Felix Dahn
Felicitas
Felix Dahn

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Siebzehntes Kapitel.

Nun sprang Liuthari die vier Stufen in einem Satz hinauf und schlug den Vorhang zurück.

Aber weiter gelangte er nicht: wie verzaubert, wie in den Erdboden gewurzelt blieb er stehen, bei dem Anblick, der sich ihm bot. Ja, er setzte, wie erschrocken, den rechten Fuß, das Knie leise biegend, zurück: der auf die Erde gestoßene Speer drohte dem Erstaunten aus der Faust des nach rückwärts ausgestreckten rechten Armes zu entgleiten.

Denn auf den Königssohn zu schwebte mit edelstem Schritt, vergleichbar einer von ihrem Marmorpiedestal herabschreitenden alabasternen Hebe – Felicitas.

Sie trug ihr schlummerndes Kind zärtlich auf dem linken Arm, es an den Busen drückend –: ihr wunderschönes Antlitz war noch bleicher, in der Aufregung des Augenblicks: in der Rechten aber trug sie eine flache silberne Schale, gefüllt mit rotem Wein. »Willkommen heiß' ich euch, oh Fremdlinge, als unsere Gäste, am Herde meines Gatten. Er ist fern. Ich bin ganz allein in diesem Hause. Schützet mich und mein Kind.«

Liuthari fand kein Wort: mit weitgeöffneten Augen, heißklopfenden Herzens blickte er das schöne Wunder vor ihm an. Aber der alte Haduwalt sah, an seiner Seite vorschreitend, mit Besorgnis diesen Blick seines jungen Herrn. Er sprach in hohem Ernst: »Sei getrost und gewiß, Römerin, – ich eide dir's, beim Ruhm der Ehre König Liutberts und seines Sohnes Liuthari, der hier steht und seltsam schweigt, – ich schütze dich, als wärst du meine Tochter, und er soll dich ehren, als wärst du seine Schwester. – So! und nun trink Liuthari, – was man dir so wirtlich darbietet,« rief er zu diesem gewendet, ihm, der noch immer wie verzückt dastand, den Speer aus der Hand nehmend.

Der Jüngling nahm die Schale, führte sie an den Mund, nippte und gab sie zurück – all' das, ohne ein Auge von ihrem Antlitz zu wenden: »Wie heißest du?« fragte er mit leiser, zitternder Stimme.

»Felicitas.«

Lebhaft trat er einen Schritt vor: »Das Glück! Die Sälde! – das heißest du: das bist du.« – »Ich verstehe dich nicht.« »Ist auch nicht nötig,« – brummte Haduwalt. »Gieb mir nun aber auch zu trinken.« Und er nahm ihr die Schale ab und trank sie in einem Zuge leer. »Wahrlich,« fuhr er nun fort, »der wundernde Wunschgott scheint hier zu wohnen: wie hättest du sonst gleich mit gefüllter Schale uns, meinem Durst entgegenschreiten können?« – »Ich sah euch kommen, durch das Krachen der Steinplatten aufgeschreckt; der alte Philemon, unser greiser Sklave, hat sie aufgetürmt. – Wie sollte er mich schützen, der lahme, halb blinde Alte?« – »Und dadurch, durch einen Haufen Steine, ohne Verteidiger, wähntest du dich gedeckt?« – »Ich nicht! Ich weiß mich durch den guten Himmelsgott gedeckt und meinen heiligen Schutzengel, meinen Genius. Aber, als ich den Greis abermals zur hinteren Pforte hinaus entsendet, zu suchen nach meinem Gatten – er wollte mich durchaus nicht allein lassen und wiederholt mußte ich befehlen –: so meinte er mich doch einigermaßen geborgen, wenn er den weithin sichtbaren Eingang versperrte.« »Dein Gatte?« frug Liuthari, stirnrunzelnd, und setzte sich, der Wirtin Beispiel folgend. »Er hat dich verlassen? In dieser Gefahr?«

