Fjodor M. Dostojewski
Das Gut Stepantschikowo und seine Bewohner
Fjodor M. Dostojewski

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VI

Vom weißen Ochsen und vom Komarinski-Tanz

Aber bevor ich die Ehre haben werde, dem Leser den soeben ins Zimmer getretenen Foma Fomitsch persönlich vorzustellen, halte ich es für unbedingt notwendig, einige Worte über Falalej zu sagen und zu erklären, was denn eigentlich Schreckliches dabei war, daß er den Komarinski getanzt und Foma Fomitsch ihn bei dieser vergnüglichen Beschäftigung erwischt hatte. Falalej war ein Leibeigener, seit seiner frühesten Jugend Waise und ein Patenkind der verstorbenen Frau meines Onkels. Der Onkel hatte ihn sehr gern. Aber schon allein dieser Umstand war völlig ausreichend, um Foma Fomitsch, nachdem er nach Stepantschikowo übergesiedelt war und meinen Onkel unter seine Fuchtel gebracht hatte, mit Haß gegen dessen Liebling Falalej zu erfüllen. Indes gefiel der Bursche auch der Generalin ganz besonders, und so blieb er denn trotz Foma Fomitschs Zorn bei der Herrschaft: darauf bestand die Generalin selbst, und Foma Fomitsch gab nach, bewahrte aber in seinem Herzen das Gefühl, daß er beleidigt sei (er hielt alles für eine Beleidigung), und rächte sich dafür an dem völlig unschuldigen Onkel bei jeder nur möglichen Gelegenheit. Falalej war von einer erstaunlichen Schönheit. Er hatte ein Mädchengesicht, das Gesicht eines schönen Bauernmädchens. Die Generalin verhätschelte und verwöhnte ihn, hielt ihn wert wie ein hübsches, seltenes Spielzeug, und es war schwer zu sagen, wen sie lieber hatte, ihren kleinen, kraushaarigen Hund Ami oder Falalej. Von seinem Anzug, der ihre Erfindung war, haben wir schon gesprochen. Die unverheirateten Damen gaben ihm Pomade, und der Friseur Kusma mußte ihm an den Festtagen Locken brennen. Dieser Bursche war ein merkwürdiges Geschöpf. Man konnte ihn nicht als einen völligen Idioten oder Verrückten bezeichnen; aber er war so naiv, offenherzig und einfältig, daß man ihn manchmal wirklich für schwachsinnig halten konnte. Wenn er etwas geträumt hatte, so ging er sogleich zu seiner Herrschaft, um es zu erzählen. Er mischte sich in das Gespräch der Herrschaft ein, unbekümmert darum, daß er sie unterbrach. Er erzählte dann derartige Dinge, die er der Herrschaft unter keinen Umständen hätte erzählen dürfen. Er vergoß die aufrichtigsten Tränen, wenn die gnädige Frau in Ohnmacht fiel oder wenn sein Herr gar zu sehr ausgescholten wurde. Bei jedem Unglück empfand er eine herzliche Teilnahme. Manchmal trat er auf die Generalin zu, küßte ihr die Hände und bat sie, sie möchte doch nicht böse sein, und die Generalin verzieh ihm großmütig diese Dreistigkeiten. Er war höchst weichherzig und gutmütig, sanft wie ein Lämmchen und fröhlich wie ein glückliches Kind. Vom herrschaftlichen Tisch bekam er immer etwas ab.

Er stand fortwährend hinter dem Stuhl der Generalin und hatte eine wahre Leidenschaft für Zucker. Gab man ihm ein Stück Zucker, so zerbiß er es sofort mit seinen kräftigen, milchweißen Zähnen, und ein unbeschreibliches Vergnügen glänzte in seinen munteren, blauen Augen und auf seinem ganzen schönen Gesicht.

