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Diderot, ein Mann von großem Geist und Verstand, geübt in allen Wendungen des Denkens, zeigt uns hier, daß er sich, bei Behandlung dieser Materie, seiner Stärke und seiner Schwäche bewußt sei. Schon in der Überschrift gibt er uns einen Wink, daß wir nicht zu viel von ihm erwarten sollen.
Wenn er in dem ersten Kapitel uns mit bisarren Gedanken über Zeichnung drohte, so war er sich seiner Übersicht, seiner Kraft und Fertigkeit bewußt, und wirklich fanden wir an ihm einen gewandten und rüstigen Streiter, gegen den wir Ursache hatten alle unsere Kräfte aufzubieten; hier aber kündigt er selbst, mit einer bescheidnen Gebärde, nur kleine Ideen über die Farbe an; jedoch näher betrachtet tut er sich unrecht, sie sind nicht klein, sondern meistenteils richtig, den Gegenständen angemessen und seine Bemerkungen treffend; aber er steht in einem engen Kreise beschränkt, und diesen kennt er nicht vollkommen, er blickt nicht weit genug und selbst das nahe liegende ist ihm nicht alles deutlich.
Aus dieser Vergleichung der beiden Kapitel folgt nun von selbst daß ich, um auch dieses mit Anmerkungen zu begleiten, mich einer ganz andern Behandlungsart befleißigen muß. Dort hatte ich nur Sophismen zu entwickeln, das Scheinbare von dem Wahren zu sondern, ich konnte mich auf etwas anerkannt gesetzliches in der Natur berufen, ich fand manchen wissenschaftlichen Rückenhalt an den ich mich anlehnen konnte; hier aber wäre die Aufgabe: einen engen Kreis zu erweitern, seinen Umfang zu bezeichnen, Lücken auszufüllen und eine Arbeit selbst zu vollenden, deren Bedürfnis von wahren Künstlern, von wahren Freunden der Wissenschaften längst empfunden worden.
Da man aber, gesetzt auch man wäre fähig dazu, eine solche Darstellung, bei Gelegenheit eines fremden, unvollständigen Aufsatzes, wohl schwerlich bequem finden würde, so habe ich einen andern Weg eingeschlagen um meine Arbeit, bei diesem Kapitel, Freunden der Kunst nützlich zu machen.
Diderot wirft auch hier, nach seiner bekannten sophistischen Tücke, die verschiednen Teile seiner kurzen Abhandlung durch einander, er führt uns, wie in einem Irrgarten, herum, um uns auf einem kleinen Raum eine lange Promenade vorzuspiegeln. Ich habe daher seine Perioden getrennt und sie unter gewisse Rubriken, in eine andere Ordnung, zusammengestellt. Es war dieses um so mehr möglich, da sein ganzes Kapitel keinen innern Zusammenhang hat und vielmehr dessen aphoristische Unzulänglichkeit nur durch eine desultorische Bewegung versteckt wird.
Indem ich nun auch in dieser neuen Ordnung meine Anmerkungen hinzufüge, so mag eine gewisse Übersicht desjenigen, was geleistet ist, und desjenigen, was zu leisten übrig bleibt, möglich werden.
Hohe Wirkung des Kolorits. Die Zeichnung gibt den Dingen die Gestalt, die Farbe, das Leben; sie ist der göttliche Hauch der alles belebt.
Die erfreuliche Wirkung, welche die Farbe aufs Auge macht, ist die Folge einer Eigenschaft, die wir an körperlichen und unkörperlichen Erscheinungen, nur durch das Gesicht, gewahr werden. Man muß die Farbe gesehen haben, ja man muß sie sehen, um sich von der Herrlichkeit dieses kraftvollen Phänomens einen Begriff zu machen.
Seltenheit guter Koloristen. Wenn es mehrere treffliche Zeichner gibt, so gibt es wenig große Koloristen. Eben so verhält sichs in der Literatur, hundert kalte Logiker gegen Einen großen Redner, zehen große Redner gegen Einen fürtrefflichen Poeten. Ein großes Interesse kann einen beredten Menschen schnell entwickeln und, Helvetius mag sagen was er will, man macht keine zehen gute Verse ohne Stimmung, und wenn der Kopf darauf stünde.
Hier spielt Diderot nach seiner Art, um das Mangelhafte seiner besondern Kenntnisse zu verbergen, die Frage, über die man unterrichtet werden möchte, ins allgemeine, und blendet mit einem falsch angewendeten Beispiel aus den redenden Künsten. Immer wird alles dem guten Genie zugeschoben, immer soll die Stimmung alles leisten. Freilich sind Genie und Stimmung zwei unerläßliche Bedingungen, wenn ein Kunstwerk hervor gebracht werden soll; aber beide sind, um nur von der Malerei zu reden, zur Erfindung und Anordnung, zur Beleuchtung, wie zur Färbung und zum Ausdruck, so wie zur letzten Ausführung nötig. Wenn die Farbe die Oberfläche des Bildes belebt, so muß man das genialische Leben in allen seinen Teilen gewahr werden.
Auch könnte man überhaupt jenen Satz gerade umwenden und sagen: Es gibt mehr gute Koloristen als Zeichner; oder, wenn wir anders billig sein wollen: es ist in einem Fall so schwer als in dem andern vortrefflich zu sein. Stelle man übrigens den Punkt, auf welchem einer für einen guten Zeichner oder Koloristen gelten soll, so hoch, oder so tief als man will, so wird man immer zum wenigsten gleiche Zahl der Meister finden, wenn man nicht etwa gar mehr Koloristen antrifft. Man darf nur an die niederländische Schule und überhaupt an alle diejenigen denken, welche Naturalisten genannt werden.
Hat es damit seine Richtigkeit und gibt es wirklich eben so viel gute Koloristen als Zeichner, so führt uns dies zu einer andern wichtigen Betrachtung. Bei der Zeichnung hat man in den Schulen, wenn auch keine vollkommene Theorie, doch wenigstens gewisse Grundsätze, gewisse Regeln und Maße die sich überliefern lassen; bei dem Kolorit hingegen weder Theorie noch Grundsätze, noch irgend etwas das sich überliefern läßt. Der Schüler wird auf Natur, auf Beispiele, er wird auf seinen eignen Geschmack verwiesen. Und warum ist es denn doch eben so schwer gut zu zeichnen als gut zu kolorieren? Darum dünkt uns, weil die Zeichnung sehr viel Kenntnisse erfordert, viel Studium voraussetzt, weil die Ausübung derselben sehr verwickelt ist, ein anhaltendes Nachdenken und eine gewisse Strenge fordert; das Kolorit hingegen ist eine Erscheinung, die nur ans Gefühl Anspruch macht und also auch durchs Gefühl gleichsam instinktmäßig hervor gebracht werden kann.
Ein Glück daß es sich also verhält! Denn sonst würden wir, bei dem Mangel von Theorie und Grundsätzen, noch weniger gut kolorierte Bilder haben. Daß es ihrer nicht mehr gibt hat mancherlei Ursachen. Diderot bringt in der Folge verschiednes hierüber zur Sprache.
