Anna Croissant-Rust
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Anna Croissant-Rust

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69 Schon längst führte der Date ja das Rosinchen nicht mehr an der Hand in die »Schul«. Sie war ja dem Töchterschülche schon geraume Zeit entronnen und hatte das böse Obstlerdagerl nicht mehr gesehen, bis ihr eines Tages Gelüste kamen, bei prachtvollem Winterwetter das Eis abzuflanieren. Dazu mußte natürlich die Line her, die Busenfreundin, Busenfreundin im vollen Sinn des Wortes.

Erstens hatte das Rosinchen einen herrlichen hochroten Baschlick zu Weihnachten bekommen, den es noch nicht ausgiebig hatte produzieren können, zweitens verspürte es, nun bald fünfzehnjährig, ein halb abwehrendes, halb sehnsüchtiges Gefühl nach dem Manne, in diesem Falle nach der Gewerbschachtel. In seinem unklaren, halb beseligenden, halb beschämenden Drang hatte sie sich die Krinolineline geholt, die ja blindlings alles tat und alles gut hieß, was das Rosinchen wollte.

Zwar hätte sie notwendig zu nähen gehabt, doch die Freundin befahl, das Wetter war verlockend, und ach! die Line hegte tief in dem keusch 70 eingepreßten und dennoch allzu sichtbaren Busen verschwiegene stumme Liebesgefühle.

»Wie du willst, Rosinerl, wie du willst.«

Vielleicht, vielleicht sah sie ihn! Was war dagegen, daß sie nachts arbeiten mußte!

Und, grau in grau, Mantel, Kleider und Kopftuch, gab sie die Folie zu Rosinchens bunter Herrlichkeit.

Mit dem leuchtend roten Baschlick, dem grünen Mantel und dem buntscheckig karrierten Kleide sah das Rosinchen neben der dicken grauen Freundin wunderlich genug aus. Jene wie eine Achtzehnjährige, das Rosinchen dagegen hätte zwölf Lenze zählen können; mit den äußersten Spitzen der Finger berührte es beim Einhängen den groben grauen abgetragenen Mantel der Line, höher hinauf zu langen, war ihm versagt.

Und es war elegisch!

Und es schwärmte!

Und es sprach sich aus, denn es liebte! Und liebte jedenfalls – das war ja gerade das Herrliche! – liebte hoffnungslos, denn der Erwählte war noch Gewerbeschüler, ein großer blonder schöner Kerl, freilich! Gewerbschachtel im letzten Jahr, »ich sag dir, Line, ein Adonis!«

Ja, nun ging das Schwärmen an, das selige – unselige Hangen und Bangen!

»Ach Gott, Line, wenn ich nur wär gewachse 71 wie du! Mit'm Gesicht möcht ich ja nit tausche, aber dein Figur! Ich bitt dich, was biste üppig.«

Aber die Line zog ängstlich ihren alten Mantel fester zusammen. »Rosinerl, was sagst denn? Wenn ich mich doch schäme, daß ich – daß ich einen so schwellenden Busen habe! Es schaut so frech aus und so unsolid! Ich bin ja froh, daß das der Herr Onkel selig nimmer erlebt hat, ich schämte mich ja zu Tod vor ihm! Du verstehst das nicht so in deiner Religion, aber manchmal mein' ich schon, es könnt beinahe gegen den Glauben verstoßen und eine Sünde sein, daß man's so sieht. Und das ist halt mein Kreuz und ich kann's doch nicht ganz verbergen!«

Das Rosinchen schaute sie zweifelnd und ungläubig an. Gab es denn so etwas? Sie sehnte sich doch nach den sündhaften »Schwellungen«, sie hatte doch den heißen Wunsch, so üppig auszusehen wie die Line!

Resigniert meinte sie: »Stuß, Line, sei g'scheit! So was macht Eindruck, du sollst froh sein drum!« Doch praktisch wie sie war und sich mit allem abfand und sich alles zurechtlegte, kalkulierte sie: »Die Ueppigkeit allein tut's nit, man muß auch sonst Qualitäte habe. Z. B. ich, schön bin ich nicht, aber reizend.«

Ohne nähere Debatte und ohne Definitionen 72 zu verlangen, war die Line vollkommen einverstanden damit; sie war ja mit allem einverstanden, was das Chlonnenchltrählche sagte. Geduldig ließ sie sich in dem langsamen Tempo, das das hickelnde Rosinchen einschlug, mitschleppen, geduldig hörte sie die endlosen Liebesergüsse der Freundin an, war auf Kommando neugierig auf den angebeteten Adonis und, weil sie sich zu Tod geschämt hätte, verriet sie nichts von der Liebe, die ihr im eigenen Busen brannte, und stand wie ein Opferlamm auf dem Eise, dem das glühende Rosinchen zugestrebt war.

