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Nach seiner Rückkehr hatten wir eine neue Beratung über Handelsangelegenheiten, nämlich ob wir den Rest unserer Spezereien und andere auf dem Schiffe befindliche Waren nach Surate schicken oder uns selbst nach dem persischen Meerbusen verfügen sollten, wo wir sie wahrscheinlich ebensogut verkaufen konnten als die englischen Kaufleute von Surate. William war der Meinung, wir sollten selbst hinsegeln, was seiner kaufmännischen Einsicht alle Ehre machte, aber dennoch überstimmte ich ihn diesmal. Ich sagte nämlich, bei genauer Erwägung unserer Verhältnisse sei es weit besser, alle unsere Waren hier, wenn auch zu dem halben Preise zu verkaufen, als mit ihnen in den persischen Meerbusen zu fahren, wo wir uns größeren Gefahren aussetzen würden, da die Leute dort viel neugieriger, mißtrauischer und bei weitem nicht so leicht zu behandeln wären, weil sie ihre Geschäfte frei und offen, nicht verstohlen, wie es hier der Fall zu sein scheine, trieben. Wenn sie dort einmal Verdacht schöpften, so würde uns ein friedlicher Rückzug bei weitem schwieriger sein als hier, wo wir uns auf der hohen See befänden und ohne viele Umstände wieder weiter ziehen könnten, auch hätten wir hier nicht die mindeste Verfolgung zu befürchten, da niemand wisse, wo er uns aufsuchen sollte.
Auf diese Vorstellungen gab sich William zufrieden, obgleich sie für ihn vielleicht kein so großes Gewicht hatten, und wir beschlossen daher, mit einer neuen Schiffsladung bei denselben Kaufleuten einen Versuch zu machen. Die Hauptsache war, die Sache so einzurichten, daß die englischen Kaufleute meinen mußten, dies sei unsere andere Schaluppe. Dafür ließen wir den alten Quäker und Steuermann in einer Person sorgen, der auch am besten imstande war die Schaluppe in ein neues Gewand zu kleiden. Vor allem brachte er sämtliches Schnitzwerk, das er zuvor weggenommen hatte, wieder an, der Stern, der zuvor mit einem düsteren Weiß bemalt war, wurde jetzt blau lackiert und eine Menge lustiger Figuren darauf gezeichnet, auf dem Halbdeck errichteten die Zimmerleute zu beiden Seiten eine hübsche kleine Galerie, man pflanzte zwölf Kanonen darin auf, sowie einige andere Geschütze auf dem Schaudeck, was alles zuvor nicht gewesen war, und um das neue Gewand zu vollenden oder die Verwandlung zu vervollständigen, wurden sogar die Segel verändert. Die Schaluppe bekam jetzt, während sie früher wie eine Jacht mit einem halben Spriet gesegelt war, einen Basanmast. Mit einem Wort, die Täuschung war so vollständig, daß ein Fremder, der die Schaluppe bloß ein einziges Mal gesehen hatte, sie wohl nicht wieder erkennen konnte.
In dieser wunderlichen Gestalt fuhr also die Schaluppe zurück. Sie hatte einen andern Kapitän in der Person eines Mannes, dessen Zuverlässigkeit wir kannten, der alte Steuermann fuhr bloß als Reisender mit, der Doktor und William gaben sich kraft förmlicher Vollmacht von einem gewissen Kapitän Singleton für die Lademeister aus, und so war mit einem Worte alles vorher aufs genaueste bestimmt.
Wir hatten eine vollständige Ladung für die Schaluppe, denn außer einem sehr bedeutenden Quantum von Muskatnüssen, Muskatblüten, Gewürznelken und einigem Zimt führte sie verschiedene Waren an Bord, die wir in der Gegend der philippinischen Inseln, als wir auf günstige Gelegenheiten zu Geschäften warteten, eingenommen hatten.
Es wurde William nicht schwer auch diese Ladung zu verkaufen, und in etwa zwanzig Tagen kehrte er mit allen zu einer weiteren Reise notwendigen Lebensmitteln versehen zurück. Außer einer Menge anderer Waren brachte er uns gegen 35 000 spanische Piaster nebst einigen Diamanten, von denen er sagte, daß er sich zwar nicht besonders darauf verstehe, doch glaube er damit nicht betrogen worden zu sein, indem die Kaufleute, mit denen er Geschäfte machte, sämtlich ganz ehrliche Menschen zu sein schienen.
Sie hatten durchaus keine Schwierigkeiten mit diesen Kaufleuten gehabt, denn die Aussicht auf sichern Gewinn hatte ihnen alle unnötige Neugierde benommen, so daß sie auch an der Schaluppe schlechterdings nichts Verdächtiges bemerkten.
Man kann dies wirklich die einzige Handelsreise nennen, die wir machten. Wir waren jetzt im wirklichen Sinne des Wortes sehr reich, und es kam uns natürlich die Frage, was wir jetzt beginnen sollten. Unser eigentlicher Erlösungshafen, wie wir ihn nennen können, war zu Madagaskar in der Bucht von Mangahelly.
Eines Tages nahm mich William in der Kajüte der Schaluppe beiseite und sagte mir, er habe ein ernsthaftes Wort mit mir zu reden; wir schlossen uns also ein, und William begann seine Vorhaltung.
Willst du mir erlauben, hub er an, offen über deine gegenwärtigen Umstände und künftigen Aussichten mit dir zu sprechen, und gelobst du mir nichts übelzunehmen?