Wie traurig es aber mit dieser Rubrik in unsern Lehrbüchern aussehe, kann man sich überzeugen wenn man z. B. den Artikel Kolorit, in Sulzers allgemeiner Theorie der schönen Künste, mit den Augen eines Künstlers betrachtet, der etwas lernen, eine Anleitung finden, einem Fingerzeig folgen will! Wo ist da nur eine theoretische Spur? wo ist da nur eine Spur, daß der Verfasser auf das, worauf es eigentlich ankommt, wenigstens hindeute? Der Lernbegierige wird an die Natur zurück gewiesen, er wird aus einer Schule, zu der er ein Zutrauen setzt, hinaus auf die Berge und Ebenen, in die weite Welt gestoßen, dort soll er die Sonne, den Duft, die Wolken und wer weiß was alles betrachten, da soll er beobachten, da soll er lernen, da soll er, wie ein Kind das man aussetzt, sich in der Fremde durch eigne Kräfte forthelfen. Schlägt man deswegen das Buch eines Theoristen auf, um wieder in die Breite und Länge der Erfahrung, um in die Unsicherheit einzelner zerstreuter Beobachtungen, in die Verirrungen einer ungeübten Denkkraft zurück gewiesen zu werden? Freilich ist das Genie, im allgemeinen, zur Kunst, so wie im besondern, zu einem bestimmten Teile der Kunst unentbehrlich; wohl ist eine glückliche Disposition des Auges zur Empfänglichkeit für die Farben, ein gewisses Gefühl für die Harmonie derselben von Natur erforderlich, freilich muß das Genie sehen, beobachten, ausüben und durch sich selbst bestehen; dagegen hat es Stunden genug in denen es ein Bedürfnis fühlt, durch den Gedanken, über die Erfahrung, ja, wenn man will, über sich selbst erhoben zu werden. Dann nähert es sich gern dem Theoretiker, von dem es die Verkürzung seines Wegs, die Erleichterung der Behandlung in jedem Sinne erwarten darf.
Urteil über die Farbengebung. Nur die Meister der Kunst sind die wahren Richter der Zeichnung, die ganze Welt kann über die Farbe urteilen.
Hierein können wir keinesweges einstimmen. Zwar ist die Farbe in doppeltem Sinne, sowohl in Absicht auf Harmonie im Ganzen, als auf Wahrheit des Dargestellten im Einzelnen, leichter zu fühlen, in so fern sie unmittelbar an gesunde Sinne spricht; aber von dem Kolorit, als eigentlichem Kunstprodukte, kann doch nur der Meister, so wie von allen übrigen Rubriken urteilen. Ein buntes, ein heiteres, ein durch eine gewisse Allgemeinheit, oder ein im besondern harmonisches Bild, kann die Menge anlocken, den Liebhaber erfreuen, jedoch urteilen darüber kann nur der Meister, oder ein entschiedner Kenner. Entdecken doch auch ganz ungeübte Menschen Fehler in der Zeichnung, Kinder werden durch Ähnlichkeit eines Bildnisses frappiert, es gibt gar vieles das ein gesundes Auge im einzelnen richtig bemerkt, ohne im Ganzen zulänglich, in Hauptpunkten zuverlässig zu sein. Hat man nicht die Erfahrung, daß Ungeübte Tizians Kolorit selbst nicht natürlich finden? und vielleicht war Diderot auch in demselben Falle, da er nur immer Vernet und Chardin als Muster des Kolorits anführt.
Ein Halbkenner übersieht wohl in der Eile ein Meisterstück der Zeichnung, des Ausdrucks, der Zusammensetzung; das Auge hat niemals den Koloristen vernachlässigt.
Von Halbkennern sollte eigentlich gar die Rede nicht sein! Ja, wenn man es streng nimmt, gibt es gar keine Halbkenner. Die Menge, die von einem Kunstwerke angezogen oder abgestoßen wird, macht auf Kennerschaft keinen Anspruch, der echte Liebhaber wächst täglich und erhält sich immerfort bildsam. Es gibt halbe Töne, aber auch diese sind harmonisch im Ganzen; der Halbkenner ist eine falsche Saite, die nie einen richtigen Ton angibt, und grade beharrt er auf diesem falschen Ton, da selbst echte Meister und Kenner sich nie für vollendet halten.
Seltenheit guter Koloristen. Aber warum gibt es so wenig Künstler, die das hervor bringen könnten was jedermann begreift?
Hier liegt wieder der Irrtum in dem falschen Sinne, der dem Worte begreifen gegeben ist. Die Menge begreift die Harmonie und die Wahrheit der Farben eben so wenig als die Ordnung einer schönen Zusammensetzung. Freilich werden beide nur desto leichter gefaßt je vollkommner sie sind, und diese Faßlichkeit ist eine Eigenschaft alles Vollkommenen in der Natur und der Kunst, diese Faßlichkeit muß es mit dem Alltäglichen gemein haben; nur daß dieses reizlos, ja abgeschmackt sein kann, lange Weile und Verdruß erregt, jenes aber reizt, unterhält, den Menschen auf die höchsten Stufen seiner Existenz erhöht, ihn dort gleichsam schwebend erhält und um das Gefühl seines Daseins so wie um die verfließende Zeit betrügt.
Homers Gesänge werden schon seit Jahrtausenden gefaßt, ja mitunter begriffen und wer bringt etwas ähnliches hervor? Was ist faßlicher, was ist begreiflicher als die Erscheinung eines trefflichen Schauspielers? Er wird von tausenden und aber tausenden gesehen und bewundert und wer vermag ihn nachzuahmen?
Wahrheit und Harmonie. Wer ist denn für mich der wahre, der große Kolorist? Derjenige, der den Ton der Natur und wohl erleuchteter Gegenstände gefaßt hat und der zugleich sein Gemälde in Harmonie zu bringen wußte.
Ich würde lieber sagen: Derjenige welcher die Farben der Gegenstände am richtigsten und reinsten, unter allen Umständen der Beleuchtung, der Entfernung u.s.w. lebhaft faßt und darstellt und sie in ein harmonisches Verhältnis zu setzen weiß.
An wenig Gegenständen erscheint die Farbe in ihrer ursprünglichen Reinheit, selbst im vollsten Lichte, sie wird mehr oder minder durch die Natur der Körper, an denen sie erscheint, schon modifiziert und überdies sehen wir sie noch, durch stärkeres oder schwächeres Licht, durch Beschattung, durch Entfernung, ja endlich sogar durch mancherlei Trug auf tausenderlei Weise, bestimmt und verändert. Alles das zusammen kann man Wahrheit der Farbe nennen, denn es ist diejenige Wahrheit, die einem gesunden, kräftigen, geübten Künstlerauge erscheint. Aber dieses Wahre wird in der Natur selten harmonisch angetroffen, die Harmonie ist in dem Auge des Menschen zu suchen, sie ruht auf einer inne(r)n Wirkung und Gegenwirkung des Organs, nach welchem eine gewisse Farbe eine andere fordert und man kann eben so gut sagen, wenn das Auge eine Farbe sieht, so fordert es die harmonische, als man sagen kann die Farbe welche das Auge neben einer andern fordert ist die harmonische. Diese Farben, auf welchen alle Harmonie und also der wichtigste Teil des Kolorits ruht, wurden bisher von den Physikern zufällige Farben genannt.