Hier stand allerdings auch das Chlonnenchltrählche hilflos, denn die Eisfläche war groß, und das Rosinche wagte nicht, sie zu betreten, von der angebeteten Gewerbschachtel keine Spur. Der Zipfel von Rosinchens Baschlick, verschönert durch eine große weiße Angoraquaste, drehte sich wie ein verrückter Derwisch hin und her, bald drehte sich das ganze Rosinchen wie ein Kreisel auf dem Schnee vor dem Eise – nichts war zu sehen von dem Geliebten.

Da tauchte, wie aus der Erde gestampft, will sagen, aus dem Eise, der Fritzl auf.

Fritzl war da. Grinsend, gefällig, verstehend. Nicht der böse Feind, der Widersacher, der abscheulich Plaggeist, nein, ein kleiner devoter 73 lächelnder Page, ein Dienstbereiter, ein »Galanthuomo«.

»Dort san d' G'werbschachteln,« meldete er, und mit ein paar Sprüngen war er voran, den dünnen langen roten Vogelhals wieder und wieder nach seinen Begleiterinnen umdrehend, schlitterte er über das Eis und steuerte auf die Bank zu. Dort saßen schon ein paar weibliche kichernde Wesen im Backfischalter, von einer Schar von Studenten und Gewerbschachteln umlagert; bedient wurden sie von etlichen Cupidos, Genre Fritzl, etwa zehn- oder zwölfjährig, die sich bemühten, den holden durch die Männlichkeit in Anspruch genommenen Engeln die Schlittschuhe anzuschnallen.

»Daou san d' G'werbschachteln,« sagte der Fritzl im unverfälschten Oberpfälzisch und deutete, ein Wissender, auf die Corona.

Seine blanken Augen folgten mit Freude der ungeschlachten blonden Krinolineline, die sich auf dem Eise bewegte wie ein Walroß, das das Tanzen lernen soll, dazu ergötzte ihn das kleine, scheckige Chlonnenchltrählche, das ängstlich wie ein Wiegmesser, das nicht recht in Gang kommen kann, auf der glatten Fläche vorwärts strebte, und jetzt entdeckte er gar noch die vier Augen, die sich trotz Drangsal und Mühe auf einen Punkt konzentrierten – – dort stand der größte, der 74 blondeste und bekannteste der Gewerbschachteln, einer, dem sich der Fritzl, ohne ihn zu kennen, immer geistesverwandt gedünkt hatte, und dem er schon seit langem alle Sympathie zuwandte.

»Line, er ist da!« flötete das Rosinchen, und:

»Ja, Rosinerl, da iiis er!« hauchte die robuste Line und wäre am liebsten zergangen auf dem Eise, wie die Restchen Schnees, die an ihren ansehnlichen Schuhen tauten – denn sie – oh, sie liebte still und verborgen, keusch, und dennoch mächtig denselben, ganz denselben Adonis. Wie ein Blitzstrahl war ihr diese Erkenntnis durch Rosinchens Blick gekommen.

Das Rosinchen dagegen merkte nichts von Lines Gefühlen. Gehoben, getragen, entrückt durch ihre Liebe, schwebte es auf einmal förmlich auf das Bänkchen zu, und die weiße Quaste tanzte einen wahren Liebessturm vor der Kartoffelnase der Line her.

Das Kommen der Freundinnen erregte Aufsehen. Der Fritzl machte seinen Damen mit dem Ellenbogen Bahn und geleitete sie zu dem Bänkchen, von dem sich die andern Dämchen kichernd erhoben. Dabei warfen sie sich Seitenblicke zu und pufften sich in die Rippen oder flüsterten den führenden Jünglingen etwas in die Ohren, den Muff gewaltsam vor Mund und Nase gepreßt, etwas, an dem sie schier ersticken wollten. Das 75 ungleiche Paar ließ sich in gleicher Aufregung auf dem Bänkchen nieder; der große und beachtenswerte Jüngling stand noch dort.

»Daou san's,« sprach wieder der Fritzl, und vermittelte, indem er der blonden, auffällig derben Gewerbeschachtel einen sanften Stoß gab, auf diese gleich geniale wie lakonische Art die Bekanntschaft.

Das Rosinchen kalkulierte noch schnell, ob es dem Fritzl etwa gar ein paar Kreuzer geben müsse, während sich der Adonis räusperte und zwar so ausdrucksvoll, daß dies gut als Anfang der Unterhaltung gelten konnte; das Rosinchen sah auch gleich seelenvoll zu ihm auf und sagte: »Ach Gott, wie hoch ist doch die Bank, meine Beine reichen nicht herunter.«

Worauf er, sehr respektvoll den Hut ziehend, erwiderte:

»Sie müßten längere Beine, oder die Bank müßte kürzere haben.«

»Ach Gott, Sie hawwe Geischt,« kreischte das Rosinche.