Von Herzen gern, William, entgegnete ich. Ich habe deinen Rat jederzeit für gut befunden, deine Pläne waren nicht nur klug angelegt, sondern sie sind auch zu unserm größten Glücke ausgeschlagen, deshalb sage, was du willst, ich gebe dir das Versprechen, dir nichts übelzunehmen. Ich will dir in allem zu Willen sein, nur darfst du mich nicht verlassen, denn ich kann mich unter keinen Umständen von dir trennen.
Gut, erwiderte William, ich beabsichtige durchaus nicht mich von dir zu trennen, wenn du es nicht selbst verlangst. Vor allem will ich dich fragen, ob du mitsamt allen deinen Leuten Reichtümer und Schätze genug erworben hast – auf welche Art der Erwerb geschah, gehört nicht hierher – so daß jeder für sich etwas damit anfangen könnte?
Allerdings, William, sagte ich, du hast vollkommen recht. Ich dächte, wir haben ganz hübsche Geschäfte gemacht.
Nun gut, fuhr William fort, so möchte ich dich fragen, ob du, wenn du genug erworben hast, dieses Gewerbe nicht vielleicht aufzugeben gedenkst? Die meisten Leute ziehen sich doch von ihren Geschäften zurück, sobald sie mit ihrem Erwerb zufrieden und reich genug sind. Es wird wohl niemand um des Handels willen Handel treiben und noch viel weniger Seeräuberei aus bloßer Lust am Rauben.
Ganz recht, William, sagte ich, ich merke jetzt, wo hinaus du willst, und wette, es verlangt dich nach Hause.
Allerdings, erwiderte William, und ich glaube, es wird auch dir so ergehen. Die meisten Menschen, welche sich lange in der Fremde herumgetrieben haben, hegen den natürlichen Wunsch, am Ende wieder nach Hause zu kommen. Besonders wenn sie reich und, wie du ja selbst von dir zugibst, reich genug, ja so reich geworden sind, daß sie nicht wüßten, was sie mit noch größerem Reichtum anfangen sollten.
Nun gut, lieber William, jetzt hast du, glaube ich, deinen Vordersatz deutlich genug gestellt und auf eine Art bewiesen, daß ich nichts dagegen einzuwenden weiß, nämlich den Satz, daß ich, wenn ich Geld genug habe, offenbar auch an die Rückkehr in die Heimat denken sollte, das aber hast du mir noch nicht erklärt, was du unter Heimat verstehst, und hierin werden wir wohl nicht so ganz übereinstimmen. Hier, mein Freund, bin ich zu Hause, und hier ist meine Wohnung, ich habe nie in meinem Leben eine andere gehabt: ich war eine Art Findelkind und kann also, mag ich nun reich oder arm sein, nicht wünschen, irgendwo anders hinzugehen, denn ich weiß wahrhaftig nicht, wohin ich mich wenden sollte.
Ei wie, fragte William ein wenig verdutzt, bist du denn kein Engländer?
Ich glaube es wenigstens. Du siehst, ich spreche Englisch, aber ich verließ schon als Kind England und war seit meinen Mannesjahren nur einmal dort. Auch wurde ich damals so schändlich betrogen und übel behandelt, daß mir durchaus nichts daran liegt es je wiederzusehen.
Aber, entgegnete er, hast du denn keine Verwandten oder Freunde dort? Keine Bekannten? Niemand, gegen den du einige Anhänglichkeit oder einige Reste von Verehrung hegst?
Nein, William, erwiderte ich, keinen einzigen Menschen, so wenig wie am Hofe des Großmoguls.
Hegst du auch kein Verlangen nach dem Lande, wo du geboren wurdest?
Nein, so wenig als du nach der Insel Madagaskar, ja noch weit weniger, denn diese Insel hat mir, wie du weißt, mehr als einmal Glück gebracht.
William war ganz erstaunt über meine Worte und schwieg still. Wohlan, was hast du mir weiter zu sagen, sagte ich nach einer Pause zu ihm. Ich merke schon, du hast einen Plan in deinem Kopf, rücke einmal heraus damit.
Jetzt, erwiderte William, hast du mich zum Schweigen gebracht und alles, was ich sagen wollte, über den Haufen geworfen. Alle meine Pläne sind jetzt vernichtet.
Nun gut, William, sagte ich, so laß doch wenigstens hören, worin sie bestanden, denn obgleich ich mir nicht das gleiche Ziel vor Augen gesteckt habe wie du, und obgleich ich in England weder Verwandte noch Freunde noch Bekannte besitze, so kann ich doch nicht behaupten, dieses herumschwärmende Räuberleben gefiele mir so gut, daß ich es nicht aufgeben möchte. Laß mich also hören, ob du mir außer diesem Bereiche etwas Annehmliches zu sagen hast.
Ja gewiß, Freund, sagte William sehr ernsthaft, habe ich dir außer diesem Bereiche noch etwas vorzuschlagen. Dabei hob er seine Hände auf und schien gerührt, ja ich glaubte sogar Tränen in seinen Augen zu bemerken, doch war ich ein zu verhärteter Sünder, um von solchen Dingen ergriffen zu werden, und verspottete ihn. Du meinst wahrscheinlich den Tod, der ist freilich außer dem Bereiche meines Gewerbes. Doch meinetwegen, wenn er kommt, so kommt er, dann ist für uns alle gesorgt.
Ach, erwiderte William, das ist freilich wahr, aber es wäre besser, wenn man an gewisse Dinge auch dächte, bevor sie kommen.
Denken, entgegnete ich, wozu auch denken? An den Tod denken heißt sterben, und immer daran denken heißt sein ganzes Leben lang auf dem Totenbette liegen. Es ist Zeit genug daran zu denken, wenn er einmal kommt.