»Nicht doch!« verwies die junge Frau. »Er ging schon gestern Abend, vor jedem Anschein von Gefahren, in die Stadt. Er kam seither nicht zurück. Doch lebte er noch vor wenigen Stunden, und war frischauf: – Philemon hat ihn von der Straße aus gesehen, wie er mit Schild und Speer über die Ivarusbrücke zog.« »Tröste dich,« warf der Waffenmeister gutmütig ein, »es sind im Gefecht dort nur ganz wenige der Eurigen gefallen.« – »Ich weiß es sicher, daß er lebt. Glaubt ihr, ihr sähet mich sonst so ruhig? Der gütige Gott im Himmel kann nicht geschehen lassen, daß dem besten, trefflichsten Mann auf Erden unverschuldet Leid widerfahre. Ich vertraue fest auf Gott und bin getrost.«

Haduwalt dachte zwar in seinem Sinn: »Ich habe schon gar manchen wackern Mann schuldlos fallen sehen.« Aber er behielt diese Erfahrungsweisheit für sich und erwiderte vielmehr: »Gewiß! Er wird höchstens gefangen sein. Und dann sei getrost! hier, der mächtige Königssohn, wird,« so fügte er bei, mit bedeutungsvollem Blick auf Liuthari, »diesen Gefangenen sich erbitten und ihn freigeben: – als Gastgeschenk für dich.«

Liuthari holte tief Atem: »Wie lange seid ihr vermählt?« – »Elf Monde sind's.« – »Elf Monde – voller Glück!« sprach Liuthari langsam vor sich hin. – »Ja: voll unaussprechlichen Glückes! Da du es weißt, – bist auch du vermählt.« – »Ich? Nein! Aber ich – ich kann es ahnen.« – Felicitas erwiderte offen und ruhig den Blick, der ehrerbietig auf ihr ruhte. Sie fühlte, daß er ihre Schönheit bewunderte. Aber es störte sie nicht: sein Blick war rein. Unwillkürlich mußte sie, des Gegensatzes wegen, der unheimlichen Flamme in den schwarzen Augen des Tribunen denken, die sie oft erschreckt hatte. Aber in dieses edle, ernste Antlitz, in diese tiefgründigen grauen Augen sah auch sie gern. Sie erhob sich nun langsam. »Wohl hab' ich mich,« lächelte sie, und das stand ihr gar sehr anmutig, »stets arg gefürchtet vor – vor – nun vor euch, die man ›Barbaren‹ nennt. Und wie erschrak ich, als ich die Steine übereinander fallen hörte! Angstvoll spähte ich hinaus. Aber als ich sah, wie ihr so säuberlich den schmalen Weg einhieltet, die Blumen gar nicht zerstampftet – was ich sehr gescheut hatte! – ja, wie der im weißen Mantel sorgsam einen Rosenstrauch aufrichtete, der auf den Kiesweg niedergesunken war – da sprach ich zu meinem Söhnlein auf dem Arme: ›Fürchte dich nicht, mein Augapfel, die thun auch uns kein Leid.‹ Und furchtlos füllte ich die Schale. – Jetzt aber vollends, da ich in eure gutblickenden Augen gesehen, – jetzt fühle ich mich so sicher, gerade weil ihr beide da seid. Und ich weiß gewiß: ihr führt mir morgen meinen Gatten zu. Ich gehe, das Kind dort in unser Schlafgemach zu legen.«

Sie wies mit dem Finger auf eine schmale, nur durch einen roten Wollvorhang verhängte Pforte im Mittelgrund. »Dann schaff' ich das Wenige bei, was an Speise im Hause.« »Vergiß den Wein nicht,« rief ihr Haduwalt nach.

Als sie, einer sanfthinrauschenden Welle vergleichbar, in das Schlafgemach schwebte, sprang Liuthari ungestüm auf. »Bleib' – o bleib',« rief er hastig, zwei Schritte ihr folgend.

Aber Haduwalt hielt ihn am Mantel fest. »Sie hat es nicht mehr gehört! Dank den Göttern.« Liuthari machte sich heftig los: »Sie soll aber hören, daß ich . . .« – da faßte er sich und schlug die rechte Hand vor die Stirn.