Leichte Vergleichung. Nichts in einem Bilde spricht uns mehr an, als die wahre Farbe, sie ist dem Unwissenden wie dem Unterrichteten verständlich.
Dieses ist in jedem Sinne wahr; doch ist es nötig zu untersuchen, was denn diese wenigen Worte eigentlich sagen wollen? Bei allem, was nicht menschlicher Körper ist bedeutet die Farbe fast mehr als die Gestalt, und die Farbe ist es also wodurch wir viele Gegenstände eigentlich erkennen, oder wodurch sie uns interessieren. Der einfarbige, der unfarbige Stein, will nichts sagen, das Holz wird durch die Mannigfaltigkeit seiner Farbe nur bedeutend, die Gestalt des Vogels ist uns durch ein Gewand verhüllt, das uns durch einen regelmäßigen Farbenwechsel vorzüglich anlockt. Alle Körper haben gewissermaßen eine individuelle Farbe, wenigstens eine Farbe der Geschlechter und Arten; selbst die Farben künstlicher Stoffe sind nach Verschiedenheit derselben verschieden, anders erscheint Cochenille auf Leinwand, anders auf Wolle, anders auf Seide. Taft, Atlas, Samt, obgleich alle von seidnem Ursprung, bezeichnen sich anders dem Auge und was kann uns mehr reizen, mehr ergötzen, mehr täuschen und bezaubern, als wenn wir auf einem Gemälde das bestimmte, lebhafte, individuelle eines Gegenstandes, wodurch er uns zeitlebens angesprochen, wodurch er uns allein bekannt ist, wieder erblicken? Alle Darstellung der Form ohne Farbe ist symbolisch, die Farbe allein macht das Kunstwerk wahr, nähert es der Wirklichkeit.
Farbe des Fleisches. Man hat behauptet, die schönste Farbe in der Welt sei die liebenswürdige Röte womit Unschuld, Jugend, Gesundheit, Bescheidenheit und Scham die Wangen eines Mädchens zieren, und man hat nicht nur etwas feines, rührendes, zartes, sondern auch etwas wahres gesagt; denn das Fleisch ist schwer nachzubilden; dieses saftige Weiß, überein, ohne blaß, ohne matt zu sein; diese Mischung von rot und blau, die unmerklich durch (das gelbliche) dringt, das Blut, das Leben, bringen den Koloristen in Verzweiflung. Wer das Gefühl des Fleisches erreicht hat, ist schon weit gekommen, das übrige ist nichts dagegen. Tausend Maler sind gestorben, ohne das Fleisch gefühlt zu haben, tausend andere werden sterben, ohne es zu fühlen.
Diderot stellt sich mit Recht hier auf den Gipfel der Farbe die wir an Körpern erblicken. Die Elementarfarben, welche wir bei physiologischen, physischen und chemischen Phänomenen bemerken und abgesondert erblicken, werden, wie alle andere Stoffe der Natur, veredelt, indem sie organisch angewendet werden. Das höchste organisierte Wesen ist der Mensch, und man erlaube uns, die wir für Künstler schreiben, anzunehmen, daß es unter den Menschenrassen innerlich und äußerlich vollkommner organisierte gebe, deren Haut, als die Oberfläche der vollkommenen Organisation, die schönste Farbenharmonie zeigt, über die unsere Begriffe nicht hinaus gehen. Das Gefühl dieser Farbe des gesunden Fleisches, ein tätiges Anschauen derselben, wodurch der Künstler sich zum Hervorbringen von etwas ähnlichen geschickt zu machen strebt, erfordert so mannigfaltige und zarte Operationen, des Auges sowohl als des Geistes und der Hand, ein frisches jugendliches Naturgefühl und ein gereiftes Geistesvermögen, daß alles andere dagegen nur Scherz und Spielwerk, wenigstens alles andere in dieser höchsten Fähigkeit begriffen zu sein scheint. Eben so ist es mit der Form. Wer sich zu der Idee von der bedeutenden und schönen menschlichen Form empor gehoben hat, wird alles übrige bedeutend und schön hervor bringen. Was für herrliche Werke entstanden nicht wenn die großen, sogenannten Historienmaler sich herabließen Landschaften, Tiere und unorganische Beiwerke zu malen!
Da wir übrigens mit unserm Autor ganz in Einstimmung sind so lassen wir ihn selbst reden.
Ihr könntet glauben daß um sich im Kolorit zu bestärken ein wenig Studium der Vögel und der Blumen nicht schaden könnte. Nein, mein Freund! niemals wird euch diese Nachahmung das Gefühl des Fleisches geben. Was wird aus Bachelier wenn er seine Rose, seine Jonquille, seine Nelke aus den Augen verliert? Laßt Madame Vien ein Portrait malen und tragt es nachher zu Latour. Aber nein bringt es ihm nicht! Der Verräter ehrt keinen seiner Mitbrüder so sehr um ihm die Wahrheit zu sagen; aber bewegt ihn, der Fleisch zu malen versteht, ein Gewand, einen Himmel, eine Nelke, eine duftige Pflaume, eine zart wollige Pfirsiche zu malen ihr werdet sehen wie herrlich er sich heraus zieht. Und Chardin! warum nimmt man seine Nachahmung unbelebter Wesen für die Natur selbst? eben deswegen weil er das Fleisch hervorbringt wann er will.
Man kann sich nicht muntrer, feiner, artiger ausdrücken; der Grundsatz ist auch wohl wahr. Nur steht Latour nicht als glückliches Beispiel eines großen Farbekünstlers, er ist ein bunt übertriebner oder vielmehr manierierter Maler aus Rigauds Schule, oder ein Nachahmer dieses Meisters.
In dem folgenden geht Diderot zu der neuen Schwierigkeit über, die der Maler findet indem das Fleisch an und für sich nicht allein so schwer nachzuahmen ist, sondern die Schwierigkeit noch dadurch vermehrt wird, daß diese Oberfläche einem denkenden, sinnenden, fühlenden Wesen angehört, dessen innerste, geheimste, leichteste Veränderungen sich blitzschnell über das Äußere verbreiten. Er übertreibt ein wenig die Schwierigkeit, doch mit besonderer Anmut und ohne sich von der Wahrheit zu entfernen.
Aber was dem großen Koloristen noch endlich ganz den Kopf verrückt das ist der Wechsel dieses Fleisches, das sich von einem Augenblick zum andern belebt und verfärbt. Indessen der Künstler sich an sein Tuch heftet, indem sein Pinsel mich darzustellen beschäftigt ist, habe ich mich verändert und er findet mich nicht wieder. Ist mir der Abbé Leblanc in die Gedanken gekommen, so mußte ich vor langer Weile gähnen, zeigte sich der Abbé Trublet meiner Einbildungskraft, so sehe ich ironisch aus. Erscheint mir mein Freund Grimm, oder meine Sophie, dann klopft mein Herz, die Zärtlichkeit und Heiterkeit verbreitet sich über mein Gesicht, die Freude scheint mir durch die Haut zu dringen, die kleinsten Blutgefäße wurden erschüttert und die unmerkliche Farbe des lebendigen Flüssigen hat über alle meine Züge die Farbe des Lebens verbreitet. Blumen und Früchte schon verändern sich vor dem aufmerksamen Blick des Latour und Bachelier. Welche Qual ist nicht für sie das Gesicht des Menschen! Diese Leinwand, die sich rührt, sich bewegt, sich ausdehnt und so bald erschlafft, sich färbt und mißfärbt, nach unendlichen Abwechslungen dieses leichten und beweglichen Hauchs den man die Seele nennt.