Man wird mir gern glauben, daß ich ganz zu einem Seeräuber geeignet war, da ich so sprechen konnte. William fuhr nun sehr ernst fort. Ich muß dir gestehen, Freund, daß es mir äußerst wehe tut, dich so sprechen zu hören. Diejenigen, welche den Tod scheuen, sterben oft, ohne daran gedacht zu haben.
Ich suchte die Sache noch länger ins scherzhafte zu ziehen und erwiderte: Ich bitte dich, sprich nicht vom Sterben, wie können wir wissen, ob wir überhaupt sterben müssen? Dabei begann ich zu lachen.
Ich brauche dir darauf nicht zu antworten, versetzte William. Es geziemt mir nicht dir, meinem Kommandanten, Vorwürfe zu machen, aber ich wünschte viel lieber, daß du anders vom Tode sprächest, es ist eine bitterernste Sache.
Sage zu mir, was du willst, William, erwiderte ich, ich will es freundlich anhören.
Seine Rede begann jetzt einen tiefen Eindruck auf mich zu machen. William fuhr, indem ihm die Tränen über das Gesicht rollten, fort: Eben weil die Menschen leben, als ob sie nie sterben müßten, sterben viele, bevor sie wissen, wie man zu leben hat. Aber ich meinte vorhin nicht den Tod, als ich sagte, es lasse sich etwas Höheres denken als diese Lebensart.
Nun gut, William, sagte ich, und was denn?
Die Reue, antwortete er.
Zum Henker, rief ich, hast du jemals gehört, daß ein Seeräuber Reue empfunden hat?
Bei diesen Worten bebte er ein wenig und erwiderte dann: Von einem weiß ich wenigstens, daß er am Galgen bereute, und du wirst hoffentlich der zweite sein.
Er sprach dies in sehr eindringlichem Tone und mit sichtlicher Bekümmernis um mich. Gut, William, sagte ich, ich danke dir und bin in solchen Dingen vielleicht nicht so gefühllos, als ich mich stelle. Aber nun laß mich deine Vorschläge hören.
Mein Vorschlag, erwiderte William, zielt sowohl auf dein Bestes als auf das meinige. Wir wollen dieser Lebensweise ein Ende machen und Buße tun. Eben jetzt bietet sich für uns vielleicht die schönste Gelegenheit dar, die sich jemals gefunden hat oder je wieder finden kann.
Wohlan, William, sagte ich, so teile mir einmal deinen Plan, wie wir unserer jetzigen Lebensweise ein Ende machen können, mit, von dem übrigen wollen wir nachher sprechen. Ich bin nicht so gefühllos als du vielleicht glaubst, aber laß uns nur erst aus dieser höllischen Lage herauskommen.
Hierin magst du freilich recht haben, erwiderte William. Wir dürfen nicht von Reue und Buße sprechen, solange wir Seeräuber bleiben.
Gut, William, sagte ich, eben das ist meine Meinung, denn wenn wir bloß das Verübte bereuen und nicht auch zugleich uns bessern wollen, so weiß ich nicht, was das Wort Buße bedeuten soll. Ich verstehe mich zwar sehr wenig auf solche Dinge, aber schon die Natur der Sache scheint mir zu sagen, daß unser erster Schritt das Verlassen unserer bisherigen Bahn sein muß, und damit will ich von Herzen gern in deiner Gesellschaft den Anfang machen.
Ich konnte aus Williams Miene sehen, daß er über meine Bereitwilligkeit sehr erfreut war, er war ganz außer sich vor Freude, daß er nicht sprechen konnte.
Nun, William, sagte ich, ich sehe deutlich genug, daß du es ehrlich meinst. Glaubst du wirklich, es sei tunlich für uns, dieser unseligen Lebensweise hier ein Ende zu machen und uns auf immer davon zu entfernen?
Ja, erwiderte er, für mich wenigstens ist es im höchsten Grade tunlich, ob aber auch für dich, muß deinem eigenen Urteil anheimgestellt bleiben.
Nun gut, sagte ich, ich gebe dir mein Wort, daß ich mich von dieser Stunde an unter deinen Befehl stellen und alles tun will, was du mich heißen wirst.
Wohlan, begann William, mein Plan ist folgender: Wir sind jetzt an der Mündung des persischen Meerbusens, in Surate haben wir so viel von unserer Ladung verkauft, daß wir Geld genug besitzen. Schicke mich mit der Schaluppe und den chinesischen Waren, die wir an Bord haben und die eine neue gute Ladung ausmachen, nach Bassora, so bürge ich dir dafür, daß ich unter den englischen und holländischen Kaufleuten daselbst Gelegenheit finden werde, eine Menge Waren und Geld unterzubringen, so daß wir nachher dazu unsere Zuflucht nehmen können. Wenn ich dann zurückkomme, wollen wir das weitere bedenken. Inzwischen aber bereite die Mannschaft zu einer Fahrt nach Madagaskar vor, die angetreten werden soll, sobald ich wieder zurück bin.
Ich hielt ihm entgegen, meiner Ansicht nach brauche er nicht bis Bassora zu reisen, sondern nur in den Ormus einzulaufen, um dasselbe Geschäft zu machen.
Nein, erwiderte er, ich kann mich dort nicht so frei bewegen, weil die Gesellschaft dort ihre Faktorei hat, und man mich leicht als Schmuggler anhalten könnte.
Wir hatten in Surate eine große Summe Geldes erhoben, so daß wir über etwa hunderttausend Pfund gebieten konnten, und an Bord des großen Schiffes befand sich noch weit mehr.
