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»Wir sind ihm endlich dicht auf den Fersen«, sagte Holmes, als wir zusammen über das Moor liefen. »Was hat der Kerl für Nerven! Wie er sich zusammengerissen hat angesichts des lähmenden Schocks, der ihn befallen haben musste, als er erkannte, dass ihm der falsche Mann zum Opfer gefallen war! Ich habe dir schon in London gesagt, Watson, und ich sage es dir jetzt wieder, dass wir niemals einen würdigeren Gegner gehabt haben.« |
"We're at close grips at last," said Holmes as we walked together across the moor. "What a nerve the fellow has! How he pulled himself together in the face of what must have been a paralyzing shock when he found that the wrong man had fallen a victim to his plot. I told you in London, Watson, and I tell you now again, that we have never had a foeman more worthy of our steel." |
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»Es tut mir Leid, dass er dich gesehen hat.« |
"I am sorry that he has seen you." |
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»Das hat es mir zuerst auch, aber es ließ sich nicht vermeiden.« |
"And so was I at first. But there was no getting out of it." |
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»Was für einen Einfluss auf seine Pläne wird es deiner Meinung nach haben, dass er von deiner Anwesenheit hier erfahren hat?« |
"What effect do you think it will have upon his plans now that he knows you are here?" |
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»Es könnte ihn dazu veranlassen, vorsichtiger zu sein oder aber sofort verzweifelte Maßnahmen zu ergreifen. Wie die meisten schlauen Verbrecher könnte auch er von seiner eigenen Schlauheit so überzeugt sein, dass er der Ansicht ist, uns vollständig getäuscht zu haben.« |
"It may cause him to be more cautious, or it may drive him to desperate measures at once. Like most clever criminals, he may be too confident in his own cleverness and imagine that he has completely deceived us." |
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»Warum sollten wir ihn nicht umgehend verhaften lassen?« |
"Why should we not arrest him at once?" |
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»Mein lieber Watson, du bist der geborene Mann der Tat. Dein Instinkt lässt dich immer zu energischen Maßnahmen greifen. Aber angenommen, wir hätten ihn heute Nacht verhaften lassen, wozu um alles in der Welt sollte das gut sein? Wir hätten keinerlei Beweis gegen ihn in der Hand. Darin liegt doch die teuflische Schlauheit! Hätte er einen menschlichen Handlanger gedungen, könnten wir vielleicht eine Zeugenaussage erlangen, aber wenn wir auch diesen großen Hund ans Tageslicht zerren könnten, würde es uns doch nicht helfen, die Schlinge um den Hals seines Herrn zu legen.« |
"My dear Watson, you were born to be a man of action. Your instinct is always to do something energetic. But supposing, for argument's sake, that we had him arrested to-night, what on earth the better off should we be for that? We could prove nothing against him. There's the devilish cunning of it! If he were acting through a human agent we could get some evidence, but if we were to drag this great dog to the light of day it would not help us in putting a rope round the neck of its master." |
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»Mit Sicherheit haben wir es hier aber mit einem Verbrechen zu tun.« |
"Surely we have a case." |
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»Nicht die Spur eines Verbrechens – nur Annahmen und Mutmaßungen. Das Gericht würde uns auslachen, wenn wir mit solch einer Geschichte und solchen Beweisen ankämen.« |
"Not a shadow of one – only surmise and conjecture. We should be laughed out of court if we came with such a story and such evidence." |
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»Da ist der Tod von Sir Charles.« |
"There is Sir Charles's death." |
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»Tot aufgefunden ohne jede äußere Verletzung. Du und ich, wir beide wissen, dass er vor schierem Entsetzen starb, und ebenso wissen wir, was ihn so erschreckte; aber wie sollen wir zwölf sture Geschworene dazu bringen, dies zu glauben? Was für Spuren eines Hundes gibt es denn? Wo sind die Abdrücke seiner Reißzähne? Natürlich ist uns klar, dass ein Hund keine Leiche beißt und dass Sir Charles tot war, bevor das Untier ihn erreichte. Doch all das müssen wir beweisen, und dazu sind wir momentan nicht in der Lage.« |
"Found dead without a mark upon him. You and I know that he died of sheer fright, and we know also what frightened him; but how are we to get twelve stolid jurymen to know it? What signs are there of a hound? Where are the marks of its fangs? Of course we know that a hound does not bite a dead body and that Sir Charles was dead before ever the brute overtook him. But we have to prove all this, and we are not in a position to do it." |
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»Und was ist mit heute Nacht?« |
"Well, then, to-night?" |
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»Auch heute Nacht sind wir nicht besser dran. Wieder gibt es keine direkte Verbindung zwischen dem Hund und dem Tod des Mannes. Wir haben den Hund nie gesehen. Wir hörten ihn; aber wir können nicht beweisen, dass er dem Mann auf den Fersen war. Es gibt absolut kein Motiv. Nein, mein lieber Freund, wir müssen uns mit der Tatsache abfinden, dass zum jetzigen Zeitpunkt kein beweisbares Verbrechen vorliegt, dass es sich jedoch lohnt, jedes Risiko einzugehen, damit ein Verbrechen geschieht.« |
"We are not much better off to-night. Again, there was no direct connection between the hound and the man's death. We never saw the hound. We heard it; but we could not prove that it was running upon this man's trail. There is a complete absence of motive. No, my dear fellow; we must reconcile ourselves to the fact that we have no case at present, and that it is worth our while to run any risk in order to establish one." |
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»Und wie stellst du dir das vor?« |
"And how do you propose to do so?" |
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»Ich hege große Hoffnung, dass Mrs. Laura Lyons etwas für uns tun wird, wenn sie über den Stand der Dinge aufgeklärt wird. Außerdem habe ich noch einen eigenen Plan. Wir haben für heute genug Schlimmes erlebt; doch ich hoffe, dass ich die Oberhand gewinne, bevor der morgige Tag vorüber ist.« |
"I have great hopes of what Mrs. Laura Lyons may do for us when the position of affairs is made clear to her. And I have my own plan as well. Sufficient for to-morrow is the evil thereof; but I hope before the day is past to have the upper hand at last." |