Wir sagten vorhin, daß Diderot die Schwierigkeit einigermaßen übertreibe, und gewiß, sie wäre unüberwindlich wenn der Maler nicht das besäße was ihn zum Künstler macht, wenn er von dem hin- und wiederblicken zwischen Körper und Leinwand allein abhinge, wenn er nichts zu machen verstünde als was er sieht. Aber das ist ja eben das Künstlergenie, das ist das Künstlertalent, daß es anzuschauen, festzuhalten, zu verallgemeinen, zu symbolisieren, zu charakterisieren weiß, und zwar in jedem Teile der Kunst, in Form sowohl als Farbe. Dadurch ist es eben ein Künstlertalent, daß es eine Methode besitzt, nach welcher es die Gegenstände behandelt, eine, sowohl geistige, als praktisch mechanische Methode, wodurch es den beweglichsten Gegenstand fest zu halten, zu determinieren und ihm eine Einheit und Wahrheit der künstlichen Existenz zu geben weiß.
Aber bald hätte ich vergessen euch von der Farbe der Leidenschaft zu reden und doch war ich ganz nahe dran. Hat nicht jede Leidenschaft ihre eigne Farbe? verändert sie sich nicht auf jeder Stufe der Leidenschaft? Die Farbe hat ihre Abstufungen im Zorn. Entflammt er das Gesicht, so brennen die Augen, ist er auf dem höchsten Grad, so verengt er das Herz, anstatt es auszudehnen. Dann verwirren sich die Augen, die Blässe verbreitet sich über die Stirn, über die Wangen, die Lippen zittern und verbleichen. Liebe und Verlangen, süßer Genuß, glückliche Befriedigung! färbt nicht jeder dieser Momente mit andern Farben eine geliebte Schönheit?
Von diesem Perioden gilt was von dem vorigen gesagt worden; auch hier ist Diderot zu loben, daß er dem Künstler die großen Forderungen zeigt, die man an ihn zu machen berechtigt ist; wenn er ihn auf die Mannigfaltigkeit der Naturerscheinungen aufmerksam macht und ihn dadurch vor dem Manierierten zu hüten sucht. Ein gleiches hat er im folgenden zur Absicht.
Die Mannigfaltigkeit unserer gewirkten Stoffe, unserer Gewänder hat nicht wenig beigetragen das Kolorit vollkommner zu machen.
Schon oben ist in einer Anmerkung hierüber etwas gesagt worden.
Der allgemeine Ton der Farbe kann schwach sein ohne falsch zu sein.
Daß die Lokalfarbe, sowohl in einem ganzen Bilde, als durch die verschiednen Gründe eines Bildes gemäßigt werden, und doch noch immer wahr und den Gegenständen gemäß bleiben kann, daran ist nicht der mindeste Zweifel.
Wir kommen nunmehr an einen wichtigen Punkt, über den wir oben schon einiges geäußert, der aber nicht hier sondern in der Folge der ganzen Farbenlehre nur vorgetragen und erörtert werden kann.
Man sagt daß es freundliche und feindliche Farben gebe, und man hat recht wenn man darunter versteht: daß es solche gibt die sich schwer verbinden, die dergestalt neben einander absetzen daß Licht und Luft, diese beiden allgemeinen Harmonisten, uns kaum die unmittelbare Nachbarschaft erträglich machen können.
Da man auf den Grund der Farbenharmonie nicht gelangen konnte und doch harmonische und disharmonische Farben eingestehen mußte, zugleich aber bemerkte daß stärkeres oder schwächeres Licht den Farben etwas zu geben oder zu nehmen und dadurch eine gewisse Vermittlung zu machen schien, da man bemerkte daß die Luft, indem sie die Körper umgibt, gewisse mildernde und sogar harmonische Veränderungen hervorbringt, so sah man beide als die allgemeinen Harmonisten an, man vermischte das von dem Kolorit kaum getrennte Helldunkel, auf eine unzulässige Weise, wieder mit demselben, man brachte die Massen herbei, man redete von Luftperspektiv, nur um einer Erklärung über die Harmonie der Farben auszuweichen. Man sehe das Sulzerische Kapitel vom Kolorit und wie dort die Frage, was Harmonie der Farben sei? nicht heraus gehoben, sondern unter fremden und verwandten Dingen vergraben und verschüttet wird. Diese Arbeit ist also noch zu tun, und vielleicht zeigt es sich, daß eine solche Harmonie, wie sie unabhängig und ursprünglich im Auge, im Gefühl des Menschen existiert, auch durch Zusammenstellung von gefärbten Gegenständen äußerlich hervor gebracht werden kann.
Ich zweifle daß irgend ein Maler diese Partie(n) besser verstehe als eine Frau, die ein wenig eitel ist, oder ein Sträußermädchen die ihr Handwerk versteht.
Also ein reizbares Weib, ein lebhaftes Sträußermädchen, verstehen sich auf die Harmonie der Farben! die eine weiß was ihr wohl ansteht, die andere, wie sie ihre Ware gefällig machen soll. Und warum begibt sich der Philosoph, der Physiolog nicht in diese Schule? Warum nimmt er sich nicht die kleine Mühe zu beobachten wie ein liebenswürdiges Geschöpf verfährt um diesen Elementarkreis zu ihren Gunsten zu ordnen? Warum beobachtet er nicht was sie sich zueignet und was sie verschmäht? Die Harmonie und Disharmonie der Farben ist zugestanden, der Maler ist darauf hingewiesen, jeder fordert sie von ihm und niemand sagt ihm was sie sei. Was geschieht? Sein natürliches Gefühl führt ihn in manchen Fällen recht, in andern weiß er sich nicht zu helfen. Und wie benimmt er sich? Er weicht der Farbe selbst aus, er schwächt sie und glaubt sie dadurch zu harmonieren, indem er ihr die Kraft nimmt ihre Widerwärtigkeit gegen eine andere recht lebhaft an den Tag zu legen.
Der allgemeine Ton der Farbe kann schwach sein ohne daß die Harmonie zerstört werde, im Gegenteil läßt sich die Stärke des Kolorits mit der Harmonie schwer verbinden.
Man gibt keineswegs zu, daß es leichter sei ein schwaches Kolorit harmonischer zu machen als ein starkes; aber freilich wenn das Kolorit stark ist, wenn die Farben lebhaft erscheinen, dann empfindet auch das Auge Harmonie und Disharmonie viel lebhafter; wenn man aber die Farben schwächt, einige hell, andere gemischt, andere beschmutzt im Bilde braucht, dann weiß freilich niemand ob er ein harmonisches oder disharmonisches Bild sieht; das weiß man aber allenfalls zu sagen daß es unwirksam, daß es unbedeutend sei.
