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Es holten die Burschen und Mädchen die Mai'n aus den grünen, duftigen Hallen,
Blaublümchen am Hut und am Mieder vorauf mein Lieb, o du Schönste von allen.
Der zweite Festtag lag still und feierlich auf der Gegend. Graue Dämmerung webte noch in den Abhängen der Berge und Forste, aber die Sonne glänzte bereits an dem blauen, lachenden Himmel, und über die Felder stieg der leise, frische Hauch der Morgenluft. Die Lerche flog wirbelnd in die Luft; die Bäume im Walde schauerten auf und rauschten in der geheimnisvollen Weihe der Frühstunde. Ringsum Stille und heiliger Friede.
Es war schon eine geraume Zeit, daß Lolo das Herrenhaus verlassen hatte. Im Dorfe krähten eben die Hähne, als das Gartenpförtchen sich öffnete und Lolo mit Max und Annen heraustrat und alle drei zu dem Versammlungsort unter der Linde eilten. Lolo trug einen breiten, großen Stohhut mit rundem Rand, aber sie hatte ihn nicht auf ihr Haupt gesetzt, sondern er hing mit dem roten Band über den Arm geknüpft an ihrer Seite; Max hatte über seinem kurzen, grünen Rock eine Waidtasche hängen, durch deren gestrickte Decke man die Formen einer Flasche und verschiedener anderer Gegenstände erkennen konnte. Er schloß das Gartenpförtchen wieder ab, während Lolo mit Annen am Arm vorauseilte, und folgte alsdann schneller den leichtfüßigen Schritten der Mädchen. Die hellen Blicke der frühen Wanderer zeugten für die frische, ungetrübte Freude an ihrem Unternehmen. Einen Augenblick darauf waren sie hinter der nächsten Wendung dem Versammlungsorte zu verschwunden, und das Herrenhaus lag wieder still mit geschlossenen Läden; auch der helle Gesang, der sich bald darauf im Dorfe erhob und allmählich weiter dem Walde zu verhallte, weckte hier niemanden; nur im Pfarrhause, wo der Zug vorüberkam, blickte ein verschlafenes Gesicht heraus, und eine schwarze Gestalt streckte sich gähnend, als das Glöckchen zur Frühmesse läutete. Max war an der Tür des Pädagogen gewesen, um ihn zu wecken; aber der kleine Mann hüllte sich mit lallendem Knurren dichter in seine Decke, sobald der Student sich wieder entfernt hatte. Sein festes, regelmäßiges Schnarchen verkündete bald, daß der Volksenthusiast nach den Anstrengungen des vorigen Tages noch sehr der Ruhe bedurfte; als er erwachte und mit seinen großen, schwer geöffneten Augen Erinnerung suchend um sich blickte, war der Zug schon längst hinter den letzten Anhöhen, die man von seinem Wege hier noch sehen konnte, verschwunden.
Die Burschen begannen die Wanderung mit ihren Liedern und sangen sie immer wieder von neuem, sobald nur eine einzelne Stimme damit anstimmte. Es verstand sich von selbst, daß sie darüber ihre anderen Angelegenheiten nicht außer acht ließen. Man konnte aus den einzelnen Gruppen erkennen, welche Neigungen sich geltend gemacht hatten. Die Sänger vergaßen über ihren Liedern keineswegs, der Nachbarin, um deren Leib sie den Arm geschlungen hielten, in die Augen zu sehen und ihre manchmal derben Spaße und Liebesneckereien jetzt bei ihnen anzubringen. Die Mädchen schlugen auch nicht in zimperlichem Erröten die Augen nieder, nur hin und wieder gab eine dem Allzudreisten einen Schlag, der indes durch das begleitende Lachen weder Zorn noch Empfindlichkeit ausdrückte.
Lolo befand sich mitten im Zuge zwischen Max und Anne. Die Weise, wie die Bauernmädchen sie bewillkommnet, sprach am besten dafür, wie das Fräulein aus dem Herrenhause durch ihre Leutseligkeit das scheue, mißtrauische Fernhalten der Leute gegen alles Vornehme zu überwinden gewußt hatte. Jetzt ging sie so leicht und ungezwungen in ihrem weißen Kleide, den breiten Strohhut auf ihr Haupt gedrückt, zwischen den Leuten mit den kurzen Jacken und roten Miedern umher, als ob nie ein Unterschied zwischen ihnen bestanden oder bestehen könne. Ihre langen Zöpfe ruhten, vorn über die Schultern gelegt, in der Hand ihres Begleiters, der mit dem roten Zipfelband derselben spielte, während ihr Arm in dem seinigen lag; ihre helle silberne Stimme klang in den Gesang der anderen, mit deren Liedern sie gewiegt und auf erzogen war; auf ihren Zügen sprach sich der volle Ausdruck ihrer inneren zufriedenen Freudigkeit, ihrer Teilnahme an dem stillen Glück ihrer Umgebung aus. Max, welcher den Bauern gleichfalls von seinen häufigen Besuchen zur Kirchweihe und zum Erntefest bekannt war, schritt an ihrer Seite voll offenen Glücks, daß er frei und ungehemmt vom Zwang der Städter mit seiner Liebe zusammen war. Anne war, wie sonst, ernster und schweigsam; aber auf ihren Mienen lag die stille Freudigkeit des Bewußtseins, sich in einem besseren Los und in freier Ausübung ihrer verborgensten, liebsten Gedanken zu wissen. Das arme Mädchen lächelte selig vergnügt, als Lolo beim Eintritt in den Wald sie danach fragte, ob sie noch die Einwilligung zu dieser Wanderung bereue; aber sie schlug verlegen die Augen nieder, als Max sich ebenfalls an ihrer lächelnden Zufriedenheit weidete.
