im Garten rauschen die vertrauten Bäume,
Dieselben Blumen finden gleiche Pflege;
Es ist, als ob ein Geist hier Alles hege,
Kein Wechsel zeigt sich und kein Hin und Her,
Der Schlaf sogar hat hier nicht neue Träume –
Warum bist du nicht meine Mutter mehr?

O, ewig sollte Liebe sein, nur Hassen
Und Zweifeln dürfte in uns untergehen,
Doch Liebe sollt' in ew'ger Blüte stehen,
Und ihr Verwelken sollten wir nicht fassen;
Nie wieder dürften sich zwei Hände lassen,
Die je ein süßgeheimer Druck verband,
Und immer müßten Seelen sich verstehen,
Wenn eine für die and're Worte fand.

Und also ist's – ich glaube, ja, ich glaube,
Du Heil'genbild in meinem Heiligthume,
Mein Mädchen, meine Perle, meine Blume,
Mein Weib, mein Kind, mein Kleinod, meine Taube,
Anbetend beug ich mich vor dir im Staube,
Die Hände streck' ich trunken nach dir aus,
Mein Stern, o leuchte mir zum ird'schen Ruhme,
Mein Engel, führe mich zum Vaterhaus.

Die Nacht ist ruhig in dem Licht der Sterne,
Im Windgezitter zieht der Duft der Linden,
Wir werden Herzen, Schutz und Liebe finden,
Wenn in der Heimath nicht, so in der Ferne.
Doch eh' ich noch bei Fremden suchen lerne,
Was zu verlieren hier ich nie gedacht,
Eh' meiner Schritte Spuren hier verschwinden,
Nimm, Mutter, deines Sohnes gute Nacht.


Einrichtung mit Störungen.

Als Leo am andern Tage spät Clotilde wiedersah, fand er sie so bleich und so erschöpft, als ob sie Jahre lang ohne ihn gezagt und gebangt hätte. Die Sehnsucht der Liebe hat eine andere als die alltägliche Zeitrechnung.

Er drückte sie inniger als je an sich, vielleicht auch schmerzlicher. »Du bist nun mein Einziges, Clody«, sagte er, ich habe Niemand mehr als Dich Gott – erhalte Dich mir.«

»Also die Mutter konnte –« fragte Clotilde, mit traurigen Augen in seinem Gesicht die Spuren dieser beiden Tage verfolgend.

Er sprach abwehrend: »Laß' uns nicht daran denken.«

»O,« rief sie, die Hände faltend, leidenschaftlich, »ihr einziger Sohn und – Du!«

»Sie muß mich doch nicht so hoch halten,« antwortete er mit herbem Scherz.

Clotilde zog ihn auf einen Stuhl, setzte sich auf seine Kniee und wollte Alles hören. Leo weigerte sich mehr zum Schein, eigentlich that es ihm bange, daß sie noch nicht Alles wußte, was ihm widerfahren. Er erzählte es; Clotildens Thränen versiechten vor dem glühendsten Unwillen.

»Dich beschimpfen, Dich –« sie konnte nicht weiter sprechen, sie zitterte heftig und war leichenblaß.

»Rege Dich nicht so auf,« sagte Leo, sich erkräftigend, »das wäre noch der Mühe werth, daß Du mir krank darum würdest.«

»Verstelle Dich nicht«, antwortete sie mit einem geisterhaften Lächeln, es muß Dich vernichtet haben – ich fühle es an meiner Empfindung.«

»Die Kindheit mit ihren Erinnerungen ist todt,« sagte er sanft.

»O Leo, lieber Leo,« rief sie und warf sich an seine Brust, »vergieb mir, denn ich bin's, die Dich das Alles kostet.«

»Bist Du's etwa nicht werth?« fragte er kurz; »sei nicht thöricht, Clody.«

Sie lag mit ihren Lippen auf seiner Hand, er hob ihr Gesicht in die Höhe und fragte mit seiner ganzen Seele in ihre Augen blickend: »Bist Du nicht mein Engel, mein Glück, mein Segen?«

»Ein bitteres Glück,« entgegnete sie.

»Ich will kein anderes. Wenn ich heute noch ein Mal wählen könnte, was wählt' – ich weißt Du's nicht?«

»Mich, ich weiß es ja; aber darum bin ich doch Dein Unheil.«

»Kind, Du!« sagte er, strahlend in dem Gefühl der unerschöpflichen Liebe, die er in sich trug, »was thu' ich denn, wenn nicht Gott täglich danken, daß er mir Dich geschenkt? Mit Dir nehm' ich Armuth, Noth und Tod, und bin doch noch selig, nur ohne Dich könnt' ich nicht mehr sein.«

Sie hing an seinem Halse, und über die ungewisse Zukunft Beider breitete sich siegend der göttliche Glanz der Liebe.

Aber Liebe ist ein Luxus in unserer Welt der Mühe und der Arbeit, und Clotilde und Leo hatten jetzt mehr zu thun, als sich diesem Genusse zu überlassen: sie mußten sich bestimmen, ob sie in Breslau bleiben wollten, mußten in diesem Falle eine Wohnung, im entgegengesetzten einen Wohnort suchen, mußten entscheiden, wohin mit den zu erwartenden Sachen, mußten ihre jetzigen Mittel berechnen, und ihre zukünftigen Pläne entwerfen – die armen Kinder, sie hatten viel, viel zu thun, und waren so gar nicht daran gewöhnt.

Zum Glück fehlte ihnen nicht, was uns in der Noth des Bedürfnisses leider nur zu oft fehlt: ein treuer und hülfreicher Freund. Sie hatten einen solchen, hatten ihn bisher bei allen Gelegenheiten bereit und willig gefunden, ihnen zu helfen, und fanden ihn auch jetzt noch so, wo sie ihn am meisten brauchten. Das klingt sonderbar, aber es ist wahr, und was noch sonderbarer klingt und doch ebenso wahr ist: dieser Freund war ein Schlesier, der noch nie aus Schlesien herausgekommen war. Es giebt überall Anomalieen, und daher fand unser junges Paar trotz der geringen allgemeinen Genialität der Schlesier für thätige, ausdauernde Freundschaft dieselbe gerade im höchsten Grade bei Constantin Friedberg, der in Breslau geboren und erzogen worden, und noch nie weiter und höher gelangt war, als bis auf die Schneekoppe.

Einzugestehen ist, daß er in allen Dingen eine Anomalie war, oder wie Leo ihn bisweilen nannte, ein Anachronismus. Denn er wollte Nichts. In unserer Zeit, wo ein Jeder nicht nur zu viel, sondern gleich geradezu Alles will, läßt sich das kaum anders erklären, als durch irgend eine intellektuelle oder moralische Abnormität. Vielleicht war Friedberg von einem frühern Jahrhundert auf der Erde vergessen worden. Vielleicht war er für einen andern Erdtheil bestimmt gewesen, und nur durch Irrthum in Europa zur Welt gekommen. Vielleicht aber war auch die eigentlich typische Eigenschaft des Schlesiers, die Trägheit, welche »so gerne« sagt, bei ihm im höchsten Maße, oder lieber im Unmaße vorhanden. Gewiß ist es, daß er Nichts wollte, nicht Geld gewinnen, nicht sich auszeichnen, nicht einmal besonders glücklich sein. Ein höchst bescheidenes Erbtheil genügte für seine unglaublich geringen Bedürfnisse, er heirathete nicht, um nicht genöthigt zu sein, mehr zu erwerben, er las und studirte nur was ihm gefiel, und außerdem rauchte er und trank »baiersches« Bier.

Die Bekanntschaft zwischen ihm und Leo hatte sich entsponnen, als Leo die Breslauer Universität bezog. Friedberg war damals schon ein alter Student, obwohl er nur einige Jahre älter war, als Leo. Aber er war früh auf die Universität gekommen, um spät und ohne allen Zweck wieder herunterzukommen, gerade wie man einen hohen Berg erklettert, blos um oben gewesen zu sein.

Weil in diesem Verhältnisse Alles seltsam sein sollte, war es Friedberg gewesen, der die ersten Schritte zur Vertraulichkeit gethan hatte. Er sagte jetzt noch bisweilen, daß er sich darin noch immer nicht recht begreifen könne. Dennoch war die Erklärung nicht so schwer: Friedberg hatte trotz seines in Cigarrendampf gleichsam geräucherten Phlegma's still und verborgen in sich eine tiefe Neigung für Poesie. Was in und an Leo poetisch war, hatte ihn angezogen, und zwar so sehr, daß er sich wirklich aufgemacht hatte, um diesem Zuge zu folgen. Leo empfing den sonderbaren schweigenden Raucher und Biertrinker wie man in der Jugend das erste Original empfängt, welches auf Einen zugewandert kommt, und die Freundschaft zwischen diesen ungleichen und darum sich ergänzenden Naturen war auf immer geschlossen.

Constantin Friedberg also saß als der Dritte in den Berathungen des jungen Paares, und er stimmte fest für das Bleiben in Breslau.

»Was Du jetzt zuerst willst und mußt«, sagte er zu Leo, »Dir auf's Neue einen hervorragenden Platz in der Literatur erschreiben, das kannst Du hier eben so gut wie anderswo.«

»Aber anderswo auch ebenso gut wie hier,« sagte Leo, der Breslau nicht eben besonders liebte. Nur um in der Nähe seiner Mutter zu bleiben, hatte er hier bleiben wollen.

»Ach hätten wir doch unser Haus in Braunschweig nicht verkaufen lassen!« sagte Clotilde traurig, »da wüßten wir jetzt wohin.«

»Und nicht wovon leben,« antwortete Leo trübe lächelnd, »das Haus allein würde uns wenig helfen.«

»Deine Frau hat Recht,« sprach Friedberg gelassen. »Es wäre gut, wenn Ihr das Haus noch hättet. Da könntet Ihr hingehen, und es wäre natürlich, daß Ihr hinzögt. Man muß nie ein Haus verkaufen, wenn man eins hat.«

»Lassen wir den Catalog der Wenn's«, erwiederte Leo. »Wenn Vieles anders wäre, so – wäre Vieles anders. Ich sehe nur nicht ein, warum wir durchaus in Breslau bleiben müssen, weil das Haus in Braunschweig verkauft ist.«

»Willst Du Deinen Namen hinter Dir zurücklassen?« fragte Friedberg. »Ich mache mich nicht anheischig, ihn vor dem Zerreißen zu schützen.«

»So laß ihn zerrissen werden,« sagte Leo bitter; »was thut's?«

»Es thut viel,« erwiederte Friedberg ernsthaft. »Ein Name ist nur ein Klang, aber ein guter Name ist ein guter Klang.«

»Wäre er nicht auch hinter mir zurückgeblieben, wenn ich nach Braunschweig gezogen wäre?«

»Nach Braunschweig zogst Du in Dein eigenes Haus, und das wäre, wie ich schon sagte, nur natürlich gewesen. Jetzt –«

»Jetzt, wenn ich nach Berlin oder nach Wien gehe, wird oder sollte es doch ebenso natürlich gefunden werden, dächte ich,« unterbrach Leo den Freund etwas verdrießlich.

»Sollte – ja, wird – nein,« sagte Friedberg trocken. »Die Advokaten für die Familie würden triumphirend ausrufen: ›seht, deswegen!‹«

»Es wäre ein Unsinn, geradezu,« sagte Leo.

»Eben deswegen,« sprach Friedberg phlegmatisch.

»Laß' uns hierbleiben,« sagte Clotilde, zu ihrem Manne gehend und seine Hand nehmend. »Sie sollen sehen, wie wir sind und wie wir leben.«

»Sehen und glauben,« setzte Friedberg hinzu.

»Sie werden sehen und nicht glauben,« sagte Leo. »Wir gehören zu denen, die prädestinirt zum Unrechthaben sind. Indessen da ihr es wollt, so wollen wir uns unserm guten Namen – zu opfern versuchen.«

In die Schweidnitzer Vorstadt, den Faubourg St. Germain von Breslau, wollte Leo nicht. Ein Gartenquartier dort war zu theuer, und sich mit so und so viel Familien in eines der neuen kasernengroßen Häuser mit den blanken Treppen und den verglasten Entrée's zu sperren – Leo erklärte, das Opfer sei selbst für seinen und Clotildens guten Namen zusammen zu groß und zu schwer.

»Ich könnte in einem solchen Hause unmöglich schreiben,« sagte er. »Als Student wohnte ich auf dem Dome – dort wollen wir suchen.«

Sie suchten und fanden, die Hälfte eines kleinen Hauses, welches auf dem Hinterdome unfern vom botanischen Garten in einem kleinen Enclos stand. Der Besitzer war vor Kurzem gestorben, die Frau brauchte nur noch das halbe Haus, unser junges Paar nahm die andere Hälfte in Beschlag. Es war mit seinem Funde sehr zufrieden.

»Wir sind ganz allein mit der Frau,« sagte Clotilde.

»Wir sind außer dem Bereich meiner Bekannten,« sagte Leo.

»Ich kann im Garten sitzen und arbeiten,« fuhr Clotilde fort.

»Wir sind bald im Freien,« fügte Leo hinzu.

Nun will zwar das Freie dort draußen nicht viel bedeuten, es besteht aus Wiesen und Dämmen ohne Schatten mit einer allzuweiten Aussicht in die ganz uninteressante Gegend, »indessen,« sagte Leo, »wir haben viele Gärten in der Nähe, und selbst die kahlen Dämme sind immer besser, als die angefüllten Promenaden.«

Das Quartier war ganz bereit zum Beziehen, aber die Möbel fehlten. Frau von Studnitz schien sich ein Vergnügen daraus zu machen, das junge Paar auf seine Sachen warten zu lassen.

Es war quälend, sich nicht einrichten zu können, und gerade während der größten Hitze in der erstickenden Luft und in dem kostspieligen Gasthofe sitzen zu müssen. Leo wartete acht Tage ganz geduldig, dann aber schrieb er an Elfride, wunderte sich und begehrte sehr ernstlich, es möge nun endlich Anstalt getroffen werden, damit er seine Sachen erhalte.

Elfride antwortete ihm ohne alle Eile: »die Anstalten wären bereits getroffen, aber freilich könnten so viel Sachen nicht ebenso schnell geschickt werden, wie es ihm gefallen hätte, das Haus zu verlassen.«

»›Wie es mir gefallen hat, das Haus zu verlassen‹ ist gut,« sagte Leo indem er Friedberg den Brief hinwarf. »Sag' ich's nicht, daß ich es gewesen bin, der –« er brach erbittert ab.

»Natürlich bist Du's gewesen, wie willst Du's denn nicht gewesen sein?« fragte Friedberg, nachdem er den Brief gelassen durchgelesen hatte. »Deine Schwester schreibt ganz wie sie muß – es ist ein Modellbrief.«

»Wolle der Himmel, daß er kein Modell für andere sei,« sagte Leo, sich schauernd trotz der Hitze.

»O es werden andere kommen,« antwortete Friedberg kaltblütig, »zuerst von Deinen Tanten, dann von Deinen Cousinen, und endlich –«

»Du bringst mich zur Verzweiflung!«

»Wer wird sich zur Verzweiflung bringen lassen!«

»Wer solche Briefe erwartet und – bekommt.«

»Man erwartet sie nicht, und, kommen sie, liest man sie nicht.«

»Das sagst Du jetzt, aber thu' es ein Mal.«

»Wenn ich Du wäre, thät' ich es. Du wirst zu Grunde gehen an diesen Familienmiseren. Schade um Dich!«

»Schade um ihn,« wiederholte Friedberg für sich, als er Abends seine letzte Cigarre rauchte, »aber er geht zu Grunde die Gemeinheit der Verwandtenseelen, wie sie noch über ihn kommen wird, überwindet er nicht.«

Leo überwand sie wenigstens schwer. Denn die Briefe von den Tanten und Cousinen u. s. w. blieben nicht aus. Sie kamen und sie waren genau Copieen von Elfridens Modellbrief. Sie waren voll von schmerzlicher Verwunderung, voll von vortrefflichen und unausführbaren Rathschlägen. Es ist erfreulich, wie uneigennützig immer der gute Rath gegeben wird. Leo litt Folterqualen durch diese Briefe.