Weiß oder hell zu malen sind zwei sehr verschiedne Dinge. Wenn unter zwei verschiednen Kompositionen übrigens alles gleich ist, so wird euch die lichteste gewiß am besten gefallen; es ist wie der Unterschied zwischen Tag und Nacht.
Ein Gemälde kann allen Anforderungen ans Kolorit genugtun und doch vollkommen hell und licht sein. Die helle Farbe erfreut das Auge, und eben dieselben Farben in ihrer ganzen Stärke, in ihrem dunkelsten Zustande genommen, werden einen ernsten, ahndungsvollen Effekt hervor bringen; aber freilich ist es ein anderes hell malen als ein weißes, kreidenhaftes Bild darstellen.
Noch eins! Die Erfahrung lehrt daß helle, heitere Bilder nicht immer den starken, kraftvollen Effektbildern vorgezogen werden. Wie hätte sonst Spagnolett zu seiner Zeit den Guido überwiegen können?
Es gibt eine Zauberei vor der man sich schwer verwahren kann, es ist die, welche der Maler ausübt der seinem Bilde eine gewisse Stimmung zu geben versteht. Ich weiß nicht wie ich euch deutlich meine Gedanken ausdrücken soll! Hier auf dem Gemälde steht eine Frau, in weißen Atlas gekleidet! deckt das übrige Bild zu und seht das Kleid allein, vielleicht erscheint euch dieser Atlas schmutzig, matt und nicht sonderlich wahr. Aber seht diese Figur wieder in der Mitte der Gegenstände von denen sie umgeben ist und alsobald wird der Atlas und seine Farbe ihre Wirkung wieder leisten. Das macht daß das Ganze gemäßigt ist, und indem jeder Gegenstand verhältnismäßig verliert, so ist nicht zu bemerken was jedem einzelnen gebricht, die Übereinstimmung rettet das Werk. Es ist die Natur bei Sonnenuntergang gesehen.
Niemand wird zweifeln daß ein solches Bild Wahrheit und Übereinstimmung, besonders aber große Verdienste in der Behandlung haben könne.
Fundament der Harmonie. Ich werde mich wohl hüten in der Kunst die Ordnung des Regenbogens umzustoßen. Der Regenbogen ist in der Malerei was der Grundbaß in der Musik ist.
Endlich deutet Diderot auf ein Fundament der Harmonie, er will es im Regenbogen finden und beruhigt sich dabei was die französische Malerschule darüber ausgesprochen haben mag. Indem der Physiker die ganze Farbentheorie auf die prismatischen Erscheinungen und also gewissermaßen auf den Regenbogen gründete, so nahm man wohl hier und da diese Erscheinungen gleichfalls bei der Malerei als Fundament der harmonischen Gesetze an, die man bei der Farbengebung vor Augen haben müsse, um so mehr als man eine auffallende Harmonie in dieser Erscheinung nicht leugnen konnte. Allein der Fehler den der Physiker beging, verfolgte mit seinen schädlichen Einflüssen auch den Maler. Der Regenbogen, so wie die prismatischen Erscheinungen, sind nur einzelne Fälle der viel weiter ausgebreiteten, mehr umfassenden, tiefer zu begründenden harmonischen Farbenerscheinungen. Es gibt nicht eine Harmonie, weil der Regenbogen, weil das Prisma sie uns zeigen, sondern diese genannten Phänomene sind harmonisch, weil es eine höhere, allgemeine Harmonie gibt, unter deren Gesetzen auch sie stehen.
Der Regenbogen kann keineswegs dem Grundbaß in der Musik verglichen werden, jener umfaßt sogar nicht einmal alle Erscheinungen die wir bei der Refraktion gewahr werden, er ist so wenig der Generalbaß der Farben als ein Durakkord der Generalbaß der Musik ist; aber weil es eine Harmonie der Töne gibt, so ist ein Durakkord harmonisch. Forschen wir aber weiter so finden wir auch einen Mollakkord, der keineswegs in dem Durakkorde, wohl aber in dem ganzen Kreise musikalischer Harmonie begriffen ist.
So lange nun in der Farbenlehre nicht auch klar wird daß die Totalität der Phänomene nicht unter ein beschränktes Phänomen und dessen allenfallsige Erklärung gezwängt werden kann, sondern daß jedes Einzelne sich in den Kreis mit allen übrigen stellen, sich ordnen, sich unterordnen muß; so wird auch diese Unbestimmtheit, diese Verwirrung in der Kunst dauern, wo man im praktischen das Bedürfnis weit lebhafter fühlt, anstatt daß der Theoretiker die Frage nur stille bei Seite lehnen und eigensinnig behaupten darf: alles sei ja schon erklärt!
Aber ich fürchte daß kleinmütige Maler davon ausgegangen sind um auf eine armselige Weise die Grenzen der Kunst zu verengen und sich eine leichte und beschränkte (kleine) Manier zu bereiten, das was wir so unter uns ein Protokoll nennen.
Diderot rügt hier eine kleine Manier in welche verschiedene Maler verfallen sein mögen, welche sich an die beschränkte Lehre des Physikers zu nahe anschlössen. Sie stellten, so scheint es, auf ihrer Palette die Farben in der Ordnung, wie sie im Regenbogen vorkommen und es entstand daraus eine unleugbare harmonische Folge, sie nannten es ein Protokoll, weil hier nun gleichsam alles verzeichnet war was geschehen konnte und sollte. Allein da sie die Farben nur in der Folge des Regenbogens und des prismatischen Gespenstes kannten, so wagten sie es nicht bei der Arbeit diese Reihe zu zerstören, oder sie dergestalt zu behandeln daß man jenen Elementarbegriff dabei verloren hätte, sondern man konnte das Protokoll durchs ganze Bild wieder finden; die Farbe blieb auf dem Gemälde, wie auf der Palette, nur Stoff, Materie, Element und ward nicht durch eine wahre genialische Behandlung in ein harmonisches Ganze organisch verwebt. Diderot greift diese Künstler mit Heftigkeit an. Ich kenne ihre Namen nicht und habe keine solche Gemälde gesehen, aber ich glaube mir nach Diderots Worten wohl vorzustellen was er meint.
Fürwahr es gibt solche Protokollisten in der Malerei, solche untertänige Diener des Regenbogens, daß man beständig erraten kann, was sie machen werden. Wenn ein Gegenstand diese oder jene Farbe hat, so kann man gewiß sein diese oder jene Farbe ganz nahe daran zu finden. Ist nun die Farbe der einen Ecke auf ihrem Gemälde gegeben, so weiß man alles übrige. Ihr ganzes Lebenlang tun sie nichts weiter als diese Ecke zu versetzen; es ist ein beweglicher Punkt der auf einer Fläche herum spaziert, der sich aufhält und bleibt wo es ihm beliebt, der aber immer dasselbe Gefolge hat. Er gleicht einem großen Herrn, der mit seinem Hof immer in einerlei Kleidern erschiene.