Der Weg durch den Wald zog sich nach dem Fuß jener Anhöhe, auf welcher Max zuerst mit dem Pädagogen zusammengetroffen war. Die Schatten der hohen Eichen und Buchen fielen über die Fahrgleise des Bodens, wo zwischen den Gräsern und dem Moos an den Baumstämmen noch der Nachttau auf den kleinen Glockenblumen lag.
Lolo hatte sich allgemach einen duftigen Strauß gepflückt und an das Band ihres runden Hutes gesteckt. Einige Mädchen waren nicht so glücklich im Auffinden gewesen wie das helle Auge Lolos; andere, nicht so flink, waren zurückgeblieben und kamen erst an, als der ganze Zug die Höhe erstiegen hatte. Die Gruppen lagerten sich in dem Gras, wo einige Tage zuvor die Knaben des Pädagogen herumgejagt waren; Max mit Lolo saß unter demselben Baum wie damals und zog aus seiner Waidtasche das Frühstück, womit ihn Lolo für sie beide und Anne bedacht hatte. Der Student gab einem der ihm zunächst Lagernden eine Flasche, die alsbald weiterwanderte, und als sie zuletzt leer zurückkam, von diesem lachend weit hinaus in die Büsche geschleudert wurde.
»Siehst du, Lolo, hier auf dieser Anhöhe war es, wo ich neulich bei meiner Ankunft Rast machte«, sagte Max heimlich zu ihr, indem er ihr verstohlen die Hand drückte und in die klaren, tiefen Augen sah. »Als ich die Spitze des Kirchturmes dort weit in der Ferne unterscheiden konnte, dachte ich an dich und sagte mir, daß du in dem Augenblick dort dahinter vielleicht unter den Blumen im Garten wandeltest. Und es war so, du warst zu derselben Zeit, wie du nachher erzähltest, im Garten gewesen; meine Gedanken waren früher um dich, als meine müden Füße mich zu dir tragen konnten.«
Lolo lächelte, indem sie den Druck ihres Nachbarn leise erwiderte, und sagte, die Hand wie zum Schutz gegen einen Sonnenstrahl über die Augen haltend:
»Und ich, ich habe zu derselben Zeit bei mir daran gedacht, ob du nicht diesmal auch die Ferien bei uns zubringen würdest.«
Der Student beugte sich tiefer über sie, indem er anscheinend eine Blume aus dem Gras brach.
»So sind unsere Gedanken einander als die Boten der Herzen begegnet. Wie oft und lange vorher habe ich sie nach dir ausgeschickt«, flüsterte er. »Weißt du?«
Küsset dir ein Lüftelein
Wangen oder Hände,
Denke, daß es Seufzer sind,
Die ich zu dir sende.
Tausend send' ich täglich aus,
Die da wehen um dein Haus,
Weil ich dein gedenke. –
Als er die Augen aufschlug, begegnete er dem Blick Annens, die an Lolos Seite saß. Sie wandte sich verlegen ab, als sie sich beobachtet glaubte, und stand auf, wie es schien, um mit einigen der Mädchen zu sprechen, die sich eben zum Blumensuchen sammelten. Auch Lolo erhob sich nunmehr, um daran teilzunehmen.
Die Mädchen zogen jetzt allein in mehreren Gruppen tiefer in den Wald. Die vorrückende Zeit mahnte sie, die Blumenkrone zum Festschmuck der Maikönigin herbeizuschaffen.