Lange zürnte Foma Fomitsch; aber da er schließlich einsah, daß er mit seinem Zorn nichts erreichte, so entschied er sich auf einmal dafür, Falalejs Wohltäter zu werden. Nachdem er zuerst den Onkel dafür ausgescholten hatte, daß er sich nicht um die Bildung seines Gutsgesindes kümmere, beschloß er, unverzüglich den armen Burschen in der Moral, in guten Manieren und in Französisch zu unterweisen. »Wie!« sagte er zur Verteidigung seines absurden Gedankens (eines Gedankens, auf den übrigens auch noch andere Leute als Foma Fomitsch verfallen sind, was der Schreiber dieser Zeilen bezeugen kann), »wie! er ist immer um seine Herrin: nun denkt sie vielleicht einmal nicht daran, daß er kein Französisch versteht, und sagt etwa zu ihm: ›Donnez-moi mon mouchoir!‹ Da muß er auch in einem solchen Fall imstande sein, sich zurechtzufinden und sie zu bedienen!« Aber es stellte sich heraus, daß es nicht nur unmöglich war, dem guten Falalej Kenntnisse im Französischen beizubringen, sondern daß auch der Koch Andron, sein Onkel, der sich in uneigennütziger Weise Mühe gegeben hatte, ihn Russisch lesen und schreiben zu lehren, schon längst die Sache als hoffnungslos aufgegeben und die Fibel wieder weggelegt hatte. Falalej zeigte sich für Bücherwissen dermaßen unempfänglich, daß er schlechterdings nichts begriff. Ja, die Sache hatte noch eine weitere Folge. Die Gutsleute gaben Falalej den Spitznamen ›der Franzose‹, und der alte Gawrila, der verdienstvolle Kammerdiener meines Onkels, erkühnte sich, öffentlich den Nutzen des Erlernens der französischen Sprache zu leugnen. Das kam Foma Fomitsch zu Ohren, und höchlichst erzürnt zwang er seinen Widersacher Gawrila, selbst Französisch zu lernen. Daraus entwickelte sich die ganze Affäre mit dem französischen Unterricht, über die sich Herr Bachtschejew so geärgert hatte. Was den Unterricht in guten Manieren anlangte, so ging es damit noch schlechter: Foma war absolut nicht imstande, Falalej nach seinen Wünschen zu bilden; trotz des Verbots kam dieser jeden Morgen zu ihm, um ihm seine Träume zu erzählen, was Foma Fomitsch höchst unschicklich und allzu familiär fand. Aber Falalej blieb hartnäckig Falalej. Selbstverständlich wurde für all dies in erster Linie mein Onkel ausgescholten.

»Wissen Sie auch, wissen Sie auch, was er heute gemacht hat?« schrie Foma einmal; er hatte sich um der größeren Wirkung willen die Zeit ausgewählt, wo alle versammelt waren. »Wissen Sie wohl, Oberst, wohin Ihre systematische Verhätschelung geführt hat? Heute verschlang er ein Stück Pastete, das Sie ihm bei Tisch gegeben hatten, und wissen Sie, was er nachher sagte? Komm mal her, komm mal her, du Mensch ohne allen Anstand; komm mal her, du Idiot, du rotgesichtige Fratze! . . .«

Falalej kam näher; er weinte und wischte sich mit beiden Händen die Augen.

»Was hast du gesagt, als du deine Pastete verschlungen hattest? Wiederhole es vor aller Ohren!«

Falalej antwortete nicht und vergoß bittere Tränen.

»Dann werde ich es an deiner Statt sagen, wenn du es nicht tust. Du hast dich auf deinen unschicklich vollgestopften Bauch geklopft und dabei gesagt: ›Ich habe mich an Pastete satt gefressen wie Martyn an Seife!eine humoristische Redensart. (Anm. des Übersetzers) Ich bitte Sie, Oberst, gebraucht man denn solche Ausdrücke in gebildeter Gesellschaft und nun gar in den höchsten Kreisen? Hast du es gesagt oder nicht? Sprich!«

»Ja, ich ha-be es ge-sagt!« antwortete Falalej schluchzend.

»Nun, dann sage mir jetzt: ißt etwa Martyn Seife? Wo hast du eigentlich diesen Martyn gesehen, der Seife ißt? Sprich, gib mir eine Vorstellung von diesem phänomenalen Martyn!«

Stillschweigen.

»Ich frage dich«, fuhr Foma hartnäckig fort, »wer eigentlich dieser Martyn ist. Ich will ihn sehen, will seine Bekanntschaft machen. Nun, was ist er denn? Ein Registrator, ein Astronom, ein Dichter, ein Capitaine d'armes, ein Leibeigener – irgend etwas muß er doch sein. Antworte!«

»Ein Leib-eige-ner«, antwortete Falalej schließlich, während er immer noch weinte.

