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II.
Der Kampf während des Prozesses

Aufzeichnungen zur ersten Rede vor Gericht

Am 21. September begann vor dem »IV. Strafsenat des Reichsgerichts« in Leipzig der Reichstagsbrandprozeß. Bei den Gerichtsverhandlungen waren 82 Korrespondenten ausländischer und 12 Korrespondenten deutscher Zeitungen anwesend; den Korrespondenten kommunistischer, sozialistischer und selbst linksbürgerlicher Zeitungen wurde die Teilnahme nicht gestattet. Die Korrespondenten der Sowjetpresse wurden anfangs nicht zugelassen. Erst nachdem von der Sowjetregierung gegenüber deutschen Korrespondenten in der Sowjetunion Gegenmaßnahmen ergriffen worden waren, erhielten die Sowjetkorrespondenten die Möglichkeit, den Gerichtsverhandlungen beizuwohnen.

Da sich die faschistische Regierung von dem Prozeß eine propagandistische Wirkung versprach, wurden die ersten zwei Sitzungen durch den Rundfunk übertragen. Nach dem Auftreten Dimitroffs wurden diese Übertragungen am 23. September jedoch plötzlich eingestellt.

Bei Eröffnung der ersten Sitzung hielt der Gerichtsvorsitzende Bünger, entgegen der allgemeinen Gepflogenheit, eine Einführungsrede, in der er viel Mühe darauf verwandte, die Behauptungen des Internationalen Juristischen Untersuchungsausschusses und der Auslandspresse zu widerlegen, daß die faschistischen Behörden eine auf Fälschungen beruhende Anklage fabriziert und einen Provokationsprozeß inszeniert haben. Nach dem Gerichtsvorsitzenden trat der faschistische Rechtsanwalt Sack, der Verteidiger Torglers, mit einer weitschweifigen Erklärung gegen das »Braunbuch« auf. Die Ursache für dieses Auftreten von Bünger und Sack war die breite antifaschistische Kampagne, die sich zu dieser Zeit im Ausland gegen die Reichstagsbrandprovokation entfaltete. Zur Aufklärung des Reichstagsbrandes war ein Internationaler Untersuchungsausschuß organisiert worden. Es wurde das »Braunbuch« herausgegeben, das zahlreiche Dokumente enthielt, die den deutschen Faschismus überführten und dafür Zeugnis ablegten, daß Dimitroff und auch die Kommunistische Partei Deutschlands an der Reichstagsbrandstiftung völlig unbeteiligt waren. Diese Enthüllungen fanden große Aufmerksamkeit in periodischen Zeitschriften vieler Länder.

Das Gericht begann den Prozeß mit dem Aufruf von vier Zeugen, die speziell zur Widerlegung einiger Feststellungen des »Braunbuches« vorgeladen waren.

Die faschistischen Behörden feierten schon den Sieg und verkündeten großsprecherisch den Zusammenbruch der Kampagne, die sich im Ausland entfaltet hatte.

Am 23. September trat indessen ein schroffer Umschwung ein. An diesem Tage begann das Verhör Dimitroffs, der vom ersten Moment an als Ankläger gegen das Gericht, die faschistischen Behörden und das gesamte faschistische Regime auftrat.

Die »Prawda«, Moskau, schrieb damals über den begonnenen Prozeß: »So vergehen zwei Tage, am dritten aber geht der Prozeß krachend aus dem Geleise. Der aufgeschüttete Damm hält nicht mehr. Die ›Liste der handelnden Personen‹, die so lange vorbereiteten und aus dem Effeff auswendig gelernten Rollen sind in ein Nichts verflogen. Auf der Tribüne der Weltöffentlichkeit stehen der Gerichtsvorsitzende Bünger und der bulgarische Kommunist Dimitroff, und jeder vertritt seine Klasse, seine Welt, seine Partei, seine Moral... Der moralische Mut des Genossen Dimitroff macht einen tiefen Eindruck nicht nur auf die Millionenmassen der Proletarier in allen Ländern, wohin seine Stimme dringt, sondern auch in Deutschland selbst, wo die Presse der Henker nicht imstande ist, diese Stimme zu übertönen. Dieser moralische Mut ist der Ausdruck der politischen Kraft und der ganzen Persönlichkeit eines proletarischen Revolutionärs.

Dimitroff verteidigt sich nicht gegen die Beschuldigung der Reichstagsbrandstiftung. Er klagt das faschistische Gericht und die faschistischen Machthaber an...«

Selbst die deutsche Presse mußte zugeben, daß Dimitroffs Auftreten einen gewaltigen Eindruck auf die öffentliche Meinung in der ganzen Welt gemacht hat.

Die »Neue Leipziger Zeitung« schrieb, daß der Mensch, der stolz darauf ist, einen revolutionären Aufstand geführt zu haben, der jedem Bourgeois ins Gesicht schreit, daß er gegen ihn kämpft, der sich von jeder Sentimentalität befreit hat, den Beifall der bürgerlichen Korrespondenten des Auslandes findet.

Im folgenden geben wir die Aufzeichnungen wieder, die sich Dimitroff für seine erste vor Gericht gehaltene Rede gemacht hatte.

 

Geboren am 18. Juni 1882 zu Radomir bei Sofia

Realgymnasium in der vierten Klasse verlassen, bis 1904 als Schriftsetzer gearbeitet.

Sohn der Arbeiterklasse Bulgariens.

Erwachsen und erzogen in den Reihen der revolutionären Arbeiterbewegung (seit meinem 15. Lebensjahr bin ich in dieser Bewegung tätig).

Seit 30 Jahren Mitglied der bulgarischen KP (früher Partei der sogenannten »Engherzigen« – linke Sozial.).

Seit 21 Jahren Mitglied des ZK der KP Bulgariens.

Von 1904 bis 1923 Sekretär des Gew.-Bundes.

Von 1913 bis 1923 Abgeordneter der Partei aus Sofia im bulgarischen Parlament – auch Vertreter der Partei im Sofioter Gemeinderat, Sofioter Kreisrat (Landtag).

Gleichzeitig war ich als Redner und Schriftsteller der Partei tätig.

9. Juni 1923 – Militärputsch – Sturz der Regierung Stambolijski – Offiziere und mazedonische Terroristen, Patronat des Königs selbst; Sozialdem., ausl. Hilfe. –

Tausende und aber tausende Bauern, Arbeiter, Intellektuelle ermordet; Stambolijski ermordet.

Größte Parteien – Bauernbund und KP – aufgelöst.

Alle Rechte und Freiheiten der Volksmassen aufgehoben.

Militärfaschistisches Regime eingeführt.

Grenzenlose Entrüstung – Erhebung der Volksmassen unvermeidlich.

23. September – Aufstand der Arbeiter und Bauern unter Führung der KP gegen die Volkspeiniger und Machtusurpatoren, für die Arbeiter- und Bauernregierung.

An diesem Aufstand habe ich als Beauftragter meiner Partei aktiv und führend teilgenommen.

Nach einer Woche bewaffnetem Kampf war der Aufstand niedergeschlagen. Mit ungefähr tausend Mitkämpfern bin ich, Schritt um Schritt kämpfend, auf das jugoslawische Territorium übergetreten. Dort wurden wir anfangs als politische Gefangene und nachher als politische Emigranten behandelt.

Seither – genau 10 Jahre schon – lebe ich im Auslande als politischer Emigrant und politischer Schriftsteller – unangemeldet und unter falschem Namen, weil auch im Auslande durch meine Gegner mit dem Tode bedroht.

Einige Monate nach dem Septemberaufstand war ich in meiner Abwesenheit – wie damals die Presse mitgeteilt hat – zum Tode verurteilt worden. Ich habe mein Urteil nie zu Gesicht bekommen. Ich bin stolz auf den heroischen Aufstand!

Ich bedaure nur, daß ich und meine Partei damals noch nicht richtige Bolschewiki gewesen sind. Deswegen konnten wir diese geschichtliche Volkserhebung mit dem Proletariat an der Spitze nicht erfolgreich organisieren und führen.

Unsere unbolschewistische Organisierung, Politik und Taktik, das Fehlen der revolutionären Erfahrung und insbesondere unsere opportunistische, sogenannte neutrale Haltung am 9. Juni beim militärfaschistischen Umsturz haben den bulgarischen Volksmördern und Henkern, den Usurpatoren der Staatsmacht viel geholfen, den Aufstand der Massen niederzuschlagen.

Die Partei hat aber die blutige Lehre daraus gezogen und ausgewertet, und der Befreiungskampf der bulgarischen Arbeiter und Bauern, unter Führung der KP, durch die große Erfahrung des Septemberaufstandes beleuchtet, geht unbeugsam weiter zum endgültigen Sieg.

Um den Kommunismus auszurotten, haben die faschistischen Regierungsbanden unmittelbar nach dem Aufstande – und in zwei Jahren – über 20 000 Arbeiter, Bauern und Intellektuelle bestialisch ermordet. Auch mein Bruder wurde im Polizeigefängnis ermordet. Und trotzdem hat der Kommunismus in Bulgarien jetzt unvergleichlich tiefere und festere Wurzeln als im Jahre 1923 – bestimmt eine gute Warnung für alle eifrigen Ausrotter des Kommunismus in andren Ländern, für die verschiedenartigsten modernen Cervantes-Helden!

1. Oktober 1923 bin ich nach Wien abgereist.

Unterstützung für meine leidenden Kampfkameraden in Jugoslawien. Kampagne zur Verteidigung verfolgter und viehisch hingeschlachteter Klassengenossen in Bulgarien.

Hier habe ich auch das Parteiorgan »Arbeiter-Zeitung« drei Monate redigiert und herausgegeben.

Zwei Broschüren gegen den blutigen weißen Terror in Bulgarien in bulgarischer, deutscher und englischer Sprache veröffentlicht.

Im Frühjahr 1924 nach Moskau als politischer Emigrant und politischer Schriftsteller bis Ende 1926.

Im Jahre 1927 im Zusammenhang mit der bevorstehenden Amnestie wieder in Wien bis Herbst 1929. Ich wurde nicht amnestiert. Herausgabe der Parteizeitung »Komm. Fahne«, Verbindung mit einzelnen Parteizeitungen.

Seit Herbst 1929 nach Berlin übersiedelt – viel weniger bulgarische Emigranten und daher sicheres Inkognito.

Zwei längere Unterbrechungen: vom November 1929 bis Mai 1930. Von Dezember 1931 bis Juni 1932 in Sowjetrußland.

Im Zusammenhang mit dem letzten Amnestiegesetzentwurf Sommer 1932 bin ich speziell nach Berlin zurückgekommen, um die Amnestiekampagne persönlich zu organisieren.

Reisen nach Wien, Amsterdam, Paris.

In die deutsche Politik habe ich mich nicht eingemischt – keine Verbindung mit KPD. Das war für meine Arbeit nicht nötig.

Ich sage aber offen, wenn ich diese Verbindung für meine Arbeit gebraucht hätte, so hätte ich bestimmt Verbindungen mit der KPD gehabt.

Verbindung nur mit »Internationaler Pressekorrespondenz« wegen meiner Artikel.

Es ist wahr, daß ich ein Bolschewik, ein proletarischer Revolutionär bin. Ich muß proletarischer Revolutionär unterstreichen, weil jetzt eine verkehrte Zeit ist, wo sogar der deutsche Kronprinz sich als Revolutionär zu proklamieren pflegt, und es gibt auch solche verrückten »Revolutionäre« wie z. B. van der Lubbe!

Wahr ist auch, daß ich als Mitglied des ZK der bulgarischen KP und Mitglied der Exekutive der KI ein verantwortlicher und führender Kommunist bin.

Und ich bin gern bereit, für alle Beschlüsse, Dokumente und Handlungen meiner bulgarischen Partei und der KI volle Verantwortung zu tragen. Aber gerade deswegen bin ich kein terroristischer Abenteurer, kein Putschist und kein Brandstifter!

Es stimmt ferner vollkommen, daß ich für die proletarische Revolution und für die Diktatur des Proletariats bin. Ich bin fest überzeugt, daß das der einzige Ausweg und die Rettung aus der Wirtschaftskrise und Kriegskatastrophe des Kapitalismus ist.

Und der Kampf für die Diktatur des Proletariats und für den Sieg des Kommunismus ist zweifellos mein Lebensinhalt. Ich möchte noch wenigstens 20 Jahre für den Kommunismus leben und dann ruhig sterben. Aber gerade deswegen bin ich entschiedener Gegner der Methode des individuellen Terrors und des Putschismus. Und das nicht etwa aus sentimentalen Erwägungen und Humanität. In Übereinstimmung mit unserer leninistischen Lehre und mit den Beschlüssen und der Disziplin der KI, die das höchste Gesetz für mich und jeden wirklichen Kommunisten sind, bin ich gegen den individuellen Terror und putschistische Treibereien vom Standpunkt der revolutionären Zweckmäßigkeit, im Interesse der proletarischen Revolution und des Kommunismus selbst. Ich bin wirklich ein begeisterter Anhänger und Bewunderer der sowjetrussischen Kommunistischen Partei, weil diese Partei das größte Land der Welt, einen sechsten Teil der Erde regiert und mit unserem großen Führer Stalin an der Spitze so heldenhaft und erfolgreich den Sozialismus aufbaut.

Aber ich bin nie ein Abgesandter der sowjetrussischen KP in Deutschland gewesen, wie die Anklageschrift deuten will.

Meine einzige gesetzwidrige Handlung in Deutschland besteht darin, daß ich unangemeldet und unter falschem Namen gelebt habe.

Ich konnte aber leider nicht anders leben!

Mit der Reichstagsbrandstiftung habe ich absolut nichts – weder direkt noch indirekt – zu tun gehabt. Den Reichstagsbrandstifter van der Lubbe sehe ich hier in diesem Saal zum erstenmal. Als ich am 28. Februar frühmorgens im Zuge von München nach Berlin in den Zeitungen über den Reichstagsbrand las, war ich gleich der Meinung, daß die Ausführer dieser Tat entweder niederträchtige Provokateure oder geistig und politisch verrückte Leute sind, auf alle Fälle dem deutschen Proletariat und dem Kommunismus gegenüber Verbrecher gewesen sind.

Jetzt bin ich mehr geneigt anzunehmen, daß die Reichsbrandstiftung – dieses antikommunistische Unternehmen – durch einen Zweibund von Provokation und Verrücktheit entstanden sein muß.

Es war kaum ein schwererer Angriff auf meine revolutionäre, politische und persönliche Ehre möglich als der Verdacht und die Beschuldigung, daß ich an diesem volks- und kommunismusfeindlichen Verbrechen beteiligt gewesen bin. Mein Trost war und ist jetzt, daß meine bulgarischen Kampfbrüder, die Klassengenossen im Auslande, die revolutionären Proleten in Deutsehland und alle, die mich einigermaßen kennen, keinen Augenblick an meiner Unschuld zweifeln konnten! Ich kann ruhig sagen, daß ich mit der Reichstagsbrandstiftung ebensoviel zu tun gehabt habe wie zum Beispiel jeder ausländische Korrespondent in diesem Saale oder die Herren Richter selbst haben konnten.

Dabei möchte ich mit allem Nachdruck unterstreichen, daß ich gar keine, sogar keine zufällige, auch keine ganz entfernte Beziehung zu diesem Verbrechen gehabt habe.

Während der Voruntersuchung habe ich zwei schriftliche Erklärungen – am 20. März und am 30. Mai – abgegeben, wo fast alles Wesentliche zu meiner Verteidigung bereits gesagt worden ist.

Die Vernehmungsprotokolle dagegen habe ich nicht unterschrieben, weil sie unvollständig und tendenziös waren. Die ganze Voruntersuchung gegen mich wurde unter der Voraussetzung und mit der ausdrücklichen Absicht geführt, um jeden Preis trotz dagegen sprechender Tatsachen aus mir einen Reichstagsbrandstifter für das Reichsgericht zu fabrizieren, nachdem diese monatelange Voruntersuchung, nicht imstande war – wie das jetzt für mich klar ist –, die wirklichen Täter ausfindig zu machen.

 

25. September 1933

Briefe an den Rechtsanwalt Dr. Teichert und an den Senatspräsidenten

Erst bei Beginn des Prozesses erfuhr Dimitroff von der Tätigkeit des Londoner Komitees, das den Gegenprozeß organisiert hatte, von der im Ausland erfolgten Herausgabe des »Braunbuches«, von der umfassenden Tätigkeit des zum Kampf gegen die faschistische Provokation geschaffenen Pariser Komitees usw. Dem brieflichen Ersuchen Dimitroffs, ihm alle diese Materialien zu beschaffen, kam der Rechtsanwalt nicht nach, und das Gericht verweigerte die Aushändigung des »Braunbuches«.

 

25. September 1933

Herrn Dr. Paul Teichert, Rechtsanwalt, Leipzig

Sehr geehrter Herr Doktor!

Ich brauche von Ihnen folgende schriftliche Sachen oder Abschriften:

1. Die Erklärungen Görings nach der Reichstagsbrandstiftung für die deutsche und ausländische Presse.

2. Die offiziellen Mitteilungen über die Reichstagsbrandstiftung und über die Voruntersuchung.

3. Die wichtigsten Presseartikel über die Reichstagsbrandsache.

4. Den Pressebericht über den Prozeß gegen Drushelowski (russischen Weißgardisten) wegen der Fälschung politischer Dokumente sowie das Urteil in diesem Prozeß.

5. Den letzten Brief Brantings an den Oberreichsanwalt, der durch die deutsche Presse nicht wörtlich bekanntgegeben worden ist.

6. Das Communiqué der »Londoner Untersuchungskommission« über den Reichstagsbrand.

7. Das sogenannte » Braunbuch«.

8. Das Bulletin des Pariser »Verteidigungskomitees für den Reichstagsbrandprozeß«.

Hochachtungsvoll
G. Dimitroff

 

Berlin, den 8. Oktober 1933

An den Herrn Präsidenten des IV. Strafsenats des Reichsgerichts, Dr. Bünger

Sehr geehrter Herr Präsident!

Seit dem ersten Tage der Hauptverhandlung ist es oft vorgekommen, sowohl seitens der Vertreter der Anklage als auch seitens der Verteidigung, daß das sogenannte »Braunbuch« über die Reichstagsbrandsache zitiert und widerlegt wurde.

Mir ist unverständlich, wie es möglich ist, daß von dem Inhalt einer öffentlichen Publikation, die schon zum gewissen Gegenstand der Behandlung seitens der Reichsanwaltschaft und der Verteidigung geworden ist, die Angeklagten selbst keine Ahnung haben.

Als Angeklagter und Beteiligter an dem Reichstagsbrandprozeß bitte ich Sie, Herr Präsident, genehmigen zu wollen, daß dieses Buch durch den offiziellen Verteidiger der Bulgaren, Herrn Dr. Teichert, mir auf meine Kosten zugestellt wird.

Hochachtungsvoll
G. Dimitroff

Briefe an den Senatspräsidenten

Am 27. September wurde der Untersuchungsrichter Vogt, einer der verlogensten und niederträchtigsten faschistischen Beamten, der im Auftrage der faschistischen Machthaber die Rolle des Inquisitors spielte, als Zeuge vernommen. Zwischen Dimitroff und ihm kam es zu einem schweren Zusammenstoß. Das Gericht entzog Dimitroff das Wort.

Aus diesem Anlaß stellte Dimitroff den Antrag auf Zulassung des von ihm vorgeschlagenen Rechtsanwalts Willard. Das Gericht lehnte diesen Antrag ebenso wie alle früheren Anträge Dimitroffs auf Zulassung von Wahlverteidigern ab.

 

Leipzig, den 28. September 1933

An den Herrn Präsidenten des IV. Strafsenats des Reichsgerichts, Dr. Bünger

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich bedaure, daß es bei der Hauptverhandlung durch mein Auftreten schon einige Male zu unerwünschten Störungen und Zusammenstößen gekommen ist. Ich muß aber entschieden die Auslegung ablehnen, daß ich mein Fragerecht absichtlich zur Propaganda mißbraucht habe. Daraufhin, daß von der Reichsanwaltschaft mein Kopf verlangt wird, glaube ich als völlig unschuldiger Angeklagter das natürliche und gesetzliche Recht zu haben, mich mit allen mir zu Gebote stehenden Mitteln zu verteidigen.

Ich gebe zu, daß verschiedene Fragen meinerseits dem Zeitpunkt und der Form nach nicht immer richtig gestellt worden sind. Das aber läßt sich nur daraus erklären, daß ich mit dem deutschen Recht nicht vertraut bin. Ferner beteilige ich mich in meinem Leben zum erstenmal an einer solchen gerichtlichen Hauptverhandlung.

Hätte ich einen Wahlverteidiger gehabt, so hätte ich bestimmt solche für meine eigene Verteidigung nachteiligen Vorkommnisse zu vermeiden gewußt.

Ich erinnere aber daran, daß alle meine Anträge auf Wahlverteidiger (Rechtsanwälte Detscheff, Giafferi, Campinchi, Torrès, Grigoroff, Leo Gallagher und Dr. Lehmann-Saarbrücken) einer nach dem anderen, unter verschiedenen Begründungen, von dem Reichsgericht abgelehnt worden sind und dem Herrn Detscheff sogar – wie es scheint – eine Eintrittskarte verweigert worden ist.

Ich habe gegenüber Herrn Dr. Paul Teichert als Person und Rechtsanwalt kein persönliches Mißtrauen, aber ich kann hinsichtlich seiner Rolle als offizieller Verteidiger unter den heutigen Zuständen in Deutschland nicht das nötige Vertrauen haben und deswegen versuche ich mich selbst zu verteidigen, wobei ich bestimmt manchmal juristisch unrichtige Schritte mache.

Im Interesse meiner Verteidigung vor dem Reichsgericht sowie – glaube ich – auch im Interesse des normalen Verlaufes der Hauptverhandlung, wende ich mich noch einmal – und zum letztenmal – an das Reichsgericht mit der Bitte, dem von meiner Schwester neuerdings beauftragten Rechtsanwalt Herrn Marcel Willard die Erlaubnis zu erteilen, an meiner Verteidigung mitarbeiten zu dürfen.

Sollte bedauerlicherweise auch dieser mein letzter Antrag abgelehnt werden, dann bleibt mir nichts übrig, als mich, so wie ich es kann und wie ich es verstehe, selbst zu verteidigen.

Hochachtungsvoll
G. Dimitroff

Nach dem Auftreten Dimitroffs während der ersten Tage des Prozesses entfaltete die faschistische Presse eine wüste Hetz- und Verleumdungskampagne gegen die Angeklagten.

Dimitroff hatte zu dieser Zeit die Möglichkeit, nationalsozialistische Zeitungen zu lesen. Er sandte an den Senatspräsidenten und den Verteidiger einen schriftlichen Einspruch mit der Forderung, eine von ihm verfaßte Widerlegung der Lügen der faschistischen Presse in den Zeitungen zu veröffentlichen.

Das Gericht lehnte diese Forderung ab.

 

Leipzig, den 30. September 1933

An den Herrn Präsidenten des IV. Strafsenats des Reichsgerichts, Dr. Bünger

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den Reichstagsbrandprozeß,, wo leider viel Unrichtiges über meine Person sowie über meine Vernehmung am 23. September gesagt worden ist, bitte ich um Ihre Genehmigung, daß meine beiliegende Erklärung in der Zeitung »Leipziger Neueste Nachrichten« veröffentlicht wird und den anderen Berichterstattern bei dem Reichstagsbrandprozeß bekanntgemacht wird.

Ich habe diese Erklärung schon an den offiziellen Verteidiger Dr. Teichert geschickt mit der Bitte, Sorge für die Veröffentlichung der Erklärung tragen zu wollen.

(1 Beilage)

Hochachtungsvoll
G. Dimitroff

Beilage

 

Leipzig, den 30. September 1933

An die Redaktion der »Leipziger Neuesten Nachrichten«
Leipzig, Petersteinweg 19

In der Berichterstattung über den Reichstagsbrandprozeß ist in den »Leipziger Neuesten Nachrichten«, die ich Genehmigung zu lesen habe, über meine Person sowie über meine Vernehmung am 23. September d. J. leider viel Unrichtiges gesagt worden.

Da ich als Gefangener keine Möglichkeit habe alles und rechtzeitig zu berichtigen, so bitte ich die Redaktion, meine folgende kurze Erklärung veröffentlichen zu wollen:

1. Die Anklageschrift enthält u. a. die Behauptung über meine angebliche Verlobung auf Grund einer Verlobungskarte bei den Akten, einer Karte, die – wie der Herr Untersuchungsrichter, Reichsgerichtsrat Vogt, selbst in der Sitzung am 28. September berichtet hat – während der Voruntersuchung nicht geprüft und mir überhaupt nicht gezeigt worden ist. In diesem Zusammenhang hat Reichsgerichtsrat Vogt auch Andeutungen über meinen angeblich »großen weiblichen Bekanntenkreis« gemacht, die in einer mich diskreditierenden Weise ausgelegt werden können.

Obwohl ich außer meiner Partei und der Kommunistischen Internationale niemandem, auch dem Reichsgericht selbst, eine Rechenschaft über mein privates Leben schuldig bin, so beantrage ich, damit meine politische Verteidigung von persönlichen Momenten nicht beeinträchtigt wird, daß zur Untersuchung dieser Frage eine Kommission von deutschen und ausländischen Juristen und Journalisten eingesetzt wird. Diese Kommission soll auf Grund der Anklageschrift und aller vorhandenen Akten eine gründliche Nachprüfung meines privaten Lebens in Deutschland (die Verlobungsmärchen einbegriffen) vornehmen und ihre Ergebnisse in einem Communiqué der Öffentlichkeit bekanntgeben.

2. Ich wiederhole die von mir vor dem Reichsgericht schon abgegebene Erklärung, daß alle meine Vorstrafen in Bulgarien rein politischer Natur sind, daß die Urteile während eines Ausnahmezustandes in Bulgarien und in meiner Abwesenheit ausgesprochen worden sind und daß diese Urteile direkt und indirekt mit dem Massenaufstand im September 1923 im Zusammenhang stehen.

In dieser Frage erkläre ich vor dem Reichsgericht und vor der bulgarischen Regierung meine Bereitschaft, nach der Beendigung des Reichstagsbrandprozesses nach Bulgarien zurückzukehren (oder dorthin gebracht zu werden), um vor dem bulgarischen Gericht und vor dem bulgarischen Volk über meine ganze politische Tätigkeit in Bulgarien bis September 1923 sowie über meine Tätigkeit im Auslande seit 1923 bis 9. März 1933 (dem Tage meiner Verhaftung) volle Rechenschaft abzulegen. Dafür stelle ich nur eine einzige, ganz natürliche Bedingung: freie und öffentliche Verhandlung!

3. Zur Behauptung des Untersuchungsrichters, daß ich keine Verbesserungen in dem Vernehmungsprotokoll verlangt habe, erkläre ich, daß ich vor ihm stets betont habe, meine Angaben gebe ich schriftlich und für die Richtigkeit dieser Angaben trage ich die volle Verantwortung, dagegen lehne ich für seine Vernehmungsprotokolle jede Verantwortung ab. Ich nehme auch jetzt noch von meinen Erklärungen vom 20. März und 30. Mai nicht nur kein Wort, sondern auch kein Komma und keinen Punkt zurück!

G. Dimitroff

Dimitroffs Auftreten beantwortete das Gericht mit allen möglichen Repressalien. Am 6. Oktober 1933 wurde er aus dem Gerichtssaal entfernt, weil er in der Verhandlung unter Hinweis auf die unzulässigen Methoden, mit denen die Voruntersuchung geführt worden war, die Beamten der Polizei und der Untersuchungsorgane falscher Angaben überführt hatte. Am 11. Oktober wurde Dimitroff zum zweiten Male von den Verhandlungen ausgeschlossen. Dimitroff sandte darauf den hier veröffentlichten Brief, in dem er gegen das ungesetzliche Vorgehen des Gerichtshofs Protest erhob.

 

Berlin, den 12. Oktober 1933

An den Herrn Präsidenten des IV. Strafsenats des Reichsgerichts, Dr. Bünger

Sehr geehrter Herr Präsident!

Nachdem das Reichsgericht alle acht von mir beantragten Wahlverteidiger abgelehnt hat, blieb mir nichts übrig, als mich allein – so wie ich es kann und wie ich es verstehe – zu verteidigen. Dadurch bin ich gezwungen worden, in doppelter Eigenschaft vor dem Reichsgericht aufzutreten: erstens als Angeklagter Dimitroff und zweitens als Verteidiger des Angeklagten Dimitroff.

Ich gebe zu, daß ich sowohl als Angeklagter als auch als Selbstverteidiger unangenehm und unbequem für meine Ankläger und für ihre Auftraggeber bin. Ich kann aber nichts dafür. Nachdem die Anklagebehörden so unvorsichtig waren, mich ganz unschuldig als Ersatzreichstagsbrandstifter auf die Anklagebank vor das Reichsgericht zu setzen, müssen sie jetzt auch das Unangenehme für ihre Unvorsichtigkeit in Kauf nehmen. Sie haben den Brei gekocht, jetzt müssen sie den Brei auch essen. Ob er ihnen schmeckt oder nicht, ist nicht meine Sache; das interessiert mich gar nicht.

Vor dem Reichsgericht glaube ich als politischer Angeklagter zu stehen und nicht als Soldat in einer Kaserne oder als Kriegsgefangener im Konzentrationslager.

Ich bin fest überzeugt, daß van der Lubbe in diesem Prozeß sozusagen nur ein Reichstagsbrand-Faust ist, hinter ihm stand zweifellos ein Reichstagsbrand-Mephisto. Der klägliche »Faust« steht nun vor den Schranken des Reichsgerichts, aber der »Mephisto« ist verschwunden.

Als zufälliger und unschuldiger Angeklagter, und noch mehr, als Kommunist und Mitglied der Kommunistischen Internationale, habe ich das allergrößte Interesse daran, daß die Reichstagsbrandsache allseitig und restlos aufgeklärt wird und gleichzeitig der verschwundene »Mephisto« der Brandstiftung ans Licht kommt.

Meine Fragen in der Hauptverhandlung bezwecken nur dieses und nichts anderes. Ich brauche vor dem Reichsgericht keine Propaganda zu machen. Um so mehr, da die beste Propaganda für den Kommunismus schon gemacht ist, und nicht durch mich, sondern durch die Tatsache selbst, daß unschuldige Kommunisten als Reichstagsbrandstifter angeklagt werden, sowie durch die »klassische« Anklageschrift des Herrn Dr. Parisius.

Ich habe das natürliche Recht, mich zu verteidigen und an der Hauptverhandlung als Angeklagter und Selbstverteidiger aktiv teilzunehmen. Es ist klar, daß keine Ausschlüsse aus den Sitzungen und Lokalterminen des Reichsgerichts imstande sind, mich in dieser Hinsicht einzuschüchtern. Diese Ausschlüsse gerade aus den wichtigsten Sitzungen und Terminen, die an und für sich einen offenen Raub meines Verteidigungsrechtes bedeuten, werden nur der Welt zeigen, daß meine Ankläger selbst sich nicht besonders sicher bei der Sache fühlen, werden vielen Kritiklosen die Augen öffnen und sind daher geeignet, der kommunistischen Propaganda neue Nahrung zu geben.