Ich befahl ihm nun öffentlich, das Geld, das er habe, an Bord zu behalten, dafür ein Quantum Schießbedarf zu kaufen, wenn er welches bekommen könnte, und uns so zu neuen Unternehmungen in den Stand zu setzen. Mittlerweile beschloß ich, eine Summe Geldes nebst Juwelen, die ich an Bord des großen Schiffes hatte, zu nehmen und an einen Ort zu legen, von wo ich sie unmittelbar nach meiner Rückkehr unbemerkt wieder wegbringen könnte. Sodann ließ ich William seinen Wünschen gemäß absegeln und verfügte mich an Bord des großen Schiffes, wo wir einen wirklich unermeßlichen Schatz besaßen.
Wir mußten nicht weniger als zwei Monate auf Williams Rückkehr warten, und ich begann bereits sehr verdrießlich darüber zu werden, weil ich zuweilen dachte, er habe mich verlassen, indem er den nämlichen Kunstgriff angewendet, um seine Mannschaft für seinen Willen zu stimmen, und so seien sie mir alle zusammen davongegangen. Ja, drei Tage vor seiner Rückkehr dachte ich ernstlich daran, nach Madagaskar zu segeln und ihn aufzugeben, aber der alte Chirurg, welcher in Surate den Quäker gespielt und für den Herrn der Schaluppe gegolten hatte, redete es mir aus, wofür ich ihn zum Dank für seinen guten Rat und seine offenbare Treue in meinen Plan einweihte, was ich auch niemals zu bereuen hatte.
Endlich kam William zu unserer unaussprechlichen Freude zurück, brachte uns eine Menge notwendiger Dinge, namentlich sechzig Tonnen Pulver, einiges eiserne Geschütz und etwa dreißig Tonnen Blei. Zugleich führte er ein bedeutendes Quantum Mundvorrat bei sich und stattete mir öffentlich Bericht von seiner Fahrt ab, so daß jedermann auf Deck ihn hören konnte, und aller Argwohn im voraus abgeschnitten wurde.
Hierauf sagte William, er wolle abermals gehen, ich solle ihn aber begleiten, denn er habe verschiedene Dinge, die er an Bord geführt, nicht verkaufen können, namentlich habe er dort allerhand zurückgelassen, weil die Karawanen nicht gekommen seien, und er habe sich verpflichtet mit Waren zurückzukehren.
Das war es, was ich wünschte. Die Mannschaft war sehr dafür, daß er gehen solle, besonders weil er sagte, man könnte die Schaluppe für die Rückfahrt mit Reis und Lebensmitteln befrachten, ich aber stellte mich, als ob ich dem Plane entgegen wäre, bis der alte Chirurg aufstand und mir eine Menge Gründe, einen immer dringender als den anderen, entgegenhielt, um mich dazu zu bestimmen. Wenn ich nicht mitginge, sagte er ausdrücklich, würde keine Ordnung im ganzen sein, mehrere von der Mannschaft könnten sich leicht hinwegschleichen und alle übrigen verraten, ohne mich wäre bei dieser Fahrt keine Sicherheit für die Schaluppe. Zuletzt erbot er sich, um die Sache recht eindringlich zu machen, selbst mit mir zu gehen.
Ich stellte mich, als ob diese Beweggründe endlich meinen Widerstand überwunden hätten, und die ganze Mannschaft war vergnügt darüber, daß ich einwilligte. Wir luden also alles Pulver, Blei und Eisen, sowie andere für das Schiff brauchbare Dinge aus der Schaluppe aus und luden dafür einige Ballen Spezereiwaren und etliche Körbe Gewürznelken, im ganzen etwa sieben Tonnen, nebst einigen andern Waren hinein, unter deren Ballen ich meinen ganzen Schatz – ein nicht unbeträchtliches Vermögen – für mich versteckt hatte. Wir fuhren dann sogleich ab.
Zuvor berief ich noch eine Versammlung sämtlicher Offiziere, um ihnen einen Ort zu bestimmen, wo sie auf mich zu warten hätten, und die Zeit, wie lange sie dies tun sollten. Es wurde hier ausgemacht, daß das Schiff achtundzwanzig Tage an einer kleinen Insel auf der arabischen Seite des Golfes bleiben sollte, und wenn die Schaluppe in dieser Zeit nicht käme, so sollte es nach einer andern Insel, weiter westlich, segeln und dort abermals fünfzehn Tage warten; erschiene die Schaluppe auch dann nicht, so sollten die Leute auf dem Schiffe annehmen, es sei ihr irgendein Unglück zugestoßen, und dann wollten wir in Madagaskar einander wiedersehen.
Nach diesen Bestimmungen verließen wir das Schiff, welches William und ich sowie der Chirurg nie wiederzusehen beabsichtigten. Wir steuerten geradezu auf den Golf los und durch denselben nach Bassora. Die Stadt Bassora liegt in einiger Entfernung von dem Orte, wo sich unsere Schaluppe befand, da aber das Gewässer nicht ganz sicher, und wir, die wir nur einen gewöhnlichen Piloten hatten, nicht zum besten damit bekannt waren, so landeten wir bei einem Dorfe, in dem einige Kaufleute wohnten und das sehr bevölkert war, weil kleinere Fahrzeuge häufig daselbst vor Anker gingen.
Hier hielten wir uns, um gute Geschäfte zu machen, drei oder vier Tage auf und brachten alle unsere Ballen und Spezereiwaren, sowie die ganze Ladung, die von nicht unbedeutendem Werte war, ans Land, wir zogen dies einer unmittelbaren Fahrt nach Bassora vor, bis wir unsern angelegten Plan ausgeführt hätten.