»Wessen Leibeigener? Wer ist seine Herrschaft?«

Aber Falalej wußte nicht zu sagen, wer Martyns Herrschaft sei. Selbstverständlich endete die Sache damit, daß Foma wütend aus dem Zimmer lief und schrie, man habe ihn beleidigt; die Generalin bekam einen Ohnmachtsanfall, und der Onkel verwünschte die Stunde seiner Geburt, bat alle um Verzeihung und ging den ganzen übrigen Tag in seiner eigenen Wohnung auf Zehenspitzen.

Unglücklicherweise traf es sich, daß Falalej gleich am nächsten Tage nach der Geschichte mit Martyn und der Seife, als er am Morgen Foma Fomitsch den Tee brachte und schon Martyn und das ganze gestrige Leid vergessen hatte, ihm mitteilte, er habe in der Nacht von einem weißen Ochsen geträumt. Das hatte gerade noch gefehlt! Foma Fomitsch geriet in eine unbeschreibliche Entrüstung, ließ sofort den Onkel rufen und begann, ihn für den unpassenden Traum, den ›sein‹ Falalej gehabt hatte, auszuschelten. Diesmal wurden strenge Maßregeln getroffen: Falalej wurde bestraft; er mußte in der Ecke knien. Es wurde ihm streng verboten, solche rohen, bäuerischen Träume zu haben. »Warum bin ich denn zornig?« sagte Foma. »Abgesehen davon, daß er nicht hätte wagen dürfen, mit seinen Träumen zu mir zu kommen und am allerwenigsten mit einem weißen Ochsen, abgesehen davon (das müssen Sie selbst zugeben, Oberst), was ist denn der weiße Ochse anderes als ein Beweis der Roheit, Unwissenheit und bäuerischen Denkweise Ihres ungehobelten Falalej? Wie die Gedanken, so die Träume. Habe ich es nicht vorhergesagt, daß nichts aus ihm werden wird und daß er nicht in der Umgebung der Herrschaft bleiben dürfe? Niemals, niemals wird es Ihnen gelingen, diese unverständige, plebejische Seele zu etwas Höherem, Poetischem zu entwickeln. Kannst du denn nicht«, fuhr er, an Falalej gewandt, fort, »kannst du denn nicht von etwas Feinem, Zartem, Edlem träumen, von irgendeiner Szene aus der guten Gesellschaft, zum Beispiel von Herren, welche Karten spielen, oder von Damen, die in einem schönen Garten spazierengehen?« Falalej versprach, in der nächsten Nacht bestimmt von Herren oder Damen, die in einem schönen Garten spazierengehen, zu träumen.

Als Falalej sich schlafen legte, bat er Gott unter Tränen darum und dachte lange darüber nach, wie er es anfangen müsse, um nicht von dem verdammten weißen Ochsen zu träumen. Aber die Hoffnungen der Menschen sind trügerisch. Beim Erwachen am anderen Morgen erinnerte er sich mit Schrecken daran, daß er wieder die ganze Nacht von dem verhaßten weißen Ochsen und keineswegs von einer in einem schönen Garten spazierengehenden Dame geträumt hatte. Diesmal waren die Folgen von besonderer Art. Foma Fomitsch erklärte mit aller Bestimmtheit, er glaube nicht an die Möglichkeit eines derartigen Zufalls, einer derartigen Wiederholung; er glaube vielmehr, daß Falalej absichtlich zu dieser Angabe von einem der Hausgenossen, vielleicht vom Oberst selbst, angestiftet sei, um ihn, Foma Fomitsch, zu ärgern. Es gab viel Geschrei, Vorwürfe und Tränen. Die Generalin wurde am Abend ganz krank; alle Bewohner des Hauses ließen die Köpfe hängen. Es blieb noch die schwache Hoffnung, daß Falalej in der nächsten, das heißt der dritten, Nacht jedenfalls von etwas aus der höheren Gesellschaft träumen werde. Aber wie groß war die allgemeine Entrüstung, als Falalej eine ganze Woche hintereinander jede Nacht, die Gott werden ließ, beständig von dem weißen Ochsen träumte, und nur von dem weißen Ochsen! Von der höheren Gesellschaft kam in seinen Träumen reinweg gar nichts vor.

