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»Wenn der Schäfer nicht handfest ist, so mag er
flieh'n; die Flüche, die er bekommen wird, die Martern,
die er dulden muß, werden den Rücken jedes Menschen,
das Herz eines Ungeheuers brechen.«
Shakspeare.
Man wird sich leicht denken, daß der eben erzählte Vorfall von einer außerordentlichen Erregung unter den Sioux begleitet war. Als er die Jäger seiner Bande zurück in das Lager führte, hatte der Häuptling keine von den gewöhnlichen Vorsichtsmaßregeln indianischer Klugheit verabsäumt, um seine Spur den Augen der Feinde zu verbergen. Es wollte jedoch scheinen, als wenn die Pawnee nicht nur die gefährliche Entdeckung gemacht, sondern es auch mit großer Kunst so eingerichtet hatten, daß sie sich dem Ort von der einzigen Seite näherten, wo man es für unnöthig gehalten, die Zugänge durch die gewöhnliche Posten-Linie zu bewachen. Diese Letzteren, die auf den verschiedenen kleinen Anhöhen zerstreut waren, welche hinter den Zelten lagen, waren unter den Letzten, die von der Gefahr in Kenntniß gesetzt wurden.
In einer solchen Crisis blieb wenig Zeit zur Berathung. Dadurch, daß er die Stärke seines Geistes bei Auftritten von ähnlicher Schwierigkeit gezeigt, hatte Mahtoree seine Herrschaft über sein Volk erhalten und befestigt; auch schien es nicht wahrscheinlich, daß er sie durch eine bei dieser Gelegenheit gezeigte Unentschlossenheit verlieren würde. Mitten unter dem Lärm der Jüngeren, dem Geschrei der Weiber und dem wilden Heulen der Matronen, was hinlänglich war, schon an und für sich eine Verwirrung in den Gedanken eines Mannes zu erregen, der weniger gewohnt gewesen, in bedrängten Zeiten zu handeln, behauptete er fest sein Ansehen, und ließ seine Befehle mit der Kälte eines Veteranen ergehen.
Während die Krieger sich waffneten, wurden die Jungen auf den Grund nach den Pferden geschickt. Die Zelte wurden eiligst von den Weibern abgebrochen und auf solche Thiere gebracht, die nicht zuverlässig in dem Kampf schienen. Die Säuglinge kamen auf den Rücken ihrer Mütter, und die Kinder, die zum Gehen groß genug waren, wurden in die Nachhut gleich einer Heerde weniger vernünftiger Geschöpfe getrieben. Obgleich diese verschiedenen Vorkehrungen unter Geschrei vor sich gingen, und ein Lärm sich erhob, der die Stelle einem zweiten Babel ähnlich machte, wurden sie doch mit unglaublicher Schnelligkeit und großem Geschick ausgeführt.
Indeß versäumte Mahtoree keine Pflicht, die zu seinem verantwortlichen Stande gehörte. Von der Anhöhe, worauf er stand, konnte er vollkommen die Stärke und Schwenkungen des feindlichen Haufens übersehen. Ein grimmiges Lächeln erheiterte sein Antlitz, als er fand, daß an Zahl seine eigene Bande bei weitem überlegen war. Trotz dieses Vortheils jedoch gab es in anderer Hinsicht eine Ungleichheit, die wahrscheinlich seinen Erfolg in dem nahen Kampfe außerordentlich zweifelhaft machen mochte. Sein Volk bewohnte die mehr nördlicheren und weniger wirthlichen Gegenden, und war gar nicht reich an jener Art von Besitz, als: Pferde und Waffen, welche den am höchsten geschätzten Reichthum der westlicheren Indianer ausmacht. Die ansichtig gewordene Bande war ganz beritten, und da sie zur Befreiung oder zur Rachenahme für ihren großen Führer gekommen, hatte er keine Ursache zu zweifeln, sie werde gänzlich aus Tapferen bestehen. Dagegen waren viele aus seinem Gefolge weit besser zur Jagd als zum Kampf; geeignet zwar, die Aufmerksamkeit seiner Feinde zu theilen, aber von geringem Nutzen in verzweifelten Unternehmungen. Noch strahlte sein blitzendes Auge über den Kriegern, auf die er sich oft verlassen und die ihn nie getäuscht; dennoch fühlte er in der besonderen Lage, worin er sich befand, kein Verlangen, die Schlacht zu beschleunigen, welche er sicherlich nicht hätte vermeiden wollen, wenn die Gegenwart der Weiber und Kinder die Wahl der Stellung nicht gänzlich den Feinden überlassen hätte.
