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Um Mittag, als die alamannischen Reiter zuerst sichtbar wurden, lag Leo der Tribun in seinem reich eingerichteten Gemach in dem hohen Turm des Kapitols auf der weichen Kline, über die ein Löwenfell gespreitet war. Er fühlte sich in bester Stimmung. Der Fuß schmerzte und hemmte ihn nicht mehr. Behaglich streichelte er den reichen schwarzen Rundbart, welcher sein bronzebraunes, schmales, ursprünglich edel gebildetes, aber lange schon von Leidenschaften durchfurchtes Antlitz umrahmte. Vor ihm, auf dem Tische von Citronenholz, stand, halbgeleert, ein Hochkrug feurigen Siculers und eine silberne Trinkschale.
Zwei griechische Sklaven, Vater und Sohn, waren mit seiner Bedienung beschäftigt. Der ältere Sklave brachte, warnend den Finger erhebend, den Mischkrug. Aber lachend wies ihn sein Herr hinweg: »Nördlich der Alpen,« meinte er, »mischt die Natur von selbst allzuviel Kälte in unser Blut: wir brauchen nicht den Wein noch zu verdünnen. Nicht wahr, mein spröder Antinous? Da trink!« Und er bot die Schale einem dritten Diener, einem bildschönen Knaben von etwa fünfzehn Jahren. Dieser kauerte am Boden in der äußersten Ecke des Turmgemaches, so fern wie möglich von Leo diesem seinem Herrn den Rücken zuwendend. Er trug nur einen purpurnen Schurz um die Hüften. Das übrige Gewand hatte ihm der Tribun abgestreift, die Augen an den herrlichen Gliedern zu weiden. Der Gefangene schüttelte, ohne das schöne, traurige Antlitz zu wenden, das Haupt, das langflutendes Goldhaar umwallte.
Trotzig, drohsam sprach er dann: »Ich heiße nicht Antinous: – Hortari heiß' ich. Gieb mich frei: laß mich zu den Meinen zurück, in den rauschenden Wald des Danubius! Oder töte mich: denn das wisse, schändlicher Mann: niemals willfahr' ich deinem Dienst.« Unwillig warf ihm Leo den schweren Burgschlüssel, der vor ihm auf dem Schemel lag, in die Rippen: »Hebe dich von hinnen, störriger Hund! Davus,« herrschte er den jüngeren Sklaven an, der beschäftigt war, die Waffen des Tribuns bereit zu legen, »schleppe ihn in den Roßstall: und häng' ihn dort in Ketten auf! Will der Balg nicht seines Herrn Gespiel sein, – fort mit ihm zu den Bestien!« Der Knabe sprang auf, und warf seinen Wollmantel um. Davus riß ihn mit fort, hinaus; den Blick voll tödlichen Hasses, den der junge Germane unter dem Vorhang des Gemaches, sich rasch wendend, zurückwarf, bemerkte Leo nicht. Rasch kehrte ihm die gute Laune wieder.
