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Johann Heinrich Ludwig Hanemann wurde im Jahre 1803 in Hoya geboren, siedelte in einem Alter von 5 Jahren nach dem hannoverschen Städtchen Wunstorf im Amt Blumenau, wo er bis zu seiner Konfirmation verblieb, und begab sich dann, als er das Bäckergeschäft erlernt, im Jahre 1819 nach Hamburg.
In Hamburg diente Hanemann im Ganzen zwei Meistern, dem einen 9¾ Jahre, dem andern 3 Jahre, hatte zwar inzwischen auch seiner Militairpflicht in Hannover zu genügen, kehrte aber bei jeder Beurlaubung nach Hamburg zu seinem Geschäft zurück. Im Jahre 1832, nach mehr als zehnjährigem Aufenthalt in Hamburg, welcher Zeitraum nach den damaligen Gesetzen zur Heimathsberechtigung genügte, verließ er seinen zweiten Meister, weil er sich verheirathen und, zu unbemittelt, um Bäckermeister zu werden, ein Kommissionsgeschäft anfangen wollte.
Hierzu mußte er das Hamburger Bürgerrecht gewinnen.
Da er die nöthigen Legitimationen nicht zur Hand hatte und wahrscheinlich die Kosten der Herbeischaffung scheute, so ließ er sich von einem Freunde bereden, die Papiere seines so eben verstorbenen Bruders als die seinigen auszugeben.
Auf diese Papiere hin erhielt er das Hamburger Bürgerrecht.
Die Sache aber wurde verrathen, Hanemann zur Untersuchung gezogen und auf Befehl des Senats polizeilich verhört, jedoch von der Wedde wie von der Polizei geschont. Dagegen erkannte der Senat unterm 29. August 1832 gegen ihn: daß ihm der Bürgerbrief abzunehmen, er des Bürgerrechts verlustig, des Gebiets verwiesen, im Fall der Rückkehr mit schärfster Strafe zu belegen, und sofort von der Polizei aus der Stadt zu schaffen sei.
Hanemann begab sich hierauf nach Hameln, holte seinen Militairfreischein, besorgte sich seinen Geburtschein und erhielt auch ein Wanderbuch als Bäckergeselle. Dann kehrte er in der Hoffnung, daß ihm auf diese seine, richtigen Papiere das Bürgerrecht nicht verweigert werben könne, nach Hamburg zurück.
In Hamburg angekommen wurde er sofort arretirt und
geschlossen
nach Hannover transportirt.
In Hannover verbot man ihm ebenfalls den Aufenthalt, und zwar weil er durch Erlangung des Hamburger Bürgerrechts seiner Heimathsangehörigkeit in Hannover verlustig gegangen war.
Hanemann begab sich nunmehr nach Altona und gewann hier auf seine richtigen Papiere das Bürgerrecht.
Zur Betreibung seines nunmehrigen Geschäfts mußte er sich zuweilen nach Hamburg begeben. Auf einer dieser Touren wurde er, am 6. März 1833, von der Hamburger Polizei arretirt und bestraft; das zweite Mal, am 26. März, arretirt, bestraft und nach Altona transportirt. Bei dieser Gelegenheit erfuhr die Altonaer Behörde seine Fälschung in Hamburg, und Hanemann wurde in Folge dessen von dem Oberpräsidenten wegen unzeitigen Verschweigens früherer Verhältnisse mit Ohrfeigen regalirt. Später indessen erhielt er auf Verwendung desselben die Erlaubniß, Hamburg bei Tage besuchen zu dürfen, ohne daß man ihm dabei nächtliche Rast bewilligte.