Auf der andern Seite zeigten die Pawnee, die so unerwartet glücklich in der Erreichung ihres ersten und größten Zwecks gewesen, kein Verlangen, die Sache zur Entscheidung zu treiben. Der Fluß war eine zu gefährliche Schranke, um sie im Angesicht eines entschlossenen Feindes zu überschreiten, und es würde jetzt mit ihrer ängstlichen Vorsicht in völligem Einklang gestanden haben, wenn sie sich für einige Zeit zurückgezogen, um ihren Anfall in den Stunden der Finsternis; und vermeintlichen Sicherheit zu versuchen. Aber es war für den Augenblick ein Geist in dem Häuptling, der ihn weit über die gewöhnlichen Hülfsmittel der Wilden im Krieg erhob. Seine Brust brannte vor Verlangen, die Schande auszumerzen, die ihm widerfahren, und es ist möglich, daß er glaubte, das fliehende Lager der Sioux enthalte einen Preis, der in seinen Augen einen Werth zu bekommen begann, der den weit übertraf, welchen fünfzig Tetonschädel sonst für ihn hatten. Doch dem sei, wie ihm wolle; Hartherz hatte nicht sobald die kurzen Glückwünsche seiner Bande empfangen und den Häuptlingen solche Mitteilungen gemacht, wie sie ihnen zu wissen wichtig waren, als er sich bereitete, einen Antheil an dem nahen Kampf zu nehmen, der zu gleicher Zeit seinen wohlerworbenen Ruf aufrecht erhalten und seine geheimen Wünsche erfüllen sollte. Ein Leitpferd, eins, das lange zur Jagd abgerichtet worden, brachte man herbei, seinen Herrn nochmals aufzunehmen, da man sich nicht leicht hätte einfallen lassen, daß es in diesem Leben je mehr werde gebraucht werden. Mit einer Zartheit und Bedächtigkeit, welche zeigte, wie sehr die edeln Eigenschaften des Jünglings die Gefühle seines Volks gerührt hatten, war Bogen, Lanze und Köcher über das Thier gehängt, das man zum Opfer auf dem Grab des jungen Tapferen bestimmt; eine Sorgfalt, die die fromme Pflicht überflüssig gemacht hatte, die der Streifschütz übernommen.
Obgleich Hartherz gegen die Güte seiner Krieger nicht unempfindlich war, und in dem Glauben stand, ein Krieger mit solchen Zierden ausgerüstet, könne mit Ehre nach den fernen Jagdgründen des Herrn des Lebens abgehen, schien er doch eben so zu glauben geneigt, seine Vorzüge könnten nicht weniger nützlich in dem Zustand der Dinge hier auf Erden sich erweisen. Sein Antlitz erhellte sich in einem Strahl wilder Freude, als er die Federkraft des Bogens versuchte, und den wohl in's Gleichgewicht gesetzten Speer wog. Der Blick, den er auf den Schild warf, war flüchtiger und mehr gleichgültig, aber die Lust, mit der er auf sein geliebtestes Streitroß sprang, war so groß, daß sie alle Förmlichkeit indianischer Selbstbezwingung durchbrach. Er ritt unter seinen kaum weniger erfreuten Kriegern auf und ab, und lenkte das Thier mit einer Anmuth und Geschicklichkeit, die keine künstliche Regeln je geben können; zu Zeiten schwang er die Lanze, als wolle er sich seines Sitzes versichern, und dann untersuchte er wieder genau die Beschaffenheit der Feuerwaffe, mit der er auch so freudig sich beschenkt gesehen hatte, als sei er auf wunderbare Weise in den Besitz von Schätzen gekommen, die immer sein Stolz und Glück gewesen waren.