»Meine Mutter hat gelogen,« sagte er, »ich sehe es, alle ihre Darstellungen des Vorgefallenen sind nicht nur verfälscht, sondern geradezu unwahr gewesen – ist es ihr denn noch nicht genug, daß sie mich vertrieben hat – muß sie mich auch noch verläumden?«

»Freilich muß sie Dich verläumden,« antwortete Friedberg kalt, »wie soll sie sich denn sonst darüber entschuldigen, Dich vertrieben zu haben?«

»Daß ich sie ganz verlieren muß, die Idee von ihr so ganz ohne Rettung aufgeben muß!«

»Mir kommt es vor, als hättest Du an ihr nicht mehr viel zu verlieren gehabt, weder in der Idee, noch in der Wirklichkeit. Eine Mutter, die ihren Sohn aus dem Hause jagt, ist, meiner Meinung nach, nicht mehr viel von einer wirklichen Mutter. Gewöhne Dich nur endlich daran, daß Du keine Mutter mehr hast. Denke, sie sei gestorben, und damit gut. Du bist ja nicht der erste unglückliche Sohn, der an einer unnatürlichen Mutter leidet. Denke an Savage Richard Savage (1697-1743), englischer Dichter. Er starb völlig verarmt im Schuldturm von Bristol. Sein Name war im deutschsprachigen Raum noch aktuell durch das Drama »Richard Savage« (1839) von Karl Gutzkow., Deinen großen Vorgänger in Poesie und kindlichem Unglück.«

»Savage war ein Kind der Schande Richard Savage war ein uneheliches Kind., aber ich –«

»Freilich bist Du der rechtmäßigste aller Söhne, aber wenn es nun Deiner Mutter gefällt, Dich à la Savage zu behandeln willst Du sie davon abbringen?«

»Nein; abbrechen laß' uns davon«, sagte Leo hastig, und sie sprachen vom Theater, vom schlechten Breslauer Theater.

Aber das Schweigen konnte nicht die Spitzen von den Dornen abbrechen, die in Leo's Herz gedrungen waren. Er litt unendlich viel – behaftet mit der zwiefachen Idealität des Dichters und des Deutschen, mußte er in seiner Mutter eine der schmerzlichsten Realitäten anerkennen – das machte ihn krank in der Seele, und selbst Clotilde vermochte hier nicht zu heilen, nur zu lindern.

Die Sachen kamen endlich, aber auch jetzt nur bruchstückweise, in verschiedenen Ladungen, immer mit Zwischenräumen von mehreren Tagen. Dabei natürlich die entbehrlichsten zuerst, und die allernothwendigsten zuletzt. Leo faßte nicht dieses System kleiner, erbärmlicher Quälereien.

»Wie sie nur daran denken kann in ihrer jetzigen Stimmung!« rief er.

»Was für eine Stimmung glaubst Du denn, daß Deine Mutter jetzt hat?« fragte Friedberg. »Meiner Empfindung nach sollte ich meinen, sie müßte in einer trüben sein.«

»In der zufriedensten von der Welt.«

»Du liebst Paradoxen.«

»Nein, ich weiß nur, wie stolz eine Frau sich nach dem Ruin ihrer schönsten Hoffnungen« fühlen kann.«

»Wenn sie eine Schauspielerin in der Wirklichkeit ist.«

»Und glaubst Du, es werde nicht eben jetzt in Niederndorf eine Tragikomödie agirt unter dem Titel der ›ungerathene Sohn,‹ und Deine Mutter spiele nicht die ›schöne Rolle‹ darinnen?«

»Dann ist meine ganze Kindheit eine erbärmliche Narrheit gewesen, denn – ich liebte meine Mutter.«

»Du thatest sehr recht, ebenso recht, wie Du jetzt thun wirst, wenn Du Dich endlich tröstest. Warum wolltest Du unverändert bleiben, wenn die Zeit und die Umstände verändert sind? Man muß sich mit dem Winde drehen. Schicke Dich endlich und arbeite.«

»Arbeite, das ist gut gesagt, mit dieser Masse von kleinen Sorgen auf mir, und diesen Briefen vor mir.«

›Beantworte die Briefe nicht.«

»Da kommen neue.«

»Schicke die zurück.«

»Da kämen die Briefsteller selbst.«

»Nun, so antworte in des Himmels Namen, und vergiß dann, was man Dir geschrieben hat und was Du geantwortet hast.«

Leo antwortete, unglücklicher Weise mit aller gehörigen Mäßigung. Die unausbleibliche Folge war, daß ihm mit der ungehörigsten Heftigkeit wiedergeschrieben wurde. Man war erstaunt, daß er noch nicht sein Unrecht einsehe, man begriff nicht, wie er es nicht einsehe, man erwartete zuversichtlich, er werde es einsehen.

»Sie stiften Frieden, die lieben Seelen,« sagte Friedberg, als er eine Tanten- und Cousinenepistel nach der andern gelesen hatte.

Leo sagte gar Nichts, aber er schrieb, daß er sich von nun an jede Einmischung verbitte.

»Nun bist Du in Feindschaft mit Deiner Familie, nun wirst Du Ruhe haben,« sagte Friedberg.

Sie hatten in der That nun wenigstens Ruhe dazu, sich in ihre kleine Wohnung zu drücken und zu zwängen, so gut oder so schlecht es gehen wollte. Sie war ungemein eng; sie hatten es gar nicht so gesehen, als sie noch leer war, jetzt erschraken sie vor der Enge, in welcher sie athmen und sich bewegen sollten. Leo's Bücher allein nahmen fast eine ganze Stube ein.

»Und wir haben eigentlich nur zwei, denn die Schlafstube ist blos ein Kabinet,« sagte Leo bedrückt; »meine arme Clotilde, wie wirst Du hier leben können?«

»Ich schon, aber Du?« antwortete sie mit einem ängstlichen Lächeln.

Leo sah sich um und fuhr unwillkührlich mit der Hand über die Stirne.

»Du wirst hier nicht denken können,« sagte Clotilde, sich an ihn schmiegend, »Du, der an so große Räume gewöhnt ist.«

»Ich habe Dich, und vor den Fenstern Grün,« antwortete er und suchte heiter auszusehen. »Es wird ganz gut gehen.«

Sie dachte: ›wolle es Gott!« aber sie glaubte es nicht recht.

Leo fuhr nach einer kurzen Pause fort: »vergiß auch nicht, daß unser alter Friedberg heute Abend kommt, und daß Du Dich zum ersten Male als Hausfrau zeigen mußt.«

Sie versuchte scherzend zu antworten – es gelang ihr nicht, die Thränen verhinderten sie daran. Leo fragte zärtlich vorwurfsvoll: »warum willst Du unsere neue Wohnung mit Thränen einweihen? Werden wir nicht überall glücklich sein, so lange Gott uns einander läßt?«

»Wenn ›sie‹ uns lassen,« erwiederte sie leise, als fürchtete sie sich, es laut zu sagen.

»Sprich nicht mehr von ihnen, denke nicht mehr an sie,« sagte Leo; »denke, wir hätten ein neues Leben angefangen.«

Clotilde nahm ihr. Schlüssel und ging in die Wirthschaft, in die große Wirthschaft, die aus einer Küche, einem Speiseschranke und einer Bodenkammer bestand. Doch nein – den Keller vergaß ich ja noch.

Gewöhnlich freut eine junge Frau sich unendlich, wenn sie zum ersten Male Hauswirthin spielen kann. Clotilden wurde diese Freude spät genug zu Theil, und sie hatte nicht einmal den rechten Muth dazu.

»Ach, könnte ich jetzt der Mutter die Wirthschaft abnehmen,« dachte sie, »da wär's anders.«

Zum Glück hatte Friedberg ihr wenigstens ein gutes und brauchbares Mädchen verschafft, eine Polin, die genug deutsch wußte, um sich verständlich zu machen. »Mit einer Breslauerin kommen Sie nicht aus,« hatte er gesagt. Clotilde wußte nicht, warum sie mit einer Breslauerin nicht auskommen sollte, war aber mit ihrer Polin sehr zufrieden.

Der Abend kam, Friedberg kam, und ein sehr niedliches kleines Abendbrod auch. Leo lobte seine kleine gute Hausfrau, Friedberg pries das Abendbrod, indem er es aß, der Tisch war in einer kleinen Laube gedeckt, welche den jungen Miethern besonders gehörte, es war in dem Gärtchen so kühl, wie es im Juli, und so still, wie es in Breslau sein kann, und doch vermochte Clotilde nicht die Beklemmung abzuwerfen, die wie eine dunkle Vorahnung auf ihrer Brust lastete.


Dunkelheiten.

Leo hatte in dem letzten Jahre nichts drucken lassen – wer hätte ihn lesen sollen, da er sich nicht in den Streit der Parteien werfen wollte? Nämlich nicht schriftlich. Persönlich für seine Gesinnung, die freisinnigroyalistische, einzustehen, dazu war er jeden Augenblick bereit, aber in die Aus- und Anrufe, welche bekannte und unbekannte Dichter und Schriftsteller für und wider ertönen ließen, wollte er sich auf keine Art mischen. »Wo ist das Große, wofür ich mich begeistern sollte?« fragte er, wenn Mutter und Schwestern ihn drängten. »Ich sehe Nichts als unnöthiges Unheil und unverzeihliche Schwäche.«

Daß er sich so kühl, so klar, so überschaulich erhielt in der Verwirrung jener Tage, war ihm vielfach verdacht und übel ausgelegt worden. Vielleicht trug das Mißtrauen, welches in der Familie gegen seine innerste Gesinnung gefaßt wurde, nicht wenig zu der Schärfe bei, zu welcher das häusliche Mißverhältniß sich allmählig steigerte.

Jetzt mußte Leo nun an Herausgeben denken, denn es war Lebensfrage im materiellen Sinne geworden.

Er hatte seit seiner Verheirathung überhaupt wenig geschrieben. Nichts stört so im Hervorbringen, als häusliche Zwistigkeiten. Streit und Widerspruch draußen in der Welt mag man sich gefallen lassen, ja, es ist sogar nöthig, daß man sich zu wehren habe, man wird nicht träge und schläft nicht ein. Aber drinnen im Hause bedroht und stört der Unfrieden jede Minute. Wie soll ein Dichter zwischen zwei unangenehmen wirklichen Auftritten einen schönen, wohlthuenden geistreich erfinden können? Es ist das unmöglich – Leo wenigstens fand es so.

»Die Prosa ist die böse Fee, welche die schöne Prinzessin Poesie gefangen hält,« sagte er oft, recht wehmüthig verstimmt, wenn er so gern geschrieben hätte und nicht konnte. Es versteht sich, daß er mit der Prosa keinesweges die Wirklichkeit meinte, sondern eben nur die Prosa.

Indessen war doch trotz aller Störungen und Widerwärtigkeiten ein Roman von drei Bänden fertig geworden, welcher zum Glück keine Zeitinteressen behandelte, und folglich durch das einjährige Liegen nicht die Druckfähigkeit verloren hatte. Leo ging zu seinem Verleger, und trug ihm das Geschäft an.

Der Verleger sah bedenklich aus und sagte: »Herr von Studnitz, Sie sind aus der Mode.«

Leo sah ihn verwundert an. »Schon?«

»Ja,« sagte der Verleger, »jetzt geht's schnell. Sehen Sie sich ein Mal nach denen um, welche so in Ihrer Art und mit Ihnen zugleich geschrieben haben – wo sind sie?«

»Still.«

»Still auf immer.«

»Still auf immer sein ist nicht meine Absicht,« sagte Leo mit etwas Trotz.

»Nun, Sie sind noch jung,« sprach der Verleger gnädig, »Sie können schon noch einen andern Weg einschlagen und sich da wieder heraufschreiben.« Und er nahm den Roman.

Ein Roman macht aber bei den Honoraren in Deutschland so wenig aus, daß Leo sich auf »seinen Roman« nicht niederlegen konnte, sondern sich sogleich »hinsetzen« mußte, um »hübsch fleißig« zu sein.

Mit Erschrecken fühlte er eine völlige geistige Erschlaffung.

Wenn der Genius dem Sterblichen, welchem er gegeben ist, zuerst zum Erwerb dienen soll, dann empört er sich. Denn er dünkt sich zu gut dazu.

Um Brod schreiben – es ist eine tausendfach abgeleierte Klage. Leo klagte nicht, er wollte mit tausend Freuden um Brod für Clotilde schreiben, aber er verzweifelte daran, es zu können.

»Wenn ich nun nicht länger schreiben könnte, oder ich schriebe schlecht und käme wirklich aus der Mode – was dann?« so fragte er sich in unerhörter Angst, wenn er grübelnd an seinem Schreibtische saß und keine Blätter sich füllen wollten.

»Gönne Dir Ruhe,« sagte Friedberg, gegen welchen er aus seinen Befürchtungen kein Geheimniß machte, wie gegen Clotilde. »Die letzten Jahre mit ihrem kläglichen Elend haben Dich erschlafft. Du müßtest jetzt erst eine Auffrischung haben, ehe Du wieder anfingst zu arbeiten. Wo sollen Dir in dem Einerlei, worin Du jetzt so lange ununterbrochen vegetirt hast, Erfindungen kommen? Die kommen, wo frische Luft ist und Bewegung. Reise erst etwas – dann wirst Du sehen, daß Du arbeiten kannst.«

»Reisen wäre Wahnsinn,« sagte Leo, »bei unsern jetzigen Mitteln – denke doch!«

»Ich will Dir borgen, was ich habe,« sprach Friedberg höchst einfach.

»Damit anfangen!«

»Besser als damit aufhören.«

»Nein, ich will, ich muß es überwinden,« sagte Leo eisern.

Die Gedanken schwangen sich fern von ihm wie Adler um Alpenhöhen.

Was er bis jetzt geschrieben, kam ihm auf ein Mal Alles leer und kraftlos vor. Er verglich seine sämmtlichen bisherigen Schöpfungen mit den Kindern, wie nach dem dalmatischen Glauben Frauen sie von Vampyren zur Welt bringen müssen, Gestalten ohne Knochen, nur aus Blut und Haut bestehend.

»Mein Schwiegervater hatte Recht: ›ich bin Nichts, deswegen kann ich auch Nichts leisten‹,« dachte er mit heftiger Bitterkeit gegen sich selbst. »Wenn ich thätig in der bürgerlichen Welt mitwirkte, so hätte ich meinen festen Standpunkt, meine bestimmte Aufgabe – ich wäre dann nicht an das gewiesen, was sich nie beherrschen läßt. Schriftsteller sein, d. h. Hofmann des Publikums, welches alle Tage eine andre Schmeichelei verlangt – giebt es eine jammervollere Abhängigkeit? Und in die gerathe gerade ich!«

Leo wäre tausend Mal lieber Handarbeiter gewesen, als Tagelöhner im Geiste. Er beneidete jeden Handwerker, den er fleißig sah. »Schuhe machen kann man jeden Tag,« dachte er, »dazu braucht man keine Begeisterung. Und die Gedanken des Schuhmachers sind frei.«

Umsonst wiederholte er sich, daß er diese Abhängigkeit von der Menge mit allen denen theile, die mehr als das Gewöhnlichste und Alltäglichste leisten und schaffen wollen – sein Stolz war in einem wilden Aufruhr gegen die Vorstellung: von nun an ein Schriftsteller für Geld zu sein.

