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So denn zu einer weißen Rose schaute
Mein Blick die heilige Heeresschar sich schmiegen,
Die Christus sich als Braut im Blut antraute.
Doch jene, die da schaut und singt im Fliegen
Die Glorie Des, der Liebe weckt in ihnen,
Sowie die Huld, durch die sie so gestiegen,
Sie senkte sich – gleichwie ein Schwarm von Bienen
Sich taucht in Blüten, um dann zu entweichen,
Daß sie im Stock dem Honigwerke dienen –
Tief in den Riesenkelch, der ohnegleichen
An Blättern reich; und flog dann aufwärts wieder
Zu ihrer Liebe ewigen Bereichen.
Lebendige Glut im Antlitz, ihr Gefieder
Goldschimmernd, alles andre weiß und blendend,
Wie reinerer Schnee nie fiel vom Himmel nieder:
So schwirrten sie, zum Blumenkelch sich wendend,
Und was sie flankenfächelnd eingesogen
An Glut und Frieden, allen Sitzen spendend.
Und ob sie zahllos auf- und niederflogen
Im Raume oberhalb der Blumenzellen,
Mir ward kein Blick, dem Bild kein Glanz entzogen.
Denn Gottes Licht durchdringt und will erhellen
Das Weltenall nach seinen Würdigkeiten,
Sodaß sich nichts ihm kann entgegenstellen.
Dies sichere Reich des Friedens, dessen Weiten
Bewohnt von alten Völkern sind und neuen,
Zwingt Blick und Liebe, auf
ein Ziel zu gleiten.
O dreifach Licht, das funkelnd zu erfreuen
Aus
einem Stern vermag die seligen Scharen,
Schau doch herab auf unseres Sturmes Dräuen! –
Wenn aus dem Norden kamen die Barbaren,
Wo Helice, von Zärtlichkeit bewogen,
Täglich beim lieben Sohn ist zu gewahren,
Und von Roms Wunderwerken angezogen
Erstaunten, als – was Menschen je erschufen –
Vom Lateran noch wurde überflogen:
Wie staunte ich erst, als die Himmelsstufen
Ich sah, entrückt dem irdischen Geschlechte,
Zum Ewigen vom Zeitlichen berufen,
Und statt Florenz Wahrhafte sah und Echte!
Ja zwischen Lust und Staunen mußt ich stehen,
Hielt Schweigen und Nichtshören für das Rechte.
Und wie ein Pilger, des Gelübd geschehen,
In Tempel staunt und hoffnungsvoll der Kunde
Sich freut, zu melden,
wie er ihn gesehen,
So ließ ich zum lebendigen Flammengrunde
Die Augen gehn, zu jeder Stufe lugend,
Dann auf und ab und endlich durch die Runde.
Gesichter, holdverschönt mit Himmelsjugend,
Mit eigenem Lächeln und mit fremdem Scheine,
Lockten zur Liebe da, geschmückt mit Tugend.
Des Paradieses Form, die allgemeine,
Hatte mein Blick schon gänzlich aufgefangen,
Doch sah ich noch von Einzelheiten keine;
Und wandte mich, neuflammend im Verlangen,
Von meiner Herrin Dinge zu erfragen,
Die meinen Geist zu starken Zweifeln zwangen.
Eins meint ich, und ein
andres sollt es sagen:
Bei Beatricen nicht, bei einem Greise
Stand ich und sah der Seligen Kleid ihn tragen.
Wohlwollen zeigte der und liebe Weise,
An Haltung fromm, sein Auge gütig-helle,
Wie wohl ein Vater steht im Kindeskreise.
Und: »Wo ist sie geblieben?« rief ich schnelle.
Drauf er: »Daß deinem Wunsch Gehör ich leihe,
Rief Beatrice mich von meiner Stelle.
Und schaut zum höchsten Rang in dritter Reihe
Dein Blick, siehst du sie auf
den Thron erhoben,
wo ihren Tugenden ward Lohn und Weihe.«
Und wortlos wanderte mein Blick nach oben,
Und sah ums Haupt ihr eine Gloriole
Vom Widerschein des ewigen Lichts gewoben.
