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Siehst du in Liebesglut entflammt mich stehen,
Daß deinen Augen ganz die Kraft entgleitet,
Wie nie es mag durch Erdenglanz geschehen,
So staune nicht! Denn dies wird hergeleitet
Aus tiefem Schaun, das so, wie es ergründet,
In dem ergründeten Gute weiterschreitet.
In deinem Geist ein Strahl sich schon verkündet
Vom Ewigen Lichte, wie ich wahrgenommen,
Das, nur-
gesehn, die Liebe schon entzündet.
Und wenn für andres liebend ihr entglommen,
So ists ein Abglanz nur von Jenem Schimmer,
Den euer Sinn erkennt ganz unvollkommen.
Du aber fragst, ob Fehlgelübde nimmer
Ein andrer Dienst ersetzt, so gut ersonnen,
Daß frei die Seele bleib von Einspruch immer?«
Den Sang hat Beatrice so begonnen.
Und dem gleich, der gern ohne Störung lehret,
Hat sie den heiligen Vortrag fortgesponnen:
»Das höchste Gut, das jemals Gott bescheret,
Ein seiner Güte und holdseligen Gaben
Vollgültig Pfand, das Erselbst höchlichst ehret,
War Willensfreiheit, die als hocherhaben
Alljenem, was von ihm Vernunft bekommen,
Sonst keinem, ward und wird ins Herz gegraben.
Erwäg es! und der hohe Wert des frommen
Gelübdes wird dir klar sein ohne Frage,
wenn Gott das so-gegebene angenommen.
Man muß beim göttlich-menschlichen Vertrage
Den Schatz, wie ich ihn pries, zum Opfer bringen,
Daß man durch freie Tat sich sein entschlage.
Welch ein Ersatz nun kann dafür gelingen?
Willst du dein Opfer gut-verwendet meinen,
So tust du Gutes mit geraubten Dingen.
In diesem Hauptpunkt bist du nun im Reinen.
Doch weil die Kirche darf Dispens erteilen,
Mags jener Wahrheit widersprechend scheinen.
Drum darfst du eher nicht vom Tische eilen,
Bis ich die schwere Kost, die du genossen,
Verdaulicher dir machte mittlerweilen.
Merk auf! und halt mein Wort im Geist beschlossen.
Hören allein ist Weisheit noch mitnichten;
Festhalten muß der Geist es unverdrossen.
Zwei Dinge brauchts, solch Opfer zu errichten.
Als erstes ist die Sache selbst zu nennen,
Als zweites, dem Vertrage sich verpflichten.
Nicht eher kannst du dich vom letzten trennen,
Bis er erfüllt ist. Daher ließ ich oben
Sein Wesen dich so nachdrücklich erkennen.
Drum war bei Juden Vorschrift das Geloben,
Obwohl sie, wie du weißt, aufs mannigfache
Auch dem Gelobten andres unterschoben.
Des Opfers Gegenstand, also die Sache,
Darf man vertauscht mit einer andern sehen,
Und ohnedaß solch Tausch uns sündig mache.
Jedoch willkürlich darf es nie geschehen.
Zulässig macht allein den Tausch der Lasten
Des weißen und des gelben Schlüssels Drehen.
Und töricht ists, im Tausch sich überhasten,
Wenn die Ersatzgelübde nicht die alten
So, wie die Sechs die Vier enthält, umfaßten.
Wenn drum Gelübde als so wertvoll galten,
Daß es die Wage abwärts weiß zu richten,
Kann andre Zahlung nie Ersatz enthalten.
Scherzt bei Gelübden, Sterbliche, mitnichten!
Seid treu, doch nicht so vorschnell im Versprechen
Wie Jephtha, der des ersten Opfers Pflichten
Mit einem ›Ich tat übel!‹ hätte brechen
Gesollt, statt übler tun. Auch der betörte
Feldherr der Griechen ließ sich einst bestechen;
Drob Iphigenia weinend sich empörte,
Daß sie so schön. Auch ›Tor und Weiser‹ dachte
Des Opfers weinend, wenn er davon hörte.