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Mehr konnte ich aus ihm nicht herausbekommen, und so lief er in Gedanken versunken bis zum Tor von Baskerville Hall. |
I could draw nothing further from him, and he walked, lost in thought, as far as the Baskerville gates. |
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»Kommst du mit hinauf?« |
"Are you coming up?" |
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»Ja, ich sehe keinen Grund für weitere Geheimniskrämerei. Doch eins noch, Watson. Erzähle Sir Henry nichts von dem Hund. Er soll glauben, dass Seldens Tod genau so war, wie Stapleton uns glauben machen wollte. Er wird dann bessere Nerven haben für die Prüfung, die ihm bevorsteht, denn wenn ich mich richtig an deinen Bericht erinnere, wird er morgen mit diesen Leuten zu Abend essen.« |
"Yes; I see no reason for further concealment. But one last word, Watson. Say nothing of the hound to Sir Henry. Let him think that Selden's death was as Stapleton would have us believe. He will have a better nerve for the ordeal which he will have to undergo to-morrow, when he is engaged, if I remember your report aright, to dine with these people." |
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»Und ich ebenfalls.« |
"And so am I." |
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»Dann musst du dich entschuldigen und ihn allein gehen lassen. Das wird sicher leicht zu machen sein. So, und wenn wir auch zu spät zum Abendessen sind, glaube ich doch, dass wir beide uns ein nächtliches Souper verdient haben.« |
"Then you must excuse yourself and he must go alone. That will be easily arranged. And now, if we are too late for dinner, I think that we are both ready for our suppers." |
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Sir Henry war eher entzückt als überrascht, Sherlock Holmes zu sehen, denn er hatte schon seit einigen Tagen erwartet, dass die jüngsten Ereignisse ihn von London herlocken würden. Doch runzelte er die Stirn, als er sah, dass mein Freund weder irgendwelches Gepäck bei sich hatte noch eine Erklärung für dessen Fehlen. Ich half ihm mit dem Nötigsten aus, und bei einem späten Nachtmahl erzählten wir dem Baronet schließlich so viel von unseren Erlebnissen, wie er unserer Ansicht nach wissen sollte. Doch zuerst hatte ich die unangenehme Aufgabe, die Neuigkeiten Barrymore und seiner Frau beizubringen. Für ihn mag es eine richtige Erleichterung gewesen sein, aber seine Frau weinte bittere Tränen in ihre Schürze. Für alle anderen war er der Gewalttäter, halb Tier, halb Dämon, doch für sie blieb er immer der kleine eigensinnige Junge ihrer Kindheit, der sich an ihre Hand geklammert hatte. Wehe dem Mann, um den nicht wenigstens eine Frau trauert. |
Sir Henry was more pleased than surprised to see Sherlock Holmes, for he had for some days been expecting that recent events would bring him down from London. He did raise his eyebrows, however, when he found that my friend had neither any luggage nor any explanations for its absence. Between us we soon supplied his wants, and then over a belated supper we explained to the baronet as much of our experience as it seemed desirable that he should know. But first I had the unpleasant duty of breaking the news to Barrymore and his wife. To him it may have been an unmitigated relief, but she wept bitterly in her apron. To all the world he was the man of violence, half animal and half demon; but to her he always remained the little wilful boy of her own girlhood, the child who had clung to her hand. Evil indeed is the man who has not one woman to mourn him. |
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»Seit Watson heute Morgen das Haus verlassen hat, bin ich den ganzen Tag über trübsinnig hin und her gelaufen«, sagte der Baronet. »Ich denke, jetzt habe ich mir einige Anerkennung verdient, da ich mein Versprechen gehalten habe. Wenn ich nicht geschworen hätte, keinesfalls allein hinaus zu gehen, hätte ich einen unterhaltsameren Abend verleben können, denn ich bekam eine Nachricht von Stapleton, der mich zu sich einlud.« |
"I've been moping in the house all day since Watson went off in the morning," said the baronet. "I guess I should have some credit, for I have kept my promise. If I hadn't sworn not to go about alone I might have had a more lively evening, for I had a message from Stapleton asking me over there." |
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»Ich bezweifle nicht, dass Sie einen unterhaltsameren Abend verlebt hätten«, sagte Holmes trocken. »Sie werden es wohl kaum zu schätzen wissen, dass wir schon Ihren Tod durch gebrochenes Genick beklagt haben.« |
"I have no doubt that you would have had a more lively evening," said Holmes drily. "By the way, I don't suppose you appreciate that we have been mourning over you as having broken your neck?" |
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Sir Henry blickte auf. »Wie bitte?« |
Sir Henry opened his eyes. "How was that?" |
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»Dieser arme Halunke trug Ihre Kleider. Ich fürchte, das könnte Ihrem Butler, der ihm die Sachen gab, Ärger mit der Polizei eintragen.« |
"This poor wretch was dressed in your clothes. I fear your servant who gave them to him may get into trouble with the police." |
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»Das ist unwahrscheinlich. Soweit ich weiß, sind sie nicht gekennzeichnet.« |
"That is unlikely. There was no mark on any of them, as far as I know." |
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»Dann hat er Glück gehabt – oder Sie alle haben Glück gehabt, da niemand von Ihnen in dieser Affäre auf der richtigen Seite des Gesetzes stand. Ich frage mich, ob es als verantwortungsbewusster Detektiv nicht meine vordringlichste Aufgabe wäre, alle Hausbewohner zu verhaften. Watsons Berichte sind äußerst belastende Dokumente.« |
"That's lucky for him – in fact, it's lucky for all of you, since you are all on the wrong side of the law in this matter. I am not sure that as a conscientious detective my first duty is not to arrest the whole household. Watson's reports are most incriminating documents." |
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»Aber was ist mit unserem Fall?« fragte der Baronet. »Haben Sie irgendwelche Fäden entwirren können? Ich weiß nicht, ob Watson und ich so sehr viel schlauer geworden sind, seit wir hierher kamen.« |
"But how about the case?" asked the baronet. "Have you made anything out of the tangle? I don't know that Watson and I are much the wiser since we came down." |
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»Ich glaube in der Lage zu sein, Ihnen die Situation in Kürze erklären zu können. Es war eine äußerst schwierige und komplizierte Angelegenheit. Immer noch gibt es ein paar ungeklärte Punkte – aber auf jeden Fall werden wir sie noch lösen.« |