»Morgen hab' ich bessere Gesellschaft hier im Thalamos,« lächelte er, wieder den dunkeln Bart streichelnd, »als einen nicht zu bändigenden jungen Bären! Felicitas! Das trink' ich unsrer ersten Umarmung!« Und er trank die Schale leer. Dann richtete er sich auf. »Ich brauche keine Stütze mehr!« Damit wies er den zweiten, älteren Sklaven zurück, trat an die Fensteröffnung des Turmes und blickte hinaus. »Es sind ihrer nicht hundert, dieser kecken Barbaren. Welche Frechheit! Und nur die wenigsten führen stoßfeste Schutzwaffen! Und ihre Trutzwaffen sind alle erbärmlich. Wie viele ihrer Wurfpfeile, Speere, Streitäxte sind mir schon machtlos an Helm und Harnisch zersplittert. Sie kommen mir gerade recht! Mich lüstet nach Kampf und Sieg! – Da unten, auf den Straßen der Stadt wird es lebendig. Severus sammelt seine Schuster und Kesselflicker. Die werden aber doch nicht fertig mit den raschen Feinden. Ich aber, wenn der Alte, der den Feldherrn spielt, im ärgsten Gedränge – eine gute Weile will ich ihn zur Strafe zappeln lassen! – dann will ich hinausfahren wie der Sturm der Wüste mit meinen Reitern und sie vor mir hinwegfegen. Vorher aber zu dem Priester. Kein Mensch in der Stadt achtet jetzt auf anderes als auf die Barbaren draußen vor den Thoren. So geschieht es unvermerkt. Die Gefahr durch jenen Priester muß scharf drohend gestiegen sein, – wenn der feige Geldsack selbst zu blutigem Mittel riet. Er hat mir schon immer gedroht, der Psalmenplärrer. Erst die Sicherung und die Rache –: dann die Wollust des Reitersieges: und zum Lohn –: Felicitas! Laß Pluto satteln,« befahl er dem alten Sklaven, »und hilf mir, mich waffnen.«
Der Greis brachte den Befehl in den Hof hinab und kehrte in das Turmgemach zurück, wo er dem Herrn, der schon den vom schwarzen Roßschweif umflatterten hohen Helm aufgesetzt und die schönen Beinschienen angelegt hatte, diese sowie den prachtvollen Brustharnisch, den gar manche Auszeichnung schmückte, über der dunkelroten Tunika festschnallen und einhaken half. Während nun Leo das Schwert umgürtete und nach dem Erzschilde, mit dem langen starken Stachel in der Mitte, griff, holte der Alte sorglich aus einem Elfenbeinkästchen, das neben der Kline in der Ecke stand, einen dünnen Lederriemen mit zwei winzigen, aber glänzenden Anhängseln hervor und reichte die Schnur bittend, stummen, eindringlich beredten Blickes seinem Herrn dar. Es war ein kleines, häßliches Götzenbild aus Bernstein und eine schmale Silberkapsel. »Nimm, o Herr!« bat der Grieche, da Leo alles verächtlich zurück schob. »Was soll ich damit? Was sind das für . . .–?«
»Schilt sie nicht,« beschwor der Alte, »sonst werden sie böse und schützen nicht mehr. Kennst du sie nicht mehr, die schirmenden Kleinodien? Das eine ist ein ägyptisch Götterbild des Phta und die Kapsel schließt ein Barthaar ein des Apostels Paulus. Hilft das erste nicht, so hilft das andere. Trage heute beide – ich hatte diese Nacht einen bösen Traum.« – »So trage du sie!« – »Nicht mir, – dir, o Herr, drohte der Traum. Ich sah dich Hochzeit halten . . .–!« – »O, das siehest du oft! Diesmal mit Felicitas?« – »Nein, mit Persephone, der Königin der Schatten.« »Sie soll sehr schön sein,« lachte der Tribun, die kräftigen Arme ausbreitend, »sie nahe nur, sie ist willkommen!« »Fern sei das Omen!« rief der Sklave. »Du hast wirklich Sorge um mich! Dir liegt an meinem Leben? Warum? Sage, weshalb?« – »O Herr, du warst niemals gegen Chrysos so böse wie . . . –« »Wie gegen alle anderen, willst du sagen?« lachte der Maure. »Nur Selbstsucht, Alter: ich brauche dich: das heißt deine heilkundigen Gedanken und Finger.« – »Wenn du nur beten wolltest! Und irgend ein Geschöpf auf Erden lieben – irgend einen Namen ehren! Dir wäre wohler!« Aber grell lachte der Soldat: »Lieben? Liebe ich doch jeden Monat ein ander Weib!« – »Du vernichtest, was du liebst!