Dann, als die fröhlichen Stimmen weiter und leiser in den Büschen verhallten, traten die Burschen zusammen, um gleichfalls ihrer Pflicht für das Fest zu genügen. Einige zerstreuten sich in entgegengesetzter Richtung in den Wald, um nach ihrem Gutdünken aus den entfernteren Tannenschlägen einen Baum zu suchen, der schlank und hoch zum Maibaum im Dorfe am besten geeignet wäre. Der Zuruf, die prüfenden Meinungen der streitenden Stimmen erfüllten geraume Zeit die zuvor noch So stillen Hallen. Währenddessen standen die übrigen, älteren in einer dichten, heimlichen Gruppe und berieten sich heimlich darüber, wem sie die Krone des Festes diesmal zuteilen sollten. Mehrmals machten sich lauter die verschiedenen Interessen und Neigungen einzelner geltend; aber die tiefere, längere Rede eines älteren Arbeiters, dem die übrigen aufmerksam zuhörten, schien zuletzt über die übrigen Meinungen den Sieg davonzutragen. Max war unter dem Baum sitzen geblieben, wo ihn Lolo verlassen; ein neues lärmendes Ereignis, welches die Beratungen jener schiedsrichterlichen Gruppe vollends abschloß, veranlagte ihn, sich jetzt zu erheben. Unten am Fuße der Anhöhe war der Wagen angekommen, welcher den Maibaum nach dem Dorfe fahren sollte; mit ihm die Musik, die zur Einholung desselben bestellt war und jetzt mit den Instrumenten die Anhöhe heraufkam. Die Ankommenden ließen sich vorerst ins Gras nieder, da die Sitte den Beginn der Musik erst nach vollbrachtem Fällen des Baumes erlaubt; ein Fäßchen, welches langsam jetzt heraufgerollt wurde, gab ihnen Veranlassung, mit den wartenden Bauernburschen ein Vorfest zu beginnen.
Als Max die Zurüstungen betrachtete, fiel sein Blick auf einen Mann, der gleichfalls mit dem Wagen angekommen war und jetzt hinter der Bauerngruppe hervortrat. Es war der Waldwärter Franz, der die Wahl des Baumes erst bestätigen mußte, damit das Interesse des Forstes nicht darunter leide. Die Brauen des jungen Mannes zogen sich in leisem Ernst zusammen, als er dem Auge dieses Menschen begegnete, und auch der Waldwärter ging schweigend, ohne Gruß und Blick an dem Studenten vorüber. Das Rufen der rückkehrenden Burschen, welche die Tanne ausgewählt, zog die Gruppen bald wieder ab. Der Baum, welcher in einem dunklen, dichten Schlag stand, wurde erst lange von dem Wärter geprüft, ob seine Jugend nicht noch zu schonen sei und statt dessen lieber ein älterer, ohnedies zum Fällen bereits bestimmter Stamm geopfert werden solle. Als die Bewilligung des Wärters indes gegeben, begannen die Äxte einiger junger Burschen ihr Werk. Der schlanke, schöne Baum bebte und rauschte stöhnend bis in seine Krone; seine Äste schwankten und klammerten sich in das Laub seiner Nachbarn; aber zuletzt verkündete ein lautes, dröhnendes Krachen, daß die Schläge der Angreifer sein Mark getroffen. Das Seil, welches oben um seinen stolzen Stamm geschlungen war, wurde heftiger von dem jauchzenden Trupp in Bewegung gesetzt, noch ein banger, knarrender Ton, und der König dieser Wälder stürzte jäh, die Zweige einiger kleiner Schmarotzerbüsche mit sich reißend, zu Boden. Die Burschen sprangen auf seinen gefällten Leib, und die letzten raschen Axtschläge beraubten ihn seines grünen Schmucks bis an die kleine Krone, die wie zum Hohn seiner nackten, kahlen Größe noch blieb. In dem Augenblick, wo sein stolzes Haupt auf den grünen, zitternden Boden schlug, stimmte die Musik ihren tönenden Triumph an, in welchen sich der laute Jubel der Dorfbewohner mischte. Die Rinde des Stammes ward abgeschält und der Baum alsdann hinunter auf den Wagen geschafft.
Bei der Rückkehr auf der Anhöhe ließ sich der Zug wieder ins Grüne nieder, und der Kranen des kleinen Fasses war jetzt lebhafter in Bewegung. Max saß neben einem Burschen, der in den Brüchen seines Onkels arbeitete, und die gutmütige Zudringlichkeit desselben wollte ihn mehr als reichlich bedenken.