Wenn eine solche für mich unerträgliche Behandlung fortgesetzt wird, dann – und das muß ich offen sagen – werde ich mich gezwungen sehen, mir zu überlegen, ob es überhaupt noch Zweck hat, daß ich weiter vor dem Reichsgericht erscheine, gleichgültig, welche Folgen sich daraus ergeben werden.

Hochachtungsvoll
G. Dimitroff

Anträge auf Zeugenladung und Beschaffung von Beweismaterial

Der sogenannte »Hennigsdorfer Komplex« war für die Feststellung der Urheber der Reichstagsbrandstiftung von außerordentlich großer Bedeutung. Hennigsdorf, ein Vorort von Berlin, war als Sammelplatz faschistischer Mordbuben bekannt. van der Lubbe hatte die letzte Nacht vor der Brandstiftung gemeinsam mit Faschisten im Hennigsdorfer Asyl verbracht.

Jede mehr oder weniger objektive Voruntersuchung und gerichtliche Untersuchung hätte die Frage klären müssen, warum und mit welchen Absichten van der Lubbe in Hennigsdorf war, mit wem er dort verkehrte, welche Gespräche er geführt hatte usw. Die faschistischen Behörden waren aber im Gegenteil sorgsam bemüht, den Aufenthalt van der Lubbes in diesem Faschistennest zu verschweigen und zu verschleiern. Statt auf Hennigsdorf, lenkten sie die Untersuchung auf Neukölln (einen proletarischen Bezirk Berlins) und behaupteten, van der Lubbe hätte sich dort mit arbeitslosen Kommunisten getroffen.

Dimitroff wandte in seinem Kampfe dem »Hennigsdorfer Komplex« besondere Aufmerksamkeit zu. Seine Fragen in der Gerichtsverhandlung und ebenso eine Reihe schriftlicher Anträge zielten darauf ab, konkret die Verbindungen festzustellen, die von Hennigsdorf zu den faschistischen Urhebern der Reichstagsbrandstiftung und den Inspiratoren van der Lubbes führten.

(Vorgetragen in der Prozeßverhandlung vom 30. Oktober 1933)

An den Herrn Präsidenten des IV. Strafsenats des Reichsgerichts, Dr. Bünger

Sehr geehrter Herr Präsident!

Da das Erscheinen van der Lubbes bei der Hennigsdorfer Polizei und sein Übernachten vom 26. Februar im dortigen Asyl nicht untersucht worden ist, beantrage ich, daß die betreffenden Polizeibeamten und Asylangestellten, bei denen Lubbe damals erschienen ist, als Zeugen vernommen werden sollen.

Obwohl es schon spät ist, soll man doch versuchen, festzustellen:

1. mit welchen Personen van der Lubbe dort in Verbindung gekommen ist und

2. was er überhaupt an diesem Abend, in der Nacht und am nächsten Morgen in Hennigsdorf getrieben hat.

G. Dimitroff

 

25. November 1933

An den Herrn Präsidenten des IV. Strafsenats des Reichsgerichts, Dr. Bünger

Sehr geehrter Herr Präsident!

Beweisantrag

Zur weiteren Klärung des Komplexes »Hennigsdorf« beantrage ich auch, daß folgende Zeugen vernommen werden:

1. Die von dem Zeugen Grawe genannte Frau Korpf darüber:

a) ob van der Lubbe wirklich bei ihr gewesen ist;

b) wenn ja, – was van der Lubbe dort gesucht hat, was er getan hat, was er erzählt hat usw.;

c) ob und welche Personen dabei gewesen sind;

d) wie van der Lubbe damals ausgesehen hat (Bekleidung usw.) und wie er deutsch gesprochen hat.

2. Die von dem Zeugen Grawe genannte Frau des Polizeiwachtmeisters darüber:

a) ob und wann der Friseurmeister Grawe ihr mitgeteilt hat, daß van der Lubbe bei seinem Hause im Gespräch mit einer Kommunistin gewesen ist;

b) ob und wann sie das ihrem Manne mitgeteilt hat.

3. Den Polizeiwachtmeister (den Gatten dieser Frau) darüber:

a) ob und wann ihm seine Frau diese Mitteilung gemacht hat;

b) ob und wann er das seinem Vorgesetzten mitgeteilt und was er überhaupt wegen dieser Mitteilung unternommen hat.

4. Den Polizeiwachtmeister, der van der Lubbe im Asyl untergebracht hat, darüber:

a) was hat ihm van der Lubbe als Zweck seines Erscheinens in Hennigsdorf und Übernachtens im Asyl damals angegeben;

b) wie van der Lubbe sich dort benommen hat;

c) wie van der Lubbe ausgesehen hat (Bekleidung usw.);

d) wann der andere »Wanderer«, der in derselben Nacht im Asyl gewesen ist, hingekommen ist;

e) wie dieser »Wanderer« ausgesehen hat und wie er sich benommen hat;

f) haben sie sich – van der Lubbe und der »Wanderer« – unterhalten und über was;

g) wann haben die beiden am nächsten Morgen das Asyl verlassen – einzeln oder zusammen;

h) sind nach dem Brand Maßnahmen getroffen worden und welche, um diesen »Wanderer« zu ermitteln und festzustellen.

5. Den damaligen verantwortlichen Leiter der Hennigsdorfer Polizei darüber:

a) sind Ermittlungen nach dem Brande getroffen worden und welche, um festzustellen, mit wem van der Lubbe in Hennigsdorf in Verbindung getreten ist, wo er gewesen ist und was er dort gemacht hat;

b) war es ihm bekannt, daß van der Lubbe im Gespräch mit der Kommunistin bei dem Hause des Friseurmeisters Grawe gewesen ist und wenn ja, – was für Ermittlungen er darüber getroffen hat.

Hochachtungsvoll
G. Dimitroff

Anträge auf Zeugenladung

Im »Völkischen Beobachter« veröffentlichte der Redakteur Dröscher unter dem Pseudonym Job Zimmermann einen Artikel, in dem er die Behauptung aufstellte, Dimitroff hätte an der Sprengung der Kathedrale in Sofia teilgenommen und wäre dafür in Bulgarien verurteilt worden. Vor Gericht sagte Dröscher-Zimmermann aus, daß Dimitroff mit Torgler in Verbindung gestanden hätte.

Während der Vernehmung Dröschers am 30. Oktober fragte ihn Dimitroff, ob er mit Job Zimmermann etwas gemein hätte, denn alle Aussagen Dröschers in der Gerichtsverhandlung und die im offiziellen Zentralorgan der Nazipartei gebrachten Erfindungen Zimmermanns gingen offensichtlich von ein und derselben Quelle aus. In der Gerichtsverhandlung bestritt Dröscher jede Verbindung mit Zimmermann. Zur Entlarvung Dröschers beantragte Dimitroff nun beim Gericht, Job Zimmermann vorzuladen. Das Gericht lehnte diesen Antrag ab. Seitdem tauchte jedoch der Korrespondent Job Zimmermann lange Zeit nicht mehr in den Spalten des »Völkischen Beobachters« auf.

Fast einen Monat später wandte sich Dimitroff erneut mit dem Antrag an das Gericht, die Identität des Zeugen Dröscher mit dem Korrespondenten »Job Zimmermann« festzustellen.

Das Gericht lehnte den Antrag auch diesmal ab.

 

1. November 1933

Durch Herrn Dr. Teichert, Rechtsanwalt An den Herrn Präsidenten des IV. Strafsenats des Reichsgerichts, Dr. Bünger

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Zusammenhang mit der Aussage des Zeugen Dr. Dröscher und dem Schlußsatz des Berichtes des »Völkischen Beobachters« vom 31. Oktober, wo ausdrücklich gesagt ist:

»Er (Dr. Dröscher) erkennt aber auch in Dimitroff den berüchtigten kommunistischen Drahtzieher wieder, der in Sofia in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde, weil er den Anschlag auf die dortige Kathedrale sowie die Attentate auf König Boris und den bulgarischen Kriegsminister veranlaßt hat. Damals hieß dieser Mann Stefan Dimitroff, heute nennt er sich Georgi Dimitroff«,

beantrage ich, den bulgarischen Emigranten Stefan Dimitroff (z. Z. in Moskau) als Zeugen zu vernehmen.

Beweisthema:

1. Daß Stefan Dimitroff in Abwesenheit und im Zusammenhang mit dem Kathedrale-Attentat verurteilt worden ist;

2. daß Stefan Dimitroff und Georgi Dimitroff zwei verschiedene Personen sind;

3. daß Georgi Dimitroff wegen des Kathedrale-Attentates weder angeklagt noch verurteilt worden ist.

Hochachtungsvoll
G. Dimitroff

 

2. November 1933

An den Herrn Präsidenten des IV. Strafsenats des Reichsgerichts, Dr. Bünger

Sehr geehrter Herr Präsident!

Beweisantrag

Das Redaktionsmitglied des »Völkischen Beobachter« und Berichterstatter über den Reichstagsbrandprozeß für diese Zeitung, Herr Job Zimmermann, hat im »Völkischen Beobachter« vom 1./2. Oktober einen Artikel veröffentlicht.

In diesem Artikel macht Herr Zimmermann sehr wichtige Bemerkungen und erzählt u. a.:

»Ich wurde damals, kurz nach der Hinrichtung des Küsters und der beiden anderen von der Polizei ergriffenen ausführenden Kreaturen, von vielen namhaften Politikern des Landes, so dem damaligen Ministerpräsidenten Ljaptscheff, im Parlament empfangen. Auch ein vom deutschen Gesandten Rümelin vermittelter Empfang beim regierenden König Boris von Bulgarien kam zustande ... Beide, sowohl der Monarch als auch der Ministerpräsident, sprachen mir mehrmals die Empörung, ihre schmerzliche Entrüstung darüber aus, daß die eigentlichen Organisatoren des Attentats, die eigentlichen Drahtzieher des Aufstandes, dem Zugriff des Staates sich rechtzeitig entzogen und das Bezahlen der Rechnung bescheidenerweise ihren verführten Anhängern überlassen hatten. Unter diesen Drahtziehern nannte man mir an erster Stelle den damaligen kommunistischen Abgeordneten und heutigen Angeklagten Dimitroff. Er war vom Sofioter Kreisgericht in Abwesenheit zum Tode durch den Strang verurteilt worden. Sein Steckbrief und sein Bild hingen an allen öffentlichen Staatsgebäuden. Das ist der Herr, der damals nicht gehängt wurde und der jetzt in Leipzig die gekränkte Unschuld und den friedfertigen Putschgegner spielt.«

Ich erwartete, daß die Reichsanwaltschaft Herrn Zimmermann als Zeugen beantragen wird, damit er seine so wichtigen Bemerkungen vor dem Reichsgericht selbst machen kann.

Es ist möglich, daß das auch geschehen ist, aber da ich über eine Ladung des Herrn Zimmermann bis jetzt keine Mitteilung habe, beantrage ich meinerseits, das Redaktionsmitglied des »Völkischen Beobachter«, Herrn Job Zimmermann, als Zeugen zu vernehmen.

Hochachtungsvoll
G. Dimitroff

 

27. November 1933

An den Herrn Präsidenten des IV. Strafsenats des Reichsgerichts, Dr. Bünger

Sehr geehrter Herr Präsident!

Meiner Meinung nach ist es bei der Würdigung der Aussage des nationalsozialistischen Presseleiters Dr. Dröscher (über meine angeblichen Gespräche mit Torgler im Reichstag) von Bedeutung, ob Dr. Dröscher mit dem am ersten Tage des Prozesses als Redaktionsmitglied des »Völkischen Beobachter« bezeichneten Job Zimmermann wirklich identisch ist.

Wie bekannt, hat Dr. Dröscher bei der Vernehmung auf die Anfrage Dr. Teicherts geantwortet, daß er nicht mit Job Zimmermann identisch ist, daß er ihn nicht kenne und daß er ihm kein Material beschafft hat. Da alle Umstände dafür sprechen, daß Dr. Dröscher in der Tat mit dem Job Zimmermann identisch ist, bitte ich, authentisch feststellen zu lassen, ob identisch oder nicht.

Hochachtungsvoll
G. Dimitroff

 

20. November 1933

An den Herrn Präsidenten des IV. Strafsenats des Reichsgerichts, Dr. Bünger

Sehr geehrter Herr Präsident!

Nachdem meine Mutter – Frau Paraschkewa Dimitroff – und meine ältere Schwester – Frau Magdalina Dimitroff-Baramoff – schon sowieso in Deutschland sind, stelle ich den Antrag, daß beide als Zeuginnen vernommen werden, falls das Gericht das Beweisthema für seine Entscheidung von Bedeutung hält und es nicht als unterstellt betrachtet.

Beide sollen darüber vernommen werden:

1. Ob ich wirklich seit Ende September 1923 bis zu meiner Verhaftung und insbesondere zur Zeit des Kathedrale-Attentats im April 1925 nicht in Bulgarien gewesen bin?

2. Ob die Wahrnehmung des Zeugen Dr. Dröscher richtig ist, daß im Zusammenhang mit dem Kathedrale-Attentat mein Bild als »gesuchter Attentäter« abgebildet und plakatiert worden ist?

3. Ob es richtig ist, daß ich in Erwartung der neuesten Amnestie Anfang 1933 ihnen meine Rückkehr nach Bulgarien angekündigt habe und mit Vorbereitungen dafür beschäftigt war?

Hochachtungsvoll
G. Dimitroff

Briefe an den Senatspräsidenten

Gleich nach Beginn des Prozesses, als Dimitroff vor aller Welt die faschistischen Reichstagsbrandstifter entlarvte, schickten viele Antifaschisten aus allen Ländern Briefe an Dimitroff, in denen sie ihre glühende Sympathie für ihn zum Ausdruck brachten. Darunter waren Briefe von hervorragenden Repräsentanten der Wissenschaft und Kultur. Die faschistischen Behörden händigten diese Hunderte von Briefen nicht dem Adressaten aus, sondern machten ihm nur hin und wieder von ihrem Eingang Mitteilung. Ging jedoch ein von Faschisten geschriebener Brief ein, der Drohungen gegen die Angeklagten enthielt, so wurde er unverzüglich Dimitroff übergeben.

Als Dimitroff erfuhr, daß ihm ein Telegramm von Romain Rolland und Henri Barbusse nicht ausgehändigt wurde, wandte er sich an den Gerichtsvorsitzenden mit dem Antrag, ihm den Inhalt dieses Telegramms wenigstens mündlich mitzuteilen. Das Gericht antwortete ablehnend.

 

15. Oktober 1933

An den Herrn Präsidenten des IV. Strafsenats des Reichsgerichts, Dr. Bünger

Sehr geehrter Herr Präsident!

Am 14. Oktober habe ich folgendes Schreiben von der Geschäftsstelle des IV. Strafsenats erhalten:

»Auf Anordnung wird Ihnen mitgeteilt, daß ein mit Romain Rolland, Henri Barbusse unterzeichnetes Telegramm nicht ausgehändigt wird, da durch Aushändigung eine Gefährdung der Ordnung im Gefängnis zu besorgen ist.«

Ich bin leider nicht so weit unterrichtet, um verstehen zu können, wie durch Aushändigung eines Telegramms von Romain Rolland, Henri Barbusse – weltberühmte Schriftsteller – die Ordnung im Gefängnis gefährdet werden kann, aber nachdem die zuständige Stelle davon überzeugt ist, bitte ich, daß der Text des Telegramms mir von einem Gerichtsbeamten im Reichsgerichtssaal selbst mündlich übermittelt wird.

Hochachtungsvoll
G. Dimitroff

 

15. November 1933

An den Herrn Präsidenten des IV. Strafsenats des Reichsgerichts, Dr. Bünger

Sehr geehrter Herr Präsident!

Gestern, 14. November abends, habe ich beiliegenden anonymen Brief im Gefängnis erhalten. Der Brief, wie zu ersehen ist, ist adressiert: »Mr. Dimitroff and Gehilfen, Reichstag, Berlin.«

Obwohl dies nicht meine Adresse ist, wurde die Aushändigung dieses Briefes genehmigt und mir tatsächlich zugestellt.

Insofern ich die schwer leserliche Schrift verstanden habe, handelt es sich um einen Schimpf- und Drohbrief, der vielleicht den Anklagevertreter interessieren kann, mich aber nicht.

Ich schicke diesen Brief zurück und möchte nur mein Bedauern aussprechen, daß die Aushändigung vieler Briefe, die auf meine richtige Adresse eingegangen sind, gewöhnlich nicht genehmigt wurde, entweder weil der Absender nicht angegeben war, oder weil der Briefinhalt die Ordnung im Gefängnis, nach Auffassung des Gerichtes, gefährden kann; dieser schimpferische Brief aber, der dazu anonym und nicht an meine richtige Adresse adressiert worden ist, gelangt trotzdem ordnungsmäßig in meine Hände!

Hochachtungsvoll
G. Dimitroff

(Am 18. November kam der Brief wieder zu mir zurück, ohne ein Wort über das Begleitschreiben an den Präsidenten! G. D.)

Antrag auf Zeugenladung

Die von den faschistischen Behörden gegen die Kommunistische Partei Deutschlands erhobene Beschuldigung, sie hätte die Reichstagsbrandstiftung inszeniert, war vor allem auf der Behauptung aufgebaut, van der Lubbe wäre Mitglied der Kommunistischen Partei, und bei der Verhaftung sei ein Mitgliedsbuch der Partei bei ihm gefunden worden. Sofort nach dem Reichstagsbrand hatten die Polizeibehörden diese von Göring inspirierte Meldung ausgegeben. In der Gerichtsverhandlung wurde sie schon im Laufe der ersten Tage widerlegt. Es wurde festgestellt, daß van der Lubbe weder mit der Kommunistischen Partei Deutschlands noch mit der Hollands etwas gemein hatte. Im Gegenteil, er stand der Kommunistischen Partei äußerst feindselig gegenüber. Einige Jahre vor dem Reichstagsbrandprozeß trat er in die KP Hollands ein, wurde jedoch bald entlarvt und ausgeschlossen. Die faschistischen Behörden hatten zur Beschaffung von »Material« einen Polizeibeamten nach Holland geschickt, der dem Gericht die neue Lüge auftischte, van der Lubbe hätte auch nach dem Ausschluß mit der Kommunistischen Partei Hollands weiter in Verbindung gestanden und ihre Aufträge ausgeführt. Die antifaschistische Presse entlarvte damals sofort diese »Zeugenaussagen« des faschistischen Beamten als Lüge durch die Veröffentlichung von Erklärungen derjenigen Personen, auf die der faschistische Beamte sich vor Gericht berief.

Dimitroff, der nicht wußte, daß die Behauptungen der faschistischen Behörden bereits durch Erklärungen holländischer Freunde van der Lubbes selbst, die in der antifaschistischen Presse veröffentlicht wurden, vollständig widerlegt waren, richtete den nachstehenden Brief an den Gerichtsvorsitzenden.

 

3. November 1933

An den Herrn Präsidenten des IV. Strafsenats des Reichsgerichts, Dr. Bünger

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Zusammenhang mit der Behauptung, daß van der Lubbe auch nach seinem Ausschluß aus der Kommunistischen Partei Hollands in Verbindung mit der Partei gestanden und sogar verschiedene Aufträge der Partei ausgeführt haben soll, beantrage ich, daß der Vorsitzende der holländischen Kommunistischen Partei, Abgeordneter Louis de Visser, als Zeuge vernommen wird.

Beweisthema:

1. Ist es wahr, daß van der Lubbe schon vor Jahren wegen seines anarchistischen Verhaltens aus der Partei ausgeschlossen worden ist?

2. Ist es wahr, daß van der Lubbe sich gegenüber der Partei feindlich verhalten hat?

3. Ist es wahr, daß van der Lubbe schon seit Jahren in keiner Verbindung mit der Partei gestanden und keine Parteiaufträge bekommen hat?

Ferner beantrage ich, die von der Kriminalkommission genannten holländischen Freunde van der Lubbes, Albada, Hegefeld und Vink, als Zeugen zu vernehmen.

Beweisthema:

1. Welche politischen Ansichten hatte van der Lubbe in Holland?

2. Welche Beziehungen hatte er zur sogenannten Gruppe der »Internationalen Kommunisten« in Holland?

3. Welche Differenzen bestanden und bestehen zwischen dieser Gruppe und der holländischen Kommunistischen Partei?

Hochachtungsvoll
G. Dimitroff

Antrag auf Heranziehung von Dokumenten

Die ganze Anklage der faschistischen Behörden gegen Dimitroff und die Kommunistische Partei Deutschlands stützte sich auf die provokatorische These, daß die Reichstagsbrandstiftung als Signal für den bewaffneten Aufstand im ganzen Lande dienen sollte, den angeblich die Kommunistische Partei zum Sturz der bestehenden Staatsordnung vorbereitet habe. Im Prozeß waren die Göring, Goebbels und Helldorf, sowie auch weniger prominente Beamte – die Lösche und Heller bis zu den unteren Polizeibeamten – eifrig bemüht, in ihren Aussagen diese These zu bekräftigen.

Dimitroff führte durch seinen Antrag auf Ladung des Verfassers der von den Faschisten fabrizierten Broschüre »Bewaffneter Aufstand«, durch seine Fragen an den Zeugen Lösche, an Dutzende von Kriminalbeamten und an Göring und Goebbels den Nachweis, daß niemand in den regierenden Kreisen Deutschlands einen Aufstand erwartet hatte und daß daher auch keine Maßnahmen zu seiner Vereitelung getroffen worden waren. Damit war die völlige Haltlosigkeit und Verlogenheit dieser These der faschistischen Anklage bewiesen.

 

6. November 1933

An den Herrn Präsidenten des IV. Strafsenats des Reichsgerichts, Dr. Bünger

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich bitte den Senat, zu meinem folgenden Beweisantrag Stellung zu nehmen.

Beweisantrag:

Im Zusammenhang mit der bekannten These der Anklageschrift, daß der Reichstagsbrand als Auftakt eines kommunistischen bewaffneten Aufstandes zu betrachten ist, sowie im Zusammenhang mit der Erklärung des preußischen Innenministers und Ministerpräsidenten Herrn Göring, daß er seit dem 1. Februar bereits irgendwelche bewaffneten Aktionen seitens der KPD erwartet habe, beantrage ich als Beweismittel von der Kanzlei des preußischen Kabinetts, vom preußischen Innenministerium, vom Kriegsministerium und vom Berliner Polizeipräsidium authentische Dokumente bezüglich damals getroffener Gegenmaßnahmen herbeizuschaffen.

Durch diese Dokumente (Beschlüsse des Kabinetts, Befehle des Innen- und Kriegsministeriums, Anordnung des Polizeipräsidenten usw.) soll man versuchen, klarzustellen:

1. Ob zwischen dem 1. Februar und 5. März (Tag der Reichstagswahlen) und insbesondere am Vorabend des Reichstagsbrandes, in der Nacht nach dem Brande und am darauffolgenden Tage die betreffenden staatlichen Behörden und die bewaffneten Kräfte des Staates, in Erwartung eines bestimmten Aufstandes, tatsächlich eingesetzt worden sind, und wenn ja, von welcher Seite diese Gefahr damals erwartet wurde, sowie, ob irgendwelche tatsächlichen Versuche zu solchem Aufstand oder anderen bewaffneten Aktionen in dieser Zeit festgestellt worden sind.

2. Ob nicht im Gegenteil alle damaligen Maßnahmen auf die Unterdrückung der Wahlkampagne der Kommunistischen Partei, der Sozialdemokratie und sogar anderer oppositioneller Parteien gerichtet waren (Massenverhaftungen, Verbot der Presse, Beschlagnahme von Wahlmaterialien, Schließung der Parteihäuser und Wahllokale, Einschüchterung der oppositionellen Wählermassen usw.), und in erster Linie auf die Ausrottung der sogenannten bolschewistischen und marxistischen Pest, und gerade zu diesem Zweck auch der Reichstagsbrand selbst als sehr günstiger Anlaß ausgenutzt worden ist.

Hochachtungsvoll
G. Dimitroff

Anträge auf Zeugenladung

Um das Gebäude der Anklage zu erschüttern und den Verleumdungen entgegenzutreten, beantragte Dimitroff, den von den Faschisten eingekerkerten Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Deutschlands, Ernst Thälmann, als Zeugen über die Politik der Partei zu vernehmen. Dieser Antrag gab Dimitroff die Gelegenheit, in öffentlicher Sitzung die Linie der Kommunistischen Partei darzulegen und den faschistischen Entstellungen entgegenzutreten.

Der Antrag auf Ladung Thälmanns wurde, ebenso wie die Anträge auf Vorladung anderer kommunistischer Funktionäre, vom Gericht abgelehnt.

 

16. November 1933

An den Herrn Präsidenten des IV. Strafsenats des Reichsgerichts, Dr. Bünger

Sehr geehrter Herr Präsident!

Im Zusammenhang mit dem politischen Komplex des Reichstagsbrandprozesses beantrage ich, den Vorsitzenden der Kommunistischen Partei Deutschlands, Ernst Thälmann, als Zeugen zu vernehmen.

Er soll vor allem über folgendes vernommen werden:

1. Ob es wahr ist, daß die KPD schon im Jahre 1932 verschärften Verfolgungen, Angriffen und systematischen Beschränkungen ihrer Tätigkeits- und Kampfmöglichkeiten ausgesetzt worden ist?

2. Ob es wahr ist, daß dieser verschärfte Kurs gegen die KPD von einer Reihe von Überfällen auf kommunistische Versammlungen und Demonstrationen, auf kommunistische Lokale und einzelne kommunistische Arbeiter und Funktionäre durch die bewaffneten Formationen der Nationalsozialistischen Partei begleitet war, ob infolge dieser Überfälle die Kommunisten zahlreiche Opfer hatten und die Partei dadurch gezwungen war, sich mit dem Mittel des Massenkampfes zur Wehr zu setzen?

3. Ob es wahr ist, daß diese von den Staatsorganen und nationalsozialistischen Formationen kombiniert durchgeführten Verfolgungen und Angriffe nach dem 30. Januar 1933 sich in einen Vernichtungsfeldzug mit allseitiger Anwendung der Staatsmacht gegen die KPD und die Arbeiterorganisationen verwandelt haben?

4. Ob es wahr ist, daß Anfang 1933 und zur Zeit der Reichstagsbrandstiftung die ganze Tätigkeit der Partei, übereinstimmend mit den Beschlüssen der Kommunistischen Internationale, auf die politische Mobilisierung der Massen, die Errichtung der Einheitskampffront der Arbeiterschaft und die Verteidigung der Arbeiterbewegung und ihrer Vorhut, der KPD, orientiert war und keineswegs auf einen unmittelbaren bewaffneten Kampf um die Macht?

5. Ob es wahr ist, daß die Partei angesichts dieser Hauptaufgaben und dieser politischen Orientierung sich entschieden und mit aller Kraft gegen terroristische Abweichungen, gegen jegliche terroristische Entartung und für eine zähe und systematische Massenarbeit und den Massenkampf wirtschaftlicher und politischer Natur eingesetzt hat?

6. Ob es wahr ist, daß die Partei schon im Jahre 1932 sich gegen jede terroristische Auslegung der Parole »Schlagt die Faschisten« entschieden erklärt und diese Parole später zur Vermeidung irgendwelcher Mißverständnisse überhaupt abgelehnt hat?

7. Ob es wahr ist, daß die Partei in ihrer jahrelangen Entwicklung eine Reihe Säuberungsaktionen durchgeführt und die fremden, abenteuerlichen und undisziplinierten Elemente aus der Partei ausgeschlossen hat (Gruppe Iwan Katz, Ruth Fischer-Maslow, Trotzkisten usw.), und daß viele von diesen Elementen ihren Platz bei der Nationalsozialistischen Partei und ihren SA- und SS-Formationen gefunden haben?

Hochachtungsvoll
G. Dimitroff

Dimitroff erbrachte während des Prozesses den Beweis, daß die Kommunistische Partei an der Reichstagsbrandstiftung völlig unbeteiligt war und wies gleichzeitig nach, daß nur die Faschisten von der Brandstiftung Nutzen haben konnten.

Dimitroffs Antrag auf Vorladung Schleichers, Papens, Brünings und anderer, die bis zum Machtantritt des Faschismus führende Staatsmänner in Deutschland waren, verfolgte das Ziel, die starken inneren Gegensätze im »nationalen Lager« aufzuzeigen, angesichts deren der deutschen Faschismus an der Reichstagsbrandstiftung unmittelbar interessiert war.

 

27. November 1933

An den Herrn Präsidenten des IV. Strafsenats des Reichsgerichts, Dr. Bünger

Sehr geehrter Herr Präsident!

Zur Klärung der tatsächlichen politischen Situation in Deutschland Anfang 1933 sowie zur Zeit der Reichstagsbrandstiftung beantrage ich, daß als Zeugen vernommen werden:

1. Der ehemalige Reichskanzler General a. D. Schleicher; 2. Vizekanzler von Papen; 3. der ehemalige Reichsminister Dr. Hugenberg und 4. der ehemalige Reichskanzler Dr. Brüning.

Diese Herren sollen vor allem darüber vernommen werden:

1. Ob es wahr ist, daß die nationalsozialistische Führung Ende 1932 und im Januar 1933 mit dem Marsch auf Berlin gedroht hat, wenn der Reichspräsident von Hindenburg die Macht nicht an Hitler übergibt?

2. Ob es wahr ist, daß in diesem Zusammenhang auch eine Reihe terroristischer Druckaktionen seitens der nationalsozialistischen Führung unternommen worden sind?

3. Ob es wahr ist, daß die Schleicher-Regierung zu verschärften Maßnahmen bis zur Verhängung der Todesstrafe gegen die nationalsozialistischen Terroristen gegriffen hat?

4. Ob es wahr ist, daß der nationalsozialistische Führer Hitler öffentlich die zum Tode verurteilten nationalsozialistischen Terroristen – im Gegensatz zur Schleicher-Regierung – in Schutz genommen hat?

5. Ob es wahr ist, daß im Januar 1933 und am Vorabend der Bildung der sogenannten nationalen Regierung infolge des Bruderstreits im »nationalen Lager«, infolge von Differenzen und Streitigkeiten zwischen der nationalsozialistischen Führung und ihren Stoßtrupps einerseits und den Anhängern General Schleichers, von Papens, Hugenbergs andererseits die Gefahr einer unmittelbaren gewaltsamen Auseinandersetzung bestand, und ob nicht gerade diese Gefahr der unmittelbare Grund für die plötzliche Übergabe der Reichskanzlerschaft an Hitler und die Bildung der »nationalen Koalition« gewesen ist?

6. Ob es wahr ist, daß auch nach dem 30. Januar diese Differenzen und Streitigkeiten weiterbestanden, die Beziehungen zwischen den nationalsozialistischen Stoßtrupps einerseits und dem Stahlhelm, dem Bund der Reserveoffiziere und anderen »vaterländischen« Organisationen und Gruppen andererseits sehr gespannt waren und zu zahlreichen Zusammenstößen geführt haben?