Die Erziehung, durch welche er verweichlicht und verwöhnt worden, trug jetzt ihre verderblichen Früchte. Er wußte es, er beurtheilte und verurtheilte sich. »Mutter, Mutter, wenn Du wüßtest!« stieß er manchmal hervor. Dann wieder wandte er seinen ganzen Unwillen gegen sich selbst. »Bin ich nicht einmal Mannes genug, um mich selbst zu zwingen?« fragte er sich. »Clotilde – lieb' ich sie denn? Ich habe sie belogen, und mich selbst dazu – die Liebe ist viel zu erhaben für mich, ich bin ihrer gar nicht fähig – wer wirklich liebt, der denkt nicht an sich, wo es gilt für das Geliebte zu arbeiten, der arbeitet und ist glücklich und stolz, daß er es kann. Ich bin erbärmlich, selbst in der Liebe.«

»O, wer wieder anfangen könnte,« rief er zu andern Stunden aus, »wer noch ein Mal beginnen könnte mit dem Leben, mit der Liebe! Wenn ich nur eine Stunde wieder so empfinden könnte, wie in meiner Bräutigamszeit! Mir dünkt, ich müßte dann alle meine Elasticität, allen meinen Muth wieder haben. Aber es ist, als könnte mein Herz ebensowenig noch fühlen, wie mein Kopf denken kann.

Und bin ich nicht ein Thor, ein undankbarer, kläglicher Thor? Arm bin ich? Doch nur im Vergleich zu meinen bisherigen Verhältnissen. An und für sich nicht. Alles, was mir bisher so gleichgültig war, das Aeußerliche des Standes und der Wohlhabenheit – hab' ich es wirklich bedurft, kann ich es nicht entbehren, bin ich so sehr Sklave gewesen?«

Leo hatte sich in sich selbst getäuscht, die bitterste der Täuschungen. Daß Andere hinter unsern Erwartungen zurückbleiben, können wir immer noch eher ertragen, aber wenn wir es an uns selbst erfahren, dann sind wir gedemüthigt.

Und nie dürsten wir flammender nach Glück, als wenn wir es so recht innerlich wissen, daß wir uns diesen Trank aus den Quellen des Himmels nicht zu verdienen vermögen.

Ein Gedicht, welches Leo in einer der für ihn schlaflosen Nächte dieses Sommers schrieb, wird seine Seele am tiefsten offenbaren.

                            In der Nacht.

Was bin ich traurig? Daß erlöscht die Flamme,
Wenn kaum sie aufgelodert? Daß der Duft
Gewesen ist, sobald die Blume starb?
Daß ich Erfahr'nes nicht mehr lernen kann,
Denselben Augenblick nicht zwei Mal leben,
Nie wieder thun denselben Athemzug,
Vergang'nes nicht zu Künft'gem machen kann?
Das ist es – die Unmöglichkeiten sind's –
»Dann trau're, daß Du von der Menschheit bist.«

Das thu' ich auch mit Bitterkeit so oft,
Bald über meine Unvollkommenheit,
Bald über unsers ganzen Daseins Lücken,
Die nicht zu füllen sind mit allen Träumen,
Bald über uns'rer Herzen Mattigkeit,
Die selbst im Glück uns lähmet – über Alles,
Was ich bedarf, und dennoch nicht vermag,
Und über all' die bitt're Armuth, die
Auf unsern Tischen liegt und unsern Hunger
Nicht sättigt, nein, nur quält.

                                                        Mein Gott und Herr,
Was macht denn satt auf Erden? Giebt es Nichts?
Ich ahn' es fast. Denn alle Schönheit zieht
In große Trauer uns, der Nixe gleich,
Die mächtig niederreißt in feuchten Tod,
Und immer fühlen wir auf's Neue Durst,
Wenn kaum wir aufgerichtet uns vom Quell,
Und selbst das Lieben scheint das Morgenroth
Der Sonne nur zu sein, der wahren Liebe.

»Das haben tausend Stimmen schon gesagt:
Das Menschenloos sei Hunger, Durst und Sehnsucht –
Was frägst du noch? Die ew'gen Räthsel schweben
Von Anfang um die Erde – laß' sie zieh'n,
Und schaffe deine Arbeit.«

                            Schaffen – schaffen –
Ich will es aber, o mein Gott und Herr,
Ich rufe mit den Lippen meines Herzens,
Ich flehe mit den Kräften meines Lebens:
Laß' schmachten in dem Durst der Erde mich,
Laß' ringen mit der Angst des Zweifels mich,
Nur lieben laß' mich mit der Kraft des Himmels.

»Mit dem Durst hast Du Recht,« sagte Friedberg, als Leo ihm am andern Morgen das Blatt mit »In der Nacht« zuwarf, »ich seh' es am Bier. Je mehr ich trinke, je mehr möchte ich trinken. Es ist verwünscht.«

Leo sah verdrießlich aus – Friedberg wurde ernsthaft.

»Du verlangst das Unmöglichste von Dir,« sagte er, »und darum wirst Du auch das Sehrmögliche nicht leisten. Du willst, es soll gar keinen Eindruck auf Dich machen, daß Du auf ein Mal aus einer vollkommenen Bequemlichkeit in die größte Beschränkung versetzt bist. Das ist unnatürlich, besonders bei einem poetischen Temperament. Als Student sogar, wo man doch viel verträgt, war es Dir nicht gleichgültig, ob Du Dein Essen rochst, ehe Du es bekamst, ob Du waschen sahst oder nicht. Jetzt ist Dein Geschmack zugleich mit Deinem Nervensystem verfeinert und verschärft, und nun willst Du auf ein Mal, die kleine, städtische Häuslichkeit soll für Dich sein, als wäre sie nicht da. Wie gesagt, Du verlangst das Unmögliche von Dir, Du behandelst Dich wie Einen, der nicht Ohren, nicht Augen und nicht Nase hat. Und wenn Deine Frau ein Engel ist, was sie, nebenbei, wirklich ist, so kann sie Dir nicht die tausend und eine kleinen Unannehmlichkeiten ersparen, aus denen eine solche alltägliche Haushaltung besteht. Die Haushaltung, mein Bester, kann nur komfortable hinrollen, wenn sie gleichsam unterirdisch von Statten geht – wohnt man mit ihr auf einem Flur, so stört sie, das ist unvermeidlich. Du würdest Dich auf einer wüsten Insel weniger desorientirt fühlen, es würde Dir nicht so prosaisch kazenjämmerlich zu Muthe sein, wie hier in drei kleinen Breslauer Stuben. Wüthe daher nicht gegen Dich selbst ›in der Nacht‹ und mit allerhand andern grausamen Redensarten, sondern versuche ›in der Nacht‹ zu schlafen, und Du wirst Dich allmälig ›am Tage‹ besser befinden, was sowohl für Dich, wie für Deine Frau äußerst wünschenswerth wäre.«

Leo, der mit seiner Feder gespielt hatte, versetzte: »Du hast mir nun zur Genüge dargethan, daß es nicht anders gehen kann, wie es geht; sage mir nun aber auch, wann wird es besser gehen?«

»Allmälig,« antwortete Friedberg gelassen. »Die Reaktion von Innen wird bei Dir auch wieder eintreten, habe nur Geduld. Sobald der Gedanke in Dir wieder stärker ist, wird er das Aeußere um Dich her überwinden. Dieser Wechsel ist immer – bald überwinden wir die Welt, bald werden wir von ihr überwunden.«

»Mir ist zu Muthe wie einem eingesperrten Löwen,« rief Leo ungeduldig.

»Du würdest auch ein Löwe sein, wenigstens ein kleiner, wenn wir in Breslau Löwen anerkennten. Aber das thun wir nicht – bleibe zehn Jahr hier – Niemand bekümmert sich um Dich.«

»Um so besser.«

»Bist Du darin ehrlich?«

»Wie sollt' ich nicht?«

»Das ist gut, denn Du wirst es nöthig haben, Dich ohne die Lieblingsspeise Eurer Zunft zu behelfen.«

»O,« rief Leo, »ich wollte mich ja behelfen ohne was Du willst, wenn ich nur erst wüßte, was ich schreiben soll.«

»Das wird sich finden,« meinte Friedberg phlegmatisch.

»Finden, finden – Du sprichst freilich ruhig davon, Du.«

»Nun, so wirst Du es finden.«

»Wo?«

»Wo Du es sonst gefunden hast.«

»Du weißt doch, daß der Salonroman jetzt proscribirt ist.«

»Sehr mit Unrecht,« sagte Friedberg, »man kann nur proscribiren was existirt hat, und der Salonroman hat in Deutschland noch gar nicht existirt, sag' ich.«

»Oder willst Du mir die Personen der Hahn als Salonportraits aufreden?« fuhr er fort, indem er sehr heftig rauchte. »Ich glaube Dir nicht. So ist man in Euren Salons nie gewesen – ich kenne doch auch Eure Frauen – so wie die der Hahn keine einzige.«

»Ich auch nicht.«

»Also hab' ich Recht. Und Sternberg ist Louis XIV. Erinnert sehr an Alfred de Musset. Alfred de Musset (1810-1857), französischer Schriftsteller. Er gilt als einer der Großen unter den französischen Romantikern. Ist total vornehm, aber nur nicht aus den modernen Salons – die Gesellschaft in denen portraitire Du, zum ersten Male wirklich, mit dem Daguerreotyp, wie die französische portraitirt ist.«

»Glaubst Du denn, sie würde sitzen wollen?« »Was frägst Du darnach?«

Leo dachte nach. »Weißt Du,« fragte er dann, »ich bin's müde, schriftlich im Salon zu sein. Du hast Recht – er ist noch zu schreiben. Was sich für deutsche Schattirungen in dem Allgemein-Gesellschaftlichen finden, das ist noch zu suchen und wiederzugeben. Aber ich hab' jetzt nicht die Ruhe dazu. Ich kann jetzt nicht in Glacéhandschuhen schreiben, wie ein Kritiker einst von mir sagte. Ich möchte andern Stoff haben, gröbern, wenn Du willst, und ihn angreifen, wie man Stein angreift –«

»Plastisch.«

»Gestaltend ja.«

»Begebenheiten also. Sind denn noch nicht alle Kinder entdeckt, alle supponirte Mörder vor den Assisen gewesen, alle unterschlagene Testamente wieder zum Vorschein gekommen – giebt es eine Begebenheit, die sich noch zum ersten Male begeben könnte?«

Leo zuckte die Achseln. »Was sich alle Tage begiebt.«

»Alltagsleben – Gott erbarme sich!«

»Du machst Einen aber wahrhaftig unsinnig,« rief Leo aufspringend. »Wo wäre denn Neues?«

»In Dir, in Deinem Genius,« antwortete Friedberg sentenciös.

Leo hieß ihn zu einem Herrn gehen, an den unter vielen Herren auch nicht mehr geglaubt wird. Friedberg ging in den Schweidnitzer Keller.


Erhellung.

Wir gehen meistens an etwas Gewünschtem zu Grunde. Ist es uns nicht verstattet zu wünschen, sollen wir nur erwarten und annehmen? Wer weiß es? Gewiß ist's, daß wir in den meisten Fällen Kindern gleichen, welche mit dem Lichte, wonach sie lange geweint, das Haus anzünden, und daß diese Betrachtung uns vorsichtiger in unsern Wünschen und gefaßter bei einer Vereitelung derselben machen sollte.

Was hatte Clotilde die ganzen letzten Jahre hindurch leidenschaftlich und ausschließlich gewünscht? Leo allein für sich zu haben, ohne seine Mutter, ohne seine Schwestern. Sie hatte ihn endlich so, und ihre Ehe war mitten in den verschobenen, einzwängenden Verhältnissen zu Niederndorf nie in solcher Gefahr gewesen, wie in dieser ungestörten Einsamkeit zu Zweien.

Nicht, daß Clotilden die veränderte Lebensweise schwer geworden wäre. Sie schickte sich hinein, als wäre sie drinnen geboren und erzogen worden. Wenige Wochen, und ihr kleiner Haushalt war so in Ordnung und ging so ruhig und gleichmäßig fort, wie der einer alten und erfahrenen Wirthin. Clotilde hatte das Genie der Häuslichkeit, den Instinkt des Comforts. Sie wußte aus wenig, wo möglich aus Nichts viel zu machen. Sie war, was eine Frau sein soll – geräuschlos überall. Friedberg bewunderte sie aufrichtig, aber mit Ruhe, denn er wußte, daß Bekümmerniß um sie überflüssig sein würde, daß sie keines Bedauerns bedürfe. Leo's Bewunderung dagegen war die der Verzweiflung; er konnte sich nicht darüber trösten, seine Frau in solche alltäglich bürgerliche Verhältnisse gebracht zu haben. Weil ihm Alles, was ihn jetzt umgab, unerträglich war, glaubte er, Clotilde leide ebenso davon und wolle nur es vor ihm verhehlen. Clotilde ihrerseits fürchtete, Leo empfinde Reue über die Trennung von seiner Familie, und sie, welche doch die unmittelbare Ursache dieser Trennung gewesen sei, könne ihm das Aufgeben der äußern Behaglichkeit und der Freiheit nicht ersetzen. Wo aber eine solche Furcht sich eindrängt, da verdrängt sie den Muth aus der Liebe, und ist die Liebe erst ohne Muth, da wird sie auch schnell zu einem bloßen Schmerz, und wie lange Herzen sich von dem gedrückt fühlen können, ohne das Bedürfniß zu fühlen, sich ihm zu entziehen, das fragte Clotilde sich.

Es währte lange, bevor sie sich entschloß, auch Leo zu fragen. Das gänzliche Verzagen an sich, an ihrer Macht, ihn fernerhin noch glücklich zu machen, trieb sie endlich dazu. An einem Abend in dem frühen und harten Winter war es, daß sie vor Leo hinkniete, ihren Kopf an seine Brust legte, seine Hand an ihren Mund nahm, sie mit ihren Thränen benetzte und ganz leise sagte: »Leo, wir wollen zurück nach Niederndorf.«

»Wie kommst Du denn darauf, Clody?« fragte er ruhig erstaunt.

Sie antwortete: »Du kannst nicht so leben, wie wir hier leben müssen – Du bist's anders gewohnt – es ist nicht für Dich, um's Brod zu arbeiten – Du würdest daran untergehen – wir wollen zurück zu Deiner Mutter –« sie hatte einfach »zur Mutter« sagen wollen, aber das brachte sie nicht heraus. Auch jetzt wollten nach dem Worte »Mutter« die Thränen sie verhindern, weiter zu sprechen, doch sie bezwang alle Schwäche und fuhr zärtlich fort: »laß' uns um Verzeihung bitten – ich will fortan Alles thun, was Deine Mutter wünscht, nur daß ich Dich wieder in gesicherter Lage sehe und nicht mehr so unglücklich.«

»Du strafst mich schwer,« sagte Leo nach einem traurigen Schweigen. »Du demüthigst mich so, wie ich es verdient habe. Nein, laß mich nun auch sprechen, ich habe Dich sprechen lassen. Clody, so wahr ich mitten in dem Unglauben der Zeit und mitten in meinen eignen elenden Zweifeln an Gott glaube, so wahr bist Du heute noch wie ehmals mein einziges Glück, und ich will Nichts als Dich.«

»Du sollst mich ja behalten,« sagte sie mit niedergeschlagenen Augen.

»Dort?« fragte er. »Bei denen?« Er zuckte die Achseln. »Du weißt, was das für ein Haben ist.«

»Aber was hast Du denn an mir, hier, in dieser Stimmung?« fragte sie und rang die Hände. Sie war unfähig, sich länger zu beherrschen.