Gerade in diesem Augenblick machte sich Mahtoree, der mit den nöthigen Vorkehrungen fertig geworden, bereit, eine entscheidendere Bewegung zu versuchen. Der Teton hatte sich wegen Unterbringung seiner Gefangnen in nicht geringer Verlegenheit befunden. Die Zelte des Auswanderers waren noch zu sehen, und seine vorsichtige List ermangelte nicht, ihn zu bedeuten, daß es ganz eben so nöthig wäre, sich vor einem Angriff von dieser Seite zu schützen, als er die Bewegungen seines erklärteren und thätigeren Feindes bewachen müsse. Sein erster Entschluß war gewesen, den Tomahawk gegen die Männer zu gebrauchen, und die Weiber unter denselben Schutz, wie die Weiber seiner Bande zu setzen. Aber die Weise, mit der noch so viele von seinen Helden den vermeintlichen Zauberer der Langmesser ansahen, widerrieth ihm, einen so gefährlichen Versuch am Vorabend einer Schlacht zu wagen. Er hätte als eine Vorbedeutung der Niederlage angesehen werden mögen. In diesem Zweifel winkte er einem gealterten Krieger, dem er die Nichtstreitenden übergeben, führte ihn auf die Seite, legte bedeutungsvoll einen Finger auf seine Schulter, und sagte in einem Ton, worin Herrschaft durch Vertrauen gemildert war:
»Wenn meine jungen Leute die Pawnee schlagen, gebt den Weibern Messer. Genug! mein Vater ist sehr alt, er braucht nicht Weisheit zu lernen von einem Knaben.«
Der grimmige, alte Wilde entgegnete mit einem Blick roher Zustimmung, und dann schien des Häuptlings Geist wegen dieses wichtigen Puncts beruhigt. Von diesem Augenblick an richtete er seine ganze Sorgfalt auf die Ausübung seiner Rache und die Aufrechthaltung seines kriegerischen Charakters. Er warf sich auf sein Roß, gab mit dem Blick eines Fürsten seinem Gefolge ein Zeichen, seinem Beispiel nachzuahmen, und unterbrach ohne Weiteres die Kriegsgesänge und feierlichen Ceremonieen, womit viele unter ihnen ihren Geist zu kühnen Thaten anfeuerten. Als alles in Ordnung bewegte sich das Ganze mit großer Festigkeit und Stille nach dem Rande des Flusses.
Die feindlichen Banden waren jetzt durch das Wasser getrennt. Die Breite des Stroms war zu bedeutend, um die Anwendung der gewöhnlichen indianischen Geschosse zuzulassen, aber einige nutzlose Schüsse wechselten die Flinten der Häuptlinge, mehr aus Prahlerei, als daß sie hätten erwarten können, es würde eine Wirkung thun. Da man einige Zeit mit Demonstrationen und nutzlosen Anstrengungen vorübergehen ließ, wollen wir sie jetzt verlassen, um zu den Andern zurückzukehren, die noch als Gefangene in ihren Händen geblieben.
Wir hätten viele Tinte vergebens verschrieben und manche Kiele verbraucht, die vielleicht besser hätten angewendet werden mögen, wenn wir erst dem Leser sagen müßten, daß wenige von den obigen Bewegungen der Aufmerksamkeit des erfahrenen Streifschützen entgingen. Er war, wie die Uebrigen, über die plötzliche That Hartherzens erstaunt gewesen, und für einen Augenblick bekam ein Gefühl des Bedauerns und der Betrübniß die Oberhand über sein Verlangen, das Leben des Jünglings zu retten. Der einfache, gutgesinnte Alte würde, wenn er einen Mangel an Festigkeit von Seiten des Kriegers bemerkt hätte, der so sehr seine Theilnahme auf sich gezogen, denselben Kummer gefühlt haben, den ein christlicher Vater empfindet, wenn er die sterbenden Augenblicke eines gottlosen Kindes mit ansieht. Aber als, statt eines schwachen, unmännlichen Mühens um sein Leben, er bemerkte, daß sein Freund mit der gewöhnlichen, würdigen Ergebung eines Indianers sich benommen hatte, bis eine Gelegenheit zur Flucht sich dargeboten, und daß er den Muth und die Entschlossenheit des größten Tapfern gezeigt, ward seine Freude zu mächtig, um unterdrückt zu werden. Mitten unter dem Geschrei und der Bewegung, welche auf den Tod Weucha's und das Entrinnen des Gefangenen gefolgt, näherte er sich seinen weißen Gefährten mit dem Entschluß, sich in's Mittel zu legen, wenn die Wuth der Wilden sich gegen sie wenden sollte. Das Erscheinen der feindlichen Bande ersparte ihm jedoch einen so verzweifelten, und wahrscheinlich fruchtlosen Versuch, und ließ ihn seine Beobachtungen fortsetzen, und seine Plane mit mehr Muße zur Reife bringen.