7. Ob es wahr ist, daß einige Stahlhelmorganisationen im Februar die Verbindung mit dem Reichsbanner aufgenommen haben zwecks gemeinsamen Vorgehens gegen die geplante »Alleinherrschaft« der Nationalsozialisten?

8. Ob es wahr ist, daß der Reichstagsbrand durch die nationalsozialistische Führung allseitig ausgenutzt worden ist zur Überwindung der für sie entstandenen Regierungsschwierigkeiten, zur Durchsetzung ihrer »Alleinherrschaft« und zur Errichtung des sogenannten »totalen Staates« (»Drittes Reich«) – gewaltsame Auflösung aller Parteien, Organisationen, Hilfsformationen, außer der nationalsozialistischen, »Gleichschaltung« der wirtschaftlichen, staatlichen, kulturellen, Wehr- und Sport-, Jugend-, kirchlichen und anderen Organisationen und Institutionen, der Presse, der Propaganda usw.

9. Ob es wahr ist, daß in dieser Zeit (Januar und Februar 1933) die Auslösung eines unmittelbaren bewaffneten Aufstandes auf Initiative der Kommunistischen Partei ernstlich nicht erwartet worden ist, und daß erst nach dem Reichstagsbrand zur Rechtfertigung der unternommenen Regierungsgewaltmaßnahmen und der Gewalttätigkeiten der SA und SS-Formationen diese Legende verbreitet worden ist?

10. Ob es wahr ist, daß auch der Selbstmord des Vorsitzenden der deutschnationalen Reichstagsfraktion, Oberfohren, wie viele andere Selbstmorde und allerlei »Unfälle«, unmittelbar im Zusammenhang steht mit diesem gewaltsamen Feldzug des Nationalsozialismus und mit den bestehenden Zerwürfnissen und inneren Kämpfen im Lager der sogenannten »nationalen Revolution«?

Hochachtungsvoll
G. Dimitroff

 

29. November 1933

An den Herrn Präsidenten des IV. Strafsenats des Reichsgerichts, Dr. Bünger

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beantrage, den ehemaligen zweiten Vorsitzenden des Stahlhelms, Düsterberg, darüber zu vernehmen:

1. Ob es wahr ist, daß die Beziehungen zwischen der nationalsozialistischen Führung und dem Stahlhelm im Januar und Februar 1933 so gespannt waren, daß sie eine Gefahr der gewaltsamen Auseinandersetzung darstellten?

2. Ob es wahr ist, daß im Februar 1933, vor dem Brande, sich eine Reihe Zusammenstöße zwischen nationalsozialistischen Stoßtrupps und Stahlhelmern ereigneten?

3. Ob es wahr ist, daß eine Reihe Stahlhelmorganisationen mit dem Reichsbanner in Verbindung getreten sind, um ein gemeinsames Vorgehen gegen den nationalsozialistischen Druck und die nationalsozialistischen Bestrebungen zur »Alleinherrschaft« anzubahnen?

4. Ob und welche Differenzen im Stahlhelm selbst dadurch entstanden sind?

5. Ob es wahr ist, daß der Reichstagsbrand als ein Ablenkungsmanöver in bezug auf innere Kämpfe im sogenannten »nationalen Lager« ausgenutzt worden ist?

Hochachtungsvoll
G. Dimitroff

 

2. Dezember 1933

An den Herrn Präsidenten des IV. Strafsenats des Reichsgerichts, Dr. Bünger

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beantrage, Dr. Adolf Ehrt, den Vertreter des »Gesamtverbandes deutscher antikommunistischer Vereinigungen« und Verfasser der kommunistenhetzerischen Broschüre »Bewaffneter Aufstand« als Zeugen darüber zu vernehmen:

1. Ob und welche konkreten Versuche der Kommunisten, einen bewaffneten Aufstand im Zusammenhang mit dem Reichstagsbrand auszulösen, ihm bekannt sind?

2. Ob ihm bekannt ist, daß der Reichstagsbrand im Gegenteil ein Mittel zur Überwindung der inneren Schwierigkeiten in dem sogenannten »nationalen Lager«, zur Sprengung der entstehenden Einheitskampffront der kommunistischen, sozialdemokratischen und christlichen Arbeiterschaft und zur Einleitung und Rechtfertigung des Unterdrückungsfeldzuges gegen die Arbeiterbewegung und ihre Vorhut, die KPD, sein sollte?

Hochachtungsvoll
G. Dimitroff

Fragen an die Belastungszeugen Lösche und Helfer und Antrag auf Zeugenladung

Zur Bekräftigung ihrer Aussagen, daß die Reichstagsbrandstiftung ein Signal zum bewaffneten Aufstand sein sollte, beriefen sich die Belastungszeugen Heller und Lösche auf die Resolution des XII. Plenums des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale.

Die nachstehenden Anträge wurden gestellt, um diese Aussagen zu entlarven und gleichzeitig die Einheitsfront der Werktätigen zu propagieren.

 

29. November 1933

An den Herrn Präsidenten des IV. Strafsenats des Reichsgerichts, Herrn Dr. Bünger

Ich ersuche, an Lösche und Heller folgende Fragen zu stellen:

Gilt jede außerparlamentarische Aktion als ein Akt des bewaffneten Aufstandes?

Wie konnten Sie, ausgehend von der kommunistischen These, daß der Faschismus nicht mit Hilfe des Stimmzettels besiegt werden kann, zu der Schlußfolgerung kommen, daß die Kommunisten im Februar unmittelbar den bewaffneten Aufstand anstrebten?

Waren die nationalsozialistischen Trupps mit Waffen ausgerüstet, waren sie nicht wie Militär organisiert?

Haben Sie, sei es auch nur eine einzige vertrauenerweckende Aussage, daß die Kommunisten tatsächlich den Reichstagsbrand als ein Signal zum bewaffneten Aufstand ansahen und konkrete Versuche unternahmen, diesen Aufstand durchzuführen?

Kann man aus dem Umstand, daß die Kommunisten für die proletarische Revolution und für die Diktatur des Proletariats sind, folgern, daß sie am 27. Februar in Verbindung mit dem Reichstagsbrand einen bewaffneten Aufstand planten und vorbereiteten?

G. Dimitroff

 

4. Dezember 1933

An den Herrn Präsidenten des IV. Strafsenats des Reichsgerichts, Dr. Bünger

Sehr geehrter Herr Präsident!

In Anbetracht dessen, daß beide Hauptberichterstatter der Anklagevertretung – Herr Kriminalrat Heller und Herr Untersuchungsrichter Dr. Lösche – als Grundlage der angeblichen Umsturzpläne der KPD im Februar 1933 die Beschlüsse des XII. Plenums der KI bezeichnet haben, beantrage ich, als Zeugen den Hauptreferenten des XII. Plenums, das Präsidiumsmitglied der KI, O. Kuusinen (Finnland, z. Z. Moskau), sowie die Mitglieder des Präsidiums Marcel Cachin (Frankreich, z. Z. Paris) und Sen Katajama Dimitroff hatte noch nicht erfahren, daß Sen Katajama im November 1933 gestorben war. (Japan, z. Z. Moskau) darüber zu vernehmen:

1. Ob es wahr ist, daß laut den Beschlüssen der Kommunistischen Internationale die unmittelbare Aufgabe der KPD Anfang 1933 und zur Zeit der Reichstagsbrandstiftung keineswegs ein bewaffneter Aufstand zum Kampf um die Macht gewesen ist, sondern die Errichtung der Einheitsfront der werktätigen Massen zur Verteidigung ihrer Lebensinteressen, ihrer Organisationen, ihrer Presse, ihres Eigentums und ihrer Rechte, sowie die politische Mobilisierung der Massen zur Bekämpfung des Faschismus, der Versailler Sklaverei und der imperialistischen Kriegsgefahr?

2. Ob es wahr ist, daß entsprechend dieser unmittelbaren Aufgabe alle Art terroristische Angriffsaktionen als Hindernisse der Massenmobilisierung und des Massenkampfes entschieden abgelehnt worden sind?

3. Ob es wahr ist, daß die KPD an der Ausarbeitung dieser Beschlüsse der KI aktiv teilgenommen und sie als Richtlinien für ihre eigene Politik und Tätigkeit betrachtet hat?

4. Ob es wahr ist, daß die Kommunistische Internationale eine Millionen-Weltpartei und keine verschwörerische Organisation ist, daß die KI keine doppelte Buchhaltung führt und daß ihre Politik eine offene, prinzipielle und konsequente Politik ist.

Hochachtungsvoll
G. Dimitroff

Zehn Fragen an die Kriminalbeamten

Am 1. Dezember beschloß das Gericht, Dimitroff zu verbieten, mündlich Fragen an die Zeugen zu stellen. Alle seine Fragen mußten zuerst dem Gericht vorgelegt werden, und das Gericht entschied nach Ermessen darüber, ob diese Fragen überhaupt gestellt werden dürfen.

Am gleichen Tage verfaßte Dimitroff zehn Fragen an die Kriminalbeamten, die als Zeugen vernommen wurden.

 

1. Dezember 1933

Eine Reihe Zeugen, besonders die nationalsozialistischen Abgeordneten, haben ausgesagt, daß vor dem Brande am 25., 28. und 27. Februar die politische Lage äußerst gespannt war.

1. Wie war die Lage in Ihren Bezirken in dieser Zeit – auch äußerst gespannt?

2. In welchen konkreten Formen hat sich diese Gespanntheit ausgedrückt?

3. Ob und welche konkreten Anzeichen einer Umsturzaktion am 26. und 27. Februar sowie unmittelbar nach dem Reichstagsbrand wahrgenommen worden sind?

4. Ob und was für Anordnungen vor dem Brande von zentralen Behörden in bezug auf einen unmittelbar zu erwartenden kommunistischen Aufstand erteilt worden sind?

5. Wann und in welcher Zeit nach dem Brande die Verhaftung von kommunistischen, sozialdemokratischen und anderen oppositionellen Funktionären und Arbeitern vorgenommen worden ist?

6. Sind diese Verhaftungen durch die nationalsozialistischen Truppen ausgeführt worden oder durch die amtlichen Organe?

7. Auf meine Frage, welche Unterlagen Graf Helldorf für die Verhaftung Tausender und aber Tausender kommunistischer und sozialdemokratischer Funktionäre und Arbeiter unmittelbar nach dem Brande gehabt hat, hat er geantwortet: »Unserer Auffassung nach sind Marxisten überhaupt Verbrecher.« Waren die Massenverhaftungen in Ihren Bezirken so begründet (mit dieser »Auffassung«), oder ist ein anderer konkreter Grund angegeben worden?

8. Ob und welche Differenzen und Streitigkeiten im Januar und Februar 1933 zwischen der nationalsozialistischen Führung einerseits und dem Stahlhelm und anderen sogenannten »vaterländischen« Organisationen andererseits vorhanden gewesen sind?

9. Ob auch nach dem 30. Januar, nach der Bildung der »nationalen Regierung«, diese Differenzen und Streitigkeiten weiterbestanden und zu zahlreichen Zusammenstößen geführt haben?

10. Ob es wahr ist, daß gerade in dieser gespannten Situation der Reichstagsbrand ein Auftakt zu dem Vernichtungsfeldzug gegen die Arbeiterbewegung gewesen war und eines der Mittel zur Überwindung der inneren Schwierigkeiten innerhalb der »nationalen Koalition«, zur Durchsetzung der nationalsozialistischen »Alleinherrschaft« und zur Errichtung des sogenannten »totalen Staates«, d. h. gewaltsame Auflösung aller anderen Parteien und Organisationen, »Gleichschaltung« der wirtschaftlichen, staatlichen, kulturellen, Wehr-, Sport-, Jugend-, kirchlichen und anderen Institutionen, der Presse, Propaganda usw.?

G. Dimitroff

Fragen an die Arbeiterzeugen

Um die Schuld der Kommunistischen Partei an der Reichstagsbrandstiftung nachzuweisen, legte die faschistische Anklagevertretung besonderen Wert auf Aussagen von Arbeitern. Diese Zeugen holte sie meist aus den Konzentrationslagern und erpreßte einigen von ihnen während der Voruntersuchung unter Drohungen und Folterungen die vom Staatsanwalt gewünschten »Zeugen«aussagen.

Für diese Zeugen stellte Dimitroff eine besondere Gruppe von Fragen zusammen. Das Gericht unternahm alles, um zu verhindern, daß die Fragen in der öffentlichen Sitzung in der von Dimitroff formulierten Fassung gestellt wurden. Dennoch gelang es Dimitroff durch seinen hartnäckigen Kampf, diese Fragen in dieser oder jener Form an die Zeugen zu richten. In den Verhandlungen deckten die Zeugenaussagen noch einmal die ganze Verlogenheit der faschistischen Anklage auf. Die Zeugen widerriefen ihre in der Voruntersuchung gemachten Aussagen und obwohl sie ihren Kopf dabei riskierten, brachten sie das bestialische Regime und die Folterungen, unter denen ihnen die der Anklage notwendigen Aussagen erpreßt worden waren, zur Kenntnis der Weltöffentlichkeit.

 

3.–5. Dezember 1933

Wurde unter den Kommunisten im Januar 1933 die Frage so gestellt:

Wenn Hitler als Reichskanzler ernannt wird, dann ruft die KPD die Massen als Antwort darauf zum unmittelbaren bewaffneten Aufstand auf?

Es war das Verbot der Partei zu erwarten. Was für Abwehrmaßnahmen sind beabsichtigt worden – Massenkampf, Proteststreiks oder bewaffneter Aufstand?

Hat der Zeuge etwas bemerkt, daß darauf schließen läßt, daß die Kommunisten zur Zeit der Reichstagsbrandstiftung auf einen Parteibefehl zum bewaffneten Losschlagen gewartet haben?

Waren die Partei und die Massenorganisationen der Arbeiterschaft durch die Staatsmacht und die nationalsozialistischen Stoßtruppen verfolgt und unterdrückt und sind sie nicht dadurch in eine Abwehrlage gedrängt und zum Abwehrkampf veranlaßt worden?

Wie ist dieser Abwehrkampf aufgefaßt worden?

Ist der Reichstagsbrand als Fanal, als Signal zum bewaffneten Losschlagen aufgefaßt worden?

Welche Stellungnahme haben die Parteileute nach der Meldung über den Reichstagsbrand gehabt?

Zu welchem Zweck sollten sich die Parteimitglieder am Wahlsonntag bereit halten – zur Verteidigung gegen zu erwartende nationalsozialistische Überfälle oder zu eigenen Angriffsaktionen?

Sind die sogenannten Fünfergruppen illegale Parteiformationen oder Terrorgruppen zur Ausführung terroristischer Aktionen gewesen?

Waren Waffen beschafft für einen Aufstand im Zusammenhang mit dem Reichstagsbrand?

War der Massenselbstschutz bestimmt zur Verteidigung der Versammlungen, der Organisationen, der Redner, der Klebekolonnen, des Eigentums der Arbeiterschaft, der Arbeiterwohnungen usw. oder zum unmittelbaren Aufstand im Februar und März 1933?

Hat der Zeuge am 27. Februar im Zusammenhang mit dem Reichstagsbrand Wahrnehmungen gemacht über irgendwelche Versuche seitens der Kommunisten:

a) Polizeikasernen zu überfallen;

b) politische Gefangene zu befreien;

c) Waffen zu verteilen;

d) Barrikaden zu bauen;

e) Post und Telegraphen, Eisenbahnen, Elektrizitätswerke und öffentliche Gebäude zu besetzen;

f) Aufforderungen an die Massen zu bewaffneten Aktionen zu richten?

Wann sind die Beschlüsse des XII. Plenums der Kommunistischen Internationale und die Beschlüsse der Reichsparteikonferenz der KPD durchgearbeitet und durchdiskutiert worden?

Sind diese Beschlüsse für die Tätigkeit und die Aktionen der Partei im Februar 1933 vor dem Brand in Kraft geblieben oder sind sie geändert worden?

Was war im Februar 1933 die unmittelbare Aufgabe der Partei – Errichtung der Einheitsfront mit den sozialdemokratischen und anderen Arbeitern gegen den Lohnraub, gegen den faschistischen Terror und die imperialistische Kriegsgefahr oder Durchführung eines unmittelbaren bewaffneten Aufstandes um die Eroberung der Macht?

Haben die nationalsozialistischen Truppen Waffen gehabt, waren sie nicht so organisiert wie eine militärische Formation?

Charakteristik der Anklagezeugen

In der Verhandlung am 31. Oktober entlarvte Dimitroff durch seine Fragen den von der faschistischen Staatsanwaltschaft aufgefischten Zeugen Lebermann (einen Morphinisten und Dieb).

Dimitroff machte in dieser Sitzung den Zwischenruf, daß der Kreis der Zeugen der Anklagevertretung geschlossen sei, angefangen mit nationalsozialistischen Reichstagsabgeordneten und beendigt mit einem Dieb.

Diesen Gedankengang drückte Dimitroff am gleichen Tage in Form einer Zeichnung aus, in der die den Zeugen von der Staatsanwaltschaft zugeteilten Rollen dargestellt waren. Diese Zeichnung nannte er den »Teufelskreis« der Anklagezeugen. Die Zeichnung kam dem Rechtsanwalt, vielen ausländischen Journalisten und sogar den Mitgliedern des Gerichtshofs in die Hände.

1. Hauptzeugen:

Nationalsozialistische Abgeordnete: Karwahne, Frey Österreichischer Nationalsozialist: Kroyer Nationalsozialistische Presseleute: Major Weberstedt Dr. Dröscher (alias Job Zimmermann) Nationalsozialistischer Kellner (Agent der Geheimpolizei): Hellmer Nationalsozialist: Major a.D. Schröder Nationalsozialistischer Abgeordneter: Dr. Ruppin Deutschnationaler Journalist: Willi Zimmermann Deutschnationale: Lange, Panknin Lebermann (Dieb und Morphinist) Kunzack (Dieb) Krause (Dieb) Wihle (Falschmünzer) Kämpfer (Dieb) Weinberger (verurteilt wegen Bestechung) Hintze (Dieb) Grothe (Psychopath)

2. Gefangene Arbeiter (22)

3. Kriminalbeamte (8)

4. Kriminalbeamte zum politischen Teil (und Heller) (12)

5. Zwei Untersuchungsrichter: Dr. Vogt, Dr. Lösche

6. Renegat Maurer Paul Pucks u. a.

(11 + 8 + 22 + 8 + 12 + 2 + 2 = 65)

Antrag auf Verhör des Übersetzers

Zu dem nachfolgenden Antrag Dimitroffs wurde der bulgarische Dolmetscher Tarapanoff vernommen, der während der Verhöre in der Voruntersuchung anwesend war. Er bestätigte im wesentlichen die Erklärung Dimitroffs über die unzulässigen Untersuchungsmethoden.

 

5. Dezember 1933

An den Herrn Präsidenten des IV. Strafsenats des Reichsgerichts, Dr. Bünger

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich beantrage, den bulgarischen Dolmetscher Herrn Tarapanoff darüber zu vernehmen:

1. Ob es richtig ist, daß bei der polizeilichen Vernehmung der Zettel mit Anschrift »Helmut«, der Umschlag mit Name »Ferdi« und das Schriftstück »Nationalsozialistische Provokateure entlarvt« mir nicht gezeigt worden sind und ich darüber überhaupt nicht befragt worden bin?

2. Ob es richtig ist, daß bei dem Abschluß der polizeilichen Vernehmung der Kriminalassistent Bauch mir alle bei mir gefundenen Schriftstücke und Aufzeichnungen gezeigt hat und von ihm notiert und numeriert worden sind, und daß die oben erwähnten Sachen nicht vorhanden waren?

3. Ob es richtig ist, daß die Zeichen in dem Berliner Plan auf Reichstag und Schloß bei der polizeilichen Vernehmung auffallend dick gemacht und man keine Lupe brauchte, um sie zu suchen und zu sehen?

4. Ob es richtig ist, daß ich gegen den Untersuchungsrichter nie tätlich mit den Fäusten vorgegangen bin, sondern als der Untersuchungsrichter bei der Vernehmung am 13. Mai zu mir gesagt hat: »Sie haben alles zum Brande durch Popoff und Taneff eingeleitet, und dann sind Sie nach München abgereist«, ich energisch gegen diese ungehörige Verleumdung protestiert habe?

5. Ob es richtig ist, daß der Untersuchungsrichter bei derselben Vernehmung zu Polizeibeamten gesagt hat: »Passen Sie auf Dimitroff gut auf. Er ist in Bulgarien zum Tode verurteilt und wird bald nach Bulgarien abgeschoben.«?

6. Ob es richtig ist, daß, als ich am 19. Mai erklärt habe, ich gebe meinen Kopf, daß auch Popoff und Taneff absolut nichts mit dem Reichstagsbrand zu tun haben, der Untersuchungsrichter drohend geschrien hat: »Sie werden sowieso Ihren Kopf abgeben müssen!«?

7. Ob es richtig ist, daß der Untersuchungsrichter schon am 3. April die Fesselung angeordnet hat, also lange vor dem Selbstmordversuch Taneffs, was der Untersuchungsrichter vor dem Gericht als Grund für die Fesselung angegeben hat?

Hochachtungsvoll
G. Dimitroff

Brief an Rechtsanwalt Dr. Wille

Durch Dimitroffs Fragen in die Enge getrieben und der Ungesetzlichkeit seiner Verfügung über die Fesselung überführt, berief sich der Untersuchungsrichter Vogt in der Sitzung vom 27. September darauf, daß Rechtsanwalt Wille mit dieser Maßnahme angeblich einverstanden gewesen sei.

Um diese Behauptung zu prüfen und um aufzuklären, aus welchen Gründen der Rechtsanwalt die Verteidigung niedergelegt hatte, schrieb ihm Dimitroff nachstehenden Brief.

 

8. Dezember 1933.

An Herrn Rechtsanwalt Werner Wille

Sehr geehrter Herr Doktor!

In der Sitzung vom 27. September hat Herr Untersuchungsrichter Reichsgerichtsrat Vogt als Zeuge u.a. folgendes ausgesagt (Prot. 6, Seite 182):

»Ich habe mit dem Rechtsanwalt Wille über diesen Punkt (gemeint ist die Handfesselung – G. D.) eingehend gesprochen und habe ihm gesagt: Herr Rechtsanwalt, ich kann nicht anders, ich muß pflichtgemäß diese Fesselung anordnen; aber ich bin sehr einverstanden, wenn Sie die Entscheidung des Reichsgerichts einholen und mir auf diese Weise gewissermaßen auch diese schwere Verantwortung abnehmen ...

Präsident: Wissen Sie, weshalb auf diesen Rat hin die Beschwerde nicht eingelegt worden ist? Meines Wissens ist sie nicht eingegangen.

Reichsgerichtsrat Vogt: Sie ist nicht eingelaufen? Ich weiß es nicht. Herr Rechtsanwalt Wille hat mir erklärt, er sehe durchaus ein, daß diese Maßnahme notwendig sei, und er persönlich dächte gar nicht daran, auch nur die Entscheidung des Reichsgerichts einzuholen.

Präsident: Ich will dazu nur feststellen: die Fesselung ist dann nachher, je näher der Verhandlungstermin kam, von uns von Amts wegen ...

Reichsgerichtsrat Vogt: Wenn es erforderlich erscheint – aber es ist vielleicht gar nicht nötig –, kann ich noch sagen, daß Lubbe, wie gesagt, gegen Beamte tätlich geworden ist, nicht nur einmal, sondern zweimal, daß Taneff einen Selbstmordversuch gemacht hat und daß Dimitroff gegen mich persönlich vorgegangen ist, mit geballten Fäusten auf mich zugesprungen ist, und daß ich ihn lediglich durch sehr energisches Entgegentreten von Tätlichkeiten abgehalten habe ...«

Bei dieser ganzen Aussage interessiert mich jetzt nur, ob Sie, mein damaliger rechtlicher Vertreter, zum Untersuchungsrichter wirklich gesagt haben, daß die Fesselung notwendig sei und daß Sie persönlich gar nicht daran dächten, eine Entscheidung des Reichsgerichts einzuholen.

Sie werden sich sicher erinnern können, daß ich bei unserer ersten Unterredung am 12. April Sie ersucht habe, Maßnahmen zu treffen, damit diese inquisitorische Handfesselung aufgehoben werde, was ich auch bei unserer zweiten Unterredung wiederholt habe.

Sie werden auch in Ihren Akten meine Briefe vom 27. April, 12. Mai, 23. Mai und 7. Juni haben, in denen ich fortwährend diese Frage vor Ihnen als die im Moment wichtigste Frage gestellt habe. Sie wissen auch, daß ich Ihre Aufmerksamkeit auf den Text des § 116 der Strafprozeßordnung gelenkt und betont habe, daß diese Maßnahme in meinem Falle eine gesetzwidrige Maßnahme ist.

Sie haben auf meine Briefe in dieser Frage niemals eine Antwort gegeben, aber auch niemals geschrieben oder gesagt, daß die Maßnahme als notwendig oder gesetzwidrig zu betrachten ist.

Eine zweite Frage, die mich interessiert, ist die folgende:

Am 22. Juli haben Sie mir mitgeteilt, daß Sie nicht mehr in der Lage sind, meine Vertretung weiter zu übernehmen.

Das war eine Woche vor der Zustellung der Anklageschrift.

Ich möchte, wenn das möglich ist, wissen, aus welchen Gründen Sie die Vertretung, die Sie seinerzeit freiwillig übernommen haben, niedergelegt haben, und zwar gerade am Vorabend der Zustellung der Anklageschrift?

Ich brauche Ihre Auskunft über diese zwei Fragen, damit ich bei meiner Verteidigungsrede nicht falsche Schlußfolgerungen ziehe oder in unrichtige Auslegungen in bezug auf Ihre Haltung verfalle.

In Erwartung Ihrer Antwort

Hochachtungsvoll
G. Dimitroff

Aus den Prozeß-Stenogrammen

Durch hartnäckigen Kampf erreichte Dimitroff, daß er die stenographischen Protokolle einiger Sitzungen des Reichsgerichts erhielt. Einen Teil dieser Stenogramme hat er abgeschrieben.

In einigen Sitzungen stenographierten die anwesenden Korrespondenten mit. Diese Stenogramme wurden damals in der ausländischen Presse veröffentlicht.

Obwohl die vorliegenden Auszüge nicht umfangreich und nur fragmentarisch sind, geben sie dennoch ein anschauliches Bild der Gerichtsverhandlungen, lassen die ganze Atmosphäre fühlen und zeigen einzelne Momente des Kampfes.

Die Stenogrammauszüge werden in chronologischer Reihenfolge gebracht.

 

27. Oktober 1933

An den Herrn Präsidenten des IV. Strafsenats des Reichsgerichts, Dr. Bünger

Sehr geehrter Herr Präsident!

Ich bitte um Ihre Anordnung, ein Exemplar der stenographischen Protokolle der Hauptverhandlung mir auszuhändigen.

Ich möchte, ähnlich wie die Vertreter der Anklage und die Verteidiger, die Möglichkeit haben, bei der Weiterverhandlung die stenographischen Protokolle der früheren Sitzungen berücksichtigen und entsprechend ausnutzen zu können.

Da diese Protokolle wenigstens für alle an dem Reichstagsbrandprozeß Beteiligten zugänglich sind, so sehe ich keine Hindernisse für eine solche Genehmigung.

Ich bin andererseits sicher, daß, wenn ich diese Protokolle zur Verfügung habe, ich leichter vermeiden werde, schon beantwortete Fragen wiederholt zu stellen und meine neuen, meiner Auffassung nach notwendigen Fragen richtiger formulieren und zur rechten Zeit stellen werde können.

Hochachtungsvoll
G. Dimitroff

Aus dem Stenogramm der Gerichtsverhandlung am 26. September 1933

Aus der Vernehmung des Angeklagten van der Lubbe

Dimitroff: Ich will eine Protesterklärung gegen die verfälschte Wiedergabe meiner Worte in der faschistischen Presse abgeben.

Präsident: Halt! Sie haben nicht das Wort. Wann Erklärungen abgegeben werden, bestimme ich.

Dimitroff: Ich möchte erklären, daß am Sonnabend ...

Präsident: Ich lasse die Erklärung jetzt nicht zu!

Dimitroff: Ich stelle fest, daß man mir die Möglichkeit nimmt ...

Präsident: Ruhe! Sie haben hier nichts festzustellen. Wenden Sie sich an Ihren Verteidiger!

Dimitroff: Ich verteidige mich selbst!

Präsident ( zu van der Lubbe, nachdem er ihm aus den Untersuchungsprotokollen den angeblichen Hergang bei den drei kleineren Brandstiftungen vorgehalten, aber keine oder nur einsilbige Antworten erhalten hat): Warum haben Sie diese drei Brände gelegt?

van der Lubbe ( nach längerem Schweigen, durch den Dolmetscher): Aus eigenen Ideen.

Präsident: Was wollten Sie damit beweisen?

van der Lubbe: Das habe ich damals selber nicht gewußt. In den Untersuchungsprotokollen aber steht: »van der Lubbe sagte, er wollte damit die Arbeiter aufrütteln, es müsse Revolution gemacht werden, ehe es zu spät sei, er freue sich, vor Gericht eine zündende Rede zu halten etc.«

Präsident: Sollte es nicht ein öffentlicher Protest gegen den Kapitalismus sein?

(van der Lubbe schweigt.)

Dimitroff: Es ist unbegreiflich, daß van der Lubbe früher so ausführliche Aussagen vor dem Untersuchungsrichter gemacht hat und hier in öffentlicher Verhandlung schweigt und keine Antworten gibt. Wenn er wirklich normal ist, wie es die sachverständigen Professoren behaupten, so gibt es nur eine Hypothese ...

Oberreichsanwalt Werner und Präsident (unterbrechend): Sie haben hier keine Hypothesen aufzustellen, sondern lediglich Fragen im Zusammenhang mit den augenblicklich erörterten Brandstiftungen zu stellen.

Dimitroff: Das werde ich gleich tun. Jedenfalls muß ich erst einmal meine Auffassung sagen. van der Lubbe war ein einfacher, ziemlich guter Junge. Er war Maurer, er hat Wanderungen unternommen, Reisen gemacht und dann hat er dieses Verbrechen begangen. Da gibt es nur eine Hypothese. Entweder ist van der Lubbe ein verrückter Mann oder aber er ist normal. Wenn er dann schweigt, so schweigt er unter der ungeheuren Last des Verrats an der Arbeiterschaft. Ich stelle folgende Frage an van der Lubbe: Hat dieser Mann einmal in seinem Leben meinen Namen gehört?

Präsident: Diese Frage lasse ich nicht zu. Sie gehört nicht hierher.

Dimitroff (laut zu van der Lubbe): Er soll sagen, was wahr ist!

Präsident: Sie haben gar nichts zu fragen, ich frage. (van der Lubbe schweigt.)

Dimitroff: Ich stelle eine weitere Frage an van der Lubbe.

Präsident: Welche denn?

Dimitroff: Warum benimmt er sich hier so? Warum hat er einmal »ja« gesagt und einmal »nein«, ein drittes Mal »ja« und »nein« und ein viertes Mal gar nichts? Hat er das verstanden oder nicht? Wirklich großartig! Komisch!