"I think that I shall be in a position to make the situation rather more clear to you before long. It has been an exceedingly difficult and most complicated business. There are several points upon which we still want light – but it is coming all the same." |
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»Wir hatten ein schlimmes Erlebnis, von dem Watson Ihnen bestimmt erzählt hat. Auf dem Moor haben wir den Hund gehört, so dass ich beschwören kann, dass es sich nicht um bloßen Aberglauben handelt. In Amerika hatte ich mit Hunden zu tun und erkenne sie daher, wenn ich sie höre. Wenn Sie diesen hier an die Leine legen und ihm einen Maulkorb verpassen, bin ich bereit zu beeiden, dass Sie der größte Detektiv aller Zeiten sind.« |
"We've had one experience, as Watson has no doubt told you. We heard the hound on the moor, so I can swear that it is not all empty superstition. I had something to do with dogs when I was out West, and I know one when I hear one. If you can muzzle that one and put him on a chain I'll be ready to swear you are the greatest detective of all time." |
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»Ich gehe davon aus, dass ich diesen an die Leine lege und ihm einen Maulkorb verpasse, sofern Sie mir dabei zur Hand gehen.« |
"I think I will muzzle him and chain him all right if you will give me your help." |
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»Was immer Sie verlangen, ich werde es tun.« |
"Whatever you tell me to do I will do." |
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»Sehr gut, und ich verlange auch, dass Sie es blindlings tun, ohne nach den Gründen zu fragen.« |
"Very good; and I will ask you also to do it blindly, without always asking the reason." |
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»Ganz wie Sie wünschen.« |
"Just as you like." |
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»Wenn Sie das tun, halte ich die Chance, unser kleines Problem zu lösen, für groß. Ich bezweifle nicht...« |
"If you will do this I think the chances are that our little problem will soon be solved. I have no doubt – –" |
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Er unterbrach sich plötzlich und starrte gebannt über meinen Kopf hinweg. Die Lampe schien direkt in sein Gesicht, welches so starr und aufmerksam war, als ob es einer klassischen Statue gehörte, die Personifizierung von Wachsamkeit und Erwartung. |
He stopped suddenly and stared fixedly up over my head into the air. The lamp beat upon his face, and so intent was it and so still that it might have been that of a clear-cut classical statue, a personification of alertness and expectation. |
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»Was ist los?« riefen wir beide. |
"What is it?" we both cried. |
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Als er seinen Blick senkte, merkte ich, dass er eine innere Bewegung zu unterdrücken suchte. Seine Gesichtszüge blieben ruhig, doch seine Augen funkelten vor Verzückung. |
I could see as he looked down that he was repressing some internal emotion. His features were still composed, but his eyes shone with amused exultation. |
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»Entschuldigen Sie die Bewunderung eines Kenners«, sagte er und wies mit der Hand auf die Reihe von Gemälden, die an der gegenüber liegenden Wand hingen. »Watson wird nicht zugeben, dass ich irgend etwas von Kunst verstehe, aber das ist reiner Neid, denn unsere Ansichten sind äußerst verschieden. Nun, Sie haben da eine wirklich ansehnliche Sammlung von Portraits.« |
"Excuse the admiration of a connoisseur," said he as he waved his hand towards the line of portraits which covered the opposite wall. "Watson won't allow that I know anything of art, but that is mere jealousy, because our views upon the subject differ. Now, these are a really very fine series of portraits." |
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»Es freut mich, dass Sie das sagen«, antwortete Sir Henry und schaute meinen Freund überrascht an. »Ich will nicht behaupten, viel von diesen Dingen zu verstehen, und ein Pferd oder einen jungen Ochsen kann ich sicherlich besser beurteilen als ein Gemälde. Erstaunlich, dass Sie für solche Dinge Zeit finden.« |
"Well, I'm glad to hear you say so," said Sir Henry, glancing with some surprise at my friend. "I don't pretend to know much about these things, and I'd be a better judge of a horse or a steer than of a picture. I didn't know that you found time for such things." |
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»Ich erkenne Qualität, wenn ich sie sehe, und jetzt sehe ich sie. Ich könnte schwören, dass es sich hier um einen Kneller handelt, diese Dame dort in blauer Seide, und der stämmige Herr mit der Perücke sollte wohl ein Reynolds sein. Ich vermute, es sind alles Familienporträts?« |
"I know what is good when I see it, and I see it now. That's a Kneller, I'll swear, that lady in the blue silk over yonder, and the stout gentleman with the wig ought to be a Reynolds. They are all family portraits, I presume?" |
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»Jedes einzelne.« |
"Every one." |
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»Kennen Sie ihre Namen?« |
"Do you know the names?" |
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»Barrymore hat mich trainiert, so kann ich wohl sagen, dass ich meine Lektion einigermaßen gelernt habe.« |
"Barrymore has been coaching me in them, and I think I can say my lessons fairly well." |
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»Wer ist der Herr mit dem Teleskop?« |
"Who is the gentleman with the telescope?" |
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»Das ist Konteradmiral Baskerville, der unter Rodney in Westindien stationiert war. Der Mann im blauen Mantel mit der Papierrolle ist Sir William Baskerville, Ausschussvorsitzender im Unterhaus zur Zeit von Pitt.« |
"That is Rear-Admiral Baskerville, who served under Rodney in the West Indies. The man with the blue coat and the roll of paper is Sir William Baskerville, who was Chairman of Committees of the House of Commons under Pitt." |
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»Und dieser Kavalier mir gegenüber – der im schwarzen Samt mit den Spitzen?« |
"And this Cavalier opposite to me – the one with the black velvet and the lace?" |
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»Ah, Sie haben ein Recht darauf, ihn kennen zu lernen. Das ist die Ursache allen Übels, der bösartige Hugo, der den Hund der Baskervilles ins Leben rief. Ihn werden wir nie vergessen.« |
"Ah, you have a right to know about him. That is the cause of all the mischief, the wicked Hugo, who started the Hound of the Baskervilles. We're not likely to forget him." |