Vom 7. Mai 1833 bis zum 19. Februar 1839 lebte er nunmehr unbehelligt in Altona vom Weinkommissionsgeschäft, machte dann eine Reise nach Oporto und verlobte sich bei seiner Rückkehr mit einer Hamburgerin, welche eine Schenkwirthschaft führte. Zwei Monate lang lebte er mit ihr in freiem Verhältnis. Er wohnte bei ihr, half ihr in der Wirtschaft und benahm sich überhaupt so, wie es sein Verhältniß zu rechtfertigen schien. Eines Tages, als er sie für untreu hielt, mißhandelte er sie in ihrer Schenkwirthschaft betrunkener Weise so sehr, daß sie ihr Lokal verließ. Hanemann blieb, wie er es bei sonstigem Ausgehen seiner Braut gewohnt war, in der Wirtschaft zurück, und als einige Gäste Geld gewechselt verlangten, erbrach er die verschlossene Kasse. Darauf wurde er auf Veranlassung des Kurators seiner Braut arretirt und zur Untersuchung gezogen. Die Hamburger Polizei lieferte ihn nach Altona ab, indem sie ihn dem dortigen Oberpräsidium zur Abnahme seines Bürgerrechts empfahl, und das Altonaer Oberpräsidium
nahm ihm sein Altonaer Bürgerrecht ab,
unter dem Vorgeben, daß er dasselbe (vor sieben Jahren) durch Verschweigen seiner frühern Hamburger Erlebnisse erschlichen habe, und verwies ihn des Gebietes.
Obwohl er von Altona aus in dem Zeitraum von 1832-1840 wiederholt nach Hamburg gekommen und wegen übertretener Verweisung verschiedentlich und mit geschärfter Gefängnißstrafe bestraft worden war, wußte sich Hanemann doch, als er jetzt Altona verlassen mußte, nirgends anders hin als nach Hamburg zu wenden. Allein schon am 28. April 1840 ward er arretirt und in
achttägige Zuchthausstrafe
verurtheilt. Dann blieb er bis zum 21. Juli 1841 übersehen in Hamburg, wurde wieder arretirt, zu sechswöchiger Zuchthausstrafe
abwechselnd mit Tretmühle
verurtheilt und nach überstandener Strafe am 3. September 1841 nach Altona abgeliefert. Die Altonaer Behörde transportirte ihn wieder nach Hamburg zurück, wo er sogleich ins Gefängniß gesetzt wurde. Darauf unterhandelte die Hamburgische Behörde wegen Aufnahme Hanemanns mit der zu Hoya und Wunstorf im Hannöverschen, aber vergeblich, dann transportirte sie ihn am 12. Januar 1842 über die Grenze nach Altona. Von Altona wurde er auf dieselbe Weise wieder nach Hamburg zurückgebracht, hier auf acht Tage
abwechselnd mit Tretmühle
ins Zuchthaus gesetzt und am 22. Januar 1842 aus dem Gebiete gejagt. Da man ihn durchaus nirgends aufnehmen wollte, kehrte er nothgedrungen nach Hamburg zurück, ward am 3. Februar abermals arretirt und ins Detentionshaus gesperrt. Hier blieb er bis zum 19. März, wo er entlassen und diesmal nach der Hannöverschen Grenze transportirt wurde. In Stade angekommen wurde er ebenfalls arretirt und auf Unterhandlungen und Anfragen der Stader und Hamburgischen Behörden erging von dem königlichen Ministerium in Hannover unterm 29. März der Befehl, den Hanemann auf demselben Wege, worauf er gekommen, zurückzuschaffen. Hanemann wandte sich nun nach Altona, wurde aber daselbst am 25. April arretirt, mit
fünfundzwanzig Stockschlägen
bestraft und nach dem Hamburgischen Gebiet transportirt. Hier wurde er sofort wieder arretirt, worauf der Senat am 27. April beschloß, ihn über See zu schaffen, sonst aber die frühere Verfügung vom 12. Januar 1842 ferner in Ausübung zu bringen, nämlich die Rückkehr Hanemanns immer schärfer zu bestrafen.