»Nun, nun, nun – nun!« sprach der Alte langsam mit großen Zwischenräumen. »Hat jung Liuthari jetzt zum erstenmal das Ding gesehen, welches statt der Brünne des Mannes zwei angewachsene Brustbuckel trägt und Kinder daran säugt und welches man Weib nennt? Ich fürchte wirklich, der Runenspruch hat dich ganz verzaubert! Denn in dem Weine war kein Zaubertrank: – ich verspüre nichts Absonderliches in mir. Auch fing der Spuk gleich an, wie du das Kalkgesicht erschaut. – Wie? du willst ihr nach? Halt da! – Jetzt thut mir wirklich leid, daß ich all' die heftig tönenden Übelnamen vergessen habe, mit denen Herr Hadumar, mein Vater, mich schalt, wann er mich erwischte, wie ich in des Nachbars Garten stieg, dessen Süßbirnen zu naschen, welche die Römer dereinst auf die Holzbirnen des Illarawaldes gepfropft. Er walkte mich weidlich. Aber die Koseworte sind mir entfallen: – es ist schon zu lange her. ›Du Mausemarder, du Birnen-, Nacht- und Tage-Dieb! du Schleichfuchs! du Gieregauch!‹ das waren noch die zärtlichsten! – Jetzt könnt' ich sie alle trefflich brauchen. Was stierst du noch immer sprachlos, sinnlos eines andern Mannes Eh'weib nach? Hat dich solche Zucht Frau Lindgardis gelehrt, deine herrliche Mutter? Gedenkst du denn gar nicht Adalagardens, deiner Braut?«

»Alter Hüne! polternder Brummbär – jetzt ist's genug mit deinem Schimpfen! Ganz genug hab' ich's! Adalagardis meine Braut? Ein Name ist sie! Ein Wunsch meines Vaters! Kann ich einen Namen umarmen und herzen und küssen? Dies Weib aber ist lebendig Fleisch und Blut! Wohl fühlte ich die süße Wärme ihres Arms, da ich ihn streifte. Heiß durchschoß es mich! Sie ist so schön – so wunderzauberschön! Elfenschön ist sie. Nein, nein; das sagt es alles nicht! Nicht Walhalls Göttinnen sind schön wie sie. Wo hab' ich ihresgleichen doch geschaut?« fuhr er träumerisch sinnend fort. »Unter wärmerem, schönerem Himmel, glaub' ich, war's! Ach ja: nun weiß ich's klar: im Sold des Kaisers fuhr ich von Byzanz auf hochbordigem Schiff durchs blaue Griechenmeer: dort auf einem Eiland, von Myrtengrün und Lorbeer ganz verdeckt, stand einer Griechengöttin weißes Bild: das hat mir's beinah' angethan, wie heut' dies Weib.« Er schwieg und legte die Hand auf das mächtig wogende Herz.

»Da hab' ich nichts dawider, Liuthari, wenn du sie, wie ein steinern Bild, bewunderst, wenn einmal dein Geschmack so irregeht. Meiner suchte anderes von jeher. Da lob' ich mir Adala – – ich schweige ja schon! Diese schmalhüftige Kleine, schnurgerade wie ein Wurfpfeil und nicht viel länger, mit ihren dünnen Kindesarmen, – sie bleibt dir ja unter der Hand, wann du sie das erste Mal herzhaft anrührst.« »Was weiß der Bär vom Harfenschlagen!« rief Liuthari ziemlich grob. »Mag wohl sein, Herr Königssohn, daß ich nicht viel verstehe von Puppenzeug für Knabenspiel aus weißem Griechengestein. Aber das weiß ich, besser, scheint's, als Frau Lindgardens Sohn, wie man anderer Männer Ehefrauen aus seinen brennheißen Gedanken draußen läßt. Ja, hättet ihr euch früher schon einander begehrt und du fändest sie jetzt in eines andern Gewalt und sie trüg' dich noch immer heimlich im Herzen: – dann spräch ich: brauche die Übergewalt, die dir Wodan gewährt hat. Aber so! – – Da kommt sie wieder! Arglos, ahnungslos, vertrausam. Auf deinen Schutz baut sie, das liebe Kind: – denn ich kann ihr auch nicht böse sein, weil sie so harmlos ist und so viel unschuldig: ich sage dir, wenn du sie nur durch Blick oder Wort aus ihrer Ruhe aufstörst, sorg' ich dafür, daß Vater und Mutter daheim dich recht niederträchtig schlecht bewillkommnen, wann du von dieser Fahrt nach Hause kehrst und dich an deiner Frau Mutter ehrbaren Herd setzen willst.«