Präsident: Hören Sie mal, Sie können hier nicht in die Verhandlung eingreifen. Sie treten ja so auf, als ob Sie an der Verhandlung direkt beteiligt wären. Ich lehne Ihre Frage ab.

Dimitroff: Eine dritte Frage. Hat van der Lubbe mit jemandem von diesen Bränden gesprochen?

Präsident: Was soll diese Frage?

Dimitroff: Ob er mit jemandem Vereinbarungen darüber getroffen hat!

Präsident: Diese Frage wird abgelehnt.

Dimitroff: Eine letzte Frage: Warum hat er dieses ungeheure Verbrechen gegen die Arbeiterklasse in Deutschland gemacht und mit wem hat er es gemacht?

Präsident: Also ich lehne nun Ihre Fragen ab. Wir haben das alles schon gehört. Er hat es allein getan und die Gründe hat er teils genannt, teils nicht. Schluß mit dieser Fragerei. (Das Gericht zieht sich eilig zur Beratung zurück. Nach seiner Rückkehr gibt der Präsident bekannt):

Weitere Fragen des Angeklagten Dimitroff werden nicht zugelassen, weil er mit dem Fragerecht Mißbrauch getrieben hat und seine Fragen nur stellt, um kommunistische Propaganda zu treiben. (Dimitroff will trotzdem weiterreden. Ein Polizeibeamter zerrt ihn auf den Stuhl.)

Präsident: Damit ist nun Schluß, Dimitroff!

Dimitroff: Ich protestiere dagegen!
Einige Tage später, am 4. Oktober, richtete Dimitroff während des Verhörs Torglers erneut einige Fragen an van der Lubbe.

Dimitroff: Warum war es Ihnen nicht möglich, das kleine Wohlfahrtsamt anzuzünden, dagegen das große steinerne Reichstagsgebäude, und zwar in einer knappen Viertelstunde?

Dr. Sack: Ach, Dimitroff möchte jetzt wohl den Angeklagten van der Lubbe als Sachverständigen vernehmen?

Präsident: Es ist ganz klar, daß man eine solche Frage stellen muß! Was haben Sie dazu zu sagen, van der Lubbe? (van der Lubbe schweigt.)

Dimitroff: Die Kommunistische Internationale will völlige Klarheit haben über die Frage des Reichstagsbrandes. Millionen warten auf Antwort!

Präsident: Wer ist hier der Vorsitzende? Schweigen Sie sofort!

Dimitroff: Millionen warten auf eine klare Antwort!

Präsident: Ich dulde das länger nicht! Sie haben zu schweigen, wenn ich es Ihnen befehle, sonst lasse ich Sie aus dem Verhandlungssaal abführen.

Aus dem Stenogramm der Gerichtsverhandlung am 11. Oktober 1933

Präsident: Es ist für morgen abend 8 Uhr eine Augenscheinnahme am Reichstag geplant, die aber nicht viel Zeit in Anspruch nehmen wird.

Dimitroff: Im Zusammenhang mit diesem Termin möchte ich eine Frage stellen.

Präsident: Nein, Dimitroff, es nutzt Ihnen gar nichts. Ich habe Ihnen schon wiederholt gesagt: Das Stellen von Fragen und das Abgeben von Erklärungen ist in der Prozeßordnung nicht vorgesehen, und Sie können wohl kaum verlangen, daß ich gerade Ihnen, der – um mich sehr milde auszudrücken – wiederholt schon Mißbrauch zu treiben versucht hat, mindestens mit der Fragestellung und der Abgabe von Erklärungen, Äußerungen, etwas zubillige, was der Prozeßordnung nach nicht einmal Ihnen zusteht. Also bescheiden Sie sich.

Dimitroff: Herr Präsident ...

Präsident: Nein, ich will nichts hören! Kommen Sie gar nicht mit irgendwelchen Worten. Es nutzt Ihnen nichts, sondern setzen Sie sich.

Dimitroff: Ich möchte bitten zu bemerken ...

Präsident: Ich entziehe Ihnen hiermit das Wort.

Dimitroff: Ich bin nicht nur der Angeklagte Dimitroff (Präsident: Sie sollen schweigen!), sondern auch der Verteidiger Dimitroff. (Der Präsident erhebt sich, der Senat zieht sich zur Beratung zurück.)

Präsident: Es ist folgender Beschluß zu verkünden: Der Angeklagte Dimitroff wird wegen wiederholter Ungehorsamkeit gegen die Anordnungen des Vorsitzenden, insbesondere gegen die Anordnungen, durch die ihm das Wort entzogen ist, bis auf weiteres aus dem Sitzungssaal entfernt. Er ist in das Gefängnis abzuführen.

Dimitroff: Das ist ein Raub meiner Verteidigungsrechte, Herr Präsident. (Dimitroff überreicht seinem Verteidiger einen Zettel mit den Worten: »Diese Fragen wollte ich stellen, stellen Sie sie!«) (Dimitroff wird aus dem Saal geführt.)

Aus dem Stenogramm der Gerichtsverhandlung am 23. Oktober 1933

Aus dem Verhördes Sachverständigen Josse

Professor Josse (Wärmetechniker von der Technischen Hochschule Berlin): Der über 10000 Kubikmeter große Raum des Plenarsaales konnte niemals nur durch Kohlenzünder angesteckt werden. Es mußten unbedingt flüssige Brennstoffe verwendet worden sein Josse erinnert hier an die Aussage des Oberbranddirektors Gempp über die flüssige Brennstoffspur im Bismarcksaal.. Ausgeschlossen, daß van der Lubbe den Brand allein verursachte. Die Vorbereitungen müssen eine geraume Zeit beansprucht haben und von mehreren Personen ausgeführt worden sein. Der wesentliche Zweck der kleinen Brandherde im Restaurationsraum und den Umgängen des Plenarsaales (die van der Lubbe zuzuschreiben sind) war, die Aufmerksamkeit ankommender Personen, die den Brand löschen wollten, auf sich zu ziehen und sie vom Plenarsaal abzuhalten. Van der Lubbe hat vielleicht den Brand im Plenarsaal allein angelegt, aber bestimmt nicht allein die Vorbereitungen dazu getroffen. Dies muß zumindestens von einem anderen Brandstifter geschehen sein. Mindestens 20 Kilo flüssiger Brennstoff (wahrscheinlich Petroleum oder Benzol), vielleicht sogar 40 Kilo waren nötig! Wahrscheinlich wurden auch Putzwolle, Filmstreifen oder Zündschnüre zur Verbindung der einzelnen Brandstellen benutzt.

Präsident: van der Lubbe erzählte von einem Stück brennenden Vorhang, mit dem er durch den Saal gelaufen war. Hatte das keine Bedeutung?

Professor Josse: Gar keine Bedeutung.

(Oberreichsanwalt Werner bezweifelt die Zweckmäßigkeit des Vorgehens, durch Feuer im Restaurationsraum die Aufmerksamkeit zu erwecken.)

Prof. Josse: Mir sind die Gedankengänge des Täters auch ein Rätsel. Denn wenn ich wirksam einen Brand anlegen will, dann stelle ich mich ja auch nicht mit einem Feuerbrand in der Hand auf die Balustrade, renne nicht mit einem Feuerbrand am Fenster vorbei und benehme mich überhaupt nicht so auffällig.

Teichert: Wieviel Zeit war nötig für die Vorbereitung des Plenarsaales?

Prof. Josse: Das hing von der Zahl der Täter ab. 10-15 Minuten konnten genügen, wenn das Brandmaterial bereitstand.

Oberreichsanwalt Werner: Torgler ging gegen 8.45 Minuten fort. ( Torgier protestiert: Ich habe den Reichstag schon um 8 Uhr 20 Minuten verlassen!) Um 8 Uhr 20 Minuten sah der Beleuchter Schulz in den Saal. Konnten in der Zwischenzeit die Vorbereitungen getroffen werden?

Prof. Josse: Ja.

Dimitroff: Mich freut es, daß auch die Sachverständigen nicht glauben, van der Lubbe sei allein vorgegangen. Es ist dies der einzige Punkt der Anklageschrift, mit dem ich vollständig einverstanden bin. Ich gehe noch weiter. Nach meiner Auffassung ist van der Lubbe in diesem Prozeß sozusagen der Reichstagsbrand-Faust. Dieser klägliche Faust steht vor den Schranken des Gerichtes, aber der Reichstagsbrand-Mephisto ist nicht da ...

Präsident: Jetzt ist nicht der Moment zu plädieren.

Dimitroff: Ist es überhaupt möglich, daß van der Lubbe in einer Viertelstunde den Brandweg zurücklegen und das Feuer im Plenarsaal entfachen konnte?

Prof. Josse: van der Lubbe wurde atemlos und in Schweiß gebadet bei seiner Verhaftung aufgefunden. Wenn man ihm die Fixigkeit unterstellt, die Leute an ihm vorher kannten, dann konnte er das bereits vorbereitete Feuer in dieser Zeit selbst entfachen.

Dimitroff: Wenn ich richtig verstanden habe, nimmt der Sachverständige mindestens zwei Brandstifter an?

Prof. Josse: Ja.

(van der Lubbe muß nach vorn treten, wo ihm der Dolmetscher die Ausführungen Prof. Josses kurz übersetzt.)

Präsident: Heben Sie Ihren Kopf, van der Lubbe! Haben Sie verstanden, was gesagt wurde? Der Sachverständige, der ein kluger Professor ist, sagt, Sie konnten nicht allein den Reichstag angezündet haben. Wer hat es vorbereitet? Antworten Sie!

(van der Lubbe verharrt im alten Schweigen.)

Dimitroff (zu van der Lubbe, als er an ihm vorbei auf seinen Platz zurückgeführt wird): Dieser klägliche Faust soll den Namen seines Mephisto nennen! Herr Präsident ...

Präsident: Dimitroff, Sie haben nicht immer das Wort. Nur eine Frage kann ich zulassen.

Dimitroff: Ich bitte noch einmal und das letzte Mal, van der Lubbe zu fragen. Es ist schon gesagt, er war nicht allein. Sein Verhalten, sein Schweigen ermöglicht es, daß unschuldige Leute neben ihm an die Wand gestellt werden. Ich würde van der Lubbe nach seinen Mittätern nicht fragen, wenn seine Tat eine revolutionäre wäre; sie ist aber eine konterrevolutionäre ...

Präsident: Halt! Stellen Sie nur eine Frage.

Dimitroff: Stimmt es, daß van der Lubbe den Brandweg gemacht hat, der angegeben worden ist oder nicht?

Präsident: Das hat er hundertmal schon gesagt.

Dimitroff: Hat er selbst den Plenarsaal in Brand gesteckt oder nicht?

Präsident: Das hat er schon gesagt. Es ist die letzte Frage, die ich zulasse.

Dimitroff: Er hat hier gesagt, mit einem brennenden Tuch sei er durchgelaufen, – war das so?

(Der Präsident läßt die Frage durch den Dolmetscher van der Lubbe übersetzen.)

van der Lubbe: Das kann ich nicht genau sagen.

Aus dem Stenogramm der Gerichtsverhandlung am 25. Oktober 1933

Aus der Vernehmung des Zeugen Karwahne Unter den meineidigen Zeugen im Leipziger Prozeß befanden sich neben Polizeiagenten und aus der Verbrecherwelt angeworbenen Provokateuren auch trotzkistische Agenten des Faschismus. Ein solcher war Karwahne, dem die faschistischen Behörden eine ganz besondere Rolle in der provokatorischen Anklage gegen die Kommunisten zugedacht hatten.
Der entlarvte Trotzkist Karwahne war einige Jahre vor dem Prozeß zusammen mit der trotzkistischen Gruppe Katz aus der Kommunistischen Partei Deutschlands hinausgeworfen worden.
Dimitroff entlarvte durch seine Fragen das Verhalten dieses faschistisch- trotzkistischen Provokateurs vor Gericht und zog die niederträchtigen Dienste ans Tageslicht, die die trotzkistische Meute für ihre faschistischen Herren leistete.

Dimitroff: Der Zeuge ist nationalsozialistischer Reichstagsabgeordneter, und es ist anzunehmen, daß er eine ziemlich wichtige politische Persönlichkeit in seiner Partei ist. Hat er bei der ersten Nachricht von dem Reichstagsbrand gleich die Überzeugung gehabt, daß der Brand nur von der Kommunistischen Partei angelegt sein kann? Hat er dafür irgendwelche Anhaltspunkte gehabt?

Karwahne: Ich habe diese feste Überzeugung schon gehabt in dem Augenblick, wo ich durch die Zeitungsnachricht erfuhr, daß der Reichstag brennt. Dimitroff: Der Zeuge ist vom Reichstag in den »Bayernhof«, dann ins Café »Vaterland«, dann ins Innenministerium und dann ins Polizeipräsidium gegangen. Hat er an diesen Stellen und auf der Straße irgendein Merkmal dafür beobachtet, daß ein bewaffneter Aufstand vorbereitet wurde?

Karwahne: Nein. Wenn die Kommunisten einen bewaffneten Aufstand vorbereiten, so kann man das nicht auf der Straße sehen. Ich hätte überhaupt nicht geglaubt, daß der Reichstag brennt, wenn ich nicht die polizeiliche Absperrung vor dem Reichstagsgebäude beobachtet hätte.

Dimitroff: Hat er bei seinen Unterhaltungen mit den verschiedenen Beamten irgend etwas gehört oder beobachtet darüber, daß Gegenmaßnahmen gegen einen Aufstand im Zusammenhang mit dem Reichstagsbrand getroffen worden sind?

Karwahne: Nicht das geringste von solchen Gegenmaßnahmen habe ich gesehen.

Dimitroff: Ist die Gruppe Iwan Katz im Jahre 1925 auf Beschluß der Kommunistischen Internationale nicht aus der Kommunistischen Partei hinausgeschmissen worden als unzuverlässig, verdächtig und anarchistisch, weil verbrecherische Elemente in ihr waren? Als Provokateure und Agenten der Politischen Polizei gegen die Kommunistische Partei in Deutschland?

Präsident: Dimitroff, ich warne Sie! Hier sind keine politischen Dispute zwischen Ihnen und dem Zeugen zugelassen, sondern nur einfache Fragen.

Aus dem Stenogramm der Gerichtsverhandlung am 27. Oktober 1933

Aus der Vernehmung des Zeugen Kroyer Österreichischer Nationalsozialist

Dimitroff: Der Herr Zeuge wohnt in Österreich. Wir wissen alle, daß die Nationalsozialistische Partei in Österreich verboten ist, daß ihre Mitglieder illegal leben und illegal tätig sind.

Präsident: Diese Bemerkungen sind überflüssig.

Dimitroff: Ich frage: Weiß der Zeuge, daß jetzt in Österreich Nationalsozialisten unter falschem Namen und unangemeldet wohnen?

Präsident: Ich weise diese Frage zurück.

Dimitroff: Weiß der Zeuge, daß nationalsozialistische Flüchtlinge nach Deutschland mit falschen Pässen reisen?

Präsident: Diese Frage wird abgelehnt.

Dimitroff: Weiß der Zeuge, daß in Deutschland Flugschriften und Agitationsschriften für Österreich hergestellt werden?

Kroyer: Das hat nichts mit diesem Prozeß zu tun.

Präsident: Angeklagter Dimitroff, was soll diese Befragung?

Dimitroff: Weil Herr Parrisius Der Staatsanwalt, der die Anklageschrift verfaßt hat. mir in der Anklageschrift den Vorwurf gemacht hat, daß ich als bulgarischer Kommunist in Deutschland illegal gelebt habe, mit falschen Pässen und für die bulgarische Kommunistische Partei illegal gearbeitet habe.

Parrisius: Ich bitte den Angeklagten zu belehren, daß er mich nicht immer mit meinem Namen anzusprechen hat.

Kroyer: Es ist ein großer Unterschied zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten!

Dimitroff: Daß ein Unterschied zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten besteht, weiß ich sehr gut. (Heiterkeit im Saal.) Ich wollte nur zeigen, daß Illegalität und falsche Pässe keine Spezialität der Kommunisten sind.

Präsident: Schweigen Sie!

Aus dem Stenogramm der Gerichtsversammlung am 31. Oktober 1933

Aus der Vernehmung des Zeugen Lebermann

Dimitroff: Ich habe eine Frage zu stellen.

Präsident: Jetzt haben Sie das Recht, eine Frage zu stellen.

Dimitroff: Ich möchte wissen, weil das von Bedeutung für den Prozeß ist: wer hat diesen Zeugen hier geladen? Ist dieser Zeuge ein solcher der Anklagevertretung?

Präsident: Ich habe bereits gesagt: dieser Zeuge hat eines Tages, am 13. Oktober, an die Gefängnisverwaltung eine Eingabe gerichtet und daraufhin ist er von der Staatsanwaltschaft vernommen worden. Das habe ich aber schon gesagt.

Dimitroff: Das habe ich gehört.

Präsident: Darauf ist seine Vorladung als Zeuge beantragt worden.

Dimitroff: Von wem?

Präsident: Von der Reichsanwaltschaft. Aber ich will Ihnen gleich sagen: Ergehen Sie sich nicht in Kritiken, die ganz zwecklos sind. Sie können doch die Reichsanwaltschaft nicht hindern und auch das Gericht nicht, wenn ein Zeuge etwas mitteilt, ihn vorzuladen.

Dimitroff: Das will ich nicht.

Präsident: Das ist also ganz vergeblich, wenn Sie nach dieser Richtung hin irgendwelche Ausführungen machen.

Dimitroff: Das will ich nicht. Aber ich möchte nur, Herr Präsident und meine Herren Richter, bemerken, daß der Kreis der Zeugen (Hauptzeugen) der Anklagevertretung gegen uns, kommunistische Angeklagte, heute mit diesem Zeugen geschlossen ist. Angefangen mit Reichstagsabgeordneten der Nationalsozialistischen Partei, mit nationalsozialistischen Journalisten und beendet mit einem Dieb.

Oberstaatsanwalt Dr. Werner: Ist das eine Frage?

Präsident: Das alles ist hervorgehoben.

Dimitroff: Der Kreis ...

Präsident (unterbrechend): Dimitroff! Ich habe Ihnen schon öfter gesagt, daß Sie nach der Vernehmung von Zeugen Fragen zu stellen haben, nicht stückweise uns Plädoyers vorzusetzen haben. Dazu ist eine andere Zeit vorgesehen. Jetzt erlaube ich nichts, als daß Sie Fragen stellen. Welche Fragen wollen Sie stellen? Aber an den Zeugen, nicht an die Reichsanwaltschaft.

Dimitroff: Eine Frage an den Zeugen des Dr. Parrisius. Der Zeuge Lebermann war auf Veranlassung von Parrisius vorgeladen.

Präsident: Nein! Was wollen Sie für eine Frage an den Zeugen stellen?

Dimitroff: Ich frage folgendes, Herr Präsident!

Präsident: Sie haben also keine Fragen?

Dimitroff: Ich habe diese Frage.

Präsident: Dann sagen Sie die Frage endlich.

Dimitroff: Er hat am 13. Oktober Anzeige gemacht, das steht fest, nachdem er die Zeitungen gelesen hat über den Reichstagsbrandprozeß. Das hat er auch gesagt. Er ist in Haft, er ist kein freier Mann. Er ist in die dritte Stufe gekommen. Er hat Hoffnung, jetzt entlassen zu werden auf Grund dieser Lügen hier. Ich frage: Wer hat ihn beeinflußt, diese schändlichen und schimpflichen ...

Präsident (unterbrechend): Ruhe! Sie sollen sich nicht auf das Gebiet von Beleidigungen von Zeugen begeben ...

(Zu Lebermann): Hat Sie jemand beeinflußt?

Lebermann: Es hat mich keiner beeinflußt.

Präsident: Die Frage ist beantwortet.

Dimitroff: Ich beglückwünsche Sie, Herr Reichsanwalt, zu diesem Zeugen!

Aus dem Stenogramm der Gerichtsversammlung am 4. November 1933

Aus der Vernehmung Görings

Dimitroff: Graf Helldorf hat hier ausgesagt, daß er am 27. Februar gegen 11 Uhr abends auf eigene Initiative einen Befehl herausgegeben hat, die kommunistischen und sozialdemokratischen Führer und Funktionäre zu verhaften. Ich frage nun den Herrn Ministerpräsidenten: hat damals Graf Helldorf mit Herrn Göring über diese Maßnahme gesprochen oder nicht?

Göring: Die Frage ist eigentlich schon beantwortet. Als Graf Helldorf von dem Brand hörte, war ihm wie jedem von uns klar, daß die Kommunistische Partei es gewesen sein mußte. Er hat nun in seiner nächsten Umgebung schon die Anordnungen getroffen. Aber ich betone noch einmal: Ich habe ihn dann selbstverständlich in mein Zimmer geholt und ihm gesagt, daß ich ihn jetzt bitten müsse, seine SA ebenfalls zur Verfügung zu stellen, worauf er mir auch gesagt hat, das habe er zum Teil schon angeordnet. Ich habe damit eine Anordnung, die er getroffen hatte, die aber noch nicht gelaufen war, übernommen und mit der Staatsautorität noch einmal bekräftigt.

Dimitroff: Ich möchte nur wissen, ob zwischen 11 und 12 Uhr eine persönliche Besprechung zwischen dem Grafen Helldorf und Ministerpräsident Göring gewesen ist.

Göring: Das haben Sie ja eben gehört: Jawohl, er war bei mir. Helldorf hatte in seinen unter Eid gemachten Aussagen vor Gericht diese Begegnung mit Göring geleugnet.

Dimitroff: Die Reichstagsabgeordneten der Nationalsozialistischen Partei, Herr Karwahne und Herr Frey, haben hier ausgesagt, daß sie gegen 11 Uhr im Preußischen Innenministerium gewesen sind und dort mitgeteilt haben, daß sie beide und ein österreichischer Nationalsozialist Kroyer am Tage des Brandes Torgler mit van der Lubbe gesehen hätten. Haben diese Reichstagsabgeordneten damals mit Ministerpräsident Göring gesprochen?

Göring: Nein.

Dimitroff: Wußte der Herr Ministerpräsident, daß Herr Karwahne und Herr Frey eine solche Mitteilung gemacht haben?

Göring: Ich habe am Tage nach dem Brand erfahren, daß sie diese Mitteilung gemacht haben.

Dimitroff: Am Morgen oder noch in der Nacht?

Göring: Am Vormittag oder vielleicht auch am Nachmittag.

Dimitroff: Also am Vor- oder am Nachmittag?

Göring: Wann mir diese Zeugenaussagen zuerst mitgeteilt wurden, kann festgestellt werden durch die Vernehmung des Ministerialrats Diehls. Der damalige Leiter der Gestapo.

Dimitroff: Ich möchte festgestellt sehen, daß Karwahne auf meine Anfrage bestimmt erklärt hat, er hätte diese Mitteilung nach Mitternacht gleich nach dem Brand gemacht.

Göring: Die drei Leute haben im Ministerium ihre Aussagen Beamten gegenüber gemacht, nicht mir. Das kann ich ja gar nicht wissen. Das konnte des Nachts oder auch vormittags gewesen sein. Wann man mir dies mitgeteilt hat, erinnere ich mich nicht.

Dimitroff: Am 28. Februar hat Ministerpräsident Göring ein Interview über die Reichstagsbrandstiftung gegeben, in dem es hieß: der »holländische Kommunist« van der Lubbe hat bei der Verhaftung außer seinem Paß auch ein Parteimitgliedsbuch bei sich getragen. Woher wußte damals der Herr Ministerpräsident Göring, daß van der Lubbe ein Parteimitgliedsbuch bei sich hatte?

Göring: Ich muß sagen, ich habe mich bisher um den Prozeß hier nicht sehr gekümmert, d. h. ich habe die Berichte nicht alle durchgelesen. Ich habe nur manchmal gehört, daß Sie (zu Dimitroff) ein besonders schlauer Mann sind. Deshalb habe ich angenommen, daß die Frage, die Sie hier gestellt haben, für Sie schon längst geklärt ist, nämlich, daß ich mich mit der Untersuchung dieser Sache überhaupt nicht befaßt habe. Ich laufe nicht selber herum und ziehe den Leuten die Sachen aus der Tasche. Falls Ihnen (zu Dimitroff) das noch nicht bekannt sein sollte, sage ich Ihnen: Die Polizei untersucht alle Schwerverbrecher und macht mir Mitteilung darüber, was sie gefunden hat.

Dimitroff: Die drei Kriminalbeamten, die van der Lubbe verhaftet und als erste vernommen haben, haben übereinstimmend ausgesagt, daß kein Parteimitgliedsbuch bei Lubbe gefunden worden ist. Woher dann die Mitteilung über das Buch gekommen ist, möchte ich wissen.

Göring: Das kann ich Ihnen ganz genau sagen. Diese Mitteilung ist mir amtlich vorgelegt worden. Wenn in dieser ersten Nacht auch Dinge mitgeteilt worden sind, die vielleicht nicht so rasch nachzuprüfen waren, wenn bei dem einen Beamten vielleicht auf Grund einer Erklärung davon die Rede war, Lubbe habe ein Parteibuch bei sich gehabt, und man konnte das nicht nachprüfen, hat es also vielleicht als Tatsache genommen, so wurde mir das selbstverständlich mitgeteilt. Ich habe diese Mitteilung der Presse schon am nächsten Vormittag gegeben, da war die abschließende Vernehmung noch nicht fertig. An sich ist das ja auch belanglos, weil hier in dem Prozeß festgestellt zu sein scheint, daß van der Lubbe kein Parteibuch hatte.

Dimitroff: Der Zeuge ist Ministerpräsident, Innenminister und Reichstagspräsident und der Minister trägt die Verantwortung für seine Polizei?

Göring: Jawohl!

Dimitroff: Ich frage: Was hat der Herr Innenminister am 28. und 29. Februar oder an den nächstfolgenden Tagen getan, damit durch die polizeiliche Untersuchung der Weg von van der Lubbe von Berlin nach Hennigsdorf, sein Aufenthalt im Asyl in Hennigsdorf, seine Bekanntschaft mit zwei anderen Leuten dort festgestellt und so die wahren Komplicen ausfindig gemacht werden? Was hat Ihre Polizei getan?

Göring: Ich habe mich selbstverständlich als Minister nicht wie ein Detektiv auf die Spuren begeben, sondern ich habe meine Polizei.

Dimitroff: Nachdem Sie als Ministerpräsident und Innenminister die Erklärung abgegeben hatten, daß Kommunisten die Brandstifter seien, daß die Kommunistische Partei Deutschlands mit Hilfe von van der Lubbe, als ausländischem Kommunisten, das gemacht habe, mußte da nicht diese Ihre Einstellung für die polizeiliche Untersuchung und weiterhin für die richterliche Untersuchung die bestimmte Richtung festlegen und die Möglichkeit ausschalten, andere Wege zu suchen und die richtigen Reichstagsbrandstifter ausfindig zu machen?

Göring: Gesetzlich ist für die Kriminalpolizei von vornherein die Anweisung festgelegt, daß sie bei allen Verbrechen ihre Untersuchungen in jeder Richtung vorzutreiben hat, gleichgültig, wohin sie führen, überall, wo Spuren sichtbar werden. Ich selbst aber bin nicht Kriminalbeamter, sondern verantwortlicher Minister und für mich war es deshalb nicht so wichtig, den einzelnen kleinen Strolch festzustellen, sondern die Partei, die Weltanschauung, die dafür verantwortlich war. Die Kriminalpolizei wird allen Spuren nachgehen, beruhigen Sie sich. Ich hatte nur festzustellen: Ist das Verbrechen außerhalb der politischen Sphäre begangen worden oder ist es ein politisches Verbrechen. Für mich war es ein politisches Verbrechen und ebenso war es meine Überzeugung, daß die Verbrecher in Ihrer (zu Dimitroff) Partei zu suchen sind. (Schüttelt die Fäuste gegen Dimitroff und schreit) Ihre Partei ist eine Partei von Verbrechern, die man vernichten muß! Und wenn die richterliche Untersuchung sich in dieser Richtung hat beeinflussen lassen, so hat sie nur in der richtigen Spur gesucht.

Dimitroff: Ist dem Herrn Ministerpräsidenten bekannt, daß diese Partei, die »man vernichten muß«, den sechsten Teil der Erde regiert, nämlich die Sowjetunion, daß diese Sowjetunion diplomatische, politische und wirtschaftliche Beziehungen mit Deutschland unterhält und daß ihre wirtschaftlichen Bestellungen Hunderttausenden von deutschen Arbeitern zugute kommen?

Vorsitzender (zu Dimitroff): Ich verbiete Ihnen, hier kommunistische Propaganda zu betreiben!

Dimitroff: Herr Göring betreibt hier nationalsozialistische Propaganda! (Wendet sich sodann zu Göring) Diese bolschewistische Weltanschauung herrscht in der Sowjetunion, in dem größten und besten Lande der Welt, und hat hier, in Deutschland, Millionen Anhänger in Person der besten Söhne des deutschen Volkes. Ist das bekannt ...

Göring (brüllend): Ich will Ihnen sagen, was im deutschen Volke bekannt ist. Bekannt ist dem deutschen Volke, daß Sie sich hier unverschämt benehmen, daß Sie hierhergelaufen sind, um den Reichstag anzustecken. Aber ich bin hier nicht dazu da, um mich von Ihnen wie von einem Richter vernehmen und mir Vorwürfe machen zu lassen! Sie sind in meinen Augen ein Gauner, der direkt an den Galgen gehört.

Präsident: Dimitroff, ich habe Ihnen bereits gesagt, daß Sie hier keine kommunistische Propaganda zu treiben haben. Sie dürfen sich dann nicht wundern, wenn der Herr Zeuge derartig aufbraust! Ich untersage Ihnen diese Propaganda auf das strengste. Sie haben rein sachliche Fragen zu stellen.

Dimitroff: Ich bin sehr zufrieden mit der Antwort des Herrn Ministerpräsidenten.

Präsident: Ob Sie zufrieden sind, ist mir gleichgültig. Ich entziehe Ihnen jetzt das Wort.

Dimitroff: Ich habe noch eine sachliche Frage zu stellen.

Präsident (noch schärfer): Ich entziehe Ihnen jetzt das Wort.

Göring (brüllt): Hinaus mit Ihnen, Sie Schuft!

Präsident (zu den Polizisten): Führt ihn hinaus!

Dimitroff (den die Polizeibeamten bereits gepackt hatten): Sie haben wohl Angst vor meinen Fragen, Herr Ministerpräsident?

Göring (Dimitroff nachrufend): Warten Sie nur, bis wir Sie außerhalb der Rechtsmacht dieses Gerichtshofes haben werden! Sie Schuft, Sie!

Aus dem Stenogramm der Gerichtsversammlung am 8. November 1933

Aus der Vernehmung Goebbels'

Dimitroff: Der Zeuge hat erklärt, daß nach Überzeugung des ganzen Kabinetts die Reichstagsbrandstiftung ein Auftakt zum bewaffneten Aufstand seitens der KPD sein sollte. Ich möchte wissen, ob am 26. Februar, am 27. Februar oder an den nächsten Tagen nach dem Reichstagsbrand ein Beschluß des Kabinetts für die Einsetzung aller Behörden und aller bewaffneten Kräfte gegen einen erwarteten Aufstand seitens des deutschen Proletariats und der deutschen Kommunistischen Partei gefaßt worden ist. Gibt es einen solchen Beschluß, ein authentisches Dokument oder nicht?