»Ja, man sieht mir's nur nicht an.«

»Hab ich Ihne doch schon lang angesehe! Stellen Sie sich nur nit so!«

»Wer Augen dafür hat und selbst Geist – aber übrigens friere ich hier an, laufen denn die Damen nicht?«

76 Die Line erschauerte, verkroch sich noch tiefer in ihren schäbigen Mantel und schaute mit traurigen, blauen, hilflosen und dennoch so seligen Augen zu dem großen Jungen auf.

Das Rosinchen war sofort Herr der Situation. Ein Mut, eine Unternehmungslust war in ihr erwacht, die sie alles vergessen ließen. Vorhin hatte sie noch zur Line gesagt: »Schlittschuhlaufe is eigentlich nit ganz anständig,« nun erwidert sie prompt: »Geloffe bin ich noch nicht, aber ich bin ganz und gar nicht abgeneigt, nur, mein Herr, hab' ich keine Schlittschuhe.«

»Sonst keine Schmerzen?« lachte der Adonis, »werde Ihnen gleich ein Paar hier leihen.«

Im Nu war er fort und ebenso schnell wieder da, im Nu war er niedergekniet, den eifrigen Fritzl beiseite schiebend, hatte die in der Luft baumelnden Füße des überglücklichen Rosinchens erfaßt und begann ein Paar großer Schlittschuhe festzuschrauben.

So groß waren sie, daß selbst das in allen Himmeln schwebende Chlonnenchltrählche, das freilich nie die praktische Seite ganz aus dem Auge verlor, es gewahr wurde.

»Hören Se, sind die nit zu groß?« flötete es ihn an.

»Das werd ich doch wohl besser wissen, mein gnädiges Fräulein!«

77 ›Gnädiges Fräulein?!‹ Dem Chlonnenchltrählche schwindelte ordentlich; dennoch ließ es eine praktische Frage nicht außer acht.

»Und was koscht das Leihe?«

»Zwanzig Kreuzer!« Das Rosinche wurde blaß, so viel hatte es nicht erwartet! Aber einen Blick auf den Adonis, einen auf den zweiten Schlittschuh, der schon fest saß – das verliebte Jüngferlein zog den Beutel und überreichte mit süßsaurem Lächeln und spitzen Fingern dem Jüngling das Geldstück. Dann kam noch eine Erregung: »Aber ich kann's ja eigentlich nit!«

»Dadrfürr bin ich da,« schnarrte der Adonis nicht ohne Würde und nahm das kleine Persönchen halb in seine Arme, um ihm von der Bank herabzuhelfen.

In demselben Augenblick spürte das Mädchen einen eiskalten Luftzug und, sich umdrehend, sah es in das boshaft grinsende Vogelsgesicht des Fritzl.

»Nu, was wär' denn des, wer wird denn 'en Baschlick runterziehe?« schrie das Rosinchen erbost, aber schon hatte sie der Jüngling gefaßt, – »mit starkem Arm« jubelte es in ihr – sie aufs Eis gestellt und fortgezogen.

Sie wußte nicht, ob sie träume oder wache, wurde sie doch durch alle Himmel oder durch alle 78 Höllen geschleift. Die Himmel waren die Wonnen, die sie empfand, an seinem Arme hängend, ja fast – wenn sie größer gewesen wäre – an seinem Herzen liegend, dahin zu gleiten, die Höllen stellten diese gräßlichen Dinger dar, die er, gleichsam um ihre Liebe zu prüfen, an ihre Füße geschnallt hatte, die anpappten, wenn sie fort wollte und ausrissen, wenn sie zu stehen wünschte. Dabei trug er sie doch eigentlich wie ein Engel mit mächtigen, brausenden Fittichen, wenn's auch nicht brauste.

Nur fiel ihr gar nichts zu der Gelegenheit Passendes ein, ihm zu sagen.

»Gott, ich mach Ihne Müh'!« diktierte der Verstand ihr zu sagen, aber das Herz gab ihr ein, recht verliebte Augen dazu zu machen.

Ja, das war schließlich die Hauptsache; ob sie Schlittschuh fahren konnte oder nicht, ob der Baschlick im Nacken hing oder nicht, war gleichgültig; selbst, daß die Schlittschuhe 20 Kreuzer Leihgeld gekostet hatten, konnte man verschmerzen, wenn man – buchstäblich! – so im wilden Wirbel der Leidenschaft gepackt wurde. Er zog sie ja förmlich hinter sich her, so raste er. Bei dem wilden Lauf wurden selbst ihre Löckchen rebellisch und drängten sich aus dem, von Tante Mine mit eiserner Energie hergestellten, glatten Scheitel.

Wenn er nur da war! Wenn sie nur, 79 angeklammert an ihn, über das blitzende Eis getragen wurde!

Weiter, immer weiter ging's, dem Fluß entlang; sie hatte die große, graue, geduldige, dicke Krinolineline vollständig vergessen; sie sah nicht, daß alles nach ihr schaute und nicht, daß sich ganze Reihen Gewerbschachteln rechts und links aufstellten, sie bemerkte ihre ehemaligen Mitschülerinnen nicht, die den Muff vor den Mund hielten, sie konnte doch nichts anderes sehen als ihn!

