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Eitr-Ormr aber, der Drache, suchte und fand König Frodhi's Land.
Die Markwächter konnten nicht bestehen vor ihm: die Einen fraß er, die Andern flohen in des Königs Halle, den großen Landschaden kündend.
Der König schickte eine Schar nach der andern dem Unhold entgegen – keiner kam wieder.
Da sandte Frodhi Botschaft an Harald von Hördhaland und Skadhi von Skadhaland und entbot beide Könige zur Hilfe wider den Wurm, der alles Leben im ganzen Nordland mit Verderben bedrohe.
Denn er fraß auf dem Felde die Hirten sammt den Herden und verbrannte die Holzhäuser mit seinem Hauch.
Und beide Könige eideten den Ringeid, so lang zu lassen von Feindschaft und Fehde, bis der Wurm überwunden.
Hilde aber ward einstweilen in dem Baldurtempel geborgen: denn fest war der Tempel, aus Eichen gefügt, und am sichersten schien sie unter dem Schutz des Gottes und der starken Eich-Stämme.
Die drei Könige sollten ausreiten jeder von seiner Halle und sich treffen mit ihren Kriegern in dem Mark-Walde, wo die drei Gaue grenzten.
König Skadhi nun zog mit seinen Männern widerwillig des Weges.
Denn er trug es mit Trauer, daß die holde Hilde ihm für immer sollte entrissen, Harald, dem gehaßten, gewonnen sein.
Als er nun so dahinritt, finster auf die Mähne seines Rappen schauend oder durch die Ohren des Rosses hindurch, wie der Reiter soll – es dämmerte schon und Dunkel zog herauf –: da merkten die Wegspürer, die vorausritten, und meldeten ihm Feuerschein links ab vom Wege.
Sogleich sprengte der König mit den Seinigen darauf zu: da fanden sie ein Gehöft in der Föhrenlichtung, das war ausgebrannt: der schwarze Rauch stieg schwehlend aus den verkohlten, nach Innen eingesunkenen Balken: nur manchmal schlug noch eine schmale Flamme, züngelnd wie eine kleine rothe Schlange, aus dem Brandschutt.
Da von Kampf und Hof-Sturm keine Spur, kein Erschlagener zu sehen war, glaubten sie, Thors Hammerwurf habe das verlaßne Gehöft entzündet und wollten die Rosse wenden.
Da, als er schon wieder im Sattel saß und nur noch einen Blick rückwärts warf, sah der König eines Mannes Leiche, wie es schien, neben dem verrußten Herde liegen.
Er sprang wieder ab, ging hinein und rüttelte ihn an der Schulter.
Da sprach der scheinbar Todte, ohne die Augen zu öffnen: »Wer du auch seist, laß mich hier liegen und sterben. Wende dich weit. Ich rief dich nicht.«
Der König aber befahl, den Wunden aufzuheben: und aus dem noch fast glühenden Schutt zu tragen, – und schien das da Allen ein Wunder, daß der Mann nicht verbrannt war, der dicht neben heißester Gluth lag.
Draußen erholte er sich erstaunlich rasch, schlug nun die Augen, – seltsam blitzende Augen – auf und sprach: »Gedenke: ich rief dich nicht herbei, wollte hinweg dich weisen. Unheil bring' ich den Menschen, die mir sich gesellen. Ich warnte dich: gedenke deß später.«
Da antwortete finster der König, die schwarzen Brauen zusammenziehend: »Mich lehrte das leidige Leben: mein Unheil – und so aller Andern, acht' ich – bricht aus der eigenen Brust, nachdem es gedieh, vom Gelüste gebrütet. Nicht Andrer Rath noch Rede zeihe ich um das Leid, das ich lebe. Die Götter schufen mein Schicksal. Sie gaben mir dies heiße, heftige, hastige Herz, mehr zu Haß als zu Liebe.«
Da sprach der Brandwunde, den sie auf ein Handroß gehoben und der nun zur Linken des Königs ritt – und noch heller blitzten seine Augen und unlustig Lachen loderte um seine Lippen: »Weise war das Wort! Wahrlich, du wandelst den Weg zur Wohlfahrt: den Weg der Wahrheit. Dem Günstling der Götter geräth alles zum Glück: dem, den sie hassen, Alles zum Harm. Ja, aus Walhall wird alles Weh den Wesen!«
Und er schlug sein Roß mit der Gerte, daß es hoch bäumte: aber zitternd fuhr es zusammen, da er ihm ein Wort in das Ohr raunte.