Er bemerkte besonders, daß während bei weitem der größere Theil der Weiber und all die Kinder, nebst den Effecten des Haufens in den Nachzug gebracht worden, wahrscheinlich mit dem Befehl, sie in den anliegenden Wäldern zu verbergen, Mahtoree's Zelt selbst stehen, und sein Inhalt ungestört blieb. Zwei ausgesuchte Pferde jedoch standen nahe bei, und wurden von zwei Jünglingen gehalten, die zu jung waren, um in den Kampf zu gehen, und doch alt genug, sich auf die Lenkung der Pferde zu verstehen. Der Streifschütz sah in dieser Vorkehrung den Widerwillen Mahtoree's, seine neu gefundenen »Blumen« aus dem Auge zu lassen, und zugleich auch die Vorsicht, sich vor jedem Anfall zu sichern. Auch war die Art, wie der Teton seinen Auftrag dem alten Wilden gegeben, und die stolze Freude, womit der Andere den blutigen Befehl angenommen, seiner Aufmerksamkeit nicht entgangen. Aus all diesen geheimen Bewegungen merkte der Alte, daß die Crisis nahe, und so bot er all seine Wissenschaft auf, die er in einem so langen Leben erlangt hatte, um sie in den verzweifelten Verwickelungen zu benutzen. Während er über die zu ergreifenden Mittel nachdachte, zog der Doctor wieder seine Aufmerksamkeit auf sich, indem er auf erbärmliche Weise seinen Beistand nachsuchte.
»Verehrungswürdiger Streifschütz, oder, wie ich jetzt sagen darf, Befreier,« begann der trübselige Obed, »es möchte scheinen, daß eine passende Zeit endlich herangekommen ist, um die unnatürliche und ganz unregelmäßige Verbindung zu brechen, die zwischen meinen unteren Gliedmaßen und dem Leibe des Asinus besteht. Vielleicht wenn solch ein Theil meiner Glieder erlöst würde, der mich zum Herrn über die übrigen machte, und ich benutzte diese günstige Gelegenheit gehörig, indem ich einen forcirten Marsch nach den Ansiedelungen anträte, möchte nicht alle Hoffnung, die Schätze der Wissenschaft zu retten, deren unwürdiger Träger ich bin, verloren sein. Die Wichtigkeit des Erfolgs ist sicherlich die Gefahr eines Versuchs werth.«
»Ich weiß nicht, weiß nicht,« entgegnete der vorsichtige Alte, »die Würmer und Reptile, die Ihr bei Euch habt, waren von dem Herrn für die Steppen bestimmt, und ich sehe keinen Nutzen, wenn sie in Gegenden geschickt werden, die ihrer Natur nicht zusagen. Und außerdem könnt Ihr von großem, ganz besondern Dienste sein, so, wie Ihr jetzt auf dem Esel sitzt, obwohl es mich nicht wundert, daß Ihr es nicht einseht, da Nützlichkeit ganz etwas Neues für so einen Bücher-Mann ist.«
»Von welchem Nutzen kann ich in diesen peinlichen Banden sein, worin die animalischen Functionen gleichsam unterbrochen, und die geistigen oder verständigen durch die geheime Sympathie, die Seele und Leib vereinigt, erblindet sind. Wahrscheinlich wird zwischen jenen beiden feindlichen Heidenhorden Blut vergossen, und so wenig sie auch den Dienst verlangen, würde es besser sein, daß ich mit chirurgischen Versuchen mich beschäftige, als so die kostbaren Augenblicke verliere, indem ich Beides, Leib und Seele nur abhärme.«
»Wenig würde eine Rothhaut sich um einen Physikus bei ihren Verwundungen kümmern, während das Kriegsgeschrei in ihren Ohren tönt. Geduld ist eine Tugend an einem Indianer und kann einem christlichen Weißen nicht zur Schande gereichen. Seht auf diese Haufen von Megären, Freund Doctor; ich verstehe mich nicht auf wilde Gemüther, wenn diese nicht blutgierig sind, und bereit, ihre verdammte Gier an uns Allen auszuüben. Nun, so lange Ihr auf dem Esel bleibt und den stolzen Blick, der Euch sonst gar nicht natürlich ist, bewahrt, kann die Furcht vor einem so großen Zauberer ihren Muth niederhalten. Ich stehe hier wie ein General bei der Eröffnung der Schlacht, und es kommt mir zu, solch einen Gebrauch von meiner Stärke zu machen, als nach meinem Urtheil Jeder am geschicktesten ist, auszuführen. Wenn ich mich darauf verstehe, werdet Ihr gerade jetzt durch Euer Antlitz nützlicher sein, als durch irgend einen andern bemerklicheren Dienst.«