»Siehst Du's denn nicht, was es ist?« fragte er dringend, angstvoll, sie zu trösten. »Es ist ein Nichtkönnen in meinem Kopfe. Der Gedanke ist wie erstarrt in mir. Und nicht nur der Gedanke, auch der Wunsch, wieder hervorbringen zu können. Mir kommt's so unnütz vor – das ganze Schreiben, die Poesie, die Kunst – Alles. Nur nicht, Dich zu lieben. Du siehst jetzt, was Du mir bist. Der grüne Baum, an welchem ich mich über einem Abgrund halte, den ich noch nicht kannte. Wärst Du nicht, ich ließe mich hinunterfallen.«

Sie sah ihn mit einem Ausdruck an, welcher ihr ganzes Gesicht veränderte. Anstatt zart und zagend, war es voll von gleichgültiger, herausfordernder Energie. »Wird Dir's zu schwer, Dich zu halten,« sagte sie, indem sie die Worte mehr hinwarf, als aussprach, »so laß los und laß mich mit Dir.«

Leo preßte sich mit beiden Händen die Stirn. »Gott, Gott,« murmelte er, »gieb mir Muth, gieb mir mich selbst wieder, wenn auch nur um ihretwillen.«

»Faß' Dir Muth,« erwiederte sie, indem sie fortfuhr, mit fieberischer Kürze zu reden, »faß' Dir nur erst Muth, dann wirst Du auch Dich selbst wiederfinden oder wieder fassen. Nur gieb nicht auf, weder Dich, noch das Schaffen.«

»Ist's nicht unnütz, das Schaffen?« fragte er, sie schmerzlich ansehend. »Mein Engel, ist's nicht unnütz?«

»Du fürchtest, daß Du nichts Großes leisten kannst?«

Er bejahte stumm.

»So leiste Gutes – das genügt.«

Er sah sie an wie einen Engel.

»Und denke nicht,« fuhr sie fort, »das ganze Leben sei jetzt wie unsers hier, ohne Beifall, ohne Verständniß.«

»Du verstehst mich ja – Du würdest mich loben, wenn ich etwas leistete.«

»Das ist nicht genug. Für Dich bin ich genug, für den Poeten in Dir nicht – der bedarf der Welt. Leo, laß' uns von hier fort.«

»Nie nach Niederndorf,« sprach er ernst, »davon rede nie wieder.«

»Gut,« sagte sie, und unwillkürlich stieg eine Freude in ihrem Auge auf, »nicht nach Niederndorf denn. Aber anders wohin, wo man lebt.«

»Du lebst also hier auch nicht?« fragte er, als würde er sich weniger seiner gänzlichen Entmuthigung schämen, wenn es Clotilden eben so wenig in Breslau gefiele, wie ihm.

Clotilde machte einen höchst verächtlichen kleinen Mund. »Breslau – wer sollte wohl in Breslau leben?«

Leo lächelte, indem er sich erinnerte. »Es lebt sich hier schon, wenigstens früher lebte es sich.«

»Früher, mag sein, aber jetzt noch – für uns, für Dich? Wer fragt denn hier nach Dir?«

»Das vergiebst Du den guten Breslauern nicht,« sagte er, und mit der Beweglichkeit der poetischen Natur war er jetzt äußerst belustigt.

»Ich vergeb' es ihnen,« versicherte Clotilde eifrig und ernstlich. »Hier kann doch Alles nur aus zweiter oder dritter Hand sein, Bewunderung, Enthusiasmus so gut wie Moden. Was wollen wir von so einer Copie von Stadt? Ich will Dich aus ursprünglichen Quellen trinken sehen, Dich von einem wirklichen Publikum anerkannt hören.«

»Kind – ein wirkliches Publikum, jetzt, in Deutschland, in diesem gegenwärtigen Kleinkrämergehacke der Parteien, ich, der ich von keiner Partei bin, so gut wie unbekannt geworden bin?«

»Das ist es – nicht, daß Du von keiner Partei bist – Du kannst Dich einzeln hinstellen – aber daß Du so unbekannt geworden bist, daß Du Dich so unbekannt hast werden lassen. Daran ist die Mutter Schuld – die hat Dich so in Anspruch genommen, so absorbirt, als hättest Du Nichts Anderes zu thun, als sie zu studiren. Das vergeb' ich ihr nie, nun ich die Folgen davon sehe. Die Berühmtheit ist wie ein Feuer – man muß immerfort Holz darauf thun, sonst geht's aus.«

»Und ich habe das vernachlässigt?«

»Freilich hast Du's vernachlässigt,« sagte sie schmollend; »Du hast Alles vernachlässigt, außer – mich liebzuhaben,« setzte sie mit der Grazie des Glückes hinzu.

Er küßte sie auf die Stirn und sagte dann: »wenn ich nur wüßte, ob ich noch etwas Gutes machen kann, und ob es sich lohnen würde, wenn man noch etwas machte?«

»Materiell wird es sich freilich nicht lohnen, indessen – das ist nun nicht anders – da Du kein Engländer bist, müssen wir uns mit der deutschen Knauserei begnügen.«

»Ich dachte jetzt nur an den Eindruck,« sagte Leo.

»Der wird nicht fehlen.«

»Das sagst Du.«

»Ich meine nicht auf das Ganze, ich meine auf Einzelne.«

»Ich will aber das Ganze.«

»Nun, so nimm's doch,« rief sie mit naiver Ungeduld. »Oder willst Du gar Nichts mehr anfangen, weil Du nicht weißt, wie's ausschlagen wird? Dann will ich mich nur gleich hinsetzen und todtweinen.«

Sie machte alle Anstalten dazu. Leo unterbrach sie, hob sie liebkosend auf seine Kniee und legte seinen Kopf an ihre Schulter. Es dünkte ihm, als theile sich ihm durch die Berührung ihrer weichen, glatten Locken etwas von ihrer innern Frische, ihrer zuversichtlichen Jugend mit. »O Du mein Balsam,« sagte er leise, »Du mein Westwind, Du mein Blumenkelch voll Thau!«

»Ja, hat sich was,« erwiederte sie, »ein schöner Blumenkelch voll Thau. Dabei stirbst Du vor Durst und verzehrst Dich an den Gedanken.«

»Clody, ich will von nun an die Gedanken verzehren, da werd' ich wieder gesund werden.«

Sie sah ihn zweifelnd an.

»Ich habe schon oft daran gedacht,« fuhr er fort, »und jetzt will ich's ernstlich –«

»Was denn? So sag's doch, anstatt mich erst ungeduldig werden zu lassen.«

»Ich will der Romancier von Schlesien werden.«

Clotilde rümpfte beträchtlich die Nase.

»Warum soll Schlesien keinen Romancier haben?«

»Weil – weil – weil es nicht geht,« rief sie kurz, da sie fand, daß sie ihre Gründe nicht gleich deutlich machen konnte.

Leo zählte ihr gleich im Augenblick eine Menge Originale her, die sich alle vortrefflich zu einem Detailromane eigneten.

Sie fuhr trotzdem mit bedenklichen Mienen fort. »Der Stoff wäre schon gut,« meinte sie, »aber einen solchen Roman wird man nicht lesen.«

»Es ist jetzt die Zeit der Specialitäten.«

»Schlesische Specialität!« sagte Clotilde geringschätzig, als könne es so ein Ding eigentlich gar nicht geben.

»Die Schwedinnen, die Du so gern liesest,« antwortete Leo, »malen doch wahrhaftig keine weniger spießbürgerliche.«

»Aber eine ausländische.«

»Nun, so macht man dem lieben Publikum auch ein Mal eine inländische annehmbar.«

»Nur keine Dorfgeschichten!« rief Clotilde herrisch. Sie konnte die Dorfgeschichten nicht leiden – sie sagte: die Bauern in der Wirklichkeit wären, obwohl grobgesponnen und grobgewebt, tausend Mal klüger, als die in den Dorfgeschichten.

Leo beruhigte sie. Breslau als Lokal, eine der wenigen interessanten literarischen Persönlichkeiten als Mittelpunkt. Clotilde fing an, dem Plane Geschmack abzugewinnen. Besonders gefiel es ihr, daß die hauptsächlichste Persönlichkeit die eines alten wunderlichen Mannes sein sollte. »Die jungen Männer in den deutschen Romanen sind immer so schrecklich langweilig,« sagte sie.

»Weil es keine jungen Männer sind, liebe Clody,« sagte Leo lachend.

Einige Minuten später saß Leo am Schreibtische, und Clotilde wusch sich im Schlafstübchen mit frischem Wasser die heißen Augen und dankte dem lieben Gott inbrünstig für die Aufklärung zwischen ihr und dem Geliebten.

Friedberg kam nach einigen Tagen und fand zu seinem Erstaunen schon ziemlich viel Manuscript von einem ihm gänzlich unbekannten Buche. Er brummte indessen ein wenig. »Hast eine so gute Idee gehabt,« sagte er, »und hast gejammert, als ob Du ganz und gar auf dem Hunde wärest – ein ander Mal mache einem ehrlichen Dummkopf, der Deine Lamentationen für Ernst nimmt, doch nicht so nichtswürdig bange.«

Ganz wie Clotilde war Friedberg besonders mit dem Hauptcharakter zufrieden. »Es ist mein lieber Gevatter im Rauchen und in der Grämlichkeit,« sagte er, »nur daß er einiges Gute geleistet hat, was ich nicht geleistet habe und was er ebenso gut nicht hätte zu leisten brauchen, denn es bekümmert sich kein Mensch weiter darum, noch um ihn.«

»Sehr natürlich,« sagte Leo, den Arm auf den Schreibtisch gestützt, »wir treiben dem Schluß einer Epoche zu, und da sind immer Strudel, welche viele Opfer verschlingen ich bin ganz gefaßt darauf, mit unter den Opfern zu sein, aber bis dahin –«

»Willst Du schwimmen,« unterbrach Friedberg ihn. »Brav, Schwimmen ist die Hauptsache, nämlich für uns. Stranden oder Landen – das mag dem Schicksal auf dem Halse bleiben – hat es kein Gewissen und läßt uns elendiglich zu Grunde gehen, so – bedaure ich das Schicksal, sage ich.«

Von nun an arbeitete Leo rasch und ruhig fort. Der Gegenstand erforderte nirgends eine poetische Erhebung, sondern nur Ironie in der Auffassung und Humor in der Darstellung. Beides konnte Leo aus seiner gegenwärtigen Stimmung leicht bestreiten. Wo etwa Pathos nöthig war, schöpfte er ihn in der Melancholie, die auf den Grund seiner Seele zurückgesunken war, nachdem sie seinen Geist freigelassen hatte. Breslau lieferte reichlich Localitäten. Was Leo nicht kannte, das kannte Friedberg. Sie machten bisweilen Spaziergänge à la Harun al Raxid. Fast immer brachte dann Leo eine Scene mit, die sich gut einfügen ließ. Das Buch wuchs mit großer Schnelligkeit. Sobald der erste Band fertig war, fand sich auch ein Verleger, wenn gleich nicht der bisherige Leo's. Der hatte mit Leo's letztem Buche gute Geschäfte gemacht und wollte folglich das neue nur zu dem niedrigsten Preise drucken. Es war das so seine Liebhaberei, daß er den Schriftstellern immer weniger zu geben versuchte, je mehr er von ihnen einnahm. Clotilde wurde deswegen dieses Mal böse auf ihn, Leo aber lachte und begnügte sich den wunderlichen Mann in seine Sammlung Breslauer Originale einzureihen, was der Verleger denn wiederum gar nicht ungern sah.

Das Buch, welches er zuletzt verlegt hatte, wurde inzwischen von den demokratischen Journalen, d. h. von zwei Dritteln der deutschen Presse, heftig und ohne alle Schonung angegriffen. Leo war dadurch angenehm überrascht; es bewies ihm, daß er noch unter die Sehrlebendigen gehöre, obwohl man ihn durchaus unter die Todten haben wollte. Die Schriftstellerei fing wieder an, ihn zu interessiren. Er hatte früher einige kritische Studien über die ältere englische Literatur gemacht, die ordnete er und ließ sie erscheinen, während er den zweiten Band seines Breslauer Buches schrieb. Abermals wurde er mit Gehässigkeit angegriffen, und jetzt erwachte eine lustige Laune zum Antworten in ihm, und er vollendete binnen einer Woche ein Bändchen höchst geistreicher Aphorismen aus der Literatur der Gegenwart. So rasch jedoch dieses kleine Buch entstanden, so schwer wollte ein Verleger sich dazu entschließen. Sie fanden es zu scharf, zu sehr entgegengesetzt dem allgemeinen Geschmack. Der Breslauer Roman rückte inzwischen im Manuscript wie im Druck vor und erschien Ostern einundfunfzig, und da hatten auch die Aphorismen endlich in Berlin einen Ort gefunden, von wo aus sie die Welt in Erstaunen versetzen sollten.

Es waren nun beinah zwei volle Jahre, daß unser junges Paar sich und sein Geschick in Breslau verborgen hatte. Während dieser ganzen Zeit hatte es den kleinen Garten seiner Wohnung nur verlassen, um, entweder allein, oder mit dem alten Friedberg einen möglichst einsamen Spaziergang zu machen. Bekanntschaften hatte es so wenig gesucht wie erneuert. Leo wußte, daß alle seine Bekannten für seine Familie Partei ergriffen, oder doch zur »Versöhnung und Ausgleichung« rathen würden. In einem Lande, wo vermöge des allgemeinen Charakters Alles nur halb gefühlt wird, erscheint es immer übertrieben, wenn man sein Gefühl plötzlich abbrechen läßt, wie eine Klippe über dem Ocean. Wozu, fragte Leo, sollte er, ganz und fest wie er war, sich mit so und so viel von den Halbheiten, welche die Breslauer Gesellschaft ausmachen, unnütz ermüden? Es versteht sich, daß er nicht die Albernheit hatte, sich selbst nebst Clotilde und Friedberg für die einzigen seltenen Menschenexemplare in einer Stadt von über hunderttausend Einwohnern zu halten. »Aber in den Kreisen, wo ich mich sonst herumdrehte, waren gerade keine,« sprach er zu Friedberg, »und sie anderswo ausfindig machen –b kannst Du's nicht für mich, so muß ich sie ungefunden lassen, denn ich habe keine Zeit sie zu suchen.« Friedberg antwortete: »ich bin nicht so einfältig bescheiden – ich halte mich für einen extraordinairen Breslauer und kenne, außer dem Original zu Deinem Buche, keinen zweiten wie mich. Da Du nun mich in der Wirklichkeit hast und Jenen in Effigie Im Bild; Ausdruck aus der Rechtsgeschichte: Hinrichtungen, bei denen der Täter flüchtig war, wurden symbolisch an dessen Bildnis durchgeführt. In effigie gehängt oder im Scheiterhaufen verbrannt zu werden, war eine urteilsmäßige Exekution, bei der ein meist dreidimensionales Bildnis des abwesenden Verbrechers stellvertretend an den Galgen gehängt, öffentlich verbrannt oder geköpft wurde., so seh' ich nicht ein, warum Du noch nach mehr suchen wolltest. Der Sterbliche soll genügsam sein, besonders wenn er schon das Beste hat.«

Und so blieb es bei der Einsamkeit in dem kleinen Häuschen auf dem Dom. Clotilde konnte es sich freilich nicht verhehlen, daß sie sich manchmal nach etwas harmlosem Geplauder sehnte. Sie war noch so jung, und an Wesen und Empfindung noch mehr, als an Jahren. Sie war es auch sonst anders gewohnt gewesen und hatte allen angenehmen Verkehr mit ihrem Geschlecht schon so lange entbehren müssen. Indessen, da es sich nicht ändern ließ, ergab sie sich darin, immerfort allein an ihrem Nähtischchen zu sitzen, sich ihre Kleider zu machen, die Wäsche in Ordnung zu halten und wenn sie alles Nöthige fertig hatte, für Leo etwas Ueberflüssiges zu sticken oder zu häkeln. Abends musizirte sie, bei Tage konnte sie nicht – da schrieb Leo. Vor dem Schlafengehen, gleichsam als Tagesschluß, las er ihr vor, was er geschrieben hatte. Ihre Spaziergänge machten sie im Winter um das Zwielicht, weil da Breslau am wenigsten prosaisch aussah, im Sommer ganz früh, weil sie da keinen Spaziergängern begegneten. Nicht ein einziges Mal während der ganzen zwei Jahre fuhren sie aus oder besuchten irgend einen Vergnügungsort. Das Leben wurde zu einem einförmigen Traume, mit Arbeit und Entbehrungen in der Gegenwart, mit Hoffnungen und Aussichten für die Zukunft.