»Es kommt ja von Herzen, was wir bieten, wenn es auch nicht viel ist«, sagte der Bursche, »und Sie nehmen wohl vorlieb, denn sonst würden Sie sich mit uns niederen Leuten gar nicht abgeben. Sie und das Fräulein sind immer so freundlich gegen uns; es ist einem gar nicht so fremd zumute dabei, als ob Sie zu den Vornehmen gehörten. Aber da, der Waldwärter Franz! … Meine Hand sollte eher verdorren, ehe ich dem zu trinken anbieten würde. Daß der auch immer dabeisein muß! … Er bleibt aber dabei, wenn sich auch niemand um ihn kümmert.«
»Was habt ihr denn gegen den Mann?« sagte Max forschend zu seinem Nachbarn; »die Leute sehen ihn alle nicht sonderlich an, wo er nur hinkommt.«
»Was wir gegen ihn haben? Nichts, Herr Max, gar nichts!« eiferte der Bursch. »Aber weil er ein Lump ist, der die Leute schikaniert und verfolgt, wo er kann, darum wollen wir nichts von ihm wissen. Etwas gegen ihn haben … Gott behüte uns! Aber mit einem Lumpen, mit so einem hochnäsigen Schuft sich abzugeben, der sich noch etwas darauf zugute tut, daß er die Leute schikanieren darf … das kann einem niemand zumuten.«
»Ja freilich, es mag böses Blut gegen ihn setzen«, sagte Max, »indes ist er daran doch selber nicht schuld, es ist einmal sein Beruf, zu dem ihn die Regierung angestellt hat, und wenn er einen Waldfrevler faßt oder sonst armes Volk bei dergleichen packt und vielleicht malträtiert, so geschieht das in seinem Amt; er muß das tun, so hart es auch die armen Leute trifft.«
»Den Teufel auch!« erwiderte der Bursche barsch. »Wenn er sich zu solchen Dingen hergibt, die, wie Sie selbst sagen, hart und ungerecht gegen die armen Leute sind, so handelt er doch auch hart und ungerecht, gleichviel in wessen Auftrag, und er muß es sich gefallen lassen, wenn ihn die Leute dann auch als einen Lump behandeln. Sie mögen sagen, was Sie wollen, Herr Max, Sie können ihn selbst nicht leiden.«
»Das hat nun freilich mit seinem Amt nichts zu schaffen«, murmelte Max für sich hin, als er den Waldwärter eben vorübergehen sah. –
Ein Rufen am andern Ende der lagernden Gruppe verkündete das Nahen der Mädchen. Ein großer, grüner Kranz, durchflochten mit roten und blauen, lang flatternden Bändern, den die vordersten der Ankommenden trugen, war zum Schmuck des Maibaumes bestimmt; bald kamen auch die Blumenleserinnen mit einer zierlichen, aus den schönsten, frischesten Waldblumen gebildeten Krone. Die Musik fing eben wieder an zu spielen, und die Mädchen ließen sich zu den einzelnen Gruppen nieder. Max sah sich nach Lolo um. Aber sein Auge fiel zuerst auf Annen, die in diesem Augenblick aus dem Kreis ihrer Gefährtinnen hervorgetreten war und sich plötzlich dem Waldwärter Franz gegenübersah. Eine dunkle Glut schoß in das Gesicht des armen Mädchens, und gleich als hätte sie auf eine Schlange getreten, tat sie mit dem Ausdruck des Schreckens und Abscheus einen Schritt zurück.
»He, bist du da?« sagte der Waldwärter boshaft lachend, indem er ihr näher trat; »sage deiner Mutter, daß sie sich in acht nehmen soll! Das letzte Mal ist sie mir entkommen, obgleich ich dort unten an den Bäumen noch die Blutstropfen von ihr fand; aber das nächste Mal werde ich sie besser treffen.«
»Was ist das? … Was soll das heißen!« riefen mehrere Stimmen. »Er wagt der Anne zu drohen! … Hier, wo wir in unserer Gerechtigkeit sind! … Wie kannst du dir herausnehmen, unser Fest zu stören?«
Es traten mehrere Männer heran, und drohende Blicke und Worte erhoben sich gegen den Waldwärter.
»Laßt ihn! … Er wird mir nichts tun«, sagte das arme Mädchen mit einem verächtlichen Blick auf den Waldwärter, welcher in dem Sturm, der sich gegen ihn erhob, die Hand an sein Messer legte. »Er wird sich nicht an mir zu vergreifen wagen, obwohl es nicht seine erste Heldentat an hilflosen Weibern wäre!« – »Herbei, herbei!« riefen mehrere, die eine ernstliche Störung des Festes verhüten wollten. »Die Maikönigin soll gekrönt werden!«
Im Nu war bei diesem Ruf die drohende Gruppe vor dem Waldwärter zerstoben, der sich einen Augenblick lang dem stolzen Blick des Studenten gegenübersah. Der ganze Haufe strömte nach dem offenen Plan der Anhöhe, wo die Feierlichkeit stattfinden sollte.
»Kommen Sie … kommen Sie«, sagte die Stimme Annens, indem sie Max in das Gedränge riß, welches ihn mit fortzog. »Lassen Sie ihn, es wäre der Mühe nicht wert!«
Die Mädchen sonderten sich nunmehr ab, indem sie sämtlich einen großen Kreis bildeten. Ihre Köpfe waren tief gesenkt wie bei jenem Spiel, welches Goethe besungen hat. Vgl. »Ein zärtlich-jugendlicher Kummer« (Sesenheimer Lieder) und das Mariagespiel in Dichtung und Wahrheit, 2. Teil, 6. Buch. Die Gruppe der Männer und Burschen hatte einem Arbeiter, dessen jetzige Frau, seine damalige Pfingsttänzerin, im vorigen Jahr zur Maikönigin gewählt worden war, die Krone in die Hand gegeben, die er an seiner Seite versteckt hielt. Darauf zogen sie langsam in einer doppelten Reihe um den Kreis der Mädchen, indem sie das folgende Lied dazu sangen:
»König, König ist der Mai!