« »Und beten? Zu welchem Gott sollte ich wohl beten? Ich sah mit gleicher Inbrunst und mit gleichem Erfolge beten zu Astarte und zu Artemis, zu Osiris und Jupiter, zu Christus und Jehovah. Ehren aber? Was soll mir heilig sein? Kaum so alt wie jener Germanenjunge raubten mich vandalische Reiter. Da verlor ich Heimat, Eltern für immerdar –! Als Sklave den Römern verkauft litt und genoß ich als Knabe schon Unsägliches – verhätschelt, geküßt, gefüttert, gepeitscht erschlug ich meinen letzten Herrn, entlief in die Wälder Calabriens, ward Räuber, Räuberhauptmann, ward eingefangen, zum Cirkusspiel verurteilt, vom Kaiser, als schon mein Blut die Arena rötete, begnadigt, unter die Söldner gesteckt, bald durch wilden Mut Centurio und Tribun. Zu welchem Gotte soll ich beten? Sie haben mich alle verlassen, so lang ich an sie glaubte. Seit ich aber alle verhöhne, dient mir das Glück wie eine verliebte Dirne. Und was soll ich lieben und ehren? Meine palmenrauschende Heimat? Sie dient vandalischen Barbaren! Rom? Rom hat mich erst mißhandelt wie ein gefangenes Raubtier und hetzt mich jetzt, wie einen gezähmten Löwen, gegen seine Feinde. Wohlan: dieses meines grimmigen Landsmannes Art wie Name habe ich mir gekoren« und er klopfte dem Wüstenkönig auf seinem Lager das stolz ummähnte Haupt. – »Beute – Genuß – Kampf! Weinrausch – Waffenrausch – Weibesrausch! Das allein ist des Lebens wert! Und nach dem letzten Rausch –: kein Erwachen –: ewige Nacht in der schweigenden Wüste des Todes.« Damit ergriff er beide Amulette, warf sie zum Turmfenster hinaus, faßte seinen Wurfspeer, der an der Wand lehnte und stürmte klirrend die steile Turmtreppe hinab. Seufzend und kopfschüttelnd folgte der Grieche.
Im weiten Hofraume angelangt ließ der Tribun seine ganze Ala aufsitzen: er befahl dem Geschwader, ihm in die Stadt hinab zu folgen und, auf dem Forum des Herkules aufgestellt, auf ihn zu warten, bis er sie zum Ausfall führen werde. Dem Centurio Himilko gebot er, mit den isaurischen Fußknechten auf dem Späheposten vor dem Eingange des Kapitols zu halten, den Gang des Gefechtes vor den Thoren sowie etwaige Vorgänge in der Stadt zu beobachten, jedenfalls aber, wenn ein Eingreifen in der Stadt oder vor dem Thor notwendig scheine, vorher das feste Thor der Burg zu schließen und zwei Wachen darin zu belassen. Seine beiden Sklaven aber, den alten Griechen und dessen Sohn, bestellte er – leise – mit der geschlossenen Sänfte an den Fuß des Kapitols: »Für alle Fälle,« überlegte er. »Ein widerstrebend Weib zu Roß den Steilweg heraufschleppen – das könnte mich nötigen, ihr sehr weh zu thun – wie jener Galla!«
Und nun, mit allen seinen Anordnungen zu Ende, stieg er in den Bügel, sich auf Pluto, seinen prachtvollen spanischen Rapphengst zu schwingen, der ungeduldig mit dem Vorderhuf Funken aus dem Granitpflaster des Hofes hieb. Kaum saß er im Sattel, da fiel sein Blick durch die offene Stallthür auf den Knaben Hortari, der, an beiden ausgebreiteten Armen zwischen zwei eisernen Pferderaufen angekettet, an der Wand hing: in der Ecke des Stalles lag ein blauer germanischer Rundschild, ein Speer und eine Streitaxt: die Waffen, die man dem Knaben bei seiner Ergreifung abgenommen. »Ha, der künftige Antinous!« lachte er, den Wurfspeer in die Seite stemmend. »Kettet ihn los! Er soll auf die Mauer treten, die Vernichtung seiner Germanenhelden zu schauen. Zur Nacht ketten wir ihn zusammen mit einer ganzen Koppel solcher Bären.« Und er gab dem Rappen die Sporen, daß dieser laut wiehernd stieg. »Hüte dich,« rief Hortari, nun entfesselt an die Stallthür tretend, funkelnden Auges, »vor den Bären des Urwalds. Ihre Tatzen werden dich zerschlagen!« Aber lachend rief der Tribun: »Auf! auf das Thor! Und wehe den Barbaren!« Und brausend und klirrend sprengte, dem kraftvollen Führer folgend, der glänzende Reiterzug zu Thal.