Von Niederndorf kamen keine Nachrichten mehr.


Die Mutter.

Wenn die Aphorismen fertig sein würden, deren Korrektur Leo selbst besorgte, wollte er sich und Clotilden endlich eine kleine Reise gewähren. Er glaubte es jetzt zu dürfen, ohne darum die Vorsicht aus den Augen zu setzen. Nach Schweden wollten sie, das war zugleich neu und nah, also billig. Eine Erholung war für beide nothwendig geworden.

Da geschah etwas Unerwartetes und doch höchst Natürliches, von dem es nur zu verwundern war, daß es nicht früher geschehen. Friedberg wenigstens lachte Leo geradezu in's Gesicht, als dieser ihm mit der höchsten Bestürzung anvertraute: er fürchte ein Kind.

»Du fürchtest ein Kind,« sagte er dann; »Du hast doch in Allem Deine eigene Art, die nur Dir gehört. Ein Kind fürchten ist sehr gut.«

»Sehr gut, sehr gut,« wiederholte Leo ungeduldig, »was sollen wir denn mit einem Kinde anfangen?«

»Es erziehen, denk ich,« antwortete Friedberg.

»Ich sage Dir, es ist kein Gegenstand zum Lachen,« sprach Leo sehr eindringlich weiter, »ich brauche wirklich kein Kind – es ist mir nie eingefallen, daß wir schon jetzt ein Kind haben. könnten.«

»Schon jetzt ist wieder sehr gut,« bemerkte Friedberg.

»Ich bitte Dich, mache mir den Kopf nicht noch mehr warm!« rief Leo, der in der That völlig außer Fassung war. »In unserer jetzigen Lage ein Kind – und dann, ich werde eifersüchtig sein auf das Kind – ich weiß das.«

»Du bist's im Stande,« sprach Friedberg und lachte bis zu Thränen. Dann sprach er athemlos: es ist so himmlisch und unvergleichlich, eifersüchtig zu sein auf ein armes Wurm, welches –« er fing von Neuem an zu lachen.

Leo legte die Hand hart auf seinen Arm. »Wenn Clotilde nun stirbt?«

»Ach, wer stirbt denn daran?« fragte Friedberg, plötzlich ernst und sehr verdrießlich.

»Frauen,« erwiederte Leo, verschränkte die Arme und ging hin und her.

»Unsinn,« murrte Friedberg.

»Ein Unsinn, der oft vorkommt. «

»Ja, wenn die Frauen so dumm sind zu sterben,« polterte Friedberg.

»Eben dann,« sagte Leo.

Friedberg sah, daß Leo ganz bleich war und rief in einem wirklichen Zorne: »ich sehe schon, daß Du Dich wie ein Verrückter geberden wirst und daß ich Deine Frau werde pflegen müssen.«

»Das kann sehr möglich sein,« antwortete Leo ernsthaft.

Wie alle Mütter, die ihren Werth über das natürliche Maß hinaus erhöhen wollen, hatte Frau von Studnitz ihre Kinder immer Unglaubliches von den Leiden ahnen lassen, die sie um ihretwillen erduldet. Leo hegte demnach eine wahre Todesangst vor allen Entbindungen, und daß Clotilde eine zu überstehen haben sollte, brachte ihn wirklich außer sich.

Friedberg suchte ihm umsonst etwas Vernunft beizubringen. »Wolltest Du denn, daß Deine Frau von den Bedingungen ihres Geschlechtes frei bleiben sollte?« fragte er.

»Ja,« antwortete Leo ohne Besinnen.

»Gott gebe, daß ich die Frau vernünftiger finde, als den Mann,« seufzte Friedberg.

Er fand sie so, denn als alter Freund nahm er sich die Freiheit, unbefangen mit ihr über ihre neue Lage zu reden. Clotilde freute sich nicht, erstens weil Leo sich nicht freute, zweitens weil sie so ganz ohne Rath sich wieder ein Mal recht verlassen vorkam. Aber sie war gefaßt, ergeben, und äußerte sich überhaupt dermaßen zu Friedbergs Zufriedenheit, daß er ohne Umstände zu Leo sagte: »Deine Frau ist zehn Mal gescheidter, als Du.«

»Das weiß ich lange,« antwortete Leo, indem er sie mit einem Blicke tiefer Bekümmerniß gleichsam einhüllte.

Friedberg mußte, leider, bald eingestehen, daß Leo's Unruhe nicht des Grundes entbehre. Clotilde fühlte sich nicht nur in der ersten Zeit ungewöhnlich krank, sie fuhr auch fort zu leiden. Zart wie sie von Natur war, schienen die Stürme, denen sie in Niederndorf ausgesetzt gewesen, ihre Constitution mehr erschüttert zu haben, als sie selbst es bisher geahnt. Ganz so gesund wie sonst war sie während des ganzen letzten Jahres nicht gewesen, das mußte sie jetzt dem Arzte zugeben. Sie hatte es aber Leo und auch wohl sich selbst verbergen wollen. Leo machte ihr darüber schmerzliche Vorwürfe.

»Wir konnten ja voriges Jahr nicht fort,« sagte sie, sich mit Demuth entschuldigend.

»Wenn es zu Deiner Gesundheit nothwendig war, so hätten wir fortgekonnt,« erwiederte Leo. »Du mußtest doch wissen, daß Deine Gesundheit das Erste für uns war. Jetzt ist nun die Unmöglichkeit da, etwas zu Deiner Stärkung thun zu können, und – wie wird es werden?«

»Gewiß,« sagte der Arzt, »wenn Sie diese Schwäche nicht hätten überhand nehmen lassen, so wären Sie jetzt besser im Stande, Ihre Lage zu ertragen, ja, Sie würden sogar eine kleine Reise ausgehalten haben.«

»Und jetzt – sollte es jetzt nicht auch möglich sein?« fragte Clotilde bittend.

»Für den Augenblick, nein,« war die Antwort. Und es blieb nicht nur für den Augenblick, sondern den ganzen Sommer über unmöglich. Selbst kleine Ausfahrten, die versucht wurden, erwiesen sich als schädlich. Die Menge der Besucher, welche man an jedem Orte findet, wohin man möglicher Weise von Breslau aus fahren kann, machte auf die reizbare, leidende Frau den betäubendsten Eindruck. »Lieber nur das Bischen Luft in unserm engen Gärtchen,« sagte sie, »als dieses Gewühl von Tritten, dieses Geschwirr von Stimmen.«

»Ob es denn bei Breslau nicht einen einzigen Ort giebt, den die Breslauer nicht besuchen?« fragte Leo einst in halber Verzweiflung den Freund.

»Nein, keinen einzigen,« lautete die Entscheidung ohne Appellation, »und wenn die Hölle bei Breslau läge, so würden die Breslauer in die Hölle laufen, um beim Vocal-Concert der Verdammten Pech zu trinken und Schwefel zu essen.«

»Ja, dann freilich –« sagte Leo mit wüthender Ironie.

»Und ins Gebirge geht es nicht,« warf Friedberg hin.

Leo sagte nichts als: »Niederndorf.«

»Ja,« sprach darauf Friedberg philosophirend, »hier ist nun ein zartes, kostbares Geschöpf, welches krank und elend aus Mangel an guter Luft wird, dort ist ein Landsitz, der eigentlich von Gott und Rechtswegen Dir gehören sollte, denn der Sohn soll dem Vater folgen, und auf diesem Landsitz ist gute Luft erster Qualität und reichlichster Quantität, und – ja, so geht es in der Welt,« schloß er und sah Leo impertinent herausfordernd an, als wollte er fragen: »nun, was hast Du dagegen zu sagen?«

Leo antwortete nicht – er saß am Schreibtisch und machte auf leerem Papier eine trockne Feder entzwei.

»Höre,« fing Friedberg plötzlich wieder an, »ob ich auch jetzt nicht zu sehr nach Taback rieche?«

»Für Clotilde?«

»Für wen denn sonst?« entgegnete Friedberg ärgerlich. Clotilde war für Friedberg allmählich die einzige Frau geworden, die es gab und geben konnte – »natürlich, sehr natürlich,« sagte er gravitätisch zu sich selbst, wenn er über dieses neue Phänomen seines innern Zustandes nachdachte.

»Die Wahrheit ist,« sagte Leo nach einigem Besinnen, »daß nicht nur Du sehr nach Taback riechst, sondern daß sogar die Stube den ganzen Abend riecht, wenn Du dagewesen bist.«

»Siehst du wohl – das kann ihr unmöglich angenehm sein.«

»Angenehm ist es nicht, aber wir lassen es uns gefallen, weil wir Dich gern da haben, selbst mit Tabackgeruch. Indessen ich erinnere mich jetzt – die letzten Wochen hat Clotilde jedes Mal, wenn Du fort warst, alle Fenster aufgemacht.«

»Siehst Du – Dummerjan, der ich bin, nicht eher daran gedacht zu haben! Und sie, die gute Frau, die nie etwas gesagt hat. Immer Rücksichten und immer für Volk, das es durchaus nicht nöthig hat. Sie wird sich damit noch umbringen. Hole mich der Teufel, wenn ich je noch ein Mal nach dem verfluchten Zeuge stinke.«

»Wie kommst Du denn auf ein Mal zu diesen Zartheiten?« fragte Leo melancholisch spottend.

»Wenn man einen Engel kennen lernt, so kommt man zur Anbetung.«

»Nicht wahr,« fragte Leo, des Freundes Hand stark fassend und pressend, »Du würdest es auch fühlen, wenn sie stürbe?«

»Hole jetzt Dich der Teufel!« schrie Friedberg erbittert, seine Hand wegreißend – »daß Du mir die Tatze so entzweiquetschest,« setzte er hinzu.

»Ich verstehe Dich,« sagte Leo.

»Nein, Du verstehst mich gar nicht,« antwortete Friedberg grob, »denn Du bist horrend dumm.«

»Auch recht,« erwiederte Leo leichthin.

»Wenn Dir's recht ist –« meinte Friedberg. »Was würdest Du denn thun, wenn – sie stürbe?« fragte er dann ganz kaltblütig.

»Reisen vermuthlich,« antwortete Leo ebenso.

»Reisen – ja, das dacht' ich mir,« sagte Friedberg.

Von diesem Tage an kam Friedberg immer ohne den mindesten Tabackgeruch an. Wie er das gemacht hat, ist sein Geheimniß geblieben – gewiß hat es ihm größere Opfer gekostet, als er zu bringen je für fähig gehalten worden wäre.

Clotilde bemerkte bald, wodurch seine Nähe ihr jetzt plötzlich um so viel angenehmer geworden – sie sagte es ihm und dankte ihm mit Thränen in den Augen.

»Jesus,« antwortete er, »reden Sie doch nicht davon. Wenn ich nur das Allergeringste für Sie thun könnte, so – nun, Sie wissen's ja. Eine Frau weiß immer, wie man's mit ihr meint – darin sind sie viel feiner als wir.«

»Wir werden doch oft getäuscht,« bemerkte Clotilde, um etwas zu sagen.

»Wenn Sie sich täuschen lassen wollen, sonst nicht. Sie z. B. haben sich doch gewiß nie eingebildet, daß die Damen in Niederndorf es besonders gut mit Ihnen meinten.«.

»Nein,« antwortete sie traurig.

»Sehen Sie, das dacht' ich mir. Aber hören Sie, sollte es denn die Schwiegermama nicht gnädiger stimmen, daß sie jetzt Großmutter werden soll? Es ist doch wieder eine ganz neue Würde für eine Frau, und Sie hätten doch mehr Bequemlichkeit.«

»Dort?« fragte sie, ihn fest ansehend.

»Herr Gott, werden Sie doch nicht so blaß,« sagte er ängstlich; »Sie brauchen ja nicht hin.«

»Ich dachte, Leo wünschte es,« sprach sie leise.

»Denkt nicht daran. Ich bin's ganz allein, der den dummen Gedanken gehabt hat.«

»Gott sei Dank, daß ich nicht hin muß!«

»Nun aber – sollten denn die Damen dort wirklich in der Lage, in der Sie jetzt sind, Sie nicht schonen?«

»Jetzt noch weniger als jemals, denn sie hätten es jetzt noch leichter, mich zu quälen.«

»Wenn Sie es nicht sagten –« sprach Friedberg zweifelhaft.

»O,« sagte Clotilde, und in dem sonst so sanften Auge brannte eine Flamme, »Sie glauben nicht, was mein Geschlecht grausam ist, wenn es sich zu rächen hat.«

»Sich zu rächen – aber lieber Himmel, wofür können denn die Damen in Niederndorf sich an Ihnen zu rächen haben?«

»Dafür, daß sie mir gegenüber fast immer Unrecht hatten.«

»Sagen Sie nur getrost: immer – Sie können's.«

»Nein, das kann Niemand, aber ›fast immer‹ darf ich sagen, denn das ist wahr.«

»Sie sind schon eine prächtige Frau,« sagte Friedberg, Clotilde mit ungeschickter Bewunderung betrachtend; »ich könnte wünschen, ich wäre ein Kindermädchen, blos um Ihr Kleines regelrecht herum schleppen zu können.«

Clotilde brach in ihr helles, frisches Gelächter aus.

»Dem Himmel sei Lob, daß man Sie ein Mal wieder lachen hört,« sagte Friedberg so bärbeißig wie möglich, weil er alle Mühe hatte, um nicht zu weinen. »Es geschieht jetzt selten – Sie sollten hübsch öfter vergnügt sein.«

»Hübsch öfter vergnügt sein,« das ließ sich leichter sagen, als thun. In dieser kleinen Wohnung, deren Enge immer fühlbarer wurde – denn es ist eine Redensart, daß die Zeit mit Uebelständen aussöhnt – ohne Aussicht, ohne Zerstreuung, immer krank, belastet mit allen den Haushaltungssorgen, die im gesunden Zustand so leicht und im leidenden so schwer sind, und das Alles in einem Sommer, der außer einigen wenigen schönen Tagen nur aus Gewittern, Regen und Kälte bestand – wie sollte Clotilde es anfangen, um »hübsch öfter vergnügt zu sein?«

Der Herbst kam und mit ihm die Cholera – das war, wie Friedberg sagte, doch etwas Neues. Man konnte doch alle Morgen fragen: »wie viel Erkrankungen? wie viel Todesfälle?«

Leo wollte jetzt wenigstens Clotilde wegbringen und zwar nach Dresden, welches einen Freibrief vor dieser furchtbaren Seuche zu haben scheint, doch Clotilde zeigte auf ein Mal im höchsten Grade den kränkelnden Personen häufig eigenen Widerwillen, die gewohnten Umgebungen mit andern zu vertauschen.

»Aber Du fürchtest Dich doch vor der Cholera,« sagte Leo dringend, »gesteh' es doch ein.«

»Ich läugne es ja nicht,« erwiederte sie, »ich fürchte mich recht kindisch, aber das thut mir gut – es zerstreut mich von – der andern Furcht.«

»Vor? –«

»Ja,« hauchte sie leise, leise, als schämte sie sich.

»O Clody,« sagte Leo, sie an sich drückend, »es wird ganz gut gehen – hab' nur Muth.«

»Hab' Du nur welchen,« entgegnete sie, sanft zu ihm aufblickend; »Du bist banger als ich.«

»Ja, denn Du wirst leiden.«


Aus Clotildens Schreibtafel.

1851.

den 2ten November.

» Ja, denn Du wirst leiden.« Und vielleicht sterben, guter Leo.

Allerseelen. Ueber's Jahr? Gleichviel. Ein Grab mehr und ein Herz weniger, ein Herz weniger zum Leiden, ein Grab mehr zum Grünwerden – das ist Alles.

Oder ob ich gar kein Grab bekommen werde, das grün werden kann? Und wo ich hier hinkommen werde? Ich weiß nicht, zu welcher Kirche, auf welchen Kirchhof wir hier gehören. Auch gleichviel, da ich nicht zwischen meinen Eltern liegen kann, ist's ja einerlei, wo sie mich hinlegen, hart, kalt und dunkel.