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Ich betrachtete das Porträt mit Interesse und ein wenig überrascht. |
I gazed with interest and some surprise upon the portrait. |
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»Du liebe Güte«, sagte Holmes, »er sieht wie ein ruhiger und manierlicher Mann aus, doch ich wage zu behaupten, dass da etwas Teuflisches in seinem Blick lauert. Ich hatte ihn mir kräftiger und wüster vorgestellt.« |
"Dear me!" said Holmes, "he seems a quiet, meek-mannered man enough, but I dare say that there was a lurking devil in his eyes. I had pictured him as a more robust and ruffianly person." |
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»Über die Echtheit besteht kein Zweifel, denn auf der Rückseite der Leinwand stehen der Name und das Jahr 1647.« |
"There's no doubt about the authenticity, for the name and the date, 1647, are on the back of the canvas." |
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Holmes sprach danach kaum noch etwas, aber das Bild des alten Wüstlings schien eine große Faszination auf ihn auszuüben, und während des ganzen Essens weilte sein Blick auf ihm. Erst später, nachdem Sir Henry sich zurückgezogen hatte, war es mir möglich, seine Gedanken zu verstehen. Er führte mich zurück in den Bankettsaal, in den Händen die Kerze aus seinem Zimmer, und beleuchtete damit das im Lauf der Jahrhunderte nachgedunkelte Porträt. |
Holmes said little more, but the picture of the old roysterer seemed to have a fascination for him, and his eyes were continually fixed upon it during supper. It was not until later, when Sir Henry had gone to his room, that I was able to follow the trend of his thoughts. He led me back into the banqueting-hall, his bedroom candle in his hand, and he held it up against the time-stained portrait on the wall. |
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»Was fällt dir daran auf?« |
"Do you see anything there?" |
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Ich betrachtete den breiten Federhut, die gelockten Haare, den weißen Spitzenkragen und das gerade, strenge Antlitz dazwischen. Es hatte keinen brutalen Ausdruck, doch war es spröde, hart und finster, mit einem festen, dünnlippigen Mund und kalten, unbarmherzigen Augen. |
I looked at the broad plumed hat, the curling love-locks, the white lace collar, and the straight, severe face which was framed between them. It was not a brutal countenance, but it was prim, hard, and stern, with a firm-set, thin-lipped mouth, and a coldly intolerant eye. |
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»Erinnert es dich an jemanden, den du kennst?« |
"Is it like anyone you know?" |
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»Das Kinn hat etwas von Sir Henry.« |
"There is something of Sir Henry about the jaw." |
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»Vielleicht nur eine Ahnung. Doch warte einen Moment.« Er stellte sich auf einen Stuhl, hielt das Licht in seiner Linken und legte seinen rechten Arm so, dass er den breiten Hut und die Ringellocken abdeckte. |
"Just a suggestion, perhaps. But wait an instant!" He stood upon a chair, and, holding up the light in his left hand, he curved his right arm over the broad hat and round the long ringlets. |
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»Gütiger Himmel!« rief ich erstaunt aus. |
"Good heavens!" I cried, in amazement. |
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Das Gesicht von Stapleton starrte mir von der Leinwand entgegen. |
The face of Stapleton had sprung out of the canvas. |
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»Ha, jetzt erkennst du es. Meine Augen sind darauf trainiert, Gesichter zu untersuchen und nicht das Drumherum. Eine der hervorragendsten Eigenschaften eines Detektivs sollte die Fähigkeit sein, Verkleidungen zu durchschauen.« |
"Ha, you see it now. My eyes have been trained to examine faces and not their trimmings. It is the first quality of a criminal investigator that he should see through a disguise." |
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»Aber das ist ja unglaublich. Es könnte sein Porträt sein.« |
"But this is marvellous. It might be his portrait." |
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»Ja, es handelt sich hier um eine interessante Vererbungsvariante, die sich sowohl physisch als auch geistig durchzusetzen scheint. Wenn du Familienporträts studierst, könnte das allein schon genügen, dich zu einem Anhänger der Wiedergeburt zu machen. Der Mann ist ein Baskerville – das ist offensichtlich.« |
"Yes, it is an interesting instance of a throwback, which appears to be both physical and spiritual. A study of family portraits is enough to convert a man to the doctrine of reincarnation. The fellow is a Baskerville – that is evident." |
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»Mit Absichten hinsichtlich der Erbfolge.« |
"With designs upon the succession." |
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»Genau. Der Zufall dieses Bildes hat uns eines der wesentlichen fehlenden Verbindungsstücke geliefert. Wir haben ihn, Watson, wir haben ihn, und ich möchte darauf wetten, dass er noch vor morgen Nacht so hilflos wie einer seiner Schmetterlinge in unserem Netz zappeln wird. Eine Nadel, ein Korken, ein Schild, und wir fügen ihn unsere Baker-Street-Sammlung hinzu!« Er brach in einen seiner seltenen Lachanfälle aus und kehrte sich von dem Bild ab. Nicht oft habe ich ihn lachen hören, und jedes Mal bedeutete es Böses für jemanden. |
"Exactly. This chance of the picture has supplied us with one of our most obvious missing links. We have him, Watson, we have him, and I dare swear that before to-morrow night he will be fluttering in our net as helpless as one of his own butterflies. A pin, a cork, and a card, and we add him to the Baker Street collection!" He burst into one of his rare fits of laughter as he turned away from the picture. I have not heard him laugh often, and it has always boded ill to somebody. |
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Obwohl ich am nächsten Morgen zeitig aufstand, war Holmes doch noch früher auf den Beinen, denn als ich mich ankleidete, sah ich ihn die Einfahrt heraufkommen. |
I was up betimes in the morning, but Holmes was afoot earlier still, for I saw him as I dressed, coming up the drive. |
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»Ja, wir werden heute wohl einen ausgefüllten Tag haben«, meinte er und rieb seine Hände voller Tatendrang. »Alle Netze sind aufgespannt, die Jagd kann beginnen. Noch bevor der Tag vorüber ist, werden wir wissen, ob wir unseren fetten Hecht gefangen haben oder ob er uns durch die Maschen gegangen ist.« |