»Hört, alter Streifschütz!« rief Paul, dessen Geduld bei den berechnenden und langen Erklärungen des Andern sich nicht länger halten konnte, »wie, wenn Ihr zwei Dinge, die ich Euch nennen kann, gerade abschnittet, nämlich Eure Rede, die angenehm genug bei einem wohlgebratenen Büffelschenkel ist, und diese verd– ten Hautriemen, die nach meiner Erfahrung nirgends angenehm sein können. Ein einziger Schnitt Eures Messers würde gerade jetzt von größerem Nutzen sein, als die längste Rede, die je in einem Kentucky-Gerichtssaal gehalten worden ist.«
»Ei, Gerichtssäle sind die glücklichen Jagdgründe, wie eine Rothhaut sagen würde, für die, welche keine bessere Gabe haben, als eine Lüge auf der Zunge. Ich ward selbst einst in eine dieser gesetzlosen Höhlen gebracht, und das um nichts Größeres, als die Haut eines Rehs. Der Herr vergeb' ihnen, sie wußten's nicht besser und thaten nach ihrem schwachen Verstande, und um so mehr müssen sie bemitleidet werden; und doch war es ein hoher Anblick, einen alten Mann zu sehen, der immer in freier Luft gelebt hatte, und der jetzt vom Gesetz ergriffen und als ein Schauspiel für die Weiber und Jungen einer zusammenströmenden Colonie hingestellt ward, um mit Finger auf sich deuten zu lassen.«
»Wenn das Eure löbliche Ansicht von der Einkerkerung ist, ehrlicher Freund, würdet Ihr sie besser an den Tag legen, wenn Ihr uns mit so wenig Verzug als möglich in Freiheit setztet,« sagte Middleton, der wie sein Gefährte das Zögern seines oft erprobten Genossen eben so ungewöhnlich als unangenehm zu finden begann.
»Ich würde ganz dasselbe wünschen, besonders an Eurer Stelle, Capitain, da Ihr als Soldat nicht allein Vergnügen, sondern auch Vortheil dabei finden möchtet, wenn Ihr mehr nach Eurer Bequemlichkeit die Nachstellungen und List eines indianischen Gefechts untersuchen könntet. Was Euern Freund da betrifft, so liegt nur wenig daran, wie weit er die Sache untersucht, und sich überzeugt, daß ein Indianer nicht auf dieselbe Weise besiegt werden mag, als eine Biene.«
»Alter, dies Scherzen mit unserm Unglück ist unbedacht, um ihm nicht einen schlimmern Namen zu geben.« – –
»Ei, Euer Großvater war von einem hitzigen, schnellen Gemüth, und man muß nicht erwarten, daß das Junge eines Panthers auf der Erde kriechen soll, wie das Junge eines Igels. Nun, haltet euch Beide ruhig, und was ich sage, soll das Ansehen haben, als spräch' ich von den Bewegungen dort auf dem Grunde. Das Alles muß die Eifersucht einschläfern und die Augen derer hintergehn, die selten sie schließen als über Niederträchtigkeit und Grausamkeit. Erstlich also müßt Ihr wissen, daß ich zu glauben Ursache habe, jener verrätherische Teton habe einen Befehl hinterlassen, uns Alle zu tödten, sobald er meint, es könne heimlich und ohne Aufsehen geschehen.«
»Gütiger Himmel! wollt Ihr uns wie geduldige Schaafe abschlachten lassen!«
»Hst, Capitain, hst, ein heißes Temperament ist keins von den besten, wenn List nöthiger ist, als Zuschlagen. Ah, der Pawnee ist ein edler Junge; es würde Euerm Herzen wohl thun, wenn Ihr ihn vom Flusse wegziehen sähet, um seine Feinde zum Uebergange einzuladen; und doch zählen sie, nach meinem trüben Auge zu rechnen, zwei Krieger auf einen! Aber, wie gesagt, Schnelligkeit und Ungestüm ist zu wenig nütz. Die Sachen sind so klar, daß jedes Kind ihre Weisheit einsehen kann. Die Wilden sind wegen unserer Behandlung verschiedener Meinung. Einige fürchten uns, unsrer Farbe wegen, und würden uns gerne gehen lassen; und andere möchten uns die Gnade erweisen, die das Reh vom hungrigen Wolf empfängt. Wenn Uneinigkeit in dem Rath eines Stammes entsteht, ist die Menschlichkeit selten der gewinnende Theil. Nun seht Ihr diese runzligen, grausamen Herren? – Nein, Ihr könnt sie nicht sehen, da Ihr liegt; aber dennoch, sie sind da, bereit und willig, wie eben so viele Bärinnen, um ihre Gier, sobald es Zeit ist, an uns zu stillen.«
»Hört, alter Streifschütz,« fiel Paul etwas bitter ein, »sagt Ihr uns das zu unserer Erheiterung oder zu Eurer. Wenn zu unserer, könnt Ihr Euern Athem für Eure nächste Flucht sparen, da ich schon mit meinem Theil fast bis zur Erstickung genug habe.«