Da aber trat die große Hamburgische Brandkatastrophe ein. Hanemann wurde aus dem Gefängniß entlassen und wirkte mehrere Tage und Nächte mit der äußersten Anstrengung beim Löschen des Feuers. Aber schon am 12. Mai ward er wieder eingesperrt und trotz der Fürsprache des Polizeichefs mit Zuchthausstrafe belegt, dann aber am 22. Juni nach der östlichen Grenze des Königreiches Hannover transportirt. Von hier kehrte er wieder nach Hamburg zurück und lebte daselbst einige Zeit unbemerkt, bis er Krankheitshalber am 19. September 1842 ins allgemeine Krankenhaus kam. In demselben blieb er bis zum 13. März 1843. Zwei Tage nach seiner Entlassung wurde er arretirt und dann wieder nach der östlichen Grenze des Königreichs Hannover transportirt. Die Behörde in Winsen schaffte ihn jedoch unter Bezugnahme auf den Beschluß des königlich Hannöverschen Ministerii vom 29. März wieder nach Hamburg zurück. Hier wurde er sofort wieder eingesperrt, und
bis zum 1. Juli 1844 ununterbrochen
in Arrest gehalten. Dann setzte man ihn unter der Verpflichtung, daß er Hamburg binnen 8 Tagen verlasse, endlich in Freiheit.
Allein Hanemann, ohne zu wissen, wohin er sich wenden solle, blieb nochmals über die gestattete Frist in Hamburg. Am 14. August wurde er wieder arretirt, zu vierzehntägigem Gefängniß
abwechselnd bei Wasser und Brod
verurtheilt und Ende Septembers über die Grenze transportirt.
Während seiner letzten Haft hatte sich Hanemanns ein bekannter, geachteter Advokat in Hamburg angenommen, und ihm eine Supplik an die »hohe deutsche Bundesversammlung« in Betreff unterthänigst nachgesuchter Ermittelung einer Heimath in seinem deutschen Vaterland concipirt. Aus dieser Supplik, welche das Kieler Korrespondenzblatt in seiner Nummer 74 vom Jahre 1845 im Auszuge mittheilte, haben wir die Erlebnisse Hanemanns hieraus wahrheits- und fast wortgetreu entnommen.
Hanemann, der ohnedies nicht wußte, wo er sein Haupt derweile niederlegen solle, wollte nunmehr seine Angelegenheit persönlich vor der deutschen Bundesversammlung führen. Die Hamburgischen Behörden verweigerten ihm aber zu diesem Zweck den Reisepaß, worauf ihm denn der Koncipient jener Supplik eine Privat-Legitimation ausfertigte, und für seine eigne Person die deutschen Behörden ersuchte, den Inhaber der betreffenden Supplik aus den in ihr enthaltenen Gründen schützen und frei und ungehindert gen Frankfurt an den deutschen Bundestag reisen lassen zu wollen.
Auf diese Weise kam der heimatlose Deutsche auch wirklich bis an sein Ziel, und fand auf Verwendung in Frankfurt ein vorläufiges Domizil.
Dagegen fand seine Angelegenheit in Frankfurt schlechtes Gedeihen. Man schickte ihn von Einem zum Andern, Keiner aber wußte ihm mehr als eine unbestimmte Aussicht zu geben. Hanemann kehrte daher endlich nach Hamburg zurück.
Hier wurde er abermals arretirt.
Der Verwendung seines Advokaten gelang es, ihm unter der Verpflichtung, daß er Hamburg sofort verlasse, seine »Freiheit« zu verschaffen, und mit einer neuen Legitimation desselben begab sich Hanemann wiederum nach Frankfurt, um noch einmal den deutschen Bundestag um Ermittelung eines Stückchens Heimath in seinem großen deutschen »Vaterland« zu ersuchen.
Ob der heimathlose, gemißhandelte Deutsche diesmal bis an den Bundestag gedrungen, ob der Bundestag einen Staat ermittelt hat, dem dieser deutsche Unterthan angehört, ob endlich ein solchermaßen ermittelter Staat ihn auch wirklich aufgenommen – wir wissen es nicht. Das aber wissen wir, daß der administrative Krieg, den drei deutsche Bundesstaaten auf solche Weise gegen einen »beschirmten deutschen Unterthan« geführt haben, dieser hartnäckige nicht geschlichtete Krieg über einen so leicht beizulegenden Streitpunkt einen merkwürdigen Maaßstab für die größeren Verhältnisse des deutschen »Vaterlandes« abgeben könnte, – wenn es überhaupt eines solchen bedürfte.