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Die Tages- und Nachtstunde zu wissen, auch wenn die Sonne sich hinter Wolken verbarg oder der Mond nicht am Himmel stand, wurde Bedürfnis für die Menschheit, sobald sie eine gewisse Kulturstufe erreichte. So entstand schon in altersgrauer Zeit im Lande der Ägypter die Wasseruhr, wurde tausend Jahre hindurch verbessert und erhielt schließlich ein Räderwerk, das zu Zeigern führte.
Ein phantasievoller Kopf mag zuerst mit dem Gedanken gespielt haben, das Räderwerk durch ein sinkendes Gewicht anstelle des fließenden Wassers anzutreiben; ein unbekannt gebliebener Erfinder setzte die Idee in die Tat um, indem er in Gestalt eines gleichmäßig hin- und herschwingenden Waagbalkens die »Hemmung« schuf, durch welche der gleichmäßige Gang der reinen Räderuhr überhaupt erst möglich wurde. So muß die Geschichte der eigentlichen Uhrmacherkunst mit dem paradoxen Satz beginnen: »Die Hemmung war der große Fortschritt«.
Nach dem Schema: Antrieb des Räderwerkes durch ein Gewicht, Hemmung durch einen Waagbalken mit Lappenspindel wurden vom frühen Mittelalter an Turmuhren und später auch Wand- und Tischuhren gebaut. Die nächste Verbesserung fügte zu dem Gangwerk der Uhr noch ein Schlagwerk, so daß der Türmer die Stunden und Viertelstunden nicht mehr von Hand mit einem Hammer an einer Glocke anzuschlagen brauchte. Im vierzehnten Jahrhundert kam man schließlich dazu, für Tisch- und Wanduhren die Spannkraft einer stählernen Spiralfeder zum Antrieb der Räderwerke nutzbar zu machen. Als ältestes Beispiel dafür ist die Tischuhr des Herzogs Philipp des Guten von Burgund erhalten geblieben, die in ihrer äußeren Form als ein Prachtstück des damaligen Kunstgewerbes gelten darf.
Zunftmäßig gehörten die Uhrmacher bis tief in das sechzehnte Jahrhundert hinein zum Schlossergewerk, wo sie nach der Art der Arbeit und den dabei benützten Werkzeugen auch durchaus hinpaßten. Die große Wandlung wurde eingeleitet als Peter Henlein »Meister auf dem Schlosserwerk« zu Nürnberg um 1510 den kühnen Plan faßte, »ein klein orologium« zu schaffen, das man im Geldbeutel bei sich tragen könne, also eine Taschenuhr zu bauen. Genialer Erfindungsgeist und zähe, ein reichliches Jahrzehnt dauernde Entwicklungsarbeit waren vonnöten, um den Plan zu verwirklichen. Die »nürnberger Eylein« waren das Ergebnis solcher Mühe. So ist die Taschenuhr eine deutsche Erfindung und da sich nun der Todestag des Meisters, der sie der Welt schenkte, zum vierhundertsten Male jährt, geziemt es sich, seiner und seines Lebenswerkes zu gedenken.
Das soll durch das vorliegende Büchlein geschehen. Für den Verfasser galt es dabei, das Leben und Treiben in einer freien Reichsstadt zu Beginn eines neuen Zeitalters zu malen; jene Jahre wieder lebendig werden zu lassen, in denen das alte Deutsche Reich noch einmal zu voller Macht erblühte, und die Männer zu zeigen, die jener Zeit das Gepräge gaben; und schließlich auch noch darzustellen, wie das Erbe Meister Henleins, das für unser Land schon fast verloren schien, zurück gewonnen und weiter gemehrt wurde.
Als wertvollste Quelle stand dem Verfasser dafür das Buch »Peter Henlein – der Erfinder der Taschenuhr« von Albert Gümbel zur Verfügung, der in seiner Eigenschaft als Oberarchivar in Nürnberg in der Lage war, sämtliche den Meister Peter betreffenden Eintragungen in den Nürnberger Akten lückenlos zusammenzutragen. Ferner ist er dem Leiter der Meisterschule des deutschen Uhrmacherhandwerks in Glashütte, Oberstudiendirektor Dr. K. Giebel zu besonderem Dank verpflichtet, der ihn bei seiner Arbeit mit Rat und Tat unterstützt hat.