»Hst,« sagte der Streifschütz und schnitt mit großer Geschicklichkeit und Schnelle die Riemen durch, welche Paul's einen Arm an seinen Leib banden, und legte zugleich sein Messer in den Bereich der befreiten Hand. »Hst, Junge, hst, das war ein glücklicher Augenblick! Das Geschrei von dem Grunde zieht die Augen dieser Blutsauger nach einer andern Seite, und so weit sind wir sicher. Nun macht den gehörigen Gebrauch von Euerm Vortheil; aber gebt Acht, daß was Ihr thut, unbemerkt geschieht.«
»Dank Euch für diese geringe Gunst, alte Vorsicht,« murmelte der Bienenjäger, »obwohl sie, wie Schnee im Mai, etwas außer der Zeit kommt.«
»Thörichter Junge,« rief mit einem Vorwurf der Andere, der sich etwas von seinen Freunden entfernt hatte und eifrig die Bewegungen der feindlichen Theile zu beobachten schien, »werdet Ihr nie die Weisheit der Geduld einsehen lernen? Und auch Ihr, Capitain, obwohl ich mich nicht sehr um bloße Gefühle kümmere, ich sehe, Ihr seid still, weil Ihr nicht ferner um eine Gunstbezeugung einen Mann bitten wollt, den Ihr so langsam in ihrer Erweisung glaubt. Ohne Zweifel, ihr seid Beide jung und von dem Stolz eurer Stärke und Männlichkeit erfüllt, und haltet es für genug, die Bande zu durchschneiden, um euch zu Herren des Platzes zu machen. Aber, wer viel gesehen hat, denkt viel. Hätte ich wie ein geschäftiges Weib geeilt, euch die Freiheit zu geben, diese Hexen von Sioux hätten es gesehen, und dann, wo wär't ihr Beide gewesen? Unter dem Tomahawk und Messer, wie hülflose, schreiende Kinder, wenn auch versehen mit der Größe und dem Barte von Männern. Fragt unsern Freund, den Bienenjäger, in welcher Lage er sich befindet, um nach so vielen Stunden der Fesseln nur mit einem Teton Jungen zu ringen, geschweige mit einem Dutzend erbarmungsloser, blutdürstiger Megären!«
»Wahr, alter Streifschütz,« entgegnete Paul und reckte die Glieder, die jetzt ganz befreit waren, und bemühte sich, die gestörte Zirkulation wieder herzustellen; »Ihr habt gewisse richtige Begriffe in diesen Dingen. Nun, hier bin ich, Paul Hover, ein Mann, der Wenigen im Ringen oder Laufen sonst nachstand, und der jetzt fast so hülflos ist, als am Tage, da ich meinen ersten Besuch im Hause des alten Paul machte, der gestorben und fort ist; der Herr vergebe ihm einige geringe Fehler, die er gemacht haben mag, während er sich in Kentucky aufhielt! Nun steht mein Fuß auf dem Boden, soweit ich meinem Auge trauen darf, und doch würde es nicht viel Redens brauchen, mich schwören zu lassen, daß er die Erde nicht berühre, daß er sechs Zoll darüber sei. Ich sag', ehrlicher Freund, da Ihr schon so viel gethan, habt die Güte, diese verd– te Vetteln, von denen Ihr so viel interessante Dinge sagt, etwas entfernt zu halten, bis ich das Blut in diesem Arm in Bewegung gebracht und im Stande bin, sie höflich zu empfangen.«
Der Streifschütz gab ein Zeichen, daß er vollkommen die Gefahr ihrer Lage verstünde, und ging auf den bejahrten Wilden zu, der anzudeuten begann, er wolle seine Aufgabe anfangen. Indeß suchte Paul soviel wie möglich den Gebrauch seiner Glieder wieder zu erlangen, und Middleton, sich in eine ähnliche Lage der Vertheidigung zu setzen. Mahtoree hatte sich in seinem Mann nicht geirrt, als er ihn zur Ausführung seines blutigen Plans ausersah. Er hatte einen von jenen erbarmungslosen Wilden gewählt, die mehr oder weniger in jedem Stamme gefunden werden, und die durch Darlegung einer Kühnheit, die ihre Quellen in einer angebornen Liebe zur Grausamkeit fand, sich einen gewissen militärischen Ruf erworben hatten. Gegen den hohen, ritterlichen Geist, der unter den Indianern der Steppen es zu einer rühmlicheren That macht, die Trophäen des Siegs von einem gefallenen Feind davon zu tragen, als ihn zu erschlagen, hatte er sich dadurch ausgezeichnet, daß er das Vergnügen, Leben zu vernichten, dem Ruhme vorzog, Beute zu machen. Während die sich mehr der Gefahr aussetzenden, ehrgeizigeren Tapfern auf ihre persönliche Ehre bedacht waren, hatte man ihn immer sich hinter ein günstiges Versteck stellen sehen, wo er die Verwundeten der Hoffnung beraubte, indem er das, was ein tapferer Krieger begonnen, vollendete. Bei allen Grausamkeiten des Stammes war er immer der Vorderste gewesen, und kein Sioux ward so gleichförmig immer auf der Seite erbarmungsloser Rathschläge gefunden.