König Skadhi aber erschrak über des Fremden Rede: »Das wollte ich nicht wagen, zu sagen.«
Aber der lachte laut: »Du dachtest es doch! So wage das Wort! Er weiß es doch schon in Walhall, der Weise, wenn es auch nur durch dein Denken drang: er droht auch dem Denken, das ungerufen, von Außen uns anfliegt. – So genieße den Genuß, dreist durch zu denken und stolz zu gestehen, was Er doch rächend anrechnet.«
Skadhi schüttelte das Haupt: »mich lehrte die liebe Mutter: »ehre Odhin! Gerecht richtet der Runen-Gott.«
»Gerecht!« rief da der Andre und warf das rothe Gelock in den Nacken. »Was war meine Schuld, daß der Wurm sich hierher wälzte, der Feuerfaucher?«
»Der Drache drang hierher?« frug Skadhi und hemmte den Hengst: »der Wurm hat dich bewältigt? Sage, sahst du, wohin er sich wandte? Ich suche ihn sehnlich.«
»Wir sind auf dem Wege! – Ja, mich Unschuldigen schlang beinahe das Scheusal. Ich lag in der Hütte am Herde und schlief: da hörte ich Hörner hallen und dazwischen Zischen und Schnauben. Ein schrecklicher Schatten schwebte an meiner offnen Thüre vorbei: der Wald stand in Flammen, in Flammen mein Haus: ich sprang auf, aber ich stürzte, wo ich stand, von giftigem Qualm betäubt. Was hatte ich verschuldet! Warum schützte mich nicht mit dem schirmenden Schilde Odhin der Edle?«
»Mich mahnte die Mutter,« sprach zweifelnd Skadhi: ›forsche und frage nicht nach der Nornen Schicksalentscheidung. Mit wagendem Wort nicht richte die Richter, die walten in Walhall.‹ – Du lehrst mich, – ein leidig, doch lockend Gelüst, – ins Gericht zu gehen mit den guten Göttern.«
» Du denkst deine Gedanken, lachte der Andre, nicht ich. Was hat wohl Frodhi verbrochen, den den Frommen sie rühmten in allen Reichen? Opfer geopfert hat er, unzählige, Odhin und allen Asen. Und doch ich denke: nicht frommte es dem Frommen, als er dem Wurm in den Weg sich wagte.«
Skadhi wollte erstaunt fragen, aber der Fremde fuhr fort: »Ja, König Frodhi's Hornruf war es, den ich hörte – ich kenne den Klang: – und gleich darauf scholl wimmernd Wehgeschrei. Siehe hier – seitab vom Wege – im Schlamm – die breiten Tatzenspuren des Drachen – dorthin!«
Und er sprengte dem Zuge voraus – Funken ohne Zahl stoben aus den Steinen unter den Hufen des Hengstes –: da fanden sie rechts auf der Heide vor dem Walde alle Halme versengt und angebrannt manche Bäume.
Und auf seinem Schilde lag todt König Frodhi.
Der Gifthauch hatte ihn getödtet, der Feuerhauch seinen schönen langen weißen Bart versengt.
Und um ihn her lagen alle seine Mannen todt, todt auch die Rosse, vergiftet, verglüht, die Schwerter und Schilde geschmolzen, die Brünnen verbrannt.
Skadhi erschrak: aber doch durchflog ihn freudig der Gedanke: »dahin ist die Hälfte von Hildes Helfern: nur noch Harald ist übrig allein.«
Er befahl nun einigen seiner Leute, hier Halt zu machen und die Leichen vollends zu verbrennen.
Er selbst aber wollte mit der Mehrzahl den Spuren des Drachen folgen.
Der Fremde machte Miene, sich zu verabschieden: aber Skadhi befahl ihm, zu bleiben: »lieb ward mir und lockend, nach wenigen Worten, dein Rath, deine Rede. Mich lüstet verlangend von solchen Sinnes kühner Klugheit fürder zu forschen. Matt und ohnmächtig muthet mich an die Meinung der Mutter. Es behagt mir hoch, daß Menschen mögen meistern und mäkeln an der Götter Gerechtigkeit. Heiß heischend wünsch' ich, weiter so weise Worte zu hören. Noch deinen Namen nanntest du nicht. Ich selber bin« –
»König Skadhi von Skadhaland: ich weiß es, von dem Redliche reden, zu schmal sei beschieden dem hohen Helden von neidischen Nornen, von abgünstigen Göttern das Gebiet seines Gau's.
Ich aber?
Wild erwuchs ich, verwaist war ich, so lang ich lebe. Meine Mutter ward mir als »Kiesel« gekündet, »Stahl«, so erfrug ich, war mein Vater. – Wer weiß aber von allen Wesen den Vater gewiß? Allvater ist Odhin« – so grinste er grimmig – »so ist er wohl auch Arga's des Armen Vater: niemand lebt, der mich liebt!«
»Ich will dir wohl, Argr – du Armer, sprach da Skodhi. Hier, halte meinen Heerschild: trag' mir ihn treulich, zum Waffenwart wähl' ich dich Weisen. Reite zur Rechten und raune mir Rath in das offene Ohr. Es behagt meinem Herzen, mit geheimem Grauen zu grübeln, ob die Götter gerecht?«
Und Argr ergriff den Schild Skadhi's und lachte: »Besser geborgen ist kein König, als wer, Argr ergeben, den Göttern grollt!«
Und so ritten und raunten die zwei zusammen, zankend und zweifelnd über Odhin und die Asen von Asgardh.