Aber das Interessanteste war, daß Falalej gar nicht auf den Gedanken kam zu lügen, also einfach zu sagen, daß er nicht von dem weißen Ochsen geträumt habe, sondern beispielsweise von einer Kutsche, in welcher Foma Fomitsch und mehrere Damen gesessen hätten; und das hätte er doch um so eher tun können, als das Lügen in einer solchen Notlage nicht einmal eine so arge Sünde gewesen wäre. Aber Falalej war so wahrheitsliebend, daß er einfach nicht lügen konnte, selbst wenn er es gewollt hätte. Daher wiesen ihn auch die andern gar nicht auf dieses Mittel hin. Alle wußten, daß er sich im ersten Augenblick verraten und Foma Fomitsch ihn sogleich beim Lügen ertappen würde. Was war da zu tun? Die Lage des Onkels wurde unerträglich. Falalej war einfach unverbesserlich. Der arme Bursche wurde sogar mager vor Kummer. Die Haushälterin Malanja behauptete, er sei behext, und besprengte ihn aus einem Winkel mit Wasser. An dieser zweckmäßigen Operation beteiligte sich auch die mitleidige Praskowja Iljinitschna. Aber auch das half nichts. Nichts half!

»Hol ihn der Teufel, den verdammten Ochsen!« sagte Falalej zu den Hausgenossen. »Jede Nacht träume ich von ihm! Jedesmal bete ich am Abend: Möchte ich doch nicht von dem weißen Ochsen träumen; möchte ich doch nicht von dem weißen Ochsen träumen! Aber er ist doch immer wieder da, der verfluchte Ochse, und steht vor mir, groß, mit Hörnern und mit einer stumpfen Schnauze, u-u-u!«

Der Onkel war verzweifelt. Aber zum Glück schien Foma Fomitsch den weißen Ochsen auf einmal vergessen zu haben. Allerdings glaubte niemand, daß Foma Fomitsch einen so wichtigen Umstand wirklich vergessen könne. Alle nahmen voller Angst an, daß er den weißen Ochsen in der Hinterhand aufhebe und ihn bei der ersten besten Gelegenheit hervorholen werde. In der Folge zeigte es sich, daß Foma Fomitsch nicht in der Stimmung gewesen war, an den weißen Ochsen zu denken: er hatte andere Dinge vor und war von anderen Sorgen in Anspruch genommen; andere Pläne reiften in seinem regen, geschäftigen Kopfe. Dies war der Grund, weswegen er Falalej aufatmen ließ. Zugleich mit Falalej atmeten auch alle anderen auf. Der Bursche wurde wieder heiter und fing sogar an, das Vergangene zu vergessen; sogar der weiße Ochse begann sich immer seltener zu zeigen, obgleich er immer noch manchmal seine phantastische Existenz in Erinnerung brachte. Kurz, alles wäre gut gegangen, wenn es auf der Welt keinen Komarinski gegeben hätte.

Es muß bemerkt werden, daß Falalej vorzüglich tanzte; dies war seine Hauptfähigkeit, ja gewissermaßen seine Berufung; er tanzte mit Energie, mit unerschöpflicher Lust; und ganz besonders liebte er den Komarinski. Nicht daß ihm die unziemlichen und jedenfalls unerklärlichen Handlungen des in diesem Tanz dargestellten leichtsinnigen Bauern gefallen hätten; nein, den Komarinski zu tanzen gefiel ihm einzig und allein deswegen, weil den Komarinski zu hören und nicht nach seiner Musik zu tanzen für ihn einfach ein Ding der Unmöglichkeit war. Manchmal versammelten sich abends zwei, drei Diener und Kutscher, der Gärtner, welcher Geige spielte, und sogar einige Damen vom Gutsgesinde zu einem Kränzchen, irgendwo auf einem der abgelegensten Plätze des herrschaftlichen Grundstücks, möglichst weit von Foma Fomitsch entfernt; dann begannen Musik und Tanz, und zuletzt trat auch der Komarinski feierlich in seine Rechte. Das Orchester wurde von zwei Balalaiken, einer Gitarre, einer Geige und einem Tamburin, mit dem der Vorreiter Dmitri vortrefflich umgehen konnte, gebildet. Es war sehenswert, was dann mit Falalej vorging: er tanzte bis zur völligen Selbstvergessenheit, bis zur Erschöpfung seiner letzten Kräfte, angefeuert durch das Geschrei und Gelächter seines Publikums; er kreischte, schrie, lachte, klatschte in die Hände; er tanzte wie von einer fremden, unbegreiflichen Macht fortgerissen, der er nicht widerstehen konnte, und strengte sich hartnäckig an, mit dem immer schneller werdenden Tempo der wilden Melodie Schritt zu halten und in diesem Tempo mit den Hacken auf die Erde zu stampfen. Das waren für ihn Augenblicke wahrer Wonne; und alles wäre schön und gut gewesen, wenn das Gerücht vom Komarinski-Tanz nicht endlich auch Foma Fomitsch zu Ohren gekommen wäre.