Nachdem wir nämlich verschiedene Waren eingekauft hatten und gerade Anstalten trafen noch andere zu erstehen, während das Boot mit zwölf Mann am Ufer lag, schickten ich, William, der Chirurg und ein vierter Miteingeweihter bei Anbruch der Abenddämmerung einen Türken mit einem Briefe an den Oberbootsmann und gaben dem Burschen auf, so schnell wie möglich zu laufen, indes wir uns in einer kleinen Entfernung aufstellten, um den Erfolg zu beobachten. Der Inhalt des Schreibens war von dem alten Doktor folgendermaßen abgefaßt:
Wir sind alle verraten. Um Gotteswillen macht, daß ihr mit dem Boote davon kommt und an Bord geht, sonst seid ihr alle verloren. Der Kapitän, William und der reformierte Georg sind ergriffen und bereits abgeführt. Ich allein bin entwischt und verborgen, darf aber nicht von der Stelle, sonst bin ich ein Kind des Todes. Sobald ihr an Bord seid, haut den Anker ab und segelt aus Leibeskräften davon, wenn euch euer Leben lieb ist. Lebt wohl. R. S.
Wir standen, wie schon gesagt, da es Abenddämmerung war, unbemerkt in einiger Entfernung, sahen, wie der Türke den Brief ablieferte, und bemerkten auch, wie binnen drei Minuten sämtliche Matrosen in das Boot sprangen und aufpackten. Sie ließen sich, wie wir vorausgesetzt hatten, unsere Warnung gesagt sein, denn am nächsten Morgen erblickte man weit und breit nichts mehr von ihnen, auch ist uns seither keine Kunde mehr über sie zugekommen.
Wir waren jetzt an einem guten Orte und in sehr guten Umständen, denn wir galten für reiche persische Kaufleute.
Ich halte es nicht für nötig hier auseinanderzusetzen, welche Menge schlecht erworbener Reichtümer wir zusammengehäuft hatten: es wird zweckmäßiger sein, wenn ich gestehe, daß ich die verbrecherische Art, wie ich dazu gekommen war, mit Seelenpein einzusehen begann, und daß mir dieser Besitz sehr wenig Vergnügen machte. Auch war ich manchmal so kleinmütig, daß ich es für unwahrscheinlich hielt im Besitze dieser Schätze zu bleiben, daß mir in solchen Augenblicken der Verzagtheit der Verlust derselben auch ziemlich gleichgültig war, doch faßte ich bald wieder besseren Mut, als ich auf den Spaziergängen, die ich mit meinem Freunde William in der Umgebung von Bassora machte, bei ihm mir Rat einholte.
Nachdem wir die uns verbrüderten Galgenstricke weggescheucht hatten, waren wir in Bassora vollkommen sicher und hatten bloß noch daran zu denken, durch zweckdienliche Verwandlung unserer Schätze ein kaufmännisches Ansehen zu gewinnen, denn wir beabsichtigten fortan als Handelsleute aufzutreten.
Vor allem aber beschlossen wir, über unsere Absichten nur auf dem offenen Felde ernsthaft zu sprechen, wo wir vor Belauschung sicher sein konnten, und so gingen wir jeden Abend, wenn die Sonne sich zu senken und die Hitze nachzulassen begann, bald diesen, bald jenen Weg spazieren, um über unsere Angelegenheiten zu beraten.
Ich hätte bemerken sollen, daß wir uns hier nach persischer Art neu gekleidet hatten, also lange seidene Jacken, sehr feine hübsche Mäntel von karmesinrotem englischen Zeug trugen und unsere Bärte so wachsen ließen, daß man uns, jedoch nur dem Ansehen nach, für persische Kaufleute halten konnte, wir verstanden aber oder sprachen kein persisches Wort, wie überhaupt keine andere als die englische und holländische Sprache, wovon außerdem die letztere auch nicht zu meinen starken Seiten gehörte, obgleich ich dagegen vor William die Kenntnis des Portugiesischen voraus hatte.
Wir suchten nicht den mindesten Verkehr mit den englischen Kaufleuten, welche sich hier aufhielten. Dadurch verhinderten wir, daß sie uns ausfragten oder Nachrichten über uns geben konnten, wenn je die Kunde von unserer Landung hier eintreffen sollte, was, wie wir wohl einsahen, durchaus nicht zu den Unmöglichkeiten gehörte.
Während unseres etwa zweimonatigen Aufenthaltes an diesem Orte wurde ich sehr nachdenklich über meinen Zustand, ich begann wirklich andere Ansichten von mir selbst und von der Welt zu bekommen als ich bisher gehabt hatte.
William hatte mein gedankenloses Wesen gewaltsam aufgerüttelt, indem er mich darauf aufmerksam machte, daß es ein Jenseits gäbe, daß auf die Stunde des Genusses der Augenblick der Rechenschaft folge, daß das Werk, das zu tun noch übrig bleibe, weit wichtiger sei als alles bisher vollbrachte, nämlich die Buße, und daß es hohe Zeit sei daran zu denken. Diese und ähnliche Gedanken, sage ich, verbitterten meine Stunden, und ich wurde sehr traurig.
Eines Abends begann ich auf einem unserer Spaziergänge von der Notwendigkeit zu sprechen alle unsere Besitztümer zurückzulassen. Glaubst du, William, sagte ich, daß wir jemals imstande sein werden, mit all diesem Plunder Europa zu erreichen.
Allerdings, erwiderte William, so gut als andere Kaufleute mit ihren Waren, solange es nicht öffentlich bekannt ist, welchen Wert unsere Ladung hat.