»Bin ich auch wirklich nicht zu schwer für Sie?« hauchte endlich, etwas durch das hastige Atmen erschwert, das Rosinche.

»O Sie Flaumfederchen,« sagte er zärtlich, »Sie Chlonnenchltrählche!« (ganz wie die Tante Mine im Ton!). Da hielt er auch plötzlich hinter einer rötlichen Weide am Flußufer und beugte sich zu ihr herab. Er mußte sich sehr tief bücken, und das tat er auch, mit der Hand fuhr er ihr über die Locken, die sich aus dem schnurgerade gezogenen Scheitel gedrängt hatten.

Sie aber, der das Herz bis in den Hals klopfte, wähnte, er wolle sie küssen, versuchte sich zu strecken, brachte sich möglichst in seine Nähe und begann den Mund zu spitzen, während ihre Augen vor Liebe noch mehr hervorquollen.

Er lachte. Welch schönes tiefes Lachen! Aber 80 er tat nichts Weiteres, es war wohl noch zu früh zum Kuß und, gleich wieder Meisterin der Situation, flötete sie: »Spielen Se doch weiter mit de Löckches, angenehmer Freund!«

Wieder sein sonores Lachen!

»Seit wann sind Sie denn in mich verliebt?« fragte der »angenehme Freund«.

»Ach Gott, frage Se nit so dumm, Sie lieber Mensch, warum wolle Se denn das wisse?«

»Es macht mir schrecklich viel Spaß!« der Adonis darauf.

»Hawwe Sie's denn gemerkt?« wisperte das Rosinchen schüchtern und keck zugleich.

»Ja, wenn ich das nicht hätte merken sollen!«

»Ach gehn Se, Sie sind überhaupt so angeschwärmt, Sie hawwe so en seelevolle Blick!«

»Wirklich? – Und was noch?«

»So – so en verführerische kleine Schnurrbart!«

»Ja? – und? –«

»Prachtvolle Beine!«

»Ei?«

»Ach Gott! und – und so en liebe, liebe Mund.«

»Das weiß ich – weiter –«

»Sie könne die Mädcher so verliebt mache!«

»Wie mach ich denn das?«

81 »Ach gehn Se, ich weiß nit.«

»So sagen Sie's doch!«

»Nee, – nee.«

»Nun haben Sie einen Kuß verscherzt, wenn Sie's gesagt hätten, hätten Sie einen gekriegt.«

»Ach ja, – ach ja! Sind Se doch so gut!« bat dunkelrot und stammelnd das total aufgelöste Rosinche.

»Nein, jetzt ist's vorbei.«

Mit einem Ruck hatte er sie bei der Taille und mit Windeseile ging's vorwärts die Strecke zurück, die sie gekommen waren.

Wie er sie trug! Sie flog, sie schwebte direkt in den Himmel hinein! Das wurde immer schöner, immer herrlicher. Das Chlonnenchltrählche streckte sich, oh, es konnte gut verbergen, daß es ein bißchen hinkte, besonders wo er den kleinen Körper förmlich in die Luft hob.

»Sie sind verliebt in mich, gelt,« frohlockte es, »ich krieg schon noch en Kuß, Sie könne selber nimmer warte! Ich komm gern am Abend in die Straß runter, wenn Sie's hawwe wolle, und promenier' mit Ihne, wenn Se so gut sein wolle – – ich spuck jetzt auf all die eingebildete Töchterschülerinnen, ich spuck auf die groß Müller Marie, die so arg in Sie verliebt is!« triumphierte das Rosinchen.

Da! – – was war das? Plötzlich fühlte 82 sie sich losgelassen, gerade vor der großen Müller Marie, sie schwankte, suchte Halt, verblüfft, unsicher, während der Adonis eine tiefe Verbeugung machte:

»Ich danke Ihnen sehr, es war mir kolossal interessant.«

»Ach Gott, ach Gott! aber ich bitt' Sie!« schrie ihm das Rosinchen nach. Da saß sie richtig und fest am Boden, das heißt auf dem Eise, ein Häuflein Elend, von einer schüchternen Krinoline umrahmt, und machte Versuch um Versuch, sich in die Höhe zu rappeln.

Rund um sie war Gelächter, das sich allmählich entfernte, und dort, groß, stolz, hoch aufgerichtet, ein schönes Traumbild, fuhr er – entschwand er! Und was? Dies boshafte Geschöpf, die Müller Marie führte er? Und die drehte sich auch noch um und winkte mit der Hand zurück? Das Chlonnenchltrählche heulte vor Wut; es drehte sich links, es drehte sich rechts, immer fiel es wieder um, und niemand war da, es aufzurichten. Zuletzt kam es wenigstens auf die Knie und hakte die großen Schnabelschlittschuhe als Anker auf dem Eise ein.