Er hatte mit einer Ungeduld, die seine langgeübte Selbstbeherrschung nur schwer überwältigen konnte, den Augenblick erwartet, wo er die Wünsche des großen Häuptlings, ohne dessen Billigung und Schutz er nicht gewagt haben würde, einen von seiner Nation so sehr bestrittenen Schritt zu thun, ausführen möchte. Aber die Vorfälle hatten die Entscheidung zwischen den feindlichen Haufen beschleunigt, und die Zeit war jetzt gekommen, wo er, sehr zu seiner heimlichen, bösartigen Freude, frei war, was er wünschte, zu thun.
Der Streifschütz traf ihn, wie er Messer unter die wilden Weiber austheilte, die die Geschenke mit einem dumpfen, eintönigen Gesang empfingen, der den Verlust ihres Volkes in den verschiedenen Kämpfen mit den Weißen aufzählte, und die Lust und den Ruhm der Rache feierte. Der Anblick einer solchen Gruppe war schon an und für sich hinreichend, einen an solche Auftritte weniger Gewöhnten, als dies bei dem Streifschützen der Fall war, abzuschrecken, sich in den Zirkel ihrer wilden, zurückstoßenden Gebräuche zu wagen.
Jedes der Weiber, wie sie die Waffe empfing, begann einen langsamen, gemessenen, aber unergötzlichen Tanz um den Wilden, bis alle in einer Art magischer Schritte um ihn herum waren. Zu den Bewegungen bildeten gewissermaßen die Worte ihrer Gesänge den Tact, so wie dies bei ihren Geberden durch die Ideen geschah. Wenn sie von ihrem eigenen Verlust sprachen, warfen sie ihre langen, straffen grauen Haare in die Luft, oder ließen sie verwirrt auf ihren gealterten Nacken fallen; aber als die Lust, Schlag mit Schlag zu erwiedern, berührt ward, antworteten sie darauf durch ein Geheul, und durch Geberden, welche hinlänglich die Art ausdrückten, wie sie sich auf die nöthige Höhe der Wuth hinaufreizten.
Gerade in den Mittelpunct dieses Ringes von scheinbaren Höllengeistern trat der Streifschütz jetzt mit derselben Ruhe und Ueberlegung ein, mit der er in eine Dorfkirche gegangen sein würde. Keine andere Veränderung ward durch seine Erscheinung hervorgebracht, als daß die drohenden Geberden mit einem, wo möglich noch weniger zweideutigen Ausdruck ihrer unerbittlichen Vorsätze erneuert wurden. Der alte Mann gab ihnen ein Zeichen, aufzuhören, und fragte:
»Warum singen die Mütter der Teton mit bitteren Zungen? Die Pawnee-Gefangenen sind noch nicht in ihrem Dorf, ihre jungen Leute sind noch nicht mit Schädeln beladen zurückgekommen!«
Ihm ward durch ein zweites allgemeines Geheul geantwortet, und einige der kühnsten Furien wagten ihm selbst Vorwürfe zu machen, indem sie ihre Messer in einer gefährlichen Nähe an seinen unwandelbaren Augen vorbeischwangen.
»Es ist ein Krieger, den ihr vor euch seht, und kein Flüchtling von den Langmessern, dessen Gesicht bei'm Anblick des Tomahawk's blasser wird,« entgegnete der Streifschütz, ohne eine Muskel zu verziehen, »Mögen die Sioux-Weiber bedenken; wenn eine Weißhaut stirbt, springen Hunderte auf, wo sie gefallen ist.«
Noch gaben die Weiber keine andere Antwort, als daß sie ihre Eile im Kreis herum vermehrten, und gelegentlich die drohenden Ausbrüche ihres Sangs in lauteren, verständlicheren Noten erhoben. Plötzlich brach eine der ältesten und wildesten von ihnen allen aus dem Kreis, und eilte fort nach ihren Opfern wie ein Raubvogel, der auf schweren Flügeln lange genug sich geschwenkt, um sich seines Gegenstandes zu versichern und endlich auf seinen Raub losschießt. Die andern folgten, eine ungeordnete, schreiende Heerde, fürchtend, sie möchten zu spät kommen, um ihren Theil an der blutigen Lust für sich zu nehmen.
