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Obwohl das Gericht ein freisprechendes Urteil gefällt hatte, wurde Dimitroff nicht freigelassen.
Das Gefängnisregime wurde nach dem Freispruch ungemein scharf. Nach kurzem Aufenthalt im Leipziger Gefängnis, wo sich Dimitroff bis zur Urteilsfällung befunden hatte, wurde er in das Berliner Gefängnis der Gestapo überführt.
Das Gefängnis der Gestapo war ein dunkles unterirdisches Verlies, das von der Außenwelt völlig isoliert war. Die fast lichtlosen, feuchten, schmalen und engen Zellen befanden sich in einem Keller. Die Gefangenen wurden in keinem Gefängnisbuch, in keiner Liste geführt und waren damit der absoluten Willkür der Kerkermeister ausgeliefert.
Alles sprach dafür, daß die faschistischen Machthaber ihre blutige Abrechnung mit Dimitroff vorbereiteten. Aber sie konnten es nicht wagen. Die Einkerkerung nach dem Freispruch, nach einer langen öffentlichen Gerichtsverhandlung, die von der ganzen Welt mit gespanntester Aufmerksamkeit verfolgt worden war, setzte die Weltöffentlichkeit in Bewegung.
Für Dimitroff begann nach dem Prozeß eine neue Periode des Kampfes.
Jenseits der Gefängnismauern entfaltete sich eine breite Kampagne der antifaschistischen Bewegung für die Befreiung des Helden des Leipziger Prozesses.
Am 15. Februar 1934 faßte die Sowjetregierung den Beschluß, Dimitroff die Sowjetstaatsbürgerschaft zu verleihen; dieser Beschluß spielte für die Befreiung Georgi Dimitroffs die entscheidende Rolle. In großer Hast wiesen die faschistischen Machthaber ihren Gefangenen am 27. Februar 1934 per Flugzeug aus.
Am Abend des 27. Februar 1934 traf Dimitroff in der Sowjetunion ein.
An den Herrn Präsidenten des IV. Strafsenats des Reichsgerichts, Dr. Bünger Auf diesen Brief erhielt Dimitroff keine Antwort.
Sehr geehrter Herr Präsident!
Ich möchte an meinen Brief vom 25. Dezember 1933 erinnern, wo ich Sie ersucht habe, anordnen zu wollen, daß mir eine Abschrift des Urteils im Wortlaut (inbegriffen der Begründung selbst) ausgefolgt werde.
Ich glaube, als freigesprochener Angeklagter das Recht zu haben, das Urteil zu besitzen. Das Urteil des Reichsgerichts ist ja, nachdem es öffentlich verkündet worden ist, kein Geheimnis mehr!
Hochachtungsvoll G. Dimitroff
Leipzig, 28. Dezember 1933
An den Herrn Polizeipräsidenten von Leipzig
Sehr geehrter Herr Präsident!
Am 23. Dezember, gleich nach der Verkündung des Urteils des Reichsgerichts, wurde mir Ihr Befehl ausgehändigt, wonach über mich »bis auf weiteres« Schutzhaft verhängt worden ist.
Da bis heute weder eine Anordnung über meine Freilassung noch die tatsächlichen Gründe für meine weitere Haft bekannt sind, erlaube ich mir, mich an Sie zu wenden und um Auskunft zu bitten:
1. Aus welchen Gründen ist diese Haft verhängt worden? 2. Wer trägt die Verantwortung für diese Maßnahme? 3. Wie lange wird diese Schutzhaft dauern? 4. An wen soll ich mich wenden, um die Aufhebung der verhängten Schutzhaft zu verlangen?
Als vom höchsten deutschen Gericht freigesprochener Ausländer glaube ich, daß ich berechtigt bin zu verlangen, mich unverzüglich nach der Tschechoslowakei oder nach Frankreich auszuweisen, wo die Möglichkeit meiner Rückkehr nach meiner Heimat, Bulgarien, geklärt werden kann. Wenn die Rückkehr momentan noch nicht möglich sein wird, dann will ich nach Moskau abreisen, wo ich auch früher als bulgarischer politischer Emigrant mit den Rechten eines sowjetrussischen Bürgers gelebt habe.