»Line!!« rief es mit allen Kräften, aber die gute dicke Line hörte der Freundin Notruf nicht; sie hatte viel zu viel damit zu tun, träumerisch dem auch ihrerseits geliebten Adonis 83 nachzustarren. Es war mächtig kalt und das Rosinerl hatte das Gefühl, als sei es verurteilt, hier am Ende des Eises anzufrieren und nicht mehr wegzukommen. –

Niemand war mehr in der Nähe, wie auf einen Schlag war der ganze Schwarm verschwunden. War dieser Sturz vom Himmel zur Hölle möglich? Hier, wo sie eben in allen Wonnen geschwelgt, selige Minuten genossen, sollte sie hier anfrieren müssen?

»Spielen Se weiter mit de Löckches, angenehmer Freund!«

Ach, sie begann klarer und klarer zu sehen – hatte er am Ende nicht überhaupt mit ihr gespielt? – –

»Line!« rief sie noch einmal verzweiflungsvoll. Keine Antwort. Aber ganz in ihrer Nähe lachte etwas; sie schaute sich um, rot vor Zorn. Was? Da war der Zwerg wieder, der boshafte, der lose Obstlervogel, der Fritzl!

»Du Krott, du boshafte, was haschte zu lache?« schrie sie ihn an. »Da geh her und helf mer.«

Doch der Fritzl blieb kaltblütig stehen, den schwarzen zerzausten Kopf auf die Seite gelegt.

»Was krieg i denn dafür?«

»Was, du willst auch noch was? Des is dein Pflicht, zu helfe.«

84 »Ja freili, sonst nix?« grinste der Fritzl und steckte die beiden Hände noch tiefer in die Hosentaschen, denn er fror!

»So helf doch!« schrie das Rosinche wieder.

»Ja, Schnecken!« machte der Fritzl, das sehr schöne tiefe und bezeichnende Wort vornehm nachlässig gebrauchend.

Das Rosinchen würdigte ihn keiner Antwort mehr. Während Tränen der Wut und der Beschämung über ihre Wangen liefen, schrie es wieder in der Richtung gegen die dicke elegische Line hin: »Line, Line, komm doch!«

»Die is ang'froren,« frohlockte der Fritzl und schnalzte mit der Zunge vor Vergnügen.

»Glei geh fort und hol se,« kommandierte das Rosinchen mit bitterbösen Augen.

»Was krieg i nachher daderfür?« parlamentierte der Fritzl.

»Nix kriegscht, gehn sollschte.«

»Na bleib du hocken,« entschied, völlig Herr der Situation, der Fritzl.

»Geh fort!« schrie außer sich das Chlonnenchltrählche.

»O na; ich möcht ner zuschaun, wie du in d'Höh kommst.«

Das Rosinchen wurde allmählich weich.

»Helf m'r,« gebot sie,»kriegscht drei Kreuzer.«

85 »Fallet mir ein!« replizierte prompt der Fritzl.

»Fünf.«

»Na.«

»Zehn?«

»Meinetwegen; aber z'erscht gibst mir's auf die Hand. Koan Juden trau i net. Da ziehgt ma allemal den Kürzern.«

Sofort streckte er auch begehrlich seine blaugefrornen rissigen Knabenhände aus. Ohne auf seine Lebensweisheit näher einzugehen, was das Rosinchen sonst gewiß nicht unterlassen hätte, kramte es seufzend in seinem Beutelein; noch immer fielen vereinzelte Tränen aus seinen Augen. Es war dem kleinen Ding herzhaft kalt geworden, der Wind blies scharf über die Flußniederung her. Das Chlonnenchltrählche hatte das Gefühl einer empfindlichen Niederlage, alles triumphierte über sie, sogar dieser kleine, ausgehungerte, boshafte Bengel! Sie hätte mit Fäusten dreinschlagen mögen! Widerwillig legte sie den Obolus in Fritzls Hand, und er begann auch gleich herzhaft an ihr zu zerren und zu ziehen.

Kaum hatte er sie in der Höhe, fiel sie aber auch schon wieder um.

»Ich kann ja nit stehe auf dene vermaledeite 86 Schlittschuh! Schnall die Aeser ab!« kommandierte sie.

»Daderfür hast mi net angaschiert,« antwortete mit Würde der kleine Weltweise ans der Obstlerkeuche.

»Du gemeiner Bub!« schimpfte das Rosinchen.

»Oha! Oha!« beschwichtigte der Fritzl, schaute ihren vergeblichen Versuchen, in die Höhe zu kommen, mit Hingebung so lange zu, bis sie endlich matt und klein genug war.

Klein, milde, armselig, weinend, flehte sie ihn ordentlich an:

»Fritzl, du kriegscht noch sechs Kreuzer, aber mach mer se runner!«

»Zerscht gibst es her,« beharrte der Fritzl und erst, als er das mit Bedauern und Seufzern herausgebohrte Geldstück in der Hand hielt, das er blitzschnell verschwinden ließ, bequemte er sich dazu, unter Zähneklappern dem hilflosen Rosinchen die Ungeheuer abzuschnallen.