Steht er droben auf den Bergen,
Jauchzen auf die kleinen Lerchen,
Sehnt und schmückt sich weit das Land,
Das gesegnet seine Hand.
König, König ist der Mai!
König, König ist der Mai!
Kommt er so ins Land gegangen,
Schmückt er bräutlich alle Wangen,
Doch zur Schönsten tritt er hin:
Sei du meine Königin!
König, König ist der Mai!«
In dem Kreis der Mädchen versuchte manches Haupt, neugierig seitwärts zu blicken, ob sie vielleicht den Würdenträger erspähen könne. Aber die Hand eines eben vorübergehenden Burschen drückte ihr das Haupt wieder tiefer; manche von den Burschen taten es wohl auch ohne Veranlassung, bloß um die Harrende zu necken.
Endlich, nachdem der Gesang zu Ende war, blieb der Zug der Männer stehen. Den Mädchen klopfte das Herz höher in der Erwartung, ob der hinter ihr Stehende wohl die Krone auf ihr Haupt drücken würde; plötzlich aber ließ sie alle der laute Ruf der Burschen aufblicken:
»Unsere Königin! Hoch! Hoch!«
Die Musik fiel rauschend ein, der Jubel erscholl laut und anhaltend, als wolle er kein Ende finden, und durch die zitternden, rauschenden Waldeshallen zog es fort in den weiten, luftigen Morgen: die Maikönigin! – Hoch! Hoch!
Die Mädchen blickten im Kreise umher nach der Gekrönten. Es war Lolo. Auf ihrem dunkeln Haare prangten und wiegten sich die kleinen, weißen Frühlingskinder des Waldes, eine leise Röte stieg auf ihrem Antlitz auf, und ihr Auge lächelte in stiller, harmloser Freude. Die Mädchen und Burschen zogen nun paarweise einen neuen Kreis, in dessen Mitte allein die Königin stand, und sangen die letzte Strophe ihres Liedes.
»Königin des Maies du!
Schönste, Schönste du von allen.
Laß dir unsern Gruß gefallen,
Waldes Rauschen, Vögleins Klang
Tönt in unsern Festgesang:
Königin des Maies du!«
Lolo lächelte den nickenden Grüßen der Mädchen zu, aber ihr Auge begegnete immer wieder mit inniger Freude dem stumm beredten Ausdrucke des Studenten. Die Blicke des ganzen Kreises hingen mit voller, ungeteilter Bewunderung an den schönen, still verklärten Zügen des Mädchens; nur einer sah mit heimlichem Ärger und Neid auf die Feier des zufriedenen Völkchens. Das war der Waldwärter Franz. Er stand hinter der Reihe, welche also Hand in Hand die Maikönigin umzog, und sein lauernder Blick haftete hämisch lächelnd auf der schlanken Gestalt dort in der Mitte. Der Gesang war eben zu Ende, und die Mädchen wollten sich Lolo nähern, um ihr die Blumen-Attribute fester ins Haar zu flechten, während die Männer in Gruppen umherstanden. Es hatte keiner bemerkt, wie der Waldwärter sein Gewehr von der Schulter nahm und leise oben in die Zweige richtete. Erst der Schuß schreckte sie auf, und ein leiser Schrei Lolos verriet ihnen die Bosheit. War es Zufall oder Geschicklichkeit des Schützen: Ein Vöglein, dessen dunkelrote Kehle vorher noch so fröhlich in den Jubel der Dorfbewohner eingestimmt hatte, fiel aus den Zweigen, unter denen Lolo stand; die Blumenkrone der Maikönigin rollte zur Erde, und ihr weißes Kleid färbte sich gerade auf der Brust, in der Nähe des Herzens, mit den roten Tropfen des gemordeten Vögleins. Der Zorn der Männer machte sich nach einem Augenblick überraschten Schweigens desto heftiger gegen den Urheber der boshaften Störung Luft, und er wäre diesmal wohl nicht so leichten Kaufes davongekommen. Allein, er ließ den Überraschten keine Zeit zu der beabsichtigten Züchtigung und sprang raschen Laufes in den Wald. Einige Burschen rannten ihm zwar eine kleine Strecke weit nach, und ein Stock flog dicht hinter seinen Füßen nieder; aber der schnelle, erprobte Läufer hatte bald einen immer größeren Vorsprung gewonnen, und nur aus der Ferne hallte noch seine laute boshafte Freude über die gelungene Tücke.