Langsamer, Christenvolk, zu wandeln trachte!
Nicht haltlos treib, ein Flaum in Windeseile;
Und daß nicht jedes Wasser wäscht, beachte.
Alt und Neu Testament ward euch zuteile;
Der Kirche Hirt will euern Führer machen:
Dies ist genug zu euerm Seelenheile.
Will böse Lust zu anderm euch entfachen,
Seid Menschen, um den Schafen nicht zu gleichen,
Daß nicht die Juden euch daheim verlachen.
Wollt von der süßen Muttermilch nicht weichen,
Dem blöden Lamme gleich, um nach Belieben
Voll Trotz auf eigene Faust umherzustreichen.«
So Beatrice sprach wie hier geschrieben.
Dann schoß ihr Aug dahin die Sehnsuchtsflüge,
Wo kräftiger sprießt die Welt an Lebenstrieben.
Ihr Schweigen, die Verwandlung ihrer Züge
Hielt meinen Wissensdrang zunächst beschworen,
Obwohl ich Fragen hatte zur Genüge.
Und wie der Pfeil sich pflegt ins Ziel zu bohren,
Eh ausgeschwirrt der Strang, gings aufwärts weiter,
Zum Flug ins zweite Himmelreich erkoren.
Hier sah ich meine Herrin also heiter,
Als es in jenes Himmels Licht sie brachte,
Daß der Planet gleich schien zum Glanz bereiter.
Und wenn der
Stern sich wandelte und lachte,
Wie war mirselbst zumut, den jederweise
Schon die Natur so wandelvoll doch machte!
Wie sich im Teich, der heiter fließt und leise,
Nach dem, was just hineinfällt, drängend schieben
Die Fische all, vermutend, es wär Speise,
So sah ich tausend Lichtgestalten stieben
Und mehr zu uns und hörte ihre Stimmen:
»Sieh da! durch den wird wachsen unser Lieben.«
Und wie nun alle nah und näher schwimmen,
Giebt jeder Schatten kund sein Lustentzücken
In einem Blitz mit funkelndem Erglimmen.
Denk, Leser, würd ich jetzt dir unterdrücken
Den Schlußbericht: wie quälte die gespannte
Begier dich, im Erzählen fortzurücken.
Und wirst begreifen, wie ichselbst entbrannte
Vor Lust, mehr vorzudringen auf der Fährte
Nach ihrem Los, seit sie mein Aug erkannte.
»O Sohn des Heils, dem Himmelsgunst gewährte,
Die Sessel ewigen Sieges zu erschauen,
Bevor des Krieges Dienstzeit ihm verjährte,
Wir sind vom Licht, das alle Himmelsauen
Durchströmt, entzündet. Sollen wir dir dienen,
So frage, um dich sättigend zu erbauen.«
So sprach ein Seliger, der mir hier erschienen.
Und Beatrice drauf: »Sprich, sprich! Dreist richte
An ihn das Wort und glaub wie Göttern ihnen.« –
»Ich sehe wohl, wie du im eigenen Lichte
Ein Nest dir spinnst; auch, wie beim Lächeln immer
Dirs hell im Auge blitzt und Angesichte.
Doch wer du bist, o Würdiger, weiß ich nimmer,
Noch warum du zu diesem Stern gesendet,
Der sich uns Menschen birgt durch fremden Schimmer?«
So sprach ich, zu dem Lichte hingewendet,
Das angeredet mich. Drob wards umzogen
Von stärkerm Glanz, als ihm bisher gespendet.
Und wie die Sonne – wenn sie aufgesogen
Durch Glut den Nebeldunst, der rings ergossen –
Sich birgt im Übermaß der Flammenwogen,
So barg sich mir, von höherer Lust umflossen,
Die heilige Glanzgestalt im Strahlenringe.
Und was sie sprach, dicht-dicht insich verschlossen,
Das ists, was ich im nächsten Sange singe.