Aber Liuthari war nun auch zornig. »Viel werd' ich mich fürchten vor deinem Geschwätz! Und Frau Lindgardens Rute reicht schon lange nicht mehr auf meinen Rücken hinauf. Was schwatzest du da, du Ohnesinn? Als Sieger steh' ich hier im Haus: mein ist all' dies: ich brauche nur zu wollen. Das Haus und die Herrin dazu. Ihr Mann ist tot oder ein gefangener Knecht: sie selbst Witwe oder doch meine Magd, sobald ich sie so nenne.« – »Sauber gehst du um in deinen Gedanken mit deiner griechischen Göttin! Wärest du jetzt mein Bub statt meines Königs – gar rasch flögest du, aber unsänftlich, aus diesem Hause. – So aber – werde ich wachen, ich Haduwalt, Hadumars Erbe, daß ein Königssohn der Alamannen nicht Unfug treibe, wie ein Honig naschender Knabe.«

Da erschien die Wirtin des Hauses, stellte einen zierlich geflochtenen Korb voll weißen duftigen Brotes, dann Butter, frischen Ziegenkäse und eine Schinkenkeule auf den Eßtisch. »Gleich, gleich!« antwortete sie dann auf die stumme Frage von Haduwalts durstigen Augen und erschien alsbald wieder, auf dem Haupt eine mächtige Amphora voll Weines.

Alles ließ ihr so anmutvoll: – so jetzt die Haltung und Bewegung, in welcher sie, den linken Arm in die Hüfte gestemmt, den rechten zu dem Henkel des Kruges erhoben, um der schwanken Last willen ruhig vorschreitend, hoch aufgerichtet und ganz gerade über die Schwelle trat.

Liuthari sprang hastig auf, ihr die Last abzunehmen. Aber Haduwalt hielt ihn am Arme: »Laß sie, mein Sohn! Sie allein wird ihren Wein sicher nicht verschütten –: was geschieht, wenn du mit hilfst – das möcht' ich nicht erleben.« Liuthari atmete schwer: er schnallte den lastenden Panzer auf und legte ihn ab, wie er den mächtigen Römerhelm vom glühenden Haupte hob. Er langte mechanisch nach den Speisen: aber er aß kaum und verwandte dabei das Auge nicht von dem wunderschönen Antlitz. Doch bald erhob sich Felicitas vom Mahle: »Ich bin sehr müde,« sagte sie. »Ich habe, seit Fulvius schied, nicht Schlaf gefunden. Auch zieht es mich zu unserem Kinde: höre ich sein ruhiges Atmen, werde ich ganz beschwichtet. Ich bringe euch Polster hierher und Decken: ihr müßt hier vorlieb nehmen. Wir haben keinen andern Raum, der solcher Gäste würdig.«

»Laß nur, was mich betrifft,« rief Liuthari aufspringend. »Ich kann nicht schlafen. Oder ich schlafe im Garten, auf dem weichen Rasen, das Haupt auf dem Schilde, – komm mit, Alter.« »Nein, ich schlafe lieber hier, – gerade hier!« erwiderte dieser, schlau in seinen Bart schmunzelnd. »Aber mein Wolfsfell genügt mir, freundliche Wirtin: – Du hast doch die Hinterthür geschlossen, die, wie du sagtest, aus dem Garten in dein Schlafgemach führt?« – »Ja. – Denn Philemon kommt nun doch wohl erst morgen aus der Stadt zurück.« »Sicher nicht früher. Die Thore werden gesperrt mit Einbruch der Nacht. – Ich liege hier ganz bequem: siehst du: da, gerade auf der Schwelle, vor dem Vorhang, der dein Gemach schließt. Schlafe ganz ruhig,« rief er der nun die Speisen Verwahrenden durch den Vorhang zu. »Nicht ein Mäuschen könnte zu dir gelangen, ohne mich zu wecken. Siehst du: ich fülle die ganze Breite des Eingangs. So! Nun noch den Weinkrug neben mich: heia, der ist ja noch ganz voll! Und vortrefflich mundet der firne Trank. Dein Gatte versteht sich drauf. Den trinke ich noch leer. – Aber ich schlafe nicht. O nein!«

»Ruhet wohl, ihr Gäste,« sprach sie und verschwand.