 

den 4ten.

Kalt und dunkel – das ist die Welt, hart – ist das Leben. Ich habe mich mit meiner Seele viel tausendfach daran verwundet. Wer heilt eine solche wunde Seele? Die Liebe? Ach, auch der Balsam brennt oft auf einer Wunde – die Liebe thut oft weh.

Sie sind gut, himmlisch gut gegen mich, Leo und auch Friedberg. Man sollte gar nicht glauben, sie wären Männer. Leo nimmt mir jetzt sogar oft das Herausgeben ab. Sophie ist auch recht gut. Es thut mir leid, daß ich in der letzten Zeit manchmal heftig gegen sie war. Und war ich's nicht oft auch gegen Leo? Er trägt mir's nicht nach, rechnet mir's nicht an, er ist geduldig und sanft, ein zum Lamm gewordener Löwe. Aber mich schmerzt es, daß ich so gegen ihn sein kann. Und wenn's auch tausend Mal Krankheit ist, die Krankheit des Körpers sollte nicht gleich die Seele mit anstecken. Ach arme Seele, arme, schwache, schwankende Menschenseele!

 

den 7ten.

Es ist, als hätte die Sonne unsere Erde vergessen, sie frägt so gar nicht nach ihr, sucht sie so gar nicht auch nur mit einem Strahl. Es war ein düsterer Sommer, und der Winter wird noch dunkler werden, und in noch nicht zwei Monaten –

O mein Kind, werde ich Dich denn lieben? Werde ich leben dazu, und leb' ich, werd' ich das Herz haben dazu? Bis jetzt, wenn ich Dich fühle, empfinde ich für Dich immer noch nur ein unbegrenztes Mitleid, ein thränenvolles Erbarmen. Wie, Du kannst einst erleiden sollen, was ich erlitten habe, ja, vielleicht noch Schwereres? Darum bring' ich Dich in die Welt? Deswegen sollst Du mir einst danken und mich ehren? Ach, fluche mir nur nie, wenn Du elend werden solltest. Ich habe Dich nicht ersehnt in die Dunkelheit und in die Armuth der Welt. Wie hätte ich das vermocht, da ich das Leben kenne? wie hätte ich es gewagt, da ich nicht weiß, ob ich eine gute Mutter sein werde?

 

den 8ten.

Ich zweifle sogar, daß ich eine gute Mutter sein werde. Ich bin zu schwach und zu schüchtern. Wie soll ich eine andere Intelligenz und einen andern Charakter entwickeln, erleuchten, kräftigen, bilden, ich, die ich selbst nicht weiß, ob ich Intelligenz und Charakter habe? Bis jetzt konnte ich nur heftig und schmerzlich fühlen und in Augenblicken des aufgestachelten Selbst meine Empfindungen mit hinreichender Schärfe analysiren – genügt das, um einem Kinde zu helfen, daß es Mensch werde, das heißt, Gottes würdig?

Man sagt, Gott lege uns nicht mehr auf, als wir leisten könnten – vielleicht giebt er auch mir Vernunft, um mein Kind vernünftig zu erziehen. Wenn es eine Tochter ist, nämlich. Ist es ein Knabe!, o, da brauch' ich es nur liebzuhaben, da fällt die Erziehung auf Leo.

 

den 23sten.

Vierzehn Tage nicht geschrieben, so matt, so betäubt. Mir war's, als legte sich das Leben in mir zur Ruhe, und dann – ja, was war dann? Ich sollte sprechen, mich bewegen, theilnehmen, Liebkosungen erwiedern, und ich konnte nicht, denn mein Leben schlief ja. Sind das die Vorstudien zum Sterben?

 

den 24sten.

Sterben – ich will mich doch ein Mal fassen, und es denken. Nicht Mutter werden, nicht mehr Geliebte und Gattin sein, nicht mehr mit Ihm und für Ihn leiden, nicht mehr die ersten Lerchen hören, auf die ersten Knospen lauschen, die ersten Veilchen pflücken, nicht mehr thöricht und fromm, eigensinnig und nachgiebig, eifersüchtig und vertrauend, mit einem Worte nicht mehr Clotilde, Leo's arme, einfältige, und doch gute Clotilde sein – das ist Sterben für mich.

Ach, ich würde doch über mich selbst weinen!

 

den 25sten.

Ich habe heute mein Testament gemacht und mein Bischen zwischen Leo und dem Kinde getheilt, wenn es leben sollte. Aber ich bitte Gott, daß er es nicht ohne mich leben lasse. Was sollte das Würmchen denn gleich Anfangs ohne Mutterbrust? Weiß ich doch, wie sehr ich geweint habe, als ich las: nun könnte ich den Kopf nicht mehr an der Mutter Brust legen. Und mein Kleines sollte gleich umsonst nach seiner Mutter weinen müssen? Ach nein, bitte, lieber Gott, das lasse nicht zu!

Das Testament wird, hoff' ich, richtig sein. Ich schäme mich, Friedberg zu fragen. Und dann –der alte Mensch ist mir so zugethan – er könnte anfangen zu weinen, glaub' ich – ich will der ehrlichen Seele nicht bange machen.

 

den 26sten.

Kranksein macht nicht geistreich und macht egoistisch dazu – alle meine Gedanken drehen sich um mich, wie Fäden um eine Spindel.

 

den 27sten.

Und es ist mir doch die Tage wohler gewesen, als sonst, denn es schneite, und ich liebe den Schnee, diese weiche, weiße Verschleierung der Welt. Wenn er auch nur mich selbst vor mir selbst verschleiern könnte! Ich fürchte mich vor mir selbst – ich bin mir ein fremdes Geschöpf geworden. So voll von stummer, tiefer Erbitterung, von innerlichen Empörungen! O still, still doch, Herz! Wem ist nicht zu viel geschehen in diesem Gedränge, welches das Menschenleben heißt? Wer ist nicht getreten und verletzt worden? Vielleicht wer auf den Höhen steht. Und doch – auch auf die Höhen hinauf fliegen die Wurfgeschosse des Hasses und der Verläumdung und – treffen. Es ist Menschenloos, verfolgt zu werden, und was bin ich denn, daß ich etwas Anderes verlangen könnte?

 

den 28sten.

Es ist wahr, ich habe erst einen kurzen Tag gehabt, und an diesem kurzen Tage viel Schatten und wenig Sonne, aber dafür welchen klaren, stillen, goldnen Morgen! O meine Eltern, Bäume, in deren Schatten ich aufwuchs, Ebenbilder Gottes, zwischen denen meine Kindheit emporblühte, Dank, Segen und Dank! Und Schmerz! So nahe ich vielleicht meinem eigenen Tode bin, über den euern wein' ich doch noch. Wäret ihr nicht todt, ich säße jetzt wieder zwischen euch, und in Deinen Armen, Mutter, erblickte ich zum ersten Male mein Kind, und Du, Vater, faßtest Leo's Hand, wenn – aber lebtet ihr, da wäre ich nicht in Gefahr zu sterben, denn die dort haben mich doch umgebracht. Sie haben mein Leben ermüdet und meine Kraft geschwächt, darum bin ich jetzt so ohne Stärke und ohne Hoffnung. Und werden »sie« wenigstens bereuen, wenn ich sterbe? O nein, nicht sie, gewiß nicht sie. Es wird meine Schuld gewesen sein, irgend eine Albernheit, eine Unvorsichtigkeit, »wie sie von mir zu erwarten war.«

 

den 1. Dezember.

Dunkler und dunkler wird es in mir. Welche Nächte, welche Finsternisse! Leuchtet mir kein Stern bei meinem Sterben? Denn ich sterbe – ich fühle es. Soll man leben, hat man nicht eine solche innerliche Todesgewißheit.

 

den 2. Dezember.

Wenn ich gestorben bin, wenn der kleine Platz leer ist, den ich in der Schöpfung einnahm, dann wird Leo – zurückkehren zu den Seinigen. Sie sind doch mehr die Seinigen, als ich die Seinige war. Ich bin immer noch etwas Neues in seinem Dasein, an ihnen dagegen hängt er mit tausend alten Fasern. Er glaubte ehrlich, diese Fasern zerschnitten zu haben, aber dem ist nicht so. Genug davon sind noch zurückgeblieben, um ihn, ihm selbst unbewußt, zu fesseln und zurückzuziehen. Wie oft mag er sich heimgesehnt haben, ohne es sich einzugestehen. Oder hat er es blos mir nicht eingestanden? hat er es gewußt?

Genug, heimkehren wird er, wenn ich ihn erst freigelassen habe. Seine eigentliche Fessel war ich. Ich kettete ihn in dieser Kleinheit fest und an die Arbeit um das Brod, die unerträgliche für ihn. Menschen wie Leo sind nicht dazu gemacht, für das Brod zu arbeiten. Sie müssen frei von den Andern sein in jedem Sinne. Das Genie im Dienst eines Buchhändlers ist erniedrigt, und sollte Leo mich, die Ursache seiner Erniedrigung, noch so lieben können, wie sonst? Wenn ein Mann seine Frau wählt, so wählt er in ihr eine Freude und keine Last. Das aber bin ich für Leo, muß es geworden sein, trotz aller seiner Großmuth. Er ist jetzt so kühl, so zerstreut – wer weiß, woran er denkt. Gewiß an meinen Tod, so gut wie ich. Natürlich nicht mit der Möglichkeit, daß er sich über meinen Verlust trösten könne. O nein, er wird ehrlich in der Ueberzeugung weinen, untröstlich zu sein. Er ist so gut – wie sollte er mich nicht betrauern, mich, seine arme, unnütze Frau, sein Leid und seine Sorge? Eben weil ich seine Sorge war, werd' ich ihm fehlen. Er wird zuerst nicht wissen, was anfangen mit seinem Herzen. Erst allmählig wird er erkennen, daß mein letzter Athemzug sein erster freier seit vielen Jahren gewesen. Dann wird er anfänglich ein Grauen vor sich selbst fassen, sich der Herzlosigkeit, der Grausamkeit gegen mich arme Todte anklagen. Möge er jedoch bald sich vor sich selbst freisprechen. Er ist gut und edel gegen mich gewesen jederzeit bis zum letzten Augenblicke, und hätten die in N. Uns unser Glück gegönnt, es wäre nicht erkrankt, hätte sich nicht verzehrt. Aber die bösen Wünsche haben es getödtet. Armes, süßes Glück, es heißt schon recht in den Dichtern, daß du keine eigentliche Heimath auf Erden habest!


Weihnachten.

Es war der Weihnachtsabend.

Er war feucht, kalt, dunkel und unheimlich, wie fast der ganze Herbst, wie der Winter bisher. Leo und Friedberg hatten für Clotilde einen großen Weihnachtsbaum feenhaft aufgeputzt. Es war eine wirkliche Schöpfung gewesen. Clotilde hatte sich kindlich, fast ausgelassen darüber gefreut, nach einer Stunde aber war sie von dem Geruch des Tannengrün und der Wachsstöcke ohnmächtig geworden, und der arme Tannenbaum hatte müssen auf den Vorsaal hinausgebracht werden, wo er als eine gefährliche Verlockung für Sophie, die Polin, stand, welche außerordentlich gern Süßes naschte.

Bei dem nationellen Abendessen von braunen Karpfen und Mohnklößen hatte nur Friedberg gegessen; Leo hatte sich nur gestellt, als äße er, und Clotilde, matt im Lehnstuhl liegend, es gar nicht erst versucht. Fast Alles blieb also für Sophie – es war ein glücklicher Abend für Sophie.

Gegen neun Uhr sagte Friedberg eine melancholische gute Nacht, und Leo und Clotilde blieben allein.

Leo rückte das Licht so, daß Clotilde es nicht sah, und dann kam er und setzte sich im Halbdunkel zu ihren Füßen nieder.

Sie sah ihn an und entdeckte so viel Schmerz auf seiner Stirn, daß es ihr schwer aufs Herz fiel, wie oft sie sich in zweifelnden Gedanken gegen ihn vergangen habe.

Sie legte ihr blasses Gesicht auf seinen Kopf und benetzte sein Haar mit ihren Thränen. »Warum weinst Du, meine Clody?« fragte er sanft.

Sie schluchzte und antwortete: »erstens weil ich Euch Eure Freude mit dem Weihnachtsbaume so verdorben habe –«

»Du hast Dich doch ein paar Augenblicke daran erfreut,« sagte Leo, »damit bin ich schon zufrieden; aber warum weinst Du noch?«

»Weil ich Dir Unrecht gethan habe.«

»Du mir Unrecht? Ich weiß davon Nichts. Es muß in Deinen Gedanken gewesen sein.«

»Ja, in meinen Gedanken,« flüsterte sie. »Ich dachte« – sie stockte, »ich dachte manchmal, Du würdest glücklicher sein, wenn ich todt wäre, als jetzt.«

»Wenn Dich das beruhigt, so glaub' es,« sprach er mild.

»Du bist mir böse!« rief Clotilde, richtete sich auf und weinte, mit dem Gesicht in den Händen verborgen.

Leo tröstete sie liebevoll und ernstlich. »Weiß ich es nicht, daß Du krank bist?« fragte er. »Kranke Augen sehen nicht gut.«

Ohne daß er ihr die mindeste Versicherung vom Gegentheil dessen gegeben, das sie sich eingebildet, wußte sie jetzt wieder ganz bestimmt und klar, daß sie ihn immer ungerecht angeklagt, daß er sie tiefer liebte, als je, und daß ihr Tod auch der seines Herzens sein würde.

Einen Augenblick lang empfand sie eine triumphirende Seligkeit, aber diese eigensüchtige Liebesregung währte auch nicht länger, die wirkliche Liebe verdrängte sie durch ein grenzenloses Mitleid.

»Leo,« fragte die bleiche Kranke, indem sie ihn durchdringend ansah, »lieber Leo, was wirst Du thun, wenn Gott mich Dir nimmt?«

»Darüber bin ich ganz eins mit mir,« antwortete er ruhig und küßte ihre zarte Hand, die jetzt eiskalt war, nachdem sie vorher gebrannt.

»Du willst auf immer fort?« fragte sie.

»Ich will Dir nach,« erwiederte er mit dem Kinderausdruck, den er in Augenblicken hatte, wo er seine Seele sehen ließ.

»Leo!«

»Mein Herz, was soll ich denn ohne Dich auf der Erde?«

»Leo, Deine Mutter –«

»Clody, was könnte ich ihr noch sein, wenn ich Dich verloren hätte?«

»Wieder Sohn.«

»Nein,« sprach er, anmuthig den Kopf schüttelnd, »nachdem ich Clody's Leo gewesen bin, kann ich nichts Anderes mehr sein.«

Die Ueberzeugung drang in sie ein, wie eine verzehrende Flamme. Ja, er würde sterben, wenn sie stürbe. Todesangst um ihn ergriff sie.

»Leo, dann tödtete ich Dich ja!« rief sie.

»Du?« erwiederte er, »das Verhängniß.«

»Leo – die Sünde!«

»Die Liebe sündigt nicht, wenn sie der Liebe folgt,« sprach er mit Gewißheit.

»Und wenn unser Kind lebte?«

»Was kümmert mich das Kind?« fragte er feindlich. »Das Kind, welches Dich getödtet haben würde? Glaubst Du denn, ich könnte es lieben und die Vaterrolle bei ihm spielen? Hassen würde ich es – begreifst Du das denn nicht?«

»O Leo, Dein, unser Kind! Es wäre ja doch von mir! Lebte es, müßtest Du es lieben.«

Leo preßte die linke Hand so krampfhaft zusammen, daß die Nägel sich tief in das Fleisch drückten. »Dich lieb ich, Clody, und sonst Nichts. Ist denn das eine Schuld? Warum willst Du's nicht – es sollte Dir doch lieb sein, dächt' ich.«

Er hatte Thränen in den Augen, wie ein Kind, dem Unrecht geschieht.