Aber William, glaubst du denn, daß, wenn ein Gott da oben ist, dem wir Rechenschaft zu geben haben, wie du mir schon oft versichert – glaubst du denn, sagte ich, daß er, wenn er ein gerechter Richter ist, uns mit diesem Raub von so vielen unschuldigen Leuten, ja ich möchte sagen, Völkern, davonkommen lassen und uns nicht zur Rechenschaft ziehen werde, bevor wir Europa erreichen, wo wir ihn zu genießen gedenken?
Nach einer kleinen Pause begann William: Du hast eine sehr wichtige Frage angeregt, und ich vermag dir keine bestimmte Antwort darüber zu geben, aber soviel kann ich dir sagen, wenn wir die Gerechtigkeit Gottes erwägen, so haben wir allerdings keinen Grund auf seinen Schutz zu rechnen, da aber die Wege der Vorsehung andere sind als die gemeine Straße des menschlichen Verfahrens, so können wir bei aufrichtiger Reue immerhin auf Gnade hoffen, da wir nicht wissen, wie gütig er noch gegen uns sein mag. Wir müssen daher so handeln, als ob wir mehr auf die Gnade hofften als seine Gerechtigkeit fürchteten, die allerdings nur Rache und Gericht über uns verhängen könnte.
Aber William, sagte ich, die wahre Buße begreift, wie du mir einmal angedeutet hast, Besserung in sich, und wir können uns nie bessern, weil wir das, was wir durch Raub und Plünderung an uns gerissen haben, nie wieder zurückgeben können.
Ganz richtig, versetzte William, das können wir nicht tun, denn wir können unmöglich die rechtmäßigen Besitzer ausfindig machen.
Aber, fuhr ich fort, was sollen wir denn nun mit unserm geplünderten Reichtum anfangen? Wenn wir ihn behalten, so bleiben wir nach wie vor Räuber und Diebe, und wenn wir ihn fahren lassen, so erfüllen wir keine Pflicht der Gerechtigkeit, denn wir können ihn den rechtmäßigen Eigentümern doch nicht wieder zustellen.
Darauf, sagte William, kann ich dir kurz antworten. Unsere Schätze fahren lassen und zwar hier, hieße sie an Leute wegwerfen, die keinen Anspruch darauf haben, hieße uns selbst derselben berauben, ohne dadurch etwas Gutes zu tun. Deswegen müssen wir sie sorgfältig zusammenhalten, mit dem festen Entschluß, soviel Gutes als möglich damit zu stiften, und wer weiß, ob uns die Vorsehung nicht vielleicht Gelegenheit an die Hand geben wird, wenigstens einigen von denen, welchen wir Unrecht getan haben, Genugtuung zu geben. Wir müssen es ihr wenigstens überlassen und uns in ihren Willen fügen. Deshalb muß offenbar unsere nächste Sorge sein, uns an einen sichern Ort zu begeben, wo wir ihren Willen abwarten können.
Die Erklärung Williams beruhigte mich wieder, wie auch wirklich zu jeder Zeit alles, was er sagte, vernünftig war. Ich sah ein, daß ich an einen sichern Ort gehen und alles Kommende der Gnade des allmächtigen Gottes anheimstellen müsse. Soviel muß ich aber versichern, daß ich von dieser Zeit an keine Freude mehr an meinen Schätzen hatte: ich betrachtete sie als gestohlene Güter, was sie auch größtenteils waren, als einen Mammon, den ich unschuldigen Menschen geraubt, und wofür ich in dieser Welt den Strick und in der andern die ewige Verdammnis verdient hatte.
Was meine Kenntnisse in der Religion betrifft, so hat ja der Leser meine Geschichte gehört und vermag danach sein Urteil zu fällen. Ich erinnere mich nicht einmal, je in meinem Leben ein Kapitel in der Bibel gelesen zu haben, obgleich der kleine Bob in die Schule ging, um sein Testament zu lernen.
Gleichwohl gefiel es Gott, mir in dem Quäker William alles in allem zu geben. Ich nahm ihn daher eines Abends wie gewöhnlich auf den Spaziergang und rannte mit ihm in weit größerer Hast als sonst auf den Feldern umher, hier erzählte ich ihm denn kurz die Angst meiner Seele und welchen furchtbaren Versuchungen ich ausgesetzt gewesen sei, ich sagte ihm, daß ich mich erschießen wolle, denn ich könnte die Last und den Schrecken, der auf mir liege, nicht länger ertragen.
Dich erschießen, rief William, und was würde dir dies nützen?
Es würde doch wenigstens diesem unseligen Leben ein Ende machen, antwortete ich.
Nun gut, sagte William, aber weißt du auch gewiß, daß das nächste besser sein wird?
Nein, nein, erwiderte ich, ohne Zweifel noch viel schlimmer.
Also, sagte er, ist das Totschießen gewiß eine Eingebung des Teufels, denn es ist ein Teufelsgedanke, daß du dich, weil du in einer schlimmen Lage bist, in eine weit schlimmere versetzen müßtest.
Dies machte mich in der Tat stutzig. Aber, entgegnete ich, ich kann die unselige Lage, in der ich mich befinde, nicht länger ertragen.
Ganz richtig, sagte William, komm, gib mir die Pistole, von der du eben sprachst.
Warum, erwiderte ich, was willst du damit?
Was ich damit tun will, sagte William – ei du brauchst dich nicht selbst zu erschießen, ich sehe mich genötigt, dir diesen Gefallen zu tun, denn du stürzest uns sonst alle ins Unglück. Kurz, ich muß dich erschießen, um mein eigenes Leben zu retten. Komm her und gib mir deine Pistole.