"Yes, we should have a full day to-day," he remarked, and he rubbed his hands with the joy of action. "The nets are all in place, and the drag is about to begin. We'll know before the day is out whether we have caught our big, lean-jawed pike, or whether he has got through the meshes." |
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»Bist du schon auf dem Moor gewesen?« |
"Have you been on the moor already?" |
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»Ich habe von Grimpen aus einen Bericht nach Princetown über den Tod von Selden geschickt. Ich glaube versprechen zu können, dass niemand von euch in dieser Sache Ärger bekommen wird. Außerdem habe ich mich mit meinem treuen Cartwright in Verbindung gesetzt, der sonst wahrscheinlich auf der Schwelle meiner Hütte ausgeharrt hätte wie ein Hund auf dem Grab seines Herrn, wenn ich ihn nicht über meine augenblickliche Situation beruhigt hätte.« |
"I have sent a report from Grimpen to Princetown as to the death of Selden. I think I can promise that none of you will be troubled in the matter. And I have also communicated with my faithful Cartwright, who would certainly have pined away at the door of my hut, as a dog does at his master's grave, if I had not set his mind at rest about my safety." |
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»Was ist der nächste Zug?« |
"What is the next move?" |
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»Sir Henry aufsuchen. Ah, da ist er!« |
"To see Sir Henry. Ah, here he is!" |
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»Guten Morgen, Holmes«, sagte der Baronet. »Sie sehen aus wie ein General, der mit seinem Stabschef die Schlacht vorbereitet.« |
"Good morning, Holmes," said the baronet. "You look like a general who is planning a battle with his chief of the staff." |
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»Dies entspricht genau der Situation. Watson fragte gerade nach meinen Befehlen.« |
"That is the exact situation. Watson was asking for orders." |
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»Das tue ich auch.« |
"And so do I." |
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»Sehr gut. Soweit ich informiert bin, sind Sie für heute Abend zum Essen mit den Stapletons verabredet.« |
"Very good. You are engaged, as I understand, to dine with our friends the Stapletons to-night." |
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»Ich hoffe, Sie leisten uns Gesellschaft. Es sind sehr gastfreundliche Menschen und ich bin sicher, sie würden sich über Ihren Besuch sehr freuen.« |
"I hope that you will come also. They are very hospitable people, and I am sure that they would be very glad to see you." |
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»Ich fürchte, Watson und ich müssen nach London fahren.« |
"I fear that Watson and I must go to London." |
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»Nach London?« |
"To London?" |
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»Ja, meiner Ansicht nach sind wir beim augenblicklichen Stand der Dinge dort mehr von Nutzen.« |
"Yes, I think that we should be more useful there at the present juncture." |
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Das Gesicht des Baronet wurde spürbar länger. |
The baronet's face perceptibly lengthened. |
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»Ich hoffte, Sie würden mir in dieser Angelegenheit beistehen. Baskerville Hall und das Moor sind keine sonderlich amüsanten Orte, wenn man allein ist.« |
"I hoped that you were going to see me through this business. The Hall and the moor are not very pleasant places when one is alone." |
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»Mein lieber Sir Henry, Sie müssen mir vorbehaltlos vertrauen und aufs Genauste tun, was ich Ihnen sage. Richten Sie ihren Freunden aus, dass wir ihrer Einladung mit Vergnügen gefolgt wären, doch dringende Angelegenheiten erforderten unsere Anwesenheit in der Stadt. Wir hoffen, baldmöglichst nach Devonshire zurückkehren zu können. Werden Sie daran denken, diese Nachricht zu übermitteln?« |
"My dear fellow, you must trust me implicitly and do exactly what I tell you. You can tell your friends that we should have been happy to have come with you, but that urgent business required us to be in town. We hope very soon to return to Devonshire. Will you remember to give them that message?" |
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»Wenn Sie darauf bestehen.« |
"If you insist upon it." |
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»Ich versichere Ihnen, es gibt keine Alternative.« |
"There is no alternative, I assure you." |
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Der umwölkten Stirn des Baronets war deutlich anzusehen, dass er uns für Deserteure hielt und tief verletzt war. |
I saw by the baronet's clouded brow that he was deeply hurt by what he regarded as our desertion. |
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»Wann wünschen Sie abzureisen?« fragte er kühl. |
"When do you desire to go?" he asked coldly. |
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»Unmittelbar nach dem Frühstück. Wir werden nach Coombe Tracey fahren, aber Watson wird seine Sachen hier lassen als Pfand für seine Rückkehr. Watson, du wirst Stapleton eine Nachricht senden, dass du es sehr bedauerst, nicht kommen zu können.« |
"Immediately after breakfast. We will drive in to Coombe Tracey, but Watson will leave his things as a pledge that he will come back to you. Watson, you will send a note to Stapleton to tell him that you regret that you cannot come." |
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»Ich hätte größte Lust, mit Ihnen nach London zu fahren«, sagte der Baronet. »Warum soll ich hier allein bleiben?« |
"I have a good mind to go to London with you," said the baronet. "Why should I stay here alone?" |
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»Weil es Ihre Pflicht ist, auf dem Posten zu bleiben. Weil Sie mir Ihr Wort gaben, genau das zu tun, was ich sage, und ich befehle Ihnen zu bleiben.« |
"Because it is your post of duty. Because you gave me your word that you would do as you were told, and I tell you to stay." |
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»Also gut, ich bleibe.« |
"All right, then, I'll stay." |
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»Und noch eine wichtige Anweisung: Ich wünsche, dass Sie mit der Kutsche nach Merripit House fahren, diese dann aber nach Baskerville Hall zurückschicken mit der Bemerkung, dass Sie beabsichtigen, zu Fuß zurückzukehren.« |
"One more direction! I wish you to drive to Merripit House. Send back your trap, however, and let them know that you intend to walk home." |
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»Zu Fuß über das Moor zu laufen?« |