Goebbels: Das war Sache des Polizeiministers.

Dimitroff: Weiß der Zeuge, ob damals im Polizeiministerium und im Kriegsministerium der Einsatz bewaffneter Kräfte gegen den zu erwartenden kommunistischen Aufstand angeordnet war?

Goebbels: Herr Dimitroff scheint mich mit dem Kriegsminister oder dem Polizeiminister zu verwechseln. Ich bin aber der Propagandaminister und habe mit der Kriegführung nichts zu tun. Ich nehme an, daß der Polizeiminister die entsprechenden Maßnahmen getroffen hat, der Wehrminister wahrscheinlich nicht. Herr Dimitroff scheint die kommunistische Gefahr bei uns doch für zu groß und gefährlich anzusehen, wenn er meint, daß dagegen die deutsche Armee aufgeboten werden müßte. Es genügt vollkommen, die SA und SS einzusetzen, um die Kommunisten bei uns in einem Moment niederzuwerfen.

Präsident: Dem Zeugen ist darin beizutreten, daß er nicht verpflichtet ist, über andere Ressorts Auskunft zu geben.

Dimitroff: Ich werde nachher einen Beweisantrag in dieser Richtung stellen. Als Reichspropagandaminister und Propagandaleiter der NSDAP weiß aber der Zeuge wohl, daß die Reichstagsbrandstiftung sofort seitens der Regierung und besonders des Propagandaministeriums ausgenutzt wurde als Auftakt für die Unterdrückung der Wahlagitation der Kommunistischen Partei, der Sozialdemokratischen Partei und anderer oppositionellen Parteien?

Goebbels (bestreitet, daß besondere propagandistische Maßnahmen nach dem Brande durchgeführt wurden)

Dimitroff: Hat der Zeuge nicht selbst im Rundfunk nicht nur die Kommunistische Partei, sondern auch die Sozialdemokratische Partei als Urheberin des Brandes hingestellt? Nach diesen Reden sowie nach den Erklärungen des Ministers Göring und anderer Regierungsmänner waren die Urheber des Brandes nicht nur die Kommunisten, sondern auch die Sozialdemokratische Partei.

Präsident: Inwiefern steht das im Zusammenhang mit der Frage, wer den Reichstag in Brand gesetzt hat?

Goebbels: Ich will die Frage gern beantworten. Ich habe den Eindruck, daß Dimitroff vor diesem Gericht Propaganda für die Kommunistische bzw. die Sozialdemokratische Partei machen und sie verteidigen will. Ich weiß, was Propaganda ist, und er braucht nicht den Versuch zu machen, mich durch solche Fragen aus der Ruhe zu bringen. Das wird ihm nicht gelingen. Wenn wir die Kommunisten der Urheberschaft anklagen, so war die ununterbrochene Verbindung zur Sozialdemokratie gegeben. Für uns bestehen die Unterschiede beider Parteien nur in der Taktik und im Tempo, nicht aber im Grundsatz. Wenn wir also den Kommunismus, als schärfste Form des Marxismus, als den Urheber des Reichstagsbrandes betrachten, so war damit selbstverständlich auch unsere Aufgabe gegeben, mit der Kommunistischen Partei auch die Sozialdemokratie zu vernichten.

Dimitroff: Im Herbst 1932 unter der Regierung Papen und Schleicher sind eine Reihe von Bombenattentaten in Deutschland unternommen worden. Deswegen waren auch Prozesse, und es wurden einige Todesurteile über Nationalsozialisten gefällt. Ich frage, ob diese Terrorakte im Jahre 1932 nicht die Sache der Nationalsozialisten gewesen sind?

Goebbels: Es ist möglich, daß von außen Provokateure in die NSDAP hineingeschickt worden sind. Um die Einhaltung ihrer legalen Linie zu sichern, hat die Nationalsozialistische Partei sogar eine schwere Krise auf sich genommen bei der Ausschließung des radikalen Stennesflügels.

Dimitroff: Nationalsozialisten, die einen Gegner ermordet hatten und deshalb zum Tode verurteilt wurden, sind vom Reichskanzler Hitler feierlich und demonstrativ begrüßt worden. Ist das dem Zeugen bekannt?

Goebbels: Der Führer glaubte, diese Leute, die ja subjektiv im Interesse des Vaterlandes richtig zu handeln geglaubt haben, vor dem Schafott nicht im Stich lassen zu dürfen, und er hat ihnen deshalb ein Begrüßungstelegramm geschickt.

Dimitroff: Ist es richtig, daß die Nationalsozialistische Partei eine Amnestievorlage durchgesetzt hat für alle Terrorakte, die zum Zweck der nationalsozialistischen Bewegung gemacht worden sind?

Goebbels: Wenn Leute sich gegen den roten Terror zur Wehr setzten, so konnten wir diese Männer, die zur Rettung der deutschen Nation ihre Taten begangen hatten, nicht ins Gefängnis wandern lassen.

Dimitroff: Weiß der Zeuge, daß in Deutschland viele politische Morde begangen wurden? Es wurden die kommunistischen Führer Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg ermordet ...

Präsident: Halt! Halt! Wir haben hier aufzuklären, wer den Reichstag in Brand gesteckt hat. Da kann man nicht soweit in die Vergangenheit zurückkehren.

Goebbels: Es wäre zweckmäßiger, wenn wir bei Adam und Eva anfingen. Als diese Morde geschahen, existierte unsere Bewegung noch nicht.

Dimitroff: Weiß der Zeuge, daß deutsche Staatsmänner wie Erzberger und Rathenau von Kreisen der Rechten ...

Präsident (unterbricht): Ich werde diese Frage sofort zurückweisen, es sei denn, daß der Minister darauf zu antworten wünscht ...

Goebbels: Ich will mich nicht an diesen Fragen vorbeidrücken. Die Ermordung Erzbergers und Rathenaus ist nicht von nationalsozialistischen Kreisen geschehen. Damals war diese Bewegung noch eine ganz kleine Gruppe ...

Präsident: Dimitroff, das ist die zweite Frage, die ich zurückweisen muß. Sie erinnern sich vielleicht früherer Vorgänge. Der Präsident meint die Entfernung Dimitroffs aus dem Gerichtssaal, weil er Fragen gestellt hatte, durch die die faschistischen Reichstagsbrandstifter entlarvt wurden.

Dimitroff: Sind die Kreise, die solche Dinge in Deutschland gemacht haben, nicht jetzt die Verbündeten der Nationalsozialisten?

Goebbels: Ich weiß im einzelnen nicht, wer die Täter waren. Zum Teil sind sie ins Ausland geflüchtet, zum Teil von der preußischen Polizei erschossen worden, oder sie haben sich selbst erschossen. Die Leute existieren zum größten Teil nicht mehr, und ich interessiere mich für sie nicht.

Oberreichsanwalt Dr. Werner: Ich finde es sehr entgegenkommend, daß der Minister diese Frage beantwortet, aber ich glaube, es wäre doch richtiger, diese Fragen überhaupt nicht beantworten zu lassen, denn sie werden nur gestellt, um in einer gewissen Richtung Propaganda zu treiben!

Goebbels: Ich beantworte die Fragen Dimitroffs nur, damit ich ihm und der Weltpresse nicht Gelegenheit gebe zu behaupten, daß ich mich vor der Beantwortung einer Frage verkrochen und gedrückt hätte. Ich habe anderen Leuten Rede und Antwort gestanden als diesem kleinen kommunistischen Agitator.

Dimitroff: Alle diese Fragen hängen zusammen mit der politischen Anklage gegen mich. Meine Ankläger behaupten, daß durch den Reichstagsbrand eine gewaltsame Änderung der deutschen Verfassung erreicht werden sollte. Ich frage, welche Verfassung am 30. Januar und am 27. Februar in Deutschland herrschte?

Goebbels: Es herrschte die Verfassung von Weimar. Ob sie gut oder schlecht war, ist belanglos. Aber sie war legal, und wir haben sie anerkannt. Die Änderung wollten wir nicht den Kommunisten überlassen, sondern wir haben sie uns selbst vorbehalten. Die bereits vorgenommenen Verfassungsänderungen hielt ich für ungenügend.

Dimitroff: Das ist ein Beweis, daß Sie nicht die deutsche Verfassung respektieren.

Präsident ( schreit): Lassen Sie die Verfassungsfrage beiseite!

Dimitroff: Herr Minister, ist Ihnen bekannt, daß in Österreich und der Tschechoslowakei Ihre Gesinnungsgenossen, die Nationalsozialisten, auch illegal arbeiten müssen, illegale Propaganda machen müssen und mit falschen chiffrierten Adressen und chiffrierter Korrespondenz arbeiten?

Goebbels: Es scheint, daß Sie die nationalsozialistische Bewegung beleidigen wollen. Ich antworte Ihnen mit Schopenhauer: »Jeder Mensch verdient, daß man ihn ansieht, aber nicht, daß man mit ihm redet.«

Dimitroff: Ich stelle einen Beweisantrag. Die These von dem Reichstagsbrand als Auftakt zum bewaffneten Aufstand soll in Zusammenhang gebracht werden mit den Aussagen von Göring und Goebbels ...

Präsident: Stellen Sie den Antrag schriftlich.

Dimitroff: Nach der Strafprozeßordnung kann das auch mündlich geschehen.

Präsident: Nein. Jetzt soll auch erst die Vernehmung des Ministers Goebbels abgeschlossen werden.

Dimitroff: Ich möchte mit dem Beweisantrag ...

Präsident: Ich verbiete Ihnen, den Inhalt des Beweisantrages vorzutragen. Der Senat wird über Ihren schriftlichen Antrag beschließen.

Aus dem Stenogramm der Gerichtsverhandlung am 13. November 1933

Aus der Vernehmung des Zeugen Grawe Während der Vernehmung Grawes (Faschist, Friseurmeister in Hennigsdorf, wo van der Lubbe vor dem Reichstagsbrand übernachtete) stellte Dimitroff eine Reihe von Fragen an van der Lubbe.

Dimitroff: Ist van der Lubbe am nächsten Morgen allein nach Berlin gefahren oder mit jemand anderem?

van der Lubbe: Allein!

Dimitroff: Gott sei Dank spricht der jetzt ein bißchen mehr! Vielleicht können wir weitere Fragen stellen?

Präsident: Ja, worüber?

Dimitroff: Ich habe zunächst an den Zeugen eine Frage zu stellen und dann auch noch an Lubbe: – Wenn ich richtig verstanden habe, wurde in diesem berühmten Hennigsdorf damals nach der Brandstiftung auch bekannt, daß van der Lubbe am 26. Februar dort gewesen ist. Stimmt das? Habe ich richtig verstanden?

Präsident: Sie sollen mich fragen, das habe ich Ihnen vorher schon gesagt. – Ja, das hat der Zeuge gesagt.

Dimitroff: Habe ich richtig verstanden, daß in diesem Zusammenhang auch in Hennigsdorf wie in ganz Deutschland bekannt war, daß die Kommunisten an dieser Reichstagsbrandstiftung schuld sind?

Präsident: Ja, das war bekannt ...

Grawe: So wurde allgemein gesagt: wer soll es denn weiter sein!

Dimitroff: Es war bekannt, daß van der Lubbe bei Ihrem Hause gewesen ist. Das war doch bekannt, Sie haben es erzählt? ( van der Lubbe: Ja.) Wann hat dieser Zeuge über die Tatsache, daß van der Lubbe vor seinem Geschäft oder seinem Hause gewesen ist, dort in Hennigsdorf das erstemal Mitteilung gemacht?

Präsident: Das habe ich vorhin schon gefragt. Sie haben davon gar keine Mitteilung gemacht?

Grawe: An die Polizei nicht sofort.

Präsident: Nein, später.

Dimitroff: Wann später?

Grawe: Der Polizei war es bekannt.

Präsident: Darum haben Sie eben keine Mitteilung gemacht.

Dimitroff: Aus der Antwort van der Lubbes kann man annehmen, daß van der Lubbe wirklich bei diesem Hause war. Wenn es so ist, dann muß man die Frage stellen, ob die Hennigsdorfer Polizei zu diesem Zeugen gegangen ist und gefragt hat: war van der Lubbe hier oder nicht? Wenn er da war, was hat er gemacht, mit wem hat er gesprochen, überhaupt, was hat er getrieben? Ist die Hennigsdorfer Polizei bei diesem Zeugen am 28. oder am folgenden Tage gewesen und hat gefragt?

Präsident: Wußte die Polizei da überhaupt, daß van der Lubbe in Ihrem Hause gewesen wäre?

Grawe: Das nehme ich an, weil ich es der Frau des Polizeiwachtmeisters erzählt hatte, und die hat es ihrem Manne wiedererzählt.

Dimitroff: Die Polizei wußte es, ist aber nicht gekommen ... Ist dem Zeugen bekannt, ob in den 8 oder 9 Monaten seit der Reichstagsbrandstiftung jemand von der Brandkommission, von der Politischen Polizei oder einer anderen Behörde nach Hennigsdorf gekommen ist und eine Untersuchung über die Frage angestellt hat? War in einem Hause eine Durchsuchung im Zusammenhang mit dem Verbleib und der Übernachtung von van der Lubbe in Hennigsdorf?... Ist der Zeuge Grawe damals auch Nationalsozialist gewesen?

Grawe: Ich habe immer rechts gestanden.

Dimitroff: Ich stelle eine Frage an van der Lubbe und möchte den Herrn Präsidenten bitten, diese Frage auch in die holländische Sprache übersetzen zu lassen. – Meiner Überzeugung nach ist die Brücke zwischen van der Lubbe und dem Brand im Plenarsaal des Reichstages...

Präsident: Das sollten Sie nicht sagen, denn dadurch könnte die Aussage, die objektive Aussage des Angeklagten beeinflußt werden. Also stellen Sie nur gleich die Frage, die Sie stellen wollen!

Dimitroff: Die Brücke ist über Hennigsdorf ...

Präsident: Sie sollen die Frage stellen!

Dimitroff: Deswegen frage ich van der Lubbe: Ist es nicht richtig und ist es kein Zufall, daß er am 26. Februar in Hennigsdorf übernachtet hat?

Präsident: Sie sollen keine Suggestivfragen stellen. Und das war eine. – Aus welchem Grunde, Angeklagter van der Lubbe, haben Sie in Hennigsdorf übernachtet, weshalb sind Sie dorthin gegangen und haben dort übernachtet?

van der Lubbe: Weil ich dort gut schlafen konnte. ( Heiterkeit.)

Dimitroff: Er ist dort gewesen, weil man dort gut schlafen konnte, so hat er geantwortet. Ist es aber richtig, daß er von dort nach Berlin gefahren ist und am 27. Februar abends hier im Reichstag am Brand gewesen ist, und daß er an dieser Brandlegung oder Brandstiftung persönlich teilgenommen hat?

Präsident: Die Brandstiftung hat er doch selbst verursacht.

Dimitroff: Teilgenommen! Ich frage, ob es richtig ist, daß er von Hennigsdorf nach Berlin gefahren ist, den ganzen Tag in Berlin gewesen ist, am Abend des 27. Februar hier im Reichstag gewesen ist und an dieser Brandlegung im Reichstag teilgenommen hat. Ob das richtig ist oder nicht?

Präsident: Ich will noch einmal fragen: Haben Sie die Brandstiftung ausgeführt?

van der Lubbe: Ja.

Dimitroff: Ob es richtig ist, daß er das nicht allein gemacht hat? (van der Lubbe schweigt.)

Dimitroff: Ist es nicht richtig, Herr Präsident, daß man wegen des Verhaltens von van der Lubbe während der Hauptverhandlung, nämlich seiner Schweigsamkeit, seiner Antworten: Ja und Nein, seiner Weigerung, die richtige Lage zu schildern, – ist es nicht richtig, daß wegen dieses Verhaltens von van der Lubbe Während der ganzen Gerichtsverhandlung machte van der Lubbe den Eindruck eines anormalen Menschen. Er antwortete nicht auf Fragen, blickte verstört um sich oder saß mit gesenktem Kopf da, aus der Nase floß ihm Schleim. Zahlreiche Zeitungen und medizinische Sachverständige erklärten diesen Zustand van der Lubbes damit, daß die faschistischen Gefängnisbehörden ihm narkotische Gifte ins Essen geben ließen. die Möglichkeit gegeben ist, unschuldige Leute, die hier sitzen, als Ersatz-Reichstagsbrandstifter angeklagt werden, oder wird nicht durch dieses Verhalten die Möglichkeit erleichtert oder verstärkt, eine ungeheure Hetze gegen die Kommunisten zu führen ...

Präsident: Jetzt schweigen Sie!

Fragen an van der Lubbe Am gleichen Tage, am 13. November 1933, wurden zwei Landstreicher, Müller und Organistka, als Zeugen vernommen, mit denen van der Lubbe angeblich schon ein Jahr früher zusammengetroffen war und, wie der Oberreichsanwalt behauptete, »revolutionäre Gespräche« geführt haben sollte. Nach dem Verhör dieser Landstreicher richtete Dimitroff an van der Lubbe eine Reihe von Fragen, um das Manöver des Anklagevertreters und die von ihm vorgeschobenen Zeugen zu entlarven.

Dimitroff: Herr Präsident, hat Lubbe nicht verstanden, daß diese Anklage über die Reichstagsbrandsache eigentlich als eine Anklage gegen den deutschen Kommunismus und gegen den Weltkommunismus beabsichtigt ist, wie die deutsche Presse schreibt? Hat er das verstanden oder nicht?

Präsident: Ja, was ist daraus zu folgern? Nehmen wir mal an, er hätte es verstanden, was ist das für eine Schuldfrage?

Dimitroff: Wenn er das verstanden hat, möchte ich van der Lubbe doch fragen, warum er als ein Mann, als ein Arbeiter, der, wie er sagt, mit ehrlichen Absichten gehandelt hat, warum er zwei Monate lang in dieser Hauptverhandlung mit seiner Schweigsamkeit, mit seinem besonderen Verhalten diese ungeheure Hetze gegen den Kommunismus geduldet hat.

Präsident: Ruhe!

Dimitroff: Die Anklageschrift ist ausgenützt für eine solche Hetze gegen den Kommunismus in Deutschland. Ich möchte noch einige Fragen stellen. Erste Frage: Ist van der Lubbe in Deutschland einmal unter einem anderen Namen gewesen? Unter dem Namen van Bergen?

van der Lubbe: Nein!

Dimitroff: van der Lubbe hat bei seiner Festnahme und seiner ersten polizeilichen Vernehmung gesagt, er sei Mitglied der holländischen Kommunistischen Partei. Hat er so etwas gesagt?

van der Lubbe: Das habe ich niemals gesagt.

Rechtsanwalt Seuffert: Das ist auch nie behauptet worden.

Dimitroff: Er hat aber dieses Vernehmungsprotokoll unterschrieben.

Präsident: Wir müssen erst feststellen, ob diese Äußerung auch tatsächlich im Protokoll enthalten ist...

Dimitroff: Hat van der Lubbe ausgesagt, daß er Kommunist ist?

Präsident: Dazu müssen wir erst mal die Protokolle selbst einsehen, sonst stoßen wir in der Luft herum...

Dimitroff: Ich habe früher einmal ausdrücklich erklärt, ich persönlich als Kommunist und Revolutionär würde van der Lubbe nie fragen, wer seine Komplicen gewesen seien, wenn seine Tat eine revolutionäre Tat gewesen wäre. Weil aber diese seine Tat eine konterrevolutionäre Tat ist, deswegen habe ich immer schon verlangt und darauf gedrängt, daß er über seine Mittäter oder Hintermänner klare Aussagen macht. Das hat er bis jetzt nie getan. Er verneint, daß jemand anders mit ihm gewesen ist. Hier sitzen aber vier andere Angeklagte, die der Beteiligung am Reichstagsbrand beschuldigt sind. van der Lubbe hat auch gehört, was der Ministerpräsident Göring an meine Adresse gesprochen hat. Er hat gehört, daß Herr Göring mich als Reichstagsbrandstifter bezeichnet hat, den man an den Galgen schicken müßte... Ich frage, warum hat van der Lubbe, der jetzt zwei Monate mit uns auf einer Anklagebank sitzt und allen Verhandlungen beigewohnt hat, noch nicht ganz klar und deutlich alles, was notwendig ist, zur Aufklärung des Sachverhalts ausgesagt, damit mit diesem Prozeß endlich Schluß gemacht werden kann? Er hat selbst, Herr Präsident, sich beklagt, daß er schon acht Monate dauert.

Präsident: Ja, ja, das wissen wir ja alles.

Dimitroff: Nun, bitte, warum?

van der Lubbe: Weil ich einen gewöhnlichen Prozeß erwartete, an einen solchen Prozeß dachte und ihn wünschte.

Präsident: Das war nicht sehr klar. Aber das sind innere Tatsachen.

Dimitroff: Keine Antwort!

Präsident: Nein, nein!

Dimitroff: Noch keine Antwort! ... Ich habe eine letzte Frage: Ist es nicht möglich, daß es bei der Brandlegung so gewesen ist, daß van der Lubbe mit jemand über eine Protestaktion gesprochen hat gegen ein System, eine Gesellschaftsordnung oder dergleichen? Diese Protestaktion sollte die Ansteckung des Reichstages selbst sein. Dann ist van der Lubbe in den Reichstag eingestiegen, hat den Brand angelegt. In derselben Zeit aber hat dieser Jemand auf einem anderen Wege den Plenarsaal erreicht und durch andere Mittel das Feuer im Plenarsaal vorbereitet, vielleicht auch selbst angesteckt. Wenn das so ist, kann van der Lubbe die anderen Leute persönlich nicht kennen.

Präsident: Das wissen wir ja alles.

Dimitroff: Er wird vielleicht auch denjenigen, mit dem er vereinbart hat, persönlich nicht kennen. Ich möchte ihn fragen, durch Sie, Herr Präsident, ob eine solche Sache nicht vorgekommen ist, ob van der Lubbe nicht ein mißbrauchtes Werkzeug gewesen ist.

Aus der Vernehmung des Zeugen Gärtner Redakteur des »Völkischen Beobachter«.

Dimitroff: Erlauben Sie, Herr Präsident! Ich stelle den Beweisantrag, den Chefredakteur des »Völkischen Beobachter« und den Berichterstatter über den Reichstagsbrandprozeß als Zeugen hier zu vernehmen. Beweisthema: Wann und in welchem Sinne, in welcher Form wurde vom »Völkischen Beobachter« die deutsche öffentliche Meinung informiert?

Präsident: Halt! Wann und in welchem Sinne wurde die öffentliche Meinung vom »Völkischen Beobachter« über den Reichstagsbrand informiert? So lautet Ihr Beweisantrag?

Dimitroff: Zweitens: Wann hat die Redaktion des »Völkischen Beobachter« die Mitteilung oder das Interview oder die Erklärung von Herrn Ministerpräsidenten Göring erhalten, in welcher Stunde, möglichst in welcher Minute?

Präsident: Ich habe Ihnen schon gesagt, daß es praktisch ist, diesen Beweisantrag schriftlich zu stellen, weil es sonst zu lange aufhält.

Dimitroff: Ich stelle ihn auch schriftlich.

Präsident: Wir wollen sehen, ob es auch mündlich geht. – Nun kommt der dritte.

Dimitroff: Wann und zu welcher Stunde hat der »Völkische Beobachter« ein Interview des Ministers Göring gehabt? Nämlich dieses Interview, diese Erklärung des Ministerpräsidenten, wo ganz falsch, irrtümlich, tendenziös darüber gesprochen wurde, daß ein Parteimitgliedsbuch bei dem van der Lubbe gefunden worden sei und diese Erklärung, wo ganz irrtümlich...

Präsident: Wir haben schon verstanden!

Dimitroff: Diese Erklärung, wo ganz irrtümlich über eine Verbindung von Torgler mit der Reichstagsbrandsache gesprochen wurde. Wann und in welcher Stunde?

Präsident: Sie brauchen den Zeugen gar nicht zu fragen. Es ist noch nicht beschlossen, daß diesem Beweisantrag stattgegeben wird.

Dimitroff: Drittens...

Präsident: Nein, das war schon drittens.

Dimitroff: Eine weitere Frage ist, ob der Berichterstatter des »Völkischen Beobachter«, Job Zimmermann, der einen Artikel in dieser Zeitung veröffentlicht hat, der selbst persönlich mit dem bulgarischen König Boris und mit dem bulgarischen Ministerpräsidenten nach dem Kathedrale-Attentat gesprochen hat und dem der König Boris und der Ministerpräsident gesagt haben, daß Georgi Dimitroff der Drahtzieher, der Urheber des Sofioter Kathedrale-Attentats, zum Tode verurteilt ist, wegen des Sofioter Kathedrale-Attentats, ob dieser Job Zimmermann, dessen Ladung ich als Zeugen beantragt habe, was der Hohe Senat abgelehnt hat, nicht Herr Dr. Dröscher selbst ist. Eine andere Frage werde ich noch stellen, wenn er kommt.

Präsident: Über diesen Beweisantrag wird der Senat beraten.

Dimitroff: Ich bitte, meinen Antrag anzunehmen. Dazu möchte ich folgende Frage an den Herrn Oberreichsanwalt stellen, ob für meine Herren Ankläger, für die Reichsanwaltschaft, nach Vorlesung der offiziellen Mitteilung der bulgarischen Regierung über meine Vorstrafen feststeht, daß ich, Georgi Dimitroff, wegen des Sofioter Kathedrale-Attentats weder angeklagt noch verurteilt bin, steht das fest?

Oberreichsanwalt Dr. Werner: Ich habe gar nichts festzustellen. Aber ich kann nur sagen, daß heute eine offizielle Mitteilung der bulgarischen Regierung bei mir eingegangen ist, wonach Georgi Dimitroff und der in dem Kathedrale-Attentat verurteilte Stefan Dimitroff nicht identisch sind.

Dimitroff: Brauchen Sie Beweismittel dafür, daß ich wegen dieser Sache nie angeklagt und nicht verurteilt bin?

Oberreichsanwalt Dr. Werner: Das habe ich nie behauptet, daß Sie deswegen angeklagt und deswegen verurteilt worden sind.

Dimitroff: Sagen Sie das dem »Völkischen Beobachter« und der ganzen deutschen Presse, Herr Oberreichsanwalt!

Präsident: Nun schweigen Sie!

Aus der Vernehmung des Zeugen Albrecht Reichstagsabgeordneter und Mitglied der nationalsozialistischen Partei.

Dimitroff: Der Zeuge ist nicht früher vernommen worden?

Präsident: Doch, am 24. März durch den Untersuchungsrichter. (Zu Albrecht) Auch vorher polizeilich?

Albrecht: Nein.

Dimitroff: Es steht fest, daß keine polizeiliche Vernehmung stattgefunden hat. Ebenso, daß auch er selbst unmittelbar während des Brandes im Reichstag war und keine Angaben auf eigene Initiative an die Brandkommission gemacht hat, während sonst Hunderte und Hunderte von Personen...

Albrecht: Die Sache war ja bekannt. Ich hatte ja nichts gesehen. Mein Name war ja festgestellt. Der Polizeileutnant hatte bereits den Tatbestand aufgenommen.

Dimitroff (mit erhobener Stimme): Aber die Polizei und die Brandkommission haben es nicht für nötig befunden, ihn zu vernehmen. Wie weit vom Reichstag wohnt er?

Albrecht: 50–60 Meter.

Dimitroff: Wie spät war es?

Präsident: Das sagte er ja schon.

Albrecht: Das ist nur indirekt festzustellen. 5 Minuten bevor die Flammen aus der Kuppel schlugen.

Dimitroff: Trafen Sie jemanden im Reichstag?

Albrecht: Frau Galle Frau des Direktors des Reichstagsgebäudes.. Sie kam mir entgegen in der großen Wandelhalle auf der Seite des Portal V, eine Dame im Pelz, mit kleinem Hut. Ich habe sie nicht gesprochen.

Dimitroff: Wie lange war der Zeuge im Reichstag?

Albrecht: 4 Minuten.

Dimitroff: Wer war am Eingang tätig?

Präsident: Wendt. Aus den Akten schon bekannt.

Dimitroff: Ging der Zeuge zu anderen Stellen des Reichstags? Wo eigentlich war er genau?

Präsident: Das sagte er schon. (Zu Albrecht) Am Plenarsaal traten Sie ein?

Albrecht: Ja.

Dimitroff: Drinnen im Reichstag haben Sie jedenfalls schon den Brand beobachtet? Am nächsten Tag stand es in allen Zeitungen, ganz Deutschland war in Alarm – er aber hielt es nicht für notwendig, seine unmittelbaren Beobachtungen über den Brand mitzuteilen, obwohl er wußte, daß eine Brandkommission eingesetzt war und eine kolossale Untersuchung unternommen wurde...

Präsident (zu Dimitroff): Das sind wieder keine Fragen, sondern Ansichten von Ihnen, Dimitroff. Alles war ja schon in amtlichen Händen, abgesehen von den Aussagen des Wendt.

Albrecht: Ich hätte ja auch weiter gar nichts aussagen können.

Dimitroff (wiederholt): In einem so wichtigen Fall wurde keine polizeiliche Untersuchung gemacht!

Reichsanwalt Parrisius: Das Hausmädchen ist ja am 27. oder 28. II. vernommen worden. Ich sage es zur Beruhigung Dimitroffs. Die Polizei hat also eine Vernehmung vorgenommen.

Dimitroff: Auf meine Frage antwortete der Zeuge, daß keine polizeiliche Vernehmung war. Jetzt ist Herr Parrisius der Ansicht, daß doch eine Vernehmung war?

Reichsanwalt Parrisius: Mit dem Zeugen nicht, da er ja an Ort und Stelle seinen Namen nannte. Aber noch in der Nacht fanden weitere Ermittlungen in der Pension Sauken statt.

Aus dem Stenogramm der Gerichtsverhandlung am 15. November 1933

Dimitroff: Dann habe ich an den Herrn Präsidenten eine Bitte. Ich habe wiederholt gesagt: Ich verteidige mich allein. Ich möchte bitten, von jeder Vormundschaft hier vor dem Gericht befreit zu werden. Ich brauche stenographische Protokolle wie andere Verteidiger und wie meine Ankläger. Ich habe am 27. Oktober eine schriftliche Bitte an den Herrn Präsidenten in dieser Frage gerichtet. Bis jetzt habe ich keine direkte Antwort. Inzwischen hat mir Herr Dr. Teichert einen Brief, an ihn adressiert, gezeigt, wo steht, nach seinem Ermessen werde ich Einsicht in die stenographischen Protokolle bekommen. Das halte ich für eine Benachteiligung meiner Selbstverteidigung durch das Reichsgericht. Ich bitte, Schluß zu machen mit...

Präsident (ruft ihn zur Ordnung)

Dimitroff: Ich möchte, Herr Präsident, nur mein natürliches und gesetzliches Recht, mich zu verteidigen, wie ich es verstehe, wie ich will, wie ich es beabsichtige, wie es mein Drang ist, wie es mein Interesse ist. Die Möglichkeit möchte ich haben; wie Dr. Teichert mich offiziell verteidigt, interessiert mich nicht so sehr. Ich mache ihm keine Vorwürfe. Ich möchte mit einem bulgarischen Sprichwort antworten...