Echtes Kolorit. So handelt nicht Vernet nicht Chardin. Ihr unerschrockner Pinsel weiß mit der größten Kühnheit die größte Mannigfaltigkeit und die vollkommenste Harmonie zu verbinden und so alle Farben der Natur mit allen ihren Abstufungen darzustellen.
Hier fängt Diderot an die Behandlung mit dem Kolorit zu vermengen. Durch eine solche Behandlung verliert sich freilich alles stoffartige, elementare, rohe, materielle, indem der Künstler die mannigfaltige Wahrheit des einzelnen, in einer schön verbundnen Harmonie des ganzen verborgen, vorzustellen weiß, und so wären wir zu denen Hauptpunkten von denen wir ausgingen, zu Wahrheit in Übereinstimmung zurückgekehrt.
Sehr wichtig ist der folgende Punkt, über den wir erst Diderot hören und dann unsere Gedanken gleichfalls eröffnen wollen.
Und demohngeachtet haben Vernet und Chardin eine eigne und beschränkte Art der Farbenbehandlung! Ich zweifle nicht daran und würde sie wohl entdecken wenn ich mir die Mühe geben wollte. Das macht, daß der Mensch kein Gott ist und daß die Werkstatt des Künstlers nicht die Natur ist.
Nachdem Diderot gegen die Manieristen lebhaft gestritten, ihre Mängel aufgedeckt und ihnen seine Lieblingskünstler, Vernet und Chardin entgegen gesetzt, so kommt er an den zarten Punkt daß denn doch auch diese mit einer gewissen bestimmten Behandlungsart zu Werke gehen, der man wohl etwas eignes, etwas beschränktes Schuld geben könnte, so daß er kaum sieht wie er sie von den Manieristen unterscheiden soll. Hätte er von den größten Künstlern gesprochen, so würde er doch in Versuchung geraten sein eben dasselbe zu sagen; aber er wird billig, er will den Künstler nicht mit Gott, das Kunstwerk nicht mit einem Naturprodukte vergleichen.
Wodurch unterscheidet sich denn also der Künstler, der auf dem rechten Wege geht von demjenigen, der den falschen eingeschlagen hat? Dadurch daß er einer Methode bedächtig folgt, anstatt daß jener leichtsinnig einer Manier nachhängt.
Der Künstler, der immer anschaut, empfindet, denkt, wird die Gegenstände in ihrer höchsten Würde, in ihrer lebhaftesten Wirkung, in ihren reinsten Verhältnissen erblicken, bei der Nachahmung wird ihm eine selbstgedachte, eine überlieferte, selbstdurchdachte Methode die Arbeit erleichtern, und wenn gleich bei Ausübung dieser Methode seine Individualität mit ins Spiel kommt, so wird er doch durch dieselbe, so wie durch die reinste Anwendung seiner höchsten Sinnes- und Geisteskräfte, immer wieder ins allgemeine gehoben, und kann so bis an die Grenzen der möglichen Produktion geführt werden. Auf diesem Wege erhuben sich die Griechen bis zu der Höhe auf der wir besonders ihre plastische Kunst kennen, und warum haben ihre Werke aus den verschiednen Zeiten und von verschiednem Werte einen gewissen gemeinsamen Eindruck? Doch wohl nur daher weil sie der Einen, wahren Methode im Vorschreiten folgten, welche sie selbst beim Rückschritt nicht ganz verlassen konnten.
Das Resultat einer echten Methode nennt man Styl, im Gegensatz der Manier. Der Styl erhebt das Individuum zum höchsten Punkt, den die Gattung zu erreichen fähig ist, deswegen nähern sich alle große Künstler einander in ihren besten Werken. So hat Rafael wie Tizian koloriert, da wo ihm die Arbeit am glücklichsten geriet. Die Manier hingegen individualisiert, wenn man so sagen darf, noch das Individuum. Der Mensch, der seinen Trieben und Neigungen unaufhaltsam nachhängt, entfernt sich immer mehr von der Einheit des Ganzen, ja sogar von denen die ihm allenfalls noch ähnlich sein könnten, er macht keine Ansprüche an die Menschheit und so trennt er sich von den Menschen. Dieses gilt so gut vom sittlichen als vom künstlichen, denn da alle Handlungen des Menschen aus Einer Quelle kommen so gleichen sie sich auch in allen ihren Ableitungen.
Und so edler Diderot wollen wir bei deinem Ausspruch beruhen, indem wir ihn verstärken.
Der Mensch verlange nicht Gott gleich zu sein, aber er strebe sich als Mensch zu vollenden. Der Künstler strebe nicht ein Naturwerk aber ein vollendetes Kunstwerk hervor zu bringen.
Karikatur. Es gibt Karikaturen der Farbe wie der Zeichnung und alle Karikatur ist im bösen Geschmack.
Wie eine solche Karikatur möglich sei, und worin sie sich von einer eigentlich disharmonischen Farbengebung unterscheide, läßt sich erst deutlich aus einander setzen, wenn wir über die Harmonie der Farben und den Grund, worauf sie beruht, einig geworden; denn es setzt voraus daß das Auge eine Übereinstimmung anerkenne, daß es eine Disharmonie fühle und daß man, woher die beiden entstehen, unterrichtet sei. Alsdann sieht man erst ein, daß es eine dritte Art geben könne, die sich zwischen beide hinein setzt. Man kann mit Verstand und Vorsatz von der Harmonie abweichen und dann bringt man das Charakteristische hervor, geht man aber weiter, übertreibt man diese Abweichung, oder wagt man sie ohne richtiges Gefühl und bedächtige Überlegung, so entsteht die Karikatur, die endlich Fratze und völlige Disharmonie wird und wofür sich jeder Künstler sorgfältig hüten sollte.
Individuelles Kolorit. Warum gibt es so vielerlei Koloristen? indessen es nur Eine Farbenmischung in der Natur gibt.
Man kann nicht eigentlich sagen daß es nur Ein Kolorit in der Natur gebe, denn beim Worte Kolorit denken wir uns immer zugleich den Menschen der die Farbe sieht, im Auge aufnimmt und zusammen hält. Aber das kann und muß man annehmen, um nicht in Ungewißheit des Raisonnements zu geraten, daß alle gesunde Augen alle Farben und ihr Verhältnis ohngefähr überein sehen. Denn auf diesem Glauben der Übereinstimmung solcher Apperzeptionen beruht ja alle Mitteilung der Erfahrung.
Daß aber auch in den Organen eine große Abweichung und Verschiedenheit in Absicht auf Farben sich befindet, kann man am besten bei dem Maler sehen, der etwas ähnliches mit dem was er sieht hervor bringen soll. Wir können aus dem Hervorgebrachten auf das Gesehene schließen und mit Diderot sagen:
Die Anlage des Organs trägt gewiß viel dazu bei. Ein zartes und schwaches Auge wird sich mit lebhaften und starken Farben nicht befreunden und ein Maler wird keine Wirkungen in sein Bild bringen wollen die ihn in der Natur verletzen; er wird das lebhafte Rot, das volle Weiß nicht lieben, er wird die Tapeten, mit denen er die Wände seines Zimmers bedeckt, er wird seine Leinwand mit schwachen, sanften und zarten Tönen färben und gewöhnlich durch eine gewisse Harmonie ersetzen was er euch an Kraft entzog.