In Erwartung Ihrer baldigen Auskunft direkt an mich oder an meine Mutter und Schwester und in Erwartung der entsprechenden Anordnungen Ihrerseits
Hochachtungsvoll G. Dimitroff
P. S. Bei meiner Verhaftung am 9. März sind mir verschiedene Sachen, darunter auch 350 Mark und 10 Dollar, meine Privatbibliothek und zwei Reisekoffer beschlagnahmt worden.
Ich bitte, diese Sachen freizugeben und sie zu meiner Verfügung zu stellen.
4. Januar 1934
An den Herrn Polizeipräsidenten von Leipzig
Sehr geehrter Herr Polizeipräsident!
Da ich seit 10 Monaten keine Zeitungen aus meiner Heimat erhalten konnte, bitte ich Sie jetzt, nach der Beendigung des Prozesses, mir durch meine Schwester den Empfang der bulgarischen Zeitungen »Sname«, »Sarja«, »Slowo« (alle Regierungs- oder der Regierung nahestehende Zeitungen) genehmigen zu wollen.
Hochachtungsvoll
G. Dimitroff
An den Herrn Polizeipräsidenten von Leipzig
Sehr geehrter Herr Präsident!
Seit einigen Tagen konnten meine Mutter und Schwester mich nicht sprechen.
Die Gründe dafür und auf wessen Anordnung das geschehen ist, sind mir leider unbekannt.
Da aber die Ablehnung der Sprechstunde besonders für meine alte Mutter sehr schmerzhaft ist, bitte ich Sie, Herr Präsident, anordnen zu wollen, daß meine Mutter und Schwester mich wie früher besuchen können.
Angenommen, daß es jemandem notwendig erscheint, mich persönlich zu quälen, so ist es doch nicht angebracht, einer alten Frau, die so viel gelitten hat, durch solche Maßnahmen neue, ganz überflüssige Leiden zu bereiten.
30. Dezember 1933
An das Verteidigungskomitee für den Reichstagsbrandprozeß Paris 9 e, 5 rue du Cardinal Mercier
Nachdem ich im Reichstagsbrandprozeß freigesprochen bin, will ich nun endlich auch die Liquidierung meines Urteils wegen des Septemberaufstandes 1923 in Bulgarien unmittelbar auf die Tagesordnung stellen.
Daher habe ich heute an den Ministerpräsidenten Muschanoff das folgende Telegramm gerichtet:
»Ministerpräsident Muschanoff, Sofia
Da ich beabsichtige, wieder in meiner Heimat zu leben und mich politisch zu betätigen, wiederhole ich meine öffentliche Erklärung vor dem Reichsgericht, nämlich nach der Beendigung des Reichstagsbrandprozesses, zurückzukehren und für Liquidierung meiner Urteile wegen des Septemberaufstandes 1923 zu kämpfen. Verlange dafür freies Geleit, persönliche Sicherheit und Öffentlichkeit der Hauptverhandlung. Bitte um Entscheidung der Regierung.«
Gleichzeitig habe ich Dr. Djukmedjieff, Sofia, ersucht, wenn es ihm nur möglich ist, meine Vertretung in dieser Sache zu übernehmen.
Ich habe die hiesige zuständige Behörde ersucht, mich unverzüglich nach der Tschechoslowakei oder Frankreich auszuweisen, wo die Möglichkeit für meine Rückkehr nach Bulgarien geklärt werden kann, und wenn diese Rückkehr momentan noch nicht möglich sein sollte, dann will ich von dort nach Moskau abreisen, wo ich früher als bulgarischer politischer Emigrant mit den Rechten eines sowjetrussischen Bürgers gelebt habe.
Ich erwarte täglich die Klärung meiner Lage als vorübergehender Gefangener (nachdem ich von dem höchsten deutschen Gericht freigesprochen worden bin) und meine Ausweisung aus Deutschland.
Ich hoffe, daß das Komitee meinen Antrag an die bulgarische Regierung entsprechend unterstützen wird.