Foma wurde starr vor Entrüstung und ließ sogleich den Oberst rufen.

»Ich wollte nur eines von Ihnen hören, Oberst«, begann Foma, »haben Sie sich geschworen, diesen unglücklichen Idioten vollständig zugrunde zu richten oder nicht? Im ersteren Fall ziehe ich mich sofort zurück; wenn Sie ihn aber nicht vollständig zugrunde richten wollen, so möchte ich . . .«

»Was gibt es denn? Was ist denn geschehen?« rief der Onkel erschrocken.

»Sie fragen noch, was geschehen ist? Wissen Sie denn nicht, daß er den Komarinski tanzt?«

»Na . . . was ist dabei?«

»Was dabei ist?« kreischte Foma. »Und das sagen Sie, sein Herr und gewissermaßen sein Vater! Aber haben Sie denn (was nach dieser Antwort zweifelhaft scheint) eine klare Vorstellung davon, was der Komarinski ist? Wissen Sie davon, daß dieses Lied einen greulichen Bauern darstellt, der in trunkenem Zustand eine höchst unmoralische Handlung plant? Wissen Sie, was dieser liederliche Kerl vorhat? Er hat die heiligsten Bande zerrissen und sozusagen mit seinen Bauernstiefeln darauf herumgetrampelt, die nur den Boden der Schenke zu betreten gewohnt sind. Verstehen Sie, daß Sie durch Ihre Antwort mein innerstes sittliches Gefühl beleidigt haben? Verstehen Sie, daß in Ihrer Antwort eine persönliche Beleidigung für mich liegt? Verstehen Sie das oder nicht?«

»Aber Foma . . . Es ist doch nur ein Lied, Foma . . .«

»Nur ein Lied! Und Sie schämen sich nicht, mir einzugestehen, daß Sie dieses Lied kennen, Sie, ein Mitglied des Adels, der Vater anständiger, unschuldiger Kinder und obendrein noch ein Oberst! Nur ein Lied! Aber ich bin davon überzeugt, daß dieses Lied auf Grund einer wahren Begebenheit verfaßt wurde! Nur ein Lied! Aber welcher anständige Mensch kann, ohne vor Scham zu vergehen, eingestehen, daß er dieses Lied kennt, daß er dieses Lied überhaupt jemals gehört hat? Wer kann das tun, wer?«

»Na, aber du selbst kennst es doch, Foma, wenn du so fragst«, antwortete der verlegene Onkel in seiner Herzenseinfalt.

»Wie! Ich kenne es? . . . Ich . . . ich . . . das heißt . . . Sie haben mich beleidigt!« schrie Foma auf einmal; er war vom Stuhl aufgesprungen und konnte vor Wut kaum reden.

Er hatte eine solch verblüffende Antwort nicht erwartet.

Ich unternehme es nicht, Foma Fomitschs Zorn zu schildern. Der Oberst wurde wegen seiner unschicklichen, schlagfertigen Antwort mit Schimpf und Schande von dem Antlitz des Wächters der Sittlichkeit verbannt. Aber seitdem stand Foma Fomitschs Entschluß fest, Falalej, wenn er den Komarinski tanzen würde, am Ort des Verbrechens zu fassen. Abends, wenn alle glaubten, daß er von irgendeiner ernsten Beschäftigung in Anspruch genommen sei, begab er sich mit Absicht heimlich in den Garten, ging um die Gemüsebeete herum und versteckte sich in den Hanfstauden, von wo in einiger Entfernung der freie Platz sichtbar war, auf dem die Tänze stattzufinden pflegten. Er stellte dem armen Falalej nach wie ein Jäger einem Stück Federwild und malte sich mit Genuß aus, wie er im Fall des Gelingens sämtliche Hausbewohner und ganz besonders den Oberst heruntermachen werde. Endlich wurden seine unermüdlichen Bemühungen von Erfolg gekrönt: er ertappte den Komarinski-Tänzer in flagranti! Danach wird man begreifen, warum der Onkel sich die Haare raufte, als er den weinenden Falalej erblickte und hörte, wie Widopljassow Foma Fomitsch anmeldete, der so unerwartet und in einem so heiklen Augenblick in eigener Person vor uns erschien.


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