Das Fest wurde indes durch diesen Vorfall nicht ernstlich unterbrochen. Lolo standen zwar die Tränen in ihren großen Augen, als sie die Tropfen auf ihrer Brust und das tote, noch warme Tierchen in ihrer Hand betrachtete; allein, der Zuspruch der Mädchen, die ärgerlich drohenden Worte der Männer gegen den Entflohenen, und vor allem die flüsternde, liebreiche Stimme eines, der sie wie zum Schutz an sich gezogen, beruhigten sie bald wieder. Die Mädchen schmückten sie darauf in der üblichen Weise, während die Männer im Grase lagerten und hin und wieder einer oder der andere von dem Zapfer einen Trunk verlangte. Dazwischen spielte die Musik abwechselnd ihre Stücke. Als die Mädchen ihr Geschäft vollendet, bildeten sich wieder die einzelnen Gruppen, wie sie die Neigungen zusammenführten; einige saßen im Gras, andere wandelten in der Entfernung zwischen den Bäumen umher. Es war noch eine kurze Rast, welcher dann der Aufbruch zur Rückkehr ins Dorf folgen sollte.
Die Sonne war höher gestiegen, und die Schatten der Bäume lagen still und regungslos in der lautlosen Mittagsschwüle da. Der Weg führte noch eine weite Strecke durch den kühleren Wald, und man konnte jetzt den Aufbruch wagen, um weiter am Nachmittag den Baum im Dorfe aufzustellen. Die Musik zog voraus die Anhöhe hinunter, die Paare, die Maikönigin mit Max an der Spitze, hinterdrein. Unten, wo der Wagen harrte, wurde noch einmal haltgemacht, um den Zug von neuem zu ordnen. Die Musik eröffnete ihn; dann folgte der Wagen mit den geschmückten, bebänderten, laubbekränzten Pferden, welche den Maibaum zogen; hierauf kam der Zug, den Lolo und Max begannen und dann in aufsteigender Folge die älteren Paare schlössen. So ging es fort, abwechselnd unter Musik und fröhlichem Gesang, dem Dorfe zu, wo die Jugend schon ein bis zwei Stunden früher dem Zug entgegensah und sich in den Gassen und auf den Feldwegen umhertummelte.
Unterwegs wurde indes der Zug noch einmal aufgehalten, und zwar, wie es fast den Anschein hatte, in Veranlassung eines Unglücksfalles. Als man an einer einzeln liegenden Meierei vorüberkam, wurden die fröhlichen Wanderer von einem Knecht angegangen, einen Fremden, der hier vom Pferde gestürzt, mit ins Dorf zurückzunehmen. Max, der mit Lolo in einem sehr heimlichen Zwiegespräch vertieft war, erkannte, da er jetzt aufsah, das Reitpferd seines Onkels, und während er noch den Knecht befragte, erschien in der Haustür des Gehöfts die hinkende Gestalt des Pädagogen. –
Der volksliebende Altertümler hatte bei seinem Erwachen sich unmöglich in den Gedanken finden können, daß so ganz in der Nähe ein Volksfest, vielleicht mit volkstümlichen Zeremonien, stattfände, ohne daß er es besuche und seine Studien damit bereichere. Sein Zorn darüber, daß er es verschlafen, war groß; aber die Sache war nun einmal nicht mehr zu ändern. Das einzige, was sich tun ließ, bestand darin, die Wanderer mit einer schnelleren Gelegenheit einzuholen. Der Pädagog bestürmte den Gutsherrn, ihn dorthin fahren zu lassen, wo das Fest stattfände; in seinen bebrillten Augen schimmerte dabei etwas wie eine Träne, er drückte ein Mal über das andere Mal dem Gastfreunde bewegt die Hand, und zum ersten Mal in seinem Leben gab er einem seiner Knaben eine Ohrfeige, weil derselbe mit zu einem Volksfest wollte. Der Gutsherr vermochte indes nicht seiner Bitte zu willfahren, da seine beiden Wagen, welche die Landgeistlichen in der Nacht von dem Feste zurückgebracht, noch nicht wieder heimgekehrt waren. Da entschloß sich der unglückliche Pädagog zu dem Unerhörten: Er bestieg das Reitpferd des Gutsbesitzers. Die Steigbügel wurden höher geschnallt und der Professor in den Sattel gehoben; ein Knecht führte das Pferd hinaus vor das Dorf, wo der Weg nicht mehr zu verfehlen war, und überließ dann den Reiter, der sich an den Sattelknopf klammerte, seinem Schicksal. Herr Stempel hatte recht, wenn er sagte, daß selten jemand dem Volke ein so großes Opfer gebracht. Es war das Ungeheuerste, was dem Professor zugemutet werden konnte, und