»Z'kloan san's dir net,« sagte er, denn es war ihm unmöglich, stille zu sein.

»'s Maul halscht,« zeterte das Chlonnenchltrählche.«

»Nachher b'halt du deine Schlittschuh an.«

»Machscht nit weiter?« schrie das erboste Rosinchen. »So! So! Und jetzt holscht die Line!«

87 »Fallet mir grad ein,« sagte mit überlegener Ruhe der Fritzl, stellte sich mit gespreizten Beinen hin und beobachtete mit sachgemäßem Interesse, wie das Rosinchen mit ihrem Reifröcklein, das einige Deformationen erlitten, über das Eis zu schwanken begann.

»Oha!« rief er von Zeit zu Zeit hinter ihr drein, wenn sie unsicher wurde, und:

»Line! Line!« schrie immer lauter und eindringlicher, immer erboster die kleine, wackelnde, unsichere und groteske Gestalt, die, ihre Arme wie bebende Flügel ausgespannt, langsam der Bank näher kam.

»Oha!« bemerkte wieder versunken der Fritzl, und:

»Line!« rief wieder das Rosinchen. Aber die traumverlorene und entrückte Line hörte nicht eher, bis das Geschrei ganz laut wurde.

Da wollte sie freilich gleich in die Höhe, aber o weh! was der Fritzl vorhin bloß zum Spaß aus der Tiefe seines boshaften Herzens herausgesagt, war eingetreten, die Line war wirklich und wahrhaftig an dem Bänkchen angefroren und erglühte in Scham und Bestürzung wie eine Päonie. Was hatte sie auch zu träumen und zu wünschen! Das war alles sündhaft, und die Strafe mußte auf dem Fuße folgen.

Erst nach vielem Zerren und Reißen 88 vermochte sie, während die Stimme Rosinchens unheilverkündend näher rückte, in Verwirrung und Angst den grauen haarigen Mantel von der Bank loszureißen und sich von den sonnigen Küsten ihres Traumlebens an die rauhen und unwirtlichen Gestade der Wirklichkeit zu versetzen.

Sie fürchtete sich vor dem, was sie sah. Sie beugte den Kopf; wie ein armes Opfer, das den Todesstreich erwartet, stand sie da, sie vermochte dem Rosinchen keinen Schritt entgegen zu gehen. Hatte sie nur geträumt oder wirklich geschlafen, und war sie im Schlafen halb erfroren? Sie konnte ja kein Glied mehr rühren und kam sich wie gelähmt vor. Und das Rosinerl –?

War ein schweres Schicksal über die Freundin hereingebrochen, während sie geträumt hatte? – Wie sie zürnte! Mit angstvollen bittenden Augen sah sie auf die Zürnende, wie ein treuer Hund, der sich duckt. – –

Jetzt kam's! Die ersten Schläge prasselten nieder, nicht tatsächlich, aber in Worten, die wie Peitschenhiebe niedersausten, sie hielt immerfort den Kopf gesenkt und hörte und hörte nicht, sie wurde am Arm gepackt und »gepetzt«, spürte es und spürte es wieder nicht – ganz sacht glitt sie in ihr Traumland zurück. War nicht alles sonst so unsäglich gleichgültig?

Sie erlangte den Gebrauch ihrer Glieder 89 wieder, langsam wie ein Automat setzte sie sich in Bewegung, dabei war's ihr immer, als müsse sie auf etwas warten. Wenn sie ins Genick geschlagen worden wäre mit einem dumpfen, brutalen Schlag – wie im Schlachthaus, wie im Schlachthaus, dachte sie, – es wäre ihr nicht erstaunlich gewesen, sie hätte ihn mit einem schwermütigen Lächeln empfangen, denn heute, aufgelöst in Liebe und Unglück, war es ihr klar geworden, daß sie vorherbestimmt war zu leiden.

Das Rosinchen dachte natürlich im entferntesten nicht an diese schmerzliche Seite in der Line Erkenntnis – es fiel ihr gar nicht ein, daß etwa die Line auch Gefühle und Gedanken eigener Art haben könne. Die hatte zu nähen, die hatte das Rosinchen anzuhören und zu bewundern, die war da, ein Resonanzboden zu sein für alle Gefühle und Gedanken des Rosinchens, und damit basta!

Einmal sah die Line auf, in der Freundin wutverzerrtes Gesicht, einmal hörte sie aus ihren wütenden Worten heraus, daß sie verschmäht worden – glückliches Chlonnenchltrählche trotzdem! Es war bemerkt worden, es war in seinen Bannkreis gekommen und – nein! es war nicht veranlagt, sich verzehren zu müssen!