Nie von des Donnerhimmels höchstem Pole
Ein sterblich Auge stand auf fernern Wegen,
Auch wenn es taucht zur tiefsten Meeressohle,
Als Beatrice hier dem Blick entlegen.
Doch tat es nichts. Denn klar trat meiner Lieben
Bildnis und unvermittelt mir entgegen.
»O Frau, in der mein Hoffen Frucht getrieben,
Die mir zum Heile wollt zur Hölle gehen,
Duldend, daß ihre Spuren dort verblieben,
Von soviel Dingen all, die ich gesehen,
Ists deiner Macht und Güte zu verdanken,
Daß dadurch Kraft und Gnade mir geschehen.
Du zogst zur Freiheit mich aus Knechtesschranken
Durch all die Mittel, auf all jenen Pfaden,
Die dies bewirken konnten ohne Wanken.
Bewahr in mir den Schatz all deiner Gnaden,
Daß, wohlgefällig dir, sich ihrer Glieder
Die Seele, die du heiltest, kann entladen.«
So mein Gebet. Und sie sah zu mir nieder
Vom fernsten Sitz, ein Lächeln mir zu spenden.
Dann sah sie auf zur Ewigen Quelle wieder.
Da sprach der heilige Greis: »Daß sich vollenden
Dein Weg kann bis zum Ziele, wozu Bitte
Und heilige Liebe mich den Fuß ließ wenden,
Flieg mit den Augen durch des Gartens Mitte!
Denn ihn betrachtend wächst dein Blick, dein scheuer,
Daß durch den Gottesstrahl er höherglitte.
Die Himmelskönigin, der in Liebe teuer
Mein Herz erglüht, wird Gnade niedertauen
Auf dich, weil ich ihr Bernhard bin, ihr treuer.« –
Wenn einer, etwa aus Kroatiens Gauen,
Herkommt, um zur Veronika zu gehen,
Und kann am alten Ruhm nicht satt sich schauen,
Nein, zu sich spricht, bleibt er vorm Tuche stehen:
»Mein Jesuschrist, wahrhaftiger Gott, hernieden
Hat also, Herr, dein Antlitz ausgesehen...?«
So war mir, als zu sehn mir
der beschieden,
Der drunten in lebendigem Liebesweben
Vorsinnend kostete schon jenen Frieden.
»O Sohn der Gnade, dieses Wonneleben,«
Begann er, »wird sich nie dir deutlich weisen,
Wenn deine Augen nur zuboden streben.
Nein, lasse sie bis zu den fernsten Kreisen
Und aufwärts bis zum Thron der Königin klimmen,
Die dieses Reiches Untertanen preisen.«
Ich hob die Augen. Und wie im Entglimmen
Des Morgens Gluten sich im Osten wiegen,
Indessen noch im Westen Schatten schwimmen,
Sah ich, gleichsam von Tal zu Berg gestiegen,
Ein Licht im höchsten Rande funkelnd tagen
Und jeden andern Teil an Glanz besiegen.
Und wie dort, wo man wartet auf den Wagen,
Den Phaëthon schlecht lenkte, wächst die Flamme,
Um rechts und links das Licht zu überragen,
So glühte jene Friedensoriflamme
Kräftig im Kerne, und die Ränder gingen
Gleichmäßig auf in milderem Geflamme.
Und zu der Mitte hin, mit offenen Schwingen,
Sah ich wohl tausende von Engelkränzen,
An Glanz und Kunst verschieden, jubelnd dringen.
Sah ihren Liedern dort und ihren Tänzen
Zulächeln eine Schönheit, die ließ Wonnen
Im Auge aller andern Heiligen glänzen.
Und flösse der Fantasie und Sprache Bronnen
Gleichstark: von ihrem Reize noch so kleinen
Abglanz zu schildern, hieße unbesonnen.
Als Bernhards Augen sahn, wie heiß die meinen
Und fest zum Glutquell seiner Glut sich wandten,
Hob er zu ihr so liebeheiß die seinen,
Daß meine Augen mehr zum Schauen entbrannten.