Liuthari warf einen eigentümlich spöttischen Blick auf den alten Waffenmeister, wie dieser sich in die Thürecke kauerte, und auf den ungeheuren Weinkrug an seiner Seite. Dann sprang er lachend die Stufen hinab in den Garten. »Was?« sagte er, halb vergnügt, halb trotzig zu sich selber, »der Brummbär wähnt, mich abzuhalten, wenn ich wirklich jene Schwelle überschreiten will? Der will Wache halten?« Bevor er den schweren Wein zur Hälfte geschlürft, schnarcht er wie Donar in der Halle des Riesen. Ich hätte es vielleicht unterlassen: – aber nun, da er vermeint, mich zu zwingen – nun gerade! Was ich thun werde, wann ich vor der herrlichen Schläferin stehe –: ich weiß es noch nicht. – Doch an ihr Lager dringe ich, dem Schelter zum Trotz.« Die heiße Erregung des Jünglings machte sich Luft in diesem trotzigen Zorn gegen den alten Freund. Dieser sah ihm blinzelnd nach. Als die raschen Schritte schon ferne klangen, rief er leise: »Junge Frau!« – »Was willst du noch?« – »Hast du nicht einen Knäuel Garn im Hause?« – »Gewiß: hier ist einer.« – »Sehr gut. Reiche mir das Ende durch den Vorhang. So! Siehst du! Ich binde hier den Faden an meinen Schwertgurt. Und du – du nimmst den Knäuel in die Hand: und hältst ihn tapfer fest, auch im Schlaf, verstehst du? Und wenn du etwa einen bösen Traum hast, – ziehe rasch.« – »Wozu das! Ich kann dich ja rufen.« »Darauf verlaß dich doch lieber nicht,« meinte der Alte, sich die müden Augen reibend. »Sie sagen, wann ich einmal den Weinschlaf halte, könne mich aller Alamannen Schlachtgeschrei nicht erwecken: aber was mich am Gürtel zerrt, das merk' ich doch. Dann wach' ich auf – falls ich nämlich etwa doch eingeschlafen sein sollte – und springe dir zu Hilfe.« – »Wie du willst. Aber es ist unnötig: dein Begleiter hält ja im Garten Wache.« »Oh der! Glaube nur das nicht! Der ist so schlafgierig wie ein Murmeltier. Auf den ist kein Verlaß! Also halte den Knäuel fest. Und nun gute Nacht, liebes Geschöpf! – Sie gefällt mir selber,« brummte er. »Sogar sehr stark gefällt sie mir. Aber ich muß sie doch dem Knaben verleiden! Er hat noch nie eines andern Weibes als seiner Mutter Wange gestreichelt und er strotzt von Feuer und Kraft, wie ein junger Edelhirsch. Und nun trifft er gerade auf diese zarte, weiße Hinde! Schade, wenn sie auch nur einen kleinen Schreck erlitte in ihrer ahnungslosen Seele. Ich muß sie hüten – und ihn. Noch ein Schluck und dann: Haduwalt, nüchtern und wachsam.«

Schwach glimmte das Lämpchen in dem Schlafgemach: nur matter Schimmer drang durch den roten Vorhang.

In dem Vordergemach aber ging die Lampe aus.

Stille waltete im ganzen Hause. Nur vom Garten her vernahm man das einschläfernde Geriesel des Brünnleins: aus dem Schlafgemach hörte der Alte bald die tiefen gleichmäßigen Atemzüge des schlummernden jungen Weibes. Haduwalt zählte sie: er zählte tapfer bis hundert.

Da legte er die Hand, unsicher tastend, an den Faden an seinem Gürtel. »Alles richtig,« dachte er noch. »Und ich schlafe ja nicht! Beileibe! Hunderteins!«

Dann zählte er nicht mehr.

 


 


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