es lag sicher etwas Rührendes in der Entsagung, mit welcher der unglückliche Reiter seinem Pferde die Steigbügel in die Seiten schlug und dann unwillkürlich die Augen schloß. Eine Zeitlang schien es ganz gut ablaufen zu wollen; das Pferd trabte munter in den frischen Morgen hinaus, und der Professor lobte schon seinen kühnen Entschluß, der ihm bis jetzt nur ein ächzendes Stöhnen bei jedem Stoß des Sattels abzwang. Bald aber schien das Pferd, welches keinen Reiter fühlte, seinen Spaziergang für beendigt zu halten; es machte mit einer kurzen Wendung kehrt und wollte den Rückweg nach seinem Stalle einschlagen. Der Pädagog aber sträubte sich dagegen mit einer bewunderungswürdigen Hartnäckigkeit; er klopfte dem Tiere den Hals, indem er ihm wie einem seiner Schüler zuredete; dann wieder, als das nicht fruchtete, riß er nach rechts und links an den Zügeln und hämmerte mit seinen Beinen, deren Unaussprechliche von dem Rütteln des Sattels sich bereits bis über die Knie emporgezogen hatten, auf den Leib des Pferdes. Das Tier machte darauf einen Versuch, sich dieser Unbequemlichkeit zu entledigen, der vollständig gelang; es bäumte sich leicht, schlug dann kurz hintenaus, und der ehrwürdige Pädagog kugelte im Staub des Weges, wohin Hut und Brille ihm vorangegangen waren. Auf dem Meierhof, der nur wenige Schritte entfernt lag, hatte zum guten Glück ein Knecht gestanden und diese Szene mit angesehen. Als er herbeieilte, fand er den Pädagogen, den sein Schenkel schmerzte, noch da liegen; das Pferd war ebenfalls am Ort stehengeblieben und betrachtete verwundert das Resultat seines kleinen Mutwillens, der ihm sonst nur die Sporen und einen Peitschenhieb einzutragen pflegte. Der Knecht ergriff es mit leichter Mühe beim Zaum und half dem unglücklichen Reiter auf die Beine. Der arme kleine Mann hinkte am Arm seines Retters nach der Meierei, aber trotz seiner Schmerzen wollte er sich doch nur eine kleine Rast gönnen und dann den Versuch, das Volksfest zu erreichen, erneuern. Die Leute des Gehöfts aber machten ihn darauf aufmerksam, daß er im glücklichsten Falle den Zug bereits auf dem Rückwege antreffen werde, da um diese Zeit die Feier wohl schon vorüber sein und die Dorfbewohner sich zum Aufbruch rüsten würden. Diese Mitteilung versetzte den armen Pädagogen, der sich also vergebens aufgeopfert, in tiefe Niedergeschlagenheit, und er willigte schweigend in jeden Vorschlag, den ihm seine Pfleger machten. Die Leute fürchteten wohl, daß ihm ein neuer Unfall zustoßen könne, wo Hilfe nicht so nahe wäre; der Professor sollte daher so lange auf dem Meierhof ausruhen, bis der Zug ankäme und ihn mit sich fortführte.
So fand ihn der Zug der anderen. Der Pädagog hatte sich zwar keinen Schaden zugefügt, obwohl er noch immer hinkte und den schmerzenden Teil seines Körpers rieb. Aber die Hauptsache, welche den kleinen Mann trostlos machte, war der Gedanke, das Volksfest versäumt zu haben.
»Ah, – mein junger Freund«, erwiderte er auf das teilnehmende Befragen des Studenten, »ich habe mich nicht verletzt, körperlich wenigstens nicht, aber mein Geist leidet darunter, daß ich diese schöne Gelegenheit zu volkstümlichen Studien verloren habe. Sie hätten mich auch ernstlicher aus meinem Schlafe heraustreiben sollen, und wenn Ihnen das nicht möglich schien, … denn das Fleisch ist schwach«, seufzte er, »so hätten Sie mich meinetwegen schlafend auf den Wagen packen können. Wenn ich selbst einen Schlaf der Siebenschläfer geschlafen und während der ganzen Feier im Walde fortgeschlafen hätte, es würde mich der bloße Gedanke, bei einem Volksfest gewesen zu sein, für alle Wirklichkeit entschädigt haben. Und jetzt, – oh! – ich bin zum Spott der Leute und meiner Knaben geworden!« Max beruhigte ihn und versprach ihm eine getreue Schilderung der Feier, womit sich der kleine Mann endlich zufriedenzugeben schien. Es ward beschlossen, das Reitpferd neben den Wagenpferden anzubinden, den Professor aber auf den Wagen, auf den Stamm des Maibaums zu setzen. Somit brach der Zug wieder auf.