"To walk across the moor?" |
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»Ja.« |
"Yes." |
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»Aber genau das nicht zu tun, darauf haben Sie immer gedrungen!« |
"But that is the very thing which you have so often cautioned me not to do." |
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»Dieses Mal können Sie es gefahrlos tun. Hätte ich nicht so viel Vertrauen in Ihre Nervenstärke und Ihren Mut, würde ich es nicht vorschlagen, aber es ist entscheidend, dass Sie es tun.« |
"This time you may do it with safety. If I had not every confidence in your nerve and courage I would not suggest it, but it is essential that you should do it." |
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»Dann werde ich mich daran halten.« |
"Then I will do it." |
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»Und wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist, so gehen Sie nicht in beliebiger Richtung durch das Moor, sondern nehmen ausschließlich den direkten Weg, der von Merripit House zur Grimpen Road führt und Ihr natürlicher Heimweg ist.« |
"And as you value your life do not go across the moor in any direction save along the straight path which leads from Merripit House to the Grimpen Road, and is your natural way home." |
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»Ich werde genau das tun, was Sie sagen.« |
"I will do just what you say." |
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»Sehr gut. Es wäre mir lieb, wir würden so früh wie möglich nach dem Frühstück aufbrechen, damit wir London am Nachmittag erreichen.« |
"Very good. I should be glad to get away as soon after breakfast as possible, so as to reach London in the afternoon." |
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Ich war recht erstaunt über Holmes' Pläne, doch erinnerte ich mich, dass er Stapleton gegenüber in der Nacht zuvor erwähnt hatte, sein Besuch hier würde am folgenden Tag enden. Ich war jedoch bislang nicht auf den Gedanken gekommen, dass ich mit ihm fahren sollte, noch konnte ich verstehen, warum keiner von uns beiden da bleiben sollte in einem Augenblick, den er selbst als äußerst kritisch bezeichnet hatte. Es blieb mir jedoch nichts anderes übrig, als vorbehaltlos zu gehorchen. Wir verabschiedeten uns daher von unserem untröstlichen Freund, und einige Stunden später befanden wir uns am Bahnhof von Coombe Tracey, nachdem wir den Wagen heimgeschickt hatten. Ein kleiner Junge erwartete uns auf dem Bahnsteig. |
I was much astounded by this programme, though I remembered that Holmes had said to Stapleton on the night before that his visit would terminate next day. It had not crossed my mind, however, that he would wish me to go with him, nor could I understand how we could both be absent at a moment which he himself declared to be critical. There was nothing for it, however, but implicit obedience; so we bade good-bye to our rueful friend, and a couple of hours afterwards we were at the station of Coombe Tracey and had dispatched the trap upon its return journey. A small boy was waiting upon the platform. |
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»Irgendwelche Aufträge, Sir?« |
"Any orders, sir?" |
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»Nimm diesen Zug nach London, Cartwright. Sobald du angekommen bist, schickst du ein Kabel an Sir Henry Baskerville unter meinem Namen und bittest ihn, falls er das Notizbuch findet, das ich vergessen habe, möge er es per Einschreiben in die Baker Street schicken.« |
"You will take this train to town, Cartwright. The moment you arrive you will send a wire to Sir Henry Baskerville, in my name, to say that if he finds the pocket-book which I have dropped he is to send it by registered post to Baker Street." |
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»Jawohl, Sir.« |
"Yes, sir." |
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»Und frage in der Bahnhofspost, ob eine Nachricht für mich eingetroffen ist.« |
"And ask at the station office if there is a message for me." |
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Der Junge kam mit einem Telegramm zurück, das Holmes mir weiterreichte. Es lautete: »Kabel erhalten. Komme mit Blanko-Haftbefehl. Ankunft fünf Uhr vierzig. Lestrade.« |
The boy returned with a telegram, which Holmes handed to me. It ran: "Wire received. Coming down with unsigned warrant. Arrive five-forty. – LESTRADE." |
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»Eine Antwort auf mein Telegramm von heute Morgen. Ich halte ihn für den besten Berufspolizisten und wir brauchen vielleicht seine Unterstützung. Nun, Watson, meiner Ansicht nach können wir unsere Zeit kaum besser verbringen, als unsere Freundin Laura Lyons zu besuchen.« |
"That is in answer to mine of this morning. He is the best of the professionals, I think, and we may need his assistance. Now, Watson, I think that we cannot employ our time better than by calling upon your acquaintance, Mrs. Laura Lyons." |
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Langsam wurde mir sein Schlachtplan klar. Mit Hilfe des Baronets wollte er die Stapletons davon überzeugen, dass wir wirklich abgereist waren, während wir in Wirklichkeit zur rechten Zeit, wenn er uns brauchte, zurückkehren würden. Falls Sir Henry das Telegramm aus London den Stapletons gegenüber erwähnte, würde dies ihre letzten Zweifel zerstreuen. Schon schienen sich die Netze enger um unseren Fang zu ziehen. |
His plan of campaign was beginning to be evident. He would use the baronet in order to convince the Stapletons that we were really gone, while we should actually return at the instant when we were likely to be needed. That telegram from London, if mentioned by Sir Henry to the Stapletons, must remove the last suspicions from their minds. Already I seemed to see our nets drawing closer around that lean-jawed pike. |
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Mrs. Laura Lyons befand sich in ihrem Büro, und Sherlock Holmes begann die Unterhaltung mit einer Offenheit und Direktheit, die sie erstaunte. |
Mrs. Laura Lyons was in her office, and Sherlock Holmes opened his interview with a frankness and directness which considerably amazed her. |
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»Ich untersuche die Umstände, die zum Tode des seligen Sir Charles Baskerville führten«, sagte er. »Mein Freund Dr. Watson hat mich darüber informiert, was Sie ihm mitgeteilt haben, und ebenso, was Sie in dieser Angelegenheit verschwiegen haben.« |
"I am investigating the circumstances which attended the death of the late Sir Charles Baskerville," said he. "My friend here, Dr. Watson, has informed me of what you have communicated, and also of what you have withheld in connection with that matter." |