Ich gestehe, daß mich dies sehr erschreckte. Der Gedanke ans Totschießen verließ mich zwar von dieser Zeit an, aber ich fing nun an mich im Schlafe zu ängstigen und laut zu reden. William nahm mich beiseite und stellte mir die Gefahr vor Augen, in die ich uns brächte. Und ich sagte zu ihm: Du erschreckst mich sehr – wie wird es noch gehen, ich werde am Ende gewiß noch alles verraten!
Komm, komm, Freund Bob, sagte er, ich will allem ein Ende machen, wenn du nur meinen Rat annimmst.
Was für einen Rat, fragte ich?
Einfach den, antwortete er, daß du bei deiner nächsten Unterredung mit dem Teufel ein bischen leiser sprichst, sonst sind wir alle verloren.
Nachdem William auf diese Art Scherz getrieben hatte, ließ er sich in ein sehr langes ernstes Gespräch über meinen Zustand und über die Bedeutung des Wortes Buße mit mir ein und setzte mir auseinander, dieselbe müßte mit einem tiefen Abscheu vor dem Verbrechen verbunden sein, dessen ich mich anzuklagen habe, aber Verzweiflung an Gottes Gnade sei kein Teil der Buße, sondern gebe mich nur in die Gewalt des Teufels, ich müßte aufrichtig und demütig mein Verbrechen bekennen, Gott, den ich beleidigt, um Verzeihung anflehen, mich seiner Gnade überlassen und dabei den festen Entschluß haben, das getane Unrecht wieder gut zu machen, wenn es Gott gefalle mir Gelegenheit dazu zu geben. Diesen Vorsatz habe er auch für sich selbst gefaßt und finde darin einen großen Trost.
Williams Zuspruch gefiel mir sehr wohl und gewährte mir eine große Beruhigung, doch zeigte er sich immer noch sehr besorgt wegen meines Sprechens im Schlaf, legte sich daher beständig in dasselbe Zimmer mit mir und verhütete es, daß ich in irgendein Haus zu wohnen kam, wo man englisch verstand.
Nach beinahe dreimonatigem Aufenthalt in Bassora hatten wir einen Teil unserer Waren verkauft; da uns aber immer noch ein ansehnliches Quantum übrig blieb, so mieteten wir einige Boote und fuhren den Fluß Tigris oder vielmehr Euphrat hinauf nach Bagdad. Wir machten dort mit unserm Warenvorrate einiges Aufsehen und wurden mit vieler Hochachtung empfangen. Unter anderm hatten wir zweiundvierzig Ballen indische Stoffe aller Art, Seidenzeuge, Musseline und fünfzehn Ballen außerordentlich schöner chinesischer Seide und siebzig Pack Spezereiwaren, hauptsächlich Gewürznelken und Muskatnüsse. Unsere Gewürznelken hätten wir hier losschlagen können, allein ein Holländer riet uns sie zu behalten, da wir in Aleppo oder an der Levante bessere Preise dafür bekommen könnten. Somit rüsteten wir uns zur Abreise mit einer Karawane.
Wir verhehlten es so sehr als möglich, daß wir Gold oder Perlen besaßen, und verkauften daher drei bis vier Ballen chinesische Seide, um uns von dem Erlös daraus Kamele anzuschaffen, die Zollgebühren an den verschiedenen Plätzen zu bezahlen und uns mit Lebensmitteln für die Wüste zu versehen.
Auf dieser Reise bekümmerte ich mich nicht um meine Waren oder meine übrigen Reichtümer, wie ich denn überhaupt der festen Überzeugung lebte, Gott werde es, da ich sie alle durch Raub und Gewalt an mich gebracht, so lenken, daß sie mir auf dieselbe Art wieder entrissen würden.
Allein wie ich einen barmherzigen Beschützer über mir hatte, so hatte ich an meiner Seite einen höchst getreuen Verwalter, Ratgeber, Freund, oder wie ich ihn sonst nennen mag, der mein Führer, mein Steuermann, mein alles war und sowohl für mich als auch für unsere Besitztümer sorgte. Obgleich wir noch nie in diesen Gegenden der Welt gewesen waren, so wußte er doch alles nötige aufs beste herbeizuschaffen, und in etwa neunundfünfzig Tagen kamen wir von Bassora an der Mündung des Flusses Tigris oder Euphrat durch die Wüste und über Aleppo nach Alexandrien.
Hier hielten William und ich mit unsern zwei treuen Kameraden eine Beratung, was wir nun tun sollten, und William und ich beschlossen, auf einem zufällig auf der Reede liegenden Schiffe nach seiner Heimat zu gehen. Wir sagten unsern Begleitern, wir gedächten uns in Morea niederzulassen, das damals den Venezianern gehörte.
Es war gewiß klug von uns gehandelt, daß wir, nachdem die Trennung einmal beschlossen war, sie nicht wissen ließen, wohin wir eigentlich reisten, doch ließen wir uns von unserm alten Doktor seine Adresse geben, um ihm nach Holland und England schreiben und gelegentlich Nachrichten von ihm erhalten zu können, zugleich versprachen wir ihm die Kunde zukommen zu lassen, wie er seine Briefe an uns gelangen lassen könnte.
Wir hielten uns nach unserer Abreise noch einige Zeit hier auf und schifften uns nach Venedig ein, wo wir nach zweiundzwanzig Tagen frisch und gesund mit allen unsern Schätzen, Geldern, Juwelen und Waren ankamen, deren Gesamtwert sich auf so hoch belief, daß ganz gewiß seit dem Bestehen des Staates Venedig noch niemals zwei Privatmänner so große Reichtümer in diese Stadt gebracht haben.
Wir galten wie früher für zwei armenische Kaufleute, auch hatten wir uns in dieser Zeit so viel von dem persischen und armenischen Kauderwelsch, welches in Bassora, Bagdad und allen von uns durchreisten Gegenden gesprochen wurde, angeeignet, um untereinander so sprechen zu können, daß wir von niemandem verstanden werden konnten, zuweilen auch wohl selbst nichts verstanden.