»Es ist gut, es steht mir vor Augen, als ob ich dabei gewesen wäre«, sagte der Pädagog erfreut über die Schilderung, welche ihm Max während des Weiterziehens zu geben suchte, und der er mit vorgebeugtem Leibe von seinem Sitz aus zuhörte. »Und auf der Anhöhe war es, wo wir uns neulich trafen? Auch die Lokalität steht mir vor Augen, ich werde einen vortrefflichen Artikel daraus spinnen können.«
»Ja, Herr Professor, auf der Anhöhe war es«, erwiderte Max mit mutwilligem Lächeln; »wissen Sie aber auch, woher der Sage nach diese Anhöhe entstanden ist?«
»Ah! Sie haben eine Volkssage über die Entstehung jener Anhöhe?« rief der Pädagog, indem er ihm ohne Rücksicht auf seinen schmerzenden Teil mit einer raschen Bewegung näher zu kommen suchte und bei dem Ruck einen leisen Wehruf ausstieß; »ah! Sie wissen … heraus damit! – Wollen Sie mich denn foltern?«
»Nun, – es ist schnell erzählt, – vielleicht auch nicht einmal etwas Besonderes dabei«, entgegnete Max. »Zur Zeit, wo noch Riesen und heidnische Götter in dieser Gegend wohnten, soll einmal einer dieser Riesen eine schöne Königstochter entführt und, als er sich von den Rittern des Königs verfolgt sah, mit ungeheueren Felsblöcken nach ihnen geworfen haben. Eines dieser Felsstücke fiel auf die Köpfe von fünfhundert der verfolgenden Reiter, die darunter begraben wurden; das ist der Fels jener Anhöhe, und noch heute will man am Jahrestage des Ereignisses Stimmen und ein klirrendes Getöse dort unter der Erde gehört haben. Wahrscheinlich kämpfen dann die Geister der Ritter mit dem des Riesen; nur ist es schade, daß niemand den Jahrestag des Ereignisses kennt.« – »Das tut nichts! Das hat nichts zu bedeuten!« rief der Pädagog, »fahren Sie fort!«
»Das ist die ganze Geschichte«, lachte der andere; »der Riese zog mit der Königstochter weiter, wahrscheinlich nach Spanien oder einem andern Lande. Von ihm aber schreibt sich außerdem der Volkssage nach ein See her, den Sie mehrere Meilen landeinwärts finden werden; der Riese soll dort ein gewisses Bedürfnis befriedigt und in dem Felsboden diesen See gebildet haben.«
»Sehr gut!« sagte der Professor schmunzelnd, »diese Sage ist, wie ich gewiß weiß, bisher noch unbekannt, ich werde sie Lachmann mitteilen.« –
Der Zug hatte sich unterdessen dem Dorf genähert. Die Dorfjugend kam ihm entgegengelaufen und zog vor der Musik her, die jetzt wieder zu spielen begann. Im Dorfe selbst schlössen sich die Knaben des Pädagogen an, welche beim Anblick ihres Meisters, wie er auf dem Baum ritt, ein jubelndes, höhnisches Gelächter ausstießen. So gelangte der Zug nach dem Platz vor der Kirche, wo der Maibaum der Linde gegenüber aufgestellt werden sollte. –
Eine Stunde lang war Rastzeit, während welcher die Wanderer sich zerstreuten, um ihr Mittagsmahl einzunehmen und die älteren Leute zur weiteren Feier im Dorf abzuholen. Bei dem Baum blieb eine Wache zurück, welche für das Versäumnis ihres Herdes von allenthalben mit Speise und Trank entschädigt wurde. Auch die Knaben blieben dabei zurück, indem sie lärmend und erwartungsvoll sich hier die Zeit zu vertreiben suchten. Schon nach einer halben Stunde stellten sich einzelne des Zuges wieder ein, und allmählich kamen aus allen Hütten und Häusern die Abgesandten. Der Zug ordnete sich von neuem und bewegte sich in der früheren Weise mit klingendem Spiel der Runde nach durch das ganze Dorf. Erst als sie auf den Platz zurückkehrten, wurde zur Erhebung des Maibaumes geschritten.
Der grüne, bebänderte Kranz wurde unterhalb der Krone befestigt, der Stamm nach der Öffnung im Boden gerichtet und dann mit Stricken und Stangen emporgearbeitet. Während er noch in der weiten Öffnung schwankte, fielen unter Lärm und Zuruf auch schon die sicheren Schläge auf die Keile, welche ihn festhielten. Jetzt stand er da, schlank und stolz, die Bänder flatternd im Winde und mit leise rauschender Krone. Die Musik fiel ein, und das Jauchzen des ganzen gedrängten Kreises flog durch die Lüfte. Der Zug der früheren Wanderer machte dreimal die Runde um ihn, während die übrigen Dorfbewohner im weiteren Kreise standen. Dann hielt er still, die Musik begann einen Tanz zu spielen, und die Mädchen führten die Maikönigin unter den Festbaum. Einen Augenblick stand Lolo errötend an den Stamm gelehnt, während die Mädchen sich in den Kreis zurückzogen; dann schritt sie vor, ging einmal an den Reihen vorüber und reichte dann ihrem Vetter Max die Hand zum Tanze. Das Paar flog über den Plan, dann folgten ihnen die der übrigen Burschen und Mädchen.
»Ein schönes Paar, das!« murmelten einige der älteren Leute, als sie Max und Lolo nachsahen. »Bei denen ist die Prophezeihung, daß die Maiwahl auch ihre Herzenswahl sein werde, längst ausgemacht.«
»Ja, es ist aber eine andere, böse Vorbedeutung dabei geschehen«, lachte eine Stimme hinter ihnen. »Der Königin ist im Walde ihre Krone entfallen, und Blut ist auf ihrem Herzen.«
Als die Alten überrascht sich umblickten, sahen sie den Waldwärter Franz das Dorf langsam hinuntergehen nach der Gegend, wo Susannens Hütte stand.