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»Was soll ich verschwiegen haben?« fragte sie herausfordernd. |
"What have I withheld?" she asked defiantly. |
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»Sie haben zugegeben, dass Sie Sir Charles darum baten, um zehn Uhr am Tor zu sein. Wir wissen, dass dies Ort und Zeit seines Todes waren. Sie haben jedoch verschwiegen, welcher Zusammenhang zwischen diesen Ereignissen besteht.« |
"You have confessed that you asked Sir Charles to be at the gate at ten o'clock. We know that that was the place and hour of his death. You have withheld what the connection is between these events." |
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»Es gibt keinen Zusammenhang.« |
"There is no connection." |
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»In diesem Fall muss es sich um einen außerordentlichen Zufall handeln. Doch meiner Ansicht nach wird es uns gelingen, einen Zusammenhang herzustellen. Ich möchte ganz offen mit Ihnen sein, Mrs. Lyons. Wir betrachten diesen Fall als Mord, und die Beweise belasten nicht nur Ihren Freund Mr. Stapleton, sondern ebenso seine Gattin.« |
"In that case the coincidence must indeed be an extraordinary one. But I think that we shall succeed in establishing a connection after all. I wish to be perfectly frank with you, Mrs. Lyons. We regard this case as one of murder, and the evidence may implicate not only your friend Mr. Stapleton, but his wife as well." |
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Die Dame sprang aus dem Stuhl auf. |
The lady sprang from her chair. |
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»Seine Gattin?« rief sie. |
"His wife!" she cried. |
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»Diese Tatsache ist längst kein Geheimnis mehr. Die Person, die sich als seine Schwester ausgibt, ist in Wirklichkeit seine Ehefrau.« |
"The fact is no longer a secret. The person who has passed for his sister is really his wife." |
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Mrs. Lyons hatte sich wieder hingesetzt. Ihre Hände umklammerten die Armlehnen ihres Stuhls so heftig, dass ihre rosafarbenen Fingernägel weiß geworden waren. |
Mrs. Lyons had resumed her seat. Her hands were grasping the arms of her chair, and I saw that the pink nails had turned white with the pressure of her grip. |
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»Seine Gattin!« sagte sie wieder. »Seine Gattin! Er ist kein verheirateter Mann!« |
"His wife!" she said again. "His wife! He is not a married man." |
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Sherlock Holmes zuckte die Achseln. |
Sherlock Holmes shrugged his shoulders. |
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»Beweisen Sie mir das! Beweisen Sie es mir! Und wenn Sie dazu in der Lage sind...« Das wütende Funkeln in ihren Augen sagte mehr als Worte. |
"Prove it to me! Prove it to me! And if you can do so –!" The fierce flash of her eyes said more than any words. |
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»Darauf war ich vorbereitet«, entgegnete Holmes und zog einige Papiere aus seiner Tasche. »Hier ist eine Fotografie des Paares, die vor vier Jahren in York aufgenommen wurde. Auf der Rückseite steht ›Mr. und Mrs. Vandeleur‹, aber Sie werden ihn ohne Mühe erkennen und seine Frau ebenfalls, wenn Sie sie vom Sehen her kennen. Dies hier sind drei Beschreibungen glaubwürdiger Zeugen von Mr. und Mrs. Vandeleur, die zu jener Zeit die Privatschule St. Oliver führten. Lesen Sie sie und sagen Sie mir dann, ob Sie noch an der Identität dieser Leute zweifeln.« |
"I have come prepared to do so," said Holmes, drawing several papers from his pocket. "Here is a photograph of the couple taken in York four years ago. It is indorsed 'Mr. and Mrs. Vandeleur,' but you will have no difficulty in recognizing him, and her also, if you know her by sight. Here are three written descriptions by trustworthy witnesses of Mr. and Mrs. Vandeleur, who at that time kept St. Oliver's private school. Read them and see if you can doubt the identity of these people." |
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Sie warf einen Blick darauf und schaute uns dann mit dem entschlossenen, starren Gesicht einer zu allem fähigen Frau an. |
She glanced at them, and then looked up at us with the set, rigid face of a desperate woman. |
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»Mr. Holmes, dieser Mann hat mich gebeten, ihn zu heiraten, sobald ich von meinem Ehemann geschieden bin. Dieser Schurke hat mich auf jede nur denkbare Weise betrogen. Niemals hat er auch nur ein wahres Wort zu mir gesprochen. Und warum – warum? Ich war der Ansicht, er habe alles um meinetwillen getan, doch jetzt erkenne ich, dass ich nur ein Werkzeug in seinen Händen gewesen bin. Warum sollte ich ihm gegenüber loyal bleiben, da er doch nie loyal zu mir war? Warum sollte ich ihn vor den Konsequenzen seiner Untaten schützen? Fragen Sie, was immer Sie wollen, ich werde nichts verschweigen. Eines aber schwöre ich Ihnen: Als ich den Brief geschrieben habe, hatte ich keinen Moment die Absicht, dem alten Herrn, der mein gütigster Freund war, Schaden zuzufügen.« |
"Mr. Holmes," she said, "this man had offered me marriage on condition that I could get a divorce from my husband. He has lied to me, the villain, in every conceivable way. Not one word of truth has he ever told me. And why – why? I imagined that all was for my own sake. But now I see that I was never anything but a tool in his hands. Why should I preserve faith with him who never kept any with me? Why should I try to shield him from the consequences of his own wicked acts? Ask me what you like, and there is nothing which I shall hold back. One thing I swear to you, and that is that when I wrote the letter I never dreamed of any harm to the old gentleman, who had been my kindest friend." |
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»Davon bin ich absolut überzeugt«, antwortete Holmes. »Der Bericht über die Ereignisse muss für Sie sehr schmerzhaft gewesen sein. Vielleicht ist es leichter für Sie, wenn ich Ihnen erzähle, was geschehen ist, und Sie können mich korrigieren, wenn mir ein gravierender Irrtum unterläuft. Sie haben diesen Brief im Auftrag von Stapleton geschrieben?« |
"I entirely believe you, madam," said Sherlock Holmes. "The recital of these events must be very painful to you, and perhaps it will make it easier if I tell you what occurred, and you can check me if I make any material mistake. The sending of this letter was suggested to you by Stapleton?" |
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»Er hat ihn mir diktiert.« |
"He dictated it." |