Dieses schwache, sanfte Kolorit, diese Flucht vor lebhaften Farben, kann sich, wie Diderot hier angibt, von einer Schwäche der Nerven überhaupt herschreiben. Wir finden daß gesunde, starke Nationen, daß das Volk überhaupt, daß Kinder und junge Leute sich an lebhaften Farben erfreuen; aber eben so finden wir auch daß der gebildetere Teil die Farbe flieht, teils weil sein Organ geschwächt ist, teils weil er das auszeichnende, das charakteristische vermeidet.
Bei dem Künstler hingegen ist die Unsicherheit, der Mangel an Theorie oft Schuld wenn sein Kolorit unbedeutend ist. Die stärkste Farbe findet ihr Gleichgewicht, aber nur wieder in einer starken Farbe und nur wer seiner Sache gewiß wäre wagte sie neben einander zu setzen. Wer sich dabei der Empfindung, dem Ohngefähr überläßt bringt leicht eine Karikatur hervor, die er, in so fern er Geschmack hat, vermeiden wird; daher also das Dämpfen, das Mischen, das Töten der Farben, daher der Schein von Harmonie die sich in ein Nichts auflöst, anstatt das Ganze zu umfassen.
Warum sollte der Charakter, ja selbst die Lage des Malers nicht auf sein Kolorit Einfluß haben? Wenn sein gewöhnlicher Gedanke traurig, düster und schwarz ist, wenn es in seinem melancholischen Kopf und in seiner düstern Werkstatt immer Nacht bleibt, wenn er den Tag aus seinem Zimmer vertreibt, wenn er Einsamkeit und Finsternis sucht, werdet ihr nicht eine Darstellung zu erwarten haben die wohl kräftig aber zugleich dunkel, mißfarbig und düster ist? Ein Gelbsüchtiger, der alles gelb sieht, wie soll der nicht über sein Bild denselben Schleier werfen den sein krankes Organ über die Gegenstände der Natur zieht und der ihm selbst verdrießlich ist, wenn er den grünen Baum, den eine frühere Erfahrung in die Einbildungskraft drückte, mit dem gelben vergleicht, den er vor Augen sieht?
Seid gewiß, daß ein Maler sich in seinem Werke eben so sehr, ja noch mehr, als ein Schriftsteller in dem seinigen zeige. Einmal tritt er wohl aus seinem Charakter, überwindet die Natur und den Hang seines Organs. Er ist wie ein verschloßner, schweigender Mann, der doch auch einmal seine Stimme erhebt; die Explosion ist vorüber, er fällt in seinen natürlichen Zustand in das Stillschweigen zurück. Der traurige Künstler, der mit einem schwachen Organ geboren ist, wird wohl Einmal ein Gemälde von lebhafter Farbe hervor bringen, aber bald wird er wieder zu seinem natürlichen Kolorit zurückkehren.
Unterdessen ist es schon äußerst erfreulich, wenn ein Künstler einen solchen Mangel bei sich gewahr wird und äußerst beifallswürdig wenn er sich bemüht ihm entgegen zu arbeiten. Sehr selten findet sich ein solcher und wo er sich findet, wird seine Bemühung gewiß belohnt und ich würde ihm nicht, wie Diderot tut, mit einem unvermeidlichen Rückfall drohen, vielmehr ihm, wo nicht einen völlig zu erreichenden Zweck, doch einen immerwährenden glücklichen Fortschritt versprechen.
Auf alle Fälle wenn das Organ krankhaft ist, auf welche Weise es wolle, so wird es einen Dunst über alle Körper verbreiten, wodurch die Natur und ihre Nachahmung äußerst leiden muß.
Nachdem also Diderot den Künstler aufmerksam gemacht hat was er an sich zu bekämpfen habe, so zeigt er ihm auch noch die Gefahren die ihm in der Schule bevorstehen.
Einfluß des Meisters. Was den wahren Koloristen selten macht ist daß der Künstler sich gewöhnlich Einem Meister ergibt. Eine undenkliche Zeit kopiert der Schüler die Gemälde des Einen Meisters, ohne die Natur anzublicken, er gewöhnt sich durch fremde Augen zu sehen und verliert den Gebrauch der seinigen. Nach und nach macht er sich eine gewisse Kunstfertigkeit die ihn fesselt und von der er sich weder befreien noch entfernen kann; die Kette ist ihm ums Auge gelegt, wie dem Sklaven um den Fuß, und das ist die Ursache daß sich so manches falsche Kolorit verbreitet. Einer der nach la Grenee kopiert wird sich ans glänzende und solide gewöhnen, wer sich an le Prince hält wird rot und ziegelfarbig werden, nach Greuze grau und violett, wer Chardin studiert ist wahr! Und daher kommt diese Verschiedenheit in den Urteilen über Zeichnung und Farbe selbst unter Künstlern; der eine sagt daß Poussin trocken, der andere daß Rubens übertrieben ist, und ich, der Liliputianer, klopfe ihnen sanft auf die Schulter und bemerke daß sie eine Albernheit gesagt haben.
Es ist keine Frage daß gewisse Fehler, gewisse falsche Richtungen sich leicht mitteilen, wenn Alter und Ansehen besonders den Jüngling auf bequeme, unrechte Wege leiten. Alle Schulen und Sekten beweisen daß man lernen könne mit andern Augen sehen; aber so gut ein falscher Unterricht böse Früchte bringt und das manierierte fortpflanzt, eben so gut wird auch durch diese Empfänglichkeit der jungen Naturen die Wirkung einer echten Methode begünstigt. Wir rufen dir also wackrer Diderot abermals, so wie beim vorigen Kapitel zu: indem du deinen Jüngling vor den Afterschulen warnst, so mache ihm die echte Schule nicht verdächtig.
Unsicherheit im Auftragen der Farben. Der Künstler, indem er seine Farbe von der Palette nimmt, weiß nicht immer welche Wirkung sie in dem Gemälde hervor bringen wird und freilich! womit vergleicht er diese Farbe, diese Tinte auf seiner Palette? Mit andern einzelnen Tinten, mit ursprünglichen Farben! Er tut mehr, er betrachtet sie an dem Orte wo er sie bereitet hat und überträgt sie in Gedanken an den Platz wo sie angewendet werden soll. Wie oft begegnet es ihm nicht daß er sich bei dieser Schätzung betrügt! Indem er von der Palette auf die volle Szene seiner Zusammensetzung übergeht wird die Farbe modifiziert, geschwächt, erhöht, sie verändert völlig ihren Effekt. Dann tappt der Künstler herum, hantiert seine Farbe hin und wieder und quält sie auf alle Weise. Unter dieser Arbeit wird die Tinte eine Zusammensetzung verschiedner Substanzen welche mehr oder weniger (chemisch) auf einander wirken und früher oder später sich verstimmen.