Seufzend blickte die Line auf ihre vom Rosinchen beneidete Körperfülle – sie, die ihn mit verglühender Leidenschaft liebte, ja sie war eine von 90 denen, die sich verzehren müssen, aber wie lange, wie endlos lange würde das dauern mit diesem, ach allzuwohlgenährten Körper! Und alle Versuchungen des Essens, die leckeren Kuchen der Tante Mine vor allem stiegen vor ihr auf – es war doch schwer, unendlich schwer, ganz zu resignieren!

Wie schnell und wie gründlich war die Liebe bei dem Rosinchen vergangen! Konnte das echte Leidenschaft sein? Sie trauerte nicht, sie klagte nicht, sie schimpfte nur.

Und das tat sie wochenlang. Nicht nur über die Line und die eingebildeten Töchterschülerinnen, vor allem über die Gewerbschachteln, die keine Ahnung von Bildung hatten.

Die Line hielt still. Doch diese Art von Sanftmut und Geistesabwesenheit – o die Line war in anderen, hehreren Regionen! – erzürnten das Rosinche erst recht: »Für was bischt du denn gut? Nit ämal sein Zorn kann m'r an dir auslasse, du Stöckel!«

Uebrigens was konnte man denn von der Line verlangen? Wie sollte so was Verständnis für Liebe und Leidenschaft, für Hohn und Rachegelüste haben? Das schwärmte so in den Tag hinein, und wenn es eine Mehlspeise oder einen Kuchen sah, konnte es sich vollschlagen bis an den Hals herauf! Konnte man da wirkliche Gefühle verlangen? –

91 Für das Chlonnenchltrählche hatte die Privatexkursion und das Privatissimum für Liebe noch einige Nachwehen.

Der heruntergezogene Baschlick, die den liebenden Händen also preisgegebenen »Löckchers«, das ganze aus der Solidität des Mahn'schen Hauses herausgerissene Intermezzo rächten sich, das Rosinchen wurde krank. Der Kopf, der Hals, alle Glieder und – trotz des äußerlichen Protestes auch das Herz – taten weh, und die heiße Liebe endete mit einer tüchtigen Erkältung.

»Wann m'r aa die Lieb' in sich hat, m'r is doch nit für Extravaganze geschaffe,« tröstete sich das Rosinche in der Krankenstube.

Die Schelte, die eigentlich dem Chlonnenchltrählche als der Verführerin gebührt hätten, fielen nun auf der Line wehrlos und unschuldig Haupt, wie ja viele Menschen in der Zeit der Angst und Bekümmernis etwas suchen, eine Ursache, einen Sündenbock, irgend etwas oder irgend wen, dem sie die Schuld aufbürden können und sich dadurch erleichtern, indem sie ihren Schmerz in Wut verwandeln.

»Du bischt doch fünf Köpp größer als des arm klein Rosinche, bischt du nit g'scheiter?« schrie der Date.

Dem Rosinchen fiel es gar nicht ein, die Line 92 zu beschützen, es schimpfte eher selbst mit. Es schimpfte überhaupt den ganzen Tag; es schien, als löse sich aller Ueberschwang in ein gründliches Geschimpfe auf. Zuletzt konnte das Rosinche sogar haarklein ausrechnen, daß sich »die ganze Sach'« eigentlich nicht gelohnt hätte.

Immer wieder betonte es:

»Zwanzig Kreuzer das Leihe von de Schlittschuh, zehn Kreuzer dem Fritzl und nachher nochmal sechs Kreuzer, wie soll sich denn das lohne, und de Spott owedrein!? Nee, Line, des is zuviel für die Lieb, ich verzicht!«

Ach! Sie konnte verzichten, die Line aber mußte verzichten!

Nach ein paar Wochen hatte sich das Chlonnenchltrählche seine Gefühle schon ganz gründlich vom Halse räsoniert und in seiner Rekonvaleszentenzeit sogar deutliche Beweise gegeben, daß es den Adonis verachte, denn es saß Tag für Tag mit schrecklich bösen und strengen Augen am Fenster. Wenn auch der ehemals Geliebte den Blick nicht zu ihr hob oder höchstens aus Spott eine tiefe Reverenz machte, einerlei, das mußte er, das mußten alle sehen und merken, wie tief sie ihn verabscheute.

Die Nummer Gewerbschachtel war für sie mit ihm abgetan, ihr Herz begehrte nach Höherem. Was gab es denn da Höheres als 93 die »Gymnasisten«? Da das Gymnasium am Ende der Girgengaß gelegen war, frequentierten die Gymnasiasten von jeher am häufigsten diese Straße, und das Chlonnenchltrählche wunderte sich auf einmal, daß ihre Neigung sich niemals jenen zugewandt hatte. Das konnte aber noch besorgt werden.

Denn, wie sie zur Line sagte, »mir müsse unsere Gefühle schon auf die Gymnasiste richte, weil die Präparande z. B. erscht in de Gefühlspunkt für uns trete, wenn se Lehrer sind. Vorher könne se nit mit in die Konkurrenz einbezoge werde, sie sin zu unansehnlich, haben krumm getretene Stiwwel und im Winter kein Mantel.«

Von den Gewerbschachteln sprach sie überhaupt nicht mehr. Die Gymnasiasten dagegen, die waren ganz geschaffen zur Liebe und Schwärmerei, so gut angezogen, so flott, man konnte sie fast »en bloc« gern haben!