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»Ich vermute, als Grund hat er angegeben, Sie würden so von Sir Charles finanzielle Unterstützung für Ihre Scheidung erhalten.« |
"I presume that the reason he gave was that you would receive help from Sir Charles for the legal expenses connected with your divorce?" |
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»Genau.« |
"Exactly." |
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»Dann, nachdem Sie den Brief abgeschickt hatten, riet er Ihnen davon ab, die Verabredung einzuhalten.« |
"And then after you had sent the letter he dissuaded you from keeping the appointment?" |
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»Er sagte mir, es würde seine Selbstachtung verletzen, wenn ein anderer Mann mir zu diesem Zweck Geld geben würde, und obwohl er selbst arm sei, würde er seinen letzten Penny hergeben, um die Hindernisse zwischen uns aus dem Weg zu räumen.« |
"He told me that it would hurt his self-respect that any other man should find the money for such an object, and that though he was a poor man himself he would devote his last penny to removing the obstacles which divided us." |
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»Er scheint einen konsequenten Charakter zu besitzen. Danach haben Sie nichts mehr über die Sache gehört, bis Sie den Bericht über Sir Charles' Tod in der Zeitung lasen?« |
"He appears to be a very consistent character. And then you heard nothing until you read the reports of the death in the paper?" |
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»So war es.« |
"No." |
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»Und er ließ Sie schwören, nichts über Ihre Verabredung mit Sir Charles zu verraten.« |
"And he made you swear to say nothing about your appointment with Sir Charles?" |
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»Jawohl. Er sagte, dass sein Tod sehr geheimnisvoll sei und ich in Verdacht geriete, wenn die Tatsachen ans Licht kämen. Er hat mich so eingeschüchtert, dass ich schwieg.« |
"He did. He said that the death was a very mysterious one, and that I should certainly be suspected if the facts came out. He frightened me into remaining silent." |
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»Das ahnte ich. Aber Sie hatten einen Verdacht?« |
"Quite so. But you had your suspicions?" |
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Sie zögerte und schaute nach unten. |
She hesitated and looked down. |
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»Ich kannte ihn«, sagte sie. »Aber wäre er mir treu geblieben, hätte ich ihm ebenfalls Treue gewahrt.« |
"I knew him," she said. "But if he had kept faith with me I should always have done so with him." |
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»Meiner Meinung nach sind Sie glücklich aus der Sache herausgekommen«, sagte Holmes. »Sie hatten ihn in der Hand, er wusste es, und doch leben Sie noch. Einige Monate lang wandelten Sie einen gefährlichen Abgrund entlang. Wir müssen uns nun verabschieden, Mrs. Lyons, aber Sie werden mit Sicherheit in Kürze wieder von uns hören.« |
"I think that on the whole you have had a fortunate escape," said Sherlock Holmes. "You have had him in your power and he knew it, and yet you are alive. You have been walking for some months very near to the edge of a precipice. We must wish you good-morning now, Mrs. Lyons, and it is probable that you will very shortly hear from us again." |
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»Unser Fall rundet sich langsam ab und Rätsel auf Rätsel löst sich vor unseren Augen auf«, meinte Holmes, als wir auf den Expresszug aus London warteten. »Bald werde ich in der Lage sein, eines der einzigartigsten und sensationellsten Verbrechen der heutigen Zeit zusammenhängend zu erläutern. Studenten der Kriminalistik werden sich an vergleichbare Ereignisse aus Grodno im Jahr 1866 oder natürlich auch an die Anderson-Morde in Nord-Carolina erinnern, doch dieser Fall besitzt einige Charakteristika, die völlig einzigartig sind. Noch nicht einmal jetzt haben wir einen beweisbaren Fall gegen diesen gerissenen Mann in der Hand. Doch ich wäre sehr überrascht, wenn uns dies nicht gelingen würde, bevor wir heute Nacht zu Bett gehen.« |
"Our case becomes rounded off, and difficulty after difficulty thins away in front of us," said Holmes as we stood waiting for the arrival of the express from town. "I shall soon be in the position of being able to put into a single connected narrative one of the most singular and sensational crimes of modern times. Students of criminology will remember the analogous incidents in Godno, in Little Russia, in the year '66, and of course there are the Anderson murders in North Carolina, but this case possesses some features which are entirely its own. Even now we have no clear case against this very wily man. But I shall be very much surprised if it is not clear enough before we go to bed this night." |
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Der Eilzug aus London fuhr kreischend in den Bahnhof ein und ein kleiner, bulldoggenartiger Mann sprang aus einem Erster-Klasse-Abteil. Wir schüttelten uns gegenseitig die Hände und an der ehrfürchtigen Art, wie Lestrade meinen Gefährten ansah, erkannte ich sofort, dass er einiges gelernt hatte seit jenen Tagen, da sie das erste Mal zusammengearbeitet hatten. Ich erinnerte mich gut an den Spott, den der Mann der Tat über die Theorien meines zum Nachdenken neigenden Freundes gegossen hatte. |
The London express came roaring into the station, and a small, wiry bulldog of a man had sprung from a first-class carriage. We all three shook hands, and I saw at once from the reverential way in which Lestrade gazed at my companion that he had learned a good deal since the days when they had first worked together. I could well remember the scorn which the theories of the reasoner used then to excite in the practical man. |
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»Gute Neuigkeiten?« fragte er. |
"Anything good?" he asked. |
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»Das größte Ding seit Jahren«, sagte Holmes. »Wir haben zwei Stunden Zeit, bevor es losgeht. Wir könnten sie dazu nutzen, etwas zu essen, und dann, Lestrade, werden wir den Londoner Nebel aus ihrer Kehle vertreiben, indem Sie die reine Nachtluft von Dartmoor einatmen. Noch nie dort gewesen? Ah, gut, ich glaube nicht, dass Sie Ihren ersten Besuch je vergessen werden.« |
"The biggest thing for years," said Holmes. "We have two hours before we need think of starting. I think we might employ it in getting some dinner and then, Lestrade, we will take the London fog out of your throat by giving you a breath of the pure night air of Dartmoor. Never been there? Ah, well, I don't suppose you will forget your first visit." |