»Mächtiger Zauberer meines Volkes!« rief der Alte in der Teton-Sprache, »erhebe deine Stimme und sprich, daß das Sioux-Volk möge hören.«
Entweder hatte Asinus durch seine früheren Erfahrungen so viel Kenntniß erlangt, daß er den Werth seiner sonoren Eigenthümlichkeiten kannte, oder das sonderbare Schauspiel von einem Dutzend Megären, die an ihm vorübereilten, und die Luft mit Tönen erfüllten, die selbst den Ohren eines Esels empfindlich waren, rührten sein Gemüth am meisten: soviel ist gewiß, das Thier that, was Obed hätte thun sollen, und wahrscheinlich mit weit größerem Effect, als wenn der Naturforscher die mächtigsten Anstrengungen gemacht, um gehört zu werden. Es war das erste Mal, daß das sonderbare Thier seit seiner Ankunft im Lager gesprochen. Durch so furchtbaren Ruf gewarnt, zerstreuten sich die Furien, wie erschreckte Geier, von ihrem Raub, immer noch schreiend, und nur halb von ihrem Vorsatz abgelenkt.
Mittlerweile hatte die plötzliche Erscheinung und Nähe der Gefahr das Blut in Paul's und Middletons Adern mehr als alle ihre mühsamen Reibungen und physischen Versuche in Bewegung gesetzt. Der Erstere war wirklich aufgesprungen, und nahm eine Stellung an, die vielleicht mehr drohte, als der Bienenjäger auszuführen im Stande war, und selbst der Letztere hatte sich auf seine Kniee erhoben, und seine Absicht verrathen, sein Leben zu vertheidigen. Die unerklärliche Befreiung der Gefangenen von ihren Banden ward von den Weibern den Beschwörungen des Zauberers zugeschrieben, und dieser Irrthum war vielleicht von eben so vielem Nutzen, als die wunderbare und zeitige Einsprache des Esels zu ihren Gunsten.
»Nun ist's Zeit, aus unserm Versteck hervorzukommen,« rief der Alte, und eilte zu seinen Freunden; »jetzt müssen wir offenen, mannhaften Krieg führen. Es würde klug gewesen sein, den Kampf aufzuschieben, bis der Capitain sich in besserer Lage befunden, um uns beizustehen, aber da wir unsere Batterie demaskirt haben, ei, so müssen wir den Platz behaupten.«
Er ward von der Berührung einer gigantischen Hand auf seiner Schulter unterbrochen. Er wendete sich mit einem wirren Gefühl, daß Todtenbeschwörung nun wirklich an dieser Stelle los wäre, um, und fand sich in den Händen eines nicht weniger gefährlichen und mächtigen Zauberers, als Ismael Busch. Die Reihe von des Auswanderers wohlbewaffneten Söhnen, die man hinter dem nahstehenden Zelt Mahtoree's hervorkommen sah, zeigte mit einem Mal nicht nur die Art, wie ihre Nachhut umgangen worden, während ihre Aufmerksamkeit so ernstlich auf die Dinge vor ihnen gerichtet gewesen, sondern auch die gänzliche Unmöglichkeit, Widerstand zu leisten.
Weder Ismael noch seine Söhne hielten es für nöthig, in weitläufige Erklärungen einzugehen. Middleton und Paul wurden wieder gebunden, mit ausserordentlicher Stille und Schnelligkeit, und dies Mal ward selbst nicht der alte Streifschütz mit einem ähnlichen Schicksal verschont. Das Zelt wurde abgebrochen, die Frauen kamen auf die Pferde, und das Ganze machte sich auf den Weg nach des Auswanderers Lagerung, Alles mit einer Eile, die wohl auf den Gedanken eines Zaubers hätte bringen mögen.
Während dieser summarischen, kurzen Anordnung der Dinge sah man den getäuschten Helfershelfer Mahtoree's und seine wilden Gefährtinnen über die Ebene in der Richtung der fliehenden Familien hineilen, und als Ismael die Stelle mit seinen Gefangenen und seiner Beute verließ, ward sie, die eben noch von dem Geräusch und dem Leben einer großen indianischen Lagerung so erfüllt gewesen, so still und leer, wie jeder andere Ort in diesen weiten Wüsten.