Präsident: Lassen Sie die Sprichwörter beiseite und sagen Sie jetzt, was Sie denn nun wollen. Dann werden wir darüber noch mal beschließen.

Dimitroff: Ich brauche, Herr Präsident, die stenographischen Protokolle, die ja keine Geheimnisse sind.

Präsident: Also erstens: Sie wollen die stenographischen Protokolle haben. Die ganzen?

Dimitroff: Die ganzen.

Präsident: Und zweitens, was noch?

Dimitroff: Daß man mir das »Braunbuch« nicht aushändigt, verstehe ich. Ich kann aber nicht verstehen, daß man die stenographischen Protokolle...

Präsident: Also zweitens:

Dimitroff: Ich brauche eine Reihe Auszüge aus den Akten selbst. Ob das durch Dr. Teichert geschehen wird, oder unmittelbar an mich durch einen Beamten des Gerichts, das ist gleichgültig.

Präsident: Also Auszüge woraus? Aktenauszüge?

Dimitroff: Aktenauszüge.

Präsident: Weiter. – Also weiter ist nichts.

Dimitroff: Das ist das Wichtigste. Das brauche ich für meine Verteidigung.

Präsident: Darüber wird der Senat beraten. – Wir gehen jetzt weiter.

Dimitroff: Ich möchte bemerken: das sehr wichtige stenographische Protokoll der Sitzung vom 7. November – die Aussage des Zeugen Hellmer und die Gegenüberstellung Es handelt sich um die Aussage an dem Tage, als Dimitroff aus der Gerichtssitzung ausgeschlossen war.– habe ich erst am 13. oder 14. November von Herrn Dr. Teichert bekommen. Und wenn ich mich daran erinnere, wie man mir gesagt hat, daß man mich als Angeklagten korrekt behandeln will, dann wundere ich mich, daß Herr Dr. Teichert mir dieses Protokoll nicht schon am nächsten oder übernächsten Tage gegeben hat. Deswegen möchte ich von dieser Vormundschaft befreit werden...

Reichsanwalt: Ich bitte, den Angeklagten Dimitroff mal zu fragen, ob der Anzug, den er jetzt trägt, aus der Zeit herstammt, in der er noch viel korpulenter war. Er sitzt nach meiner Meinung wie angegossen, so daß er eigentlich, wenn er diesen Anzug früher trug, nicht erheblich korpulenter gewesen sein könnte als heute Einer der von der Staatsanwaltschaft speziell »abgerichteten« Zeugen hatte behauptet, er habe Dimitroff im Reichstag kurz vor dem Brande gesehen und ihn im Gerichtssaal erkannt. Daraufhin richtete Dimitroff an ihn die Frage, woran der Zeuge ihn erkannt haben könne, denn er sei stark abgemagert und habe sich während der Gefängnishaft äußerlich sehr verändert.
Um die Lage zu retten, stellte der Reichsanwalt an Dimitroff mehrere Fragen, darunter auch bezüglich des Anzuges, und erhielt die gebührende Antwort.
.

Vorsitzender: Haben Sie den Anzug früher schon getragen?

Dimitroff: Diesen Anzug habe ich vor 5 oder 6 Jahren getragen, eine kurze Zeit, wo ich wirklich auch magerer gewesen bin, und jetzt ist er mir sogar sehr weit, sehr breit. Sie können, Herr Oberreichsanwalt, im Gefängnis durch unsern Doktor feststellen lassen, wieviel Pfund ich abgenommen habe. Über 20 Pfund leichter bin ich in dieser Zeit geworden. Über 10 Kilo Gewichtabnahme! Das macht, glaube ich, schon etwas aus.

Vorsitzender: Es ist gut!

Dimitroff: Wenn Sie schlank werden wollen, kommen Sie nach Moabit! (Heiterkeit im Saal.)

Aus dem Stenogramm der Gerichtsverhandlung am 23. November 1933

Aus der Vernehmung des Angeklagten van der Lubbe

Dimitroff: Herr Präsident! ...

Präsident: Ich will Ihnen von vornherein folgendes sagen: lediglich kurze Anträge bei mir, worüber ich ihn fragen soll, ohne jede Einleitung! Das ist Punkt 1. Punkt 2 ist, daß Sie nicht, wie heute vormittag schon von Ihnen angefangen wurde, gewissermaßen ein Plädoyer halten, auch nicht annähernd. Das Dritte ist, daß Sie nicht so tun, als wenn Sie den Angeklagten vernehmen wollten, Sie wissen ganz genau, was ich meine, Dimitroff. Diese drei Dinge müssen Sie vermeiden, sonst könnte ich Sie nicht weiter zum Wort zulassen.

Dimitroff: Es ist heute leider nicht viel herausgekommen, aber ich möchte doch einige Fragen stellen.

Präsident: An mich, Anträge.

Dimitroff: Erstens möchte ich wissen, ob van der Lubbe vor der Hauptverhandlung die Anklageschrift studiert, gelesen und verstanden hat. Hat er sie in holländischer Übersetzung gehabt oder nur den deutschen Text, wie alle anderen Angeklagten die Anklageschrift gehabt haben?

Präsident: Das ist zwar keine Frage zur Sache. Die Fragen, die die Prozeßordnung meint, betreffen, wie ich auch schon gesagt habe, die Schuldfrage und nichts anderes; aber trotzdem will ich fragen: Haben Sie die Anklageschrift verstanden, die Ihnen doch zugestellt worden ist? Haben Sie sie selbst verstehen können, oder ist sie Ihnen übersetzt worden, oder ist Ihnen der wesentliche Inhalt mitgeteilt worden?

Dolmetscher: »Die Anklageschrift«, sagte er zunächst. Dann: »Als ich festgenommen wurde, hatte ich klar eine Vorstellung davon. – Dann kommen verschiedene einzelne Sätze, die er nicht zu Ende bringt, und dann sagt er nachher: »im Gefängnis war etwas mit den Stimmungen oder Stimmen von Leuten. Nachher konnte ich es selbständig nicht mehr lesen, weil da die Wächter waren. Aber ich habe es wohl bis zu Ende gelesen.«

Präsident: Ob er das verstanden hat, was ihn betrifft?

van der Lubbe: Nein, nicht gänzlich! Was ich daraus gelesen habe, habe ich nicht gänzlich verstanden.

Präsident: Aber er ist ja sehr oft in der Voruntersuchung vernommen worden. Da ist ihm doch das alles vorgehalten worden.

Dimitroff: War denn der Herr holländische Übersetzer nicht beauftragt, dem van der Lubbe die Anklageschrift in die holländische Sprache zu verdolmetschen?

Präsident: Vielleicht kann Herr Rechtsanwalt Seuffert darüber Auskunft geben, wie das gehalten worden ist. Sie haben doch mit dem Angeklagten öfter mal gesprochen.

Rechtsanwalt Seuffert: Ich habe es einmal versucht, da hat er mich glatt abgewiesen. Er hat mit mir überhaupt nicht gesprochen, und bei jeder Gelegenheit hat er mich wieder abgewiesen.

Präsident: Ach so, er hat ja gesagt, er wolle keinen Verteidiger haben.

Dimitroff: Also er hat die Anklageschrift nicht verstanden.

Präsident: Das hat er ja nicht gesagt. Herr Dolmetscher, wiederholen Sie, was er gesagt hat! Hat er die Sachen verstanden, die ihn betreffen?

Dolmetscher: Da sagte er: »Nicht gänzlich.« – Jetzt sagt er: »Ich habe sie nicht ganz verstanden.«

Präsident: Er sagte doch mal, er hätte die Hälfte allein gelesen. Es kommt ja an sich nicht darauf an, denn es ist ihm ja nichts verborgen geblieben, was ihm zur Last gelegt wird. Er hat den Tatbestand, der ihn betrifft, ganz genau verstanden.

Dimitroff: Hat van der Lubbe durch die Anklageschrift verstanden, daß die These, der Reichstagsbrand sei ein Auftakt oder ein Signal zum bewaffneten Aufstand, auf seine angeblichen Aussagen während der Untersuchung aufgebaut oder gegründet ist? Hat er das verstanden?

Präsident: Haben Sie aus der Anklageschrift gesehen, daß da so etwas drin steht – ich habe Sie heute auch schon darüber gefragt –, daß dieser Brand ein Signal oder ein Zeichen sein sollte für einen Aufstand?

van der Lubbe: Nein, das habe ich nicht verstanden.

Dimitroff: Hat er nicht während unserer Hauptverhandlung und während seiner eigenen Vernehmung verstanden, daß auf seine eigene Aussage hin eine solche These, eine solche Anklage gegen fünf Angeklagte hier erhoben ist, und wenn er das verstanden hat, warum hat er es nicht widerlegt, warum hat er nicht von Anfang an gesagt das, was er heute hier sagt?

Dolmetscher: van der Lubbe sagt darauf: »Das übersteigt die Kräfte des Menschen. Vorhin konnte ich Ihnen« (dann) »jetzt kann ich Ihnen« (zum Präsidenten) »antworten.« – Ich weiß nicht, ob er noch etwas sagen wollte.

Präsident: Sagen Sie ihm mal, er braucht nur mir zu antworten, ich werde ihm die Fragen stellen. – van der Lubbe, ich will Sie noch mal fragen: Haben Sie das aus der Anklageschrift verstanden, daß darin steht, diese Inbrandsetzung soll ein Zeichen für einen beginnenden Aufstand sein?

van der Lubbe: Nein.

Präsident: Die Frage von Dimitroff geht anscheinend dahin, ob sich der Angeklagte nicht gesagt hat, daß er durch diese Aussage oder durch das, was in der Anklage steht, was er ausgesagt haben soll, die anderen Angeklagten belastet. So ist Ihre Frage wohl gemeint gewesen. (Dimitroff: Ja, das ist es!) van der Lubbe, haben Sie das verstanden? Haben Sie sich nicht gesagt, wie Sie nun die Anklage gesehen haben, oder wie Ihnen daraus Mitteilung gemacht wurde, daß dadurch die vier anderen Angeklagten belastet wurden – keineswegs allein, meines Erachtens, daß es aber mit zu ihrer Belastung beitragt.

van der Lubbe: Das habe ich nicht gesagt. Ich habe niemals über die gesprochen.

Dimitroff: Hat van der Lubbe bei seiner polizeilichen Vernehmung so »deutlich« deutsch gesprochen wie heute, oder etwas anders?

Präsident: Darüber haben wir doch schon so viel Polizeibeamte gehört, und wenn er auch darüber etwas aussagen würde, würde es gar nichts beweisen. Wenn er »Ja« oder »Nein« antworten würde, würde das ja gar nichts beweisen.

van der Lubbe: Ich habe ausgesagt, was ich eben gesagt habe. Ich habe alles gesagt, was man wiederum hier hören konnte.

Präsident: Ich halte die Frage für erledigt.

Dimitroff: Tatsache ist jedenfalls, daß niemand von uns, Richter und Angeklagte und Verteidiger, dieses Deutsch von van der Lubbe verstanden haben.

Präsident: Uns dürfen Sie nicht mit den Angeklagten zusammenfassen! So weit geht es nicht.

Dimitroff: Erlauben Sie, Herr Präsident, selbstverständlich nicht.

Aus dem Stenogramm der Gerichtsverhandlung am 24. November 1933

Aus der Vernehmung des Zeugen Weinberger Krimineller Verbrecher, der auf Antrag des Oberreichsanwalts aus dem Gefängnis vorgeführt wurde.

Dimitroff: Herr Präsident, ich möchte nicht wieder zu einem Zusammenstoß mit Ihnen kommen...

Präsident (unterbrechend): Diese Bemerkung ist vollkommen überflüssig. Wenn Sie sich ungehörig benehmen, dann kommt es zu einem Zusammenstoß, sonst nicht.

Dimitroff: Erlauben Sie mir, Herr Präsident, in diesem Zusammenhang, etwas mitzuteilen. Der betreffende Referendar, dessen Namen Wolff ich heute das erstemal hörte, war auch bei mir in der Zelle. Er hat mit mir über verschiedene Sachen gesprochen, um das wissenschaftlich zu verwerten. Er hat mit mir auch über Gefangenenpsychologie gesprochen, wie ich als Gefangener mich fühle, jetzt und früher, was ich denke, was ich schreibe oder schreiben möchte. Er wollte von mir vielleicht auch noch etwas anderes wissen. Ich habe ihm aber kein Material über mich gegeben. Aber ich finde es auch von mir selbst aus als nicht in der Ordnung, durch einen solchen »Wissenschaftler« zwei Monate nach dem Beginn des Prozesses Material gegen Angeklagte zu beschaffen.

Präsident: Was Sie da sagen, ist eben nicht richtig, das hat der Herr Oberreichsanwalt bereits widerlegt.

Dimitroff: Herr Präsident, der Zeuge Weinberger ist, wie ich verstanden habe, am 17. November vernommen, also erst vor einigen Tagen.

Präsident: Ist das richtig, Zeuge Weinberger? ( Weinberger: Jawohl!)

Dimitroff: Und jetzt ist der Zeuge gekommen. Der Prozeß dauert nun schon zwei Monate. Die Anklagevertreter können nie genug Material gegen uns vorbringen. Aber daß sie auf diesem Wege zwei Monate nach Beginn des Prozesses Material beschaffen, ist das in Ordnung? Lassen Sie mich, Herr Präsident, nur mein Erstaunen, mein Bedauern und meinen Protest über ein solches Verfahren gegen meine Mitangeklagten aussprechen!

Präsident: Halt! Das ist jetzt geschehen. Setzen Sie sich.

Oberreichsanwalt Dr. Werner: Wenn das Verfahren angegriffen wird, so bitte ich, mir die Möglichkeit zu geben, auch ein Wort dazu zu sagen. Der Zeuge hat hier erklärt, daß er am 4. November d. J. in Strafhaft überführt worden ist. In der Zeit nachher ist der Referendar Wolff zu dem Zeugen Weinberger in die Zelle gekommen und hat von ihm das erfahren, was der Zeuge hier heute ausgesagt hat. Deswegen konnte der Referendar Wolff mir vorher überhaupt keine Mitteilung von dieser Sache machen, weil er selbst sie vorher ja nicht kannte. Infolgedessen konnte ich auch diesen Zeugen Weinberger nicht laden, weil auch ich vorher keine Kenntnis davon haben konnte. Und infolgedessen sind alle diese Angriffe, die Herr Dimitroff hier gegen das Vorgehen der Reichsanwaltschaft erhoben hat, vollkommen ohne Grund. Es ist selbstverständlich, wenn ich morgen noch etwas erfahre gegen Sie (zu Dimitroff), dann werde ich das auch noch morgen vorbringen.

Dimitroff: Bitte!

Oberreichsanwalt Dr. Werner: Ich werde mich durch Ihre Angriffe keineswegs davon abhalten lassen.

Dimitroff: Ich habe nichts dagegen.

Präsident: Schluß jetzt!

Aus dem Stenogramm der Gerichtsverhandlung am 25. November 1933

Aus der Vernehmung des Zeugen Meyer Arbeiter, der sich in Haft befand.

Dimitroff (zu Meyer): War in dieser Zeit oder ein bißchen früher auch oft oder selten Gefahr von Überfällen seitens Nationalsozialisten gegen kommunistische Versammlungen?

Präsident: Haben Sie von so etwas gehört?

Meyer: Ja, das hatten wir vielfach.

Dimitroff: Haben sich bei diesen Überfallen seitens der Nationalsozialisten die kommunistischen Arbeiter verteidigt, etwas dagegen gemacht oder was?

Präsident: Meinen Sie bei den Überfällen? Das wird wohl so sein. Was haben die Kommunisten gemacht, wenn sie überfallen wurden?

Meyer: Dann haben wir nicht stillgehalten, nicht wahr?

Präsident: Das ist wohl selbstverständlich.

Dimitroff: Ich habe nicht verstanden.

Präsident: Sie haben nicht stillgehalten. Das wird wohl auch keiner tun.

Dimitroff: Selbstverständlich. Das möchte ich feststellen, besonders gegenüber dem Herrn Oberreichsanwalt. Das ist sehr wichtig. Wir kommen zu dieser Frage nachher. Herr Präsident, erlauben Sie noch eine Frage an den Zeugen. Weiß der Zeuge, daß in dieser Zeit, wo er Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands gewesen ist, eine Anordnung, eine Direktive von oben, von der Zentrale der Partei, für Überfälle gegen die Nationalsozialisten ausgegeben worden ist?

Präsident: Ist Ihnen bekannt, daß von Ihrer Partei eine Anweisung ausgegeben worden ist, solche Überfälle zu machen?

Meyer: Nein.

Dimitroff: Die Partei hat keine solchen Direktiven gegeben?

Präsident: Das hat er ja eben gesagt.

Aus dem Stenogramm der Gerichtsverhandlung am 28. November 1933

Aus der Vernehmung des Zeugen Heller Polizeibeamter, der als einer der Hauptzeugen der Reichsanwaltschaft auftrat.

Dimitroff: Der Herr Oberreichsanwalt hat zum politischen Teil des Prozesses 37 Zeugen vorgeschlagen. Unter diesen 37 sind Kriminalbeamte – Kommissare, Sekretäre usw. – und ungefähr 25 sind politische Gefangene in Untersuchungshaft. Einer von diesen 10 Beamten ist der gestrige und heutige Zeuge, Herr Heller. Er hat die wichtige Aufgabe hier auszuführen, einen sehr großangelegten Bericht zu erstatten. Ich nehme an, daß wir in seiner Person nicht nur einen Zeugen, sondern auch einen politischen Sachverständigen haben. Ich nehme weiter an, daß wir in Gestalt dieses Zeugen einen Berichterstatter über die sogenannte kommunistische Gefahr in Deutschland seitens der nationalsozialistischen Regierung haben. Also eine sehr kompetente Person, ein sehr kompetenter Zeuge. Deswegen möchte ich Herrn Präsidenten bitten, mir zu erlauben, in kurzen Worten verschiedene wichtige Sachen klarzustellen, nicht ich, sondern vielmehr durch verschiedene Fragen an die Zeugen.

Ich habe dieses Referat mit sehr großer Aufmerksamkeit angehört. Ich möchte zugeben, Herr Präsident und meine Herren Richter, daß die Sache trotz der Langwierigkeit dieses Referats durch große Mengen von Dokumenten sehr interessant und für mich persönlich sehr nützlich war. Ich habe viele wichtige Sachen durch diesen Bericht zum erstenmal im Detail hier erfahren und dafür bin ich sehr dankbar, im Gegensatz zu Herrn Dr. Sack. Ich bin der Meinung, daß, nachdem der Prozeß als ein politischer Prozeß aufgemacht ist, man diese politischen Hintergründe und den politischen Charakter der Sache bis zum Ende durchführen muß. Wenn schon, denn schon! La guerre comme à la guerre, sagen die Franzosen.

Präsident: Das war nur die Einleitung, Dimitroff, nun wollen wir mal zur Sache kommen.

Dimitroff: Ich bin dafür, daß, obwohl es ein bißchen länger dauert, diese Sache gründlich klargestellt wird. Ich möchte den Herrn Zeugen fragen, ob ich richtig verstanden habe, daß es sich bei seinen Ausführungen handelt erstens um Beschlüsse des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale, des sogenannten XII. Plenums; zweitens um Beschlüsse der KPD, Reichsparteikonferenz, der Bezirksparteikonferenzen und anderer Instanzen.

Präsident: Ob was damit ist? Das habe ich nicht verstanden.

Dimitroff: Ob es sich bei seinen Ausführungen handelt um diese Beschlüsse.

Präsident: Das wissen wir schon. Das haben wir doch von ihm gehört. Das brauchen wir nicht zu wiederholen. Was wollen Sie noch wissen?

Dimitroff: Ich möchte nur ganz genau wissen, ob ich richtig verstanden habe. Handelt es sich um diese Beschlüsse?

Präsident: Ja. Es handelt sich um die Beschlüsse des EKKI-Plenums und die verschiedenen Beschlüsse, die ergangen sind von dem ZK und den Bezirkskonferenzen. Das ist doch klar.

Dimitroff: Zweitens handelt es sich weiter um eine Menge Dokumente, Flugblätter, Rundschreiben, Zeitungsartikel, Broschüren vor dem Brande und eine Menge solcher Dokumente auch nach dem Brande. Stimmt das?

Heller: Jawohl!

Dimitroff: Drittens handelt es sich um verschiedene Nachrichten über die Tätigkeit der Kommunistischen Partei nach dem Brande, nach dem Verbot der Partei, Beweis, daß die Partei illegal tätig ist, lebt, kämpft usw. Zuletzt verschiedene Polizeiberichte über Beschlagnahmungen – auch nach dem Brande – von Sprengstoffmaterial, verschiedenen Waffen, Aufzeichnungen über die Pläne zu Sprengungen und Brandlegungen usw. Schließlich die »kommunistische Poesie« vom Jahre 1925, dumme, unvernünftige, sehr schlecht formulierte Artikel in Gedichtform... Also, das ist das ganze Beweismaterial.

Präsident: Sie haben es ganz richtig verstanden. Ich weiß nicht, warum Sie das alles noch einmal vortragen.

Dimitroff: Weil, wenn ich richtig verstanden habe, drei Viertel wenn nicht vier Fünftel dieser Dokumente für meine These sprechen, nämlich die These, daß die Kommunistische Partei Deutschlands im Januar, Februar und März sich nicht die unmittelbare Aufgabe für einen bewaffneten Aufstand gestellt hat und daß die Reichstagsbrandstiftung damit absolut nichts zu tun hat. Also, dieses Material, diese interessante Ausführung hat in drei Viertel der Dokumente diese These bestätigt.

Ich möchte nur Feststellungen machen über dieses Material, über das, was hier gebracht worden ist. Ist es richtig, Herr Berichterstatter, daß Sie in dieser großen Menge von Dokumenten, die im ganzen Reich gesammelt sind, kein einziges Dokument gebracht haben, wo zu sehen ist, daß die Regierung zwischen dem 20. Februar und Ende Februar einen bewaffneten Aufstand seitens der KP erwartet hat und die bewaffneten Kräfte der Staatsmacht in dieser Beziehung in Bereitschaft gesetzt hat. Solche Dokumente haben Sie hier nicht gebracht.

Präsident: Sie haben ja gehört, was der Zeuge gesagt hat.

Heller: Verzeihung, Herr Präsident, ich habe die Frage nicht ganz verstanden.

Präsident: Ob Sie auch Dokumente hätten, aus denen hervorgeht, daß bewaffnete Truppen oder dergleichen schon in Bereitschaft gestanden hätten, daß die Regierung bewaffnete Mannschaften bereitgestellt habe.

Dimitroff: In Erwartung einer solchen Gefahr. Haben Sie ein solches Dokument?

Heller: Ein solches Dokument habe ich nicht verlesen, habe ich auch nicht, ist auch nicht nötig.

Dimitroff: Haben Sie solche Dokumente überhaupt?

Heller: Das kann ich hier nicht beantworten, das weiß ich nicht ...

Dimitroff: Also, ich frage, Herr Präsident, ob der Zeuge als Berichterstatter der für diese Sache zuständigen Stelle ein Dokument kennt, einen Befehl, ein Rundschreiben, eine Anordnung von der preußischen Regierung oder der Reichsregierung oder der Polizei über eine solche Sache.

Präsident: Das ist die Wiederholung Ihrer vorigen Frage, das hat der Zeuge bereits beantwortet.

Aus dem Stenogramm der Gerichtsverhandlung am 27. November 1933

Aus der Vernehmung des Zeugen Mallach Polizeikommissar

Dimitroff: Ich mache dem Zeugen folgenden Vorhalt: Herr Ministerpräsident Göring hat uns hier bei seiner Vernehmung gesagt, er habe nach der Machtergreifung am 30. Januar alle Polizeikräfte in seine Hand genommen; das Preußische Innenministerium habe sofort Anordnungen für alle Bezirke erlassen zu einem Vernichtungsfeldzug gegen die kommunistische Bewegung, gegen die Kommunistische Partei, gegen die kommunistische Agitation. Ich frage nun den Zeugen: Haben Sie in Ihrem Bezirk in der Praxis nichts über die Durchführung dieser Anordnung des Herrn Göring beobachtet?

Mallach: Soweit ich mich heute noch erinnern kann, wurde die KPD, wie der Angeklagte Dimitroff sich soeben ausdrückte, vor der Reichstagsbrandstiftung nicht verfolgt. Nach der Reichstagsbrandstiftung aber setzte die Verfolgung ganz erheblich ein durch Festnahme der KPD-Führer usw.

Dimitroff: Wenn ich Sie recht verstehe, dann muß ich annehmen, daß Sie die Befehle von Herrn Göring nicht ausgeführt haben. ( Heiterkeit im Zuhörerraum.)

Präsident: Ach, schweigen Sie! Das ist ein ganz überflüssiges Gerede! Ich verbiete Ihnen, in dieser Weise weiterzureden. Ganz abgesehen davon, wollen wir die politischen Fragen erst nach der Vernehmung erörtern und Dinge wie solche Anordnungen zunächst nicht in Betracht ziehen.

Dimitroff: Ich möchte ...

Präsident: Nein, nicht ich möchte und ich möchte. Diese Frage wird abgelehnt.

Dimitroff: Entschuldigen Sie ...

Präsident: Die Frage ist abgelehnt! Setzen Sie sich nur hin! Sie haben anscheinend keine Frage mehr.

Dimitroff: Ich habe noch eine ganze Reihe von Fragen. Für mich ist es sehr wichtig, die politische Lage in Deutschland zur Zeit der Reichstagsbrandstiftung klarzustellen. Deswegen sind diese Zeugen doch hierhergekommen. Danach hat doch auch der Herr Oberreichsanwalt gefragt ...

(Der Präsident gestattet nicht, weiter zusprechen.)

Schlußrede vor Gericht

Nachdem der Prozeß fast drei Monate gedauert hatte, begannen am 13. Dezember 1933 die Plädoyers: die Reden des Oberreichsanwalts, der Rechtsanwälte und dann die Schlußworte der Angeklagten.

Durch den dreimonatigen unermüdlichen Kampf Georgi Dimitroffs war die provokatorische Anklage vor den Augen der ganzen Welt zerfetzt worden, das Lügengebäude war vollständig zusammengebrochen. Die Macher der Anklage mußten das vor aller Welt zugeben. Der Vertreter der faschistischen Behörden – der Oberreichsanwalt –, der sich viele Monate abgeplagt hatte, um die verlogene Anklage zu fabrizieren, mußte in seiner Rede beantragen, »die bulgarischen Angeklagten wegen Mangel an Beweisen freizusprechen«.

Durch die Reden ihrer Rechtsanwälte, vor allem durch das Auftreten Sacks, des Verteidigers von Torgler, suchten die Faschisten die Lage noch irgendwie zu retten. Sack sprach in seiner fünfstündigen, für Torgler schmachvollen Rede – denn dieser hatte ihm dazu die Vollmacht erteilt – nicht wie ein Rechtsanwalt, der einen Angeklagten verteidigt, sondern wie ein nationalsozialistischer Sachwalter.

Am 16. Dezember wurde Dimitroff das »Schlußwort des Angeklagten« erteilt. Die Schlußrede war die Zusammenfassung und der Höhepunkt des Kampfes, den Dimitroff während des Prozesses gegen den Faschismus geführt hat. Juristisch und durch Tatsachen begründet, entlarvte Dimitroff die provokatorische faschistische Anklage und verknüpfte damit eine vorbildliche Verteidigung und Darlegung der Politik der Kommunistischen Internationale, der Politik der Vereinigung aller Kräfte der Werktätigen für den Kampf gegen den Faschismus.

Die »Prawda« schrieb über diese Rede:

»Die Rede des Genossen Dimitroff nimmt unzweifelhaft einen hervorragenden Platz ein in der Geschichte des Kampfes, den das Weltproletariat gegen die Niederträchtigkeiten und Verbrechen der herrschenden Klasse führt. Sie ist nicht nur eine Anklagerede gegen die in der ganzen Welt ›berühmt‹ gewordenen Provokateure, sondern auch ein leidenschaftlicher Aufruf zum Kampf ... Von seinem Platz im Gerichtssaal erhob Genosse Dimitroff das Banner der Kommunistischen Internationale hoch über ganz Deutschland, über ganz Europa, über die ganze Welt ...«

Dimitroff hielt seine Rede (nach einem vorher ausgearbeiteten Entwurf), obgleich ihn der Präsident wiederholt unterbrach und ihm das Wort zu entziehen drohte. Fast am Schluß der Rede entzog das faschistische Gericht Dimitroff das Wort.

 

(16. Dezember 1933)

Dimitroff: Auf Grund des § 258 der Strafprozeßordnung habe ich das Recht, sowohl als Verteidiger wie auch als Angeklagter zu sprechen.

Präsident: Sie haben das Recht auf das letzte Wort, und Sie können jetzt davon Gebrauch machen.

Dimitroff: Auf Grund der Strafprozeßordnung habe ich das Recht, mit der Anklage zu polemisieren und sodann das letzte Wort zu ergreifen.

Meine Herren Richter, meine Herren Ankläger, meine Herren Verteidiger! Schon zu Beginn dieses Prozesses, vor drei Monaten, richtete ich als Angeklagter einen Brief an den Vorsitzenden. In diesem Brief schrieb ich, es täte mir leid, daß mein Auftreten zu Zusammenstößen führte. Aber ich lehnte entschieden die Auslegung ab, daß ich das Recht der Fragestellung und das Recht auf Abgabe von Erklärungen absichtlich für propagandistische Ziele mißbrauchte. Da ich nun einmal unschuldig angeklagt war, versuchte ich, mich mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln zu verteidigen.

»Ich gebe zu«, schrieb ich, »daß verschiedene Fragen meinerseits dem Zeitpunkt und der Form nach nicht immer richtig gestellt worden sind. Das aber läßt sich nur daraus erklären, daß ich mit dem deutschen Recht nicht vertraut bin. Ferner beteilige ich mich in meinem Leben zum erstenmal an einer solchen gerichtlichen Hauptverhandlung. Hätte ich einen Wahlverteidiger gehabt, so hätte ich bestimmt solche, für meine eigene Verteidigung nachteilige Vorkommnisse zu vermeiden gewußt. Ich erinnere aber daran, daß alle meine Anträge auf Wahlverteidiger (Rechtsanwälte Detscheff, Moro Giafferi, Campinchi, Torrès, Grigoroff, Leo Gallagher und Dr. Lehmann-Saarbrücken) einer nach dem andern, unter verschiedenen Begründungen, von dem Reichsgericht abgelehnt worden sind und dem Herrn Detscheff sogar – wie es scheint – eine Eintrittskarte verweigert worden ist.

Ich habe gegenüber Herrn Dr. Paul Teichert als Person und Rechtsanwalt kein persönliches Mißtrauen, aber ich kann hinsichtlich seiner Rolle als offizieller Verteidiger unter den heutigen Zuständen in Deutschland nicht das nötige Vertrauen haben und deswegen versuche ich mich selbst zu verteidigen, wobei ich bestimmt manchmal juristisch unrichtige Schritte mache.