Diese Unsicherheit kommt daher, wenn der Künstler nicht deutlich weiß was er machen soll und wie er es zu machen hat, beides, besonders aber das letzte, läßt sich auf einen hohen Grad überliefern. Die Farbenkörper, welche zu brauchen sind, die Folge, in welcher sie zu brauchen sind, von der ersten Anlage bis zur letzten Vollendung, kann man wissenschaftlich, ja beinahe handwerksmäßig überliefern. Wenn der Emaillemaler ganz falsche Tinten auftragen muß und nur im Geiste die Wirkung sieht, die erst durchs Feuer hervor gebracht wird, so sollte doch der Ölmaler, von dem hauptsächlich hier die Rede ist, wohl eher wissen was er vorzubereiten und wie er stufenweise sein Bild auszuführen habe.
Fratzenhafte Genialität. Diderot mag uns verzeihen daß wir unter dieser Rubrik das Betragen eines Künstlers den er lobt und begünstigt aufführen müssen.
Wer das lebhafte Gefühl der Farbe hat heftet seine Augen fest auf das Tuch, sein Mund ist halb geöffnet, er schnaubt, (ächzt, lechzt,) seine Palette ist ein Bild des Chaos. In dieses Chaos taucht er seinen Pinsel und zieht das Werk seiner Schöpfung hervor. Er steht auf, entfernt sich, wirft einen Blick auf sein Werk. Er setzt sich wieder und ihr werdet so die Gegenstände der Natur lebendig auf seiner Tafel entstehen sehen.
Vielleicht ist es nur der deutschen Gesetztheit lächerlich einen braven Künstler hinter seinem Gegenstande, gleichsam als einen erhitzten Jagdhund hinter einem Wilde her, mit offnem Munde schnauben zu sehen. Vergebens versuchte ich das französische Wort haleter in seiner ganzen Bedeutung auszudrücken, selbst die mehreren gebrauchten Worte fassen es nicht ganz in die Mitte; aber so viel scheint mir doch höchst wahrscheinlich daß weder Rafael bei der Messe von Bolsena, noch Coreggio vor dem heiligen Hieronymus, noch Tizian vor dem heiligen Peter, noch Paul Veronese vor einer Hochzeit zu Cana mit offnem Munde gesessen, geschnaubt, geächzt, gelechzt, gestöhnt, haletiert habe. Das mag denn wohl so ein französischer Fratzensprung sein, vor dem sich diese lebhafte Nation in den ernstesten Geschäften nicht immer hüten kann.
Nachfolgendes ist nicht viel besser.
Mein Freund! geht in eine Werkstatt und seht den Künstler arbeiten. Wenn er seine Tinten und Halbtinten recht symmetrisch, rings um die Palette, geordnet hat, oder wenn nicht wenigstens nach einer Viertelstunde Arbeit die ganze Ordnung durch einander gestrichen ist; so entscheidet kühn daß der Künstler kalt ist und daß er nichts bedeutendes hervor bringen wird. Er gleicht einem unbehülflichen schweren Gelehrten der eben die Stelle eines Autors nötig hat. Der steigt auf seine Leiter, nimmt und öffnet das Buch, kommt zum Schreibetisch, kopiert die Zeile die er braucht, steigt die Leiter wieder hinan und stellt das Buch an den Platz zurück. Das ist fürwahr nicht der Gang des Genies.
Wir selbst haben dem Künstler oben zur Pflicht gemacht die materielle Farbenerscheinung der abgesonderten Pigmente, durch wohlverstandene Mischung, zu tilgen, die Farbe, seinen Gegenständen gemäß, zu individualisieren und gleichsam zu organisieren; ob aber diese Operation so wild und tumultuarisch vorgenommen werden müsse, daran zweifelt wie billig ein bedächtiger Deutscher.
Überhaupt wird die Harmonie eines Bildes desto dauerhafter sein je sichrer der Maler von der Wirkung seines Pinsels, je kühner, je freier sein Auftrag war, je weniger er die Farbe hin und wieder gehantiert und gequält, je einfacher und kecker er sie angewendet hat. Man sieht moderne Gemälde in kurzer Zeit ihre Übereinstimmung verlieren, man sieht alte die sich, ohnerachtet der Zeit, frisch, kräftig und in Harmonie erhalten haben. Dieser Vorteil scheint mir nicht sowohl eine Wirkung der bessern Eigenschaft ihrer Farben, als eine Belohnung des guten Verfahrens bei der Arbeit zu sein.
Ein schönes und echtes Wort von einer wichtigen und schönen Sache. Warum stimmst du, alter Freund, nicht immer so mit dem Wahren und mit dir selbst überein? Warum nötigst du uns mit einer Halbwahrheit, mit einem paradoxen Perioden zu schließen?
O mein Freund, welche Kunst ist die Malerei! Ich vollende mit einer Zeile was der Künstler in einer Woche kaum entwirft und zu seinem Unglück weis er, sieht er, fühlt er, wie ich und kann sich durch seine Darstellung nicht genug tun. Die Empfindung, indem sie ihn vorwärts treibt, betrügt ihn über das was er vermag, er verdirbt ein Meisterstück, denn er war, ohne es gewahr zu werden, auf der letzten Grenze seiner Kunst.
Freilich ist die Malerei sehr weit von der Redekunst entfernt und wenn man auch annehmen könnte der bildende Künstler sehe die Gegenstände wie der Redner, so wird doch bei jenem ein ganz anderer Trieb erweckt als bei diesem. Der Redner eilt von Gegenstand zu Gegenstand, von Kunstwerk zu Kunstwerk, um darüber zu denken, sie zu fassen, sie zu übersehen, sie zu ordnen und ihre Eigenschaften auszusprechen. Der Künstler hingegen ruht auf dem Gegenstande, er vereinigt sich mit ihm in Liebe, er teilt ihm das Beste seines Geistes, seines Herzens mit, er bringt ihn wieder hervor. Bei der Handlung des Hervorbringens kommt die Zeit nicht in Anschlag, weil die Liebe das Werk verrichtet. Welcher Liebhaber fühlt die Zeit in der Nähe des geliebten Gegenstandes verfließen? Welcher echte Künstler weiß von Zeit indem er arbeitet? Das was dich den Redner ängstigt das macht des Künstlers Glück; da wo du ungeduldig eilen möchtest fühlt er das schönste Behagen.
Und deinem andern Freunde der, ohne es zu wissen, auf den Gipfel der Kunst gerät und durch Fortarbeiten sein treffliches Werk wieder verdirbt, dem ist am Ende wohl auch noch zu helfen. Wenn er wirklich so weit in der Kunst, wenn er wirklich so brav ist, so wird es nicht schwer halten ihm auch das Bewußtsein seiner Geschicklichkeit zu geben und ihn über die Methode aufzuklären, die er dunkel schon ausübt, die uns lehrt, wie das beste zu machen sei und uns zugleich warnt nicht mehr als das beste machen zu wollen.
Und so sei auch für diesmal diese Unterhaltung geschlossen. Einstweilen nehme der Leser das, was sich in dieser Form geben ließe, geneigt auf, bis wir ihm sowohl über die Farbenlehre überhaupt, als über das malerische Kolorit im besondern, das Beste was wir haben und vermögen, in gehöriger Form und Ordnung, mitteilen und überliefern können.