Das letztere praktizierte sie zwar nicht, aber bald war es der eine und bald der andere, für den sie sich entflammte, manchmal für zwei auf einmal. Bald machte ihr der Fensterparaden und bald ging jener fünfzehn- oder zwanzigmal am Tag vorbei. Sie saß beständig am Fenster und hatte die Augen auf der Straße und konnte der Line nicht genug erzählen, wie sie hofiert wurde. Ganz berauscht war sie von 94 ihren Erfolgen, selig, die Verehrer wuchsen wie aus der Erde gestampft, es schien, als habe die ganze Studentenschaft ein Komplott geschmiedet, sie zu verehren. Machte nur einer eine Kopfbewegung gegen ihr Haus zu, so stieß sie die Line triumphierend in die Seite: »Line, siehscht's, der macht mir jetzt aa de Hof.«

Die Line nahm manchmal einen Anlauf und wagte zu sagen: »Ich hab' nichts gesehen,« oder »kennt er dich denn?«, vielleicht auch »ja, grüßt er denn herauf?«

Herrgott, wie wurde die aber abgeschnauzt! »Was verstehst du von dene Sache! So plump macht m'r des nit!« –

Da es wirklich eine kurze Zeit zum Sport bei den Studenten wurde, das Rosinche für den Narren zu halten, so erlebte es an seinem Fenster köstliche Rekonvaleszentenwochen.

»Da guck!« sagte es stolz zur Line, wenn sich die Verehrer förmlich vor dem Hause stauten, »des is was anneres!«

Weil sich aber weiteres nicht ereignete, die Dinge sich stets glichen, ja die Verehrer allmählich die Lust verloren, das Mahn'sche Haus im Ulk anzuhimmeln, und selbst das Rosinche anfing, die Sache etwas allzu einförmig zu finden, war es gern bereit, wieder in den Laden zu gehen, wie es der Date wünschte, ja es zeigte mehr Freude 95 und Eifer zum Geschäft als früher. Es konnte sich nun nichts seligeres denken, wie einen guten Verkaufstag gehabt zu haben und dann gegen sechs oder sieben, wenn alles flanieren ging, sich unter die Ladentüre zu stellen, geschwellt von Ehrgeiz und eigener Wertschätzung, verliebte Augen zu machen und sich dabei Geschäftskombinationen zurecht zu legen. So kam ihm auch zum erstenmal der Gedanke, es einmal mit einer ganz großen unglücklichen Liebe zu versuchen, – schwupps hatte es schon einen blutjungen Leutnant, der wie Milch und Blut aussah, als Objekt entdeckt und machte sich mit Feuereifer über die unglückliche Liebe her. Es war wirklich eine recht, recht unglückliche Liebe, denn der junge schöne Krieger sah die Kleine nicht nur nicht an, sondern gab ihr sogar, als sie sich zu weit hinaus auf das Trottoir stellte, einen tüchtigen Puff. Zudem hatte er Anfechtungen von jungen und älteren Fräuleins und wußte schelmische und süße, schmachtende und begehrliche Augen zu machen, nur nicht für sie.

Ja, das war eine große, eine süße, eine qualvolle Leidenschaft! Nun kam selbstverständlich die Lektüre wieder dran, nur lauter tragische Liebesgeschichten durften es sein, und die Line mußte mitlesen, wie sie auch all die Seufzer und die Klagen aus gepreßtem Herzen anhören 96 mußte. Ganze Sonntag-Nachmittage saßen sie über der Gartenlaube und lasen von der Marlitt oder von der Werner, »die können's am beschte,« sagte das Rosinche.

Auch der Geist der Mutter begann gewaltig im Chlonnenchltrählche zu spuken.

Es verlangte energisch vom Alten, daß er's ins »Thiater« gehen ließ, natürlich auf die Galerie, und der Alte gab nach, wie er bei dem schönen Malche nachgegeben hatte.

Noch mußte die Line erobert werden; die wäre zwar sehr gern bereit gewesen, denn auch sie lechzte in ihrem Gefühlstumult nach Darstellungen von der Liebe Leid und von der Liebe Lust, doch war ihr immer das Geld zu viel und das Rosinchen hatte tüchtig zu überreden, ja sogar zu zanken, bis es die Line mürb genug gemacht hatte. Natürlich ging die Line stets auf eigene Rechnung, »für was verdient sie sich denn was!«

Im Theater vergaß dann freilich sogar das Stöckl, daß die große Ausgabe gar nicht ihren Finanzen entsprach, im Theater war sie hingegeben, aufgelöst, entrückt, viel mehr, viel stiller, viel nachhaltiger als das Rosinche.

 

 


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