Hier verwandelten wir nun alle unsere Waren in Geld und ließen uns auf längere Zeit nieder. William und ich waren einander in unverbrüchlicher Freundschaft und Treue zugetan und lebten wie Brüder. Wir hatten oder suchten niemals getrennte Interessen, sprachen ohne Unterlaß miteinander von unserer Buße, und da wir unsere armenischen Kleider nicht ablegten, so nannte man uns in Venedig allgemein nur die zwei Griechen.
Endlich sagte William zu nur, er fange an sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, England nie wieder zu sehen, da wir indes im Besitze so großer Reichtümer seien, und er daselbst einige arme Verwandte habe, so wolle er, wenn es mir nicht zuwider sei, durch Briefe zu erfahren suchen, ob und in welchen Verhältnissen sie noch lebten. Wenn dann einige, an die er besonders denke, noch am Leben seien, so wünsche er ihnen mit meiner Bewilligung etwas zu schicken, um ihre Lage zu verbessern.
Wir schickten einer noch lebenden Schwester fünftausend Pfund in guten Wechseln, die sie auch pünktlich empfing, und bald darauf meldete sie ihrem Bruder, sie habe gegen ihre Nachbarn vorgegeben, sie könne wegen Kränklichkeit das Geschäft nicht länger betreiben, weshalb sie etwa vier Meilen von London ein großes Haus an sich gebracht habe, um von dem Mietsertrage desselben zu leben.
Aus ihrem ganzen Briefe ging hervor, daß sie seine Absicht, unerkannt hinüberzukommen, wohl erriet und ihm versicherte, daß er bei ihr so zurückgezogen leben könne wie er wolle.
Dies hieß uns die Tür wieder öffnen, die wir für dieses Leben uns bereits verschlossen geglaubt hatten. Wir beschlossen das Wagnis zu unternehmen, aber sowohl unsere Namen als die übrigen Verhältnisse aufs sorgfältigste zu verschweigen, und William schrieb solchermaßen an seine Schwester, er sei sehr erfreut über ihr kluges Benehmen, sie habe das Wahre erraten, er wünsche ein zurückgezogenes Leben zu führen, und er bitte sie daher kein großes Aufsehen zu machen, bis er vielleicht zu ihr käme.
Er war im Begriff den Brief abzusenden. Laß sehen, William, sagte ich, du sollst keinen leeren Brief fortschicken. Schreibe ihr, es werde ein Freund mitkommen, der ebenso zurückgezogen zu leben wünscht wie du selbst, und zum Gruße will ich ihr gleichfalls fünftausend Pfund senden.
So machten wir in kurzer Zeit die Familie dieser armen Frau reich; als es aber nun wirklich zur Abreise kommen sollte, so fehlte mir doch der Mut dazu. Da nun William mich nicht verlassen wollte, so blieben wir noch ungefähr zwei Jahre hier, immer mit dem Gedanken, was wir wohl tun sollten.
Der Leser denkt vielleicht, ich sei sehr verschwenderisch mit meinem schlecht erworbenen Gelde umgegangen, indem ich auf diese Art eine Fremde mit meiner Güte überhäufte und eine Person, die nichts für mich getan und mich nicht einmal kannte, beschenkte, aber obgleich ich Geld in Menge besaß, so fehlte es mir doch außer William gänzlich an einem Freunde in der Welt, der mich hätte aufrichten und erheitern können, auch wußte ich nicht, wem ich diese Gelder zu meinen Lebzeiten hätte anvertrauen oder wem ich sie nach meinem Tode hätte hinterlassen sollen.
Daher wählte ich Williams Schwester zum Ziele meiner Wohltätigkeit. Ihr zärtliches Benehmen gegen ihren Bruder war mir ein genügender Beweis für ihre edle, menschenfreundliche Gesinnung. Indem ich mich nun entschloß, vorzugsweise sie zum Gegenstande meiner Freigebigkeit zu machen, zweifelte ich nicht daran, dadurch auch für mich selbst eine Zufluchtsstätte und eine Art Mittelpunkt erkaufen zu können, auf welchen meine künftigen Handlungen hinzielen sollten, denn wahrhaftig, ein Mann, der sein gutes Auskommen hat, aber keinen festen Wohnsitz, keinen Ort, welcher einen magnetischen Einfluß auf seine Neigungen ausübt, ist in einer der ungereimtesten, unbehaglichsten Lagen in der Welt, aus der er sich mit all seinem Mammon nicht loskaufen kann.
Wir beschlossen nun, von Venedig nach Neapel zu reisen, wo wir eine große Geldsumme in Seidenwaren verwandelten, eine andere bedeutende Summe bei einem Kaufmanne in Venedig und eine dritte gleichfalls von ansehnlicher Höhe in Neapel festlegten und uns dafür großenteils Wechsel geben ließen. So langten wir denn wohlbehalten in London an mit einer Ladung, wie sie seit Jahren nur wenige armenische Kaufleute mitgebracht hatten. Einige Zeit darauf heiratete ich meine getreue Beschützerin, Williams Schwester, mit der ich weit glücklicher lebe als ich es verdiene.
Und nun, nachdem ich so offen gesagt, daß ich jetzt wieder in England bin, und so verwegen gestanden habe, welches Leben ich in der Fremde geführt, ist es Zeit abzubrechen und nichts mehr zu sagen, damit nicht jemand Lust verspüre, sich gar zu genau zu erkundigen nach des Lesers nunmehrigen Bekannten
Bob.