Im Interesse meiner Verteidigung vor dem Reichsgericht sowie – glaube ich – auch im Interesse des normalen Verlaufes der Hauptverhandlung, wende ich mich noch einmal – und zum letztenmal – an das Reichsgericht mit der Bitte, dem von meiner Schwester neuerdings beauftragten Rechtsanwalt Herrn Marcel Willard die Erlaubnis zu erteilen, an meiner Verteidigung mitarbeiten zu dürfen.

Sollte bedauerlicherweise auch dieser mein letzter Antrag abgelehnt werden, dann bleibt mir nichts übrig, als mich, so wie ich es kann und wie ich es verstehe, selbst zu verteidigen.«

Nachdem auch dieser Vorschlag abgelehnt wurde, habe ich mich entschlossen, mich selbst zu verteidigen. Ich will weder den Honig noch das Gift eines aufgedrungenen Verteidigers und habe mich die ganze Zeit allein verteidigt.

Es ist klar, daß ich mich auch jetzt in keiner Hinsicht durch die Verteidigungsrede des Dr. Teichert engagiert fühle. Maßgebend für meine Verteidigung ist nur das, was ich bis jetzt vor dem Gericht gesagt habe und das, was ich jetzt anführen werde. Ich möchte Torgler nicht kränken, nachdem er meiner Meinung nach schon von seinem Verteidiger genug gekränkt worden ist, aber lieber würde ich mich vom Reichsgericht unschuldig zum Tode verurteilen lassen, als eine Freisprechung durch eine solche Verteidigung, wie sie z. B. Herr Dr. Sack für Torgler führte, zu erreichen.

Präsident: ( unterbricht Dimitroff): Es ist nicht Ihre Sache, hier Kritik zu üben.

Dimitroff: Ich gebe zu, meine Sprache ist scharf und hart. Mein Kampf und mein Leben waren auch immer scharf und hart. Diese Sprache ist aber eine offene und aufrichtige Sprache. Ich pflege die Dinge beim rechten Namen zu nennen. Ich bin kein Rechtsanwalt, der hier seinen Mandanten pflichtgemäß verteidigt.

Ich verteidige meine eigene Person als angeklagter Kommunist.

Ich verteidige meine eigene kommunistische, revolutionäre Ehre.

Ich verteidige meine Ideen, meine kommunistische Gesinnung.

Ich verteidige den Sinn und den Inhalt meines Lebens.

Deswegen ist jeder von mir ausgesprochene Satz vor dem Reichsgericht sozusagen Blut von meinem Blut und Fleisch von meinem Fleisch. Jedes Wort ist der Ausdruck meiner tiefsten Entrüstung gegen die ungerechte Anklage, gegen die Tatsache, daß ein antikommunistisches Verbrechen auf das Konto der Kommunisten geschoben wird.

Mir wurde oft vorgeworfen, daß ich das höchste deutsche Gericht nicht ernst nehme. Das ist absolut unberechtigt.

Es ist wahr, daß für mich als Kommunisten das höchste Gesetz das Programm der Kommunistischen Internationale ist und das höchste Gericht die Kontrollkommission der Kommunistischen Internationale.

Aber für mich als Angeklagten ist das Reichsgericht eine Instanz, die sehr ernst zu betrachten ist. Und nicht nur, weil die Mitglieder des Reichsgerichts von besonders hoher Qualifikation sind, sondern weil dieses Gericht ein sehr wichtiges Organ der Reichsgewalt, der herrschenden Gesellschaftsordnung ist – eine Instanz, die in endgültiger Form die höchste Strafe erteilen kann. Ich kann mit ruhigem Gewissen sagen, daß ich vor dem Reichsgericht und damit auch vor der Öffentlichkeit in allen Fragen nur die Wahrheit gesagt habe. Über meine illegale Partei habe ich jede Aussage verweigert. Ich habe immer ernst gesprochen und aus meiner tiefsten Überzeugung.

Präsident: Ich dulde nicht, daß Sie hier in diesem Saale kommunistische Propaganda treiben. Das haben Sie die ganze Zeit getan. Wenn Sie so fortfahren, werde ich Ihnen das Wort entziehen.

Dimitroff: Ich muß entschieden die Behauptung in Abrede stellen, daß ich propagandistische Zwecke verfolgt habe. Daß meine Verteidigung vor dem Reichsgericht auch eine propagandistische Auswirkung hatte, das mag sein. Daß mein Verhalten vor Gericht als ein Vorbild für den angeklagten Kommunisten dienen kann – auch das ist anzunehmen. Aber das war nicht der Zweck meiner Verteidigung. Mein Ziel bestand darin, die Anklage zu widerlegen, daß Dimitroff, Torgler Popoff und Taneff, daß die KPD und die Kommunistische Internationale irgend etwas mit dem Brand zu tun haben.

Ich weiß, daß in Bulgarien niemand an unsere angebliche Teilnahme an der Brandstiftung glaubt. Ich weiß, daß im Ausland überhaupt kaum jemand daran glaubt. Aber in Deutschland sind andere Zustände, hier könnte solchen seltsamen Behauptungen Glauben geschenkt werden. Deshalb wollte ich beweisen, daß die Kommunistische Partei nichts mit der Teilnahme an einem solchen Verbrechen zu tun hatte und nichts damit zu tun hat. Spricht man von Propaganda, so trugen viele Äußerungen hier einen solchen Charakter. Auch das Auftreten Goebbels' und Görings übte eine indirekte propagandistische Wirkung zugunsten des Kommunismus aus, aber niemand kann sie dafür verantwortlich machen, daß ihr Auftreten eine solche propagandistische Wirkung hatte. ( Bewegung und Heiterkeit im Saal.)

Ich wurde nicht nur reichlich durch die Presse beschimpft – das ist mir gleichgültig –, aber durch mich wurde auch mein bulgarisches Volk als »rabiat« und »barbarisch« bezeichnet, man nannte mich eine »dunkle Balkanfigur«, den »wilden Bulgaren«, und das kann ich nicht mit Schweigen übergehen.

Es ist wahr, daß der bulgarische Faschismus sehr rabiat und barbarisch ist. Die bulgarische Arbeiterschaft und Bauernschaft, die bulgarische Volksintelligenz sind aber gar nicht rabiat und barbarisch. Die materielle Kultur auf dem Balkan ist bestimmt nicht so hoch wie in anderen europäischen Ländern, aber geistig und politisch stehen unsere Volksmassen nicht auf niedrigerem Niveau als die Massen in anderen Ländern Europas. Unser politischer Kampf, unsere politischen Bestrebungen sind in unserem Lande nicht niedriger als in anderen Ländern. Ein Volk, das 500 Jahre unter einem fremden Joch lebte, ohne seine Sprache und seine Nationalität zu verlieren, unsere Arbeiterklasse und Bauernschaft, die gegen den bulgarischen Faschismus und für den Kommunismus kämpften und kämpfen – ein solches Volk ist nicht barbarisch und wild. Barbarisch und wild ist in Bulgarien nur der Faschismus. Aber ich frage Sie, Herr Präsident: In welchem Lande ist der Faschismus nicht barbarisch und wild?

Präsident ( unterbricht Dimitroff): Sie wollen doch nicht auf die Verhältnisse in Deutschland anspielen?

Dimitroff ( mit einem ironischen Lächeln): Natürlich nicht, Herr Vorsitzender ...

In der Zeit, als der »deutsche« Kaiser Karl V. zu sagen pflegte, daß er nur mit seinen Pferden deutsch spricht, als die deutschen Adligen und die deutsche Intelligenz nur Latein schrieben und sich der deutschen Sprache schämten, haben im »barbarischen« Bulgarien die Apostel Cyrill und Methodius die altbulgarische Schrift geschaffen und verbreitet.

Das bulgarische Volk hat mit allen Kräften und hartnäckig gegen das fremde Joch gekämpft. Deshalb protestiere ich gegen diese Angriffe auf das bulgarische Volk. Ich habe keinen Anlaß, mich dessen zu schämen, daß ich Bulgare bin, und ich bin stolz darauf, ein Sohn der bulgarischen Arbeiterklasse zu sein.

Bevor ich auf die Hauptfrage eingehe, muß ich noch folgendes erklären: uns wurde von Dr. Teichert vorgeworfen, daß wir uns selbst in diese Lage als angeklagte Reichstagsbrandstifter gebracht haben. Darauf muß ich antworten, daß seit dem 9. März, als man uns verhaftete, bis zum Beginn dieses Prozesses sehr viel Zeit verging. In dieser Zeit hätte man alle Verdacht erweckenden Momente untersuchen können. Während der Voruntersuchung sprach ich mit Beamten der sogenannten Brandkommission über den Reichstagsbrand. Diese Beamten sagten mir, daß die Bulgaren an der Brandstiftung nicht schuld sind. Man warf uns nur unsere Pässe, unsere angenommenen Namen, unsere unrichtigen Adressen usw. vor.

Präsident: Was Sie jetzt sagen, ist im Prozeß nicht zur Sprache gekommen. Sie haben deshalb kein Recht, hier davon zu sprechen.

Dimitroff: Herr Vorsitzender! Während dieser Zeit hätten alle Angaben untersucht werden müssen, um uns rechtzeitig von dieser Anklage zu befreien. Im Anklageakt wird darauf hingewiesen, daß Dimitroff, Popoff und Taneff erklären, bulgarische Emigranten zu sein; es müsse jedoch im Gegensatz dazu als bewiesen gelten, daß sie sich zwecks illegaler Arbeit in Deutschland aufhielten. Sie sind, heißt es im Anklageakt, Sendlinge der Kommunistischen Partei aus Moskau zur Vorbereitung des bewaffneten Aufstandes. Seite 83 der Anklageschrift heißt es, daß, obschon Dimitroff erklärte, vom 25. bis zum 28. Februar nicht in Berlin gewesen zu sein, dies nichts an der Sachlage ändert und ihn, Dimitroff, nicht von der Anklage der Mittäterschaft an der Reichstagsbrandstiftung enthebt. Das zeigt sich, heißt es weiter in der Anklageschrift, nicht nur aus den Aussagen Hellmers; auch andere Tatsachen sprechen dafür, daß ...

Präsident ( unterbrechend): Sie können hier nicht die ganze Anklageschrift verlesen, die uns übrigens hinreichend bekannt ist.

Dimitroff: Ich muß schon sagen, daß drei Viertel alles dessen, was die Ankläger und Verteidiger hier vor Gericht sagten, allgemein seit langem bekannt ist. Aber sie haben es hier wieder vorgebracht. (Heiterkeit und Bewegung im Saal.) Hellmer erklärte, daß Dimitroff und van der Lubbe im Restaurant Bayernhof waren. Weiter lese ich in der Anklageschrift: »Wenn auch Dimitroff nicht am Tatort gefaßt wurde, so nahm er doch an der Vorbereitung zur Reichstagsbrandstiftung teil. Er fuhr nach München, um sich ein Alibi zu sichern. Die bei Dimitroff gefundenen Broschüren zeigen, daß er an der kommunistischen Bewegung in Deutschland teilnahm.« Das bildete die Grundlage dieser übereilten Anklage, die eine Fehlgeburt ist. (Der Präsident unterbricht Dimitroff und erklärt, daß er diesen Ausdruck über die Anklage nicht verwenden dürfe.)

Dimitroff: Ich werde einen anderen Ausdruck suchen.

Präsident: Aber kein derart unzulässiges Wort.

Dimitroff: Ich kehre zu den Methoden der Anklage und zur Anklageschrift in einem anderen Zusammenhang zurück.

Der Charakter dieses Prozesses wurde durch die These bestimmt, daß der Reichstagsbrand eine Sache der Kommunistischen Partei Deutschlands, ja sogar des Weltkommunismus gewesen ist. Dieser antikommunistische Akt, die Reichstagsbrandstiftung, wurde den Kommunisten in die Schuhe geschoben und zu einem Signal für den kommunistischen Aufstand erklärt, zu einem Fanal für die Änderung der deutschen Verfassung. Mit Hilfe dieser These wurde dem ganzen Prozeß ein antikommunistischer Charakter gegeben. In der Anklageschrift heißt es: »... Die Anklage steht deshalb ja auch auf dem Standpunkt, daß dieser verbrecherische Anschlag das Fanal, das Signal sein sollte für die Feinde des Staates, die nunmehr ihren Generalangriff gegen das Deutsche Reich eröffnen wollten, um das Deutsche Reich zu zertrümmern und an dessen Stelle die Diktatur des Proletariats, einen Sowjetstaat von Gnaden der III. Internationale, zu setzen...«

Meine Herren Richter! Nicht zum erstenmal wird ein solches Attentat den Kommunisten zugeschrieben. Ich kann hier nicht alle Beispiele dieser Art anführen. Ich erinnere an das Eisenbahnattentat hier in Deutschland bei Jüterbog, das von einem Psychopathen, einem Abenteurer, einem Provokateur begangen wurde. Damals wurde nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern Wochen hindurch die Behauptung aufgestellt, das Attentat sei von der KPD begangen worden, sei ein terroristischer Akt von Kommunisten. Dann stellte sich heraus, daß der Psychopath und Abenteurer Matuschka der Täter war. Er wurde verhaftet und verurteilt.

Ich erinnere an ein anderes Beispiel – an die Ermordung des französischen Präsidenten durch Gorgulow. Auch damals wurde in allen Ländern Wochen hindurch behauptet, daß hier die kommunistische Hand im Spiele war. Gorgulow wurde als Kommunist, als Sowjetagent dargestellt. Und was ergab sich? Das Attentat war von Weißgardisten organisiert worden und Gorgulow war ein Provokateur, der die Beziehungen zwischen der Sowjetunion und Frankreich zum Bruch bringen wollte.

Ich erinnere auch an das Attentat auf die Sofioter Kathedrale. Dieses Attentat wurde nicht von der Kommunistischen Partei Bulgariens organisiert. Aber die Kommunistische Partei wurde dafür verfolgt. Zweitausend Arbeiter, Bauern und Intellektuelle sind bestialisch durch faschistische Banden ermordet worden unter dem Vorwand, daß die Kommunisten die Kathedrale gesprengt hätten. Diese Provokation mit der Sprengung der Sofioter Kathedrale wurde organisiert von der bulgarischen Polizei. Bereits 1920 hat der Sofioter Polizeipräsident Prutkin während des Eisenbahnerstreiks selbst Bombenattentate organisiert, als provokatorische Maßnahme gegen die bulgarischen Arbeiter.

Präsident ( unterbricht Dimitroff): Das gehört nicht zum Prozeß.

Dimitroff: Der Polizeibeamte Heller sprach hier von kommunistischer Brandstiftungspropaganda usw. Ich fragte ihn, ob ihm nicht Fälle bekannt seien, daß Brandstiftungen, die von den Unternehmern selbst ausgeführt wurden, dann den Kommunisten zur Last gelegt wurden. Im »Völkischen Beobachter« vom 5. Oktober heißt es, daß die Polizei in Stettin´...

Präsident: Dieser Artikel wurde nicht während der Gerichtsverhandlung vorgelegt.

(Dimitroff versucht fortzufahren)

Präsident: Wagen Sie nicht, hier davon zu sprechen, wenn das im Prozeß nicht zur Sprache gebracht wurde.

Dimitroff: Eine ganze Reihe von Bränden ... (Präsident unterbricht ihn aufs neue.)

Dimitroff: Das war Gegenstand der Untersuchung, weil hier eine ganze Reihe von Bränden den Kommunisten zur Last gelegt wurde. Dann stellte es sich heraus, daß die Unternehmer die Brände gelegt haben – »zwecks Arbeitsbeschaffung«! Ich erinnere noch an ein Moment: an die Dokumentenfälschungen. Es gibt eine große Zahl Fälschungen, die gegen die Arbeiterklasse ausgenutzt wurden. Ihre Zahl ist Legion. Ich erinnere nur an den sogenannten »Sinowjew- Brief«. Er war gefälscht. Diese Fälschung wurde von den englischen Konservativen gegen die Arbeiterklasse ausgenutzt. Ich erinnere an eine Reihe von gefälschten Dokumenten, die hier in Deutschland eine Rolle spielten ...

Präsident: Das liegt außerhalb des Gebietes, das hier zur Verhandlung steht.

Dimitroff: Hier wurde behauptet, daß die Reichstagsbrandstiftung als Fanal zum bewaffneten Aufstand dienen sollte. Man versuchte, das in folgender Weise zu begründen: Göring erklärte hier vor Gericht, daß die KPD in dem Augenblick, als Hitler an die Macht kam, genötigt war, ihre Massen anzufeuern und irgend etwas zu unternehmen. Er sagte: »Die Kommunisten waren gezwungen, etwas zu unternehmen – jetzt oder nie.« Er sagte, daß die Kommunistische Partei schon Jahre hindurch zum Kampf gegen den Nationalsozialismus aufrief, und daß der KPD im Augenblick der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten kein anderer Ausweg übrigblieb, als jetzt oder nie loszuschlagen. Der Oberreichsanwalt versuchte, diese These genauer und noch »klüger« zu formulieren.

Präsident: Ich werde nicht zulassen, daß Sie hier das Reichsgericht beleidigen.

Dimitroff ( fährt fort): Das, was Göring als oberster Ankläger behauptete, wurde von dem Oberreichsanwalt entwickelt. Oberreichsanwalt Dr. Werner sagte: »... Deswegen war für die Kommunistische Partei damals die Situation gegeben, daß sie entweder den Kampf aufgeben mußte, oder daß sie, auch ohne daß die Vorbereitungen restlos erfüllt waren, den Kampf aufnehmen mußte. Das war die einzige Chance, die sie unter Umständen noch haben konnte. Entweder kampfloses Aufgeben des Zieles oder eine gewisse Verzweiflungstat, ein Vabanquespiel, das konnte unter Umständen die Situation noch retten. Es konnte auch schiefgehen; aber damit war die Situation ja auch nicht schlechter für sie als bei einem Aufgeben des Kampfes, ohne eine Schlacht zu liefern.« Die hier aufgestellte und der Kommunistischen Partei zugeschriebene These ist keine kommunistische These. Eine solche Annahme zeigt, daß die Feinde der KPD diese schlecht kennen. Wer einen Gegner richtig bekämpfen will, der sollte doch diesen Gegner gut kennen. Verbot der Partei, Auflösung der Massenorganisationen, Verlust der Legalität sind gewiß schwere Schläge für die revolutionäre Bewegung. Das bedeutet aber bei weitem nicht, daß damit alles verloren ist.

Im Februar 1933 drohte der KPD ein Verbot. Die kommunistische Presse war verboten und das Verbot der Kommunistischen Partei wurde erwartet, die KPD rechnete damit. Davon war die Rede in Flugblättern und Zeitungen. Die KPD wußte sehr wohl, daß die kommunistischen Parteien in vielen Ländern verboten sind, daß sie aber trotzdem ihre Arbeit und ihren Kampf fortsetzten. Die kommunistischen Parteien sind in Polen, Bulgarien, Italien und manchen anderen Ländern verboten. Ich kann davon auf Grund der Erfahrungen der Kommunistischen Partei Bulgariens berichten. Nach dem Aufstand im Jahre 1923 wurde die Kommunistische Partei verboten, aber sie arbeitete, obwohl das viele Opfer kostete, sie wurde stärker als sie bis 1923 war.

Das versteht jeder kritisch denkende Mensch.

Die KPD kann, auch wenn sie illegal ist, in einer entsprechenden Situation die Revolution durchführen. Das zeigt die Erfahrung der russischen Kommunistischen Partei. Die Kommunistische Partei in Rußland war illegal, sie wurde blutig verfolgt; aber dann kam die Arbeiterklasse mit der Kommunistischen Partei an ihrer Spitze – an die Macht. Die führenden Köpfe der KPD konnten nicht so denken, daß alles verloren ist, und daß die Frage »entweder – oder« gestellt ist: entweder der Aufstand oder Untergang. Solche dummen Gedanken konnte die Führung der KPD nicht haben. Die KPD wußte genau, daß die illegale Arbeit zahlreiche Opfer kosten wird, daß sie Selbstverleugnung und Mut erfordert, aber sie wußte auch, daß ihre revolutionären Kräfte sich stärken werden und daß sie fähig sein wird, die ihr gestellten Aufgaben zu meistern. Deshalb ist es ganz ausgeschlossen, daß die KPD in der damaligen Periode ein Vabanquespiel machen sollte. Die Kommunisten sind glücklicherweise nicht so kurzsichtig wie ihre Gegner. Und sie verlieren auch bei den schwierigsten Situationen die Nerven nicht.

Es muß hinzugefügt werden, daß die KPD und die anderen kommunistischen Parteien Sektionen der Kommunistischen Internationale sind. Was ist die Kommunistische Internationale? Ich zitiere hier das Statut der Kommunistischen Internationale (Paragraph I):

»Die Kommunistische Internationale – die internationale Arbeiterassoziation – ist die Vereinigung der kommunistischen Parteien der verschiedenen Länder zu einer einheitlichen kommunistischen Weltpartei. Als Führer und Organisator der revolutionären Bewegung des Weltproletariats, als Träger der Prinzipien und der Ziele des Kommunismus, kämpft die Kommunistische Internationale um die Mehrheit der Arbeiterklasse und der breiten Schichten der armen Bauern, für die Aufrichtung der Weltdiktatur des Proletariats, für die Errichtung einer Weltunion sozialistischer Sowjetrepubliken, für die völlige Beseitigung der Klassen und für die Verwirklichung des Sozialismus, dieser ersten Stufe der kommunistischen Gesellschaft.« In dieser nach Millionen zählenden Weltpartei der Kommunistischen Internationale ist die Kommunistische Partei der Sowjetunion die stärkste Partei. Sie ist die regierende Partei der Sowjetunion, des größten Staates der Welt. Die Komintern, die kommunistische Weltpartei, beurteilt die politische Lage gemeinsam mit der Führung der kommunistischen Parteien aller Länder. Die Kommunistische Internationale, der alle Sektionen direkt verantwortlich sind, ist keine Verschwörerorganisation, sondern eine Weltpartei. Eine solche Weltpartei spielt nicht mit dem Aufstand und der Revolution. Eine solche Partei kann nicht zu ihren Millionen Anhängern offiziell eines sagen und gleichzeitig im geheimen das Entgegengesetzte tun. Eine solche Partei, mein lieber guter Dr. Sack, kennt keine doppelte Buchhaltung!

Dr. Sack: Na schön, treiben Sie nur ruhig Ihre kommunistische Propaganda.

Dimitroff: Eine solche Partei geht ernst und mit völliger Erkenntnis ihrer Verantwortung vor, wenn sie sich an die Millionenmassen des Proletariats wendet, wenn sie die Beschlüsse über ihre Taktik und ihre nächsten Aufgaben faßt. Ich zitiere aus den Beschlüssen des XII. EKKI-Plenums; da diese Beschlüsse hier vor Gericht zitiert wurden, habe ich das Recht, sie hier zu verlesen. Laut diesen Beschlüssen bestand die Hauptaufgabe der KPD in folgendem:

»Mobilisierung der Millionenmassen der Werktätigen zur Verteidigung ihrer Lebensinteressen gegen die Ausplünderung durch das Monopolkapital, gegen den Faschismus, gegen die Notverordnungen, gegen den Nationalsozialismus und Chauvinismus und Heranführung der Massen durch Auslösung wirtschaftlicher und politischer Streiks, durch den Kampf für den proletarischen Internationalismus, durch Demonstrationen an den politischen Generalstreik; Eroberung der ausschlaggebenden sozialdemokratischen Massen, energische Ausmerzung der Schwächen der Gewerkschaftsarbeit. Die Hauptlosung, die die KPD der Losung der faschistischen Diktatur (»Drittes Reich«) ebenso wie der Losung der Sozialdemokratischen Partei (»Zweite Republik«) gegenüberstellen muß, ist die Losung der Arbeiter- und Bauernrepublik, d. h. die Losung des sozialistischen Sowjetdeutschland, die auch die Möglichkeit eines freiwilligen Anschlusses des österreichischen Volkes und anderer deutscher Gebiete gewährleistet.«

Massenarbeit, Massenkampf, Massenwiderstand, Einheitsfront, keine Abenteuer – das ist das Alpha und Omega der kommunistischen Taktik.

Man fand bei mir einen Aufruf des Exekutivkomitees der Komintern; ich nehme an, daß ich ihn auch zitieren kann. In diesem Aufruf sind zwei Punkte besonders wichtig. Es ist dort die Rede von Demonstrationen in verschiedenen Ländern im Zusammenhang mit den Ereignissen in Deutschland. Es ist darin von den Aufgaben der Kommunistischen Partei im Kampf gegen den nationalsozialistischen Terror, sowie von der Verteidigung der Organisation und der Presse der Arbeiterklasse die Rede. In diesem Aufruf heißt es u. a.:

»Das Haupthindernis auf dem Wege der Bildung der Einheitskampffront der kommunistischen und sozialdemokratischen Arbeiter war und ist die von den sozialdemokratischen Parteien – die heute das internationale Proletariat den Schlägen des Klassenfeindes ausgesetzt haben – betriebene Politik der Arbeitsgemeinschaft mit der Bourgeoisie. Diese Politik der Arbeitsgemeinschaft mit der Bourgeoisie, bekannt als sogenannte Politik des ›kleineren Übels‹, führte in Deutschland praktisch zum Triumph der faschistischen Reaktion.

Die Kommunistische Internationale und die kommunistischen Parteien aller Länder haben wiederholt ihre Bereitschaft zum gemeinsamen Kampf mit den sozialdemokratischen Arbeitern gegen die Kapitalsoffensive, politische Reaktion und Kriegsgefahr erklärt. Die kommunistischen Parteien waren die Organisatoren des gemeinsamen Kampfes der kommunistischen, sozialdemokratischen und parteilosen Arbeiter, trotz der Führer der sozialdemokratischen Parteien, die die Einheitsfront der Arbeitermassen systematisch gesprengt haben. Noch am 20. Juli vorigen Jahres schlug die KPD, nach der Verjagung der preußischen sozialdemokratischen Regierung durch Papen, der SPD und dem ADGB die Organisierung eines gemeinsamen Streiks gegen den Faschismus vor. Doch SPD und ADGB bezeichneten mit Billigung der gesamten Zweiten Internationale diesen Vorschlag der Organisierung eines gemeinsamen Streiks als Provokation. Die KPD wiederholte ihren Vorschlag des gemeinsamen Vorgehens im Augenblick, als Hitler die Macht ergriff, sie forderte den Parteivorstand der SPD und den Vorstand des ADGB zur Organisierung der Abwehr gegen den Faschismus auf, erhielt aber auch diesmal eine Absage. Ja, noch mehr. Als im November vorigen Jahres die Berliner Verkehrsarbeiter einmütig gegen Lohnabbau streikten, sprengte die SPD die Einheitskampffront. Die ganze Praxis der internationalen Arbeiterbewegung ist voll ähnlicher Beispiele.

Nun veröffentlichte das Büro der SAI am 19. Februar dieses Jahres eine Erklärung über die Bereitschaft der dieser Internationale angehörenden sozialdemokratischen Parteien, mit den Kommunisten eine Einheitsfront zum Kampf gegen die faschistische Reaktion in Deutschland zu bilden. Diese Erklärung steht im schärfsten Widerspruch zum ganzen bisherigen Vorgehen der SAI und der sozialdemokratischen Parteien. Die ganze bisherige Politik und Tätigkeit der SAI berechtigen die Kommunistische Internationale und die kommunistischen Parteien, der Aufrichtigkeit der Erklärung des SAI-Büros, das diesen Vorschlag in einem Augenblick macht, wo in einer Reihe von Ländern und vor allem in Deutschland die Arbeitermassen die Organisierung der Einheitskampffront selbst in die Hand nehmen, keinen Glauben zu schenken.

Dessenungeachtet fordert das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale, angesichts des gegen die Arbeiterklasse Deutschlands vorstoßenden, alle Kräfte der Weltreaktion entfesselnden Faschismus, alle kommunistischen Parteien auf, noch einen Versuch zur Herstellung der Einheitskampffront mit den sozialdemokratischen Arbeitermassen durch Vermittlung der sozialdemokratischen Parteien zu machen. Das EKKI macht diesen Versuch in der festen Überzeugung, daß die Einheitsfront der Arbeiterklasse auf dem Boden des Klassenkampfes die Offensive des Kapitals und des Faschismus zurückzuschlagen und das unausbleibliche Ende jeder kapitalistischen Ausbeutung außerordentlich zu beschleunigen vermöchte.

Mit Rücksicht darauf, daß kraft der Eigenart der Verhältnisse sowie der Verschiedenheit der vor der Arbeiterklasse in jedem einzelnen Lande stellenden konkreten Kampfaufgaben ein Abkommen zwischen den kommunistischen und sozialdemokratischen Parteien zu bestimmten Aktionen gegen die Bourgeoisie am erfolgreichsten im Rahmen einzelner Länder durchgeführt werden kann, empfiehlt das EKKI den kommunistischen Parteien der einzelnen Länder, an die Zentralvorstände der der SAI angehörenden sozialdemokratischen Parteien mit Vorschlägen über gemeinsame Aktionen gegen den Faschismus und gegen die Offensive des Kapitals heranzutreten. Doch den Verhandlungen zwischen den ein diesbezügliches Abkommen schließenden Parteien müssen die elementarsten Voraussetzungen des gemeinsamen Kampfes zugrunde gelegt werden. Ohne konkrete Aktionsprogramme gegen die Bourgeoisie wäre jegliches Abkommen zwischen den Parteien gegen die Interessen der Arbeiterklasse gerichtet.

Das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale, das vor dem Angesicht der internationalen Arbeiterklasse diese Vorschläge macht, fordert alle kommunistischen Parteien, in erster Linie die KPD auf, unverzüglich, ohne die Resultate der Verhandlungen und der Abkommen über einen gemeinsamen Kampf mit der Sozialdemokratie abzuwarten, die Organisierung gemeinsamer Kampfleitungen sowohl mit den sozialdemokratischen Arbeitern als auch mit den Arbeitern aller anderen Richtungen in Angriff zu nehmen.

Die Kommunisten haben durch ihren langjährigen Kampf bewiesen, daß sie nicht in Worten, sondern in der Tat in den vordersten Reihen des Kampfes um die Einheitsfront in den Klassenaktionen gegen die Bourgeoisie standen und stehen werden.

Das Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale hat den festen Glauben, daß die sozialdemokratischen und die parteilosen Arbeiter ohne Rücksicht darauf, wie sich die sozialdemokratischen Führer zur Schaffung der Einheitsfront stellen werden, alle Hindernisse überwinden und gemeinsam mit den Kommunisten die Einheitsfront nicht in Worten, sondern in der Tat herstellen werden.