Clotilde faltete die Hände: »lebt unser Kind, so lieb' es.«

»Willst Du es denn, daß ich ohne Dich leben soll, und glaubst Du, ich würde es können?«

»Ja, Leo, wenn Du eine Pflicht hast, der Du Dich nicht entziehen darfst, ohne zu sündigen – o, zwar Du sündigtest ja auch, wenn Du kämest, ehe Gott Dich riefe! Siehst Du das nicht, Leo? Versprich mir –«

»Laß das jetzt, sprechen wir von dem Kinde, wenn es lebt, während Du stirbst. Du verlangst, daß ich das Kind erziehe?«

»Ich bitte Dich flehentlich darum. Ich würde nicht ruhig sterben, versprächest Du es mir nicht.«

»Dann wirst Du also ruhig sterben? An das Kind denkst Du und an mich nicht? Du liebst mich doch nicht so, wie ich Dich liebe, Clody.«

»Leo,« sagte sie matt und weinend, »quäle mich nicht so. Sieh', ich halt' es jetzt nicht aus, wenn Du an mir zweifelst. Thu' es nicht, gerade weil ich an Dir gezweifelt habe. Ich kann Dir nichts Anderes sagen, als: ich fühle, das Kind hat einen heiligen Anspruch an uns Beide. Kann ich die Pflichten, die Gott uns als Eltern auferlegt, nicht erfüllen, so – mußt Du es thun. Du erbst meine Pflichten. O bitte, bitte, ängstige mich in meiner letzten Stunde nicht mit der entsetzlichen Vorstellung, Du könntest das arme Würmchen dem Ungefähr überlassen. Denn sieh' – Deine Mutter würde mein Kind nicht lieben, und – sollte denn mein Kind gar nicht geliebt werden?« schloß sie mit einer süßen Grazie der Traurigkeit.

»Du bist ein Engel,« sprach Leo rasch. »Für Dich muß man Alles thun, selbst leben ohne Dich. Gut, ich verspreche es Dir: überlebt das Kind Dich, so – überleb' ich Dich auch. Meine Mutter seh' ich nie wieder, das könnt' ich nicht – wenn Du todt wärest, würde ich erst recht darüber nachdenken, wie sie Dich gequält hat, mein armes Kind; aber mit dem armen ungebornen Wesen, welches Du jetzt schon so lieb hast, soll es sein, wie Du willst – ich werde es erziehen, und – lieben, soviel ich vermag. Aber nun, Clody,« fuhr Leo fort und knieete vor seine bleiche Frau hin, »wenn ihr, Du und das Kind, Beide sterbt – ich nehme das nur so an, denn Gott in seiner Gnade kann Dich mir erhalten und Dir Dein Kind –«

»O, wenn es wäre!« rief Clotilde, und ihre Augen flehten zum Himmel auf.

»Du wünschest es also auch, Clody? Nicht wahr, wir haben doch genug Liebesglück mit einander gehabt, um das Leben noch zu wollen – wie sehr! O Clody, bitte zu Gott, daß er Dich mir lasse! Wenn Du wüßtest, wie ich darum bete!«

Er umfaßte sie leidenschaftlich, wenn auch mit Schonung, und Clotilde betete an seiner Brust um Leben für sich, für ihn, für das Kind. Leo vereinigte sein Flehen mit dem ihrigen. Als das Gebet vollendet war, hingen sie lange Lippe an Lippe. Clotilde ließ zuerst mit einem Seufzer der Ermattung los.

Leo ließ ihr eine Minute zur Erholung, dann aber flüsterte er: »Clody, wenn Gott unser Gebet nicht erhört, wenn Du stirbst und ich frei bin, dann folg' ich Dir nach – dann mußt Du mich lassen.«

Sie wollte schwach einreden, er unterbrach sie: »Binde mich durch kein Versprechen, Clody – siehe, was hülfe es Dir denn, wenn ich mich noch nutzlos in der Welt herumtriebe, nachdem ich mein Leben verloren? Denn mein Leben bist Du nun einmal – es läßt sich ja doch nicht mehr ändern. Also dringe mir kein Versprechen ab, welches mich elend machen würde, und – welches ich am Ende doch bräche.«

»Aber Gott?« fragte sie, in seinen Augen forschend.

»Gott wird nicht zürnen,« sprach Leo voll inbrünstiger Zuversicht. »Das weiß ich im Herzen. Sei Du nur nicht grausamer, als Gott.«

»Du mein Einziger, ich grausam gegen Dich!« rief sie leise, und schlang ihre schwachen Arme um seinen Nacken.

»Sage doch, Clody,« flüsterte er, seine schöne Stirn gegen ihre Brust lehnend, »möchtest Du es denn wirklich, daß ich Dich überlebte? Sollst Du sterben, wird es Dich nicht mehr trösten, wenn Du weißt, daß ich mit Dir bin, daß unser Kind mit uns ist, als wenn Du uns zurücklassen solltest? Sei wahr, Clody.«

Sie wagte nicht »Nein« zu sagen, sie umschlang ihn so fest sie konnte.

»Glaube mir, Geliebte,« sagte er, sich dicht und liebkosend an sie schmiegend, »so ist es am besten: leben oder sterben, wie Gott es will, aber miteinander. Nicht getrennt. Wir gehören auf ewig zu einander.«

Und Clotilde murmelte: »auf ewig – im Leben und im Tode – auf ewig.«


Der Tod.

Am letzten Januar 1852 schlug es fünf Uhr Nachmittag, als Friedberg eilig und ängstlich an Leo's Thür klingelte.

Sophie machte ihm auf – sie hatte verweinte Augen. »geht schlecht,« sagte sie in ihrem polnischen Deutsch und mit den beredten Bewegungen, welche den Polen der niedern Klasse eigenthümlich sind. »Kind todt, und Frau sehr schwach, sehr schwach. Arme Herr!«

Friedberg ging mit gewaltsamer Fassung in das Schlafzimmer. Der Doktor kam aus Leo's Wohnzimmer.

»Sie sind's,« sagte er; »Sie kommen zu nichts Gutem.«

»Das Kind ist todt?« warf Friedberg hin, indem er seinen Hut weglegte und seine Handschuhe so zitternd auszog, daß er sie zerriß.

»Ich hab' es todt bringen müssen,« sagte der Doktor. »Wie ich gleich fürchtete – die Frau war zu schwach.«

»Lebt sie?« fragte Friedberg.

»Noch.«

Friedberg setzte sich.

»Es thut mir leid,« fuhr der Doktor fort; »eine so liebenswürdige Frau. Aber ich fürchtete es gleich.«

»Hat sie ihr Bewußtsein?«

»Ja, aber sie kann nicht mehr sprechen.«

»Was sagte sie denn, als sie hörte: das Kind sei todt?«

»Sie lächelte ihrem Manne zu und sagte ganz leise: Gott will es.«

»Kann ich sie sehen?«

»Ich werde fragen.«

Der Doktor ging durch das Schreibzimmer in das Schlafzimmer. Friedberg hörte seine leise Frage, konnte jedoch Leo's Antwort nicht verstehen. Er saß regungslos und wartete.

Der Doktor winkte ihm vom Schreibzimmer aus. Friedberg ging so geräuschlos wie möglich hinüber in das Krankenzimmer, welches bald ein Sterbezimmer werden sollte.

Clotilde lag durchsichtig bleich und unendlich lieblich und ruhig da.

Sie blickte dem treuen Freunde entgegen, und grüßte ihn mit den Augen und mit einem Lächeln, welches wie ein letzter Sonnenstrahl war.

Friedberg küßte die ihrer kalten Hände, welche Leo nicht hielt. Dann verließ er ohne ein Wort wieder das Zimmer und eine Minute später das Haus.

Nach einer Stunde kam er wieder. Leo empfing ihn im Wohnzimmer mit den Worten: »sie schläft recht ruhig.«

»Sei nicht so unnatürlich gefaßt,« sprach Friedberg; »tobe, weine.«

»O, das lohnte sich auch der Mühe,« sprach Leo mit einem stolzen Lächeln.

Friedberg sah ihn an, ob er wahnsinnig geworden sei.

»Ich bin's nicht,« sagte Leo, der Friedbergs Gedanken errieth.

»Aber in Verzweiflung,« meinte Friedberg.

»Nun, ich dächte, ich hätte ein wenig das Recht dazu,« erwiederte Leo mit Ironie.

»Höre, wenn Du von Stein bist,« brach Friedberg los, »ich bin es nicht – ich muß heulen.«

Er warf sich seiner ganzen Länge nach auf den Fußboden und heulte wirklich – er war wie unsinnig vor Schmerz.

Leo saß neben ihm und betrachtete ihn wie eine Studie, nur auch mit Theilnahme. Als Friedberg sich erschöpft und gebrochen aufrichtete, war es Leo, der ihn tröstete, so daß Friedberg endlich ganz entmuthigt ausrief: »ich glaubte Dich zu kennen – ich kannte Dich nicht – ich weiß nicht was für ein Mensch Du bist.«

»Ich mag doch wohl einen Trost in mir haben,« entgegnete Leo sanft.

»Ja, den vom ewigen Wiedersehen nach so und so viel Jahren,« grunzte Friedberg.

»Friedberg,« sagte Leo bittend, aber doch bestimmt, »heute Nichts von Deinem angenommenen Wesen – heute gerade halt' ich es nicht recht aus.«

»Vergieb mir,« bat Friedberg demüthig. »Ich heule und Du schweigst – das beweist eben, daß Du Du bist. Darf ich bei Dir bleiben die Nacht über?«

Das lehnte Leo ab, obgleich Friedberg dringend darauf beharrte.

»Du kannst doch nicht so allein bleiben mit dem dummen Mädchen,« sagte der ehrliche Junge.

»Sophie bleibt die Nacht nicht hier,« antwortete Leo; »sie fürchtet sich; Du weißt, die Polinnen sind abergläubisch.«

»Aber da wärest Du ja ganz allein?«

»Ich habe nicht viel Zeit mehr mit Ihr allein zu sein.«

Friedberg wurde unruhig.

»Geh', lieber Freund,« sprach Leo überredend, »und verschaffe mir auf morgen recht viel Blumen und auch Grün. Aber jetzt geh',« endete er mit Ungeduld.

Friedberg entfernte sich höchst ungern, höchst bekümmert, mit einem sehr schweren Herzen. Leo würde sich in der Nacht erschießen, das war klar – darum war er so ruhig gewesen.

Am andern Tage klingelte Friedberg bereits um sechs Uhr früh. Leo machte ihm auf, Friedberg fiel förmlich über den Freund her und drückte ihn wüthend an sich.

»Sei doch unbesorgt,« sagte Leo.

»Wenn ich auch Dich nicht mehr hätte!« sagte Friedberg.

Leo drückte ihm die Hand. »Und die Blumen?« fragte er dann.

»Herr Gott, die hab' ich rein vergessen,« schrie Friedberg, schlug sich vor die Stirn und rannte davon.

Nach wenigen Stunden war das ganze Wohnzimmer voll von Blüten und Düften. Man bekommt schöne Blumen in Breslau – es ist das ein Verdienst von der Stadt.

Die zarte Leiche war angekleidet, weiß, mit gelocktem Haar – »wie ein Braut,« schluchzte Sophie.

Leo schmückte sein Weib und das Zimmer, welches er in einen Blumentempel verwandelte. Große Wachskerzen brannten – es war feierlich, »wie in Kirch,« versicherte Sophie bewundernd.

»Wirst Du nach Niederndorf schreiben?« fragte, als Alles fertig war, Friedberg, der treulich geholfen hatte. »Oder soll ich's?«

»Ich danke Dir,« antwortete Leo, träumerisch seine schöne schlafende Geliebte betrachtend, »ich werde heute noch schreiben. Und wegen des Begräbnisses weißt Du Alles.«

»Laß' mich machen,« sprach Friedberg, seinen Hut suchend. Er hatte Leo die peinlichen nothwendigen Besorgungen abzunehmen versprochen.

»Hier ist Dein Hut,« sagte Leo.

»Danke,« sagte Friedberg. »Gute Nacht. Auf morgen. Kann ich eben so früh kommen wie heute?«

»Ja, komm eben so früh,« antwortete Leo. »Gute Nacht.«

Sie schüttelten sich die Hände, dann schloß Leo hinter Friedberg die Thür.


Leo's letzte Lieder.

                            I.

Willst du so stille bleiben,
Lieb, wachst du nicht mehr auf?
Soll ich so einsam bleiben?
Nimmst du mich nicht mehr auf?
An deinem treuen Herzen,
An deiner weichen Brust,
Mit meinen Sünden und Schmerzen,
Mit meiner Qual und Lust?

Ja, nicht mehr wirst du neigen
Dein Haupt zu meiner Noth,
Dein Wort ist nun das Schweigen,
Dein Sein ist nun der Tod.
Dein Theil ist nun der Frieden,
Und meines wäre hier,
Von deinen Lippen geschieden,
Verlassen ganz von dir?

O Lieb', die Solches wähnen,
Die kennen mich nicht gut,
Mein Opfer sind nicht Thränen,
Mein Opfer ist mein Blut;
Das soll mit Purpur kosen
Um deinen bleichen Schein,
Das werf' ich hin in Rosen
Auf deinen Todtenschrein.

Du wolltest stille bleiben,
Mich länger küssen nicht?
Ich sollte einsam bleiben?
Nein, Lieb, das will ich nicht;
Dein Sterben und mein Leben,
Dein Ruhen und mein Glüh'n,
Das soll ein Brautfest geben
Mit dunklem Cypressengrün.

                            II.

Ich singe keinen Jubelgesang,
Ich hätte noch gern mit dir gelebt,
Mir deine Locken seiden und lang
Um meine Finger als Ring gewebt –
Mit nie ermüdender Seligkeit
Geküsst die Lippen, glänzend und roth,
In ihrer duftigen Lieblichkeit
Ich kann's nicht mehr, denn du bist todt.

»Der Tod entführt zu Sternenhöhn –«
»»Mich locken die grünen Hügel mehr –««
»Im ew'gen Schatten schläft's sich schön –«
»»Des Waldes Schatten sind nicht so schwer –
Ich liebe nicht den bleichen Staub,
Ich liebe den in der Rose roth,
Der gold'nen Biene schimmernden Raub –««
So rief, so fühlt' ich – und du bist todt!

Wie hätt' ich dich gern umschlungen noch
Mit aller Liebe süßer Gewalt!
Wie hätt' ich dich gern getragen hoch,
Du himmlisch Kind, du süße Gestalt!
Durch alle Fluten und Stürme hin,
Zu des Glückes prächtigstem Morgenroth,
Du des Dichters liebliche Königin –
Wie hätt' ich es gern, und – du bist todt!

                            III.

An deinem Todtenlager
Sitz' ich in stiller Wacht,
Von fern die Uhren schlagen
Die kalte Mitternacht.

Verdunkelt sind die Kerzen,
Die Thräne macht mich blind,
Ich seh' mit wilden Schmerzen
Dich an, du bleiches Kind.

Nicht mehr wird mir begegnen
Dein Blick, so hold für mich –
Der Himmel möge segnen
In deinem Schlummer dich.

Du warst die süße Treue,
Die sich auf ewig giebt,
Du hast mich stets auf's Neue
Und immer mehr geliebt.

Ich kann dir's nicht vergelten
An dieser Lagerstatt –
Thu' es der Herr der Welten,
Der dich gerufen hat.

Schlaf' aus von deinen Schmerzen,
Du armes bleiches Kind,
Ich blute tief im Herzen,
Die Thräne macht mich blind.

An deinem Todtenlager
Sitz' ich in schwerer Wacht,
Von fern die Uhren schlagen
Die letzte Mitternacht.

                            IV.

Ich habe die schönsten Blumen heut',
Gemischt mit dem dunkelsten Grün,
Dir auf dein weißes Linnen gestreut,
Da mögen sie liegen und blühn.

Da mögen sie ruh'n, bis man den Sarg
Geschlossen über dir zu,
Bis du eingesenkt, wo man eng und karg
Den Raum dir gemessen zur Ruh.