Berlin, 7. Februar 1934
An den Herrn Reichsinnenminister Dr. Frick
Sehr geehrter Herr Innenminister!
Seit der Urteilsverkündung im Reichstagsbrandprozeß sind schon anderthalb Monate verflossen, und wir, die drei freigesprochenen Bulgaren, sitzen immer noch im Gefängnis – in einer gesundheitsschädlichen und moralisch inquisitorischen Einzelhaft, fast hermetisch von der Außenwelt isoliert und wie lebendig begraben.
Mir ist z. B. nicht nur jede ausländische Zeitung verboten, sondern auch die bulgarischen Regierungszeitungen, die Zeitungen meines eigenen Landes. Bei der Besprechung mit meiner Mutter und Schwester dürfen diese mich nicht einmal über die Lage und die Ereignisse in Bulgarien informieren!
Eine authentische, offizielle Erklärung über die tatsächlichen Gründe für diese Haft ist mir bis heute nicht bekannt.
Meine an Sie adressierten Telegramme und Schreiben sind ohne Antwort geblieben.
Aus Andeutungen verschiedener Beamten aber kann man zu folgenden verschiedenen Erklärungen kommen:
1. Wir sollen in Haft bleiben, weil wir eine politische Gefahr für die Regierung darstellen.
2. Wir werden unserer persönlichen Sicherheit wegen in Schutzhaft behalten.
3. Wir sitzen noch im Gefängnis, weil die notwendigen Verhandlungen mit anderen Ländern wegen unserer Ausweisung nicht abgeschlossen sind.
Die erste Erklärung ist offenbar nicht ernst zu nehmen. Eine Regierung, die sich so stark fühlt, kann ja gar nicht durch Freilassung und Ausweisung dreier bulgarischer politischer Emigranten gefährdet werden.
Die zweite Erklärung ist grundlos, weil nicht anzunehmen ist, daß sich ein überzeugter Nationalsozialist finden würde, der auf eigene Initiative auf unschuldige ausländische Kommunisten einen Überfall unternehmen könnte.
Die dritte Erklärung ist schon durch die bloße Tatsache widerlegt, daß, wie feststeht, Polen bereit ist, uns das Transitvisum zu geben, und die Sowjetunion, uns als politische Emigranten aufzunehmen.
Und wenn trotz alledem diese Haft weiter dauert, dann kann sie unserer Meinung nach nur bezwecken – entweder uns langsam physisch und moralisch zu Krüppeln zu machen oder bei »passender« Gelegenheit uns durch »unverantwortliche« Elemente erledigen zu lassen.
Ich denke, daß die Regierung kein politisches Interesse daran haben kann, und erwarte deswegen täglich die Liquidierung unseres Falles durch eine baldige Ausweisung nach der Sowjetunion oder nach einem der Nachbarländer Deutschlands.
Sollte das unglücklicherweise nicht bald der Fall sein, dann bleibt mir – das muß ich offen sagen, nicht als Drohung, sondern als ein mir aufgezwungenes Dilemma – nichts übrig, als zum einzigen persönlichen Verteidigungsmittel unschuldiger Gefangener zu greifen und in den Hungerstreik zu treten. Meine Gesundheit und meine Geduldvorräte sind fast erschöpft. Lieber ein schreckliches Ende als ein Schrecken ohne Ende. Ich bin ja genau elf Monate in der furchtbaren Haft.
Hochachtungsvoll
G. Dimitroff
Am 15. Januar 1934 bekam Dimitroff von einer Gruppe sozialdemokratischer Arbeiter aus Wien einen Brief, der ihn unter Umgehung der Zensur im Gefängnis erreichte.
Karl Marx-Hof, Wien
15. Januar 1934
Liebe Freunde!
Ich habe heute Euren Freundesbrief vom 7. Dezember v. Js. erhalten und mit großer Freude und Dankbarkeit gelesen. Was meine Haltung vor Gericht anbetrifft, so war ich nur bestrebt, meine proletarische Pflicht zu erfüllen und meiner heroischen Klasse bis zum letzten treu zu bleiben.
Mit brüderlichem Kampfgruß
G. Dimitroff