Gerade heute, wo der deutsche Faschismus zur Zerschlagung der Arbeiterbewegung in Deutschland eine unerhörte Provokation – Inbrandsetzung des Reichstages, Falschdokumente über Aufstand usw. – organisiert hat, muß jeder Arbeiter seine Klassenpflicht im Kampfe gegen Kapitalsoffensive und faschistische Reaktion erkennen...«

In diesem Aufruf ist nichts von dem unmittelbaren Kampf um die Macht zu lesen. Diese Aufgabe wurde weder von der KPD noch von der Komintern gestellt. Aber ich kann sagen, daß der Aufruf der Kommunistischen Internationale den bewaffneten Aufstand vorsieht. Das Gericht hat daraus den Schluß gezogen, daß, nachdem die Kommunistische Partei sich einmal den bewaffneten Aufstand zum Ziel stellt, dieser Aufstand also unmittelbar vorbereitet wurde und ausbrechen mußte. Aber das ist unlogisch, unrichtig, um kein stärkeres Wort zu gebrauchen. Ja, natürlich, der Kampf für die Diktatur des Proletariats ist Aufgabe der kommunistischen Parteien der ganzen Welt. Das ist unser Prinzip und unser Ziel. Aber das ist ein bestimmtes Programm, für dessen Entwicklung es der Kräfte nicht nur der Arbeiterklasse, sondern auch anderer Schichten der Werktätigen bedarf. Allen ist bekannt, daß die KPD für die proletarische Revolution war, aber nicht das ist die Frage, die dieser Prozeß zu entscheiden hat. Die Frage lautet vielmehr, ob der Aufstand zur Ergreifung der Macht tatsächlich auf den 27. Februar im Zusammenhang mit dem Reichstagsbrand festgesetzt war.

Was hat die gerichtliche Untersuchung ergeben, meine Herren Richter? Die Legende, daß der Reichstagsbrand eine kommunistische Sache ist, ist vollständig zusammengebrochen. Ich werde hier nicht viele Zeugenaussagen zitieren, wie das andere Verteidiger taten. Aber diese Frage kann als für jeden Menschen mit normalem Verstand völlig geklärt gelten. Der Reichstagsbrand steht in keinerlei Verbindung mit der Tätigkeit der KPD, und zwar nicht nur nicht mit einem Aufstand, sondern auch mit keiner Demonstration, mit keinem Streik, mit überhaupt nichts dieser Art. Das wurde durch die gerichtliche Beweisaufnahme vollauf bewiesen. Der Reichstagsbrand wurde von niemandem – ich spreche nicht von Verbrechern oder Psychopathen – als Fanal zum Aufstand aufgefaßt. Niemand hat im Zusammenhang mit dem Reichstagsbrand irgendwelche Taten, Akte, Versuche zum Aufstand bemerkt. Niemand hat damals etwas davon gehört. Die Erzählungen in dieser Richtung sind viel späteren Datums. Die Arbeiterschaft war in dieser Zeit in Abwehr gegen den angreifenden Faschismus. Die KPD versuchte, den Widerstand der Massen, die Verteidigung zu organisieren. Es ist aber bewiesen worden, daß der Reichstagsbrand ein Anlaß, ein Auftakt zum großangelegten Vernichtungsfeldzug gegen die Arbeiterschaft und ihre Vorhut, die KPD, gewesen ist.

Es ist unwiderlegbar bewiesen, daß die verantwortlichen Regierungsvertreter am 27. und 28. Februar gar nicht an einen bevorstehenden kommunistischen Aufstand dachten. Ich habe hierüber den vorgeladenen Zeugen viele Fragen gestellt. Ich frug vor allem Heller, den berühmten Karwahne ( Gelächter im Saal), Frey, Graf Helldorf und die Polizeibeamten. Trotz der verschiedenen Variationen antworteten sie alle, daß sie nichts wissen, nichts davon hörten, daß ein kommunistischer Aufstand bevorstände. Das heißt, daß absolut keinerlei Maßnahmen seitens der Regierungskreise ergriffen wurden.

( Der Präsident weist darauf hin, daß dem Gericht eine Aussage des Führers der Polizei der Westabteilung hierüber vorgelegt wurde.)

Dimitroff: Der Polizeiführer berichtet in seiner Mitteilung, daß Göring ihn zu sich berief und ihm mündlich Anweisungen für den Kampf gegen die KPD gab, das heißt für den Kampf gegen kommunistische Versammlungen, Streiks, Demonstrationen, Wahlkampagnen usw. Aber selbst dieser Bericht spricht nicht von der Ergreifung der Maßnahmen gegen einen unmittelbar bevorstehenden kommunistischen Aufstand.

Gestern sprach auch der Verteidiger Seuffert hierüber. Seuffert zog die Schlußfolgerung, daß in den regierenden Kreisen niemand in diesem Augenblick den Aufstand erwartete. Er berief sich auf Goebbels, wobei er darauf hinwies, daß dieser der Mitteilung vom Reichstagsbrand keinen Glauben schenkte. Ob das tatsächlich so gewesen ist, ist eine andere Frage.

In dieser Beziehung ist auch die Notverordnung der deutschen Regierung vom 28. Februar 1933 ein Beweis. Sie wurde sogleich nach dem Brande erlassen. Lesen Sie dieses Dokument. Was steht dort? Dort heißt es, daß diese und jene Verfassungsartikel, nämlich die Artikel über die Freiheit der Organisationen, die Unverletzbarkeit der Person, der Wohnung usw. aufgehoben werden. Das ist das Wesen der Notverordnung, ihres zweiten Paragraphen – ein Feldzug gegen die Arbeiterklasse.

Präsident ( unterbricht Dimitroff): Nicht gegen die Arbeiterklasse, sondern gegen die Kommunisten.

Dimitroff: Ich muß sagen, daß auf Grund dieser Notverordnung nicht nur Kommunisten, sondern auch sozialdemokratische und christliche Arbeiter verhaftet wurden, deren Organisationen man auflöste. Ich möchte unterstreichen, daß diese Notverordnung nicht allein gegen die KPD gerichtet war, wenn auch natürlich an erster Stelle gegen sie, sondern auch gegen andere oppositionelle Parteien und Gruppen. Dieses Gesetz war zur Erklärung des Ausnahmezustandes notwendig. Und es steht in unmittelbarem und organischem Zusammenhang mit dem Reichstagsbrand.

Präsident: Wenn Sie die deutsche Regierung angreifen, entziehe ich Ihnen das Wort.

Dimitroff: In diesem Prozeß ist eine Frage völlig ungeklärt geblieben.

Präsident: Sie müssen zu den Richtern sprechen und nicht in den Saal hinein; sonst könnte Ihre Rede als Propaganda betrachtet werden.

Dimitroff: Eine Frage ist weder von der Anklage noch von den Verteidigern geklärt worden. Das verwundert mich nicht, daß sie das nicht für nötig hielten. Sie haben große Angst vor dieser Frage. Es ist dies die Frage, wie die politische Lage in Deutschland im Februar 1933 war. Ich muß hier auf diese Frage eingehen. Ende Februar war die politische Lage so, daß innerhalb des Lagers der nationalen Front ein Kampf im Gange war.

Präsident: Sie begeben sich auf ein Gebiet, dessen Berührung ich Ihnen wiederholt verboten habe.

Dimitroff: Ich möchte das Gericht an meinen Vorschlag erinnern, eine Reihe Zeugen zu laden: Schleicher, Brüning, Papen, Hugenberg, den zweiten Vorsitzenden des Stahlhelm, Düsterberg und andere.

Präsident: Das Gericht hat aber die Ladung dieser Zeugen abgelehnt. Sie dürfen deshalb nicht darauf eingehen.

Dimitroff: Ich weiß das and ich weiß, weshalb.

Präsident: Es ist mir unangenehm, Sie ständig in Ihrem letzten Wort zu unterbrechen, aber Sie müssen sich an meine Anordnungen halten.

Dimitroff: Dieser innere Kampf im nationalen Lager stand in Verbindung mit dem Kampf, der hinter den Kulissen im Lager der deutschen Wirtschaftskreise vor sich ging. Einerseits die Kreise Thyssen und Krupp (Kriegsindustrie), die viele Jahre hindurch die nationalsozialistische Bewegung finanzierten, und andererseits ihre Konkurrenten, die in die zweite Linie zurückgedrängt werden sollten. Thyssen und Krupp wollten im Lande das Prinzip der Alleinherrschaft und der absoluten Herrschaft unter ihrer praktischen Führung errichten, die Lebenshaltung der Arbeiter entscheidend herabdrücken, und deshalb mußte das revolutionäre Proletariat niedergeschlagen werden. Die Kommunistische Partei war in dieser Periode bemüht, die Einheitsfront zu schaffen, um die Kräfte zur Verteidigung gegen die Versuche der Vernichtung der Arbeiterbewegung seitens der Nationalsozialisten zusammenzufassen. Ein Teil der sozialdemokratischen Arbeiter fühlte die Notwendigkeit der Einheitsfront der Arbeiterschaft und verstand das. Tausende und aber Tausende sozialdemokratischer Arbeiter sind zur KPD übergetreten. Aber im Februar und März bedeutete die Aufgabe der Herstellung der Einheitsfront keineswegs den Aufstand und dessen Vorbereitung, sondern bedeutete nur die Mobilisierung der Arbeiterklasse gegen den räuberischen Feldzug der Kapitalisten und gegen die Gewalt der Nationalsozialisten ...

Präsident ( unterbricht Dimitroff): Sie haben immer betont, daß Sie sich nur für die politische Lage in Bulgarien interessierten. Aber Ihre jetzigen Äußerungen beweisen, daß Sie ein sehr großes Interesse an den politischen Fragen in Deutschland hatten.

Dimitroff: Herr Vorsitzender, Sie machen mir einen Vorwurf. Ich kann Ihnen darauf folgendes erwidern: als bulgarischer Revolutionär interessiere ich mich für die revolutionäre Bewegung in der ganzen Welt. So zum Beispiel interessiere ich mich unter anderem auch für die südamerikanischen politischen Fragen und kenne sie vielleicht nicht schlechter als die deutschen, obgleich ich nie in Amerika gewesen bin. Das soll übrigens nicht heißen, daß, wenn in Südamerika ein Parlamentsgebäude etwa abbrennt, ich dann der Schuldige bin.

Während der gerichtlichen Untersuchung hier im Prozeß habe ich vieles gelernt. Und dank meiner politischen Einfühlungsfähigkeit sind mir viele Einzelheiten klar geworden. In der politischen Situation jener Periode gab es zwei Hauptmomente. Das erste war das Streben der Nationalsozialisten nach der Alleinherrschaft, das zweite war als Gegengewicht dazu die Tätigkeit der Kommunistischen Partei, die darauf gerichtet war, die Einheitsfront der Arbeiter zu schaffen. Meiner Meinung nach zeigte sich das auch während der gerichtlichen Untersuchung im Prozeß. Die Nationalsozialisten brauchten ein Ablenkungsmanöver, um die Aufmerksamkeit von den Schwierigkeiten innerhalb des nationalen Lagers abzulenken und die Einheitsfront der Arbeiter zu durchbrechen. Die »nationale Regierung« brauchte einen imponierenden Vorwand für die Herausgabe ihrer Notverordnung vom 28. Februar, die die Freiheit der Presse und der Person abschaffte und ein System der Polizeiverfolgungen, der Konzentrationslager und anderer Kampfmittel gegen die Kommunisten errichtete.

Präsident: Sie haben die äußerste Grenze erreicht. Sie machen Anspielungen.

Dimitroff: Ich möchte nur die politische Lage in Deutschland am Vorabend des Reichstagsbrandes, so wie ich sie verstehe, beleuchten.

Präsident: Hier ist nicht der Platz für Anspielungen an die Adresse der Regierung und für Behauptungen, die schon lange widerlegt sind.

Dimitroff: Die Arbeiterklasse mußte sich mit aller Kraft verteidigen, und deshalb versuchte die KPD die Einheitsfront zu organisieren gegen den Widerstand von Wels und Breitscheid, die jetzt im Ausland so hysterisch schreien.

Präsident: Sie müssen zu Ihrer Verteidigung übergehen, wenn Sie das wollen. Sonst haben Sie dafür nicht die genügende Zeit.

Dimitroff: Ich erklärte schon vorhin, in einem Punkt mit der Anklageschrift einig zu sein. Jetzt muß ich meine Übereinstimmung mit diesem Punkt wiederholen. Es handelt sich um die Frage, ob Lubbe allein den Brand legte, oder ob er Mithelfer hatte. Der Anklagevertreter Parrisius erklärte hier, das Schicksal der Angeklagten hänge von der Beantwortung der Frage ab, ob Lubbe Komplicen hatte oder nicht. Ich antwortete darauf: nein und tausendmal nein, diese Schlußfolgerung des Anklägers ist unlogisch. Ich bin der Ansicht, daß Lubbe tatsächlich nicht allein den Reichstag in Brand setzte. Auf Grund der Sachverständigengutachten sowie der Angaben der gerichtlichen Untersuchung komme ich zu dem Schluß, daß der Brand im Plenarsaal des Reichstages anderer Art war als die Brandstiftung im Restaurant, im unteren Stockwerk usw. Der Plenarsaal ist von anderen Leuten und durch andere Mittel in Brand gesetzt worden. Lubbes eigene Brände und der Brand im Plenarsaal sind nur zeitlich gleich – sonst grundverschieden. Am wahrscheinlichsten ist Lubbe das unbewußt mißbrauchte Werkzeug dieser Leute. van der Lubbe sagt hier nicht alles. Er beharrt auch jetzt in seinem Schweigen. Die Lösung dieser Frage entscheidet nicht das Schicksal der Angeklagten. Lubbe war nicht allein, aber mit ihm waren weder Torgler noch Popoff oder Taneff oder Dimitroff. Sicherlich traf Lubbe am 26. Februar in Hennigsdorf einen Menschen und erzählte ihm von seinen Brandstiftungsversuchen im Rathaus und im Schloß. Dieser Mensch sagte ihm, daß alle diese Brandstiftungen nur kindische Spielereien wären. Die Brandstiftung im Reichstag während der Wahlen wäre das Wahre. So ist durch einen verdeckten Zweibund zwischen politischer Provokation und politischer Verrücktheit der Reichstagsbrand entstanden. Der Bundesgenosse seitens der politischen Verrücktheit sitzt auf der Anklagebank. Die Bundesgenossen seitens der politischen Provokation sind in Freiheit. Der dumme van der Lubbe konnte nicht wissen, daß zu der Zeit, als er seine ungeschickten Brandstiftungsversuche im Restaurant, im Korridor und im unteren Stockwerk machte, der Unbekannte unter Verwendung der Brandflüssigkeit, von der Dr. Schatz sprach, die Brandstiftung im Plenarsaal durchführte. ( van der Lubbe beginnt zu lachen. Seine ganze Gestalt wird von einem lautlosen Lachen geschüttelt. Die Aufmerksamkeit des ganzen Saales und der Richter, ebenso der Angeklagten, gilt in diesem Augenblick van der Lubbe.)

Dimitroff ( auf Lubbe weisend): Der unbekannte Provokateur hat für alle Vorbereitungen der Brandstiftung gesorgt. Spurlos hat dieser Mephisto zu verschwinden gewußt. Und nun sitzt hier das dumme Werkzeug, der armselige Faust, aber Mephistopheles ist verschwunden. In Hennigsdorf wurde am wahrscheinlichsten die Brücke zwischen Lubbe und den Vertretern der politischen Provokation, den Agenten der Feinde der Arbeiterklasse, geschlagen.

Der Oberreichsanwalt Werner sagte hier, van der Lubbe sei Kommunist. Er sagte weiter, daß er, selbst wenn er nicht Kommunist ist, seine Sache doch im Interesse der Kommunistischen Partei und in Verbindung mit ihr machte. Das ist eine falsche Behauptung. Was ist van der Lubbe? Ein Kommunist? – Keineswegs. Ein Anarchist? – Nein! Er ist ein deklassierter Arbeiter, ein rebellischer Lumpenproletarier, eine mißbrauchte Kreatur, die gegen die Arbeiterklasse ausgespielt wurde. Nein, er ist kein Kommunist! Kein Anarchist! Kein Kommunist in der ganzen Welt, kein Anarchist wird sich vor Gericht so halten, wie van der Lubbe. Die wirklichen Anarchisten begehen sinnlose Sachen, aber vor Gericht stehen sie Antwort und erklären ihre Ziele. Wenn irgendein Kommunist etwas dergleichen täte, so würde er vor Gericht nicht schweigen, wenn Unschuldige auf der Anklagebank sitzen. Nein, Lubbe ist kein Kommunist, ist kein Anarchist, er ist ein mißbrauchtes Werkzeug des Faschismus.

Mit diesem Menschen, mit diesem Werkzeug, das mißbraucht wurde, das zum Schaden des Kommunismus verwandt wurde – mit ihm hat der Vorsitzende der kommunistischen Reichstagsfraktion, haben die bulgarischen Kommunisten nichts gemein.

Ich muß hier daran erinnern, daß Göring am Morgen des 28. Februar eine Mitteilung über den Brand veröffentlichte. In dieser Mitteilung hieß es, Torgler und Koenen seien um 10 Uhr abends aus dem Reichstagsgebäude fortgelaufen. Das wurde im ganzen Lande verbreitet. In der Mitteilung hieß es, Kommunisten hätten die Brandstiftung begangen. Gleichzeitig untersuchte man die Spuren Lubbes in Hennigsdorf nicht. Der Mensch, der mit van der Lubbe im Hennigsdorfer Polizeiasyl nächtigte, wurde nicht ausfindig gemacht.

Präsident: Wann beabsichtigen Sie, Ihre Rede zu beenden?

Dimitroff: Ich möchte noch eine halbe Stunde sprechen. Ich muß meine Meinung über diese Frage äußern.

Präsident: Sie können nicht endlos sprechen.

Dimitroff: Während der drei Monate, die der Prozeß gedauert hat, haben Sie, Herr Präsident, mir unzählige Male mit der Versicherung, daß ich am Schlusse des Prozesses ausführlich zu meiner Verteidigung sprechen könnte, Schweigen auferlegt. Das Ende ist nun gekommen, aber entgegen Ihren Versprechungen beschränken Sie mich in meinem Recht, zu sprechen.

Die Frage Hennigsdorf ist überaus wichtig. Die Person, die mit van der Lubbe übernachtete, Waschinski, wurde nicht gefunden; mein Vorschlag, ihn zu suchen, wurde als zwecklos bezeichnet. Die Behauptung, daß Lubbe mit Kommunisten in Hennigsdorf zusammen gewesen ist, ist eine Lüge, die hier durch den nationalsozialistischen Zeugen, Friseurmeister Grawe, konstruiert wurde. Wäre Lubbe in Hennigsdorf mit Kommunisten zusammen gewesen, so wäre das schon längst untersucht worden, Herr Vorsitzender! Niemand interessiert sich dafür, Waschinski ausfindig zu machen.

Der Zivilist, der der Brandenburger Wache die erste Meldung über den Reichstagsbrand gebracht hat, wurde nicht gesucht, wurde nicht festgestellt, ist bis heute unbekannt geblieben. Die Untersuchung wurde in der falschen Richtung geführt. Der nationalsozialistische Abgeordnete Dr. Albrecht, der unmittelbar nach dem Brand den Reichstag verlassen hat, ist nicht vernommen worden. Man suchte die Brandstifter nicht dort, wo sie waren, sondern dort, wo sie nicht waren. Man suchte sie in den Reihen der Kommunistischen Partei, und das war falsch, das gab den richtigen Brandstiftern die Möglichkeit, zu verschwinden. Man entschloß sich: da man die wirklichen Brandstifter nicht bekommen hat und bekommen durfte, so muß man andere nehmen, sozusagen Ersatz-Reichstagsbrandstifter.

Präsident: Ich verbiete Ihnen das, ich gebe Ihnen noch zehn Minuten.

Dimitroff: Ich habe das Recht, meine Vorschläge für die Urteilsfällung vorzubringen und zu begründen. Der Oberreichsanwalt betrachtete in seiner Rede alle Zeugenaussagen von Kommunisten als nicht glaubwürdig. Ich stelle mich nicht auf einen solchen Standpunkt. Ich kann zum Beispiel nicht behaupten, daß alle nationalsozialistischen Zeugen Lügner sind. Ich glaube, daß es unter den Millionen von Nationalsozialisten auch ehrliche Leute gibt.

Präsident: Ich verbiete Ihnen solche boshaften Ausfälle.

Dimitroff: Aber ist es nicht bezeichnend, daß alle Hauptzeugen der Anklage nationalsozialistische Abgeordnete, Journalisten und Anhänger des Nationalsozialismus sind? Der nationalsozialistische Abgeordnete Karwahne hat doch gesagt, daß er Torgler mit van der Lubbe im Reichstagsgebäude sah. Der nationalsozialistische Abgeordnete Frey erklärte, Popoff zusammen mit Torgler im Reichstagsgebäude gesehen zu haben. Der nationalsozialistische Kellner Hellmer sagte aus, er habe Lubbe zusammen mit Dimitroff gesehen. Der nationalsozialistische Journalist Weberstedt hat Taneff mit Lubbe gesehen. Was ist das? Ein Zufall? Der hier als Zeuge vernommene Dr. Dröscher, der als Mitarbeiter des »Völkischen Beobachters« Zimmermann heißt ( Präsident ruft dazwischen: Das ist nicht bewiesen!), behauptete, Dimitroff sei der Organisator des Attentats auf die Sofioter Kathedrale gewesen, was widerlegt wurde, und hat mich angeblich mit Torgler im Reichstag gesehen! Ich erkläre mit hundertprozentiger Gewißheit, daß Dröscher und Zimmermann identisch sind.

Präsident: Ich lehne das ab, das ist nicht bewiesen.

Dimitroff: Der Polizeibeamte Heller hat hier ein kommunistisches Gedicht aus einem 1925 erschienenen Buch zitiert, um zu beweisen, daß die Kommunisten 1933 den Reichstag in Brand gesetzt haben. Ich erlaube mir, hier auch ein Gedicht, aber von dem größten deutschen Dichter, Goethe, zu zitieren:

Lerne zeitig klüger sein. Auf des Glückes großer Waage Steht die Zunge selten ein; Du mußt steigen oder sinken, Du mußt herrschen und gewinnen Oder dienen und verlieren, Leiden oder triumphieren, Amboß oder Hammer sein.

Ja, wer nicht Amboß sein will, der muß Hammer sein! Diese Wahrheit hat die deutsche Arbeiterschaft in ihrer Gesamtheit weder 1918 noch 1923 noch am 20. Juli 1932 noch im Januar 1933 verstanden. Die sozialdemokratischen Führer, die Wels, Severing, Braun, Leipart und Graßmann, sind schuld daran. Jetzt werden die deutschen Arbeiter das wohl verstehen können!

Hier wurde viel über das deutsche Recht gesprochen, und ich möchte auch meine Meinung dazu äußern. Auf die Beschlüsse eines Gerichtes wirken sich zweifellos immer die politischen Konstellationen des jeweiligen Augenblicks aus sowie auch die herrschenden politischen Tendenzen. Der Justizminister Kerrl ist ein maßgebender Zeuge für das Gericht. Ich zitiere:

»Das Vorurteil des formal-liberalistischen Rechtes ist es, daß der Götze der Rechtsprechung die Objektivität sein muß. Jetzt sind wir auch zu einer Quelle der Entfremdung zwischen Volk und Justiz vorgedrungen, und an dieser Entfremdung ist letzten Endes immer schuld die Justiz. Was ist denn Objektivität im Augenblick des Lebenskampfes eines Volkes? Kennt der kämpfende Soldat, kennt das ringende Heer Objektivität? Der Soldat und das Heer kennen nur eines, eine Richtschnur, eine Frage: Wie rette ich Freiheit und Ehre? Wie rette ich die Nation? So ist es einmal eine Selbstverständlichkeit, daß die Justiz eines auf Tod und Leben kämpfenden Volkes nicht tote Objektivitätsanbetung betreiben kann. Die richterlichen, staatsanwaltschaftlichen und rechtsanwaltschaftlichen Maßnahmen müssen sich von einer einzigen Richtschnur leiten lassen: Was frommt dem Leben der Nation?

Nicht richtungslose Objektivität, die Stillstand und damit Verknöcherung, die Volksfremdheit bedeutet, darf herrschen, nein, alle Handlungen, alle Maßnahmen der Gesamtheit und des einzelnen gehören den Lebensbelangen des Volkes, sind der Nation untergeordnet

Das Recht ist also ein relativer Begriff.

Präsident: Das gehört nicht zum Thema. Sie müssen jetzt Ihre Anträge stellen.

Dimitroff: Der Herr Oberreichsanwalt hat beantragt, die bulgarischen Angeklagten wegen Mangel an Beweisen freizusprechen. Damit aber bin ich gar nicht zufrieden. So einfach ist die Sache nicht. Das würde den Verdacht nicht beseitigen. Nein, während des Prozesses wurde bewiesen, daß wir mit der Reichstagsbrandstiftung nichts gemein haben, und deshalb gibt es keinen Platz für irgendeinen Verdacht. Wir Bulgaren sowie Torgler müssen freigesprochen werden nicht wegen Mangel an Beweisen, sondern weil wir als Kommunisten mit dieser antikommunistischen Tat nichts zu tun haben und nichts zu tun haben konnten.

Ich beantrage folgenden Beschluß:

  1. daß das Reichsgericht unsere Unschuld an dieser Tat und die Anklage als unberechtigte Anklage anerkennt; das bezieht sich auf alle, auch auf Torgler, Popoff und Taneff;
  2. van der Lubbe als mißbrauchtes Werkzeug der Feinde der Arbeiterklasse zu betrachten;
  3. die Schuldigen an der unberechtigten Anklage gegen uns zur Verantwortung zu ziehen;
  4. uns auf Rechnung dieser Schuldigen die entsprechende Entschädigung für die verlorene Zeit, für die geschädigte Gesundheit und für die ertragenen Leiden zuzuerkennen.

Präsident: Diese Ihre sogenannten Anträge wird das Gericht bei der Beratung des Urteils berücksichtigen.

Dimitroff: Es kommt eine Zeit, wo diese Anträge mit Zinsen durchgeführt werden. Was die volle Klärung des Reichstagsbrandes betrifft und die Feststellung der wirklichen Brandstifter, so bleibt dies natürlich dem Volksgericht der zukünftigen proletarischen Diktatur vorbehalten.
Im 17. Jahrhundert stand der Begründer der Physik, Galileo Galilei, vor dem strengen Inquisitionsgericht und sollte als Ketzer zum Tode verurteilt werden. Er hat mit tiefster Überzeugung und Entschlossenheit ausgerufen:

»Trotzdem, sie, die Erde – dreht sich doch!« Und diese wissenschaftliche These wurde später zum Gemeingut der ganzen Menschheit.

{Der Präsident unterbricht Dimitroff schroff, steht auf, nimmt die Akten und will gehen.)

Dimitroff ( fährt fort): WIR Kommunisten können heute nicht weniger entschlossen als der alte Galilei sagen:
Und dennoch dreht sie sich! Das Rad der Geschichte dreht sich nach vorwärts – nach einem Sowjeteuropa, nach einem Weltbund der Sowjetrepubliken! Und dieses Rad, getrieben durch das Proletariat unter Führung dem Kommunistischen Internationale, wird durch keine Ausrottungsmaßnahmen, durch keine Zuchthausstrafen und Todesurteile aufgehalten werden. Es dreht sich und wird Sich drehen bis zum endgültigen Siege des KOMMUNISMUS!
( Die Polizei packt Dimitroff und setzt ihn mit Gewalt auf die Anklagebank. Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück, ob Dimitroff weitersprechen darf. Es erscheint, um zu verkünden, daß Dimitroff das Wort endgültig entzogen wird.)

Notizen zum Urteil

Durch Dimitroffs heldenmütigen Kampf vor Gericht und durch die gewaltige internationale antifaschistische Solidaritätskampagne im Ausland wurden die faschistischen Reichstagsbrandstifter entlarvt, wurde die Ermordung der unschuldig Angeklagten verhindert. Am 23. Dezember fällte das Gericht gegen die Bulgaren und Torgler ein freisprechendes Urteil, das mit »Mangel an Beweisen« motiviert wurde.

van der Lubbe wurde zum Tode verurteilt.

Die faschistischen Machthaber, die einen Ausweg aus der Sackgasse zu finden suchten, in die sie infolge des Zusammenbruches der Anklage geraten waren, faßten das Urteil so ab, als ob die Kommunistische Partei Deutschlands für die Reichstagsbrandstiftung verantwortlich sei und in ihren Reihen die Schuldigen zu suchen seien.

Nach der Urteilsverkündung und der Rede, mit der der Vorsitzende des Gerichts sie abschloß, bat Dimitroff um das Wort zu einer Erklärung. Der Vorsitzende, der eine weitere Entlarvung des Faschismus befürchtete und kopflos geworden war, raffte in voller Hast seine Akten zusammen und verließ, ohne ein Wort zu sagen, fluchtartig den Sitzungssaal.

Für seine Erklärung hatte sich Dimitroff nachstehende Bemerkungen gemacht.

 

23. Dezember 1933

Die schwere Aufgabe des Gerichts: der Wolf sollte satt und das Schaf nicht gefressen werden. Das Urteil ist der mißglückte Versuch, diese unlösbare Aufgabe zu lösen.

Die Feststellung und Verurteilung der Urheber und Hintermänner, des »Mephisto«, bleibt dem Gericht der kommenden proletarischen Diktatur vorbehalten.

Die Reichsanwaltschaft befand sich in der Lage einer Mutter, die eine Fehlgeburt hat.

Warum ein »Fehlurteil«?

Weil die formale Verurteilung des Kommunismus als Urheber in der Tat der indirekten Feststellung gleichkommt, daß die Nationalsozialisten die Urheber sind!

Wenn van der Lubbe Mittäter gehabt hat, und wenn diese nicht Torgler und die anderen Mitangeklagten gewesen sind, dann...?

Dann bleibt die Frage: Warum sind während der fünfmonatigen Voruntersuchung und der dreimonatigen Hauptverhandlung die tatsächlichen Mittäter nicht gefunden worden?

Weiter: Diese Mittäter müssen »interne« Leute gewesen sein, d. h. Leute, die mit der Lage und Anordnung des Reichstages vertraut waren; sonst hätte auch Lubbe die Tat nicht ausführen können. Wer aber konnte zu jener Zeit mit diesen Dingen so vertraut sein, wenn nicht die Nationalsozialisten selbst?

Wer konnte zu einer Zeit, wo alle Kommunisten streng beobachtet und verfolgt wurden, sicher und ungestört im Reichstag ein- und ausgehen?

Und dann:

Hennigsdorf – Asyl? Andere Schlafburschen? Junger Mann in Spandau?

Unbekannter Zivilist?

Der nationalsozialistische Abgeordnete Dr. Albrecht?

Legende über Besprechung in Neukölln?

Die polizeiliche Vernehmung von van der Lubbe hat ohne holländischen Dolmetscher stattgefunden.

Karwahne, Frey, Kroyer?

Weberstedt, Dröscher, Hellmer?

Kämpfer, Kunzack, Lebermann, Grothe?

Fanal? Signal? Aber wozu?

Zur »nationalen Revolution«, zum Vernichtungsfeldzug gegen die Arbeiterbewegung und die KPD!

Zur Errichtung des »totalen Staates«, der nationalsozialistischen Alleinherrschaft!

»Hochverrat«? Nein!

Volksverrat, d. h. Verrat am deutschen Volk!

Faschistische Diktatur – Diktatur des Thyssen-Krupp-Kapitals!


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