Gedenkst du der ersten Rose noch,
Die ich gegeben dir?
O, uns're Liebe war selig doch,
Und selig waren wir!

Gedenkst du – ach, du denkst nicht mehr!
O tiefes Herzeleid!
Ich streute mit Händen kalt und schwer
Dir Blumen auf's Todtenkleid.

                            V.

Du blauer See der Alpen,
An dem ich sie gekannt,
Du duft'ge Oelbaumwaldung,
Wo ich für sie gebrannt –

Du Wasserfall, an dem ich
Geschauert in ihrem Hauch,
Du Ritterschloß, in welchem
Geschaut ich in ihr Aug' –

Du Garten, wo der Springquell
Murmelt im Rosenrund,
Wo ich zum ersten Male
Geküßt ihr den Rosenmund –

Ihr schönen Zeugen des Werdens
Der Lieb' zwischen ihr und mir,
Fern in den Fernen des Südens,
Ich grüß' euch von ihr und von mir.

Ich grüß' euch, weil wir von dannen
Auf dunklen Pfaden geh'n,
Ich grüß' euch, weil wir euch nimmer,
Nimmermehr wiederseh'n.

                            VI.

Ich kann nicht küssen deinen Mund,
Er war so heiß,
Er ist so weiß
Ich kann nicht küssen deinen Todtenmund.

Doch in Gedanken küss' ich dich
So heiß wie je
Mein schöner Schnee,
Mit brennenden Gedanken küss' ich dich.

                            VII.

An die Mutter.
Vergebung dir und Vergebung mir,
Vergebung uns Beiden –
Es senkt sich zwischen uns nieder hier
Ein ewiges Scheiden.

Das wird, was einander gewesen wir,
Als Schwert zerschneiden –
Vergebung dir und Vergebung mir,
Vergebung uns Beiden!

Warst du eine Schmerzengeberin mir,
War ich dir ein Leiden
Vergebung mir und Vergebung dir
Vor dem ewigen Scheiben.

                            VII.

Wieder an Sie – Letztes.
Und nun noch zwischen uns Beiden
Ein letztes Wort,
Ein letztes irdisches Scheiben,
Und dann – auf dort!

Ein letztes Knieen auf Erden
Bei deinem Leib,
Dann will ich ähnlich dir werden
Mein bleiches Weib.

Dann will ich gleich dir verbleichen
Und nach Dir flieh'n –
Wirst du die Hände mir reichen
Und nach mich zieh'n?

»Ich glaube, ja, ich glaube«
An's Morgenroth –
Du meine heilige Taube,
Durchflogst den Tod.

Du hast den Tod durchflogen
Und rufest mich –
Du bist voraus mir gezogen –
Erwarte mich.


Leo's Brief an Friedberg.

den 2ten Februar,
vier Uhr Morgens.

Du hast mich verlassen, mein treuer Alter, und wir haben uns zum letzten Male die Hände geschüttelt. Nun, Gott segne Dich. Du bist mir und Clotilden ein treuer Freund gewesen. Dafür danke ich Dir nicht, denn es war eben nur Deine natürliche Art so, aber ich habe Dich lieb in dieser meiner letzten Nacht auf Erden.

Wenn die Leute etwa sagen – und sie werden es sagen, das Arge wird immer gesagt – ich habe den Romeo spielen wollen, so lasse sie es sagen. Gieb Dir nicht die Mühe, mein Andenken irgendwie rechtfertigen oder reinigen zu wollen. Es wäre unnütz und überflüssig. Wo ich sein werde, frägt man nicht nach dem Geschwätz, welches man hinter sich zurückläßt. Beweise nicht, daß ich nicht auf ewig verdammt bin, beweise nicht, daß ich keine Tragödie habe aufführen wollen. Wirf drei Handvoll Erde auf meinen Sarg und denke an mich, wenn Du einsam bist und fühlst, Du habest keinen Freund treuer gehabt als mich.

Du sagtest mir einst: »dichte doch Hymnen an den Tod, wie Novalis die an die Nacht dichtete.« Ich versuchte es diese Nacht, aber ich war in keiner philosophischen Stimmung – ich konnte den Tod nicht gehörig anfassen – es wurden Lieder aus den Hymnen, Lieder an die Todte, an meine Todte. Nimm die Lieder, lies sie, laß sie drucken oder auch nicht – wie Du willst. Es war mir Bedürfniß vor dem Sterben noch zu dichten – ich konnte nicht ohne Lieder scheiden – entschuldige diese letzte poetische Schwachheit.

Du wirst auch ein Packet von Blättern finden, auf denen die Geschichte meines und Clotildens Liebens und Lebens steht. Ich schrieb sie in den letzten Monaten, wenn Clotilde in ihrem fieberhaften Schlafe auf dem Sopha lag. Jetzt schläft sie tiefer. Ich wollte diese einfache Liebes- und Lebensgeschichte eines Poeten und eines Engels in eine Form bringen – es sind drei bis vier Anfänge dazu da. Aber weiter als bis zu Anfängen kam ich nicht, die Sammlung fehlte mir und wohl auch der Muth. So ist unsere Geschichte Bruchstück geblieben, wie unser Geschick. Weißt Du irgend eine Hand, der Du dieses Bruchstück zum Vollenden übergeben kannst – wohl; wo nicht, ist es eine Erinnerung für Dich allein.

Einen Brief an meine Mutter wirst Du besorgen. Im Falle sie sich etwa mit Reuegedanken quälen sollte, versichere ihr, daß sie keinesweges mit Veranlassung zu diesem meinem Ende ist. Clotildens Tod ganz allein tödtet mich. Ich kann nicht leben ohne Leben, nicht weiterstreben ohne Ziel. Clotilde war mein Antrieb zu Allem, ohne sie käme mir Alles, was ich thun oder hervorbringen könnte, zwecklos und selbst albern vor. Genug, ich ende, und die Verantwortlichkeit ist gänzlich mein.

Hätte Clotilde gelebt, so bin ich ganz überzeugt, daß ich noch einen glänzenden Standpunkt erreicht hätte. Erst im letzten Jahre fühlte ich recht meine geistigen Kräfte – die Nothwendigkeit hatte sie mir offenbart. Ich würde mich ausgezeichnet und Tüchtiges geleistet haben – jetzt kann ich es ohne Anmaßung sagen, ohne dadurch lächerlich zu werden. Es hat nicht sein sollen – ich füge und unterwerfe mich, wenn nicht ohne Bedauern, so doch mit Ergebung.

Es ist eine große Gnade von Gott, daß die Ergebung in uns entsteht, wenn wir ihrer bedürfen. Wenn ich nun jetzt verzweifelte und die Leiche meiner Geliebten durch Lästerungen gegen die ewigen Anordnungen Gottes entweihte! Wohl mir, daß ich gefaßt und sogar gewissermaßen heiter sein kann, heiter in Wehmuth.

Was von Clotildens Sachen, klein oder groß, mir besonders lieb war, das hab' ich verbrannt. Es war dies das letzte Feuer auf unserm Herde. Was noch bleibt, Wäsche, Kleider u. s. w. gieb Sophieen. Ein kleines Testament Clotildens, aus welchem Du ersehen wirst, wie sehr sie auch als Frau noch süßes Kind war, mußt nun Du auszuführen übernehmen. In der Hauptverfügung ist es unnütz geworden, aber die kleinen Vermächtnisse, welche sie von ihren wenigen Schmucksachen und ihren liebsten Büchern an ihre Freundinnen macht, lege ich in Deine Hände. Was Dir bestimmt ist, nimm Dir. Wie Du lesen wirst, hat sie auch meiner Mutter und meinen Schwestern Andenken hinterlassen – das gute, süße, versöhnliche Herz!

Ich bitte Dich, von mir meine Bibliothek zu nehmen. Du wirst wenig in den Büchern lesen, aber um so mehr dabei an mich und unsern gemeinschaftlichen Engel denken.

Denn daß ich es Dir jetzt sage: ich habe lange gewußt, daß Du eigentlich Clotilde liebtest. Doch nie bin ich auch nur im Mindesten eifersüchtig auf Dich gewesen. Du warst ein Mensch, von dem man seine Frau lieben lassen konnte – ich meine das nicht etwa ironisch, sondern zu Deinem Lobe, Du mein treu'ster, bester, zuverlässigster Freund.

Meine Wäsche und Kleider überschicke meiner Mutter zur Vertheilung an die männliche Dienerschaft in Niederndorf. Aus meinem Testamente wirst Du ersehen, wozu ich Clotildens bescheidenes Vermögen, das seit gestern mein ist, bestimme. Ich beauftrage Dich mit der Gründung dieser wohlthätigen Stiftung.

Meinen Nachlaß durchstöbere, und findest Du noch Dinge, die Dir des Druckes werth erscheinen, so gieb sie heraus. Den Ertrag davon an die Stiftung, ebenso was ich an Honorar noch bekommen sollte.

Mich in der Erde unterzubringen, das überlasse ich gleichfalls ganz Dir. Geld genug dazu ist im Sekretair, zu welchem der Schlüssel im Schubfache meines Schreibtisches unter den Papieren liegt. Es ist mir völlig einerlei, wohin ich komme und wie ich hin komme, nur, hörst Du, neben Clotilde. Das ist mein fester Wille, meine Letzte bestimmte Forderung.

Und nun umarme ich in Gedanken Dich, Du treue, ehrliche Seele, zum letzten Male. Trau're nicht allzusehr um mich – wir treffen uns wohl wieder. Nur nimm Dich in Acht, daß Dir nicht mehr »vertraute Freunde« sterben, denn bekommst Du von Jedem so viel zu thun wie von mir, so kömmst Du gar nicht mehr zu Athem.

Gott segne Dich! Auf Wiedersehen!

Leo St.


Schluss.

Dieser Brief lag nebst einem an Frau von Studnitz, den Liedern und Leo's Testament auf dem Schreibtische. Die Lieder waren mit freien, festen Zügen geschrieben, in dem Briefe konnte man eine etwas ermüdete Hand erkennen. Das Testament bestimmte Clotildens Vermögen:

Für die Unglücklichen in Niederndorf, weil wir dort unglücklich gewesen sind.

Für die Leidenden in Niederndorf, weil Clotilde dort gelitten hat.

Einige versiegelte Packete, in denen die Blätter, deren Leo erwähnte, Clotildens Testament, die Verlagskontrakte u. s. w. enthalten waren, lagen, ebenfalls an Friedberg adressirt, im Schubfache des Schreibtisches.

Als Friedberg am Morgen des zweiten Februar auf sein wiederholtes und immer heftigeres Klingeln keine Antwort von Innen erhielt, errieth er die schreckliche Wahrheit und fiel wie halbtodt gegen die Thür. Die Hausbesitzerin eilte mit ihrem Mädchen herbei – sie hatte im letzten Schlaf den Lärm, den Friedberg gemacht, und dann sein Fallen gehört. Friedberg brachte mühsam die Frage vor: ob in der Nacht Nichts gewesen. Die Antwort war: Nichts, auch nicht das kleinste Geräusch.

Das Mädchen wurde zu einem Schlosser geschickt, doch bevor derselbe kam, dauerte es wohl eine Stunde. Diese brachte Friedberg auf der Treppenstufe sitzend zu, obwohl die Hauswirthin ihn mehrmals bat, doch in ihre Stube zu kommen.

Das Schloß zu Leo's Wohnung wurde nun geöffnet, indessen hatte Friedberg anfänglich nicht den Muth, sich hineinzuschleppen. Das Mädchen war am muthigsten oder am neugierigsten. Sie wagte sich zuerst in das Schlafzimmer und kam mit Thränen wieder heraus.

»Gehen Sie getrost hinein, Herr Friedberg,« sagte sie schluchzend, »es sieht gar nicht schrecklich aus, sondern im Gegentheil recht schön und rührend.«

In der That war Leo der Geliebten mit Koketterie gefolgt. Nur im Hemd und in leichten türkischen Beinkleidern saß er auf einem niedrigen grünen Sammetsessel neben dem Bette, wo Clotilde unter Blumen ruhte. Im Herzen war die Waffe, welche ihn mit der Todten vereinigte. Ein kleines spitzes Messer mit einem starken, alterthümlichen Griff, eine feste Hand, ein sicherer Stoß, eine geringe Wunde, ein augenblicklicher Tod, das Alles ließ sich aus dem wenigen Blute, aus Leo's friedlicher und sogar graziöser Lage errathen. Sein Kopf ruhte auf dem Kopfkissen, dicht neben dem bleichen Antlitz Clotildens, sein linker Arm hing herab, sein rechter war auf den Sessel gesunken. Man konnte vor diesem Gemälde einen Augenblick zweifelhaft bleiben, ob es eins der Liebe, oder eins des Todes sei, doch im nächsten erkannte man wohl, daß es ein Gemälde von Beiden war.

Friedberg war so zu Boden geschlagen, daß der Doktor sich der wegen der Beerdigung nöthigen Schritte unterziehen mußte. Wie vorauszusehen war, erhoben sich Schwierigkeiten. Da bat Friedberg den Doktor, nach Niederndorf zu schreiben, und die dortige Gemeinde erhob keine Einwendungen dagegen, dem noch im Tode so wohlthätigen jungen Herrn auf ihrem Kirchhof einen Platz bei seinem Vater einzuräumen. Beide Leichen wurden mit aller gebührenden Feierlichkeit aus der kleinen Wohnung am Dom abgeholt, und die Liebenden schlafen nun ungetrennt im Grünen. Im realen Leben der Autorin gibt es dazu später eine Parallele: sie selbst verstarb am 25. Oktober 1876 an einem Schlaganfall; ihr Gatte, der sein ganzes Schaffen ihren gemeinsamen Arbeiten und ihrer sorgsamen Pflege gewidmet hatte, beging am darauffolgenden Tag, dem 26. Oktober, Suizid.

Sobald Leo todt war, erhob sich eine allgemeine Bewunderung und ein einstimmiges Bedauern. Die Zeitungen brachten lange Artikel über ihn, während sie in den letzten Jahren kaum seines Namens erwähnt hatten. Es war, wie es immer und überall ist.

Ich hatte erst aus den Artikeln erfahren, daß Leo mit mir zugleich in Breslau gelebt hatte. Es geht das so in dieser Stadt, wo man sich unwillkürlich isolirt gerade wie Leo. Natürlich nahm ich lebhaft Theil an seinem Schicksal, ohne jedoch im Mindesten daran zu denken, daß ich es schreiben sollte.

Da machte mir Friedberg einen Besuch und bat mich, »diese Liebesarbeit,« wie er es nannte, zu übernehmen.

Daß er, so ganz fremd, mit solchem Zutrauen zu mir kam, freute mich, und gern versprach ich ihm, was er wünschte.

Als er meine Arbeit gelesen, war er zufrieden damit, was mich abermals freute. Nur ihm habe ich geschmeichelt, meinte er. Ich kann indessen versichern, daß ich es nicht gethan habe.

Daß ich die Namen und einige Umstände veränderte, versteht sich von selbst. Friedberg war auch darin ganz mit mir einverstanden.

Ich fragte ihn, wie Frau von Studnitz sich nun befinde?

»Vortrefflich,« antwortete er; »hat sie nicht einen prächtigen, herrlichen Schmerz? Auch gäbe sie ihn nicht für drei Söhne hin. Clotilde ist jetzt ein Engel, und Leo, glaub' ich, hat die Schuld – nun, es muß sie doch Eines haben.«

»Natürlich,« sagte ich. Und die Fräulein – wie befinden die sich?«

»Ach,« erwiederte er grämlich, »die befinden sich gar nicht.«

Friedberg, damit ich von ihm ein letztes Wort sage, Friedberg raucht kaum noch und ist sehr mager geworden. Ich sagte ihm neulich: ich fürchte, er werde immer etwas schwermüthig bleiben – er antwortete, er glaube es auch, aber es schade weiter Nichts.


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